Sozial - BruderhausDiakonie
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Ausgabe 1 I 22 sozial Das Magazin für Politik, Kirche und Gesellschaft in Baden-Württemberg SCHWERPUNKT Umweltschonend, Aktuelles: Arbeitsbedingungen familienfreundlich gestalten wirtschaftlich, sozial Nachrichten: Mit kleinen Kindern Nachhaltiges Arbeiten als Unternehmensziel in Ausbildung und Beruf einsteigen
INHALT SCHWERPUNKT 3 Nachhaltigkeit in der Unternehmenskultur verankern Die BruderhausDiakonie orientiert sich an den UN-Nachhaltigkeitszielen 4 Die Elektromobilität nimmt Fahrt auf Zunehmend nutzt die BruderhausDiakonie Elektro-Autos und -Fahrräder 6 Es gibt noch viel Verbesserungspotenzial Johanna Gary über die Bemühungen der Diakonie um mehr Nachhaltigkeit 8 Vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement Das Umweltmanagementsystem der BruderhausDiakonie hat vieles bewirkt 10 Wie Bienen und Bäume Menschen verbinden Projekte unterstützen die Artenvielfalt und wirken ins Quartier hinein 12 Holzprodukte fördern die Artenvielfalt Werkstätten für Menschen mit Behinderung fertigen nachhaltige Produkte 14 Das Krokolin sorgt für Spaß beim Thema Nachhaltigkeit Schülerinnen und Schüler erproben nachhaltiges Verhalten KOLUMNE 15 Sich selbst zu ökologischer Verträglichkeit verpflichten Eine nachhaltige Diakonie ist Diakonie für die gesamte Schöpfung AKTUELLES 16 Säen und ernten im Einklang mit der Natur Landwirtschaftlich arbeiten heißt verantwortungsvoll handeln 18 Beruf und Familie unter einen Hut bringen Altenhilfe punktet mit familienfreundlichen Arbeitsbedingungen 20 Schwere Kisten einfach transportieren NACHRICHTEN Die BruderhausDiakonie-Fahrradwerkstatt hat ein Cargo-Bike entwickelt SPENDENPROJEKTE 21 Aktuelles aus der BruderhausDiakonie 22 Gesund essen in der Oberlinschule DIAKONISCHER IMPULS Mit Spenden hat die Oberlinschule ihre Schulverpflegung umgestellt 24 Gottes Ruf ist eine Befreiung Pfarrerin Katrin Zürn-Steffens, Leitung Theologie und Ethik der BruderhausDiakonie IMPRESSUM Herausgeber Redaktion Fotonachweis Prof. Dr. Bernhard Mutschler, Theologischer Vorstand Sabine Steininger (verantw.), Martin Schwilk, Titel, S. 3: Horst Haas; S. 6: Diakonie/Michael Klein; S. 7: Diakonie/ Karin Waldner Verena Müller; S. 9: anatoliy_gleb/adobestock; S. 10, S. 16-17: BruderhausDiakonie Ulla Hanselmann; S. 12-13: Andreas Straub; S. 19: Anne Oschwald; Stiftung Gustav Werner und Haus am Berg Gestaltung und Satz S. 23 Jürgen Lippert; S. 24: Andreas Weise; alle anderen: privat oder Ringelbachstraße 211, 72762 Reutlingen Mees + Zacke, Susanne Sonneck Archiv und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BruderhausDiakonie Telefon: 07121 278-225, Telefax: 07121 278-955 Mail: redaktion@bruderhausdiakonie.de Druck und Versand Spendenkonto ISSN 1861-1281, erscheint dreimal jährlich Grafische Werkstätte der BruderhausDiakonie, Evangelische Kreditgenossenschaft Kassel Werkstatt für behinderte Menschen IBAN DE31 5206 0410 0000 0040 06 2 sozial 1 I 2022
Nachhaltige Arbeit: Beschäftigte pflegen den Baumlehrpfad. SCHWERPUNKT Nachhaltigkeit in der Unternehmenskultur verankern Umwelt- und klimaschonendes Verhalten darf sich nicht in Absichtserklärungen erschöpfen. Es muss gelebt werden. Aus dieser Erkenntnis heraus hat die Bruderhaus- Diakonie nachhaltiges Arbeiten in ihre Unternehmensstrategie aufgenommen. Energie einsparen, Verschwendung vermeiden – das bald klimaneutral zu werden – in Deutschland, in der hat sich die BruderhausDiakonie schon seit Langem EU und weltweit.“ Die BruderhausDiakonie selbst zum Ziel gesetzt. „Vor über zehn Jahren haben wir habe sich zum Ziel gesetzt, „spätestens 2035 klima- uns auf den Weg zu einem aktiven Umweltmanage- neutral zu arbeiten und dabei auch in der Unterneh- ment gemacht und gehören damit zu den Vorreitern menskultur die Weichen für ein nachhaltiges Arbeiten in der Sozialwirtschaft“, sagt Tobias Staib, Fachlicher zu stellen – ökologisch, ökonomisch und sozial“. Vorstand der BruderhausDiakonie. Mit diesem Um- Dieses umfassende Verständnis von Nachhaltigkeit weltmanagement nach dem europäischen Standard orientiere sich an den Nachhaltigkeitszielen der EMAS (Eco Management and Audit Scheme) hat die Vereinten Nationen. Jährlich wird die Bruderhaus- BruderhausDiakonie ein ganzes Bündel verschiedener Diakonie eines dieser Ziele gesondert in den Fokus Maßnahmen und Ideen verwirklicht, die der Umwelt nehmen. Aktuelles Ziel: „Nachhaltiger Konsum und dienen und gleichzeitig wirtschaftlich sind. nachhaltige Produktion“. Das schlägt sich unter ande- Angesichts des fortschreitenden Klimawandels hat rem nieder in einer Strategie zum verstärkten Einsatz die BruderhausDiakonie nach intensiven Diskussio- von Fotovoltaikanlagen, zum Ausbau von E-Mobilität, nen beschlossen, nachhaltiges Arbeiten noch tiefer in im Aufbau von Windkraftnutzung. Aber auch in klei- allen Tätigkeitsfeldern zu verankern. Der Klimawandel nen Projekten zur Umweltbildung wie einem Baum- sei eine der beherrschenden Menschheitsheraus- lehrpfad, der Klientinnen und Klienten, Mitarbeiter- forderungen, betont Tobias Staib. „Wir begrüßen schaft und Nachbarschaft zusammenbringen soll. deshalb die verstärkten politischen Bemühungen, I Martin Schwilk sozial 1 I 2022 3
Jürgen Wendehost demonstriert, wie das Laden an der Säule funktioniert. SCHWERPUNKT Die Elektromobilität nimmt Fahrt auf Weg vom Verbrennungsmotor, hin zu mehr Elektromobilität: Die BruderhausDiakonie ist auf dem Weg, ihre Fahrzeugflotte umzustellen. Bis zum Sommer sind an die 70 Lade- punkte für Elektroautos geplant. Auch für E-Bikes werden Ladestationen geschaffen. Fast geräuschlos rollt der weiße Wagen mit dem Logo Es ist ein technisch ausgeklügeltes System, das um- der BruderhausDiakonie auf den Parkplatz hinter dem fangreiche Vorarbeiten erfordert hat. Seit einem Jahr Zentrum für Gemeindepsychiatrie in Reutlingen. Für kümmert sich eine Projektgruppe E-Mobilität, zu der elektrisch angetriebene Dienstfahrzeuge stehen hier auch Wendehost gehört, um geeignete Standorte für seit Kurzem vier moderne Ladesäulen zur Verfügung. Ladesäulen und Wallboxen sowie die entsprechende Jede Säule hat zwei Ladepunkte, sodass acht E-Autos Infrastruktur in den Einrichtungen. Der Projektsteue- gleichzeitig Strom beziehen können. Die Ladestatio- rer und seine Kollegen prüfen unter anderem, ob die nen sind im Auftrag der BruderhausDiakonie errichtet technischen Voraussetzungen für das Laden vollelek- und von Jürgen Wendehost abgenommen worden. trischer Dienstfahrzeuge vorliegen und die Strom- Er ist bei der BruderhausDiakonie für die Projektsteu- versorgung ausreicht. Da immer mehr Mitarbeiterin- erung Technik und damit für den Ausbau der Lade- nen und Mitarbeiter mit E-Autos und E-Fahrrädern infrastruktur in der Stiftung zuständig. Wendehost unterwegs sind, steigt der Bedarf an Ladekapazitäten. parkt vor einer der schlanken Säulen. Dann holt er ein In der Region Reutlingen kommen zu den bereits be- Ladekabel aus dem Wagen und verbindet diesen mit stehenden Ladestationen für E-Bikes neue hinzu. Für der Ladesäule. Bevor der Strom fließen kann, schaltet Elektroautos gibt es aktuell 30 Ladepunkte innerhalb er mithilfe einer Chipkarte den Ladepunkt frei. Ein der gesamten Stiftung. Bis zum Sommer sollen an die grünes Licht blinkt auf. „Jetzt habe ich mich authenti- 70 Ladepunkte zur Verfügung stehen, die mithilfe von fiziert und kann den Ladevorgang starten.“ Fördermitteln aus verschiedenen Landesprogrammen 4 sozial 1 I 2022
SCHWERPUNKT realisiert werden. Besonders hohe Zuschüsse gibt es Fahrzeug für den Fuhrpark der Verwaltung in Reut- für stark stickoxidbelastete Gebiete. „In der Bruder- lingen an, mit einer Reichweite von 80 Kilometern. hausDiakonie sind das die Regionen Reutlingen, Stutt- Dieses ist vor Kurzem durch ein neues E-Auto ersetzt gart und Oberschwaben“, weiß Jürgen Wendehost. worden, das bereits eine Reichweite von über 400 Das Ziel der gemeinnützigen Stiftung, ökonomisch Kilometern hat, betont Magdalena Heinz. Seit sich die und ökologisch zu wirt- Kapazität der Autobatterien schaften, schließt die „Wie viel Strom ein Dienstfahrzeug laden deutlich erhöht habe, sei der Umstellung des Fuhr- darf, ist exakt festgelegt. Nicht mehr als elf Einsatz reiner Elektrofahr- parks von Verbrenner- zeuge auch für die Bruder- Kilowattstunden pro Ladepunkt.“ auf Elektrofahrzeuge mit hausDiakonie praktikabel Jürgen Wendehost, Projektsteuerung Technik ein. Zur Fahrzeugflotte geworden. Zudem profitiere der BruderhausDiakonie sie bei der Anschaffung und ihrer Tochtergesellschaften gehören gegenwärtig neuer E-Autos von staatlichen Förderprogrammen wie rund 400 Pkws und Kleinbusse, berichtet Magdalena BAFA-Elektromobilität und dem Flottenaustauschpro- Heinz, die für den Fuhrpark zuständige Mitarbeiterin. gramm sozial & mobil sowie von Herstellerrabatten Davon sind stiftungsweit über zehn Prozent reine für kirchliche und soziale Einrichtungen. „Allerdings Elektro-, Hybrid- oder Gasautos – in der Region Reut- macht die andauernde Lieferproblematik eine kurz- lingen sogar mehr als 16 Prozent. „Auch über unter- fristige Planung und Verfügbarkeit zunehmend schiedliche Leasingvarianten werden Elektromobile schwierig“, bedauert Magdalena Heinz. seit Langem genutzt“, sagt Heinz. Ihr Kollege Jürgen Wendehost hat seine Demonstra- Wie viel Strom ein Dienstfahrzeug laden darf, ist exakt tion inzwischen beendet und verstaut das Ladekabel festgelegt. „Nicht mehr als elf Kilowattstunden pro im Wagen. Das nächste Vorhaben steht an: Vor den Ladepunkt, danach ist Schluss, damit das Gebäude Werkstätten im Reutlinger Industriegebiet In Laisen ausreichend versorgt wird“, erläutert Jürgen Wende- soll die nächste Ladesäule aufgebaut werden. host, während er die Funktionsweise der Ladesäulen I Karin Waldner demonstriert. Lastmanagement nennt sich dieses intelligente Verfahren: die gezielte Steuerung des Energiebezugs beziehungsweise die Fähigkeit einer Ladesäule, nur den Strom zu beziehen, den das Gebäude nicht selbst benötigt. Um die in ganz Baden-Württemberg verteilten Lade- säulen und Wallboxen vernetzen und steuern zu können, nutzt die BruderhausDiakonie eine spezielle cloudbasierte Software, so Wendehost. Diese kann nicht nur sämtliche Ladepunkte und Nutzerdaten verwalten, sondern auch jeden Ladevorgang eich- rechtskonform abrechnen. Zum Freischalten des Lade- vorgangs sieht die Projektgruppe E-Mobilität zwei Varianten vor: entweder per Chip oder über einen am Ladepunkt angebrachten Barcode, den Zugangsbe- rechtigte mit ihrem Smartphone scannen können. Ganz neu ist das Thema Elektromobilität für die BruderhausDiakonie nicht. Bereits im März 2011 schaffte die Stiftung das erste vollelektrische Magdalena Heinz freut sich über das neue elektrische Dienstfahrzeug. sozial 1 I 2022 5
SCHWERPUNKT Es gibt noch viel Verbesserungspotenzial Johanna Gary, als Referentin bei der Diakonie Deutschland zuständig für das Thema Nach- haltigkeit, will ein Diakonie-Klima-Management entwickeln und Nachhaltigkeit auch im eigenen Haus so konsequent wie möglich umsetzen. Die Diakonie hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Dafür möchten wir ein Diakonie-Klimamanagement UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung umzusetzen. entwickeln. Unseren Schwerpunkt legen wir dabei auf Warum? die Bereiche Mobilität, Immobilien und Beschaffung. Die Bewahrung der Schöpfung in all ihren Facetten ist in unserem christlichen Glauben tief verwurzelt. Viele diakonische Einrichtungen haben bereits seit Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Jahren ein Umweltmanagement eingerichtet. Wo Nationen bieten dafür einen sehr guten Rahmen. Sie sehen Sie darüber hinausgehenden Handlungsbedarf? verbinden ökologische, soziale und ökonomische Ziele Es ist hervorragend, dass sich schon viele diakonische miteinander. Die Diakonie ist bei der Realisierung die- Einrichtungen mit einem Umwelt- oder Nachhaltig- ser Ziele so etwas wie eine ¸geborene Partnerin‘. Denn keitsmanagementsystem auf den Weg gemacht sie arbeitet nicht nur an Strategien gegen Armut und haben. Aber der Weg ist noch lang und eröffnet viele Wohnungslosigkeit. Sondern sie tritt auch für die Handlungsmöglichkeiten. gleichberechtigte Teilhabe aller, für Gesundheit und Da sind insbesondere ökologische Aspekte und die Wohlergehen und für hochwertige Bildung für alle als Einhaltung von Menschenrechten weltweit, die grundlegende Voraussetzung für Befähigungsgerech- bei der Betrachtung der Lieferketten zum Tragen tigkeit ein. kommen. Gerade bei den Themen Klimaschutz und Aber auch die ökologischen Ziele sind bei uns im nachhaltige Beschaffung können und müssen wir uns Fokus. Als große Immobilieneigner beziehungsweise noch stärker engagieren. -nutzer mit teils großen Fahrzeugflotten sowie Das ist umso wichtiger, als wir rein mengenmäßig als Großverbraucher haben die Einrichtungen der wirklich einen Unterschied machen könnten: Wir Diakonie momentan an vielen Orten noch Verbesse- zählen derzeit 31.600 diakonischen Einrichtungen. rungspotenzial. Viele haben sich inzwischen auf den Wenn alle diese Einrichtungen im großen Stil Energie Weg der sozial-ökologischen Wende gemacht. Sei es einsparen und ökofaire Produkte einkaufen würden, durch eigene Blockheizkraftwerke, Fotovoltaikanlagen, wäre für den Planeten und die Menschen in den energetische Sanierungen, nachhaltig und fair produ- Produktionsländern viel gewonnen. zierte Berufskleidung, Vermeidung von Lebensmittelverschwendung oder die Umstellung von Fuhr- parks auf Elektromobilität. Welche konkreten Nachhaltigkeits- ziele hat sich die Diakonie als Verband für die kommenden Jahre gesteckt? Die Diakonie Deutschland hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral werden. Wir möch- ten uns als Bundesverband in den kommenden Jahren mit möglichst vielen Verbänden und Einrich- tungen auf den Weg in Richtung Treibhausgasneutralität machen. Johanna Gary: Die Diakonie hat viele Möglichkeiten, nachhaltig zu handeln. 6 sozial 1 I 2022
SCHWERPUNKT Ökologisch und energieeffizient: Beim Bauen lässt sich CO2 sparen. Bis wann können und sollten die die globalen Nachhal- interessierten Vertreterinnen und Vertreter der tigkeitsziele im Verband und in den Mitgliedseinrich- Diakonie offen ist, haben wir eine Plattform zum tungen realistischerweise erreicht sein? persönlichen Austausch geschaffen. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2030 als Ziel- Zwischen den Treffen werden Infomails versendet punkt für die Erreichung der nachhaltigen Entwick- mit Hinweisen auf interessante Tools, Fördermög- lungsziele ausgegeben. Bei einzelnen Zielen gibt es lichkeiten, Unterstützungsangebote und aktuelle global gesehen durchaus Fortschritte zu verzeichnen, Entwicklungen. Wir bieten Veranstaltungen an und etwa beim Rückgang der Kindersterblichkeit. Um alle setzen inhaltliche Schwerpunkte zur Profilbildung, 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu zum Beispiel beim Thema nachhaltige Textilien. Wir erreichen, wird aber bei Weitem noch nicht genug führen mit dem Bundesministerium für wirtschaft- getan. Die Corona-Pandemie verschärft die Lage und liche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem bedroht erreichte Fortschritte, zum Beispiel beim Deutschen Caritasverband ein Projekt durch, um Bildungsstand von Kindern. den Anteil nachhaltiger Textilien in Einrichtungen der Caritas und der Diakonie signifikant zu steigern. Was tut und welche Möglichkeiten hat die Diakonie, Darüber hinaus planen wir ein Klimaschutz-Projekt, um nachhaltiges Arbeiten in den Verbandsstrukturen, um möglichst viele unserer Mitglieder auf dem Weg aber auch in ihren Mitgliedseinrichtungen zu fördern? in Richtung Treibhausgasneutralität zu begleiten. Wir setzen uns in der Politik dafür ein, dass die dia- Außerdem versuchen wir natürlich, das Thema konischen Einrichtungen Unterstützung erhalten für Nachhaltigkeit so konsequent wie möglich im eigenen die großen Umstellungsprozesse, die zur Bewältigung Haus umzusetzen, also in unserer Geschäftsstelle im der Klimakrise und anderer Herausforderungen not- Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung. wendig sind. Als gemeinnützige Sozialunternehmen Das Gebäude selbst entspricht dem Goldstandard haben sie von sich aus wenig finanzielle Spielräume der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. dafür – und wir wollen ja, dass es schnell vorangeht. Wir haben ein Umweltmanagementsystem, sind Wichtig ist Unterstützung bei notwendigen Investiti- zertifiziert nach dem audit berufundfamilie und onen. Aber uns beschäftigt auch die Frage, wie unsere berücksichtigen bei unseren Finanzanlagen nachhaltige Arbeit auf Dauer refinanziert wird. anspruchsvolle ethische Anlagekriterien. Großen Mit dem Netzwerk Nachhaltigkeit@Diakonie, das Wert legen wir auch auf die nachhaltige Beschaffung. sich seit 2018 zweimal jährlich trifft und für alle I Interview: Martin Schwilk sozial 1 I 2022 7
SCHWERPUNKT Aus Umwelt- wird Nachhaltigkeitsmanagement Die BruderhausDiakonie ist seit Langem in allen Regionen, in denen sie tätig ist, nach dem europaweit anerkannten Umweltstandard EMAS zertifiziert – eine solide Grundlage für noch mehr Nachhaltigkeit in der Arbeit der Stiftung. Am Anfang stand EMAS – Eco Management and Audit und nachhaltige Produktion. Die Umsetzung koordi- Scheme. Schon vor mehr als zehn Jahren hat die niert ein Arbeitskreis, der sich auf Initiative enga- BruderhausDiakonie begonnen, dieses Umwelt- gierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebildet managementsystem schrittweise in allen Arbeits- hat und vom Vorstand der BruderhausDiakonie bereichen einzuführen. unterstützt wird. „Der Arbeitskreis will die Aktivitäten, Das hat bis heute vieles bewirkt: Energiesparende die durch EMAS angestoßen worden sind, weiterent- Heizanlagen wurden gebaut, Fotovoltaik installiert, wickeln“, unterstreicht Umweltbeauftragter Koch, der bestehende Gebäude gedämmt, auf stromsparende wie Benjamin Scharf Mitglied des Arbeitskreises ist. Beleuchtung umgestellt, Papier, Putzmittel und andere Verbrauchsmaterialien durch umweltzertifi- Beispielhafte Projekte in den Regionen zierte Alternativen ersetzt. Kennzahlen wurden Bei der BruderhausDiakonie in Münsingen-Butten- erhoben, Berichte verfasst. Diese Bilanz könne sich hausen gibt es bereits seit 2007 eine sehr aktive sehen lassen, fasst Umweltbeauftragter Armin Koch Umweltgruppe, die bis heute Mitarbeiterinnen, zusammen. „EMAS arbeitet mit vielen Regeln und Mitarbeiter, Bewohnerinnen und Bewohner für einen Normen“, meint Benjamin Scharf, der die Abteilung bewussten Umgang mit Energie sensibilisiert. Bereits Prozesse und Umwelt der BruderhausDiakonie leitet. 2011 habe die Einrichtung ihre ersten Fotovoltaik- Mancherorts habe das System einen hohen bürokrati- anlagen im Münsinger Ortsteil Apfelstetten installiert schen Aufwand verursacht. sowie auf dem Georgenhof, einem Freizeitheim der BruderhausDiakonie in Pfronstetten, berichtet Rudi Nachhaltigkeitsziele als Richtschnur Lamparter, Umweltbeauftragter in Buttenhausen. Deshalb, so Scharf, habe die BruderhausDiakonie Vor fünf Jahren sei die alte Straßenbeleuchtung entschieden, die „Nachhaltigkeitsziele leichter ver- entlang der Einrichtungsgebäude saniert und durch ständlich und besser kommunizierbar zu machen“. LED-Lampen ersetzt worden. Seit 2018 versorgt ein Das Umweltmanagement wird seit 2021 zu einem stiftungseigenes Blockheizkraftwerk die Werkstätten umfassenden Nachhaltigkeitsmanagement ausge- in Buttenhausen mit Strom und Wärme. Ein zweites baut. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen Blockheizkraftwerk soll noch in diesem Jahr in Betrieb dienen dabei als Richtschnur. „Diese Nachhaltigkeits- gehen, sagt Lamparter. Er bedauert, dass in der ziele sind so formuliert, dass sich daraus konkrete Jah- Vergangenheit so manches Nachhaltigkeitsvorhaben resziele für die Einrichtungen der BruderhausDiakonie an ökonomischen Zwängen gescheitert sei. „Wir ableiten lassen“, erläutert Scharf. 2021 etwa liegt der könnten sonst schon viel weiter sein“, ist Lamparter Fokus auf dem zwölften Ziel: Nachhaltiger Konsum überzeugt. Markus Rank, Fachbereichsleiter Nachhaltigkeit hat viele Gesichter: eine E-Bike-Station und ein Dachgarten in Münsingen- Buttenhausen. 8 sozial 1 I 2022
SCHWERPUNKT Fotovoltaik: wichtiger Baustein der dezentralen Energieversorgung. Sozialpsychiatrie und Behindertenhilfe Alb, hofft des- von Mitarbeitern und Klienten zuständig ist. Es gebe halb auf den Nachhaltigkeitsfonds der Bruderhaus- Schulungen zu Themen wie Mülltrennung, Strom- Diakonie, der Ideen und Projekte von Mitarbeitern und Wasserverbrauch oder richtigem Lüften. „Jeder für mehr Nachhaltigkeit finanziell fördert. „Wir haben kann dazu beitragen, Energie einzusparen.“ für Buttenhausen eine Fotovoltaikanlage beantragt“, Das Bewusstsein dafür wächst bei Leitungskräften sagt Rank. und Mitarbeiterschaft, meint Jürgen Wendehost, 13 solcher Anlagen gibt es bereits in der gesamten verantwortlich für die Projektsteuerung Technik in Stiftung und die Tendenz, den Strombedarf durch der Stiftung. Der Technikexperte hat viele Ideen, um eigene dezentrale Energiegewinnung abzudecken, die Energieeffizienz der stiftungseigenen Gebäude zu steigt. Zusätzlich beziehe die BruderhausDiakonie steigern. Auch wenn erst einmal investiert werden für ihre Einrichtungen und Dienste zu 100 Prozent müsste, so könnte die automatische Steuerung von Ökostrom aus Wasserkraft, sagt Wolf Dausien, Leiter Gebäudefunktionen wie Heizung, Klima oder Beleuch- des Dienstleistungszentrums Zentraler Einkauf. tung mittelfristig viel Energie und Geld einsparen. Eine Regenerative Energiequellen spielen auch in den Projektgruppe habe sich mit dem Thema Gebäude- Einrichtungen der BruderhausDiakonie in der Region automation beschäftigt und klare Vorgaben und Bodensee-Oberschwaben seit Langem eine Rolle. Standards für Neubauten und Generalsanierungen Als das Seniorenzentrum Wilhelm-Maybach-Stift in entwickelt, berichtet Wendehost. Das 2021 eröffnete Friedrichshafen 2008 erbaut wurde, entschied sich Seniorenzentrum in Altbach zum Beispiel profitiere die Stiftung für umweltschonende Erdwärmepumpen, bereits von einer automatisch regulierten Heizung. die die im Boden und Grundwasser befindliche Wärme in Heizenergie umwandeln. „Das gesamte Nachhaltigkeit geht alle an Haus wird ausschließlich mit nachhaltiger Erdwär- „Die BruderhausDiakonie will beim Thema Nach- me beheizt“, betont der Umweltbeauftragte Markus haltigkeit und Klimaneutralität Vorreiter sein und Borho. Im 2010 errichteten Seniorenzentrum in andere Organisationen anregen“, betont Benjamin Weingarten setzte die BruderhausDiakonie auf eine Scharf. Deshalb gehöre die Stiftung zu den Grün- Holzpellet-Heizung. Im Vergleich zu fossilen Energie- dungsmitgliedern des Nachhaltigkeitsnetzwerks der trägern ist der CO2-Ausstoß viel geringer, auch wenn Diakonie und habe an den Leitlinien der Diakonie Holzpellets aufgrund der zunehmenden Abholzung zur Nachhaltigkeit mitgearbeitet. „Wir sind sehr am und CO2-Emissionen durch den Transport der Hölzer Austausch interessiert und berichten gerne über inzwischen kritischer gesehen werden. unsere Erfahrungen.“ Ein Forum dafür ist der Nach- Künftig will die Region Oberschwaben auch die Kraft haltigkeitstag, den die BruderhausDiakonie für den der Sonne nutzen: Das geplante neue Fachpflegeheim kommenden November im Stuttgarter Haus der in Ravensburg werde mit einem Solardach ausgestat- Wirtschaft plant. tet, berichtet Borho, der auch für die Umweltbildung I Karin Waldner I Martin Schwilk sozial 1 I 2022 9
SCHWERPUNKT Wie Bienen und Bäume Menschen verbinden Das Projekt „BeeD“ und ein Baumlehrpfad: Diese beiden Umweltprojekte der BruderhausDiakonie wollen das Bewusstsein für den Wert der Natur wie auch das soziale Miteinander im Quartier stärken. Ein kalter, sonniger Freitagvormittag im Februar. ihren Seniorenzentren am Markwasen und Betzingen Michael Wolf hebt den Metalldeckel des Bienenkastens angestoßen hat. „BeeD“ trägt zum Schutz der bedroh- an und wirft einen Blick auf die Wintertraube, zu der ten Bestäuber bei, die ihrerseits helfen, die Vielfalt sich die Insekten zusammenballen, um sich gegensei- der Natur zu erhalten. Zudem sind unterschiedliche tig zu wärmen. Schnell senkt er die Abdeckung wieder Gruppen und Generationen in das Projekt einbezogen – die Kälte tut den pelzigen Tierchen nicht gut. – so erhält „BeeD“ auch eine soziale Dimension. Im Winter ist der Imker nur ab und zu hier im Garten Von April bis Anfang August zählt die „Schwarm- des Seniorenzentrums am Markwasen der Bruder- kontrolle“ zu Wolfs Aufgaben. „Dabei suche ich die hausDiakonie in Reutlingen. Doch sobald es wärmer Waben nach neuen Königinnenzellen ab, damit wird, kommt er wöchentlich. Hauptberuflich arbeitet nicht ein neues Bienenvolk entsteht, das dann aus- der 56-Jährige als Hausmeister der Seniorenzentren schwärmt.“ Der Bienenkasten steht direkt vor einem in Mittelstadt und Pliezhausen. Privat besitzt er rund verglasten Gang, der zwei Gebäudeteile des Senioren- zwanzig Bienenvölker. Seine langjährige Imkererfah- zentrums verbindet. Die Seniorinnen und Senioren rung bringt er in das Biodiversitätsprojekt „BeeD“ ein. können dem Imker von dort aus bei der Arbeit zuse- Der Name leitet sich ab aus dem englischen „bee“ hen, ohne Gefahr zu laufen, dass sie gestochen wer- (Biene) sowie „BruderhausDiakonie“. Drei Bienen- den. Und wenn er nicht da ist, lässt sich vom Verbin- völker betreut Wolf im Rahmen des Projekts, das die dungsgang aus das summende Treiben am Flugloch Altenhilfe Reutlingen der BruderhausDiakonie in bestens beobachten. Zumal das Wiesenkarree rund Das Bienenteam unterstützt den Imker Michael Wolf in Betzingen. 10 sozial 1 I 2022
SCHWERPUNKT Der Baumlehrpfad (links) und das Bienenprojekt „BeeD“ sollen das Bewusstsein für die Natur schärfen und Menschen zusammenbringen. um den Kasten im Frühjahr zu einem herrlich bunten, zentrums in Kontakt. „So fördern wir die Begegnung bienenfreundlichen Blumenreich erblüht. der Generationen und stärken dabei die Nachbar- „Das Beobachten der Bienen hat auf unsere Bewoh- schaftlichkeit im Quartier“, sagt Christina Kolb von der nerinnen und Bewohner eine beruhigende, entspan- Altenhilfe Reutlingen. Ziel sei es, durch Kooperationen nende Wirkung“, sagt Betreuungsassistentin Margit Netzwerke im Stadtteil zu bilden. Ringelmann, die Wolf bei seiner Tätigkeit unterstützt. Eine solche Erweiterung hat das Projekt bereits im Gleichzeitig weckten die Honigproduzenten viele Seniorenzentrum Betzingen erfahren: Dort sind auch Fragen zu ihrer Lebensweise und Haltung. „Für die Ehrenamtliche integriert. Eine von ihnen ist Ines Bech- Bewohnerinnen und Bewohner stellen die Bienen ein stein, die früher als Betreuungsassistentin im Senio- wertvolles Aktivierungsangebot dar.“ Dazu gehört renzentrum gearbeitet hat und nun einmal monatlich auch das sinnliche Erlebnis. So hat Wolf die Senio- Imker Wolf bei der Pflege von zwei Bienenstöcken rinnen und Senioren den Honig direkt aus der Wabe unterstützt. Zum Bienen-Team gehört auch Oskar löffeln oder das Gelee Royale probieren lassen, von Ehret vom Schwäbischen Albverein. Dessen Betzinger dem sich die Königin ernährt. Zudem bekamen sie Ortsgruppe hat das Projekt mit einer Spende finan- demonstriert, wie Honig geschleudert wird, und ziell unterstützt. So trägt „BeeD“ zur Integration des wissen nun, wie man aus Bienenwachs Kerzen zieht. Seniorenzentrums in die Gemeinde bei. „In Pandemie- zeiten ist diese Stärkung der sozialen Beziehungen, Auch die Oberlinschule beteiligt sich am Projekt die der Isolation der Bewohnerinnen und Bewohner Die Welt der Pollensammler fasziniert aber nicht entgegenwirkt, von besonderem Wert“, betont nur ältere Menschen, sondern auch Kinder. Deshalb Nedjeljko Tosic, Hausleiter des Seniorenzentrums macht bei „BeeD“ auch die benachbarte Oberlin- Betzingen. Das Bewusstsein für die Natur schärfen schule mit, ein Sonderpädagogisches Bildungs- und und gleichzeitig ein breites Publikum im Quartier Beratungszentrum der BruderhausDiakonie. Unter ansprechen und vernetzen – das soll auch der neue Anleitung des Imkers und in Schutzanzüge gehüllt Baumlehrpfad der BruderhausDiakonie in Reutlingen studieren und versorgen zehn Elf- bis Zwölfjährige die bewirken. Zwölf Schautafeln rund um das Hofgut fleißigen Schwärmer. „Ich nehme immer nur ein Kind Gaisbühl informieren in leichter Sprache über heimi- mit an den Bienenkasten“, erzählt Wolf. „Dabei gilt es, sche Baumarten wie Esche, Trauerweide, Feldahorn absolute Ruhe zu bewahren, sonst werden die Bienen und Winterlinde. Initiiert wurde der 2,5 Kilometer stechig“, warnt er. lange Pfad vom Umweltbeauftragten der Bruderhaus- „Die Schülerinnen und Schüler erfahren durch das Diakonie, Armin Koch. Klientinnen und Klienten sowie Imkerprojekt intensiv die Natur“, beschreibt Jürgen die Mitarbeiterschaft der umliegenden Einrichtungen, Haberbosch, Konrektor der Oberlinschule, den päda- Schulklassen, Kunden des Bio-Hofladens auf dem gogischen Nutzen des Projekts. Und schließlich kom- Gaisbühl oder Erholung suchende Spaziergänger – men die Jungen und Mädchen über das Bienenprojekt die Bäume bringen sie alle zusammen. mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Senioren- I Ulla Hanselmann sozial 1 I 2022 11
Beim Arbeiten in der Werkstatt ist handwerkliches Geschick gefragt. SCHWERPUNKT Holzprodukte fördern die biologische Vielfalt In der Werkstatt der BruderhausDiakonie in Fluorn-Winzeln stellen Menschen mit Behinderung Nistkästen, Vogelhäuschen und Insektenhotels her. Davon profitieren Schmetterlinge und viele andere Insektenarten. Die zugeschnittenen Holzteile liegen bereit, jetzt ist geeignet und trägt damit zum Erhalt der Biodiversität handwerkliches Geschick gefragt. Mit spürbarer Freu- bei. „Füllstoffe wie Tannenzapfen sammeln wir mit de nehmen die jungen Männer Bohrmaschine und der Gruppe in der Natur ein“, berichtet Karl-Heinz Schrauben in die Hand und legen los. „Ich arbeite für Gerster, der die Fräs- und Schleifarbeiten übernimmt. mein Leben gerne in der Holzwerkstatt“, sagt einer der Denn: „Wir lassen unsere Klienten ohne sorgfältige Klienten. Einen Plan braucht er nicht, jeder Handgriff Prüfung nicht an Maschinen“, versichert Gerster. sitzt. Und wenn er doch mal Hilfe benötigt, steht Die Grüne Gruppe zählt derzeit sieben Mitglieder, ihm Karl-Heinz Gerster, Mitarbeiter der Bruderhaus- darunter drei Frauen. Sie stammen aus Fluorn-Win- Diakonie, zur Seite. Sie gehören zur Grünen Gruppe zeln beziehungsweise der näheren Umgebung und der Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) wohnen im Elternhaus oder in Wohnbereichen der der BruderhausDiakonie in Fluorn-Winzeln, die im BruderhausDiakonie. Die Aufgaben werden indivi- Herbst 2021 offiziell eröffnet worden ist. duell, im Rahmen der Möglichkeiten jeder Einzelnen Die kleine Holzwerkstatt ist Teil der WfbM. Hier wer- und jedes Einzelnen, verteilt. „Über die Holzprodukte den kreative und nützliche Holzprodukte wie Nistkäs- kommen die Beschäftigten mit Menschen aus der ten, Vogelhäuschen und Insektenhotels angefertigt. Umgebung in Kontakt“, betont Thilo Mutscheller, Das Insektenhotel, das aus mehreren Abteilungen Bereichsleiter Arbeit und berufliche Bildung, der besteht, ist für Schmetterlinge und andere Insekten zugleich die Werkstatt leitet. Darüber hinaus sind die 12 sozial 1 I 2022
SCHWERPUNKT Mitglieder der Grünen Gruppe für die Tierpflege zu- Beispiel zur Lebensmittelverschwendung oder zur ständig. Derzeit versorgen sie ein Pferd, drei Alpakas richtigen Mülltrennung ergänzt. Gemeinsam mit der sowie mehrere Hasen und Katzen. Zu ihren Aufgaben Volkshochschule habe die Grüne Gruppe auch schon gehören auch Gartenarbeiten wie Rasen mähen und einen inklusiven Bastelkurs zum Bauen von Insekten- Hecken schneiden, der Winterdienst und hauswirt- hotels ausgerichtet. „Und einige Pflanzen, wie etwa schaftliche Aufgaben. Löwenzahn, sehen nicht nur schön aus, sondern schmecken auch als Salat gut“, erläutert Mutscheller. Kurze Transportwege dank lokaler Lieferanten Für die Zukunft sei geplant, die Produktion schritt- Die nachhaltigen Produkte aus der Holzwerkstatt weise auszuweiten, teilt Karl-Heinz Gerster mit. Ideen sind laut Mutscheller beliebte Geschenke. Er würde gebe es viele. Beim Upcycling habe die Grüne Gruppe den Absatz gerne mit einem überregionalen Verkauf beispielsweise Klappstühle aus alten Brettern gebaut. ankurbeln, denn bislang erfolge der Verkauf vor Ähnliche Produkte könnten hinzukommen, etwa allem durch Mundpropaganda. Ein Problem sei Körbe für Honiggläser. Gerster hofft auf weitere auch der stark gestiegene Holzpreis, der sich auf die Aufträge von Industrieunternehmen und öffentlichen Preise der Produkte auswirke. „Anfangs haben wir Stellen: „Wenn wir in größeren Serien produzieren, nur mit Resten gearbeitet“, sagt Karl-Heinz Gerster. werden die Produkte günstiger.“ Inzwischen werde Holz beim Sägewerk in Alpirsbach- Dass die Klienten beim Hämmern und Bohren eigene Reutin gekauft. „Das Schöne an unserem Standort ist, Ideen entwickeln, ist den Fachkräften recht. Ein Werk- dass wir viel Natur in der Umgebung haben.“ stattbeschäftiger beklebt ausgesägte Alpaka-Figuren Die BruderhausDiakonie arbeitet mit lokalen Lieferan- mit Wolle. „Die ist richtig weich“, sagt er und zeigt ten und Handwerkern zusammen. Das erspart lange eine fertige Figur. Die Beschäftigten sind stolz auf ihre Anfahrts- und Transportwege und senkt die CO2- Arbeit. „Wenn der Rasen ordentlich gemäht oder ein Emissionen. Mit ihrer pädagogischen Arbeit stärke schönes Blumenbeet gepflanzt ist, sind das sichtbare die Werkstatt zudem das Bewusstsein der Klienten Ergebnisse“, sagt Thilo Mutscheller. Dann wüssten die für Nachhaltigkeit, meint Thilo Mutscheller. So werde Klientinnen und Klienten, dass sie gebraucht werden. die praktische Arbeit mit Bildungsangeboten zum I Andreas Straub Nachhaltig produ- ziert: Vogelhäuser, Nistkästen und Insektenhotels. sozial 1 I 2022 13
SCHWERPUNKT Das Krokolin sorgt für Spaß beim Thema Nachhaltigkeit Im Krokolin-Projekt lernen Schülerinnen und Schüler der Oberlinschule seit diesem Schuljahr Wissenswertes zum Thema Nachhaltigkeit. Dazu gehört auch ein praktischer Teil. Sie dürfen sich etwa als Designerinnen und Designer versuchen. Als Krokolin das Klassenzimmer der 3. Klasse M3 der Gedanken über die Umwelt und sind gut informiert“, Oberlinschule betritt, hat es die volle Aufmerksamkeit erklärt Beate Roberts. „Jede und jeder kann im kleinen der Schülerinnen und Schüler. Wenn das Krokolin zu Rahmen etwas zum Umweltschutz beitragen.“ Besuch kommt, bringt es spannende Aufgaben zum Die Mädchen und Jungen der Klasse M3 dürfen sich Thema Nachhaltigkeit mit. Dieses Mal ist in seiner in den nächsten Wochen im Unterricht als Nach- Begleitung eine Kinder-Schaufensterpuppe. Denn wuchsdesignerinnen und -designer versuchen. In heute geht es um das Thema Kleidung. der Krokolin-Kiste befinden sich verschiedene bunte Applikationen zum Aufbügeln. Das Krokolin ist dabei, Eine Kiste voller spannender Aufgaben aber auch ein Panda und ein Marken-Logo. „Man Drei Lehrerinnen, Nadine Brändle, Alina Kronenthaler kann so auch aus einem einfach weißen T-Shirt etwas und Beate Roberts, organisieren sich gemeinsam als machen“, sagt Alina Kronenthal, die den Mädchen Nachhaltigkeits-Arbeitsgemeinschaft und haben das und Jungen kurz das Projekt erklärt. In der M3 haben Krokolin-Projekt auf den Weg gebracht: Sie bereiten einige der neun- bis zehnjährigen Schülerinnen und für alle Klassen von eins bis neun Kisten mit Aufgaben Schüler schon überlegt, mit welchen Applikationen zum Thema Nachhaltigkeit vor. Die Mädchen und sie ihre Kleidung verschönern möchten. „Mein grüner Jungen haben bereits aus Altpapier Bäume gebastelt Pulli ist so langweilig. Ich möchte gerne das Krokolin und eine Woche lang in der Schulküche ausschließ- drauf haben und auch die anderen Bilder“, sagt eine lich vegetarisches Essen gekocht und davon Fotos der Schülerinnen. gemacht. An einer Nachhaltigkeitswand im Schulflur können die Ergebnisse der Projekte bestaunt werden. Thema Nachhaltigkeit mit Positivem verbinden Die Krokolin-Aufgaben haben immer auch einen Das Krokolin erinnert an den Umweltschutz theoretischen Teil. So beschäftigen sich die Schüler- Lehrerin Alina Kronenthaler schlüpft mit einem Kos- innen und Schüler im Unterricht unter anderem tüm in die Rolle des Krokolin. „Die grüne Farbe passt mit den Produktionsabläufen der Herstellung von zum Thema Nachhaltigkeit. Krokolin ist etwas Be- Kleidung. Das Krokolin ist mittlerweile aus der sonderes“, sagt sie, „so wie unsere Schülerinnen und Oberlinschule nicht mehr wegzudenken. Es hängt Schüler“. Der Name des Logos des Nachhaltigkeits- als Applikation unter anderem an Heizungen im Projekts sei eine Wortschöpfung aus Krokodil und Schulhaus und erinnert daran, diese herunterzu- Oberlin, angelehnt an den Schulnamen Oberlinschule. drehen, um so Energie zu sparen. Schulleiter Daniel „Die Schülerinnen und Schüler machen sich ganz viele Reiber ist vom Krokolin-Projekt überzeugt: „Mit Krokolin wird das Thema Nachhaltigkeit mit etwas Positivem verbunden und nicht mit Verzicht.“ Die Oberlinschule hat noch ein weiteres nachhaltiges Mode-Spezial ins Leben gerufen: einen Umsonst- laden, der nun jeden Freitag geöffnet hat. Hier können die Schülerinnen und Schüler gebrauchte Kleidungs- stücke tauschen. Der Ansturm am Eröffnungstag ist groß. Klassenweise stürmen die Mädchen und Jungen an die Ständer, suchen nach Pullis, Hosen, Mützen Drei Lehrerinnen und Kapuzenjacke und zeigen ihren Lehrerinnen und haben das Krokolin- Projekt auf den Lehrern, was sie ergattert haben. Weg gebracht. I Nadine Nowara 14 sozial 1 I 2022
KOLUMNE Prof. Dr. Bernhard Mutschler Sich selbst zu ökologischer Verträglichkeit verpflichten Die Herausforderungen sind gewaltig: Sämtliche Arbeitsprozesse des Wirtschaftslebens sollen in den kommenden 15 Jahren nachhaltig gestaltet werden. Damit müssen die menschlichen Anforderungen an die Schöpfung so ausgerichtet werden, dass diese auch in der Lage ist, sie zu erfüllen: Nur so viel, wie nachwächst, kann sinnvollerweise verbraucht werden. Den Garten Eden bebauen und bewahren Prof. Dr. Bernhard Die Schöpfung „zu bebauen und zu bewahren“, steht Mutschler, Theologischer uns Menschen ins Stammbuch geschrieben. Erstes Vorstand der Mosebuch 2,15: „Und Gott der Herr nahm den Men- BruderhausDiakonie. schen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ Aber seit über 50 Jahren ist beispielsweise durch den Club of Rome bekannt, dass wir Menschen im großen Stil das Gegenteil tun: Wir Bildung und persönliches Engagement nehmen uns mehr als nachwächst. Jahrhundertelang Ökologisch verträgliches Verhalten setzt ein Bewusst- wurde bei Fortschritt und Entwicklung nur der Nutzen sein dafür sowie Kenntnis voraus. Bildung für nach- für Menschen gesucht. Heute ist klar: Das ist nicht haltige Entwicklung steht seit 2016 im Lehrplan der nachhaltig. Der Mensch sägt damit an dem Ast, auf Schulen von Baden-Württemberg. Umweltbildung dem er sitzt. Klima, Pflanzen, Tiere, Böden, Wasser von klein auf tritt heute neben Friedensbildung, und Luft brauchen mehr Schutz. Denn sie verändern Gesundheitsbildung oder Medienbildung. Das sich sehr zu unseren Ungunsten, wenn wir sie weiter Gewusst-wie ist die Voraussetzung für persönliches überlasten. Handeln. Wir sind davon überzeugt, dass Menschen in der Kraft des christlichen Glaubens, der christ- Die Schöpfung braucht mehr Schutz lichen Liebe und der christlichen Hoffnung auch Die BruderhausDiakonie hat bereits einiges getan, ihr Verhalten verändern. Liebe, Gerechtigkeit und angefangen von unseren Leitsätzen wie: „Wir handeln Haushalterschaft (Ökologie) gehören zusammen. wirtschaftlich und ökologisch“, über flächendeckende EMAS-Zertifizierung und „Grüner Gockel“ bis hin Nachhaltigkeit betrifft das ganze Leben zu Umweltleitlinien, die in allen Einrichtungen für Eine nachhaltige Diakonie ist zugleich Diakonie für umweltgerechtes Arbeiten sorgen, durchgängigem die gesamte Schöpfung. Zur Schöpfungsdiakonie Bezug von Ökostrom oder Biolandhöfen und der gehört nach unserer Überzeugung eine Selbst- Werkstattkooperation fair-bio-sozial. Das Nachhaltig- verpflichtung zur ökologischen Verträglichkeit des keitsziel Nummer zwölf aus der Agenda 2030 der gesamten Lebens. Dies schließt Freizeitverhalten Vereinten Nationen: „Nachhaltiger Konsum und nach- und Arbeitsorganisation ein. Ein afrikanisches Sprich- haltige Produktion“, genießt aktuell besondere Bedeu- wort lehrt: Viele kleine Leute, die an vielen kleinen tung in der BruderhausDiakonie. Wichtige Stichworte Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht sind Abfallvermeidung, Vorzug regenerativer Produkte der Welt verändern. Darum bitten wir, darauf hoffen und durchgängige Betrachtung der Umweltbilanz. wir, und dafür arbeiten wir in Diakonie, Kirche und Aber ist dies alles genug? Gesellschaft. sozial 1 I 2022 15
AKTUELLES Säen und ernten im Einklang mit der Natur In den landwirtschaftlichen Betrieben und Gärtnereien der BruderhausDiakonie wird Nachhaltigkeit großgeschrieben und nach ökologischen Kriterien gewirtschaftet. Für Fachkräfte wie Daniel Pfeiffer ist das eine Frage der Verantwortung. Wer an einem Freitagvormittag die Backstube des berichtet Daniel Pfeiffer, Werkstattleitung für Hofguts Gaisbühl betritt, wird vom Duft nach Ökologie und Landbau der BruderhausDiakonie in frischem Brot umfangen. Um sechs Uhr morgens hat der Region Reutlingen. Marion Oßwald den Holzofen angefeuert, Zutaten Für den Getreideanbau seien die Flächen am Stadt- abgewogen, Teigstücke geformt. Jetzt holt die gelernte rand von Reutlingen zu klein, erklärt der 47-Jährige. Hauswirtschaftliche Betriebsleiterin mit einem Das Mehl, das deshalb von einer Mühle im Neckartal Schieber die bei 280 Grad gebackenen Bauern-, Dinkel- bezogen wird, wie auch sonst alles, was in der Back- und Dreikornlaibe aus dem Ofen und verteilt sie auf stube auf dem Blech landet, entspricht den Qualitäts- einem Metallregal. An einem Arbeitstisch bricht ihre kriterien des Anbauverbands Bioland. Dass nach den Mitarbeiterin Elke Fromm Eier in eine Schüssel, um Prinzipien des Öko-Landbaus gesät und geerntet wird, die Füllung für zwei Käsekuchen zuzubereiten. Ihr ist für Pfeiffer, der über Ausbildungen als Landwirt, Kollege Florian Hofgräf vermengt unterdessen mit Arbeitserzieher und Industriemechaniker verfügt, eine einem Rührgerät den Teig für einen Marmorkuchen. Frage der Verantwortung: „Wir gehen so mit dem Vier Kuchen, 15 Butterstreusel, 15 Seelen, 25 Dinkel- Boden um, dass auch noch die nachfolgenden weckle und noch jede Menge weitere süße Stückle Generationen damit wirtschaften können und das und Brötchensorten: In sechs Stunden arbeiten natürliche Gleichgewicht erhalten bleibt.“ Für die Marion Oßwald und ihr Team den Bestellzettel ab, Bioland-Zertifizierung nehmen er und sein Team den sie für diesen Verkaufstag vom Hofladen des Hof- einen höheren Bürokratieaufwand in Kauf. Bei Kont- guts Gaisbühl der BruderhausDiakonie in Reutlingen rollen müssen sie etwa den Warenfluss nachweisen erhalten haben. Am Nachmittag sollen die Backwaren können, also die exakten Mengen der verarbeiteten über die Theke gehen. Ein Teil der Zutaten, die das Lebensmittel. Der Nachhaltigkeitsgedanke spiegle Backteam verarbeitet, etwa das Obst für die Kuchen, sich auch darin, dass das Holz für den Holzofen aus stammen vom Hofgut selbst. Auf sieben Hektar einer Werkstatt der BruderhausDiakonie in Bad Urach betreiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie kommt. Die Rindenabschnitte fielen dort bei der die Beschäftigten der Werkstatt für Menschen mit Bauklötzchen-Produktion als Abfall an, erzählt Pfeiffer. Behinderung Gemüse-, Kräuter- und Obstanbau, Naturverträglich wirtschaften – dieses Ziel verfolgen Marion Oßwald verteilt die Brote auf dem Regal. Bestellungen des Hofladens prüfen und sicherstellen. 16 sozial 1 I 2022
AKTUELLES Das gehäckselte und getrocknete Gemüse wird ge- nau abgewogen. auch die beiden anderen landwirtschaftlichen Betrie- Gemüse in Zellophan-Tütchen ab. Auch Peperoni-, be der BruderhausDiakonie in der Region Reutlingen: Zwiebel- und Kräutersalz wird hier in Handarbeit Auf dem Biolandhof Bleiche in Bad Urach wird Mut- gemischt und abgefüllt. Die Gläser und Tüten finden terkuh- und Legehennen-Haltung sowie Gemüse- und sich häufig in den Geschenkkörben wieder, die die Kartoffelanbau auf rund 40 Hektar Land betrieben; Beschäftigten für die Kundschaft arrangieren. die Gärtnerei Münsingen-Buttenhausen kultiviert Auch in der Riesenhof Gärtnerei der Bruderhaus- Kräuter, Gemüse und Salat sowie Zierpflanzen und Diakonie in Ravensburg bauen Menschen mit Blumensetzlinge nach Bioland-Richtlinien. psychischer Erkrankung Gemüse, Kartoffeln und Kräuter nach Bioland- und Demeter-Richtlinien an. Eigenverantwortlich und kreativ tätig sein Hinzu kommt Getreideanbau, der das Futter für Auf dem Hofgut Gaisbühl in Reutlingen sind 75 rund 650 Hühner liefert, wie Produktionsleiter Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkran- Andreas Gronmaier erklärt. Die Hühner werden in kung beschäftigt, hinzu kommen etwa zwei Dutzend drei „Hühnermobilen“ gehalten – alle vierzehn Tage Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bruderhaus- wechseln sie ihren Standplatz, so dass die Tiere frische Diakonie. Der Hof halte Arbeitsangebote bereit, die Auslaufflächen erhalten. Das Besondere: Es handelt unterschiedliche Fertigkeiten erforderten, so Daniel sich um eine Bruderhahnzucht. Gronmaier erklärt das Pfeiffer: „Unsere Klientinnen und Klienten können Prinzip: „Unsere männlichen Küken, die in der traditio- eigenverantwortlich und kreativ tätig sein, durch den nellen Hühnerzucht bis vor Kurzem getötet wurden, Kontakt mit den Endkunden erleben sie selbstwirk- gehen an einen anderen Betrieb, der sie aufzieht. Wir sam den Sinn ihrer Arbeit.“ beteiligen uns an den Futterkosten und zahlen zudem Zum Bio-Sortiment des Hofladens, der sich auf dem in einen Züchtungsfonds ein.“ Gelände befindet und zweimal wöchentlich geöffnet Darüber hinaus sei die Bioland-Gärtnerei mit ihren hat, gehören das eigene Gemüse und Obst ebenso Erzeugnissen an dem per App organisierten Lieferser- wie die Produkte, die aus der Weiterverarbeitung vice von Primafood beteiligt. Das Unternehmen stellt entstehen – Säfte, Fruchtaufstriche, Apfelmus sowie Produkte verschiedener regionaler Erzeuger – vom getrocknetes Suppengrün und Kräutersalze. Basis Bäcker bis zum Fischzüchter – nach den Wünschen für die Salze und das Suppengrün ist B-Ware, also der Kunden zusammen und bringt sie zu Abholorten, beispielsweise gebrochene Karotten oder Lauch- wo sie der Besteller in Empfang nimmt. So würden stangen, bei denen die Wurzeln gekappt wurden. Mit Transportwege reduziert und lokale, auf Qualität der nachhaltigen Weiterverarbeitung dieser Lebens- bedachte Produzenten unterstützt. Die noch junge mittel, die woanders wohl im Müll landen würden, Vermarktungsidee stoße auf wachsende Nachfrage, ist an diesem Freitag Ornella Leipold beschäftigt – die weiß Andreas Gronmaier – ein Zeichen dafür, dass 29-Jährige füllt an einer elektronischen Küchenwaage Nachhaltigkeit klar im Trend liege. das gehäckselte und im Dörrofen getrocknete I Ulla Hanselmann sozial 1 I 2022 17
AKTUELLES Beruf und Familie unter einen Hut bringen Der Wunschdienstplan ist eine der Maßnahmen für familienfreundliches Arbeiten, mit denen sich die Einrichtungen der BruderhausDiakonie in der Region Bodensee- Oberschwaben für das Evangelische Gütesiegel Familienorientierung zertifiziert haben. Pflegedienst- und Wohngruppenleiterin Irina Rehaag Einrichtungen der BruderhausDiakonie in der Region koordiniert seit Kurzem den Wunschdienstplan im für das Familiensiegel zertifiziert haben – ebenso wie Gustav-Werner-Stift Ravensburg. Wunschdienstplan sechs weitere Maßnahmen für familienfreundliches heißt: Die rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Arbeiten, die für das Siegel eine Rolle spielen, erklärt mit unterschiedlichen Arbeitszeitumfängen können Tobias Günther, Fachbereichsleiter Altenhilfe in der anmelden, wann sie arbeiten und wann sie frei haben Region Bodensee-Oberschwaben. Er ist Mitglied der wollen. Alle sollen sich im Dienstplan gleichberech- Projektgruppe Familiensiegel. Der Zertifizierung ging tigt wiederfinden. Von außen betrachtet ein Ding der eine Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Unmöglichkeit. Doch Irina Rehaag wirkt gelassen: „Ich quer durch alle Arbeitsbereiche der Bruderhaus- erlebe die Menschen mit ihren Bedürfnissen haut- Diakonie in der Region voraus. Sie sollte zeigen, was nah.“ Eingetragene Wunschtermine der Beschäftigten aus Mitarbeitersicht für die Vereinbarkeit von Beruf sind so gut wie unantastbar. „Wenn der Dienstplan und Privatleben wichtig ist. Den Rücklauf von 100 weitgehend passt, sind die Mitarbeitenden zufrieden, beantworteten bei 400 verschickten Fragebögen und der Betrieb kann reibungslos laufen.“ Gibt es wertet Simone Windbühler als gutes Zeichen der Überschneidungen bei den Wunschterminen, klären Beteiligung. Die Fachdienst-Bereichsleiterin gehört die Kolleginnen und Kollegen dies meist unter sich im ebenfalls zur Projektgruppe. Über manche Ergebnisse Team. „Das hat viel mit gegenseitiger Anerkennung der Befragung war sie besonders erstaunt: So hätte zu tun,“ betont die junge Führungskraft, die im Haus sie erwartet, dass etwa die Möglichkeit zu einem schon ihre Ausbildung gemacht hat und heute auch Sabbatjahr für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Fachwirtin ist. Wo nötig, sucht sie im direkten Dialog attraktiv wäre. Diese legen jedoch größeren Wert auf mit den Kolleginnen und Kollegen nach einer Lösung. andere Themen: Räume oder Autos der Einrichtungen privat mieten zu können beispielsweise, ein jährliches Befragung zeigt Bedürfnisse der Mitarbeiterschaft Rentnertreffen für die gesamte Region, Vergünstigun- Transparenz und Kommunikation: Schlüsselbegriffe, gen im Öffentlichen Nahverkehr. „Wichtig waren vor die Irina Rehaag mit ihrem Team aktiv leben möchte. allem Punkte, die Gemeinschaft möglich machen,“ Den Wunschdienstplan gab es schon, bevor sich die erläutert Tobias Günther. Wunschtermine sind so gut wie unantastbar. Irina Rehaag hat selbst einen zwei- jährigen Sohn. 18 sozial 1 I 2022
AKTUELLES Der Pflegealltag ist durch den Wunschdienstplan leichter geworden. Bei der Umsetzung geht es einerseits darum, familien- für ihren Sohn eingegangen ist, schätzt sie sehr. freundliches Arbeiten zu ermöglichen. Andererseits Außerdem sei für ihre pflegebedürftige Oma „ruck- aber auch darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuck“ ein Pflegeplatz im Gustav-Werner-Stift Ravens- durch attraktive Angebote ans Unternehmen zu burg organisiert worden. Denn Mitarbeiterinnen und binden. Mitarbeiter des Unternehmens werden unterstützt, wenn sie für einen engen Angehörigen einen Pflege- Einrichtungen punkten mit Sportmöglichkeiten platz benötigen – und zudem beraten betriebliche Eines der bereits seit Längerem eingeführten Ange- Pflegelotsen bei allen Fragen rund um die Pflege bote nennt sich Qualitrain: Mitarbeiterinnen und Mit- von Angehörigen. In eigens gebildeten Projektteams arbeiter der Altenhilfe Region Bodensee-Oberschwa- sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitere, ben können das Sportangebot von 5000 Sportstätten, bisher noch nicht umgesetzte familienfreundliche Fitnessstudios oder Freibädern nutzen. Der eigene Maßnahmen bearbeiten. monatliche Beitrag ist gering, das Angebot monatlich kündbar. Simone Windbühler erläutert: „Qualitrain Angebote in der Unternehmenskultur verankern empfinden die Mitarbeitenden als Aufwertung, weil Eine der nächsten Aufgaben der Familiensiegel- solche Angebote in der Region sonst nur von nam- Projektgruppe etwa ist ein Flyer, der diese Angebote haften Industrieunternehmen bekannt sind.“ Als und Maßnahmen als Teil der Unternehmenskultur Arbeitgeber könne man damit punkten. deutlich machen soll. Einer Kultur, von der alle Mit- Irina Rehaag würde Qualitrain auch gerne nutzen, arbeiterinnen und Mitarbeiter, unabhängig von ihrer etwa fürs Fitnessstudio oder zum Klettern. Aber jeweiligen familiären Situation, profitieren können, neben Beruf, Familie mit zweijährigem Sohn und wie Tobias Günther und Simone Windbühler aus- Hausbau sowie weiteren privaten Interessen bleibt ihr drücklich betonen. Sei es mit Qualitrain-Sport- und dafür momentan keine Zeit. Dafür profitiert sie vom Gesundheitsangeboten, mit vergünstigten Einkaufs- Zuschuss zu den Kindergartengebühren. Dass Fachbe- möglichkeiten – oder dem Wunschdienstplan, der reichsleiter Tobias Günther bei ihrem Wiedereinstieg individuelle Arbeitszeiten ermöglicht. nach der Elternzeit flexibel auf die Betreuungszeiten I Anne Oschwald sozial 1 I 2022 19
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