SONDERAUSGABE WERKZEUGBAU - STUDIE "TOOLING IN AUSTRIA" des WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer IPT ab Seite 23 - Der Kunststoff-Cluster

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SONDERAUSGABE WERKZEUGBAU - STUDIE "TOOLING IN AUSTRIA" des WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer IPT ab Seite 23 - Der Kunststoff-Cluster
DAS MAGAZIN DER KUNSTSTOFF-BRANCHE

                                 Sonderausgabe – Dezember 2020

                                                                      SONDERAUSGABE
                                                                      WERKZEUGBAU
                                                                       STUDIE „TOOLING IN AUSTRIA“
                                                                       des WZL der RWTH Aachen und des
                                                                       Fraunhofer IPT ab Seite 23.
Bild: © Business Upper Austria

                                                                                    www.kunststoff-cluster.at
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SONDERAUSGABE WERKZEUGBAU - STUDIE "TOOLING IN AUSTRIA" des WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer IPT ab Seite 23 - Der Kunststoff-Cluster
EDITORIAL

                                                                                                      Bild: © Business Upper Austria
Ein besonderes „Werkzeugbau-Jahr“
Vor drei Jahren entstand die Idee, den Werkzeugbau in Österreich mit einer Studie zu hinter-
                                                                                                                                       INHALT
leuchten. Um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, sollte es ein besonderes Jahr sein, also
                                                                                                                                       STATEMENTS
entschieden wir, im Jahr 2020 gemeinsam mit dem Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH
                                                                                                                                       Stimmungsbarometer 		                        4
Aachen diese Aufgabe anzugehen. „Tooling in Austria 2020“ zeigt, was der Formen- und Werk-
zeugbau in Österreich leistet, wo dessen Besonderheiten, Schwächen und Herausforderungen
                                                                                                                                       INTERVIEW
liegen.
                                                                                                                                       Offen für neue Technologien sein             8
                                                                                                                                       Quereinsteigerin familiär motiviert          9
2020 sollte aber nicht nur ein besonderes Jahr aufgrund der Veröffentlichung unserer Werk-
zeugbau-Studie werden, sondern ein besonderes Jahr für alle Menschen weltweit.
                                                                                                                                       PROJEKT
Zu Beginn wollten wir lediglich eine Studie im Werkzeugbau schreiben, dann kam im März 2020
                                                                                                                                       Additive Fertigung:
der Lockdown und wir entschieden aufgrund der Absage aller Messen, Veranstaltungen und
                                                                                                                                       Erfolgsfaktoren erforscht 		          10
Präsentationsmöglichkeiten für Unternehmen, ein umfangreiches Printmedium zu gestalten,
                                                                                                                                       NextMould: Additive Fertigung von
das den österreichischen Formen- und Werkzeugbau von seinen unterschiedlichsten Seiten und
                                                                                                                                       Aluminium-Hybrid-Werkzeugen mit
­Facetten zeigt.
                                                                                                                                       verschleißbeständiger DLC-Dickschicht 11
 In Zeiten, in denen gesamte Lieferketten infrage gestellt wurden und die Nahversorgung – auch
                                                                                                                                       NextMould: Use Case von Miraplast
 im Werkzeugbau – wieder mehr ins Rampenlicht rückte, wollten wir ein Zeichen setzen und
                                                                                                                                       verbindet die ersten Erkenntnisse und
 präsentieren Ihnen mit dieser Sonderausgabe nicht nur eine zukunftsträchtige Branche, sondern
                                                                                                                                       Versuche 				12
 auch Unternehmen, die verstanden haben, dass Kooperationen die eigene Wettbewerbsfähig-
 keit stärken, egal was kommt.
                                                                                                                                       AUSBILDUNG
 Der Werkzeugbau wird sich, wie viele andere Branchen auch, in den nächsten Jahren immer
                                                                                                                                       Die unterschätzte Disziplin 		               14
 wieder neu erfinden und sich weiterentwickeln müssen, um im internationalen Umfeld wettbe-
 werbsfähig zu bleiben. Es reicht nicht zu sagen, wir sind technologisch gut aufgestellt, haben gut
                                                                                                                                       BEST PRACTICE
 ausgebildete Mitarbeiter*innen und erzeugen Hightech-Werkzeuge. Dennoch blicken wir zuver-
                                                                                                                                       Wien leuchtet schöner – Dank
 sichtlich in die Zukunft, denn wir wissen, dass die österreichischen Unternehmen – gerade im
                                                                                                                                       HSC-Frästechnik aus Abtenau		    16
 Formen- und Werkzeugbau – lange Historien aufweisen, bodenständige, fleißige, kreative und
                                                                                                                                       Schmetterling als Handyhalterung 17
 engagierte Mitarbeiter*innen beschäftigen, die auch die Herausforderung der nächsten Jahre
                                                                                                                                       Werkzeuge für PVC und
 kritisch hinterleuchten und gut bewältigen werden.
                                                                                                                                       dickwandige Spritzgussteile		    18
                                                                                                                                       Experte für mikroskopisch kleine
Auf Veränderungen zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen
                                                                                                                                       Bauteile für Medizinbranche		    19
und auf ein Schiff zu warten. (Unbekannt)
                                                                                                                                       Werkzeugbau in Symbiose mit
Wir sind stolz darauf, Partnerunternehmen im Kunststoff-Cluster zu haben, die seit mehr als 20
                                                                                                                                       Produktionsbetrieb			20
Jahren zeigen, dass wir gemeinsam stärker sind, gemeinsam Veränderungen tatkräftig angehen
                                                                                                                                       Geisterschicht bei Nacht		       21
und beweisen, dass „Innovation durch Kooperation“ entsteht. Uns ist bewusst, dass wir uns ab-
seits der Normalität befinden, die wir uns alle wieder wünschen, aber wir als Kunststoff-Cluster
                                                                                                                                       STUDIE „TOOLING IN AUSTRIA“                  23
werden unseren Beitrag dazu leisten, die Unternehmen tatkräftig zu unterstützen, wenn es dar-
um geht, „Neues“ in Projekten auszuprobieren und sich den Anforderungen, Regulationen sowie
                                                                                                                                       KUNSTSTOFF-CLUSTER
Veränderungen in den nächsten Jahren zu stellen.
                                                                                                                                       PARTNER IM WERKZEUGBAU                       77
Wir schätzen den Zusammenhalt unserer Partnerunternehmen. Dieser Zusammenhalt war auch
in den vergangenen Monaten immer zu spüren und wird uns helfen, die Erfolgsgeschichte der                                              IMPRESSUM			                                 99
vergangenen Jahre weiterzuschreiben, nicht in den nächsten Monaten oder Jahren, aber be-
stimmt in naher Zukunft.

Doris Würzlhuber,                                          Martin Ramsl,
Projekt-Managerin Kunststoff-Cluster,                      Projekt-Manager Kunststoff-Cluster,
Büro Linz                                                  Büro St. Pölten

                                                                                                                                       KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020        3
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STATEMENTS

    Stimmungsbarometer
    Trotz der Corona-Krise blickt der heimische Werkzeugbau durchaus optimistisch in
    die Zukunft. Einhellige Meinung: Die Unternehmen sind gut aufgestellt. Wer sich der
    dynamischen Entwicklung und der Automatisierung verschließt, könnte auf der Stre-
    cke bleiben.

                                                       „Der Werkzeugbau in Europa befindet sich in einem ständigen Umbruch: Es kann
                                                   schon lange nicht mehr vom Werkzeugmacher, als handwerklich geprägtes Berufsbild,
                                                   gesprochen werden, der wie vor 30 Jahren ein komplettes Werkzeug gefertigt hat. Wir
                                                     sind mit einer enorm gesteigerten Komplexität der Bauteile, der Fertigungsprozesse
                                                     und somit der Werkzeuge konfrontiert. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit einer
                                                     drastischen Verkürzung der Durchlaufzeiten, der Wunsch nach mehr Flexibilität und
                                                     die Forderung nach signifikanter Reduktion der Kosten in einem nun globalen Wett-
                                                    bewerb. Das enorm wertvolle Potenzial der Mitarbeiter*innen weiterzuentwickeln, um
                                                    es auch erfolgreich und zukunftsfähig einzusetzen, ist eine der größten Herausforde-
                                                    rungen. Ähnlich, wie vor Jahrzehnten der Wechsel vom Zeichenbrett zur CAX-Lösung
                                                     vollzogen wurde, geht es nun darum, die vielschichtigen Chancen der Digitalisierung
                                                      und Automatisierung tatsächlich erfolgreich zu nutzen, um zukünftig zu bestehen.“

       Gerald Schöfer, Geschäftsführer
       der Schöfer GmbH

                                 Bild: © Schöfer GmbH

                „Für mich stellen sowohl die additive Werkzeugfertigung von Metalleinsätzen als
                 auch die von Polymerformeinsätzen wesentliche Schlüsseltechnologien dar. In
              Hinblick auf die nächsten 10 Jahre denke ich, dass der Automatisierungsgrad in der
               Werkzeugherstellung stetig steigt und die Additive Fertigung stark dazu beitragen
             wird. Für die additive Werkzeugfertigung im Metallbereich wird sich meiner Meinung
              nach klar das Selektive Laserschmelzverfahren als zukünftige Standardtechnologie
             etablieren. Für die Herstellung von Polymerformeinsätzen haben aufgrund der hohen
               Genauigkeit für mich derzeit und auch zukünftig die Stereolithografieverfahren die
             größte Bedeutung. Aus Kostensicht werden aber auch das Selektive Lasersintern und
                     das Extrusionsschmelzverfahren durchaus ihre Berechtigung haben.“

                                   Thomas Mitterlehner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Polymer-Spritzgießtechnik
                                   und Prozessautomatisierung (IPIM) der Johannes Kepler Universität
                                                                                                                                    Bild: © privat

4   KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020
SONDERAUSGABE WERKZEUGBAU - STUDIE "TOOLING IN AUSTRIA" des WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer IPT ab Seite 23 - Der Kunststoff-Cluster
STATEMENTS

   „Die aktuelle Auftragslage der Werkzeugbauer variiert. Neben der kurzfristigen Eintrü-
   bung durch Corona kämpft der eine oder andere Werkzeugbauer mit der anhaltenden
    negativen Situation im Automobilbereich. Bewundert habe ich, wie schnell man 2020
   auf den Bedarf an neuen Produkten reagiert hat. Viele Werkzeugbauer haben ihre Pro-
    duktion modernisiert und in ihre Prozesse investiert – das Schlagwort heißt Automa-
   tisierung. HASCO wird auch in den kommenden drei bis fünf Jahren durch Know-how,
     Qualität und Schnelligkeit überzeugen können. Dann werden wir alle gemeinsam in
        den harten Preiskämpfen, auch mit ausländischen Wettbewerbern, bestehen.“

                                                                                               Elfriede Hell, Geschäftsführerin
                                                                                               der HASCO Austria GmbH

                                                                                                                               Bild: © Hasco

                                       „Der österreichische Werkzeugbau hat wegen des dualen Ausbildungssystems weltweit
                                         einen guten Ruf. Spritzgießwerkzeuge und Technik aus Österreich überzeugen trotz
                                        teilweise langer Lieferzeiten durch Qualität, Innovation und Handschlagqualität bei der
                                         Geschäftsabwicklung. Der Wert eines Unternehmens sind die Mitarbeiter*innen. Wer
                                        Motivation, Einsatzfreude und Teamspirit hochhält, wird weiterhin erfolgreich sein. Der
                                            Lehrberuf Metalltechniker*in ist eine optimale Basis für viele technische Berufe.“

Christian Hefner, Geschäftsführer
der ACH Solution GmbH

                        Bild: © ACH Solution

       „Bei Haidlmair waren wir stets am Zahn der Zeit und haben uns in den letzten
      Jahren erlaubt, auch eigene Entwicklungen in Digitalisierung, oder auch unsere
     Flat Die Unit (FDU), auf dem Markt einzubringen. Zusätzlich arbeiten wir ständig
     an der Weiterentwicklung der Werkzeugtechnologie mit Laser-Cusing und CNC-
     Auftragsschweißen von verschiedenen Materialien, um die Energie im Werkzeug
     bestmöglich zu optimieren. Dadurch leisten wir unseren Beitrag für die Nachhal-
     tigkeit durch Productivity for Sustainability. Der für uns wichtigste Punkt war vor
            40 Jahren der gleiche wie heute, zusätzlich wird es auch noch in den
                kommenden 40 Jahren der Erfolgsbaustein schlechthin sein.
                       Es handelt sich um unsere Mitarbeiter*innen.“

                                                                                          Mario Haidlmair, Geschäftsführer der
                                                                                          Haidlmair GmbH
                                                                                                                            Bild: © Haidlmair

                                                                                                KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020      5
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                                                   „Kleine Losgrößen, unterschiedliche Teilegeometrien und höchste Genauigkeiten
                                                 machen es im Formen- und Werkzeugbau schwieriger, die Automationskonzepte aus
                                                 der Serienfertigung oder der Lohnfertigung 1:1 anzuwenden. Mit der Standardisierung
                                                  der Werkzeuge und Vorrichtungen, CAM-Programmierung sowie der Simulation der
                                                  NC-Programme werden wichtige Voraussetzungen geschaffen. In den kommenden
                                                  Jahren gilt es, die Kosten zu senken. Dazu müssen diese Stellhebel und die Roboter
                                                                               optimal zusammenspielen.“

       Hubert Pesendorfer, Geschäftsführer
       der Promot Automation GmbH

                                            Bild: © Promot

           „Unser schlagkräftiger, technologisch gut ausgestatteter, interner Werkzeugbau ist das
         Rückgrat für die produktive Fertigung im Spritzguss mit bis zu 1.600 Tonnen Schließkraft.
         Zu den neuen Technologien wird in Zukunft sicherlich die Additive Fertigung dazu gehören.
             Man darf sich zwar nicht erwarten, dass dadurch eine Form fertig aus dem Drucker
                 kommt, aber ich bin überzeugt, dass irgendwann ein 3D-Drucker fix in die
                                        Fertigungskette integriert ist.
          Derzeit sind die Anlagen und Materialien noch sehr teuer, aber ähnlich war dies auch bei
                 den Drahtschneidemaschinen: anfangs sehr teuer, mittlerweile Standard.“

                                                                                                     Roland Tiefenböck, Geschäftsführer
                                                                                                     der rt-cad Tiefenböck GmbH

                                                                                                                                       Bild: © rt-cad

                                                  „Wir sind aufgrund unseres langjährig aufgebauten und erfahrenen Mitarbeiterstammes
                                                   und der dazu getätigten Investitionen der letzten Jahre in Knittelfeld sehr optimistisch
                                                    für die nahe Zukunft. Unsere Aufträge im Werkzeugbau und Kunststoffspritzguss in
                                                   Serie können wir attraktiv in verschiedensten Technologiebereichen bedienen und ha-
                                                  ben dadurch einen sehr umfangreichen und aktuellen Wissensstand, da unsere Kunden
                                                                        immer am letzten Stand der Technik agieren.
                                                     Diese sind neben Automobilanwendungen (Sicherheitstechnik, Autonomes Fahren
                                                     sowie E-Mobility) über Elektrotechnikkomponenten der Leistungselektronik bis zur
                                                                                Medizintechnik breit gefächert.
                                                  Der weitere Handlungsbedarf muss darin bestehen, diese Leidenschaft mit ambitionier-
                                                   ten Mitarbeiter*innen und Fördermöglichkeiten speziell für junge Facharbeiter*innen
                                                      voranzutreiben, um hier im internationalen Umfeld auch langfristig zu bestehen.“

        Harald Walzl, Vertrieb/Entwicklung,
        Promotool Formenbau GmbH

                                        Bild: © PROMOTOOL

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                                              „Aktuell können wir auf unserer Plattform das gesamte Leben eines Werkzeuges
                                               begleiten. Von der ersten Produktidee bis zur Ausmusterung dokumentieren wir
                                               Zustandsdaten des Werkzeuges und ermöglichen unseren Kunden, immer den
                                               Überblick betreffend Leistungskennzahlen und Zustand des Werkzeuges zu be-
                                              halten. In Zukunft werden diese Daten die Basis für die Kommunikation zwischen
                                              den Teilnehmern des Spritzgussprozesses sein. Das Werkzeug wird der zentrale
                                                             Koordinator sein, der als Treiber im Prozess agiert.“

Julian Resch, Geschäftsführer
der Digital Moulds GmbH
                    Bild: © Digital Moulds

           „Unsere Vision für 2030: Mit dem umfassenden Digitalen Zwilling der Teile,
      Ressourcen und Systeme werden hocheffiziente Produktionsprozesse gesteuert.
        Einer der größten Vorteile des umfassenden Digitalen Zwillings ist die Flexibili-
        tät des integrierten Prozesses. Sie können schnell auf notwendige Änderungen
      reagieren und Unterbrechungen im Prozess vermeiden. Falls es zum Beispiel eine
      Konstruktionsänderung gibt, oder wenn ein anderes Schneidwerkzeug verwendet
       werden soll, oder wenn der Auftrag auf einer anderen CNC-Maschine ausgeführt
         werden muss, können Aktualisierungen in jeder Phase des Prozesses einfach
       durchgeführt werden. Diese Änderungen werden automatisch durch den gesam-
       ten Prozess weitergegeben und aktualisieren die digitale Maschineneinrichtung,
          die programmierten CNC- und manuellen Maschinenoperationen bis in die
       Fertigung. Neuprogrammierung, separate Werkzeugdatenbanken oder manuelle
       Nacharbeit, wie wir sie in traditionellen Maschinenwerkstätten sehen, entfallen.“

                                                                   Thomas Willinger, Bereich Business Development & PreSales,
                                                                   Siemens Industry Software GmbH

                                                                                                                              Bild: © Siemens

                                              „Der österreichische Werkzeug- und Formenbau hat viele Stärken, aber auch
                                               einige Schwächen. Das Potenzial an sehr gut qualifizierten und erfahrenen
                                              Mitarbeiter*innen ist ebenso ein Pluspunkt wie der gute Branchenmix und das
                                               Denken in Geschäftsmodellen. Erschwernisse sind die eher handwerklichen
                                              Strukturen bei den ‚Kleinen‘ und die große Diskrepanz zwischen den großen
                                             Unternehmen und den ‚Kleinen‘. Außerhalb der „Werkzeugbau-Ballungszentren“
                                                       ist es auch schwierig, den Bedarf an Fachkräften zu decken.“

Rudolf Zwicker, Geschäftsführer der
Dr. R. Zwicker TOP Consult GmbH

                                  Bild: © Zwicker

                                                                                                 KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020     7
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INTERVIEW

                                       „Offen für neue Technologien sein“
                                       Das Kremstal in Oberösterreich ist absoluter Hotspot für den Formen- und Werkzeugbau. Wir sprachen mit Unternehmer Chris-
                                       toph Brandt, der 2019 den seit mehr als 30 Jahren bestehenden Werkzeugbau übernommen hat, über Chancen und Herausfor-
                                       derungen des Werkzeugbaus in Österreich und die Vorteile als Cluster-Partner.

                                                                                    Ihr Betrieb hat sich in den vergangenen          Wie beurteilen Sie die Fähigkeit des ös-
                                                                                    zwei Jahren stark verändert. Sie haben           terreichischen Formen- und Werkzeug-
                                                                                    nicht nur in neue Maschinen und Auto-            baus generell? Wo sehen Sie Stärken,
                                                                                    mation investiert sondern auch mehr              Schwächen, Möglichkeiten und Risiken?
                                                                                    Platz für den Werkzeugbau geschaffen.            Wir in Österreich sind bei der Qualität vorne
                                                                                    Was ist Ihnen für Ihr Unternehmen be-            mit dabei. Damit wir das auch noch zu ei-
                                                                                    sonders wichtig? Worauf legen Sie per-           nem annehmbaren Preis umsetzen können,
                                                                                    sönlich wert?                                    ist die Automatisierung ein wesentlicher
                                                                                    Da es in unserem Bereich auf höchste Prä-        Bestandteil. Hier sind wir natürlich bestrebt,
                                                                                    zision ankommt, sind der passende Ma-            immer mehr Arbeitsgänge zu automati-
                                                                                    schinenpark und das Arbeitsumfeld jedes          sieren. Für die Zukunft wird es für uns in
                                                                                    Mitarbeiters entscheidend. Nur wenn sich         Österreich wichtig sein, dass wir für neue
                                                                                    die Mitarbeiter wohl fühlen, werden sie To-      Technologien offen sind und diese auch vo-
                                                                                    pleistungen abliefern. Deswegen haben wir        rantreiben. Dazu wird es gerade für uns als
                                                                                    unsere ganze Firma klimatisiert und die          kleiner Betrieb nicht möglich sein, alle Tech-
Bild: © Business Upper Austria

                                                                                    Arbeitsplätze hell und freundlich mit viel       nologien selber im Haus zu haben, umso
                                                                                    natürlichem Licht gestaltet. Um in Zukunft       wichtiger wird es deswegen werden, dass
                                                                                    auch weitere Automatisierungsprojekte um­-       wir noch mehr zusammenarbeiten.
                                                                                    setzen zu können, haben wir den jetzigen
                                                                                    Zubau bewusst etwas größer ausfallen las-        Seit August 2001 – also seit fast 20 Jah-
                                                                                    sen. Besonderen Wert lege ich darauf, dass       ren – ist Brandt Partner im Kunststoff-
                                                                                    unsere Kunden mit unserer Arbeit zufrieden       Cluster und beteiligt sich aktiv im Netz-
                                                                                    sind. Da wir mit den meisten bereits eine        werk und an Kooperationsprojekten.
                                                                                    langjährige Partnerschaft aufgebaut haben,       Welche Vorteile bringt das für Ihr Unter-
                                                                                    erleichtert das auch die Zusammenarbeit          nehmen mit seinen 27 Mitarbeitern?
                                                                                    enorm.                                           Als kleines Unternehmen könnten wir uns
                                 „Als kleines Unternehmen könnten
                                                                                                                                     ohne den Kunststoff-Cluster nicht an Projek­-
                                 wir uns ohne den Kunststoff-Clus-                  Was macht Brandt aus? Was können Sie             ten wie NextMould beteiligen. Auch wenn
                                   ter nicht an Projekten wie Next-                 gut, was macht Sie stolz?                        hier teilweise Mitbewerber in einer Gruppe
                                          Mould beteiligen.“                        In unserem Werkzeugbau können wir kom-           beteiligt sind, wird im Verbund sehr gut zu-
                                                                                    plexe Spritzgusswerkzeuge bis zu einem           sammengearbeitet.
                                               (Christoph Brandt)
                                                                                    Gewicht von ca. 4000 kg bauen. Neben dem
                                                                                    höchsten Qualitätsanspruch hat für uns die       Was wünschen Sie sich für die Zukunft
                                                                                    Liefertermintreue absolute Priorität. Um         Ihres Unternehmens?
                                                                                    diese auch immer wirklich einhalten zu kön-      Auch wenn die Krise uns bis jetzt noch nicht
                                                                                    nen, planen wir mit Hilfe unseres ERP-Sys-       so stark getroffen hat, wünsche ich mir,
                                                                                    tems jeden einzelnen Arbeitsschritt. Somit       dass es generell mit der Wirtschaft bald
                                                                                    können wir zu jeder Zeit genau sagen, wie        wieder bergauf geht. Da bei uns in letzter
                                                                                    die Auslastung der einzelnen Bereiche in         Zeit das Geschäft immer kurzfristiger ge-
                                                                                    der nächsten Zeit ist. Um das zu gewährleis-     worden ist, wünsche ich mir auch wieder
                                                                                    ten, braucht es eine hervorragende Beleg-        mehr Planungssicherheit.
                                                                                    schaft, auf die wir natürlich sehr stolz sind.
                                                                                    Viele unserer Mitarbeiter haben als Lehrlin-     www.brandt.co.at
                                                                                    ge begonnen.

                                 8     KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020
SONDERAUSGABE WERKZEUGBAU - STUDIE "TOOLING IN AUSTRIA" des WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer IPT ab Seite 23 - Der Kunststoff-Cluster
INTERVIEW

                        Quereinsteigerin familiär motiviert
                        Stefanie Bettel ist Geschäftsführerin der Mack GmbH, einem Familienbetrieb mit internem Werkzeugbau und Spritzgussfertigung
                        in Altenmarkt an der Triesting in Niederösterreich. Sie beweist jeden Tag, dass dynamische Frauen richtig anpacken können.

                                                                   Ihr Unternehmen mit 20 Mitarbeitern ist         Was gefällt Ihnen besonders an der Arbeit?
                                                                   wie so viele in der Branche ein Familien-       Das Erschaffen. Und das dürfen wir jeden
                                                                   betrieb. War es schon immer Ihr Plan, ei-       Tag machen. Die Vielfalt des Kunststoffs
                                                                   nes Tages selbst einzusteigen?                  lässt uns selbst oft staunen und die Möglich-
                                                                   Meine beiden Geschwister und ich haben          keiten wirken unendlich.
                                                                   schon als Kinder viel Zeit in der Firma ver-
                                                                   bracht. Meine Eltern haben es aber grandios     Was ist Ihnen im Unternehmen wichtig?
                                                                   gelöst, uns Kindern die freie Wahl zu lassen.   Worauf legen Sie speziell wert?
                                                                   Ich habe Sportwissenschaften fertig stu-        Wir versuchen, je nach Anforderungen an das
                                                                   diert und während des Studiums schon et-        Produkt, die optimale Lösung für den Kunden
                                                                   was im Betrieb mitgearbeitet.                   zu finden und sie flexibel zu betreuen. Dabei
                                                                   Nach Studienende 2005 war die Einstiegs-        hilft uns die langjährige Erfahrung aus den
                                                                   hürde daher schon so gering, dass ich           unterschiedlichsten Branchen.
                                                                   mich ganz in den Familienbetrieb gestürzt       Wichtig sind unsere Mitarbeiter. Seit 32 Jah-
                                                                   habe. Mein technisches Wissen konnte ich        ren bilden wir unsere Facharbeiter selber aus.
                                                                   mir durch meinen Vater und unseren Mit-         Ziel einer jeden Lehrlingsausbildung ist es,
                                                                   arbeiter Patrick Scheibenreiter aneignen.       die jungen Menschen bei uns zu halten und
Bild: © Mack GmbH

                                                                   Viele spezifische Seminare und Fachaus-         ihnen jeden Tag einen abwechslungsreichen,
                                                                   bildungen haben meinen Grundstock im            spannenden und interessanten Arbeitsplatz
                                                                   riesigen Bereich der Kunststoffverarbeitung     zu bieten. Aktuell haben wir vier Lehrlinge,
                                                                   verbreitert. 2010 haben Patrick und ich die     darunter eine junge Frau, in den Bereichen
                                                                   Geschäftsführung der Firma übernommen.          Werkzeugbau und Kunststoffverarbeitung.

                                                                   Was hat letztlich den Ausschlag gege-           Worauf sind Sie in Ihrem Unternehmen
                                                                   ben, ins Unternehmen einzusteigen?              stolz?
                                                                   Ich habe es immer schon bewundert, dass         Auf die Möglichkeit, unsere Kunden von der
                      „Viele spezifische Seminare und
                                                                   mein Vater Produkte erschafft.                  Produktentwicklung bis zur Endfertigung
                     Fachausbildungen haben meinen                 Nach dem langen Weg der Konstruktion            (Digital-Druck, Folienheißprägung und Mon-
                    Grundstock im riesigen Bereich der             über den Werkzeugbau bis in die Kunst-          tagen) unter einem Dach zu begleiten. Mein
                    Kunststoffverarbeitung verbreitert.“           stofftechnik dann ein fertiges Produkt in       Vater war in seiner aktiven Zeit bereits An-
                                                                   Händen zu halten, ist das Spannende daran.      laufstelle für diverse Entwicklungsprodukte
                                (Stefanie Bettel)
                                                                   Auch der tägliche Umgang mit den Mitar-         und dieses „Steckenpferd“ verfolgen wir in-
                                                                   beitern, den Kunden, den Lieferanten und        tensiv weiter. Unser Entwicklungsprozess ist
                                                                   den Branchenkollegen macht die Aufgabe          sogar ISO-zertifiziert.
                                                                   abwechslungsreich. Ein Faktor war auch
                                                                   die breite Akzeptanz: Als Branchenfremde        Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
                                                                   so schnell in den Kreis der Spezialisten auf-   So, wie es aktuell läuft, lässt das fast keine
                                                                   genommen zu werden, war eine zusätzliche        weiteren Wünsche offen. Ich hoffe, dass wir
                                                                   Motivation. Ein großes Lob an dieser Stelle     weiterhin so eine tolle und freundliche Zu-
                                                                   an meine Eltern. Sie haben uns 2010 das         sammenarbeit mit unseren Kunden haben.
                                                                   Ruder in die Hand gegeben, sich zurückge-       Und dass wir weiter so viel Freude an unse-
                                                                   zogen und uns vertraut.                         rem täglichen Tun haben.

                                                                                                                   www.mack.co.at

                                                                                                                     KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020     9
SONDERAUSGABE WERKZEUGBAU - STUDIE "TOOLING IN AUSTRIA" des WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer IPT ab Seite 23 - Der Kunststoff-Cluster
PROJEKT

      Additive Fertigung:
      Erfolgsfaktoren erforscht
      Das vom Kunststoff- und Mechatronik-Cluster gestartete CORNET-Projekt „AM 4 Industry“ ist
      abgeschlossen. Das Projektkonsortium hat die aufschlussreichen Erkenntnisse zum erfolg-
      reichen Einsatz additiver Fertigungsverfahren in der Industrie veröffentlicht.

      Additive Prozesse finden zunehmend Einzug          Kostenloses Handbuch
      in die industrielle Fertigung. Basierend auf 3D-   Das Institut für Polymer-Spritzgießtechnik und
      Modell-Daten erlauben additive Produktionsver-     Prozessautomatisierung an der Johannes Kep-
      fahren eine automatisierte schichtweise Erstel-    ler Universität Linz hat gemeinsam mit den Un-
      lung von Teilen aus Kunststoffen, Metallen und     ternehmenspartnern Engel, ZKW, Schöfer und
      Keramiken. Umgangssprachlich als 3D-Druck          Horitschoner Werkzeugbau die Auslegung und
      bezeichnet, ermöglichen die Technologien die       Simulation von konturnahen Kühlkanälen mit-
      Fertigung komplexer Strukturen, die nicht kon-     tels der Open-Source-Software OpenFoam®
      ventionell hergestellt werden können und er-       erforscht sowie die Machbarkeit von polierten
      möglichen damit neue Produkteigenschaften          Oberflächen untersucht. Die Wissenschaftler

                                                                                                                                                           Bild: © FOTEC
      und Funktionen.                                    haben den Prozess ausführlich und praxisnahe
                                                         in einem Handbuch beschrieben, um Praktikern
      Vielfältige Erfolgsfaktoren                        in der Entwicklung, Simulationsingenieuren
                                                                                                                       Einsatz für Spritzgusswerkzeug
      Während einige Unternehmen additive Tech-          und Studierenden einen anwendungsorien-
      nologien bereits gewinnbringend einsetzen,         tierten Einstieg sowie einen Überblick über die
      kämpfen andere mit der Einbettung in die           Arbeit mit OpenFoam® zu ermöglichen. Die
      Wertschöpfungskette. Denn der ökonomische          zusammenfassenden Projektergebnisse und
      Einsatz verlangt den Anwendern ein breites         das Handbuch „Einstieg in OpenFoam® und
      Spektrum an Kompetenzen in den Bereichen           chtMultiRegion anhand eines anwendungsori-
      Prozesse, Materialien, Nachbearbeitung und         entierten Beispiels“ können kostenfrei auf der

                                                                                                                                                           Bild: © JKU
      Qualitätssicherung ab. Außerdem bedarf es          Website des Forschungsnetzwerks herunterge-
      einer sorgsamen Kosten-Nutzen-Abwägung             laden werden.
      unter Berücksichtigung der benötigten Qualität.    www.am4industry.com                                   Spritzgusswerkzeug mit zwei Einsätzen
      Der erfolgreiche industrielle Einsatz ist daher                                                                (konventionell + additiv gefertigt)

      maßgeblich von der Definition der Qualitäts-
      merkmale, einer Entwicklung von Methoden für
      Design und Konstruktion, einer verlässlichen
      Überwachung der Produktionsprozesse, von
      geeigneten Richtlinien für die Nachbearbeitung
      und von einem passenden Kosten-Nutzenmo-
      dell abhängig.

      Best-Practice-Beispiel
      Zur Erforschung dieser Erfolgsfaktoren haben
      der Kunststoff- und der Mechatronik-Cluster im
      Büro St. Pölten im November 2016 das ambi-
      tionierte CORNET-Projekt „AM 4 Industry“ ins
      Leben gerufen. Neben einem Fehlerkatalog
      für Laserstrahlschmelzen, einer praktischen
      Methodik zur Gestaltung für die additive Fer-
      tigung, einer grundlegenden Überlegung zu
                                                                                                                                                           Bild: © Sirris

      den Prozessen und einer Qualitätsoptimie-
      rung und Kostenanalysen zur Vorbereitung
      der Implementation publizierte das kollektive      Einsatz für Spritzgusswerkzeug bei der Bearbeitung

      Forschungsnetzwerk auch ein anwendungsori-
      entiertes Beispiel zum Einstieg in OpenFoam®                                                            Kontakt
      und chtMultiRegion.                                                                                     Benjamin Losert
                                                                                                              ecoplus. Niederösterreichs
                                                                                                              Wirtschaftsagentur GmbH
                                                                                                              b.losert@ecoplus.at
10    KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020
PROJEKT

NextMould:
Aluminium-Hybrid-Werkzeuge
mit verschleißbeständiger
DLC-Dickschicht
Das Forschungsprojekt „NextMould“ macht Werkzeugbauer zukunftsfit. Ein inter-
disziplinäres Team arbeitet an neuen Werkzeugtechnologien für energieeffiziente,
ressourcenschonende und wirtschaftliche Spritzgießprozesse. Das Ziel dieses For-
schungsvorhabens ist die Erarbeitung von Designrichtlinien sowie einer Methodik zur
additiven Herstellung von Alu-Hybrid-Spritzgießwerkzeugen mit einer hochverschleiß-
festen ­Oberflächenschicht in Serie.

Additive Fertigung per WAAM (Wire Arc Addi-       Verschleißbeständigkeit durch DLC-Beschich-         Im Projekt werden drei Innova-
tive Manufacturing)                               tungen (DLC = Diamond like Carbon)                  tionsschwerpunkte miteinander
Das robotergestützte WAAM-Verfahren zeigt         Durch die Beschichtung hochbeanspruchter            verknüpft und deren praktischer
eine deutliche Material- und Kostenersparnis      Werkzeugbereiche mit diamantähnlichen Koh-          Nutzen für den Werkzeug- und
gegenüber spanenden Verfahren und eröffnet        lenstoffschichten (DLC) kann die Verschleißbe-      Formenbau anhand konkreter
dem Werkzeugkonstrukteur nahezu ungeahn-          ständigkeit der Oberfläche deutlich gesteigert      Unternehmens-Use Cases aus-
te Möglichkeiten. Durch die freie Gestaltung      werden. Insbesondere unter dem Aspekt des           probiert:
der Lage und Form von Kanälen kann auch die       wirtschaftlichen Einsatzes von Aluminiumlegie-
Effizienz der Werkzeugtemperierung deutlich       rungen in Spritzgusswerkzeugen ist die Erhö-            Additive Fertigung per Wire
gesteigert werden.                                hung der Werkzeugstandzeit von entscheiden-             Arc Additive Manufacturing
                                                  der Bedeutung.                                          (WAAM),
Aluminium – Potenzial für Kosteneinsparun-        Wegen der ungünstigen Verschleißeigenschaf-             Entwicklung von Hartstoff-
gen und Ressourcenschonung                        ten von Aluminium wird im Zuge des Projekts             Beschichtungen (DLC =
Der Werkstoff Aluminium findet nach wie vor       die DLC-Beschichtung der WAAM-geschweiß-                Diamond like Carbon) und
im Werkzeug- und Formenbau meist nur we-          ten Aluminiumwerkzeuge mit mehr als 10 µm               Konstruktionsrichtlinien
nige Einsatzgebiete, obwohl speziell Alumini-     Schichtdicke erforscht. Auch diesbezüglich sol-         für Aluminium-Spritzguss-
umlegierungen hinsichtlich ihrer wirtschaftli-    len Konstruktionsempfehlungen für den prakti-           werkzeuge.
chen Bilanz sowohl im Fertigungsprozess des       schen Gebrauch bereitgestellt werden.
Werkzeugs als auch in der Kunststoffartikelpro-
duktion, z. B. erhebliche Vorteile bei der Tem-
perierung, wie schnellere Reaktionszeit beim
Auf- und Abkühlen, dezidiertere Fokussierung
auf Hot- und Cold-Spots und homogenere Tem-
peraturverteilung haben. Aus diesem Grund
werden im Zuge des Projekts verschiedene
Aluminiumlegierungen auf ihre Verwendbarkeit
für das Spritzgießverfahren wie auch für Wire
Arc Additive Manufacturing (WAAM) erprobt.
Im Hinblick auf die konstruktive Gestaltung von
Hybridwerkzeugen (Aluminium und Stahllegie-
rungen) sollen im Zuge des Projekts grundle-
                                                                                                                                         Bild: © TU Illmenau

gende Konstruktionsrichtlinien z. B. Aufbau der
Werkzeuge, Werkzeugwerkstoffauswahl, Tem-
periermöglichkeiten, Durchbiegungsverhalten,
Heißkanalanbindung etc. erarbeitet werden.

                                                                                                     Das Projekt „NextMould“ wird im Rah-
                                                                                                     men der Ausschreibung CORNET II
                                                                                                     26-2018 in Österreich von der Österrei-
                                                                                                     chischen Forschungsförderungsgesell-
                                                                                                     schaft (FFG) gefördert.
                                                   KC-aktuell | Sonderausgabe - Dezember 2020   11                                                             11
PROJEKT

      NextMould:
      Use Case von Miraplast verbindet die
      ersten Erkenntnisse und Versuche

                                                                                                                                                            Bild: © Hochschule Schmalkalden
      Die Miraplast Kunststoffverarbeitungs GmbH         dazwischen zu vermeiden (Abb. 5).
      als Mitglied im User Committee Österreich hat      Das Schließen des Temperierkanals wurde im
      mit einem Bauteil, das als Kavität (Formeinsatz)   Gegensatz zu den unteren Lagen parallel zur
      in einem Spritzgießwerkzeug für Haushaltswa-       gefrästen Oberfläche durchgeführt, um das Ver-
      ren eingebaut wird, den ersten Anwendungsfall      laufen der Schmelze in den Temperierkanal zu
      im Projekt eingebracht. Dieses Bauteil wurde für   vermeiden. (Abb. 6)
      die Startversuche gewählt, da es ein wenig kom-                                                        Abb.1: Das CAD-Modell des Bauteils mit
      plexes Gebilde mit hohen Anspruch des Spritz-      Durch das WAAM Verfahren konnte ein auf die         einer Seitenlänge von 55 mm.

      gussteils an Optik und Haptik ist.                 Bauteilanforderungen hin angepasstes Tempe-
      Das Bauteil wurde mittels numerischer Simula­      rierkanal-Layout gefertigt werden, das konven-

                                                                                                                                                            Bild: © Technische Universität Ilmenau
      tion (mechanisch, thermisch und spritzgieß-        tionell nicht herstellbar ist und eine homogene
      technisch) berechnet und optimiert. Danach         Wärmeabfuhr im Prozess gewährleisten soll.
      wurde geprüft, ob die beiden Fertigungsverfah-
      ren WAAM und Eloxieren überhaupt dahinge-          Im Anschluss wurden die oberen Lagen aufge-
      hend gebracht werden können, anforderungs-         tragen, bis die Gesamthöhe des Bauteils erreicht
      gerechte Bauteile zu fertigen.                     wurde (Abb. 7). Abschließend wurde das Teil
                                                         entsprechend des CAD-Modells grob nachbear-
      Herstellung des Formeinsatzes mittels WAAM         beitet und visuell geprüft (Abb. 8). Dabei wurden
                                                                                                             Abb.2: Die Bahnplanung für das gesamte
      Mit einer CAD-CAM-Software konnte die Bahn-        keine Bindefehler bzw. Unregelmäßigkeiten an        Bauteil.
      planung mit Hilfe der Schweißparameter für den     den Oberflächen gefunden. Danach wurde der
      Schweißroboter erstellt werden. Für die Flächen    Formeinsatz bei Miraplast fein nachbearbeitet
      wurde eine Mäanderstruktur ausgewählt. Diese       und von der FH Wels beschichtet.

                                                                                                                                                            Bild: © Hochschule Schmalkalden
      Mäanderstruktur wurde dann mit einer Außen-
      kontur ergänzt (Abb. 1 bis 4).                     Beschichtung des Formeinsatzes
                                                         „Wir haben im Projekt Verfahren wie Eloxieren,
      Zur additiven Fertigung des Bauteils wurde eine    galvanische Verfahren als auch mittels Plas-
      Grundplatte aus Aluminium AW 5083 mit einer        matechnik abgeschiedene Hartstoffschichten
      Dicke von 10 mm auf einer Stahlplatte S355 JR      (DLC) getestet,“ erklärt Daniel Heim, Studien-
      (20 mm) mit Schrauben festgespannt, um dem         gangsleiter Werkstoffwissenschaften und Ferti-
      Verzug beim Schweißen entgegenzuwirken.            gungstechnik an der Fachhochschule Wels. Für        Abb.3: Ausschnitt vom CAD-Modell am
                                                                                                             Temperierkanal.
      Als Zusatzwerkstoff für die additive Fertigung     den Use Case hat sich Eloxieren als optimales
      kam der Draht 5183 mit einem Durchmesser           Verfahren herausgestellt. Das Eloxieren erhöht
                                                                                                                                                            Bild: © Technische Universität Ilmenau

      von 1,2 mm aus derselben Legierung wie der         nicht nur die Oberflächenhärte von 80 HV0,1
      Grundwerkstoff zum Einsatz.                        auf etwa 400 HV0,1, es gewährleistet auch
                                                         eine verbesserte Polierbarkeit des Bauteils.
      Nach dem Aufbauen der unteren Lagen mit dem        Da nicht-anodisiertes Aluminium beim Polie-
      Temperierkanal wurde die Oberfläche der letz-      ren zum Schmieren neigt, bietet sich die Elo-
      ten Lage nachbearbeitet, um eine plane Ober-       xalbehandlung gerade beim Formeinsatz von
      fläche für den nachfolgenden Aufbauprozess         Miraplast (geforderte gemittelte Rautiefe Rz =
      herzustellen und dabei Bindefehler bzw. Poren      0,3 µm) an. Auch ein vorhandener PE-LD Recy­
                                                                                                             Abb.4: Die Bahnplanung für diesen Ausschnitt
                                                                                                             mit den Startpunkten des Schweißprozesses.

12    KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020
PROJEKT

                                                                     Projektpartner
                                                              • FH OÖ Forschungs und Entwicklungs GmbH,
                                                                   Campus Wels
                                                              • Kunststoff-Cluster, Business Upper Austria –

                                                                                                                                                                Bild: ©Technische Universität Ilmenau
                                                                   OÖ Wirtschaftsagentur GmbH
                                                              • Hochschule Schmalkalden, Labor für
clingcode sollte nach der Oberflächenbehand-                       Angewandte Kunststofftechnik
lung eine durchgehende Eloxal-Beschichtung
                                                              • Technische Universität Ilmenau, Fachgebiet
aufweisen. Aus diesem Grund wurde eine Reihe
                                                                   Fertigungstechnik
von Vor­versuchen an Dummies mit ähnlichen
Dimensionen und eingestanzten Buchstaben                      • Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und
durchgeführt. Es konnte gezeigt werden, dass                       Werkstoffe e.V.
die Schichtdicke auch hier – wie gewünscht                                                                         Abb.5: Das Aufbauen der unteren Lagen mit
– relativ konstant verläuft. Das Bauteil wurde                       User Committee Österreich                     dem Temperierkanal (nachbearbeitet).

zwar für seine geringe Komplexität etwas „Over
                                                              • ACH solution GmbH
Engineered“, aber das Projektteam wollte alle

                                                                                                                                                                Bild: © Technische Universität Ilmenau
                                                              • ALBA tooling und engineering GmbH
möglichen Erkenntnisse gewinnen und auch bei
einem „einfachen“ Bauteil das Optimum der Ver-                • Brandt GmbH
fahren herausholen.                                           • bm.engineering GmbH
                                                              • Comelt GmbH
Der nächste Schritt ist die Fertigung des Spritz-             • FMV GmbH
gieß-Bauteils in den geforderten Spezifikationen
                                                              • Fronius International GmbH
mit diesem Einsatz. Gelingt diese, werden die
                                                              • Katzengruber Kunststofftechnik GmbH
nächsten komplexeren Einsätze für Werkstücke
der Unternehmen Alba tooling, PC Electric und                 • Miraplast Kunststoffverarbeitungs Ges.m.b.H.       Abb.6: Das Bauteil nach dem Schließen des
                                                                                                                   Temperierkanals.
Fronius gefertigt, die dann z. B. auch Leichtbau-             • PC Electric GmbH
strukturen und thermische Isolation beinhalten.               • rt-cad Tiefenböck GmbH

                                                                                                                                                                Bild: © Technische Universität Ilmenau
„Aluminiumwerkzeuge sind bei kleinen Stück-
zahlen interessant und bieten die Möglichkeit,
  konturnahe zu kühlen. Wir haben als Use
 Case im Projekt NextMould ein Teil gewählt,                                                                       Abb. 7: Das fertig geschweißte Bauteil vor
 das bei uns schon in Serie läuft. Wir können                                                                      der Nachbearbeitung.

 daher Aussagen über Standzeit und Abnut-
                                                                                                                                                                Bild: © Technische Universität Ilmenau

        zung der Oberfläche machen.“

         Markus Brunnthaler, Geschäftsführer der
         Miraplast Kunststoffverarbeitungs GmbH
                                                                                                                   Abb. 8: Das geschweißte Bauteil nach dem
                                                                                                                   groben Zerspanen.

                                      Bild: © Wirtschaftsbund NÖ

                                                                                                                           Kontakt
                                                                                                                           Doris Würzlhuber
                                                                                                                           Kunststoff-Cluster
                                                                                                                           doris.wuerzlhuber@biz-up.at
                                                                                                               KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020                                                13
AUSBILDUNG

                                                                                                                                              Bild: © Haidlmair
             Werkzeugbauausbildung wird digital

            Die unterschätzte Disziplin
            Hohes Niveau, gute Ausbildungsstätten und abwechslungsreiche Berufsbilder: Der Formen- und Werkzeugbau hat in Österreich
            einen guten Ruf. Was die Zukunft bringt, welche innovativen Ausbildungsmöglichkeiten es gibt und warum der Werkzeugbau
            gern unterschätzt wird, das haben wir bei Ausbildnern und Unternehmern erfragt.

                                                         Klemens Treml, Lehrer an der Technolo-         und Qualifikation ist es meines Erachtens
                                                         gy School Andorf, hat eine klare Meinung       wichtig, ALLE Ausbildungsmöglichkeiten
                                                         zur Ausbildungsqualität in Österreich: „Sie    diesbezüglich zu nutzen. Neben dem Lehr-
                                                         liegt auf einem hohen Niveau – nicht zu-       beruf, dem weiterhin eine zentrale Rolle
                                                         letzt durch das Engagement der vielen          zufällt, ist auch die Möglichkeit der HTL-
                                                         Leitbetriebe.“ Sicher ist sich Treml auch,     Ausbildung bereits etabliert. Hinsichtlich
                                                         dass sich die Verfügbarkeit von gut aus-       Fachhochschule und Uni-Ausbildung kann
           „Die Digitalisierung wird den                 gebildeten Fachkräften im Formen- und          der Werkzeugbau durch die gestiegenen
              Beruf stark verändern.“                    Werkzeugbau in den nächsten Jahren             Anforderungen weitere Mitarbeiter ge-
                                                         verändern wird. Dafür seien vor allem zwei     winnen. Es braucht alle Ausbildungsmög-
       (Klemens Treml, Technology School Andorf)         Faktoren ausschlaggebend: der steigende        lichkeiten und der Werkzeugbau soll das
                                                         Bedarf, weil beispielsweise Aufträge aus       gleiche Gewicht wie Verarbeitungs- und
                                                         dem Ausland zurückgeholt würden. Da            Maschinenkompetenzen erhalten.“
                                                         werde die COVID19-Krise ihre Spuren hin-
                                                         terlassen und zu einem gewissen Engpass        Unternehmer Hermann Glatzer (Glatzer
                                                         führen. Als zweiten Treiber von Verände-       GmbH Formen- und Werkzeugbau) aus
                                                         rung sieht HTL-Lehrer Treml die Digitalisie-   dem niederösterreichischen Fischamend
                                                         rung, die das Berufsbild stark verändere.      streut den Werkzeugmachern Rosen: „Sie
                                                                                                        sind die klugen Köpfe hinter dem Erfolg,
                                                         Nicht zuletzt deshalb wagt eine Gruppe         die mit Fingerspitzengefühl arbeiten müs-
                                                         von Unternehmen im oberösterreichi-            sen“. Der Werkzeugbau brauche viel Know-
                                                         schen Kremstal einen Pilotversuch mit der      how in allen Einzelbereichen. „Wir haben
                                                         Ausbildung „Digitale Werkzeugbautech-          hier zum Glück die besten Leute auf einem
                                                         nik“, die heuer im Herbst 23 Lehrlinge be-     Haufen.“
Bild: © Privat
                                                         gonnen haben.
                                                                                                        Auch Rene Haidlmair vom gleichnamigen
                                                         Was sich Klemens Treml für die Ausbil-         Werkzeugbauer im oberösterreichischen
                                                         dung im Werkzeugbau wünscht? „Durch            Nußbach hält den Werkzeugbau in der
                                                         die Herausforderungen hinsichtlich Anzahl      öffentlichen Meinung oftmals für unter-

  14        KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020
AUSBILDUNG

 „Wir gehen gemeinsam mit Leit-                        „Jugendliche auszubilden ist                           „Die Werkzeugbauer sind die
betrieben einen innovativen Weg.“                        eine ‚Win-win-Situation.“                          klugen Köpfe hinter dem Erfolg.“
   (Franz Winter, Berufsschule Steyr 1)                (Reinhard Eidler, CAMO Werkzeugbau)                        (Hermann Glatzer, Glatzer GmbH
                                                                                                                    Formen- und Werkzeugbau)

                                   Bild: © Privat                                         Bild: © Camo                              Bild: © digifoto-helmreich

schätzt. „Speziell in unserer Region sind           ­ nserer Region, die europaweit im Werk-
                                                    u                                                    innen, Ausbildungsmessen, Girls Day. „Ich
zahlreiche Firmen mit diesen Themen be-             zeugbau führend ist, damit wir auch weiter­          rate allen Betrieben, sich in der Ausbildung
schäftigt. Der Werkzeugbau ist dabei weder          hin zukunftsfit bleiben“, sagt Rene Haidlmair.       zu engagieren. Es ist eine ‚Win-win-Situati-
rückläufig noch alt, sondern im absoluten                                                                on‘ für Unternehmen und Lehrlinge und nur
Spitzenfeld von Technologiebetrieben mit            Beim oberösterreichischen Werkzeugbauer              so haben wir genügend Fachkräfte für die
modernsten Arbeitsgeräten beheimatet.“              CAMO mit Sitz in Schwanenstadt werden                Zukunft“, appelliert Eidler.
Haidlmair ist als Obmann der Technolo-              mehr als 30 Lehrlinge in 7 Berufen ausgebil-
giegruppe Kremstal auch Initiator des er-           det. Es werde aber schwieriger, junge Leute
wähnten Pilotmodells „Digitale Werkzeug­            zu finden, sagt Geschäftsführer Reinhard
bautechnik“. „Die Technologie wird immer            Eidler. Er engagiert sich daher intensiv in der
vom Menschen beherrscht, deshalb brau-              Nachwuchssuche: Zusammenarbeit mit                   Ausbildungsschwerpunkt auf
chen wir eine zeitgemäße Ausbildung in              Schulen, Werkstättenunterricht für Schüler*             www.kunststoff-cluster.at

Vom klassischen Lehrberuf bis zum Pilotmodell
Mit einem innovativen Pilotmodell zur Ausbildung von Werkzeugbau-              ster Technik am Puls der Zeit anbieten zu können.“
technik-Nachwuchs lässt der Verein Technologiegruppe Kremstal                  Inhaltlich und finanziell unterstützt wurde die Konzepterstellung
(TGK) aufhorchen. Und das hat einen guten Grund: In dieser oberös-             im Vorfeld sowohl von der Wirtschaftskammer als auch der
terreichischen Region im Bezirk Kirchdorf sind mehr als die Hälfte al-         Arbeiterkammer über die Schiene „Arbeit-Mensch-Digital“. www.tgk.at
ler österreichischen Lehrlinge der Branche beschäftigt.
Um die weltweite Marktführerschaft der Unternehmen in der Region               Für die klassische Lehrlingsausbildung stehen zwei Wege zur
noch weiter auszubauen, haben sich nun sechs Betriebe zusammen-                Verfügung:
geschlossen, um die Ausbildung ihrer Lehrlinge auf ein neues Niveau
zu heben. Insgesamt 23 Lehrlinge haben am 1. September 2020 die                    Metalltechnik (Modullehrberuf) – mit Hauptmodul Werkzeug-
Ausbildung zur „Digitalen Werkzeugbautechnik“ begonnen, die Metall-            bautechnik
bearbeitung mit digitalen Prozessen wie Automatisierungstechnik,               Die Lehrzeit in diesem Beruf (vormals: Werkzeugbautechniker*in,
Simulation und 3D-Druck verbindet.                                             Formenbauer*in und Werkzeugmacher*in) beträgt 3,5 bzw. 4 Jahre.
Dafür erhalten die Lehrlinge in diesem Pilotmodell sowohl zusätzliche
Unterrichtseinheiten an der Berufsschule Steyr als auch außerhalb des              Doppellehre: Metalltechnik mit Hauptmodul Werkzeugbautech-
regulären Berufslehrplans Unterricht in Form von firmenübergreifen-            nik und Kunststoffformgebung
den Zusatzmodulen. Franz Winter, Direktor der Berufsschule Steyr 1:            In der vierjährigen Lehrzeit erhalten die Lehrlinge eine Ausbildung, die
„Als Landesberufsschule für den Lehrberuf Werkzeugbau freut es                 das Wissen zweier Berufe vereint: Neben der Werkzeugbautechnik
uns, diesen innovativen und zukunftsweisenden Weg gemeinsam mit                wird auch in der Kunststoffformgebung ausgebildet.
Leitbetrieben der österreichischen Wirtschaft zu gehen. Unsere bes-
tens ausgebildeten Fachlehrer*innen freuen sich, jungen, engagierten           Details zu den Berufsbildern unter
Lehrlingen auf ihrem beruflichen Weg einen Unterricht mit modern­-             https://lehrberufsliste.bic.at

                                                                                                              KC-aktuell | Sonderausgabe - Dezember 2020         15
BEST PRACTICE

     Wien leuchtet schöner –
     Dank HSC-Frästechnik aus Abtenau
     Die Bundeshauptstadt tauscht 50.000 zum Teil historische Straßenleuchten gegen LED-Lampen aus. Die Metall- und Plastikwa-
     ren Putz GmbH in den Salzburger Bergen entwickelte für „Spezialfälle“ eine Frästechnik für Linsen ohne zusätzliche Nacharbeit.

     Das 1977 gegründete Familienunterneh-                                                                                         er mit seinem Team ein Versuchswerkzeug,
     men aus Abtenau realisiert seit einigen Jah-                                                                                  um die spätere Situation im Serienwerk-
     ren im komplett klimatisierten Werkzeug-                                                                                      zeug bestmöglich zu simulieren und die op-
     bau auch optisch höchst anspruchsvolle                                                                                        timalen Fräsparameter zu eruieren.
     Projekte. Beispielsweise sammelte die Putz
     GmbH Erfahrungen bei mehreren Linsen-                                                                                         Herausforderung auf Anhieb gemeistert
     anwendungen und entwickelte dafür neue                                                                                        „Eines der Hauptkriterien war unter ande-
     Fertigungsmethoden im Werkzeugbau. „Da-                                                                                       rem, die Standzeiten und Abnutzung der
     raus ergab sich heuer ein Prestigeprojekt in                                                                                  Fräswerkzeuge so in den Griff zu bekom-
                                                                                                         H
                                                                                                      ch Gmb

     Zusammenarbeit mit dem Tiroler Beleuch-                                                                                       men, dass diese sich gleichmäßig abnut-
     tungsspezialisten Bartenbach für die Stadt                                                                                    zen und es nur zu minimalen Temperatur-
                                                                                                   artenba

     Wien“, erzählt Geschäftsführer Georg Putz.                                                                                    schwankungen kommt. Was sich bei einer
                                                                                                                                   durchgehenden Fräsdauer von mehreren
                                                                                                 Bild: © B

     Erleuchtung für Wien                                                                                                          Tagen und Nächten als relativ schwierig
     Denn die Stadt Wien – genauer gesagt die                                                                                      darstellte“, schildert Putz die Herausforde-
     Magistratsabteilung 33 „Wien leuchtet“                                                                                        rung. Doch der Versuch glückte auf Anhieb.
     – rüstet bis Jahresende rund 50.000 Stra-                                                                                     Der ursprüngliche Plantermin wurde unter-
     ßenleuchten auf LED-Beleuchtungstechnik                                                                                       schritten, die sonst üblichen Anpassungs-
     um. Das betrifft auch zahlreiche historische                                                                                  schleifen konnten entfallen. Die Stadt Wien
     Laternen in der Altstadt. LED-Licht stört den                                                                                 wird noch Ende dieses Jahres die ersten
     Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen nicht,                                                                                        Leuchten mit der neuen Technologie aus-
     reduziert den Energieverbrauch, verringert      Gemeinsam mit dem Tiroler Beleuchtungsspezialisten
                                                                                                                                   statten.
     die Lichtverschmutzung und zieht Insek-         Bartenbach lässt Putz aus Abtenau die Bundeshaupt-
                                                     stadt neu erstrahlen.
     ten nicht so stark an. „Dabei wird auch eine                                                                                  Breit aufgestelltes Portfolio
     etwa 30 Zentimeter große Kuppel, beste-                                                                                       Das Coronajahr 2020 brachte dem fami-
     hend aus 2.278 einzelnen kleinen Linsen,                                                                                      liengeführten Traditionsunternehmen ein
     benötigt“, erklärt Putz. Sie soll der Leuchte                                                                                 weiteres neues Betätigungsfeld: Es fertigt
     sowohl am Tag als auch in der Nacht durch                                                                                     Medizinteile für automatisierte PCR-Tests.
     angenehmere Lichtstreuung und weniger                                                                                         Diese Sparte ergänzt das breite Produkt-
     Blendung ein ansprechenderes Erschei-                                                                                         und Kundenspektrum. Das in vier Jahrzehn-
     nungsbild geben.                                                                                                              ten aufgebaute Know-how im Werkzeugbau
                                                                                                                                   und in der Kunststoffverarbeitung reicht
     Schwierige Aufgabenstellung                                                                                                   von einfachsten Bauteilen für die Bau- und
     „Die Herausforderung im Werkzeugbau be-                                                                                       Elektrobranche über Präzisionsteile aus
     stand nun darin, eine Methode zu finden, mit                                                                                  Hochleistungswerkstoffen im Automotiv-
                                                                                                               Bild: © Putz GmbH

     der wir alle Facetten auf einer HSC-Maschi-                                                                                   bereich bis hin zu komplexen Blutanalyse-
     ne im gehärteten Werkzeug in annähernd                                                                                        chips für die Medizintechnik.
     polierter Oberflächenqualität fräsen können
     – ohne jegliche Nacharbeit“, erläutert der                                                                                    www.mpp-austria.at
                                                     Für die 30 Zentimeter große Kuppel mit 2.300 Mini-
     Unternehmer. Innerhalb weniger Tage baute       Linsen entwickelte Putz eine eigene HSC-Frästechnik.

16   KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020
BEST PRACTICE

                                                                                                                                                        Bild: © ELMET
Der siegreiche Entwurf von Georg Siegele
erfüllte alle Vorgaben des Lastenheftes
nahezu perfekt.

Schmetterling als Handyhalterung
Von der Idee bis zur Serienreife: Eine Hochschule und führende Industrieunternehmen haben gemeinsam ein innovatives Ge-
staltungs- und Fertigungskonzept für eine Kfz-Smartphone-Halterung erarbeitet, die im kosteneffizienten Mehrkomponenten-
Spritzguss als Hart-weich-Kombination hergestellt wird.

Der oberösterreichische Flüssigsilikon-Spe-       sollte die neue Halterung kosteneffizient aus   Komponenten, die das Flüssigsilikonspritz-
zialist Elmet war zusammen mit Wittmann           einem Teil bestehen, keine Montageschritte      gießen erfordert, um eine perfekte Abdich-
Battenfeld verantwortlich für die Fertigungs-     erfordern und als gebrauchsfertiges Bauteil     tung zwischen den einzelnen Funktionsflä-
zelle samt Nadelverschlusskaltkanal-Werk-         nacharbeitsfrei aus der Produktionszelle        chen zu erreichen, waren herausfordernd.
zeug und Flüssigsilikon-Dosiersystem. Der         fallen. Letztendlich ging der Student Georg     Für den 2K-Spritzguss heißt das, dass das
US-Silikon-Hersteller Momentive übernahm          Siegele mit seinem Schmetterling als klarer     Hartkomponenten-Teil eben, verzugsfrei,
die LSR-Technologie (LSR = Liquid Silicone        Sieger hervor.                                  gratfrei und mit einer durchgängig gleichblei-
Rubber, Flüssigsilikonkautschuk). Als Part-                                                       benden Wandstärke entformt werden muss.
ner auf der Werkstoffseite gelang es, Coves-      Kunststoffgerechte Konstruktion                 Das LSR-Werkzeug muss perfekt auf der PC-
tro als Hersteller von Polycarbonat ins Boot      Seine Konstruktion besteht aus nur einem        Oberfläche abdichten, um ein Überspritzen
zu holen. Für die rheologische Auslegung so-      einzigen Zweikomponenten-Spritzguss-Teil,       zu verhindern. Auch die Wärmeeinwirkung
wie die Simulation des Fließverhaltens bau-       dessen Träger aus PC für Stabilität sorgt       im LSR-Werkzeug auf das thermoplastische
te man auf die langjährige Zusammenarbeit         und die Montage am Lüftungsgitter ermög-        Teil spielte bei der Teilekonstruktion eine
mit Sigma Engineering. Die Auslegung und          licht, während die elastische Handy-Fixie-      Rolle.
Anbindung des Heißkanalsystems für die            rung aus LSR besteht. Zur Montage im Kfz
Thermoplastverarbeitung übernahm Hasco.           dient eine an der handyabgewandten Teile-       ELMET GmbH
                                                  rückseite befindliche Klemmvorrichtung, die     Elmet wurde im Jahr 1996 im oberöster­
Aufruf zum Wettbewerb                             kunststoffgerecht in PC ausgelegt ist. Ihr      reichischen Oftering gegründet. Ein kleines,
Studenten der Privatuniversität New Design        innenliegender Schlitz umschließt eine La-      engagiertes Team mit viel Erfahrung im
University in St. Pölten sollten eine Handy-      melle des Lüftungsgitters. Dank der Keilform    Werkzeugbau und Flüssigsilikon-Spritzguss
halterung entwerfen, die sich universell in       der Klemmvorrichtung üben die darüber und       hat sich seither zu einem international er-
den Lüftungsgittern der Armaturentafeln           darunter liegende Gitterlamelle Druck auf       folgreichen Anlagenbauer entwickelt. Heute
üblicher Kfz fixieren lässt. Sie sollte drehbar   die innere Lamelle aus. Das LSR übernimmt       ist Elmet ein Global Player in der Entwick-
für die horizontale und vertikale (z. B. als      die Aufgaben herkömmlicher TPE in Rei-          lung und Herstellung von hochwertigem
Navi-System) Nutzung sein und sich flexibel       bungs- und Dämpfungselementen und er-           Equipment für die Produktion von Silikon-
den Abmessungen moderner Smartphones              setzt als Hooke’sche Feder die sonst eben-      und Gummi­teilen.
anpassen. Anders als marktübliche Ausfüh-         falls verbauten metallischen Federn.
rungen, die aus einer Vielzahl von Einzel-                                                        www.elmet.com
teilen aus unterschiedlichen Werkstoffen          Werkzeugbau im Mikro-Bereich
hergestellt und montiert werden müssen,           Die hohen Anforderungen an die Maße der

                                                                                                    KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020     17
BEST PRACTICE
                          EDITORAL
Bild: © Praher Plastics

                                                                                                                                                Langjährige Erfahrung und das
                                                                                                                                                notwendige Fingerspitzengefühl
                                                                                                                                                zeichnen den Formenbau bei
                                                                                                                                                Praher Plastics aus.

                               Werkzeuge für PVC und
                               dickwandige Spritzgussteile
                               Armaturen für industrielle Anwendungen zur Leitung und Verteilung von Flüssigkeiten stellen eine große Herausforderung an
                               Formenbau und Produktion dar. Die Praher Plastics Austria GmbH aus Schwertberg in Oberösterreich bewältigt diese Heraus-
                               forderungen seit fast 50 Jahren.

                               Das Kerngeschäft sind Hochdruckarmatu-         Trennkanten im Werkzeug die Festigkeit         Wichtige Entlüftung
                               ren aus verschiedensten Materialen, größ-      der Bauteile und somit der gesamten Arma-      Matte oder leicht raue Oberflächen sind
                               tenteils aus Hart-PVC, bis zu einem Durch-     tur. Radien statt scharfer Kanten verlängern   glatten, glänzenden vorzuziehen. Tangential
                               messer von 350 mm, einem Stückgewicht          zusätzlich die Lebensdauer der Spritzteile.    verlaufende Übergänge sind für den Prozess
                               von bis zu 11 kg und einer Wanddicke von       Hochlegierte und -druckfeste Stähle geben      besser als scharfe Kanten. Ein wichtiger Fak-
                               bis zu 40 mm. Die Produkte kommen u. a.        die Sicherheit, dass das Werkzeug den ho-      tor ist das großzügige Entlüften der Kavitä-
                               bei der Meerwasserentsalzung, in Wasser-       hen Ansprüchen der Fertigung standhält.        ten. Es verhindert Lufteinschlüsse und somit
                               aufbereitungsanlagen, in der chemischen        Korrosionsbeständige Stähle von zuverläs-      Lunker- bzw. Luftblasenbildung, die die Fes-
                               Industrie oder in Reinstwassersystemen für     sigen Herstellern verhindern die Angriffe      tigkeit der Armatur verringern würde. Außer-
                               die Elektronikindustrie zur Anwendung.         des aggressiven PVCs auf Form und Kavi-        dem kann eine hohe Kompression der ein-
                                                                              täten. Ausreichende Wartung der Werkzeu-       geschlossenen Luft Verbrennungen an der
                               Vielfältige Lösungen                           ge im täglichen Betrieb reduziert Korrosion    Oberfläche der PVC-Teile verursachen. Bei
                               Innerhalb der Kunststoffwerkstoffe sind vor    und Abnutzung und verlängert so die Le-        den Entlüftungskanälen ist Fingerspitzen­
                               allem Fluorpolymere wie PVDF die richtige      bensdauer der Formen für PVC.                  gefühl gefragt: Sie dürfen keine Grate bilden,
                               Wahl, wenn ein hohes Maß an Chemikalien-                                                      also nicht zu tief oder zu groß sein.
                               beständigkeit und höchste Temperaturbe-        Hohe Formstabilität
                               ständigkeit bis zu 250°C gefragt sind. Den-    Durch die hohen Drücke, die beim PVC-          Verbesserte PVC-Rezeptur
                               noch ist in hochwertigen Anwendungen der       Spritzguss in den Formen auftreten, sowie      In Zusammenarbeit mit Entwicklungspart-
                               Werkstoff PVC immer noch gefragt. Dies         für die optimale Kühlung der Bauteile ist      nern ist es Praher Plastics gelungen, die
                               fordert die gesamte Bandbreite des Know-       eine großzügige Auslegung der Werkzeug-        Rezeptur des PVC-Materials hinsichtlich
                               hows von Praher Plastics in Entwicklung,       masse notwendig. Bei der Kühlung dick-         Fließfähigkeit zu verbessern. Die vorteilhaf-
                               Formenbau und Spritzguss, um aus teils         wandiger Spritzteile muss die Temperatur       ten Eigenschaften in Kombination mit einem
                               dickwandigen Hart-PVC-Teilen industriell       im gesamten Werkzeug gleichmäßig ab-           vergleichsweise günstigen Rohstoffpreis
                               einsetzbare Armaturen zu bauen.                gesenkt werden, um hohe Festigkeiten und       zeichnen Hart-PVC als Universal-Werkstoff
                                                                              wenig Verzug zu garantieren. Der Verzug        aus. Der Großteil der Rohrleitungsfittings
                               Lange Lebensdauer                              wird schon in der Entwicklung durch Simu-      und Armaturen werden auch heute noch aus
                               Bereits in der Auslegung in der Bauteileent-   lation berechnet, damit der Bauteil nach       PVC gefertigt. Anwendungen mit PP (Poly-
                               wicklung sorgt die Angussgröße für genug       dem Abkühlen den vorgegebenen Maßen            propylen) oder PVDF (Polyvinyldifluorid)
                               Nachdruck im Werkzeug und somit für ein        entspricht. Nach dem Auswerfen aus der         sind jedoch auf dem Vormarsch.
                               optimales Ergebnis. Ebenso steigert die        Form reduziert ein Wasserbad weiteres
                               optimale Platzierung der Bindenähte und        Schwindungsverhalten.                          www.praher-plastics.com

                          18   KC-aktuell | Sonderausgabe – Dezember 2020
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