Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 2 - Die bunte Stadt
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt Diskussionsunterlage Verfasst von Dr. Klaus Wirth Mag. (FH) Karoline Mitterer KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung 1110 Wien, Guglgasse 13 Tel.: +43 1 8923492, Fax: +43 1 8923492-20 E-Mail: institut@kdz.or.at, Internet: www.kdz.or.at Wien, am 23. Mai 2006
Inhaltsverzeichnis 23.05.06 Inhaltsverzeichnis Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt..............................................................................................................3 1 Bevölkerungsentwicklung in Österreich – Kurzdarstellung ................................................5 2 Entwicklungen im Bereich der Zuwanderung .................................................................. 11 3 Integration als Herausforderung und Chance der Städte und Gemeinden..................... 18 4 Kommunale Integrationspolitik – Anforderungen und Möglichkeiten der Umsetzung .... 20 5 Engagement der Städte im Bereich der Integration ........................................................ 28 6 Ausblick – Perspektiven................................................................................................... 39 7 Quellen:............................................................................................................................ 42 2
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt Wie wird unsere Stadt in 20 Jahren aussehen? Wie viele Menschen werden hier wohnen? Wie viele Krippen, Kindergärten oder Schulen werden wir benötigen? Wie wird das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Zugewanderten funktionieren? Wie wird sich ein höherer Anteil älterer Menschen auf die Kommunen auswirken? Das sind wichtige und mehr als berechtigte Fragen. Denn Tatsache ist, dass sich die Städte in den kommenden Jahrzehnten aufgrund der bereits heute absehbaren Bevölkerungsentwicklung teilweise erheblich verändern werden: Neben Wachstumsregionen wird es stagnierende Gebiete, aber auch Schrumpfungsregionen geben. In Österreich wird eine wachsende Zahl an Menschen mit Migrationshintergrund wohnen. Die Bewältigung dieser Veränderungen wird zu einer der großen Herausforderungen für die Städte in den kommenden Jahren werden. Die Art und Weise wiederum, wie die Städte gestaltend auf diese Entwicklungen einwirken, wird über ihre Zukunftsfähigkeit und die Lebensqualität ihrer BürgerInnen entscheiden. Dieser Bericht soll die Verantwortlichen in den Städten dabei unterstützen, sich langfristig auf neue Trends einzustellen und frühzeitig Maßnahmen der Gegensteuerung zu setzen. Dazu werden die we- sentlichen Eckpunkte der erwarteten Bevölkerungsentwicklung aufgezeigt1. Ferner will der Be- richt Anregungen für eine qualifizierte Diskussion über mögliche Strategien geben, eine Diskussi- on, die mit dieser Unterlage für den Städtetag 2006 keinesfalls abgeschlossen ist, sondern eher erst am Beginn steht. Die absehbare Bevölkerungsentwicklung hat in letzter Zeit große Aufmerksamkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erlangt, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die aktuellen Prognosen gravierende Veränderungen für die nächsten 3 Jahrzehnte erwarten lassen. Ingesamt nimmt Österreichs Bevölkerung zu. Wie aber noch im Detail zu zeigen sein wird, ist einerseits durch den erfolgten Geburtenrückgang eine Abnahme des Anteils von jungen Menschen an der Gesamtbe- völkerung, andererseits eine starke Zunahme von älteren Personen an der Gesamtbevölkerung erkennbar. Weiters wird immer deutlicher, dass Zuwanderung aus dem Ausland ein wesentlicher Faktor der demographischen Entwicklung Österreichs ist. Für die weitere Diskussion ist von besonderer Bedeutung, dass die Bevölkerungsentwicklung regional sehr unterschiedlich verlau- fen wird. Tendenziell wachsen städtische Agglomerationen, während periphere Gebiete einwoh- nermäßig stagnieren oder rückläufig sind. Daraus ergeben sich drei Schwerpunkte, welche sich in den Arbeitskreisen des Städtetages 2006 widerspiegeln: Stagnierende Geburtenzahlen und ein weiter sinkender Anteil von Personen unter 20 Jahren an der Gesamtbevölkerung bei gleichzeitig steigenden Anforderungen im Bereich der Kinder- und Tagesbetreuung stellen eine erste Herausforderung für die Städte und Gemeinden dar. Die Diskussion dieses Teils des demographischen Wandels ist Gegenstand des Arbeitskrei- ses 1 „Die junge Stadt“. Zuwanderung aus dem Ausland ist für Österreich eine Tatsache. Um die Chancen der Migration aber auch nutzen zu können, sind gezielte Maßnahmen der Integration dieser Zuwanderer notwendig. Dies ist Gegenstand der Diskussionen des Arbeitskreises 2 „Die bunte Stadt“. Arbeitskreis 3 „Die älter werdende Stadt“ konzentriert sich dann noch auf eine weitere Teilentwicklung des demographischen Wandels, nämlich die stark wachsende Zahl an älteren und alten Menschen und die daraus ableitbaren Konsequenzen für das Betreuungs- und Pflegesystem der Städte und Gemeinden. 1 Alle nachfolgenden statistischen Aussagen beziehen sich auf aktuelle Prognosen der Statistik Austria bzw. des BMSGK sowie der ÖROK. Für eine ausführliche Darstellung der demographischen Entwicklungen in Österreich vgl. das Basismodul. 3
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Mit dem vorliegenden Arbeitspapier zum Arbeitskreis 2 „Die bunte Stadt“ möchten wir versu- chen, diese Herausforderungen für die Städte zu konkretisieren. Dazu sollen zunächst wesentli- che demographische Entwicklungen in Österreich insgesamt, aber auch zur Art und zum Umfang der Migration beschrieben werden. Danach werden ausgewählte rechtliche und gesellschaftspoli- tische Aspekte für den Bereich der Migration präsentiert. Das folgende Kapitel konzentriert sich dann darauf, die Konsequenzen und Herausforderungen der Wanderung für die Städte näher zu beleuchten. Anschließend werden einige zentrale Grundsätze und wesentliche Handlungsfelder einer kommunalen Integrationspolitik erörtert. Daran anschließend werden im fünften Kapitel ausgewählte Ergebnisse der BürgermeisterInnenbefragung vorgestellt. Zum Schluss werden noch grundsätzliche Hinweise zur weiteren Diskussion gegeben und mögliche Ansatzpunkte für zukünftige Forderungen der Städte umrissen. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen ExpertInnen in den Städten und anderen Institutionen bedanken, die durch ihre konstruktiven Anregungen bzw. Textbeiträge zum Entstehen dieses Diskussionspapiers beigetragen haben. Grundsätzliche Bemerkung: Zu allen Prognosen ist grundsätzlich anzumerken, dass sie in der Regel auf der Grundlage heuti- gen Wissens und aus zurückliegenden Entwicklungen auf die Zukunft schließen und zukünftige Ereignisse, die möglicherweise einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf von Entwicklungen haben, nur teilweise berücksichtigen können. So sind zukünftige größere internationale Ereignis- se oder neue gesellschaftspolitisch relevante Haltungen nur schwer vorherzusehen. Das gleiche trifft aber auch auf mögliche „Gegensteuerungsmaßnahmen“ zu, nämlich ob und welche ergriffen werden bzw. überhaupt möglich sind, und welche Auswirkungen sie haben. Insofern beschreiben Prognosen eine mögliche, nicht aber zwingend die tatsächliche Zukunft. Weitere Unterlagen: Neben den Diskussionspapieren für jeden Arbeitskreis stellt der Österreichische Städtebund seinen Mitgliedern noch weitere – vom KDZ erarbeitete – Informationen zum demographischen Wandel zur Verfügung: • Mit dem umfangreichen Bericht „Demographischer Wandel in Österreich – ein Überblick“ wird eine gesamthafte und ausführliche Darstellung wichtiger demographischer Entwicklungen vorgelegt, die sowohl die Themenbereiche der Arbeitskreise 1-3 umfasst, aber gleichzeitig auch über die in den Arbeitskreispapieren dargestellten Daten hinausgeht. So werden in die- sem Bericht einerseits zusätzliche Daten und andererseits vertiefende Informationen zum de- mographischen Wandel zur Verfügung gestellt. • Ein besonderer Service für die Gemeinden stellen dann noch die so genannten „Bezirks- prognosen“ dar. Zusammengefasst nach Bundesländern werden jeweils ausgesuchte zentra- le Prognosedaten konzentriert für jeden Bezirk auf einer Seite dargestellt. Diese Informationen sollen der gezielten Unterstützung der Gemeinden bei der Entwicklung zukünftiger Kommu- nalstrategien dienen. 4
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 1 Bevölkerungsentwicklung in Österreich – Kurzdarstellung Die Bevölkerungsentwicklung ist das Ergebnis des Zusammenwirkens mehrerer demogra- phischer Komponenten: Einerseits gibt es die natürliche Bevölkerungsentwicklung als Bilanz aus Geburten und Sterbefällen und andererseits räumliche Bevölkerungsbewegungen sowohl als Binnenwanderung innerhalb Österreichs als auch als Außenwanderung (Zu-/Abwanderung). Diese beiden Faktoren bestimmen Umfang, Richtung und Tempo der Bevölkerungsentwicklung insgesamt und beeinflussen im Ergebnis nicht nur die absolute Zahl der Bewohner in Österreich, sondern auch die strukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppen sowie sonstigen strukturellen Merkmalen, wie z.B. Geschlecht oder Herkunftsländern. Verschiedene Prognoseszenarien bilden die Basis Eine Möglichkeit zur Darstellung zukünftiger demographischer Entwicklungen sind Bevölkerungs- prognosen, wie sie von der Statistik Austria und der ÖROK regelmäßig erstellt und veröffentlicht werden. Sie basieren auf standardisierten Modellrechnungen und verschiedenen (laufend aktua- lisierten) Annahmen bezüglich der Lebenserwartung und Sterberaten (Mortalität), der Zahl der Geburten in einem Land (Fertilität), sowie der Binnen- und Außenwanderung (Zu-/Abwanderung vom/ins Ausland) (Migration). Durch eine Variation dieser Annahmen werden in der Regel drei verschiedene Szenarien ermittelt. Die mittlere Variante – auch als Hauptvariante bezeichnet – beschreibt die aus Sicht der StatistikexpertInnen wahrscheinlichste Entwicklung. Sie bildet die Grundlage der nachfolgenden Darstellungen. Die in der Regel kleinste Raumeinheit, für die Prognosen erstellt werden, sind die politischen Bezirke.2 Moderates Bevölkerungswachstum Für die nächsten Jahrzehnte wird für Österreich insgesamt ein moderates Bevölkerungswachs- tum – keinesfalls ein Rückgang wie etwa in Deutschland3 – prognostiziert. So erwartet die Statis- tik Austria, dass die Bevölkerung in Österreich bis 2050 weiterhin kontinuierlich bis auf nahezu 9 Mio. EinwohnerInnen anwachsen wird (siehe Tabelle). Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach breiten Altersgruppen in Österreich < 20 20-64 65-84 insges. 85+ Jahre Jahr Jahre Jahre Jahre Bevölkerungsentwicklung nach breiten Altersgruppen Bevölkerung absolut 10 2005 8.225.609 1.806.404 5.084.691 1.200.859 133.655 9 2010 8.397.256 1.759.577 5.176.771 1.279.173 181.735 8 2015 8.536.606 1.701.464 5.269.048 1.360.612 205.482 2020 8.650.995 1.689.926 5.289.465 1.460.169 211.435 Einwohner in Mio. 7 8.751.421 1.698.620 5.209.714 1.593.476 249.611 2025 6 2030 8.838.399 1.705.408 5.066.467 1.768.956 297.568 5 2035 8.903.772 1.702.086 4.941.629 1.928.596 331.461 2040 8.949.528 1.688.061 4.901.300 1.995.254 364.913 4 2045 8.978.477 1.674.283 4.897.105 1.972.199 434.890 3 8.986.033 1.665.932 4.862.141 1.933.536 524.424 2050 2 in Prozent 1 2005 100,00% 21,96% 61,82% 14,60% 1,62% 2010 100,00% 20,95% 61,65% 15,23% 2,16% 0 2015 100,00% 19,93% 61,72% 15,94% 2,41% 2001 2006 2011 2016 2021 2026 2031 2036 2041 2046 2020 100,00% 19,53% 61,14% 16,88% 2,44% < 20 Jahre 20-64 Jahre 65-84 Jahre 85+ Jahre 2025 100,00% 19,41% 59,53% 18,21% 2,85% 2030 100,00% 19,30% 57,32% 20,01% 3,37% Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006 2 Die Darstellung der Prognosen auf Bezirksebene erfolgt ausschließlich in der ÖROK-Prognose. Im Anschluss an das Basismodul finden Sie die aufgearbeiteten Prognosewerte für die einzelnen Bezirke. Auch sind im Basismodul die drei Vari- anten der Bevölkerungsprognose der Statistik Austria näher beschrieben. 3 Nach der Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes in Deutschland. 5
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Starke Veränderungen in der Altersstruktur Die altersstrukturelle Zusammensetzung der in Österreich lebenden Bevölkerung wird sich deut- lich verändern. Der Anteil der unter 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung sinkt seit 1971 konti- nuierlich und wird sich längerfristig auf einem niedrigen Niveau stabilisieren. Lebten im Jahr 2001 in Österreich rund 1,8 Mio. Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren (21,9% der Gesamtbevölke- rung), wird ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2031 auf dann ca. 19,3% absinken. Gleichzeitig steigt der Anteil vor allem der älteren und speziell der ältesten EinwohnerInnen (über 85 Jahre) weiter an. Das statistische Durchschnittsalter der Bevölkerung wird – ausgehend von ca. 40 Jahren im Jahr 2005 – auf rund 45 Jahre im Jahr 2030 steigen. Regional unterschiedliche Entwicklungen – es entstehen Wachstums- und Schrumpfungs- regionen Ein wesentliches Merkmal der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung in Österreich ist – neben den grundsätzlichen altersstrukturellen Verschiebungen – darin zu sehen, dass die Bevölker- ungsentwicklung innerhalb Österreichs regional sehr unterschiedlich und in ihrer Richtung zum Teil völlig gegensätzlich verlaufen dürfte. Regionen mit einem merklichen Bevölkerungswachstum stehen Regionen mit starken Schrumpfungsprozessen gegenüber. Bereits in der Vergangenheit waren entsprechende Entwicklungen erkennbar – der Trend wird daher fortgesetzt. 4 Abbildung 2: Regionale Bevölkerungsentwicklung 2001 – 2031 nach Prognoseregionen Erläuterung: durchgehende Linie = Regionen mit starker Bevölkerungsabnahme gepunktete Line = Regionen mit starker Bevölkerungszunahme Ausgehend vom Wachstumspol im Großraum Wien wächst die Bevölkerung in fast allen Regi- onen nördlich der Alpen und entlang der Hauptverkehrsachsen der Westbahn/Westautobahn bis ins Rheintal (gepunktete Linie der Abbildung 2). Im nördlichen Waldviertel und in den südlichen – vor allem inneralpinen – Regionen ist – mit Ausnahme der größeren Städte – mit einem teilweise sehr erheblichen (bis zu 20-prozentigen) Bevölkerungsrückgang zu rechnen (durchgehende Linie der Abbildung 2). 4 Anmerkung: Die Tabelle in Farben finden Sie im Anhang. 6
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Städte und Zentralräume wachsen, ländliche Regionen stagnieren oder schrumpfen Unterscheidet man ferner nach ländlichen und städtischen Bezirken5 werden weitere Entwickl- ungen sichtbar: Neben den wachsenden Städten wird vor allem in peripheren Gebieten die Be- völkerungszahl sinken. • So zeigen die Prognosen, dass die Zahl der unter 15-Jährigen in den ländlichen Bezirken um rund 12 Prozent (2001 bis 2031) abnehmen, während sie gleichzeitig in städtischen Bezirken um 11 Prozent (2001 bis 2031) wachsen wird. • Beinahe ident wie die Entwicklung der unter 15-Jährigen ist diese der 15-19-Jährigen. • Auch der Bevölkerungsteil der 20-64-Jährigen geht in den ländlichen Bezirken leicht zurück, während die städtischen Bezirke bei den Personen im erwerbsfähigen Alter leichte Zuwächse verzeichnen werden. • Entwickeln sich die 65-84-Jährigen in den hier unterschiedenen Raumkategorien noch annä- hernd gleich, kommt es wiederum bei den über 85-Jährigen zu einer überdurchschnittlichen Zunahme in den ländlichen Bezirken. Tabelle 1: Entwicklung nach Altersgruppen – Stadt/Land Absolutwerte Indexwerte (2001=100) 2001 2006 2011 2016 2021 2026 2031 2006 2011 2016 2021 2026 2031 Enwicklung der unter 15-Jährigen ländliche Bezirke 793.799 737.572 676.329 652.688 646.480 643.893 629.523 93 85 82 81 81 79 städtische Bezirke 569.195 577.122 580.989 599.193 615.775 629.226 636.401 101 102 105 108 111 112 Entwicklung der 15-19-Jährigen ländliche Bezirke 282.437 280.950 278.440 244.009 229.090 223.250 223.402 99 99 86 81 79 79 städtische Bezirke 201.187 214.369 221.540 209.935 212.352 215.380 220.980 107 110 104 106 107 110 Entwicklung der 20-64-Jährigen ländliche Bezirke 2.624.987 2.649.807 2.696.947 2.709.790 2.678.597 2.596.732 2.487.841 101 103 103 102 99 95 städtische Bezirke 2.337.959 2.438.179 2.514.892 2.571.506 2.599.527 2.588.256 2.550.114 104 108 110 111 111 109 Entwicklung der 65-84-Jährigen ländliche Bezirke 606.394 681.136 692.071 736.267 796.865 873.981 993.870 112 114 121 131 144 164 städtische Bezirke 496.717 550.798 588.454 640.565 692.722 742.835 817.937 111 118 129 139 150 165 Entwicklung der über 85-Jährigen ländliche Bezirke 68.994 72.538 98.857 114.392 119.697 148.904 157.891 105 143 166 173 216 229 städtische Bezirke 72.015 71.313 89.643 94.132 91.851 119.467 139.739 99 124 131 128 166 194 Gesamtentwicklung ländliche Bezirke 4.356.159 4.402.693 4.424.403 4.439.033 4.452.212 4.467.835 4.480.994 101 102 102 102 103 103 städtische Bezirke 3.686.887 3.860.286 4.002.915 4.122.318 4.219.349 4.302.417 4.372.447 105 109 112 114 117 119 Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006 Ein Erklärungsansatz für diese Unterschiede ist, dass gerade die Jugend und die erwerbsfähige Bevölkerung tendenziell in die Städte zieht, während viele ältere Menschen in den ländlichen Gebieten verbleiben. Kontinuierlicher Geburtenrückgang und Stabilisierung auf niedrigem Niveau Seit vielen Jahren sinkt die Geburtenrate in Österreich. Bekam im Jahr 1964 noch jede Frau in Österreich durchschnittlich 2,8 Kinder, liegt der Wert österreichweit gegenwärtig bei rund 1,4 Kindern je Frau. Die Geburtenrate wird jedoch längerfristig wieder leicht steigen6. Eine wesentli- 5 Als städtische Bezirke wurden hier herangezogen: Landeshauptstädte und Umlandbezirke sowie Bezirke mit einer Bezirks- hauptstadt über 30.000 EW: Bregenz, Dornbirn, Eisenstadt (Stadt u. Umg.), Graz (Stadt) , Graz-Umgebung, Innsbruck- Land, Innsbruck-Stadt, Klagenfurt (Stadt) , Klagenfurt Land, Linz(Stadt) , Linz-Land, Salzburg (Stadt), Salzburg-Umgebung, Sankt Pölten (Land), Sankt Pölten (Stadt), Steyr(Stadt), Urfahr-Umgebung, Villach (Stadt), Wels(Stadt), Wien, Wien Umge- bung, Wiener Neustadt (Stadt) 6 Als Grund für das leichte Ansteigen der Fertilität werden von der Statistik Austria die Migrantinnen genannt, welche die geringe Kinderzahl österreichischer Frauen kompensieren. 7
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 che Annahme der Bevölkerungsprognosen ist, dass sich die jährliche Zahl der Geburten zwi- schen 75.000 und 80.000 stabilisiert und die Anzahl der Kinder und Jugendlichen – ausgehend vom Stand 2005 – bis zum Jahr 2030 nur mehr leicht zurückgehen wird. Abbildung 3: Geburten- und Sterbefälle 1951-2031 Lebendgeborene und Gestorbene 1961-2004 Lebend- Ge- Geburtenüber- 140.000 Jahr schuss, - geborene storbene abgang (-) 1950 107.854 85.710 22.144 130.000 Geburten/Sterbefälle absolut 1955 108.575 84.995 23.580 Lebendgeborene 1960 125.945 89.603 36.342 120.000 1965 129.924 94.273 35.651 1970 112.301 98.819 13.482 110.000 1975 93.757 96.041 -2.284 1980 90.872 92.442 -1.570 1985 87.440 89.578 -2.138 100.000 1990 90.454 82.952 7.502 1995 88.669 81.171 7.498 90.000 2000 78.268 76.780 1.488 2005 76.820 74.958 1.862 Gestorbene 2010 76.864 76.015 849 80.000 2015 79.119 77.772 1.347 2020 80.141 78.929 1.212 70.000 2025 79.480 80.534 -1.054 2030 78.614 83.541 -4.927 1961 1964 1967 1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2040 76.720 89.033 -12.313 2050 77.139 96.653 -19.514 Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006 Als Gründe für den zurückliegenden starken Geburtenrückgang und die insgesamt sehr niedrige Fertilitätsrate werden in der Fachdiskussion häufig die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen, eine schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf, veränderte Lebensinhalte und die bessere Geburtenkontrolle genannt. 7 Starke Zunahme der über 60-Jährigen Die Zahl der über 60-Jährigen steigt im gesamten österreichischen Bundesgebiet an. Im Jahr 2005 waren rund 1,8 Mio. Personen über 60 Jahre alt, im Jahr 2030 werden es 2,7 Mio. sein. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag im Jahr 2004 bei 76,4 Jahren bei den Männern und 82,1 Jahren bei den Frauen. Im Jahr 2030 hingegen wird sich die Lebenserwartung bei den Männern auf 81,3 und bei den Frauen auf 86,4 Jahre erhöhen. Langfristig werden sich – so die Erwartungen der Statistik Austria – die geschlechtsspezifischen und die regionalen Unterschiede bei der Lebenserwartung verringern. 7 vgl. dazu Bayerischer Städtetag (2005); BMSGK (2001); BMSGK (2004); Textor (2000); Schipfer (2005). 8
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Abbildung 4: Lebenserwartung 2004 – 2040 Lebenserwartung bei der Geburt 90,0 Frauen Lebenserwartung Jahr bei der Geburt 85,0 Lebensjahre Männer Frauen 80,0 2005 76,7 82,5 Männer 2010 77,7 83,3 75,0 2015 78,6 84,2 2020 79,6 84,9 70,0 2025 80,4 85,7 2030 81,3 86,4 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2040 82,8 87,7 2050 84,3 89,0 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.01) Gründe für das Ansteigen der durchschnittlichen Lebenserwartung für Menschen in Österreich liegen vor allem in der besseren medizinischen Versorgung und in einem „gesünderen“, zumin- dest weniger belastendem Leben. Zuwanderungsgewinne kompensieren den Geburtenrückgang Ein ganz wesentliches Element der zurückliegenden und zukünftigen Bevölkerungsentwicklung in Österreich sind Wanderungsbewegungen, wobei hier vor allem Zuwanderungen aus dem Aus- land entscheidend werden. So wird der in der Vergangenheit beobachtbare Zuwanderungsge- winn (Saldo aus Zu- und Wegzügen; Wert 2004 = 50.600 Personen) aus dem Ausland auch für die zukünftige Bevölkerungsentwicklung in Österreich maßgeblich sein. Abbildung 5: Geburten- und Wanderungsbilanzen nach Bundesländern – 2007-2011 Bevölkerungsentwicklung 2007-2011 4 3 Ausgangsbevölkerung 2 in Prozent der Bevölkerungsveränderung 1 absolut 0 Bevöl- Wan- Geburten- kerungs- derungs- -1 bilanz bilanz bilanz -2 2002-2006 216.148 10.161 191.674 2007-2011 160.784 5.395 155.389 -3 2012-2016 131.418 6.241 125.177 Ö Bgld Knt NÖ OÖ Slb Stmk Tirol Vbg Wien 2017-2021 108.310 6.359 101.951 Bevölkerungsveränderung insgesamt Geburtenbilanz Wanderungsbilanz 2022-2026 97.668 -2.432 100.100 2027-2031 81.222 -20.992 102.214 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006, Tabelle Bevänd.) Ausgehend von einem Zuwanderungshöchststand im Jahr 2004 (rund 127.000 Zuwanderer aus dem Ausland) gehen die neuen Berechnungen zwar von einer leicht sinkenden, aber gegenüber früheren Prognosen deutlich höheren Zuwanderung aus, die dann bis zum Jahr 2020 auf jährlich etwa 100.000 Personen zurückgeht. Die bereits beschriebene wachsende Gesamtbevölkerung in 9
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Österreich basiert somit in erster Linie auf einer kontinuierlich hohen Zuwanderung aus dem Ausland. Als Gründe für die hohen Zuwanderungsraten werden von der Statistik Austria folgende genannt: • die wachsende Verflechtung mit den bisherigen und neuen EU-Ländern, • bestehende Ansprüche auf Familiennachzüge infolge von Einbürgerungen sowie • auch in Zukunft hohe Flüchtlingszahlen. Tabelle 2: Internationale Zuwanderung nach Bundesländern – absolut pro Jahr Internationale Zuwanderung, absolut Ö Bgld Knt NÖ OÖ Slb Stmk Tirol Vbg Wien 2005 115.000 1.840 4.370 13.915 14.145 7.820 10.925 9.775 5.635 46.575 2010 110.000 1.760 4.180 13.310 13.530 7.480 10.450 9.350 5.390 44.550 2015 105.000 1.680 3.990 12.705 12.915 7.140 9.975 8.925 5.145 42.525 2020 100.000 1.600 3.800 12.100 12.300 6.800 9.500 8.500 4.900 40.500 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006) Innerhalb Österreichs wird erwartet, dass sich sowohl die Binnenwanderungsströme als auch die Zuwanderung aus dem Ausland vor allem auf die städtischen Regionen konzentrieren und dort zu Bevölkerungswachstum führen. Insbesondere für den Großraum Wien ist mit einer hohen Zuwanderung aus dem Ausland zu rechnen. Unterschiedliche regionale Entwicklungen bedingen unterschiedliche kommunale Heraus- forderungen Die oben gezeigten demographischen Entwicklungen werden regional sehr unterschiedliche Konsequenzen haben und die Gemeinden jeweils vor unterschiedliche Herausforderungen stel- len: So ist zu erwarten, dass sich in Folge der demographischen Veränderungen die Nachfrage nach altersspezifischen Leistungen der Städte und Gemeinden verändert und jeweils individuelle Anpassungsmaßnahmen erforderlich werden. Im Falle des Bevölkerungsrückgangs könnten lokale und regionale Infrastruktureinrichtungen bereits innerhalb ihrer normalen Lebensdauer von immer weniger Menschen genutzt werden, wodurch ihre Wirtschaftlichkeit sinkt. Dort, wo die höchsten Rückgänge zu erwarten sind, werden u.U. auch Angebote gänzlich infrage gestellt werden müssen. Öffentliche Leistungen werden in den Regionen mit großen Bevölkerungsverlusten teurer. Weil sich die Schrumpfungsprozesse sehr stark auf ländliche Regionen konzentrieren, werden diese Regionen vermutlich von einem schrittweisen Rück-/ Umbau von Infrastruktur betroffen sein. Demgegenüber ist zu erwarten, dass insbesondere die noch weiter wachsenden städtischen Räume gleich in zweifacher Hinsicht herausgefordert werden: Neuer Investitionsbedarf als Folge des Bevölkerungswachstums und zusätzliche Aufgaben zur Integration einer wachsenden Zahl an ZuwanderInnen aus dem Ausland. Die genannten Veränderungsprozesse werden somit die Anpassungsfähigkeit des öster- reichischen Städtesystems durch die gegensätzlichen Verläufe dieser Entwicklungen erheblich herausfordern. 10
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 2 Entwicklungen im Bereich der Zuwanderung 2.1 Geschichte der Migration in Österreich Die neuere Geschichte der Zuwanderung nach Österreich ist mit politischen Veränderungen im Ausland und mit wirtschaftlichen Entwicklungen in Österreich eng verknüpft. So sind aus dem Blickwinkel der Migration als Folge von politischen Veränderungen nach dem 2. Weltkrieg vor allem die Flüchtlingswellen aus Ungarn (1956 – 180.000 Flüchtlinge), der früheren Tschechos- lowakei (1968 – 168.000 Flüchtlinge) sowie Polen (1981 – ca. 140.000 Flüchtlinge) zu nennen. Aber auch der Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 und die so genannten Balkankriege auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien8 führten zu großen Flüchtlingswellen, in deren Folge mehrere zehntausend Menschen nach Österreich und insbesondere nach Wien gekommen sind. Daneben ist Zuwanderung auch eine Folge des wirtschaftlichen Erfolgs Österreichs. Die Gastar- beiterbewegungen in den 1960er und 1970er Jahren waren vor allem darauf ausgerichtet, für die prosperierende heimische Wirtschaft genügend (und auch billige) Arbeitskräfte nach Österreich zu holen. Dazu wurden 1964 und 1966 mit der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien entspre- chende Anwerbeabkommen vereinbart. Mit dem Anwerbestopp 1973 endete diese Zuwande- rungswelle.9 Lange Zeit wurde angenommen, dass die angeworbenen GastarbeiterInnen nur für kurze Zeit ins Land kommen und dann wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Dies hat sich rückblickend als eine Fehleinschätzung erwiesen. Im Gegenteil: Zunehmend kam es zu einem Nachzug von Familien, EhepartnerInnen und Kindern; vor allem die Kinder blieben in Österreich. Aufgrund dieser Entwicklung verdoppelte sich zwischen 1978 und 1994 die Zahl der Ausländer- Innen in Österreich von 326.000 auf 713.000 Personen. Seit Anfang der 1990er Jahre sinkt die Zahl der Neuzuwanderungen von ArbeitsmigrantInnen aufgrund eines neuen Fremdenrechts und einer zunehmend restriktiven Zuwanderungspolitik der österreichischen Bundesregierung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für MigrantInnen haben sich in letzter Zeit neuerlich merk- lich verändert. Das Fremdenrechtspaket 2005 verknüpft die Einwanderung nach Österreich an noch strengere Voraussetzungen. Änderungen gab es auch im Staatsbürgerschaftsgesetz 2005, dem Asylgesetz, dem Fremdenpolizeigesetz und dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 (NAG 2005). 2.2 Wichtige demographische Entwicklungen im Bereich der Migration Die „unterschiedliche Wahrnehmung“ von AusländerInnen Das für die Statistik wesentliche Merkmal zur Bestimmung, wer Ausländer oder Ausländerin ist, ist die Staatsbürgerschaft. Doch das ist nur die „halbe Wahrheit“, unterscheidet sich doch die persönliche Wahrnehmung der Menschen merklich von diesen formalen Kriterien. Und so gibt es in der Alltagswelt neben dem durch die Staatsbürgerschaft als AusländerIn zu definierenden Merkmal so etwas wie „gefühlte AusländerInnen“10. Während ein/e aus der Türkei eingebürgerte/r 8 Wir verwenden nachfolgend den Begriff „ehemaliges Jugoslawien“ insbesondere deshalb, weil dieser von der Statistik Austria verwendet wird und die statistischen Auswertungen entsprechend dieser Kategorie erfolgen. 9 vgl. Stadt Wien GGrIFKP; vgl. Perchinig (2003), S. 16 f. 10 vgl. die Beiträge in: Die Zeit vom 4. Mai 2006, S. 3 11
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 ÖsterreicherIn – trotz österreichischem Pass – immer noch als AusländerIn gesehen wird, trifft dies für eine/n zugewanderte/n Schweden/Schwedin an der Spitze eines Konzerns vielleicht weniger zu. Insofern sind Statistiken, die ausschließlich auf die Staatsbürgerschaft rekurrieren, zu relativieren. Wir versuchen dies im Folgenden dadurch zu erreichen, indem wir generell von Menschen mit Migrationshintergrund (also Zuwanderen und ihren Nachkommen) sprechen und damit unterstellen, dass durch die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft – siehe unten – in jedem Fall die Herausforderung der Integration noch nicht automatisch gelöst ist. Andererseits möchten wir jedoch auch ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir nicht ausschlie- ßen wollen, dass Menschen mit Migrationshintergrund bereits erfolgreich integriert sind. Unterschiedliche AusländerInnenquoten in den Bundesländern Am 1.1.2005 hatten 776.147 ausländische Staatsangehörige ihren Hauptwohnsitz in Österreich – dies ist ein Anteil von 9,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Abbildung 6: Bevölkerung nach In- und AusländerInnen 1971-2001 AusländerInnenanteil 1971-2001 8,0 7,0 6,0 AusländerInnen Bevölkerung in Mio. 5,0 4,0 Österr. Staatsbürger- 3,0 Innen 2,0 1,0 0,0 1971 1981 1991 2001 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 8.11) Die Verteilung der nicht-österreichischen Bevölkerung innerhalb Österreichs ist sehr unterschied- lich. Während in Wien der Anteil nicht-österreichischer EinwohnerInnen im Jahr 2005 17,7 Pro- zent betrug, lag der Anteil im Burgenland bei nur 4,5 Prozent. Kärnten, Niederösterreich, Oberös- terreich und die Steiermark bewegen sich zwischen 5,3 und 7,4 Prozent; die Bundesländer Salz- burg, Tirol und Vorarlberg liegen mit Werten zwischen 9,9 und 12,9 leicht über dem Durchschnitt Österreichs mit 9,5 Prozent. MigrantInnen in Österreich sind mehrheitlich im arbeitsfähigen Alter – der Großteil davon hat eine niedrige Qualifikation Die meisten der sich in Österreich aufhaltenden MigrantInnen sind im erwerbsfähigen Alter. Vielfach verlassen sie Österreich jedoch wieder, wenn sie sich dem Ruhestand nähern. In Bezug auf die Formal-Qualifikation der MigrantInnen ist eine deutliche Zweiteilung zu erken- nen: Zum einen ist der Anteil der Hochqualifizierten Nicht-ÖsterreicherInnen höher als bei den ÖsterreicherInnen insgesamt; zum anderen ist aber wiederum der Anteil der Personen mit einem niedrigen Bildungsniveau bei den im Land lebenden ZuwanderInnen deutlich höher als bei den ÖsterreicherInnen. So haben durchschnittlich über 50 Prozent der AusländerInnen nur die Pflichtschule absolviert, wohingegen bei den ÖsterreicherInnen dieser Anteil bei lediglich 20 Prozent liegt. 12
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Sinkende Zahl an Einbürgerungen nach 2003 Aus dem Blickwinkel der Integration ist die Gruppe der eingebürgerten Personen ebenfalls eine wichtige Größe, weil der Wechsel der Staatsbürgerschaft nicht automatisch Maßnahmen der Integration für diese Gruppe verzichtbar macht und auch eingebürgerte Personen im Bewusst- sein von ÖsterreicherInnen oftmals immer noch als AusländerInnen wahrgenommen werden. In den 80er Jahren wurden jährlich durchschnittlich 4.000 AusländerInnen eingebürgert: 20% aus Deutschland, 40% aus Jugoslawien und der Türkei, 20% aus Polen, 15% aus Ungarn und der Tschechoslowakei, alle übrigen Nationen lagen zusammen unter 5%. Im Jahr 1991 waren es bereits 20.000 Einbürgerungen jährlich. Die Einbürgerungsquote (Einbürgerungen in Prozent der ausländischen Wohnbevölkerung) steigt seit Mitte der neunziger Jahre kontinuierlich und erreich- te 2003 einen Höchststand mit 6,3% nach 5,1% im Jahr 2002, 4,5% im Jahr 2001 und 3,5% im Jahr 2000. Im Jahr 2004 erhielten 42.174 Personen die österreichische Staatsbürgerschaft. Bezogen auf die zu Jahresbeginn 2004 in Österreich lebende ausländische Wohnbevölkerung (765.303) bedeutet dies eine Einbürgerungsquote von 5,4%. Die Struktur der Einbürgerungen hat sich im Betrachtungszeitraum bis 2004 immer wieder verän- dert. Der größte Teil der Einbürgerungen bezog sich im Jahr 2004 zum einen auf BürgerInnen aus dem ‚ehemaligen Jugoslawien’ (2004 = 19.000 Einbürgerungen; = 45%) und zum anderen auf MigrantInnen aus der Türkei (2004 = 13.000 Einbürgerungen; = 31%). Tabelle 3: Einbürgerungen 1993-2004 nach Staatsangehörigkeit Bisherige 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 1993-2004 Staatsangehörigkeit Ehem. Jugoslawien 5.780 5.621 4.529 3.118 3.659 4.142 6.728 7.557 10.737 13.990 21.574 19.045 106.480 Türkei 2.686 3.377 3.201 7.492 5.064 5.664 10.324 6.720 10.046 12.623 13.665 13.004 93.866 Rumänien 672 904 872 691 1.096 1.500 1.635 2.682 2.813 1.774 2.096 1.373 18.108 restliches Europa 1.926 2.236 2.081 1.653 2.100 2.648 2.129 2.419 2.541 2.598 2.342 2.394 27.067 Afrika 703 709 820 615 924 1.144 1.040 1.366 1.787 1.470 1.696 1.912 14.186 Amerika 209 211 324 264 361 381 278 297 307 302 322 433 3.689 Asien 2.006 2.026 2.347 1.640 2.382 2.184 2.393 3.122 3.358 3.164 2.845 3.318 30.785 Ozeanien 7 10 16 9 11 9 8 11 3 4 13 13 114 Sonstiges 142 181 176 145 195 114 143 146 139 86 141 153 1.761 Insgesamt 14.131 15.275 14.366 15.627 15.792 17.786 24.678 24.320 31.731 36.011 44.694 41.645 296.056 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 6.02) 13
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Abbildung 7: Eingebürgerte nach der bisherigen Staatsangehörigkeit Eingebürgerte nach bisheriger Staatsangehörigkeit 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 - 1995 1996 1997 1998 2003 2004 1993 1994 1999 2000 2001 2002 Ehem. Jugoslaw ien Türkei Rumänien restliches Europa Afrika Amerika Asien Ozeanien Sonstiges Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 6.02) Ohne Zuwanderung würde die Bevölkerung in Österreich bereits mittelfristig schrumpfen Wie oben bereits ausgeführt, gehen die aktuellen Bevölkerungsprognosen davon aus, dass mehr Menschen nach Österreich zuwandern als aus Österreich abwandern (positiver Außenwande- rungssaldo) und dieser – wenn auch etwas rückläufige Trend – einer der wesentlichen Gründe für das generelle Bevölkerungswachstum der kommenden Jahre darstellt. Der Außenwanderungssaldo wird – gegenüber heute – in den kommenden Jahren leicht rückläu- fig sein und sich mittelfristig bei einem Wert von rund 20.000 Personen einpendeln (siehe Tabel- le). Das Binnenwanderungsvolumen (d.h. die Wanderung innerhalb Österreichs) ist gegenüber dem Außenwanderungsvolumen deutlich höher. Tabelle 4: Außenwanderungssaldo und Binnenwanderungsvolumen – absolut Wanderungssalden, absolut Jahr 2005 2010 2015 2020 2025 2030 Außenwanderungssaldo 36.303 29.814 23.895 19.332 20.163 20.500 Binnenwanderungsvolumen 81.579 83.037 83.781 83.049 81.992 81.390 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.02) Die Regionen sind von der Zuwanderung unterschiedlich betroffen Auch bei der Zuwanderung müssen wir von regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen aus- gehen: Die internationale Zuwanderung konzentriert sich nach den aktuellen Prognosen vor allem auf die Stadt Wien und wird im Jahr 2020 mit geschätzten rund 40.000 Personen weit vor allen anderen Bundesländern liegen und rund 40 Prozent der Gesamtzuwanderung betragen. In Ober- österreich und Tirol ist mittelfristig mit einer Zuwanderung von rund 13.000 bis 14.000 Personen pro Jahr zu rechnen. Im Burgenland, in Kärnten und in Vorarlberg wird sich die internationale Zuwanderung zwischen 2.000 und 5.000 Personen bewegen. 14
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Abbildung 8: Prognostizierte internationale Zuwanderung nach Bundesländern Internationale Zuwanderung 50 45 Personen in Tausend 40 35 30 25 20 15 10 5 0 OÖ NÖ Stmk Tirol Wien Knt Slb Bgld Vbg 2005 2010 2015 2020 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006) Tabelle 5: Internationale Zuwanderung nach Bundesländern – absolut Internationale Zuwanderung, absolut Ö Bgld Knt NÖ OÖ Slb Stmk Tirol Vbg Wien 2005 115.000 1.840 4.370 13.915 14.145 7.820 10.925 9.775 5.635 46.575 2010 110.000 1.760 4.180 13.310 13.530 7.480 10.450 9.350 5.390 44.550 2015 105.000 1.680 3.990 12.705 12.915 7.140 9.975 8.925 5.145 42.525 2020 100.000 1.600 3.800 12.100 12.300 6.800 9.500 8.500 4.900 40.500 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006) Geburtenraten von ÖsterreicherInnen und Nicht-ÖsterreicherInnen Tabelle 6: Lebendgeborene nach Staatsbürgerschaft und Bundesland Staatsbürger- Bundesland Jahr schaft Ö Bgld Knt NÖ OÖ Slb Stmk Tirol Vbg Wien Österreich 67.472 2.029 4.757 12.784 12.132 4.627 9.728 6.125 3.359 11.931 absolut 1999 Nicht- 10.666 202 476 1.347 1.770 930 1.037 966 712 3.226 Österreich in % 13,7 9,1 9,1 9,5 12,7 16,7 9,6 13,6 17,5 21,3 Österreich 67.694 2.030 4.644 12.717 12.376 4.493 9.683 6.171 3.217 12.363 absolut Nicht- 10.574 176 511 1.380 1.729 944 992 978 680 3.184 2000 Österreich in % 13,5 8,0 9,9 9,8 12,3 17,4 9,3 13,7 17,4 20,5 Österreich 65.741 2.059 4.542 12.418 11.970 4.314 9.146 5.916 3.351 12.025 absolut Nicht- 9.717 152 465 1.242 1.467 875 868 867 639 3.142 2001 Österreich in % 12,9 6,9 9,3 9,1 10,9 16,9 8,7 12,8 16,0 20,7 Österreich 68.474 2.025 4.467 12.809 12.293 4.580 9.551 6.112 3.435 13.202 absolut Nicht- 9.925 135 365 1.404 1.587 856 911 861 580 3.226 2002 Österreich in % 12,7 6,3 7,6 9,9 11,4 15,7 8,7 12,3 14,4 19,6 Österreich 67.861 2.033 4.405 12.526 12.184 4.470 9.548 6.107 3.268 13.320 absolut Nicht- 9.083 134 402 1.276 1.336 704 816 737 512 3.166 2003 Österreich in % 11,8 6,2 8,4 9,2 9,9 13,6 7,9 10,8 13,5 19,2 Österreich 69.902 2.076 4.478 13.019 12.561 4.597 9.580 6.364 3.568 13.659 absolut Nicht- 9.066 134 367 1.303 1.376 657 884 674 474 3.197 2004 Österreich in % 11,5 6,1 7,6 9,1 9,9 12,5 8,4 9,6 11,7 19,0 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 1.07) 15
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Betrachtet man die Statistik der Lebendgeborenen nach der Staatsbürgerschaft wird eines deut- lich: Der Anteil der Geburten von Nicht-ÖsterreicherInnen an allen Geburten ist seit 1999 insge- samt – aber auch in den einzelnen Bundesländern – leicht rückläufig und lag im Jahr 2004 bei zuletzt 11,5 Prozent für Österreich. In den einzelnen Bundesländern variieren die Werte sehr stark und reichen (bezogen auf das Jahr 2004) von Wien mit 19 Prozent bis gerade einmal 6,1 Prozent im Burgenland. Hinweisen möchten wir an dieser Stelle darauf, dass diese Ergebnisse mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten sind, weil die Statistik nur nach der Staatsbürgerschaft unterscheidet und nicht nach dem Migrationshintergrund der Eltern. Dieser Umstand zeigt sich auch in der Geburtenbilanz, welche bei ÖsterreicherInnen negativ, hingegen bei Nicht-ÖsterreicherInnen positiv verläuft. Tabelle 7: Geburtenbilanz von ÖsterreicherInnen und Nicht-ÖsterreicherInnen Geburtenbilanz 1999 2000 2001 2002 2003 2004 ÖsterreicherInnen -9.028 -7.483 -7.505 -5.911 -7.521 -2.571 Nicht-ÖsterreicherInnen 8.966 8.971 8.196 8.179 7.256 7.247 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 1.07) Österreich vor einer neuen Zuwanderungswelle? Die aktuelle Prognose der Statistik Austria11 geht von einer mittelfristig leicht sinkenden Zuwan- derung aus. Ausgehend von 115.000 internationalen MigrantInnen im Jahr 2005 wird ein Absin- ken der Zuwanderung auf rund 100.000 Personen im Jahr 2020 erwartet. Laut einer aktuellen Studie des WIFO für das Bundesministerium für Inneres12 mehren sich die Anzeichen jedoch dafür, dass Österreich am Beginn einer neuen Zuwanderungswelle stehen könnte. Als Gründe werden eine erhöhte Freizügigkeit innerhalb der alten und der neuen EU-Mitgliedsländer, aber auch wachsende internationale Flüchtlings- und Wanderungsbewe- gungen angeführt. Es sei allerdings kein so massiver Schub wie Ende der 80er-Jahre oder An- fang der 90er-Jahre – nach dem Fall des Eisernen Vorhanges – zu erwarten, sondern eher eine „stetige Zuwanderungswelle“. Ebenso vertreten die MigrationsexpertInnen die Ansicht, dass ein mögliches Abflachen der Zuwanderung aus den 2004 beigetretenen Erweiterungsländern bereits in absehbarer Zeit durch MigrantInnen aus Bulgarien und Rumänien oder den BürgerInnen aus Ländern Ex-Jugoslawiens, die ebenfalls eine EU-Mitgliedschaft anstreben, kompensiert werden könnten. Außerdem sei kurz- bis mittelfristig eine verstärkte Zuwanderung im Rahmen des Fami- liennachzugs zu erwarten. Damit dürfte das potenzielle Arbeitskräfteangebot in Österreich mittel- bis längerfristig weiter expansiv sein. Und so wird in der genannten WIFO Studie letztlich erwartet, dass die Zuwanderung infolge der Osterweiterung zumindest bis zum Jahr 2020 auf dem Niveau der letzten Jahre bleiben wird. In diesem Zusammenhang wird für Österreich die Möglichkeit der Einführung eines Punktesystems diskutiert, mit welchem in Anlehnung an erfolgreiche Modelle in Australien oder Kanada die Steuerung der Zuwanderung nach Qualifikation oder Alter möglich wird, um insbesondere Schlüsselarbeitskräften den Aufenthalt in Österreich zu erleichtern. 11 vgl. ÖROK-Prognose 2001-2031, 2006. 12 vgl. Der Standard vom 20.03.2006; bzw. Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) / Biffl 2005. 16
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 Zurzeit arbeiten – so die Studie – die meisten MigrantInnen im Tourismus und in der Land- und Forstwirtschaft, meist im niedrig qualifizierten Bereich. Die Branchenstruktur der AusländerInnen- beschäftigung hat sich kaum verändert. Mit Ausnahme der Textil- und der Chemischen Industrie hat der AusländerInnenanteil an der Beschäftigung in allen Branchen zugenommen. Eine Son- derentwicklung ist seit dem Sommer 2004 festzustellen: Es kommen vermehrt Arbeitskräfte aus den alten EU-Mitgliedsländern, insbesondere aus Deutschland, und immer weniger aus der Türkei nach Österreich. 2.3 Der Nutzen von MigrantInnen für die Gesellschaft Zuwanderung erfordert einerseits zusätzliche Maßnahmen der Eingliederung der MigrantInnen, sie bietet andererseits aber auch vielfältige zusätzliche ökonomische und gesellschaftliche Po- tenziale, die durch eine gezielte Integrationspolitik genutzt werden können13: • ZuwanderInnen stellen ein wichtiges Arbeitskräftepotenzial dar Der Großteil der ZuwanderInnen verrichtet körperlich schwere und schlecht bezahlte Arbeiten (z.B. im Bau- oder Gastgewerbe, im Bereich Reinigung,…), für welche sich immer weniger ÖsterreicherInnen finden. Dabei ist fast die Hälfte der MigrantInnen unter ihrer Formalqualifi- kation beschäftigt. Rund 70 Prozent der ZuwanderInnen (und 90 Prozent der Türken) üben Hilfs- oder angelernte Tätigkeiten aus, die meist schlecht bezahlt sind; drei Viertel der Migran- tInnen haben ein Einkommen unter dem Durchschnittseinkommen. Insgesamt gibt es (in Wien) weniger Arbeitssuchende als ausländische Arbeitskräfte – ohne ZuwanderInnen wären viele Arbeitsplätze unbesetzt. Aus hochqualifizierten ZuwanderInnen wird ein vielfacher Nut- zen gezogen – z.B. im Managementbereich internationaler Unternehmen, in der Wissenschaft, im Gesundheitsbereich, in der Diplomatie oder im Sport. • ZuwanderInnen sind selbst Arbeitgeber Das Mannheimer Institut für Mittelstandsforschung hat ermittelt, dass die MigrantInnen in Deutschland rund 3-4 Prozent aller Arbeitsplätze schaffen, gleichzeitig vorzugsweise Lands- leute einstellen und somit häufig den Arbeitsmarkt noch zusätzlich entlasten, indem sie Jobs für gering Qualifizierte mit mäßigen Deutschkenntnissen anbieten. 14 • ZuwanderInnen sind Konsumenten, die für entsprechende Umsätze an ihrem Lebensort sor- gen. • ZuwanderInnen leisten einen wichtigen Beitrag zum Sozialsystem: MigrantInnen tragen mit ihren Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und kommunalen Abga- ben zur Finanzierung des Sozialsystems bei, von dem sie gleichzeitig teilweise ausgeschlos- sen sind (z.B. Familienleistungen, Sozialhilfe, Wohnbauförderung, Schul- und Studienbeihil- fen,…). Eine Analyse des Sachverständigenrates für Zuwanderung und Integration in Deutschland hat unlängst – entgegen weit verbreiteter Vorurteile in der Bevölkerung – zeigen können, dass selbst unter der Prämisse einer hohen Arbeitslosigkeit von MigrantInnen in Deutschland diese letztlich mehr zum Sozialstaat beitragen, als sie ihn kosten. 15 13 Die dargestellten Potenziale sind mehrheitlich einer Studie entnommen, welche versucht, die Potenziale von Zuwanderern für die Stadt Wien zu erfassen; siehe Höferl (2006). Siehe hierzu auch die Einschätzungen der Gemeinden in der nachfol- gend beschriebenen BürgermeisterInnenbefragung. 14 vgl. die Beiträge in: Die Zeit vom 4. Mai 2006, S. 4 15 Neben diesen direkten Auswirkungen auf die Gemeinde hat die Zuwanderung auch einen erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen. Zuwanderung, die vor allem auf Unterschiede in den Lohnniveaus zurückgeht (z.B. „GastarbeiterInnen“), führen grundsätzlich zu einem effizienteren Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit und somit auch zu einem Anstieg des Sozialpro- 17
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 • ZuwanderInnen geben wichtige Impulse für Kultur und Gesellschaft: Städte profitieren von einer größeren ethnischen Vielfalt und Diversität etwa durch Mehrspra- chigkeit der Bewohner oder indem ZuwanderInnen ihre – in den Herkunftsländern erworbenen speziellen Fähigkeiten und Fertigkeiten – hier zur Verfügung stellen (Handwerk, Künste, Ko- chen) und damit die städtische Gesellschaft bereichern. 3 Integration als Herausforderung und Chance der Städte und Gemeinden Die Zukunft der Städte ist multiethnisch. Um den sozialen Zusammenhalt sicherzustellen, ist die konsequente Integration von ZuwanderInnen für die Städte eine zwingende Notwendigkeit. ‚Mig- ration als Chance begreifen’ nannte die ‚Global Commission on International Migration’16 Ende 2005 ihren Bericht an die UN. Neben den positiven Effekten der Zuwanderung (etwa den Vortei- len für die städtische Wirtschaft) erwachsen den Städten aber gleichzeitig neue und erweiterte Aufgaben einer gezielten Integration dieser ZuwanderInnen. Nicht zuletzt die Jugendkrawalle in Frankreich im vergangenen Jahr haben auf bestehende Versäumnisse aufmerksam gemacht. Es fehlt aber auch in Österreich bislang an einer generellen und aktiven Integrationspolitik quer über alle staatlichen Ebenen. 17 Einbürgerung – also der formale Wechsel der Staatsbürgerschaft – ersetzt Integrationsmaßnahmen nicht grundsätzlich, weil – wie wir oben versucht haben zu zeigen – viele Einheimische diese Neu-ÖsterreicherInnen weiterhin als AusländerInnen wahr- nehmen und sich bei den Eingebürgerten selbst, durch den neuen rechtlichen Status nicht zwangläufig auch frühere Einstellungen und Verhaltensweisen sofort verändern. Eine solche Gegensätzlichkeit von internationalen MigrantInnen und „Einheimischen“ sollte jedenfalls nicht als gegeben hingenommen werden, sondern konsequent versucht werden, diese zu überwinden. Städte leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Hinblick auf eine erfolgreiche Integration sind somit Bund, Länder und Gemeinden gleichermaßen gefordert. Für die Städte und Gemein- den ist – im Sinne des sozialen Zusammenhaltes – eine erfolgreiche Integration lebenswichtig. Die Zukunft vieler Städte wird aufgrund der absehbaren demographischen Entwicklungen multi- ethnisch sein und im Lebensraum Stadt wird sich als erstes zeigen, inwieweit Strategien und Maßnahmen zur Integration erfolgreich waren. Wenn ein Nachholbedarf im Bereich der Integration generell zutreffend ist, dann bedarf es zu- nächst einer eher nachholenden Integrationspolitik,18 aber gleichzeitig auch konsequenter Schrit- te in die Zukunft. Dabei ist unübersehbar, dass das Thema „Integration“ politisch sehr sensibel ist und schnell Gefahr läuft, in der tagespolitischen Debatte missbraucht zu werden. Die Städte und Gemeinden leisten bereits heute einen wichtigen Beitrag im Rahmen einer über- greifenden Integrationspolitik, was auch zukünftig so sein wird. Die Hauptverantwortung für die Integrationspolitik liegt aber eindeutig beim Bund. Dies nicht zuletzt deshalb, weil dort die wesent- dukts. Je höher die Einkommensunterschiede sind, desto höher sind die Wachstumsgewinne. Berechnungen des Deut- schen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin haben ergeben, dass eine Zuwanderung von 1 Prozent der Erwerbsbevöl- kerung zu einem Anstieg des BIP um 0,5 Prozent führt. Auch beim umlagenfinanzierten Rentenversicherungssystem wird ein positiver Beitrag der Zuwanderer gesehen. vgl. Brücker (2004), S. 3 16 vgl. http://www.gcim.org/en/ 17 vgl. Güngör u. Ehret (2002), S. 5 f. 18 vgl. Bade (2006), S. 7 18
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt 23.05.06 lichen Entscheidungen über die Rahmenbedingungen – so etwa über den Zuzug aus dem Aus- land – getroffen werden. Als wichtige Aufgabenbereiche des Bundes wären etwa zu nennen19: • die nachhaltige Sensibilisierung der Bevölkerung für die Notwendigkeit aber auch die Vorteile der Zuwanderung, • die Versachlichung der Diskussion über Zuwanderung und Integration und die Vermeidung von Polarisierungen in der Gesellschaft, • Hilfen bei der Eingliederung von MigrantInnen in den Arbeitsmarkt (z.B. durch die Anerken- nung von im Ausland erworbenen Berufs- und Bildungsabschlüssen aufgrund von Ausbil- dungsdauer und Ausbildungsinhalten), • die Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten und die Eröffnung von Möglichkeiten zur Teil- nahme an den politischen Entscheidungsprozessen (z.B. Wahlrecht) , • und letztlich die dauerhafte und umfassende Finanzierung aller Integrationsprogramme. Als vom Bund bereits realisierte Rahmenbedingungen der Integration wurden uns genannt20: • Sozialleistungen Für die Erteilung von Aufenthaltstiteln ist – laut aktueller Regelung – das Vorhandensein von ausreichenden Unterhaltsmitteln sowie eine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung er- forderlich. Das Fehlen dieser Elemente bildet einen möglichen Versagungsgrund (Ermessens- übung der Behörde). Die gesetzliche Sozialversicherung orientiert sich bei ihren Leistungen an der Erwerbstätigkeit und nicht am Aufenthaltsstatus (oder die Staatsbürgerschaft) – also lediglich daran, ob Beiträge geleistet wurden (oder z.B. von einem Arbeitgeber – auch bei „Schwarzarbeit“ bzw. illegaler AusländerInnenbeschäftigung – nachgefordert werden können). Gleichzeitig bietet sie Anreize für den Familiennachzug, indem großzügige Möglichkeiten zur Mitversicherung von EhepartnerInnen und Kindern im System angelegt sind. In diesem Be- reich gibt es – gesamtsystematisch – eine weitgehende Integration von Anfang an. In Bezug auf (nicht beitragsabhängige) Sozial- und Familienleistungen gilt es hingegen, einen legalen Aufenthaltsstatus zu verlangen, da sonst Anreize zur Gesetzesumgehung geschaffen würden. • Arbeitsmarktintegration Die Fremdenrechtsgesetz-Novelle zum 01.01.2003 brachte eine weitere Harmonisierung, in- dem mit dem Niederlassungsnachweis erstmals ein einheitliches Dokument für zeitlich unbe- schränkte Niederlassung und einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang eingeführt wurde. Bei Schlüsselkräften (das ist jene Gruppe, auf die die Neuzuwanderung von Arbeitskräften – abgesehen vom Familiennachzug – derzeit beschränkt ist) wurde ein One-Stop-Shop- Verfahren eingeführt. Im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz wurden diese Elemente bei- behalten, jedoch um den Umstand erweitert, dass bei kurzfristiger Beschäftigung die Beschäf- tigungsbewilligung das Aufenthaltsrecht mit umfasst. Dies trägt zu einer transparenteren Ab- grenzung von dauerhaften Sachverhalten (Niederlassung) gegenüber temporären und bloß vorübergehenden Aufenthalten bei. • Sprachliche Frühförderung Die Schülereinschreibung erfolgt zukünftig jeweils Oktober/November (ein Jahr vor Schulein- tritt). Gleichzeitig findet ein Sprachtest statt. Bei Bedarf wird den Eltern empfohlen, das För- 19 siehe etwa Güngör u. Ehret (2002), S. 8 20 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf eine schriftliche Auskunft von Alexander Janda; siehe dazu auch das diesbezügliche Referat von Alexander Janda im Arbeitskreis 2. 19
Sie können auch lesen