PRODUKTION DER ZUKUNFT - SCIENCE-FICTION FÜR DIE INDUSTRIE Wie Zukunftsliteratur zu Innovationen inspiriert - Redaktions Netzwerk ...
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SCIENCE-FICTION FÜR DIE INDUSTRIE Wie Zukunftsliteratur zu Innovationen inspiriert PRODUKTION DER ZUKUNFT GESUNDHEIT ZUM ANZIEHEN Innovationstreiber der Gesundheitsindustrie VISION BIOFABRIK Die nachwachsende Zukunft
VORWORT 4 INHALT IM FOKUS VORWORT Produktion der Zukunft Tarek Al-Wazir 3 28 IM FOKUS Produktion der Zukunft 4 Digitalisierung der Produktion erhöht Planungssicherheit und Liefertreue 10 Digitalisierung der Produktion und der Prozesse 14 Mit Künstlicher Intelligenz zu mehr Ressourceneffizienz 18 IM LABOR IM LABOR Dünger aus Klärschlammasche Vision Biofabrik 20 Eine Schmiede für Multitalente 24 38 Dünger aus Klärschlammasche 28 TLH-Magazin | Produktion der Zukunft Kläranlagen als Frühwarnsystem 32 Viel dreht sich in diesen Zeiten um unsere Zukunft und die unserer Kinder — IM MARKT ja, so pathetisch das auch klingen mag: um die Zukunft der Erde als unsere KI in der Logistik 36 Lebenswelt. Wir haben es in der Hand, diese Zukunft zu gestalten. Dafür Nachhaltige Materialien sichern Hessens Zukunft 38 müssen wir jetzt die Weichen richtig stellen und danach auch handeln. Facts & Figures 42 Ein „Weiter so“ geht nicht. Wir müssen vielmehr Neues wagen, um das Weniger Ausschuss dank Künstlicher Intelligenz 44 zu bewahren, was für unser Leben wichtig ist. IM MARKT Innovationstreiber der Gesundheitsindustrie 46 Nachhaltige Materialien sichern Hessens Zukunft Diese Ausgabe widmet sich dabei einer zentralen Frage: Wie sieht die IM BLICK industrielle Produktion (in) der Zukunft aus? Wir zeigen beispielhaft ermuti- 52 Mit dem Förderkompass die Orientierung finden 48 gende und richtungsweisende Antworten unserer „Hessens Best“ auf. Kunststoff — Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft 50 Gehen Sie bei der Lektüre auf eine Reise durch die hessische Innovations- Science-Fiction für die Industrie 52 landschaft und entdecken Sie dabei, wie neue Technologien den Weg Wegbereiter für Funk und Fernsehen 54 in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ebnen. Das und noch viel mehr StartHub Hessen: Let’s connect 56 erwartet Sie im Magazin. Publikationen 58 Haben Sie Lust auf Neues? Dann sind Sie im Technologieland Hessen richtig. IM BLICK TERMINKALENDER 59 Science-Fiction für die Industrie Impressum 59 Tarek Al-Wazir Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen 2 3
IM FOKUS Digitalisierung der Produktionsdaten kann Prozesse optimieren – ein wichtiger Fortschritt, aber noch keine industrielle Revolution. Die Industrie 4.0 kommt erst, wenn Daten digital ausgewertet und, durch Algorithmen unterstützt, genutzt werden. Das kann auch der hessische Mittelstand. Mit über 3.000 Beschäftigten ist Textilmaschinen gebe es zwei Hauptzielrichtungen: Zum einem die digitale bauer KARL MAYER aus Obertshausen kein typischer Transformation durch Verbesserung der Prozesse. Zum Mittelständler. Qualitativ kann man die Gruppe aber anderen die Entwicklung eigener digitaler Lösungen. als solchen sehen: Das Familienunternehmen agiert mit Warum in einer neuen Firma? „Weil der Maschinenbau bei finanzieller Unabhängigkeit, setzt auf langfristiges und Prozessen, Entwicklung oder Kompetenzen völlig ande PRODUKTION profitables Wachstum und ist geprägt von unternehmeri schem Geist. Kein Wunder, dass auf der Webseite und in Verlautbarungen Anzüge und Business-Kostüme das Bild bestimmen und „Sie“ die übliche Anrede ist. Ganz anders DER ZUKUNFT hingegen bei KM.ON – die 43 Beschäftigten werden mit Vornamen vorgestellt, tragen legere Kleidung und es wird geduzt. Start-up-Style, doch KM.ON ist der jüngste Spross des Traditionsunternehmens KARL MAYER. Hier arbeiten KI IN HESSEN keine Elektroingenieure und -ingenieurinnen oder Mecha Das Zukunftszentrum für menschen niker und Mechanikerinnen, sondern Menschen, die sich zentrierte KI in der Produktionsarbeit Werkstücke suchen selbstorganisiert mit Softwareentwicklung beschäftigen, mit maschinellem (ZuKIPro) bietet kostenfreien Beratung Lernen, Data Science oder Business Development. KM.ON sowie innovative Lehr- und Lernkonzepte wurde 2017 als Corporate Start-up „für die Entwicklung zur Qualifizierung in den Themen Digitali ihre Maschinen eines Portfolios mit digitalen Lösungen gegründet. Ziel sierung und KI für KMU des produzieren ist es, schnell und flexibel wahrnehmbaren Mehrwert für den Gewerbes und des Handwerks. die Kunden zu entwickeln.“ https://zukunftszentrum-hessen.de/ „Digitalisierung ist seit mehr als fünf Jahren ein strategischer Fokus der Unternehmensgruppe“, sagt KM.ON-Geschäftsführerin Antonia Gottschalk. Dabei 4 5
IM FOKUS erreichbar sind. „Drittens ist KM.ON Treiber für den Kom- petenzaufbau der Entwicklung digitaler Lösungen inner- HESSISCHES KOMPETENZZENTRUM halb der Unternehmensgruppe. Zukünftig nimmt KM.ON Beim Mittelstand Digitalzentrum in auch neue Kunden innerhalb und außerhalb der textilen Darmstadt erhalten KMU kostenfreie Wertschöpfungskette in den Fokus.“ Informationen über Chancen und Heraus forderungen der Digitalisierung. Es hilft Losgröße 1 und Predictive Maintenance mit Expertenwissen, Demonstrations KARL MAYER und KM.ON sind ein Beispiel, wie sich ein zentren, Best-Practice-Beispielen sowie Traditionsunternehmen für die Produktion der Zukunft auf- Erfahrungsaustausch. stellt. Digitalisierung verändert den Maschinenbau stark: „Digitalisierung ist seit mehr als https://kompetenzzentrum-darmstadt. Produktion kann auf völlig neue Art und Weise vernetzt digital/ und gesteuert werden, wird modularer und flexibler bis zur fünf Jahren ein strategischer Losgröße 1, der seriellen Fertigung individueller Produkte. Fokus der Unternehmensgruppe.“ Die Selbstverständlichkeit, mit der Endkundinnen und End- kunden individuelle Kleidung, Schuhe oder Verpackungen Antonia Gottschalk, Geschäftsführerin, erhalten, treibt den digitalen Wandel bei Geschäftskun- KM.ON GmbH den. Sie benötigen dafür Maschinen, die immer schnel- ren Gesetzmäßigkeiten unterliegt als digitale Lösungen“, ler auf neue Produkte eingerichtet werden können oder so Gottschalk. Die vollständige organisatorische Integra- deren Wartungsintervalle besser planbar sind – Stichwort tion in den Mutterkonzern hätte „die notwendigen Unter- Predictive Maintenance. Das wird erst möglich durch Aus- schiede und die Flexibilität des digitalen Business nicht wertung von Prozess- und Maschinendaten. „Predictive Eine schnelle, nicht-perfekte vorausschauende Wartung fördert die Zusammenarbeit ungemein, z. B. kann man nun hinreichend unterstützt.“ Eigenständig könne KM.ON Maintenance geht einen Schritt wei- ist innerhalb kürzester Zeit einsetzbar, und diese Daten sehr schnell erkennen, wer objektiv zu viele Aufgaben hat schneller Kompetenzen für digitale Lösungen aufbauen ter als das klassische Condition Mo- und Erkenntnisse sind meist bereits ein großer Sprung“, oder wer kollegiale Hilfe braucht, da er in Zeitverzug ist“, und sich besser in der Gruppe und am Markt positionie- nitoring, so dass Verschleißmuster, so Arnold. sagt Wachendorff. „Mithilfe unseres Aufgabenmanage- ren. Momentan liegt der Fokus der Marktbearbeitung auf Anomalien und Änderungen voraus- Professor Wolfgang Wahlster leitete bis 2019 das Deut- ments gelingt uns eine stabile und agile Unternehmens- Kundschaft aus den eigenen Maschinenbaubereichen. schauend erkannt werden können“, sche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) führung, die schnell auf Veränderungen reagieren kann.“ Dort ist es der „wesentliche Treiber für digitale Lösungen sagt Nils Arnold, CEO und Co-Foun- und führte mit Kollegen 2011 den Begriff Industrie 4.0 Wachendorff hat 2019 im Corporate Start-up VISUALYS und das Industrial Internet of Things (IIoT)“. KM.ON ent- der von ADTANCE aus Wald-Mi- ein. Seiner Ansicht nach ist das eine Antwort auf gesell- Kompetenzen zur Datenvisualisierung sowie -analyse kon- wickelt dafür Lösungen, die von der Mutter als Basistech- chelbach. „Von vielen Unternehmen schaftliche Megatrends wie Fachkräftemangel, alternde zentriert. „Mit VISUALYS nutzen wir das Know-how der Wa- nologie genutzt werden, beispielsweise eine Cloudinfra- wird der Aufwand zur Schaffung der Gesellschaft oder zunehmende Volatilität der Märkte mit chendorff-Gruppe und kombinieren dies mit dem Können struktur. Außerdem wurden alle digitalen Lösungen für Datenbasis zu hoch eingeschätzt steigenden Produktvarianten und sinkenden Losgrößen, und Einfallsreichtum unserer Software-Entwicklung“, er- die Kundschaft der KARL MAYER-Gruppe in eine Ober- oder das nötige Know-how oder die immer rascheres Umrüsten von Maschinen und Fab- läutert Wachendorff die Hintergründe. fläche integriert, so dass sie mit einem einzigen Zugang Ressourcen sind nicht vorhanden. riken erfordert. Mit steigender Vernetzung und Digitali- Durch Digitalisierung und Transparenz werden Netz- sierung werden Geschäftsprozesse und Kommunikation werkinnovationen sowie Adaption von Geschäftsmo- komplexer, schneller, transparenter. Transparenz ermög- dellen und Innovationen aus anderen Bereichen oder licht Einbeziehung der Kundschaft in Entwicklungspro- Branchen einfacher. Das erleichtert es KMU, Neuland zu zesse. Damit weicht die traditionelle Rollenverteilung betreten. Dabei wird es wichtig, Relevanz und Übertrag- zwischen Auftraggebenden und Auftragnehmenden auf. barkeit von Innovationen zu überprüfen. Können neue Diese Entwicklung kann ein Risiko darstellen, wenn Un- ternehmen es nicht schaffen, diese Veränderung zu ge- stalten. „Im Gegensatz zu früher sind Projekte und Aufgaben Völlig neue Erlösquellen Sie kann auch große Chancen bieten, wenn das gesam- jetzt für viele Beschäftigte einsehbarer, offener und melte Wissen zu neuen Erlösquellen führt, so wie KM.ON überschaubarer. Diese Transparenz fördert die Zusam- das plant. Oder indem die eigene Produktion effizienter und effektiver wird, wie bei Wachendorff Prozesstechnik menarbeit ungemein, z. B. kann man nun sehr schnell in Geisenheim. Das Unternehmen ist vom Geschäftsfüh- DIGITALER ZWILLING AUS HESSEN erkennen, wer objektiv zu viele Aufgaben hat oder renden Gesellschafter Robert Wachendorff auf eine agile Die 2020 gegründete IDTA-Allianz will von Organisation umgestellt worden. Das helfe den Mitarbei- Frankfurt aus die Zukunft des Digitalen wer kollegiale Hilfe braucht, da er in Zeitverzug ist.“ tenden, Projekte und Aufgaben zu planen, abzuarbeiten Zwillings gestalten und Standards setzen. und sich selbst zu organisieren. „Im Gegensatz zu früher https://industrialdigitaltwin.org/ Robert Wachendorff, Geschäftsführender Gesellschafter, sind Projekte und Aufgaben jetzt für viele Beschäftigte ein- Wachendorff Prozesstechnik GmbH & Co. KG sehbarer, offener und überschaubarer. Diese Transparenz 6 7
IM FOKUS „Ich finde es sehr wichtig, dass Unternehmen sich halb des Werkes autonom „sucht“ – unter Berücksichtigung aktuell umgesetzte Fertigungssystem „ermöglicht eine eine Digitalstrategie geben und dabei an ihre von Parametern wie Eignung der Maschine, Verfügbarkeit durchgängige Überwachung und Nachvollziehbarkeit der von Material sowie Einhaltung von Lieferfristen. Die zweite Prozesse und Materialien während der gesamten Produk- Kundschaft denken. Es geht nicht einfach nur Halbzeit von Industrie 4.0 nennt Professor Wahlster diesen tion“, so Nicklas. Das erlaube hohe Transparenz in der Pro- darum, die eigenen Produkte oder Prozesse Digitalisierungsschritt. zesskette. Produkte kommunizieren direkt und individuell mit Prozessstationen, das Produktionssystem sorgt dafür, immer mehr und besser zu digitalisieren, sondern Die Zukunft ist schon Realität dass benötigtes Material und zugehörige Informationen zur Was nach Zukunft klingt, ist bei der Bender GmbH in richtigen Zeit am richtigen Ort sind. „Unsere Vision ist eine den Fokus auf die Kundschaft zu legen und zu Grünberg bereits Realität. An zwei deutschen Standorten Produktionsumgebung, in der sich Maschinen, Logistikein- schauen, was diese eigentlich will.“ stellt sie Mess-, Schutz- und Überwachungssysteme für richtungen und Produkte nahezu selbst organisieren und Maschinen- und Anlagenbau, Elektro- und Hybridfahrzeu- der Mensch ausschließlich in der Wertschöpfung tätig ist“, Maria Christina Bienek, Geschäftsführerin, ge, Energieerzeugung und -verteilung, regenerative Ener- fasst Nicklas zusammen. Um das vollständig umzusetzen, SEF Smart Electronic Factory e. V. giegewinnung, die Gebäudetechnik und andere industri- wird Bender in die Fertigung KI-Komponenten integrieren, elle Bereiche her. „Wir fertigen alle Produkte gleichzeitig, die Planungen dafür starten 2022. Das soll eine weitere trotz hoher Produktvielfalt bei sehr unterschiedlicher Fer- Steigerung der Wirtschaftlichkeit im Fertigungs- und Mon- tigungskomplexität, mit möglichst kurzen Durchlaufzeiten tageprozess bringen und sorgt durch die Umstellung auf und niedrigen Lagerbeständen“, sagt der Bereichsleiter modulare Produktion auch für eine schnellere Realisierung Produktion Manfred Nicklas. Das seit 2013 geplante und von Kundenanforderungen. Geschäftsmodelle und -gelegenheiten Externen überlas- warebasierte Lösungsansätze und deren Nutzen in einer // Martin Brust sen werden oder müssen sie im eigenen Unternehmen realen Produktionsumgebung anstatt auf einer Modell- bleiben? „Ich finde es sehr wichtig, dass Unternehmen plattform erleben und testen. sich eine Digitalstrategie geben und dabei an ihre Kund- schaft denken. Es geht nicht einfach nur darum, die ei- Vertrauenswürdige Dateninfrastruktur genen Produkte oder Prozesse immer mehr und besser Digitalisierung bringt auch das Thema Datensicherheit und zu digitalisieren, sondern den Fokus auf die Kundschaft -hoheit mit sich. Für viele Geschäftsprozesse werden, durch zu legen und zu schauen, was diese eigentlich will“, sagt Corona und Homeoffice verstärkt, internetbasierte Clouds Maria Christina Bienek, Geschäftsführerin des SEF Smart und Plattformen genutzt. Initiativen wie GAIA-X, die eine Electronic Factory e. V.; der Verein ging 2014 aus einem vertrauenswürdige Dateninfrastruktur nach europäischen Gemeinschaftsstand hessischer KMU aus Elektronik und Sicherheitsstandards aufbauen will, sind ein Gegenmit- Softwareentwicklung auf der Hannover Messe hervor. tel gegen die mögliche Abhängigkeit von US-amerika- „Die Idee war, als Informations- und Demonstrations- nischen IT-Giganten wie Google oder Amazon. Bei der plattform dem Mittelstand zu zeigen, was alles bereits aus Darmstadt stammenden Plattform Adamos bündeln CHECK, BERATUNG UND möglich ist in der digitalen Fabrik“, so Bienek. Heute ist Weltmarktführer im Maschinen- und Anlagenbau ihr Know- ZUSCHUSS AUS HESSEN die SEF als Evaluierungsumgebung in einer realen Elek- how und setzen Standards für die digitale Produktion. Die Der DIGI-Check der Webseite von tronikfabrik implementiert. Unternehmen können soft- Plattform bietet ein offenes, herstellerneutrales und auf Technologieland Hessen ist ein umfassen- führenden Technologien basierendes IoT-Umfeld. Längst „Von vielen Unternehmen wird der der Online-Test für Unternehmen zur sind die führenden Handelnden der Industrie 4.0 über die Digitalisierung der Produktionsdaten hinaus. Sie op- Aufwand zur Schaffung der Daten- Selbsteinschätzung ihres Digitalisie- rungs-Reifegrades. Er gibt Input und timiert nur die eigenen Prozesse – ein stets notwendiger basis zu hoch eingeschätzt oder Empfehlungen sowie Informationen zu Fortschritt, aber noch keine neue industrielle Revolution. Industrie 4.0 kommt erst, wenn vorliegende Daten auch das nötige Know-how oder Anlaufstellen bezüglich Beratung und Förderung. HESSISCH BABBELN FÜR MASCHINEN digital ausgewertet, und durch Algorithmen unterstützt, Ressourcen sind nicht vorhanden. https://www.technologieland-hessen.de/ genutzt werden. Erst dieser Schritt, in Kombination mit digitalisierung Beim VDMA wird eine gemeinsame dem verstärkten Einsatz von Sensoren und der direkten Eine schnelle, nicht-perfekte vor- Sprache für alle Maschinen als offener Kommunikation von Maschinen in Echtzeit im Mobil- ausschauende Wartung ist inner- Schnittstellenstandard entwickelt: funkstandard 5G, macht wirklich neue Produktionsmodelle OPC UA ist eine zentrale Voraussetzung möglich. Dann sind kleine und kleinste Losgrößen, eine halb kürzester Zeit einsetzbar, und für die erfolgreiche Einführung von Fehlertoleranz Null oder die chaotische Organisation der diese Daten und Erkenntnisse sind Industrie 4.0 in die Produktion. Produktion mit einem Produktausstoß zwischen jährlich https://www.vdma.org/opcua einem Stück bis hin zu mehreren Zehntausend Exemplaren meist bereits ein großer Sprung.“ Kontakt realisierbar. Ein nächster Schritt ist dann die selbstorgani- Nils Arnold, CEO und Co-Founder, Dr. Detlef Terzenbach | Innovationsunterstützung sierte Produktionsflusssteuerung, bei der sich die jeweils Hessen Trade & Invest GmbH anstehende Produktion die passenden Maschinen inner- ADTANCE GmbH & Co. KG detlef.terzenbach@htai.de 8 9
IM FOKUS DIGITALISIERUNG DER PRODUKTION ERHÖHT PLANUNGS SICHERHEIT UND LIEFERTREUE Wenn Influencer auf YouTube oder in der Fernseh Jannick Enenkel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM). werbung Kosmetik in die Kameras halten, schnellen bei den Herstellern die Bestellungen in die Höhe. Und auch bei der Seidel GmbH & Co. KG in Marburg bringt sich Vor allem die hochwertigen Schraubverschlüsse Primärverpackungen aus Aluminiumband zunächst in ihre aus eloxiertem Aluminium machten das Marburger Unter vorgegebene Form (Tiefziehen). Danach werden die Roh- die Produktionsplanung in Stellung. Denn sie fertigen nehmen zum Marktführer in der Branche. Bis zu 1.000 pa- linge auf Gestelle (Racks) gesteckt, um dann in unterschied die Primärverpackungen für fast alle Markenhersteller rallele Fertigungsaufträge produziert es an zwei Standor- lichen elektrolytischen Bädern (Eloxieren) ihre Oberfläche ten in Mittelhessen. Eine große Herausforderung für die zu erhalten. Farben, Formen und Oberflächenstruktur vari- von Parfüm, Kosmetik und Color Cosmetics wie Mascara, Fertigungsplanung war bisher, bei stark schwankenden ieren dabei jeweils kundenindividuell. Anschließend folgen Lippenstift sowie Eye- und Lipgloss — weltweit. Auftragseingängen und -mengen verlässliche Lieferter- die Montage mit Kunststoffteilen und die Versandverpa- mine anzugeben. Die Ergebnisse aus dem Projekt „IPDU ckung. Im Zentrum von IPDU standen die Produktionsan- — Intelligente Produktionssteuerung im digitalisierten Un- lagen für das Aluminium-Tiefziehen und Eloxieren. Zwar ternehmen“, welches aus dem Landesprogramm LOEWE waren die Maschinen bereits weitgehend mit Sensoren aus- gefördert wurde, sorgten für Abhilfe. Realisiert hat es gestattet und hätten Daten über die aktuelle Produktion in Professor Michael Guckert von der Technischen Hoch- Echtzeit liefern können. Doch bisher nutzte die Fertigungs- schule Mittelhessen, der zusammen mit Seidel und der planung bei Seidel diese praktisch gar nicht. Es fehlten Philipps-Universität Marburg eine Plattform für den Daten Datenleitungen zu den Maschinen und eine Datenplattform, austausch einrichtete sowie eine ganzheitliche Methode um damit auch die Produktion zu steuern, zu optimieren für eine datenbasierte Planung der Fertigungsprozesse und zuverlässig Liefertermine zu berechnen. Die Planung entwickelte. Rund 70 Stufenpressen bringen bei Seidel die stützt sich auf Erfahrungswerte und bewährte Heuristiken. 10 11
IM FOKUS Rüstzeiten für Maschinen verkürzt und Liefertreue nachhaltig erhöht Für die Nutzung des kontinuierlich fließenden Daten stroms entwickelten die Forschenden für die App einen Produktionssimulator, der die optimale Ausnutzung vor- handener Ressourcen und die verlässliche Vorhersage von Produktionsschritten gewährleistet. Dafür nutzten sie eine graphbasierte Methode, mit der sie die einzelnen Produktionsschritte und zeitlichen Abhängigkeiten erfass- ten und damit den Produktionssimulator befähigten, für jedes Ereignis der Produktion einen Eintrittszeitpunkt zu berechnen oder über eine Wahrscheinlichkeitsverteilung (Petri-Netz) abzuschätzen. Im Kern arbeiten Algorithmen mit einer Auktionsmethode, um eingehende Bestellungen in die Produktion so einzuplanen, dass bereits die Maschi- nen und Produktionszeiten gebucht werden, auf denen später produziert wird. Vor allem die volatilen Parameter aus unerwarteten Störungen können durch die App nun unmittelbar in die weitere Planung einfließen. „Änderun- gen an einer Fertigungsstufe wirken sich auf alle anderen Prof. Dr. Michael Guckert (rechts) zusammen mit Digitale Anwendungen gemeinsam Stufen aus“, erklärt Professor Guckert. Bei dem Produk Hendrick Pöschl, Leiter der IT der Seidel GmbH & Co. KG. voranbringen — das Team von tionssimulator bauten die Programmierenden zeitliche THM, Universität Marburg und Seidel. Puffer ein, sodass Liefertermine auch mit gewöhnlichen Störungen im Produktionsablauf nun besser gehalten wer- den können. „Vor allem sorgt die Reihenfolgeplanung der Bestellungen mit der Tablet-App dafür, dass Seidel die Rüstzeiten für die Maschinen verkürzte und die Liefertreue nachhaltig erhöht hat. Trotz der hohen Volatilität der Kun- denaufträge hat sich die Maschinenauslastung kontinu- ierlich auf über 80 Prozent eingependelt. Schwankungen können reduziert werden.“ Dieses Projekt (HA-Projekt-Nr.: 593/16-16) KI überwacht Eloxieranlage und sorgt wurde im Rahmen der Innovationsförde für Übersichtlichkeit rung Hessen aus Mitteln der „LOEWE — Wesentliche Gründe dafür waren die heterogene IT-Land- fessor Bernhard Seeger am Fachbereich Mathematik und Ein weiterer Erfolgsfaktor für die Lieferzeitbestimmung und Landes-Offensive zur Entwicklung schaft aus einem Enterprise Resource Planning System (ERP) Informatik der Philipps-Universität Marburg. Sie entwi- Liefertreue schufen die Forscher mit einer neuen Überwa- Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz, und einem Manufacturing Execution System (MES) sowie ckelten Adapter, die die Maschinen durch ein CEP-System chungsanlage für die Eloxieranlagen. Bevor die Aluminium- Förderlinie 3: KMU-Verbundvorhaben“, bisher nicht vernetzte Maschinen. Damit war Seidel anfäl- (Complex Event Processing) vernetzen, die Daten erfassen teile in die verschiedenen Eloxierbäder getaucht werden, gefördert. Weitere Informationen unter lig für Störungen im Produktionsablauf. „Störungen der und diese in Echtzeit zur Auswertung bereitstellen. In ei- müssen sie in akkurater Weise auf die sogenannten Racks www.innovationsfoerderung-hessen.de Produktion sind der Normalfall bei allen produzierenden nem weiteren Arbeitsprojekt entwickelten die Forscher ein aufgesteckt werden. In der Vergangenheit sorgten falsch Unternehmen“, berichtet Professor Michael Guckert. „Und an das Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0, kurz RAMI aufgesteckte Teile für Störungen und Ausschuss. Eine KI- weil die Kunden zunehmend kleinere Losgrößen fordern 4.0, angelehntes Vorgehensmodell — das IPDU Framework. basierte Kameratechnologie überwacht nun die Racks und und damit die Störanfälligkeit in der Produktion zunimmt, Das ist ein Schichtenmodell aus allen Datenquellen bei die Aluteile, bevor sie in die Bäder abtauchen. Bei einem müssen alle Unternehmensbereiche vom Auftragseingang Seidel, die im neuen Planungswerkzeug zusammenlaufen. Fehler wird der Prozess eingefroren, bis die Racks korrigiert über die Produktion bis zur Auslieferung in einer nahtlos Die Daten und Parameter aus ERP, MES sowie Maschinen- sind. Dr. Andreas Ritzenhoff, Geschäftsführender Inhaber digitalen Prozesskette verbunden werden.“ daten in Echtzeit werden auf der neuen Plattform für den von Seidel, resümiert: „Der durchschnittliche Durchsatz Datenaustausch so aggregiert, dass sie gemeinsam in eine der Racks in den Eloxieranlagen verbesserte sich bisher Digitales Planungswerkzeug verarbeitet Anwendung einfließen können. Diese läuft auf einer Tablet- um rund zehn Prozent. Das Datenmanagement und die neu Kontakt Renate Kirsch | Projektmanagerin Maschinendaten in Echtzeit App, über die die Planung von Seidel nun eine dynamische gewonnenen Daten werden im MES-System in der Planung Innovationsförderung Hessen Die Grundlagen für die produktspezifische Erfassung und Produktionsplanung realisieren, die die Berechnung der berücksichtigt und haben diese spürbar verbessert. Die HA Hessen Agentur GmbH Verarbeitung von Maschinendaten legte das Team um Pro- Lieferdaten zuverlässiger macht. Übersichtlichkeit hat nachhaltig zugenommen.“ renate.kirsch@hessen-agentur.de // Christian Gasche 12 13
IM FOKUS Sind Sie immer so schnell? in Fitnessstudios, wo die Mechanik zur Höhenverstellung IH: Das Visier war eine große Veränderung, unsere norma- Schutzabdeckungen haben muss. Es gibt viele Einsatz len Produkte haben Lieferzeiten von vier bis sechs Wochen. bereiche, die nischig erscheinen, aber attraktiv sind. DIGITALISIERUNG Jetzt hatten wir einen Onlineshop erstellt und mussten binnen 24 Stunden ausliefern. Was haben Sie aus Entwicklung und Vermarktung des Simone Weinmann-Mang: Unsere Schutzabdeckungen Visiers gelernt? sind B2B-Geschäft, die Visiere verkaufen wir an Endkun- IH: Unsere Prozesse sind viel schneller geworden, und DER PRODUKTION den – damit hatte niemand Erfahrung. die gemachten Erfahrungen können wir im Kerngeschäft Benedikt Himbert: Traditionell stehen Werkzeugmaschi- nutzen. Als Familienunternehmen pflegen wir einen fami- nen wie Lasermaschinen bei uns im Mittelpunkt. Aber wir liären Umgang mit dem Personal, das hilft, Innovationen versuchen immer, neue Anwendungsbereiche für unsere zu fördern. Außerdem erlebten wir eine sehr gute, enge UND DER PROZESSE Balgentechnik zu finden wie für MRT-Geräte in der Medi- und schnelle Zusammenarbeit zwischen Produktion, Ver- zintechnik. Auch Nischenanwendungen wie Laufbänder waltung und Entwicklung, die wir weiter fördern wollen. Die Produktion der Zukunft stellt Unternehmen vor viele Herausforderungen. Jedes löst diese individuell — so auch der Hersteller von Schutz- abdeckungen für Maschinen, Arno Arnold in Obertshausen, und der Mikromontage-Dienst- leister arteos in Seligenstadt und dessen Tochter siasys. Auf Initiative von Technologieland Hessen spre- chen Simone Weinmann-Mang, Geschäftsführerin von Arno Arnold, und Winfried Korb, Geschäftsführer von siasys und arteos über Digitalisierung, Künstliche Intel- ligenz und die Produktion der Zukunft. Mit am Tisch sit- zen Isabell und Dr. Benedikt Himbert — die Tochter von Simone Weinmann-Mang und ihr Mann sind die nächs- te Generation im Familienunternehmen. Isabell Himbert arbeitete zuvor beim Digitalkonzern Alphabet (Google). Ihre Erfahrungen dort treffen nun auf die Realität eines Herstellers von Schutzabdeckungen und Faltenbälgen für den Maschinenbau. Corona führte bei Arno Arnold zu einem Digitalisierungsschub in den Prozessen — und einem neuen Geschäftsmodell. Dabei trug ein analoges Produkt zu schnellen digitalen Prozessen bei. Wie kommt Arno Arnold dazu, außer Schutzabdeckun- gen auch Anti-Corona-Gesichtsvisiere herzustellen? Isabell Himbert: Das war die Idee eines Produktionsmit Die Teilnehmenden an dem Gespräch, arbeiters. Das war noch in der frühen Phase der Pandemie, von links nach rechts: Winfried Korb, als die heute überall erhältlichen OP- und FFP2-Masken Simone Weinmann-Mang, Isabell Himbert, kaum verfügbar waren. Aus der Idee entstanden innerhalb Dr. Svantje Hüwel, Dr. Benedikt Himbert von 48 Stunden ungefähr 15 Prototypen. 14 15
IM FOKUS BH: Auch Beschäftigte der Produktion sprechen offen Ver- rungen hilft uns und dem Kunden dabei, gegenzusteuern. das muss man berücksichtigen und die Bedenken durch besserungspotenziale am Produkt an. Das ist ein sehr star- Unsere daraus gewonnenen Kompetenzen in Sachen Vertrauensbildung überwinden. ker Innovationsantrieb für uns. Das neue Geschäft mit den Künstlicher Intelligenz, Sensorik und Internet of Things BH: Ohne Daten geht es absolut nicht. Wir haben allerdings Visieren half uns, in der Pandemie-Krise die Beschäftigten haben wir in der siasys zusammengeführt. So können wir hier ein spezielles Problem, denn als Zulieferer haben wir zu motivieren, Kurzarbeit zu verringern und die Stimmung gezielter für unsere Kunden arbeiten. keinen Einfluss darauf, wo oder wie unsere Kunden Ma- im Betrieb zu verbessern. schinen für ihre Kunden aufstellen und vernetzen. Deshalb Wie bearbeitet Arno Arnold das Thema Sensorik? werden wir langfristig auf Systeme setzen, die wir gemein- Herr Korb, wie gehen Sie mit siasys die SWM: Wir haben einen Faltenbalg entwickelt, der Auskunft sam mit Kunden entwickeln. Es wird so sein, dass wir nicht Digitalisierung an? geben kann über sich selbst und seine Umwelt. Die Daten, immer die Daten der Endkunden haben, bei denen Maschi- Winfried Korb: Wir entwickeln zusammen mit Unternehmen die hier gewonnen werden, lassen sich in das System der nen mit unseren Abdeckungen in der Anwendung sind. digitale und nachhaltige Geschäftsmodelle und setzen die- Maschine oder das Produktionssystem einspeisen. Aber in der oft langen Entwicklungsphase neuer Maschinen se mit dem Kunden um. Es geht nicht nur darum, Produkti- BH: Wir arbeiten an Angeboten zu Predictive Maintenance, können wir Daten mit den Maschinenbauern austauschen onsprozesse zu digitalisieren. Es geht bei uns immer um eine also zur Vorhersage des Wartungsbedarfs unserer Schutz- und unsere Produkte so weiterentwickeln. dreistufige Herangehensweise: Daten detektieren, analy- abdeckungen. Gemeinsam mit der TU Darmstadt hatten sieren und damit Nutzen generieren. Siasys entstand 2017, wir das LOEWE-Projekt SensoSchu, daraus ist das Produkt Wie ist es möglich, die Datenhoheit zu behalten und um für die Mutter arteos, einen Mikromontage-Dienstleis- Connected Cover entstanden. Das ist kurz vor Marktreife, sie dennoch für ein neues Geschäftsmodell zu teilen? ter, prädiktives Monitoring zu entwickeln. In der Mikromon- wir sind im Gespräch mit Kunden, um letzte Feinabstim- WK: Natürlich können wir nicht mit Erkenntnissen aus ei- tage ergibt jede kleine Abweichung große Veränderungen mungen vorzunehmen. nem Kundenprojekt zu deren Wettbewerbern gehen und in der Produktqualität. Das frühzeitige Erkennen von Ände- dort ähnliche Anlagen analysieren. Aber wir können unse- Welche Herausforderungen entstehen in ren Algorithmus verbessern und damit bei anderen Kunden der Zusammenarbeit mit Kunden? aus dessen analysierten Daten ein für ihn ganz neues und IH: Es geht um die Daten: Können sie in die Maschinen- auf ihn zugeschnittenes Geschäftsmodell entwickeln. steuerung integriert werden oder braucht es eine eigene BH: Das lässt sich vergleichen mit neuen Materialien, die wir Analyseeinheit? Wer hat die Hoheit über die Daten? Das für Abdeckungen entwickeln. Sie werden mitunter für ein jeweils individuell für verschiedene Aufträge zu organisie- Kundenprojekt exklusiv hergestellt, so dass wir sie ande- ren, ist ein großer Aufwand. ren Unternehmen nicht anbieten können. Aber wir lernen BH: Die Maschinensteuerung ist von Kunde zu Kunde unter- als Unternehmen aus dem Umgang mit neuen Materialien schiedlich, das erzeugt hohen Individualisierungsaufwand. oder Fasern und verbessern so unsere Kompetenzen. Das Um diesen zu reduzieren, sind für den Datenaustausch kommt unserer Innovationsfähigkeit zugute. zwischen unterschiedlichen Maschinen und Software systemen einheitliche Schnittstellen notwendig. Es gibt Was sind für Sie die größten Herausforderungen Bestrebungen großer Hersteller in dieser Richtung, aber durch Digitalisierung? noch ist kein anerkannter Standard vorhanden, auf dessen BH: Unsere Prozesse in Entwicklung, Fertigung und Ad- Zukunft her. Die digitalen Technologien dafür sind vorhan- Basis wir entwickeln können. ministration in der nötigen Geschwindigkeit digital auf- den, doch das Bewusstsein, neu heranzugehen, oft noch SWM: Wir müssen auch immer den Kundennutzen im Blick zustellen. Mit Investitionen, aktuell in Dokumentenma- nicht. Aber das lässt sich lernen, jeder kann das. behalten. Wir könnten viele Sensoren integrieren, aber nagement- und ERP-Systeme oder eine QR-Code-basierte die Frage ist: Was kostet es, wo ist der Nutzen für Kunden Lagerhaltung, muss die Infrastruktur geschaffen werden. Vielen Dank für das Gespräch! und lohnt sich die zusätzliche Investition? Also müssen wir IH: Genauso wichtig ist die interne Kommunikation mit // Martin Brust Nischen finden, wo Daten bisher noch nicht erfasst werden der Belegschaft, um gemeinsame Prozesse mit Kunden zu und einen Nutzen bringen können. Nur dann sind Daten gestalten und über die Unternehmensgrenze hinaus zu ent- auch für uns als Zulieferer das Gold von morgen. wickeln. Die sich daraus ergebenden Verantwortlichkeiten und Aufgaben können Stress für die Belegschaft bedeuten. Daten sind DAS heikle Thema bei der Da hilft Förderung und Training, die Leute mitnehmen und Kontakt Digitalisierung, oder? mitgestalten lassen. Als Unternehmensführung müssen wir Simone Weinmann-Mang | Generalbevollmächtigte WK: Aber ohne sie geht es nicht. Wir brauchen die Daten Zeit investieren, damit die Beschäftigten sich nicht verloren Arno Arnold GmbH s.mang@arno-arnold.de zum Lernen, um die Algorithmen weiterzuentwickeln. So fühlen, denn sonst verliert das Unternehmen viel mehr. www.arno-arnold.de beeinflussen auch äußere Bedingungen wie Hitze oder Staub die Lebensdauer der Faltenbälge, also kann es sinn- Und welche Chancen sehen Sie? Winfried Korb | Geschäftsführer arteos GmbH voll sein, diese Daten in den Algorithmus zu integrieren. WK: Auf Daten aufbauend können Produktionsprozesse w.korb@arteos.com Bei siasys verwalten wir Daten über eine Cloud-Plattform, analysiert, optimiert, wirtschaftlicher und nachhaltiger www.arteos.com über die wir Kunden oder Projektpartnern die Einblicke werden, aber auch Geschäftsmodelle mit völlig neuem Dr. Svantje Hüwel | Projektleiterin Smart Production geben können, die sie brauchen – aber nicht mehr. Viele Mehrwert können entwickelt werden. Digitalisierung ist die Hessen Trade & Invest GmbH Mittelständler haben Angst vor unberechtigten Zugriffen, Chance, neu und anders zu denken, vom Kunden und der svantje.huewel@htai.de 16 17
IM FOKUS Praxisbeispiel: Hochregallager in der Blechwarenfabrik Limburg Tobias Frerichs ist seit 2021 als Experte für industri- elle Produktion und Prozesse bei der VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH beschäftigt. Er berät kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Bereich der ressourceneffizienten Produktion. Der Maschi- nenbautechniker und Wirtschaftsingenieur hat zuvor an der TU Ilmenau studiert. Dort war er auch als wissen- schaftlicher Assistent im Fachgebiet Nachhaltige Produktions- wirtschaft und Logistik tätig und beschäftigte sich insbeson dere mit der automatisierten Optimierung und Digitalisierung von Produktions- und Logistikprozessen. Vorausschauende Wartung, optimierte Prozesse der Einführung von KI-Anwendungen. Unter anderem oder Produktverbesserungen — KI bietet vielfältige Ansätze gestaltete es sich schwierig, die für die Anwendung von KI für die Einsparung von Ressourcen. Ziel des Einsatzes von notwendigen Daten in ausreichender Menge und Qualität KI ist es, Aufgaben zu übernehmen, die für den Menschen zu erheben. Hinzu kam, dass innerhalb der Belegschaft zu komplex, langwierig oder gefährlich sind, und dadurch oft das notwendige Know-how fehlte, wodurch der Imple- neue Optimierungspotenziale zu erschließen. mentierungsaufwand für die Unternehmen stark stieg. Um dieser Herausforderung zu begegnen, setzten 60 Prozent Kosten- und Materialeinsparungen der Unternehmen auf externe Unterstützung. Dabei wur- Gemäß einer aktuellen Studie des VDI Zentrums Ressourcen den in vielen Fällen die KI-Anwendungen in Kooperation effizienz (VDI ZRE) setzen bereits rund 42 Prozent der be- mit externen Partnerinnen und Partnern entwickelt oder fragten Unternehmen KI-Anwendungen ein. Das zentrale gänzlich von externen Quellen bezogen. Zusätzlich haben Motiv für den Einsatz von KI war für die Unternehmen die viele Unternehmen interne KI-Teams gebildet, die gezielt Einsparung von Kosten. Lediglich rund 13 Prozent setzen für den Einsatz von KI geschult wurden. sie derzeit zur Steigerung der Ressourceneffizienz ein. Weitere Informationen zum Einsatz von KI einschließ- MIT KÜNSTLICHER Das höchste Einsparpotenzial bei der Anwendung von KI lich Praxisbeispielen und Anwendungsszenarien können sehen die Unternehmen beim Verbrauch von Material (92 in der kostenlosen Studie „Potenziale der schwachen INTELLIGENZ ZU MEHR Prozent), gefolgt von Energie (90 Prozent). Dies spiegelt künstlichen Intelligenz für die betriebliche Ressourcen sich auch in der Planung für künftige KI-Anwendungen effizienz“ des VDI ZRE nachgelesen werden. Beauftragt seitens der Unternehmen wider. So planen Unternehmen, und betreut wurde die Studie vom VDI ZRE. Das Kompe- RESSOURCENEFFIZIENZ zukünftig KI-Anwendungen etwa doppelt so häufig zur tenzzentrum arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums Einsparung von Material und Energie einzusetzen als bis- für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). her üblich. Durchgeführt wurde die Studie von der Deloitte Consul- Ein Beispiel aus der Studie ist die Blechwarenfabrik ting GmbH — Analytics & Cognitive sowie dem Fraunhofer- Der Klimawandel und die Anpassung an dessen Folgen stellt Limburg GmbH, die KI zur Verbesserung ihrer Lagerver- Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine transformative waltung und zur Kürzung ihrer Transportwege nutzt. Die Die Studie steht zum Download bereit unter: Ware besitzt keinen festen Lagerplatz. Vielmehr wird der www.ressource-deutschland.de. Herausforderung dar. Viele Unternehmen befassen sich mit Ware ein geometrisch passender Lagerplatz zugewiesen. der Notwendigkeit, einen positiven Beitrag zum Erreichen Hierdurch kann mehr Ware auf gleicher Fläche gelagert // Tobias Frerichs, VDI ZRE der Klimaziele zu leisten und in diesem Zusammenhang auch werden. Dies reduziert somit den Flächenbedarf im La- ger. Die KI unterstützt anschließend dabei, die Transport- technologische Innovationen einzusetzen. Der Einsatz von strecken für die Einlagerung bzw. Entnahme der Ware aus Kontakt Dr. Felix Kaup | Projektleiter künstlicher Intelligenz (KI) zur Steigerung von Ressourceneffizienz dem Hochregallager zu optimieren. Die so ermittelten Ressourceneffizienz & Umwelttechnologien in Unternehmen leistet dabei einen wichtigen Beitrag auf Fahrtstrecken werden an die fahrerlosen Transportsyste- Hessen Trade & Invest GmbH me übermittelt, welche den Transportauftrag ausführen. felix.kaup@htai.de dem Weg zu einer ökologisch nachhaltigen und technologisch zukunftsweisenden Wirtschaft. Hemmnisse und Treiber beim Einsatz von KI Tobias Frerichs | Wissenschaftlicher Mitarbeiter In der genannten Studie des VDI ZRE berichten die be- VDI Zentrum Ressourceneffizienz fragten Unternehmen auch von Herausforderungen bei frerichs@vdi.de 18 19
VISION BIOFABRIK IM LABOR Die nachwachsende Zukunft In der Biofabrik von morgen entstehen Chemikalien, Kosmetika oder Getränke aus nachwachsenden Rohstoffen. Aber nicht nur das: Auch Produktionsprozesse und Energiegewinnung sind komplett biobasiert. Alles noch Zukunftsmusik? Ein Streifzug durch die deutsche Biotech-Landschaft der Gegenwart. Fischfutter aus Algen Klimawandel, Rohstoffknappheit und die Verschmut- wären biobasiert, auch die Verarbeitung und die Ener- Als echtes Flaggschiff der deutschen Biotechnologie gilt säuren EPA und DHA direkt aus dem speziell entwickelten zung natürlicher Lebensräume führen der Menschheit vor giegewinnung. Produktionsreste und Nebenströme wür- der Spezialchemiehersteller Evonik. Durch die Fermenta Mikroalgenstamm Schizochytrium sp. zu gewinnen. So Augen, dass unser lineares Wirtschaftssystem keine Zu- den vollkommen verwertet, Abfall wäre ein Wort aus der tion nachwachsender Rohstoffe stellt das Essener Unter- soll eine einzige Tonne des industriell gefertigten Algen kunft hat. Viele Fachleute sind sich längst einig, dass wir Vergangenheit. nehmen biologische Zusatzstoffe für Tiernahrung her. öls rund 60 Tonnen wild gefangenen Fisch ersetzen. dringend einen anderen Umgang mit Ressourcen brau- Für die Idee der Biofabrik sind zwei Technologien Unter anderem haben die Biotech-Spezialisten gemein- „Durch unser neues Algenöl-Werk in Nebraska kön- chen. Einen, der nicht auf Verschwendung basiert, sondern entscheidend. Zum einen die Bioraffinerie, die nach- sam mit dem niederländischen Chemiekonzern DSM ein nen wir den weltweiten Bedarf von Lachsfarmen zu rund auf nachwachsenden Rohstoffen und Kreislaufwirtschaft. wachsende Rohstoffe in industriell verwertbare Grund- spezielles Algenöl für die Lachszucht entwickelt. 15 Prozent decken“, erklärt Professor Stefan Buchholz, Auch die deutsche Bundesregierung hat die Notwen- bausteine und Basischemikalien zerlegt. Zum anderen Für Lachse ist es wichtig, ausreichend Omega-3-Fett- Senior Vice President R & D Nutrition & Care bei Evonik. digkeit für ein radikales Umdenken erkannt: 2020 ver- die sogenannte Biotransformation, bei der Enzyme und säuren aufzunehmen. Das tun sie, indem sie kleinere „Damit machen wir pro Jahr den Fang von 1,2 Millio- abschiedete das Kabinett eine nationale Bioökonomie- Mikroorganismen einfache pflanzliche Ausgangsstoffe Fische wie Sprotten oder Heringe fressen. In Aquakultu- nen Tonnen Wildfisch überflüssig und wirken der Über strategie, die den Weg in eine nachwachsende Zukunft zu komplexen Chemie-Bausteinen verknüpfen. Kommt ren erhalten Lachse deshalb als Futterergänzung ein Öl fischung der Ozeane entgegen.“ skizziert. Doch wie könnte sie aussehen, die biobasierte die Energie dafür aus einem Biomassekraftwerk, wäre die aus wild gefangenen Fischen. Laut Evonik werden jedes Öko-Ökonomie von morgen? vollkommen biobasierte Fabrik bereits Realität. Jahr rund 16 Millionen Tonnen Wildfisch allein dafür ge- Optimierte Enzyme In ihrem Zentrum steht wahrscheinlich eine völlig neue Was für viele nach Zukunftsmusik klingt, ist in Wahrheit fangen, um Futterzusatz für Kulturfische herzustellen. Wenn es darum geht, Fermentationsprozesse wie die von Art von Produktionsstätte: die Biofabrik, in der Holz, Gras nicht mehr weit entfernt. Schon heute gibt es zahlreiche Aber das könnte bald ein Ende haben. Evonik noch ertragreicher zu machen, kommen Enzym- oder andere Naturstoffe zu nachhaltigen Produkten wer- Firmen in Hessen und ganz Deutschland, die das Konzept Über ein innovatives Fermentationsverfahren ist es Optimierer wie die Leipziger Firma c-Lecta ins Spiel. Seit den. Aber nicht nur Ausgangsmaterial und Endprodukt Biofabrik bereits in Teilen erahnen lassen. Evonik möglich, die beiden benötigten Omega-3-Fett- 2004 betreibt das Unternehmen sogenanntes Enzym- 20 21
wird als zertifizierter Dünger auf die eigenen Wiesen aus- „Besonders die Lebensmittel Ein Blick auf die Biofabrik der Zukunft gefahren. Ein geschlossener Verwertungskreislauf. Dass sich natürliche Reststoffe gewinnbringend nutzen las- industrie weist viele ungenutz- sen, hat auch der finnische Forst- und Papierkonzern UPM te Nebenströme auf. Wenn erkannt. In einer neuen Bioraffinerie in Sachsen-Anhalt, die Kraftstoffherstellung Ende 2022 mit der Produktion starten soll, zerlegt das Un- biotechnologische Verfahren mit Strom und Mikroben ternehmen Holzreste, die bei der Pflege von nachhaltig be- in Zukunft dabei helfen, sie zu wirtschafteten Laubwäldern anfallen, in Zucker und Lignin. Aus dem Zucker gewinnt UPM unter anderem den nutzen statt zu verschwenden, IM LABOR Chemikalien zweiwertigen Alkohol Ethylenglycol, der zu Polyester und wäre das ein CO2 CO2 aus Holz CO2 PET werden kann. Das Makromolekül Lignin, das Bäumen Gewinn für alle.“ CO2 CO2 ihre natürliche Stabilität verleiht, lässt sich für holzba- sierte Harze, Klebstoffe und als funktionaler Füllstoff für Dr. Martin Rühl, Gummiprodukte einsetzen. „Wir nutzen alles, was unser Holz zu bieten hat“, sagt Dr. Michael Duetsch, Vice Pre- Projektleiter, LOEWE AROMAplus L sident Biochemicals Business bei UPM. Ein Vorsatz, der L L L Limo aus Trester auch für die Energiegewinnung gilt: „Was wir nicht verar- und Pilzen beiten können, wird energetisch genutzt.“ Dass Lignin sehr viel mehr als ein Abfallprodukt ist, macht sich auch das Hamburger Biotech-Start-up Ligno- Pure zunutze. Seit 2019 befasst sich das junge Unterneh- men damit, den natürlichen Stabilisator für Produkte des täglichen Gebrauchs aufzubereiten. Richtig verarbeitet, Die Mini-Biofabrik Kunststoff aus Gras lässt sich Lignin als eine Art Pflanzenplastik verwenden, Zerlegen, umwandeln, veredeln, verstromen: Der kalei- das schädliche Kunststoffe auf Erdölbasis ersetzen kann. doskopische Blick auf die heutige Biotech-Landschaft lässt Möglichkeiten gibt es dafür viele, etwa in der Kosmetik-, die Biofabrik der Zukunft zum Greifen nah erscheinen. Die In der Biofabrik werden biobasierte Rohstoffe in ihre weiterverarbeitet werden. Werden Trester mit bestimmten Nahrungs- und Textilindustrie. gezielte Verwertung biobasierter Reststoffe führt vor, wie Bestandteile zerlegt, umgewandelt und veredelt: Mit der Pilzen fermentiert, entstehen interessante Aromen, aus Energie aus Wind- und Solaranlagen werden elektro- denen sich Limonaden ohne Zusatz künstlicher Aromen Abfälle genutzt und Kreisläufe geschlossen werden können. sensible Mikroorganismen in einer Brennstoffzelle unter brauen lassen. Aus herausgelösten Zellulosefasern und Gleichzeitig eröffnen optimierte Enzyme fast täglich neue Strom gesetzt, um Kraftstoff und Chemikalien aus CO2 Kunststoffrezyklat entsteht hochwertiges Granulat für die Möglichkeiten der Verarbeitung. Alle Technologien sind herzustellen. Aus entrindeten und zerkleinerten Holz wird Produktion verschiedener Kunststoffprodukte. vorhanden und greifen bereits teilweise ineinander. Jetzt Lignin und Zucker, die zu Füllstoff oder Chemikalien müssen sie nur noch unter einem Dach zusammenfinden. Wie das aussehen könnte, demonstriert das hessische LOEWE-Förderprojekt „AROMAplus“, an dem die Hoch- Engineering. Dabei werden Enzyme nach dem Zufalls Treibhausgas Kohlendioxid als Rohstoff nutzt, würde die schule Geisenheim, die Justus-Liebig-Universität Gießen prinzip so lange verändert, bis sie organisches Material Elektrobiosynthese eine gezielte Dekarbonisierung der Das Technologieland Hessen begleitet und das Frankfurter DECHEMA-Institut beteiligt sind. Im in gewünschter Weise umwandeln. Ein Prozess, der der Atmosphäre ermöglichen. Wirklich nachhaltig wäre die das Thema Bioökonomie seit vielen Jahren. Miniaturformat spielen die Forschenden hier den kom- natürlichen Evolution nachempfunden ist. Technologie allerdings erst, wenn der benötigte Strom Mit der Reihe Bio. Innovation. Stärken. pletten Herstellungsprozess einer Biofabrik durch, vom Designer-Enzyme wie die von c-Lecta bieten der In- aus erneuerbaren Quellen stammt. Und wie das geht, veranstaltet die Hessen Trade and Invest GmbH biobasierten Reststoff bis zum Endprodukt. dustrie ein breites Anwendungsspektrum, von gesünde- weiß kaum jemand besser als die Biowert Industrie GmbH. regelmäßig Vorträge und Thementage — Konkret wollen sie natürliche Aromen gewinnen, in- ren Lebensmitteln bis zu wirksameren Medikamenten. in der Vergangenheit unter anderem zu den dem sie den Stoffwechsel von Mikroorganismen wie Da wundert es nicht, dass zu den Kunden von c-Lecta Abfall? Welcher Abfall? Bereichen Biobasiertes Bauen, Rohstoffquellen Hefen verändern oder Speisepilze auf Nebenströmen der mittlerweile auch die ganz großen Namen zählen: BASF, In einer Bioraffinerie im südhessischen Brensbach verar- der Zukunft und Nachhaltige Verpackungen. Lebensmittelindustrie kultivieren. Ausgangsmaterial sind Henkel — und eben Evonik. beitet Biowert besonders zellulosehaltiges Wiesengras Das erklärte Ziel ist es dabei, Unternehmen Pflanzenreste aus dem Wein- und Johannisbeeranbau. Einen etwas anderen Biotech-Ansatz verfolgt die Tech- zu Industriegütern und Öko-Strom. Die mechanisch her- gezielt zu informieren, zu beraten und zu „Auf diese Weise produzierte, nachhaltige Aromastoffe nische Hochschule Mittelhessen. Mittels enzymatischer ausgelösten Zellulosefasern werden mit recycelten oder vernetzen und damit ihre Innovationen zu könnten irgendwann ihre künstlichen Vertreter ersetzen“, und mikrobieller Elektrosynthese wollen die Forschenden biobasierten Kunststoffen zu Pellets kombiniert, die sich unterstützen. Alle bisherigen und kommenden erläutert Projektleiter Dr. Martin Rühl. Es sei bereits ge- elektroaktive Mikroorganismen dazu bringen, aus klima- zu Kugelschreibern, Kleiderbügeln oder Stapelkisten ver- Verans taltungen zum Thema Bioökonomie lungen, eine Bio-Limonade mit Waldbeerennote zu brau- schädlichem CO2 wertvolle Moleküle zu bauen. Das ge- arbeiten lassen. finden sich im Internet en. Ein erster Vorgeschmack auf die Zukunft, sozusagen. schieht, wenn die Mikroben in einer Brennstoffzelle unter Der Strom für die Grasraffinerie entsteht in einer an- unter // Denis Mohr, Elena Friedrich, SCRIPT Strom gesetzt werden. Die Mikroorganismen nutzen die gegliederten Biogasanlage. Aus unterschiedlichen orga- www.technologieland- Elektronen für Synthesereaktionen, aus denen hochwerti- nischen Verarbeitungsresten erzeugt das Unternehmen hessen.de/ ge Chemikalien und Kraftstoffe entstehen können. hier eine elektrische Leistung von 1,4 Megawatt und bioinnovationen- Kontakt Dr. Hendrik Pollmann | Projektmanager Ist das Verfahren einmal ausgereift, könnte es einen nutzbare Abwärme. Zugleich liefern die Gärreste der An- veranstaltung Life Sciences & Bioökonomie wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Indem sie das lage neues Prozesswasser. Was dann noch übrigbleibt, Hessen Trade & Invest GmbH hendrik.pollmann@htai.de 22 23
Die Mixtur macht´s: Kevin Klier am Planeten- dissolver. Das Gerät arbeitet ähnlich wie eine Küchenmaschine. Er verrührt mit Drehzahlen von bis zu 2.000 U/Minute ein Basismaterial, hinzugefügte Partikel und Füllstoffe. „In enger Kooperation mit dem IM LABOR Anwendungszentrum entwickeln wir schaltbare Folie ihre Farbe wechseln können. Bauteile, neue Produkte und Funktionen, die gezielt Wärme ableiten oder durch die Ausnutzung welche Lösungen auf die Fragen von Temperaturdifferenzen elektrischen Strom für die unserer Zeit liefern. Insbesondere Sensoren in Autos erzeugen. In einem Arbeitsgang produ- geht es um Nachhaltigkeit sowie zierte, funktionale Bauteile, die normalerweise aus meh- Ressourcenschonung. Wir schätzen reren Modulen zusammen- gefügt werden: All das sind dabei nicht nur die Nähe des nicht nur Visionen, sondern auch Beispiele, die entweder Anwendungszentrums zu unserem EINE SCHMIEDE schon im Markt sind, im Labor funktionieren oder zu- Produktionsalltag und seine Flexibilität, mindest theoretisch mach- bar sind. Das am Fachgebiet sondern auch die Kompetenz und FÜR MULTITALENTE Kunststofftechnik des Insti- tuts für Werkstofftechnik der Zuverlässigkeit seiner Mitarbeiter.“ Universität Kassel beheima- tete Anwendungszentrum Dr. Thorsten Siodla, Managing Director soll unter anderem Produkt ideen aus der Theorie in den Technoform Caprano + Brunnhofer GmbH, Kassel Markt überführen. „Gemein- Anwendungszentrum funktionenintegrierende sam mit Unternehmen wer- Kunststofftechnik (UNIfipp) in Kassel gestartet Gegenüber anderen Werkstoffen bringen Kunststoffe den innovative Ideen und Ansätze entwickelt und in der den Vorteil, besonders leicht und gleichzeitig robust zu Folge mit der zur Verfügung stehenden umfangreichen sein. Das prädestiniert sie beispielsweise für den Einsatz (Labor-) Ausstattung in Kooperation umgesetzt“, erklärt beim Bau von Elektroautos, bei denen eingespartes Ge- Projektingenieur Karsten Erdmann, Manager des Kunst- Kunststoffe sind besser als ihr Ruf. Durch ihre Klein- und mittelständische Unternehmen wicht mehr Reichweite bedeutet. „Die funktionenintegrie- stoff Clusters Nordhessen. Mit der neuen Maschinen- vielfältigen Einsatzmöglichkeiten beflügeln (KMU) unterstützt werden. Für die kooperative rende Kunststofftechnik ermöglicht durch die vielfältigen und Laborausstattung kann das Anwendungszentrum die sie Unternehmen, innovative Produkte zu Erweiterung des Anwendungszentrums plant Eigenschaften die Substitution von ‚gewichtigeren‘ Materia- gesamte Fertigungskette vom Rohmaterial bis zum End- entwickeln und neue Märkte zu erobern — sei das Hessische Ministerium für Wissenschaft lien und liefert so wichtige Beiträge zum Leichtbau“, erklärt produkt abbilden. Das geschieht auch mit Simulations- es in dem für die Auto- und Flugzeugindustrie und Kunst (HMWK) in 2021 rund 1,8 Millionen Michael Hartung, Geschäftsführer des Anwendungszent- werkzeugen. Das wissenschaftliche und technische Per- so wichtigen Leichtbau, der Medizin- oder Euro aus Mitteln des Europäischen Fonds für rums. Zusätzliche Eigenschaften müssen Wissenschaftler sonal des Instituts arbeitet bereits seit Jahren erfolgreich den Polymeren aber erst „beibringen“: Das geschieht mit mit namhaften hessischen Unternehmen zusammen. der Elektrotechnik-Sparte. Mit dem neuen Regionale Entwicklung (EFRE) und aus dem ausgeklügelten Mixturen, durch Schichtsysteme, die Zu- Anwendungszentrum funktionenintegrierende Innovations- und Strukturentwicklungsbudget gabe von Füllstoffen, Fasern und Additiven sowie durch Erstes Projekt auf der Erfolgsspur Kunststofftechnik (UNIfipp) startet in Kassel zu investieren. Weitere EFRE-Mittel in Höhe unterschiedliche Verarbeitungs- und Prozesstechniken. In einer Halle verfolgen die wissenschaftlichen Mitarbei- dank der Anschubfinanzierung durch das von rund 0,5 Millionen Euro wurden bereits Die Mehrwerte solch zusätzlicher Eigenschaften sind ter Christian Kahl und Kevin Klier, wie hinter der Scheibe Land Hessen eine Schmiede für diese 2019 und 2020 zum Aufbau und zur Finanzie- vielfältig: Panoramadächer und Scheiben aus Kunst- eines kürzlich gelieferten 3D-Druckers Schicht um Schicht „Multitalente“. Durch die Verzahnung von rung der ersten Betriebsphase des Zentrums stoff, die sich selbsttätig abdunkeln, robuste Kunststoff ein Zahnrad in die Höhe wächst. Das ist nur ein Testlauf, Wissenschaft und Industrie sollen vor allem an die Universität Kassel vergeben. displays, die durch eine mehrschichtige, elektrisch der Drucker kann Strukturen aufbauen, die mit klassischen 24 25
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