Österreichische Ärztezeitung

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Österreichische Ärztezeitung
SPEZIAL

                                              20a | 25. Oktober 2020

Arzt&Karriere
Niederlassungsformen, Praxisgründung u.v.m.
Österreichische Ärztezeitung
I N H A LT

Statistik: Ärztemangel als Chance
Rein rechnerisch zählt Österreich rund fünf Ärzte pro
1.000 Einwohner. Um die Zahlen allerdings richtig
zu interpretieren, muss man sie sich genauer ansehen.                          4
Niederlassungsformen:
Vielfältige Möglichkeiten
Mit oder ohne Kassenvertrag? Allein oder mit Kollegen? –
Wer als niedergelassener Arzt arbeiten möchte,
hat inzwischen viele Möglichkeiten.

Praxisgründung:
                                                                               8                        4
Eine Reihe von Entscheidungen
Von der Standortwahl, den Praxisräumlichkeiten über Steuer-
und Rechtsfragen bis hin zur Ordinationssoftware ist vor
der Gründung einer Praxis vieles zu entscheiden.                            12
Qualitätssicherung:
Durchdachtes Qualitätsmanagement

                                                                                                                                       12
Das Fundament einer Arztpraxis sollte ein durchdachtes
Qualitätsmanagement bilden. Ein unerlässlicher Teil
davon sind Vorgaben zur Qualitätssicherung und Hygiene.                     16
Fortbildung: Kongresse & Corona
Aufgrund der COVID-19-Pandemie haben interaktive
Online-Formate auch im Bereich der ärztlichen
Fortbildung an Relevanz gewonnen.                                           20
Employer Branding:
Aufbau der Arbeitgebermarke

                                                                                                                         20
Employer Branding ist in der Gesundheitsbranche schon
länger ein wichtiger Bestandteil der strategischen Arbeit.
Das zeigt sich gerade auch in Krisenzeiten.                                 24

IMPRESSUM: Medieninhaber und Verleger: Verlagshaus der Ärzte GmbH, Nibelungengasse 13, A-1010 Wien, www.aerztezeitung.at, Tel.: +43 (0)1 512 44 86-0 //
Auflage: 46.500 Stück // ÖÄZ Sonderausgabe // Projektorganisation: Marion Wangler, MA // Redaktion dieser Ausgabe: Mag. Andrea Riedel // Anzeigenleitung
Österreichische Ärztezeitung: Bernhard Mitterhauser // Senior Key Account: Michaela Thenius // Disposition: Anna Hisch // Grafik & Layout: Irene Danter
// Nachdruck und Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Verlagshaus der Ärzte GmbH // Druck: Ferdinand Berger & Söhne
GmbH, A-3580 Horn // © Coverfoto: alashi/iStock // Mit freundlicher Unterstützung von: Aeris GmbH, Arwag, AUVA, Berger Druck, Digital First, Dr. Schmalzl
& Partner, Erste Bank, Grill Ärztevermittlung, MEDplan, MMG, Innomed GmbH, Sozialministerium, Suchthilfe Wien, Warmbaderhof Villach Allgemeine Hin-
weise: Der besseren Lesbarkeit halber werden die Personen- und Berufsbezeichnungen nur in einer Form verwendet; sie sind natürlich gleichwertig auf beide
Geschlechter bezogen.

20a | 25. Oktober 2020 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG                                                                                                   3
Österreichische Ärztezeitung
S TAT I S T I K

                                                     Ärztemangel als Chance
                                                     Rein rechnerisch zählt Österreich gut
                                                     fünf Ärzte pro 1.000 Einwohner. Doch wie
                                                     aussagekräftig sind solche Per-capita-
                                                     Berechnungen heute noch?

4                                                    47.224 Ärztinnen und Ärzte waren laut ÖÄK-Statistik per
                                                     31. Dezember 2019 in der Ärzteliste eingetragen. Das ergibt rein
                                                     rechnerisch bei knapp 8,9 Millionen Einwohnern eine im inter-
                                                     nationalen Vergleich durchaus hohe Versorgungsdichte. Laut
                                                     OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
                                                     Entwicklung) erfreue sich Österreich sogar der zweithöchsten
                                                     Ärztedichte innerhalb Europas. Um die Zahlen richtig zu inter-
                                                     pretieren, muss man sie sich allerdings genauer ansehen.

                                                     Denn im Gegensatz zu Österreich zählen manche Länder
                                                     – anders als vorgesehen – Ärzte in Ausbildung nicht zur Ge-
                                                                                                                                       Rechnet man die Kopfzahlen in Vollzeitäquivalente um, liegt
                                                                                                                                       Österreich, was die Ärztedichte betrifft, statistisch nur mehr im
                                                                                                                                       Mittelfeld. Und das deckt sich schon eher mit dem real existie-
                                                                                                                                       renden Ärztemangel, der vor allem im Kassenbereich seit Jahren
                                                                                                                                       spürbar ist. Ob mehr Studienplätze das Problem lösen würden,
                                                                                                                                       ist fraglich: Denn mit durchschnittlich etwas über 14 Medizin-
                                                                                                                                       Absolventen pro 100.000 Einwohner liegt Österreich sogar
                                                                                                                                       leicht über dem OECD-Schnitt. Die Herausforderung ist viel-
                                                                                                                                       mehr, die nachkommende Ärztegeneration im Land zu halten
                                                                                                                                       beziehungsweise sie nach der Ausbildung im oft attraktiveren
                                                                                                                                       Ausland wieder für eine Tätigkeit in Österreich zu gewinnen.
                                                     samtzahl der Praktizierenden hinzu. Frankreich, Luxemburg
                                                     und Belgien etwa tun das nicht. Generell unterscheiden sich                       Mangel im niedergelassenen Bereich
                                                     die Zählweisen der einzelnen Staaten in vielerlei Hinsicht: So
© shutterstock/ Igor Filonenko; iStock/mattjeacock

                                                     melde etwa Großbritannien nur Ärzte, die innerhalb des Natio-                     Dass praktische Ärzte österreichweit händeringend gesucht
                                                     nal Health System (NHS) tätig sind, Finnland nur jene unter 64                    werden, ist mittlerweile fixer und beinah täglicher Bestandteil
                                                     Jahren und Tschechien zähle nur angestellte Ärzte. Die Ärzte-                     der Medienberichterstattung. Tatsächlich erreicht knapp jeder
                                                     dichte der OECD-Staaten anhand dieser Daten zu vergleichen                        zweite niedergelassene Allgemeinmediziner noch vor 2030 das
                                                     ist daher schwierig.                                                              Pensionsalter. Ähnlich verhält es sich bei den Fachärzten.

                                                     Dazu kommen noch weitere Faktoren, die die tatsächliche Ver-                      Künftig wird es noch mehr umfassend ausgebildete Allgemein-
                                                     sorgungswirksamkeit der Ärzte hierzulande verzerren – allen                       mediziner und aber auch gut vernetzte Spezialisten brauchen,
                                                     voran die steigende Zahl derer, die in Teilzeitmodellen arbeiten.                 um auch weiterhin eine verlässliche medizinische Versorgung

                                                     1)
                                                          8,877 Millionen Einwohner im Jahresschnitt 2019, Quelle: Statistik Austria

                                                     4                                                                                                   ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 20a | 25. Oktober 2020
KARRIERE SPEZIAL

Anteil der niedergelassenen Ärzte, die                                                                                                                                       Seit etwa 1999 gibt es mehr Wahl-Fachärzte als solche mit Kas-
bis 2030 das Regelpensionsalter erreichen:                                                                                                                                   senverträgen und selbst in der Allgemeinmedizin beträgt der
                                                                                                                                                                             Anteil der Wahlarztpraxen bereits 43 Prozent.
 Allgemeinmediziner – Kasse:                                                                                   48 %
 Allgemeinmediziner – Wahl:                                                                                    46 %
                                                                                                                                                                             Praktiker im Team
 Facharzt – Kasse:                                                                                             46 %
 Facharzt – Wahl:                                                                                              43 %                                                          Dem unbestritten eklatanten Mangel an niedergelassenen Allge-
                                                                                                                                                                             meinmedizinern versucht die Politik mit Primärversorgungsein-
                                                                                                                                                                             heiten (PVE) entgegenzuwirken. Bis 2021 sollten ursprünglich
auf hohem Niveau zu gewährleisten. Schließlich wächst die Be-                                                                                                                75 PVE umgesetzt sein. Die Zahl wird immer noch angestrebt,
völkerung und der Anteil an älteren bis hochaltrigen Menschen                                                                                                                hinsichtlich des dafür notwendigen Zeitraums wollte man sich
mit erhöhtem Betreuungsbedarf nimmt zu.                                                                                                                                      zuletzt aber nicht mehr festlegen.

Aus ärztlicher Sicht stellt sich dieses Faktum durchaus als Chance                                                                                                           Mit Juli 2020 waren österreichweit 19 Primärversorgungsein-
dar: Wer sich etwa für eine Kassenstelle interessiert, muss auch                                                                                                             heiten in Form von Zentren in Betrieb. Pro Zentrum sind mindes-
in größeren Städten nicht mehr gegen bis zu zehn, zwanzig Mit-                                                                                                               tens drei praktische Ärzte vorgesehen. Die meisten PVE, näm-
bewerber antreten, sondern allenfalls gegen zwei oder drei. Eine                                                                                                             lich zehn, sind aktuell in der Steiermark angesiedelt. Je drei gibt
Ausnahme stellt das Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie dar, weil                                                                                                             es in Wien, Nieder- und Oberösterreich. Sechs weitere Einheiten
es hier trotz des hohen Ärztebedarfs vielfach nur wenige Kassen-                                                                                                             mit je einem Standort befinden sich österreichweit in Planung
stellen gibt. So bewarben sich in Wien etwa zuletzt 24 Bewerber                                                                                                              beziehungsweise in Diskussion. Die Betonung auf „einen Stand-
für nur zwei Stellen.                                                                                                                                                        ort“ weist schon darauf hin, dass Primärversorgungseinheiten,
                                                                                                                                                                             auch in Form von Allgemeinmediziner-Netzwerken möglich
Auch Kassenärzte für Kinder- und Jugendheilkunde sowie für                                                                                                                   sind. Von diesen gibt es aktuell drei, und zwar im Burgenland
Frauenheilkunde werden in Wien dringend gesucht. Ebenso wie                                                                                                                  (Raabtal/Bezirk Jennersdorf), in Oberösterreich (Sierning) und
etwa in Oberösterreich und Vorarlberg. In Oberösterreich be-                                                                                                                 in Salzburg (Tennengau).
steht zusätzlich ein hoher Bedarf an Psychiatern und Dermato-
logen, in Vorarlberg an Augenärzten. Im Burgenland wiederum                                                                                                                  Work-Life-Balance im Spital
mangelt es sektorunabhängig an Notärzten. Die Liste ließe sich
noch lange fortsetzen.                                                                                                                                                       Auch in den Krankenanstalten herrscht in vielen Fachrich-
                                                                                                                                                                             tungen ein besonders hoher Personalbedarf. Viele werben
Ohne Wahlärzte geht’s nicht                                                                                                                                                  daher nicht nur mit attraktiveren Einstiegsgehältern um ärzt-
                                                                                                                                                                             liches Personal, sondern zunehmend auch mit verbesserten
Auch Wahlärzte sind aus dem Versorgungssystem längst nicht                                                                                                                   Angeboten der betrieblichen Kinderbetreuung sowie mit viel-
mehr wegzudenken. Die wachsende Nachfrage nach dieser                                                                                                                        fältigen Teilzeitarbeitsmodellen. Aus gutem Grund: Schließ-
Form der ärztlichen Versorgung ermöglicht mehr Optionen bei                                                                                                                  lich steht das Bedürfnis nach einer ausgewogeneren Work-
der Standortsuche. In Niederösterreich etwa sind Pädiater so rar,                                                                                                            Life-Balance vor allem bei jüngeren Ärzten oft an erster Stelle.
dass man sie nicht nur im Kassen-, sondern auch im Wahlarzt-                                                                                                                 Besonders dringend gesucht werden Ärzte für Anästhesie und
bereich dringend sucht.                                                                                                                                                      Intensivmedizin beispielweise in Vorarlberg, Wien oder Ober-                                                                                                         »

  Anteil Kassen- bzw. Wahlärzte                                                                                                                                                                                            GKK-Vertragsärzte                          Wahlärzte                           nur kleine Kassen

           9%            2009                                            6Verkauf
                                                                           %                                                  6 %Verkauf                                            3 Verkauf
                                                                                                                                                                                      %                                                      12 %
                                                                                                                                                                                                                                                Verkauf                                                 7Verkauf
                                                                                                                                                                                                                                                                                                          %
                                             44 %                                                  39 %                                                  61 %                                                  54 %                                                          32 %                                                  29 %

                    2009                                                   2019                                                   2009                                                2019                                                          2009                                               2019

  47 %                                                    55 %                                                 33 %                                                   43 %                                                       56 %                                                    64 %
     1. Quartal   2. Quartal   3. Quartal    4. Quartal    1. Quartal   2. Quartal   3. Quartal   4. Quartal     1. Quartal    2. Quartal   3. Quartal   4. Quartal    1. Quartal   2. Quartal   3. Quartal   4. Quartal            1. Quartal   2. Quartal   3. Quartal    4. Quartal    1. Quartal   2. Quartal   3. Quartal   4. Quartal

                                            Alle Ärzte                                                                               Allgemeinmediziner                                                                                                                    Fachärzte

20a | 25. Oktober 2020 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG                                                                                                                                                                                                                                                                                           5
S TAT I S T I K

»   österreich. In Wien – und Oberösterreich fehlt es auch an Kinder-             sonders interessanten Jobs oder Führungspositionen an männ-
    und Jugendpsychiatern; in Oberösterreichs Spitälern besteht zu-               liche Kollegen.
    sätzlich große Nachfrage nach Fachärzten für Psychiatrie und
    psychotherapeutische Medizin sowie klinische Pathologie und                   Insgesamt zeigten sich jedoch drei Viertel aller Ärztinnen mit
    Molekularpathologie bzw. Neuropathologie sowie Strahlenthe-                   ihrer Karriereentwicklung (sehr) zufrieden. Bei den niederge-
    rapie-Radioonkologie.                                                         lassenen Fachärztinnen respektive Praktikerinnen waren es 89
                                                                                  beziehungsweise 85 Prozent. Von den Spitalsärztinnen waren
    In Vorarlberg wiederum fehlt es außerdem an Internisten und                   hingegen nur 72 Prozent (sehr) zufrieden.
    Gynäkologen, weil diese dort zunehmend in die Niederlassung
    abwandern. Auch im angestellten Bereich ließe sich die Bundes-                Von allen in der Ärzteliste eingetragenen Ärzten waren 2009 erst
    länderliste noch fortsetzen.*                                                 38 Prozent weiblich, zehn Jahre später waren es schon 48 Pro-
                                                                                  zent. 2009 betrug der Anteil der Ärztinnen mit Ordination erst
    Medizin wird weiblich                                                         31 Prozent, im Vorjahr waren es schon 38 Prozent. Betrachtet
                                                                                  man die Situation im niedergelassenen Bereich jedoch genauer,
    Der wachsende Frauenanteil an der Ärzteschaft erhöht den                      lässt sich feststellen, dass der Anteil an weiblich geführten Wahl-
    Druck, Strukturen zu schaffen, die es erlauben, Familie und Be-               arztpraxen etwas gesunken ist, nämlich von 48 (2009) auf 45
    ruf besser zu vereinen. Immerhin haben bei einer bundesweiten                 Prozent (2019). Die Vertragsärztinnen haben hingegen zugelegt:
    Ärztinnen-Befragung im Auftrag der ÖÄK fast zwei Drittel der                  Sie führten im Vorjahr schon 34 Prozent der Kassenordinati-
    Frauen Kinderbetreuung und Familienplanung mit Abstand am                     onen, 2009 war erst ein gutes Viertel in weiblicher Hand.
    häufigsten als Karrierehindernisse genannt. Erst danach folgten
    relativ ex aequo zu wenig Förderung durch Vorgesetzte und                     In den Spitälern stellten Frauen schon mehr als die Hälfte der
    während der Ausbildung oder etwa auch die Vergabe von be-                     Ärzteschaft, sie hatten aber nach wie vor nur knapp zwölf Pro-
                                                                                  zent der Primariate inne.

    Ärztinnen & Medizinstudentinnen                                               Niedriger als noch vor einem Jahrzehnt war zuletzt der Anteil
    So haben sich die Frauenanteile innerhalb der Medizin entwickelt:             an Ärztinnen in Ausbildung. Auch jener an weiblichen Medizin-
                                            Frauenanteil       Frauenanteil
                                                                                  Absolventen fiel im Vorjahr um elf Prozentpunkte geringer aus
                                                2009               2019           als 2009.
     Alle Ärztinnen                             38 %               48 %
     Allgemeinmedizinerinnen                    51 %               58 %           Chirurginnen im Vormarsch
     Fachärztinnen                              32 %               38 %           Zwar ist mit 38 Prozent erst etwas mehr als ein Drittel aller Fach-
                                                                                  ärzte weiblich, doch innerhalb dieser Gruppe tut sich einiges.
     Angestellte Ärztinnen                      49 %               55 %           So sind zwar einige der größeren Sonderfächer nach wie vor
     Niedergelassene Ärztinnen                  31 %               38 %           männerdominiert, aber gerade dort holen die Frauen besonders
                                                                                  auf, allen voran im Bereich der Chirurgie. Hatten beispielswei-
                                                                                  se 2009 nur vier Frauen das damalige Zusatzfach Herzchirurgie
     Medizin-Studienanfängerinnen               49 %               55 %           inne, so weist die Ärzteliste 2019 im nunmehrigen Sonderfach
     Medizin-Studienabsolventinnen              58 %               49 %           bereits 20 Herzchirurginnen aus. Und auch in einigen anderen
     Ärztinnen in Ausbildung                    60 %               54 %           chirurgischen Fächern sind nun rund ein Drittel mehr Ärztinnen
                                                                                  tätig.

    Ärztinnen in den Bundesländern (gerundet)                                     Noch weiter zulegen konnten Frauen in Bereichen, in denen sie
                       Ö           B           K          NÖ          OÖ          traditionell stark vertreten waren. Mehr Ärztinnen als Ärzte gab
                                                                                  es 2019 nicht nur in der Allgemeinmedizin, sondern auch in vie-
        2009          43 %       40 %        40 %        45 %         40 %
                                                                                  len Sonderfächern – etwa Kinder- und Jugendpsychiatrie, Phy-
        2019          48 %       47 %        49 %        50 %         45 %
                                                                                  sikalische Medizin, Psychiatrie, Kinder- und Jugendheilkunde,
                       S          St           T           V           W          Strahlentherapie/Radioonkologie, Psychiatrie und Psychothera-
        2009          39 %       43 %        35 %        34 %         48 %        peutische Medizin oder Dermatologie.
        2019          44 %       49 %        43 %        41 %         52 %
                                                                                  Interessanterweise ist der Anteil an Frauenärztinnen im vergan-
                                                                                  genen Jahrzehnt zwar ebenfalls gestiegen, er ist mit 49 Prozent
                                                                                                                                                 ◉
    Anm.: Alle Zahlen, wenn nicht anders angegeben: Österreichische Ärztekammer
    * Angaben der Landesärztekammern, Stand Juli/August 2020                      aber immer noch niedriger als in manchem anderen Fach.

    6                                                                                               ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 20a | 25. Oktober 2020
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                                  Vielfältige
                               Möglichkeiten
                                   Mit oder ohne Kassenvertrag? Allein oder mit Kolle-
                                gen? – Wer als niedergelassener Arzt arbeiten möchte,
                                hat inzwischen viele Möglichkeiten und sollte sich mit
                               diesen Fragen schon im Vorhinein auseinandersetzen.

                               Ä
                               Ärzte, die in der Niederlassung tätig sein wollen, haben heute      wertvolle Einblicke und Erfahrungen aus erster Hand gewon-
                               bereits deutlich mehr Optionen als noch vor einigen Jahren. Vor-    nen werden, die auch eine weitere Orientierungshilfe sein kön-
                               und Nachteile gilt es im Vorfeld ausführlich abzuwägen. Wich-       nen, wenn es darum geht, sich zwischen Kassen- oder Wahl-
                               tige Informationen und Unterstützung bei der Entscheidung           arztpraxis zu entscheiden.
                               bieten auch die Landesärztekammern.
                                                                                                    Genauere Infos zu den Reihungssystemen für die Kassen-
                               Kassenvertrag ...                                                   zulassung finden sich auf den Webseiten der Landesärzte-
                                                                                                   kammern.
                               Der Kassenbereich galt lange Zeit als sicheres, aber starres Kor-
                               sett. Doch auch hier hat sich inzwischen einiges getan, etwa        … oder Wahlarztpraxis
                               durch die Option, sich eine Kassenstelle zu teilen oder die Mög-
                               lichkeit einer Anstellung Arzt-bei-Arzt.                            Freie Wahl des Praxisstandorts, freie Einteilung der Arbeitszeit
                                                                                                   sowie bei Urlaub und Fortbildung, mehr Zeit für Patienten, freie
                               So manche Wahlarztpraxis mag in der Vergangenheit nicht             Honorar- und Leistungsgestaltung etc. – die Vorteile, die eine
                               zuletzt auch deswegen entstanden sein, weil die Wartezeit auf       Wahlarztpraxis gegenüber einer Kassenpraxis bietet, sind nicht
                               einen Kassenvertrag zu lang war. Das ist jedoch weitgehend          von der Hand zu weisen. Allerdings hat auch diese Medaille
                               Geschichte – der Ärztemangel macht’s möglich. Hinzu kommt,          eine Kehrseite: Als Wahlarzt agiert man gänzlich auf dem freien
                               dass in den nächsten zehn Jahren die Hälfte der Vertragsärzte       Markt, entsprechend höher ist das unternehmerische Risiko. Die
                               das gesetzliche Pensionsalter erreicht (siehe Seite 5), was die     Rolle des Praxisinhabers als Unternehmer ist also noch ausge-
                               Auswahlmöglichkeiten für Ärzte, die eine Kassenstelle anstre-       prägter als bei einer Kassenordination.
                               ben, weiter erhöhen wird.
                                                                                                   Für Patienten ist das Plus an Zeit und Zuwendung, das sie sich
                               Voraussetzung für einen Kassenvertrag und Grundlage für             erwarten, wohl der Hauptgrund dafür, zum Wahl- statt zum Kas-
                               die Reihung ist zwar immer noch eine bestimmte Anzahl               senarzt zu gehen. Ebendieser Faktor Zeit pro Patient limitiert
© Digital Storm/shutterstock

                               an „Punkten“, die Zahl der Mitbewerber ist aber in der Regel        jedoch automatisch die Anzahl der Patienten, die man als Arzt
                               äußerst überschaubar und das immer öfter auch in den Bal-           betreuen kann, und ist damit eine zentrale betriebswirtschaft-
                               lungszentren und an durchaus attraktiven Standorten. Eine           liche Größe. Zwar ist die Honorargestaltung prinzipiell frei, sie
                               Hauptquelle für das Punktesammeln ist die Arbeit als Vertre-        erfordert jedoch ein gutes Augenmaß und eine genaue Kennt-
                               tungsarzt in einer Kassenpraxis. Außerdem können dadurch            nis des „Marktumfeldes“ – schließlich ist man einem mehr oder

                               8                                                                                     ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 20a | 25. Oktober 2020
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weniger großen Konkurrenzdruck ausgesetzt. In eine sorgfältige        dann auch auf die gesamte Gruppenpraxis bezieht. Ärztliche
betriebswirtschaftliche Kalkulation sollten daher jedenfalls Pa-      Leistungen, die in Gruppenpraxen erbracht werden, sind nach
rameter wie Leistungsspektrum, Honorare, Investitionsaufwand          eigenen Gruppenpraxen-Honorarordnungen zu verrechnen.
(etwa für Geräte bei technisch aufwändigeren Fächern), Perso-
nal- und Fixkosten u.v.m. einfließen.                                 Grundsätzlich gilt es bei einer Gruppenpraxis genau darauf zu
                                                                      achten, die „Grenze“ zur Krankenanstalt nicht zu überschrei-
Übrigens: Wer über das ius practicandi für Allgemeinmedizin           ten. Das bedeutet etwa, dass ausschließlich Ärzte als Gesell-
oder ein Sonderfach verfügt und eine Ordination eröffnet, ohne        schafter zulässig sind und keinesfalls die Organisationsdichte
einen Kassenvertrag zu haben, ist automatisch ein Wahlarzt – es       oder -struktur einer Krankenanstalt entstehen darf, obwohl
sind dafür keine gesonderten Verfahren oder Genehmigungen             die Anzahl der Gesellschafter grundsätzlich nicht limitiert ist.
nötig. Nur der Standort und der Beginn der Tätigkeit als Wahl-        Auf maximal 30 Personen begrenzt ist hingegen die Zahl der
arzt sind der zuständigen Ärztekammer bekanntzugeben. Rege-           Angehörigen von Gesundheitsberufen in einer Gruppenpraxis,
lungen, die unter anderem die Hygiene, Barrierefreiheit oder das      wobei auf einen ärztlichen Gesellschafter nicht mehr als fünf
Eigenmarketing betreffen, gelten aber selbstverständlich auch         Gesundheitsberufe-Vertreter kommen dürfen. Ordinations-
für Wahlärzte.                                                        assistenten sind davon ausgenommen. Für die Fächer Radio-
                                                                      logie, Labor, physikalische Medizin und Pathologie gilt diese
Ob Wahl- oder Kassenarzt: Auch wie man arbeiten möchte –              Beschränkung nicht.
als klassischer „Einzelkämpfer“ oder im Team – ist vorab gut zu
überlegen. Allerdings gibt es auch hier verschiedene Varianten;       Jeder einzelne Gesellschafter einer Gruppenpraxis ist verpflich-
das Spektrum ist auch im Kassenbereich inzwischen breiter –           tet, persönlich ärztliche Leistungen zu erbringen. Eine Vertre-
von der Teilung eines Kassenvertrages bis hin zur Anstellung          tung ist natürlich auch hier möglich, zu beachten sind dann die
Arzt bei Arzt sind mittlerweile einige Modelle möglich.               im jeweiligen Kassenvertrag geltenden Vertretungsregeln.

Einzelpraxis                                                          Es sind jedoch nicht nur juristische Vorgaben einzuhalten; auch
Auch wenn die finanzielle Last der Gründungskosten allein zu          auf betriebswirtschaftlicher Ebene empfiehlt es sich als Gesell-
tragen ist, gilt die Einzelpraxis nach wie vor als unkompliziertes-   schafter, schon vorab einige Spielregeln zu vereinbaren: Wie sol-
ter Einstieg in die Niederlassung: Man genießt volle Entschei-        len etwa Arbeit und Gewinn aufgeteilt werden? Nach welchen
dungsfreiheit in Bezug auf Gestaltung und Führung der Praxis          Kriterien werden Beschlüsse gefasst? Wie geht es weiter, wenn
und braucht seine Sprechstunden und Urlaubszeiten nicht               einer der Gesellschafter „aussteigen“ möchte oder verstirbt?
mit Kollegen abzusprechen. Als Wahlarzt ist man in diesen
Bereichen gänzlich frei, während Kassenärzte sich natürlich           Schließlich sollte man auch gründlich und unvoreingenommen
innerhalb des jeweiligen Öffnungszeiten-Rahmens sowie der             überlegen, ob man mit den potenziellen Partnern auf mensch-
geltenden Vertretungsregeln bewegen müssen. Als Vertretung            lich-kommunikativer Ebene gut zusammenarbeiten kann und
darf etwa nur ein fachgleicher Arzt fungieren und es bedarf           was einem dabei selbst besonders wichtig ist – egal, ob es darum
einer fristgerechten Meldung an Kammer und Kasse. Wer sich            geht, eine Gruppenpraxis zu gründen, zusätzliche Gesellschafter
regelmäßig vertreten lassen möchte, muss dies der Kasse ge-           aufzunehmen oder selbst in eine Praxis einzusteigen. Weil man
genüber entsprechend begründen, um eine Genehmigung zu                aber nicht auf alle Eventualitäten schon vorab vorbereitet sein
erhalten.                                                             kann, kann es hilfreich sein, sich schon im Gesellschaftervertrag
                                                                      darauf zu einigen, dass bei besonders schwierigen Konflikten
Gruppenpraxis                                                         ein Mediator beigezogen wird.
Gruppenpraxen sind eine bewährte Option, wenn man nicht
die gesamte Last der unternehmerischen Verantwortung al-               Beratung und Begleitung in Sachen Gruppenpraxis bieten
lein tragen will, die eine Einzelpraxis bei aller Freiheit mit sich   die Landesärztekammern sowie Steuerberater, Anwälte und
bringt. Seit 2004 können ärztliche Gesellschafter zwischen den        Notare. Darüber hinaus kann ein Mediator gute Dienste leisten.
Rechtsformen einer OG (Offene Gesellschaft) und einer GmbH
(Gesellschaft mit beschränkter Haftung) wählen, was unter an-         Anstellung Arzt-bei-Arzt
derem steuerrechtlich relevant ist.                                   Mit der Ärztegesetz-Novelle 2019 wurde eine zusätzliche Op-
                                                                      tion für niedergelassene Ärzte eingerichtet: Fachgleiche Ärzte
Im Unterschied zur Gemeinschaftspraxis stellt eine Gruppen-           können nun auch ein Dienstgeber-Angestellten-Verhältnis ein-
praxis eine eigene Rechtspersönlichkeit dar. Im juristischen Sinn     gehen, und zwar sowohl in Einzel- als auch in Gruppenpraxen.
ist es die Gruppenpraxis, die beispielsweise Investitionen tätigt     Der Inhaber einer Einzelpraxis darf dabei maximal zwei Kolle-
und Verträge abschließt – auch einen Kassenvertrag, der sich          gen im Ausmaß eines Vollzeitäquivalents (also für insgesamt         »

20a | 25. Oktober 2020 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG                                                                                  9
NIEDERLASSUNGSFORMEN

» 40 Wochenstunden) einstellen. Eine Gruppenpraxis kann bis zu        sich auch beim gemeinsamen Marketing ins Treffen führen. Ob-
  vier – ebenfalls fachgleiche – Ärzte für insgesamt 80 Wochen-       wohl unterschiedliche Rchtsformen möglich sind, werden Ge-
  stunden aufnehmen.                                                  meinschaftspraxen meist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts
                                                                      oder als GmbH geführt.
  Gemeinschaftspraxis
  Im Vergleich zur Gruppenpraxis handelt es sich bei einer Ge-        Primärversorgungseinheit (PVE)
  meinschaftspraxis um eine wesentlich lockerere Kooperation.         Allgemeinmediziner haben zudem die Möglichkeit, in einer Pri-
  Hauptziel dabei ist es, Kosten zu sparen, indem man Ressour-        märversorgungseinheit (PVE) zu arbeiten. Vorrangig werden für
  cen gemeinsam nutzt. Das können im Fall einer Ordinationsge-        solche Einheiten allerdings jene Ärzte angefragt, die in der jewei-
  meinschaft etwa die Praxisräume sein oder Assistenzleistungen       ligen Region bereits eine allgemeinmedizinische Praxis führen.
  (Sprechstundenhilfe, EDV-Betreuung etc.). Eine Apparategemein-      Die Ausschreibung erfolgt einvernehmlich durch die zuständi-
  schaft wiederum kann sich bei technisch aufwändigen Fächern         gen Versicherungsträger und die örtlich zuständige Landesärz-
  lohnen, um Anschaffungs- und Wartungskosten zu reduzieren.          tekammer.

  Im Unterschied zur Gruppenpraxis betreuen die einzelnen frei-        Abgesehen davon ist auch Eigeninitiative willkommen: All-
  beruflich tätigen Ärzte in einer Gemeinschaftspraxis ihren je-      gemeinmediziner, die Interesse daran haben, eine Primärver-
  weiligen Patientenstock in Eigenverantwortung und sind auch         sorgungseinheit zu gründen, können sich zum Beispiel an ihre
  haftungsrechtlich voneinander unabhängig. Auch die Abrech-          Landesärztekammer, die zuständige Landesstelle der Österrei-
  nung erfolgt getrennt. Neben der Kostenminimierung bietet           chischen Gesundheitskasse oder den Gesundheitsfonds wen-
  diese Form der Kooperation die Chance eines unmittelbaren in-       den. Auch der Verein Forum Primärversorgung gibt auf seiner
  terdisziplinären Austauschs im Alltag und mehr Bequemlichkeit       Website einen guten Überblick: https://primaerversorgung.org/
  für die Patienten – Stichwort „Alles unter einem Dach“. Das lässt   Gut zu wissen: Eine Primärversorgungseinheit muss nicht

  10                                                                                    ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 20a | 25. Oktober 2020
KARRIERE SPEZIAL

zwangsläufig ein Zentrum sein. Je nach den örtlichen Bedin-        die Schnittstellenproblematik besser gelöst und die Koopera-
gungen sind grundsätzlich auch Netzwerke aus mehreren allge-       tion untereinander optimiert werden könnte. Es entstanden
meinmedizinischen Praxen möglich.                                  Ärztenetzwerke wie das steirische Netzwerk Styriamed.net,
                                                                   dem eine Vorreiterrolle zukommt. So deckt Styriamed.net die
Seit Frühjahr 2019 gibt es einen PVE-Gesamtvertrag, der un-        Steiermark mittlerweile fast lückenlos ab, sieht man von der
ter anderem die personellen Rahmenbedingungen für eine             Landeshauptstadt und einem kleinen Bereich im Norden ab.
Primärversorgungseinheit absteckt. So wird das Kernteam ei-        Auch das Burgenland verfügt mit Pannoniamed.net mittlerwei-
ner PVE von mindestens drei Vollzeit-Allgemeinmedizinern           le über ein umfassendes Ärztenetzwerk.
gemeinsam mit Angehörigen des gehobenen Dienstes für Ge-
sundheits- und Krankenpflege sowie Ordinationsassistenten           Auch in einigen anderen Bundesländern gibt es Ärztenetz-
gebildet. Je nach Bedarf können auch Ärzte für Kinder- und         werke; nähere Informationen gibt es bei den Landesärztekam-
Jugendheilkunde das Kernteam verstärken. Ebenso können             mern.
weitere Angehörige von Gesundheits- und Sozialberufen in
der PVE mitwirken.                                                 Ziel der Netzwerke ist es, auch im ländlichen Bereich eine bessere
                                                                   Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Ein besonderes Au-
Unabhängige Ärztenetzwerke                                                                  genmerk wird dabei meist auf die Schnitt-
Schon lange bevor Primärversorgungseinheiten                                                stellen zwischen Spital und niederge-
                                                    Viele Landesärzte-
initiiert wurden, haben sich vor allem Allgemein-                                           lassenem Bereich gelegt. Daher sind oft
                                                    kammern bieten auf
mediziner, aber auch niedergelassene Fachärzte,                                             nicht nur niedergelassene Kassen- bzw.
                                                    ihren Websites eine Fülle
in einigen Regionen Österreichs aus freien Stü-                                             Wahlärzte, sondern auch zahlreiche Spi-
                                                    von Informationen rund
cken, gegebenenfalls mit Unterstützung der                                                 talsärzte, die in regionalen Krankenan-
jeweiligen Landesärztekammer, überlegt, wie
                                                    um die Niederlassung.
                                                                                                                                  ◉
                                                                                           stalten tätig sind, Teil dieser Netzwerke.
PRAXISGRÜNDUNG

                                       Eine Reihe
                                  von Entscheidungen
                         Ärzte, die in die Niederlassung gehen möchten, sollten – neben der Niederlassungsform – auch viele
                           andere Fragen vorab klären. Von der Standortwahl, den Praxisräumlichkeiten über Steuer- und
                           Rechtsfragen bis hin zur Ordinationssoftware und Datensicherheit gibt es vieles zu entscheiden.

G
                    Gleich vorweg: Die Landesärztekammern bieten in der Regel           neue Praxis eröffnet werden soll, weil es meist auch darum geht,
                    nicht nur Online-Leitfäden für niederlassungswillige Ärzte, son-    sich einen Patientenstock aufzubauen. Ein wichtiges Kriterium
                    dern auch umfassende persönliche Beratung. Zusätzlich ist es na-    – vor allem in Ballungszentren – ist die Ärztedichte: Praktizieren
                    türlich empfehlenswert, auf die Expertise von Steuer- und Rechts-   im Umkreis bereits einige Ärzte derselben Fachrichtung oder
                    experten zurückzugreifen. Entschließt man sich beispielsweise       würde eine neue Ordination eine Bedarfslücke decken? Wobei:
                    zum Erwerb bestehender Praxisräume, ist es oft schon allein aus     Auch Fachkollegen in der Nähe müssen nicht zwangsläufig eine
                    arbeitsrechtlicher Sicht gut, den Kauf und die Übergabe mit an-     Konkurrenz darstellen, etwa wenn man selbst zusätzliche Leis-
                    waltlicher Unterstützung abzuwickeln. Nicht zuletzt, weil man in    tungen anbietet, die für Zuweiser des eigenen sowie anderer
                    einem solchen Fall nicht selten auch das Personal und damit die     Fächer interessant sind oder von Patienten nachgefragt werden.
                    Arbeitgeber-Rechte und -Pflichten der zum Übergangszeitpunkt
                    bestehenden Arbeitsverhältnisse übernimmt.                          Erreichbarkeit
                                                                                        In vielen ländlichen Bereichen ist lokale Konkurrenz möglicher-
                    Auch in steuerlichen Belangen kann es schnell komplex werden,       weise gar kein so vorrangiges Thema. Was aber da wie dort für
                    etwa in Fragen einer eventuellen Haftung in Bezug auf Umsatz-       Patienten eine entscheidende Rolle spielt, ist die Erreichbarkeit.
                    steuer und Lohnabgaben. Oder auch bei der Bestimmung des            Das betrifft sowohl die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln
                    Werts der Praxis, die man übernehmen möchte. Der Wert eines         als auch mit dem PKW. Speziell am Land, wo die Anfahrtswege
                    Unternehmens basiert nämlich nicht ausschließlich auf objektiv      generell länger sind, zählt die Frage, ob der Ordinationsstandort
                    messbaren, sondern auch auf subjektiven Kriterien, die eben-        über einen Kundenparkplatz verfügt oder ob es zumindest aus-
                    falls steuerlich relevant sind.                                     reichend günstige Parkmöglichkeiten in nächster Nähe gibt. Hal-
                                                                                        ten Busse oder Straßenbahnen im Umkreis der Praxis und wenn
                    Standortwahl: Konkurrenz und Synergien                              ja, zu welchen Zeiten und in welcher Frequenz verkehren sie?

                    Doch nicht nur Größe und Zustand der Räumlichkeiten, Aus-           Befinden sich in der Nähe des möglichen Ordinationsstandorts
© blackred/iStock

                    stattung und Apparate oder der vorhandene Patientenstock            Apotheken, Bandagisten oder andere Gesundheitsdienstleister,
                    bestimmen den Kaufpreis mit, sondern auch die Adresse. Be-          ist das für viele Patienten ein Vorteil, weil sie sich möglicher-
                    sonders wichtig ist die Frage des Standorts natürlich, wenn eine    weise Wegzeiten ersparen. Je nach Fachrichtung können sich

                    12                                                                                    ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG 20a | 25. Oktober 2020
KARRIERE SPEZIAL

Synergien auch aus der räumlichen Nähe zu Kollegen ergeben,           lichkeit/Werberichtlinie) verbietet „unsachliche, unwahre oder
die zum Beispiel ein medizinisch-chemisches Labor oder eine           das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Informationen“.
Radiologie-Praxis betreiben.                                          Als das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information
                                                                      gilt unter anderem auch die „Selbstanpreisung der eigenen Per-
Information ja, Marktschreierei nein                                  son oder Leistungen durch aufdringliche und/oder marktschrei-
                                                                      erische Darstellung“.
Wenn es um die Information der Öffentlichkeit bezüglich des
Angebots von ärztlichen Leistungen geht, gilt es einiges zu be-        Werberichtlinie und Schilderordnung der ÖÄK finden sich
achten. Ein „Muss“ im juristischen Sinne ist die Anbringung           unter www.aerztekammer.at/rechtsgrundlagen
eines Ordinationsschildes. Was dabei zu beachten ist, regelt die
„Schilderordnung“ der Österreichischen Ärztekammer. Name,             Plötzlich Chef
akademischer Grad, Fach-/Berufsbezeichnung, Erreichbarkeit
und – im Falle von Gruppenpraxen – die genaue Bezeichnung             Auch wer sich für eine Einzelordination entscheidet, wird zwei
der Praxis (Firmenwortlaut) müssen auf jeden Fall auf dem             Mitarbeiter auf jeden Fall brauchen: eine Assistentin bezie-
Schild angeführt werden. Zulässig sind aber zum Beispiel auch         hungsweise einen Assistenten für organisatorisch-administra-
von der ÖÄK verliehene oder anerkannte Fortbildungsnach-              tive Tätigkeiten und eine Reinigungskraft. Schließlich müssen
weise, die Krankenversicherungsträger, mit denen ein Vertrags-        die Hygieneauflagen vom ersten Tag an erfüllt werden. Daher ist
verhältnis besteht, ein Logo, Hinweise auf Mutter-Kind-Pass-          auch unbedingt zu klären, wer die Reinigungskraft vertritt, wenn
oder Vorsorge-Untersuchungen etc.                                     diese erkrankt oder auf Urlaub ist. Bequemer, wenn auch kosten-
                                                                      intensiver, ist es, eine Firma zu beauftragen.
Abgesehen von dem verpflichtenden Ordinationsschild gibt es
natürlich auch für Ärzte Möglichkeiten, proaktiv auf das neue         Was die Assistenz betrifft, sollte man sich im Klaren darüber sein,
medizinische Angebot aufmerksam zu machen. Flyer, die man             ob die betreffende Person ausschließlich Verwaltungsaufgaben
in umliegenden Apotheken auflegt, oder Postwurfsendungen              erledigen oder auch bei medizinischen Tätigkeiten assistieren
sind nach wie vor eine gute Möglichkeit, sich im Einzugsgebiet        soll. Letzteres dürfen nur Träger der gesetzlich geregelten Berufs-
bekannt zu machen. Wichtig ist dabei eine für Laien verständ-         bezeichnung „Ordinationassistentin/Ordinationsassistent“, denn
liche, sachliche und übersichtliche Information. Das gilt auch für    sie verfügen über die erforderliche Ausbildung entsprechend dem
die Praxis-Homepage, auf die man nicht verzichten sollte. Einen       Bundesgesetz über medizinische Assistenzberufe (MAB-Gesetz).
Profi mit der Erstellung eines zweckmäßigen und gleichzeitig          In jedem Fall lohnt es sich, bei der Auswahl der Person, die am
ansprechend gestalteten Internetauftritts zu beauftragen, gehört      Empfang sitzt, genau hinzuschauen und -hören. Immerhin ist
heute zur Praxisgründung dazu. Wer sich vorab schon einmal in         die- oder derjenige erster Ansprechpartner für Patienten, aber
einen potenziellen Patienten hineinversetzt, der im Internet auf      etwa auch für Dienstleister oder Vertragspartner. Der Kon-
Arztsuche geht, wird schnell ein Gespür dafür bekommen, wel-          takt mit der Person, die einen begrüßt, die bei Nachfragen als
che Inhalte der eigene Internetauftritt braucht und welche nicht.     „Sprachrohr“ zum Arzt fungiert und vieles mehr, bestimmt in
Mit möglichst wenigen Klicks sollte sich herausfinden lassen,         einem nicht zu unterschätzenden Ausmaß, wie eine Ordinati-
                                                                      on insgesamt wahrgenommen und beurteilt wird – ein Faktor,
• ob es sich um eine Vertrags- oder Wahlarztpraxis handelt,           den man in Anbetracht der zahlreichen Online-Arztbewertungs-
• wie man die Praxis erreicht (Anfahrt, Lageplan),                    portale nicht außer Acht lassen sollte.
• wann sie geöffnet ist – Öffnungszeiten aktualisieren, wenn nötig!
• wie man mit wem Kontakt aufnehmen und einen Termin ver-             Sicherer Arbeitsplatz
  einbaren kann,
• welche Leistungen angeboten werden,                                 Als Arbeitgeber ist man auch verpflichtet, für Sicherheit am Ar-
• ob die Räumlichkeiten barrierefrei sind.                            beitsplatz zu sorgen und arbeitsmedizinische sowie sicherheits-
                                                                      technische Kontrollen durchzuführen beziehungsweise durch-
Rechtlich erforderlich sind ein Impressum und eine Daten-             führen zu lassen. Darüber hinaus gewährleistet die Einhaltung
schutzerklärung; auch ein Haftungsausschluss ist zu empfehlen.        einschlägiger Bestimmungen auch die Sicherheit von Patienten.
                                                                      Gratis werden solche Checks von der Allgemeinen Unfallversi-
Arzt und Öffentlichkeit                                               cherung (AUVA) angeboten, und zwar für Betriebe mit weniger
Wie auch immer man die Öffentlichkeit informiert – als Arzt ist       als 50 Mitarbeitern. Je nach Fachrichtung können sich Auflagen
man an strenge Richtlinien gebunden: Die „Verordnung der Ös-          ergeben, die über allgemeine Sicherheitsanforderungen wie
terreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger           etwa das Bereitstellen von Feuerlöschern hinausgehen. Das
ärztlicher Informationen in der Öffentlichkeit“ (Arzt und Öffent-     kann beispielsweise der Fall sein, wenn in der Ordination Laser       »

20a | 25. Oktober 2020 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG                                                                                  13
PRAXISGRÜNDUNG

»   zum Einsatz kommen oder Suchtgifte abge-                                                   sollte. Weil aber noch einige andere Versi-
    geben werden. Die Landesärztekammern                  Über Rechte und Pflichten            cherungen gerade für Ärzte im Ernstfall ent-
    bieten auch hier Beratung an.                         von Ärzten als Arbeitgeber           scheidend sein können, kann es von Vorteil
                                                          kann man sich bei den                sein, sich an einen Versicherungsmakler
    Im Fall des Falles abgesichert                        Landesärztekammern                   zu wenden, der auf die Anforderungen von
                                                          informieren.                         Ärzten spezialisiert ist.
    Seit etwa zehn Jahren sind Ärzte per Ärztegesetz
    verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung                                           Wichtige Versicherungen
    abzuschließen, noch bevor sie als freiberufliche Ärzte tätig werden.    Zu den wichtigsten Versicherungen neben der Berufshaftpflicht
    Möglich ist das bei allen Versicherungen mit entsprechendem An-         zählen:
    gebot, die in Österreich zum Geschäftsbetrieb berechtigt sind. Die      • Betriebsinhaltsversicherung – quasi eine Haushaltsversiche-
    strenge Vorgabe hat gute Gründe, hierzulande tritt eine absolute          rung für die Ordination
    Verjährung nämlich erst 30 Jahre nach einem schädigenden Ereig-         • Betriebsunterbrechungsversicherung – etwa zur Deckung der
    nis ein – Anspruchsforderungen von potenziell Geschädigten kön-           weiterlaufenden Fixkosten, falls die Praxis krankheitshalber ge-
    nen somit auch Jahre später noch auftauchen.                              schlossen bleiben muss
                                                                            • Berufsunfähigkeitsversicherung – Ergänzung zur Basisabsiche-
    Eine Rahmenvereinbarung zwischen der Österreichischen                     rung durch Sozialversicherung und Wohlfahrtsfonds
    Ärztekammer und dem Versicherungsverband Österreich ga-                 • Rechtsschutzversicherung – zur Deckung von Kosten, die die
    rantiert die Einhaltung von Mindestbedingungen in den Ver-                Haftpflichtversicherung nicht umfasst
    sicherungsverträgen. Trotzdem können je nach Fachrichtung               • Private Krankenversicherung – die Gruppenversicherungen
    unterschiedliche Details relevant sein, sodass man hier auf               der Landesärztekammern bieten in der Regel die besten Kon-
    jeden Fall eine ausführliche Beratung in Anspruch nehmen                  ditionen
Besonders bei folgenden, gerade für Ärzte durchaus sinn-
vollen Assekuranzprodukten empfiehlt sich eine seriöse in-
dividuelle Beratung:
• Unfallversicherung mit erhöhter Gliedertaxe
• Geräteversicherung
• Cyberversicherung

Große Vielfalt bei Software
Die ärztliche Dokumentationspflicht schreibt zwar die Form
der Dokumentation nicht vor, somit auch nicht zwingend
den Einsatz eines Computersystems. Eine gänzlich „analo-
ge“ Arztpraxis ist de facto aber kaum mehr vorstellbar.

Mittlerweile gibt es eine große Palette an Ordinations-
software-Programmen, die auch auf die Bedürfnisse
unterschiedlicher Fachrichtungen eingehen. Wer einen
Kassenvertrag hat oder anstrebt, muss jedenfalls auf die
Kompatibilität mit dem Kassen-System achten, damit
Abrechnung und e-card-Services funktionieren. Weitere
wichtige Kriterien sind Updates und die Option von War-
tungsverträgen, wobei man genau prüfen sollte, ob diese
den eigenen Anforderungen entsprechen.

Besonders empfehlenswert sind Software-Systeme, die man
bei Bedarf bausteinartig erweitern kann.

Cybersicherheit
Übrigens: Die Ordinations- und Patientendaten werden
heute oft nicht mehr auf einem lokalen Server in der Praxis,
sondern extern gespeichert. Das erleichtert den externen
Zugriff, etwa von zuhause oder während eines Hausbesuchs.
Doch unabhängig davon, wo sensible Patientendaten ge-
speichert sind – sie stellen ein attraktives Ziel für Hacker-
angriffe dar. Cyberversicherungen (siehe oben) sind zwar
ein relativ neues Versicherungsprodukt, das sich aber unter
Umständen bezahlt machen kann, wenn es um die Wieder-
herstellung von Daten, die Abgeltung von Ansprüchen Drit-
ter etc. geht.

Als niedergelassener Arzt ist man verpflichtet, die Patienten-
daten täglich zu sichern, etwa auf einer externen Festplat-
te. Denn bei einem gröberen Datenverlust – egal, ob durch
Systemabsturz oder Diebstahl – kann es einige Zeit dauern,
bis die Daten wiederhergestellt sind.   ◉
 Tipp: Wichtige bundesweit gültige Rechtsgrundlagen
 sind auf der Website der ÖÄK zu finden:
 www.aerztekammer.at/rechtsgrundlagen.

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20a | 25. Oktober 2020 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG
                                                                 Summe Aufwand   179,9   52,5%
                                                                 ERGEBNIS        169,9   49,6%
Q UA L I TÄT S S I C H E R U N G

                    Durchdachtes
                    Qualitätsmanagement
                    Wie auch immer die Unternehmensphilosophie
                    einer Arztpraxis ausgerichtet sein mag:
                    Das Fundament sollte ein durchdachtes
                    Qualitätsmanagement bilden.
                    Ein unerlässlicher Teil davon sind
                    Vorgaben zur Qualitätssicherung und Hygiene.

W                   Wenn die Entscheidung für die eigene Praxis gefallen ist, sind
                    verschiedenste Dinge abzuwickeln: Ein Finanzplan ist aufzu-
                    stellen, ein passender Standort muss gefunden werden und,
                    und, und. Aber auch an die Qualitätssicherung und Hygienevor-
                    schriften sollte man schonin dieser Phase denken.

                    Zwar wird der Praxisinhaber von der ÖQMED, der Österreichi-
                    schen Gesellschaft für Qualitätssicherung & Qualitätsmanage-
                    ment in der Medizin GmbH, zeitgerecht in Form eines Briefes
                    aufgerufen, die Hygienevorschriften, aber auch die Qualitäts-
                    vorgaben hinsichtlich der Abläufe in der Ordination zu prüfen
                                                                                     Leistungen man in seiner Praxis anbieten möchte. Und auch
                                                                                     wer in Erwägung zieht, sein medizinisches Portfolio zu einem
                                                                                     späteren Zeitpunkt auszuweiten, sollte die damit verbundenen
                                                                                     Hygiene-Auflagen bereits bei der Beurteilung der Ordinations-
                                                                                     räume mitbedenken.

                                                                                     Räumlichkeiten:
                                                                                     unterschiedliche Anforderungen
                                                                                     Abhängig davon, wie invasiv die Leistungen sind, die man er-
                                                                                     bringen möchte, muss ein Behandlungsraum unterschiedliche
                    und das Ergebnis dieser Selbstevaluierung der ÖQMED zu           Anforderungen erfüllen. Ein Blick in die Qualitätskriterien kann
                    übermitteln.                                                     somit bereits bei der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten
                                                                                     hilfreich sein.
                    Aber: Einige wichtige Vorgaben der Hygiene- und der Qualitäts-
                    sicherungsverordnung (QS-VO) beziehen sich auf die Ordinati-     Aber auch Ärzte, die ausschließlich mit nicht-invasiven Verfah-
                    onsräume und ihre Ausstattung. Wer sich mit diesen Vorgaben      ren ohne Kontakt mit potenziell infektiösem Material arbeiten,
                    frühzeitig vertraut macht, kann schon bei der Besichtigung der   müssen Grundlegendes beachten. Beispielsweise, dass mobile
                    potentiellen Immobilie prüfen, ob und in welchem Ausmaß          Klimageräte in Ordinationen grundsätzlich nicht erlaubt sind.
                    Adaptierungen notwendig sein werden. Und das wiederum            Dasselbe gilt für Teppichböden und Teppiche; allenfalls ist ein
                    ermöglicht eine realistischere Einschätzung des tatsächlichen    Schmutzteppich im Eingangsbereich zulässig. Toiletten müssen
© porcorex/iStock

                    Investitionsaufwandes, unabhängig davon, ob es sich um eine      in jedem Fall mit einem Waschbecken und – sofern sie von Arzt
                    Übernahmepraxis oder um eine gänzlich neue Adresse handelt.      oder Ordinationspersonal (mit)benutzt werden – mit Handdes-
                    Voraussetzung ist, dass man sich im Klaren darüber ist, welche   infektionsspendern ausgestattet sein.

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KARRIERE SPEZIAL

In den meisten Fächern gehören jedoch auch medizi-
nische Eingriffe zum alltäglichen Leistungsspektrum,
bei denen entweder in die Haut eingedrungen wird        Selbstevaluierung
oder es zum Kontakt mit potenziell infektiösem Mate-    Eine hohe Behandlungsqualität baut notwendigerweise auch auf der Struk-
rial kommen kann. Für diese körperbezogenen Verfah-     tur- und Prozessqualität in einer Praxis auf. Je reibungsloser die Abläufe, je
ren sieht die Hygieneverordnung vier Kategorien von     verlässlicher die technische Ausstattung, umso konzentrierter können sich
Räumen vor:                                             Arzt und Mitarbeiter ihren eigentlichen Aufgaben widmen. Die Selbstevalu-
                                                        ierung ist nicht nur Pflicht, sondern auch eine gute Gelegenheit, immer wie-
1. Für allgemeinmedizinische oder vergleichbare         der einmal aus der Routine herauszutreten und, wo nötig, nachzujustieren.
   fachärztliche Untersuchungen wie zum Beispiel        Wer
   Blutabnahmen, Infusionen, die Versorgung klei-
                                                        Egal, ob große Kassen-Gruppenpraxis oder Einzel-Privatordination mit
   ner Wunden, Verbandswechsel, das Ziehen von          limitierten Öffnungszeiten: Das Ärztegesetz verpflichtet Ordinationsinhaber,
   Nähten, einfache endoskopische Untersuchungen        alle fünf Jahre eine Selbstevaluation durchzuführen und die dokumentierten
   und physikalische Therapien genügt Raumtyp 1.        Ergebnisse der ÖQMED zu übermitteln.
   Hier sind als wesentlichste Ausstattung ein Wasch-   Zu beantworten sind natürlich nur die Fragen, die auf die eigene Ordinati-
   becken und ein fix montierter Desinfektionsmittel-   on zutreffen in Bezug auf Patienten, Klienten, Kunden, Behandlungsarten,
   spender vorgesehen.                                  Leistungsspektrum, Toiletten, Behandlungsraumtypen, Personal, Suchtgifte
                                                        Wann
2. Kleine invasive Untersuchungen, etwa Koloskopie,
                                                        Jedes Jahr wird die Evaluierung in bis zu drei Bundesländern durchgeführt.
   Gastroskopie, Zystoskopie, Wundversorgungen,
                                                        Die nächsten „Wellen“ sind: 2021 Wien (Welle 4) und 2022 Oberösterreich
   kleine dermatologische Eingriffe etc., finden in     (Welle 5).
   Raumtyp 2 statt. Auch hier ist, neben dem Desin-
                                                        In Welle 5 werden zusätzlich all jene Ordinationen zur Selbstevaluierung auf-
   fektionsmittelspender, das Waschbecken das wich-
                                                        gefordert, die seit der letzten Welle im jeweiligen Bundesland neu eröffnet
   tigste räumliche Ausstattungsmerkmal.                wurden, das heißt: alle neu eröffneten Ordinationen seit
                                                        •   2018 in Niederösterreich und Vorarlberg
  Weitere wesentliche Elemente in Räumen der            •   2019 in Salzburg und der Steiermark
  Kategorien 1 und 2 sind der Bodenbelag, Wasser-       •   2020 in Kärnten, dem Burgenland und Tirol
  leitungen und gegebenenfalls Klimageräte. Der         •   2021 in Wien
  Bodenbelag muss grundsätzlich fugenlos und flüs-
  sigkeitsdicht sein. Auch bei den Wasseranschlüssen    Wie
  ist darauf zu achten, dass das Waschbecken auch       Sobald man als Ordinationsinhaber den eingeschriebenen Brief von der ÖQ-
  über einen Warmwasseranschluss verfügen muss.         MED erhält, kann man mit der Selbstevaluierung beginnen. Am besten ganz
                                                        bequem online unter https://eval.oeqmed.at (Anmeldung mit Single-Sign-
3. Größere invasive und dermatologische Eingriffe mit   On/SSO). Hier findet sich der Fragebogen mit allen wichtigen und hilfreichen
   erhöhter Infektionsgefahr sowie eine umfangreiche    Zusatzinformationen, der wahrheitsgemäß auszufüllen ist.
   Wundversorgung erfordern Raumtyp 3 – einen Ein-      Mängel – was nun?
   griffsraum.
                                                        Wer Mängel dokumentiert hat, bekommt von der ÖQMED den Auftrag zur
                                                        Behebung innerhalb einer bestimmten Frist – selbstverständlich inklusive
4. Ambulante Operationen sind nur in Raumtyp 4 er-      Anleitung und Hilfestellungen.
   laubt.
                                                        Wer beim Ausfüllen des Fragebogens auf keinerlei Mängel gestoßen ist,
                                                        bekommt das Zertifikat dennoch erst, wenn die stichprobenartigen Vor-
Die Raumtypen 3 und 4 stellen weitaus höhere Anfor-     Ort-Besuche abgeschlossen sind. Dabei besuchen ärztliche Qualitätssiche-
derungen, etwa eine entsprechende Entlüftungsanla-      rungsbeauftragte nach Zufallsprinzip ausgewählte Ordinationen.
ge als Voraussetzung für die Durchführung von Allge-
meinanästhesien.                                        Informieren Sie sich bei der ÖQMed
                                                        Was genau ist eine „staubdichte Decke“? Wie viele Quadratmeter
Patienten müssen weiters einen eigenen Umkleidebe-      sind nötig, um eine „sichere Behandlung“ zu gewährleisten?
reich vorfinden. Notwendig sind zudem noch einige       Die ÖQMED-Experten stehen für Fragen zur Verfügung; sie verstehen sich
andere Ausstattungsmerkmale wie zum Beispiel ein        nicht nur als Kontrollbeauftragte, sondern vor allem auch als Servicepartner
medizinischer Handwaschplatz mit Möglichkeit zur        für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und solche, die es werden wollen.
chirurgischen Händedesinfektion außerhalb des Ein-      Tel.: +43 1 512 56 85-0 (Mo–Do: 9:00–15:00 Uhr, Fr: 9:00–13:00 Uhr)
griffs- beziehungsweise OP-Raumes, ein antistatischer   E-Mail: qualitaet@oeqmed.at
Boden, abwaschbare Wände oder eine staubdichte
Decke.                                             »

20a | 25. Oktober 2020 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG                                                                               17
Q UA L I TÄT S S I C H E R U N G

»   Wer seine Ordination klimatisieren möchte, muss berücksichti-      häufigen Krankheitsbildern sowie den technisch-räumlichen
    gen, dass beim Einsatz sogenannter Splitgeräte in Räumen der       Gegebenheiten. Auch dafür hat die ÖQMED ein Muster parat,
    Kategorien 3 und 4 möglicherweise zusätzliche Filter oder Ähn-     das man nur an die eigene Ordination anpassen muss. Nicht
    liches einzubauen sind. Mobile Klimageräte dürfen in keinem        vergessen: Das Personal muss in die im Notfallplan festge-
    Behandlungsraum eingesetzt werden.                                 legten internen Abläufe nachweislich eingeschult werden.

    Im Fall des Notfalles                                              Das Personal
    Für den medizinischen Notfall muss jede Arztpraxis von Beginn        Apropos Personal: Auch im Rahmen der Selbstevaluierung
    an gerüstet sein, unabhängig von ihrer Ausrichtung. Aus wel-         ist in diesem Bereich einiges zu dokumentieren – eine Reihe
    chen Instrumenten und Arzneimitteln sich eine Notfallausstat-        vorgeschriebener Schulungen etwa. Vor allem aber müssen
    tung zusammensetzt, ist jedoch stark abhängig vom Fach, dem          grundsätzlich alle Mitarbeiter über die strenge Verschwiegen-
    Leistungsspektrum und natürlich den individuellen Kenntnis-          heitspflicht aufgeklärt werden und eine entsprechende Erklä-
    sen und Fähigkeiten des Ordinationsteams. Einzig der Beat-           rung schriftlich bestätigen. Gibt es mehrere Arbeitskräfte mit
    mungsbeutel wird durch die Qualitätssicherungsverordnung             unterschiedlichen Qualifikationen und Aufgabenbereichen,
    vorgegeben.                                                                          sind darüber hinaus entsprechende Stellenbe-
                                                                                         schreibungen zu verfassen, in denen auch die
    Ebenfalls unerlässlich ist ein Notfallplan,   Alle Auflagen im Detail:               Vertretung innerhalb des Teams geregelt sein
    der individuell auf jede Ordination zuge-     „Anlage 2 Hygiene-VO“                  kann.
    schnitten sein sollte, ausgehend von der      unter www.oeqmed.at/
    Anzahl der Mitarbeiter und ihren Kom-         hygiene                              Im Rahmen der QS-VO ist die Art des Arbeits-
    petenzen, dem Patientenaufkommen,                                                  verhältnisses übrigens irrelevant. Was zählt,
KARRIERE SPEZIAL

ist lediglich die Anwesenheit in der Ordination. Daher gelten    Nach der Überprüfung stellt der Techniker ein Prüfprotokoll
sämtliche Vorgaben auch für in der Praxis tätige Familienmit-    aus und jedes Gerät erhält einen Aufkleber mit dem Datum
glieder.                                                         der nächsten Kontrolle. Die Protokolle bilden in Summe die
                                                                 Gerätedatei und alle Geräte werden übersichtlich im Bestands-
Wartung der medizinisch-                                         verzeichnis zusammengefasst. Das Vorhandensein dieser Doku-
                                                                 mente wird bei der Selbstevaluierung auch abgefragt.
technischen Ausstattung
Neben der Beurteilung der baulichen und raumtechnischen          Ob Verschwiegenheitserklärung, Gerätedatei oder Notfallplan –
Gegebenheiten spielt die Wartung der medizinisch-tech-           Vorlagen für die notwendige Dokumentation können kostenlos
nischen Ausstattung eine wichtige Rolle in der Selbstevaluie-    unter www.oeqmed.at/dokumente heruntergeladen und an die
rung.                                                            eigene Praxis und Situation angepasst werden.    ◉
Noch bevor der erste Patient in der Ordination behandelt wird,
muss ein Medizinproduktetechniker all jene Geräte, die ans
Stromnetz angeschlossen sind und am oder in der Nähe von            Fehlerberichts- und Lernsystem CIRSmedical
Patienten verwendet werden (z.B. Ultraschallgerät, EKG, elek-
trische Untersuchungsliege etc.), einer Eingangsprüfung unter-      Um aus einem Fehler zu lernen, muss man ihn nicht selbst
                                                                    machen. Mit dem nationalen Fehlerberichts- und Lernsystem
ziehen. Danach ist alle zwei Jahre eine „sicherheitstechnische
                                                                    CIRSmedical stellt die ÖQMED ein Service zur Verfügung, von
Kontrolle“ durchzuführen. Auch bei Geräten der Basisausstat-
                                                                    dem auch Ordinationsteams vom ersten Tag an profitieren.
tung wie z.B. dem Blutdruckmessgerät oder der Personenwaage
muss alle zwei Jahre eine sogenannte „messtechnische Kontrol-       Lesen, Lernen, Kommentieren: www.cirsmedical.at/
le“ durchgeführt werden.

  Aeskulap Steuerberatung.indd 1                                                                                   01.10.2020 09:42:29

20a | 25. Oktober 2020 ÖSTERREICHISCHE ÄRZTEZEITUNG                                                                                      19
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