Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 2 - Die bunte Stadt

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Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 2 - Die bunte Stadt
Österreichischer Städtetag 2006
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt
Diskussionsunterlage

Verfasst von

Dr. Klaus Wirth
Mag. (FH) Karoline Mitterer

KDZ
Zentrum für Verwaltungsforschung
1110 Wien, Guglgasse 13
Tel.: +43 1 8923492, Fax: +43 1 8923492-20
E-Mail: institut@kdz.or.at, Internet: www.kdz.or.at

Wien, am 23. Mai 2006
Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 2 - Die bunte Stadt
Inhaltsverzeichnis                                                                                                            23.05.06

Inhaltsverzeichnis

Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt..............................................................................................................3
        1     Bevölkerungsentwicklung in Österreich – Kurzdarstellung ................................................5
        2     Entwicklungen im Bereich der Zuwanderung .................................................................. 11
        3     Integration als Herausforderung und Chance der Städte und Gemeinden..................... 18
        4     Kommunale Integrationspolitik – Anforderungen und Möglichkeiten der Umsetzung .... 20
        5     Engagement der Städte im Bereich der Integration ........................................................ 28
        6     Ausblick – Perspektiven................................................................................................... 39
        7     Quellen:............................................................................................................................ 42

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Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                             23.05.06

Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt

        Wie wird unsere Stadt in 20 Jahren aussehen? Wie viele Menschen werden hier wohnen?
                  Wie viele Krippen, Kindergärten oder Schulen werden wir benötigen?
        Wie wird das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Zugewanderten funktionieren?
            Wie wird sich ein höherer Anteil älterer Menschen auf die Kommunen auswirken?

    Das sind wichtige und mehr als berechtigte Fragen. Denn Tatsache ist, dass sich die Städte in
    den kommenden Jahrzehnten aufgrund der bereits heute absehbaren Bevölkerungsentwicklung
    teilweise erheblich verändern werden: Neben Wachstumsregionen wird es stagnierende Gebiete,
    aber auch Schrumpfungsregionen geben. In Österreich wird eine wachsende Zahl an Menschen
    mit Migrationshintergrund wohnen. Die Bewältigung dieser Veränderungen wird zu einer der
    großen Herausforderungen für die Städte in den kommenden Jahren werden.

    Die Art und Weise wiederum, wie die Städte gestaltend auf diese Entwicklungen einwirken, wird
    über ihre Zukunftsfähigkeit und die Lebensqualität ihrer BürgerInnen entscheiden. Dieser Bericht
    soll die Verantwortlichen in den Städten dabei unterstützen, sich langfristig auf neue Trends
    einzustellen und frühzeitig Maßnahmen der Gegensteuerung zu setzen. Dazu werden die we-
    sentlichen Eckpunkte der erwarteten Bevölkerungsentwicklung aufgezeigt1. Ferner will der Be-
    richt Anregungen für eine qualifizierte Diskussion über mögliche Strategien geben, eine Diskussi-
    on, die mit dieser Unterlage für den Städtetag 2006 keinesfalls abgeschlossen ist, sondern eher
    erst am Beginn steht.

    Die absehbare Bevölkerungsentwicklung hat in letzter Zeit große Aufmerksamkeit in Politik,
    Wirtschaft und Gesellschaft erlangt, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die aktuellen Prognosen
    gravierende Veränderungen für die nächsten 3 Jahrzehnte erwarten lassen. Ingesamt nimmt
    Österreichs Bevölkerung zu. Wie aber noch im Detail zu zeigen sein wird, ist einerseits durch den
    erfolgten Geburtenrückgang eine Abnahme des Anteils von jungen Menschen an der Gesamtbe-
    völkerung, andererseits eine starke Zunahme von älteren Personen an der Gesamtbevölkerung
    erkennbar. Weiters wird immer deutlicher, dass Zuwanderung aus dem Ausland ein wesentlicher
    Faktor der demographischen Entwicklung Österreichs ist. Für die weitere Diskussion ist von
    besonderer Bedeutung, dass die Bevölkerungsentwicklung regional sehr unterschiedlich verlau-
    fen wird. Tendenziell wachsen städtische Agglomerationen, während periphere Gebiete einwoh-
    nermäßig stagnieren oder rückläufig sind.

    Daraus ergeben sich drei Schwerpunkte, welche sich in den Arbeitskreisen des Städtetages 2006
    widerspiegeln: Stagnierende Geburtenzahlen und ein weiter sinkender Anteil von Personen unter
    20 Jahren an der Gesamtbevölkerung bei gleichzeitig steigenden Anforderungen im Bereich der
    Kinder- und Tagesbetreuung stellen eine erste Herausforderung für die Städte und Gemeinden
    dar. Die Diskussion dieses Teils des demographischen Wandels ist Gegenstand des Arbeitskrei-
    ses 1 „Die junge Stadt“. Zuwanderung aus dem Ausland ist für Österreich eine Tatsache. Um die
    Chancen der Migration aber auch nutzen zu können, sind gezielte Maßnahmen der Integration
    dieser Zuwanderer notwendig. Dies ist Gegenstand der Diskussionen des Arbeitskreises 2 „Die
    bunte Stadt“. Arbeitskreis 3 „Die älter werdende Stadt“ konzentriert sich dann noch auf eine
    weitere Teilentwicklung des demographischen Wandels, nämlich die stark wachsende Zahl an
    älteren und alten Menschen und die daraus ableitbaren Konsequenzen für das Betreuungs- und
    Pflegesystem der Städte und Gemeinden.

    1
        Alle nachfolgenden statistischen Aussagen beziehen sich auf aktuelle Prognosen der Statistik Austria bzw. des BMSGK
        sowie der ÖROK. Für eine ausführliche Darstellung der demographischen Entwicklungen in Österreich vgl. das Basismodul.

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Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                       23.05.06

Mit dem vorliegenden Arbeitspapier zum Arbeitskreis 2 „Die bunte Stadt“ möchten wir versu-
chen, diese Herausforderungen für die Städte zu konkretisieren. Dazu sollen zunächst wesentli-
che demographische Entwicklungen in Österreich insgesamt, aber auch zur Art und zum Umfang
der Migration beschrieben werden. Danach werden ausgewählte rechtliche und gesellschaftspoli-
tische Aspekte für den Bereich der Migration präsentiert. Das folgende Kapitel konzentriert sich
dann darauf, die Konsequenzen und Herausforderungen der Wanderung für die Städte näher zu
beleuchten. Anschließend werden einige zentrale Grundsätze und wesentliche Handlungsfelder
einer kommunalen Integrationspolitik erörtert. Daran anschließend werden im fünften Kapitel
ausgewählte Ergebnisse der BürgermeisterInnenbefragung vorgestellt. Zum Schluss werden
noch grundsätzliche Hinweise zur weiteren Diskussion gegeben und mögliche Ansatzpunkte für
zukünftige Forderungen der Städte umrissen.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen ExpertInnen in den Städten und anderen Institutionen
bedanken, die durch ihre konstruktiven Anregungen bzw. Textbeiträge zum Entstehen dieses
Diskussionspapiers beigetragen haben.

Grundsätzliche Bemerkung:

Zu allen Prognosen ist grundsätzlich anzumerken, dass sie in der Regel auf der Grundlage heuti-
gen Wissens und aus zurückliegenden Entwicklungen auf die Zukunft schließen und zukünftige
Ereignisse, die möglicherweise einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf von Entwicklungen
haben, nur teilweise berücksichtigen können. So sind zukünftige größere internationale Ereignis-
se oder neue gesellschaftspolitisch relevante Haltungen nur schwer vorherzusehen. Das gleiche
trifft aber auch auf mögliche „Gegensteuerungsmaßnahmen“ zu, nämlich ob und welche ergriffen
werden bzw. überhaupt möglich sind, und welche Auswirkungen sie haben. Insofern beschreiben
Prognosen eine mögliche, nicht aber zwingend die tatsächliche Zukunft.

Weitere Unterlagen:

Neben den Diskussionspapieren für jeden Arbeitskreis stellt der Österreichische Städtebund
seinen Mitgliedern noch weitere – vom KDZ erarbeitete – Informationen zum demographischen
Wandel zur Verfügung:

• Mit dem umfangreichen Bericht „Demographischer Wandel in Österreich – ein Überblick“
  wird eine gesamthafte und ausführliche Darstellung wichtiger demographischer Entwicklungen
  vorgelegt, die sowohl die Themenbereiche der Arbeitskreise 1-3 umfasst, aber gleichzeitig
  auch über die in den Arbeitskreispapieren dargestellten Daten hinausgeht. So werden in die-
  sem Bericht einerseits zusätzliche Daten und andererseits vertiefende Informationen zum de-
  mographischen Wandel zur Verfügung gestellt.

• Ein besonderer Service für die Gemeinden stellen dann noch die so genannten „Bezirks-
  prognosen“ dar. Zusammengefasst nach Bundesländern werden jeweils ausgesuchte zentra-
  le Prognosedaten konzentriert für jeden Bezirk auf einer Seite dargestellt. Diese Informationen
  sollen der gezielten Unterstützung der Gemeinden bei der Entwicklung zukünftiger Kommu-
  nalstrategien dienen.

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Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                                                                      23.05.06

1      Bevölkerungsentwicklung in Österreich – Kurzdarstellung

Die Bevölkerungsentwicklung ist das Ergebnis des Zusammenwirkens mehrerer demogra-
phischer Komponenten: Einerseits gibt es die natürliche Bevölkerungsentwicklung als Bilanz aus
Geburten und Sterbefällen und andererseits räumliche Bevölkerungsbewegungen sowohl als
Binnenwanderung innerhalb Österreichs als auch als Außenwanderung (Zu-/Abwanderung).
Diese beiden Faktoren bestimmen Umfang, Richtung und Tempo der Bevölkerungsentwicklung
insgesamt und beeinflussen im Ergebnis nicht nur die absolute Zahl der Bewohner in Österreich,
sondern auch die strukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppen sowie
sonstigen strukturellen Merkmalen, wie z.B. Geschlecht oder Herkunftsländern.

Verschiedene Prognoseszenarien bilden die Basis

Eine Möglichkeit zur Darstellung zukünftiger demographischer Entwicklungen sind Bevölkerungs-
prognosen, wie sie von der Statistik Austria und der ÖROK regelmäßig erstellt und veröffentlicht
werden. Sie basieren auf standardisierten Modellrechnungen und verschiedenen (laufend aktua-
lisierten) Annahmen bezüglich der Lebenserwartung und Sterberaten (Mortalität), der Zahl der
Geburten in einem Land (Fertilität), sowie der Binnen- und Außenwanderung (Zu-/Abwanderung
vom/ins Ausland) (Migration). Durch eine Variation dieser Annahmen werden in der Regel drei
verschiedene Szenarien ermittelt. Die mittlere Variante – auch als Hauptvariante bezeichnet –
beschreibt die aus Sicht der StatistikexpertInnen wahrscheinlichste Entwicklung. Sie bildet die
Grundlage der nachfolgenden Darstellungen. Die in der Regel kleinste Raumeinheit, für die
Prognosen erstellt werden, sind die politischen Bezirke.2

Moderates Bevölkerungswachstum

Für die nächsten Jahrzehnte wird für Österreich insgesamt ein moderates Bevölkerungswachs-
tum – keinesfalls ein Rückgang wie etwa in Deutschland3 – prognostiziert. So erwartet die Statis-
tik Austria, dass die Bevölkerung in Österreich bis 2050 weiterhin kontinuierlich bis auf nahezu 9
Mio. EinwohnerInnen anwachsen wird (siehe Tabelle).
Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach breiten Altersgruppen in Österreich
                                                                                                                                          < 20      20-64    65-84
                                                                                                                           insges.                                  85+ Jahre
                                                                                                                    Jahr                 Jahre      Jahre    Jahre
                                  Bevölkerungsentwicklung nach breiten Altersgruppen                                                        Bevölkerung absolut
                             10                                                                                     2005   8.225.609   1.806.404 5.084.691 1.200.859 133.655
                             9                                                                                      2010   8.397.256   1.759.577 5.176.771 1.279.173 181.735
                             8                                                                                      2015   8.536.606   1.701.464 5.269.048 1.360.612 205.482
                                                                                                                    2020   8.650.995   1.689.926 5.289.465 1.460.169 211.435
         Einwohner in Mio.

                             7                                                                                             8.751.421   1.698.620 5.209.714 1.593.476 249.611
                                                                                                                    2025
                             6                                                                                      2030   8.838.399   1.705.408 5.066.467 1.768.956 297.568
                             5                                                                                      2035   8.903.772   1.702.086 4.941.629 1.928.596 331.461
                                                                                                                    2040   8.949.528   1.688.061 4.901.300 1.995.254 364.913
                             4
                                                                                                                    2045   8.978.477   1.674.283 4.897.105 1.972.199 434.890
                             3                                                                                             8.986.033   1.665.932 4.862.141 1.933.536 524.424
                                                                                                                    2050
                             2                                                                                                                   in Prozent
                             1                                                                                      2005    100,00%      21,96%     61,82%   14,60%    1,62%
                                                                                                                    2010    100,00%      20,95%     61,65%   15,23%    2,16%
                             0
                                                                                                                    2015    100,00%      19,93%     61,72%   15,94%    2,41%
                             2001     2006    2011    2016     2021     2026   2031     2036      2041   2046
                                                                                                                    2020    100,00%      19,53%     61,14%   16,88%    2,44%
                                             < 20 Jahre   20-64 Jahre   65-84 Jahre   85+ Jahre                     2025    100,00%      19,41%     59,53%   18,21%    2,85%
                                                                                                                    2030    100,00%      19,30%     57,32%   20,01%    3,37%

                                                                                                            Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006

2
    Die Darstellung der Prognosen auf Bezirksebene erfolgt ausschließlich in der ÖROK-Prognose. Im Anschluss an das
    Basismodul finden Sie die aufgearbeiteten Prognosewerte für die einzelnen Bezirke. Auch sind im Basismodul die drei Vari-
    anten der Bevölkerungsprognose der Statistik Austria näher beschrieben.
3
    Nach der Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes in Deutschland.

                                                                                                                5
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                          23.05.06

Starke Veränderungen in der Altersstruktur

Die altersstrukturelle Zusammensetzung der in Österreich lebenden Bevölkerung wird sich deut-
lich verändern. Der Anteil der unter 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung sinkt seit 1971 konti-
nuierlich und wird sich längerfristig auf einem niedrigen Niveau stabilisieren. Lebten im Jahr 2001
in Österreich rund 1,8 Mio. Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren (21,9% der Gesamtbevölke-
rung), wird ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2031 auf dann ca. 19,3% absinken.
Gleichzeitig steigt der Anteil vor allem der älteren und speziell der ältesten EinwohnerInnen (über
85 Jahre) weiter an. Das statistische Durchschnittsalter der Bevölkerung wird – ausgehend von
ca. 40 Jahren im Jahr 2005 – auf rund 45 Jahre im Jahr 2030 steigen.

Regional unterschiedliche Entwicklungen – es entstehen Wachstums- und Schrumpfungs-
regionen

Ein wesentliches Merkmal der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung in Österreich ist – neben
den grundsätzlichen altersstrukturellen Verschiebungen – darin zu sehen, dass die Bevölker-
ungsentwicklung innerhalb Österreichs regional sehr unterschiedlich und in ihrer Richtung zum
Teil völlig gegensätzlich verlaufen dürfte. Regionen mit einem merklichen Bevölkerungswachstum
stehen Regionen mit starken Schrumpfungsprozessen gegenüber. Bereits in der Vergangenheit
waren entsprechende Entwicklungen erkennbar – der Trend wird daher fortgesetzt.
                                                                                                            4
Abbildung 2: Regionale Bevölkerungsentwicklung 2001 – 2031 nach Prognoseregionen

                                             Erläuterung: durchgehende Linie = Regionen mit starker Bevölkerungsabnahme
                                                             gepunktete Line = Regionen mit starker Bevölkerungszunahme

Ausgehend vom Wachstumspol im Großraum Wien wächst die Bevölkerung in fast allen Regi-
onen nördlich der Alpen und entlang der Hauptverkehrsachsen der Westbahn/Westautobahn bis
ins Rheintal (gepunktete Linie der Abbildung 2). Im nördlichen Waldviertel und in den südlichen –
vor allem inneralpinen – Regionen ist – mit Ausnahme der größeren Städte – mit einem teilweise
sehr erheblichen (bis zu 20-prozentigen) Bevölkerungsrückgang zu rechnen (durchgehende Linie
der Abbildung 2).

4
    Anmerkung: Die Tabelle in Farben finden Sie im Anhang.

                                                              6
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                      23.05.06

Städte und Zentralräume wachsen, ländliche Regionen stagnieren oder schrumpfen

Unterscheidet man ferner nach ländlichen und städtischen Bezirken5 werden weitere Entwickl-
ungen sichtbar: Neben den wachsenden Städten wird vor allem in peripheren Gebieten die Be-
völkerungszahl sinken.
• So zeigen die Prognosen, dass die Zahl der unter 15-Jährigen in den ländlichen Bezirken um
   rund 12 Prozent (2001 bis 2031) abnehmen, während sie gleichzeitig in städtischen Bezirken
   um 11 Prozent (2001 bis 2031) wachsen wird.
• Beinahe ident wie die Entwicklung der unter 15-Jährigen ist diese der 15-19-Jährigen.
• Auch der Bevölkerungsteil der 20-64-Jährigen geht in den ländlichen Bezirken leicht zurück,
   während die städtischen Bezirke bei den Personen im erwerbsfähigen Alter leichte Zuwächse
   verzeichnen werden.
• Entwickeln sich die 65-84-Jährigen in den hier unterschiedenen Raumkategorien noch annä-
   hernd gleich, kommt es wiederum bei den über 85-Jährigen zu einer überdurchschnittlichen
   Zunahme in den ländlichen Bezirken.
Tabelle 1: Entwicklung nach Altersgruppen – Stadt/Land
                                                Absolutwerte                                          Indexwerte (2001=100)
                       2001      2006        2011       2016     2021       2026       2031      2006 2011 2016 2021 2026 2031
                                                Enwicklung der unter 15-Jährigen
ländliche Bezirke     793.799   737.572      676.329 652.688 646.480 643.893          629.523      93    85    82    81    81    79
städtische Bezirke    569.195   577.122      580.989 599.193 615.775 629.226          636.401     101   102   105   108   111   112
                                                  Entwicklung der 15-19-Jährigen
ländliche Bezirke     282.437   280.950      278.440 244.009 229.090 223.250          223.402      99    99    86    81    79    79
städtische Bezirke    201.187   214.369      221.540 209.935 212.352 215.380          220.980     107   110   104   106   107   110
                                                  Entwicklung der 20-64-Jährigen
ländliche Bezirke    2.624.987 2.649.807   2.696.947 2.709.790 2.678.597 2.596.732   2.487.841    101   103   103   102    99    95
städtische Bezirke   2.337.959 2.438.179   2.514.892 2.571.506 2.599.527 2.588.256   2.550.114    104   108   110   111   111   109
                                                  Entwicklung der 65-84-Jährigen
ländliche Bezirke     606.394   681.136      692.071 736.267 796.865 873.981          993.870     112   114   121   131   144   164
städtische Bezirke    496.717   550.798      588.454 640.565 692.722 742.835          817.937     111   118   129   139   150   165
                                                Entwicklung der über 85-Jährigen
ländliche Bezirke      68.994     72.538      98.857 114.392 119.697 148.904          157.891     105   143   166   173   216   229
städtische Bezirke     72.015     71.313      89.643    94.132    91.851 119.467      139.739      99   124   131   128   166   194
                                                       Gesamtentwicklung
ländliche Bezirke    4.356.159 4.402.693   4.424.403 4.439.033 4.452.212 4.467.835   4.480.994    101   102   102   102   103   103
städtische Bezirke   3.686.887 3.860.286   4.002.915 4.122.318 4.219.349 4.302.417   4.372.447    105   109   112   114   117   119
                                                                  Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006

Ein Erklärungsansatz für diese Unterschiede ist, dass gerade die Jugend und die erwerbsfähige
Bevölkerung tendenziell in die Städte zieht, während viele ältere Menschen in den ländlichen
Gebieten verbleiben.

Kontinuierlicher Geburtenrückgang und Stabilisierung auf niedrigem Niveau

Seit vielen Jahren sinkt die Geburtenrate in Österreich. Bekam im Jahr 1964 noch jede Frau in
Österreich durchschnittlich 2,8 Kinder, liegt der Wert österreichweit gegenwärtig bei rund 1,4
Kindern je Frau. Die Geburtenrate wird jedoch längerfristig wieder leicht steigen6. Eine wesentli-

5
    Als städtische Bezirke wurden hier herangezogen: Landeshauptstädte und Umlandbezirke sowie Bezirke mit einer Bezirks-
    hauptstadt über 30.000 EW: Bregenz, Dornbirn, Eisenstadt (Stadt u. Umg.), Graz (Stadt) , Graz-Umgebung, Innsbruck-
    Land, Innsbruck-Stadt, Klagenfurt (Stadt) , Klagenfurt Land, Linz(Stadt) , Linz-Land, Salzburg (Stadt), Salzburg-Umgebung,
    Sankt Pölten (Land), Sankt Pölten (Stadt), Steyr(Stadt), Urfahr-Umgebung, Villach (Stadt), Wels(Stadt), Wien, Wien Umge-
    bung, Wiener Neustadt (Stadt)
6
    Als Grund für das leichte Ansteigen der Fertilität werden von der Statistik Austria die Migrantinnen genannt, welche die
    geringe Kinderzahl österreichischer Frauen kompensieren.

                                                                   7
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                                                                                                            23.05.06

che Annahme der Bevölkerungsprognosen ist, dass sich die jährliche Zahl der Geburten zwi-
schen 75.000 und 80.000 stabilisiert und die Anzahl der Kinder und Jugendlichen – ausgehend
vom Stand 2005 – bis zum Jahr 2030 nur mehr leicht zurückgehen wird.
Abbildung 3: Geburten- und Sterbefälle 1951-2031

                                            Lebendgeborene und Gestorbene
                                                      1961-2004                                                                                                          Lebend-         Ge-
                                                                                                                                                                                                   Geburtenüber-
                                        140.000                                                                                                                   Jahr                               schuss, -
                                                                                                                                                                         geborene     storbene
                                                                                                                                                                                                    abgang (-)
                                                                                                                                                           1950             107.854       85.710           22.144
                                        130.000
         Geburten/Sterbefälle absolut

                                                                                                                                                           1955             108.575       84.995           23.580
                                                                                     Lebendgeborene
                                                                                                                                                           1960             125.945       89.603           36.342
                                        120.000                                                                                                            1965             129.924       94.273           35.651
                                                                                                                                                           1970             112.301       98.819           13.482
                                        110.000                                                                                                            1975              93.757       96.041           -2.284
                                                                                                                                                           1980              90.872       92.442           -1.570
                                                                                                                                                           1985              87.440       89.578           -2.138
                                        100.000                                                                                                            1990              90.454       82.952            7.502
                                                                                                                                                           1995              88.669       81.171            7.498
                                         90.000                                                                                                            2000              78.268       76.780            1.488
                                                                                                                                                           2005              76.820       74.958            1.862
                                                                Gestorbene                                                                                 2010              76.864       76.015              849
                                         80.000                                                                                                            2015              79.119       77.772            1.347
                                                                                                                                                           2020              80.141       78.929            1.212
                                         70.000                                                                                                            2025              79.480       80.534           -1.054
                                                                                                                                                           2030              78.614       83.541           -4.927
                                                  1961
                                                         1964
                                                                1967
                                                                       1970
                                                                              1973
                                                                                     1976
                                                                                            1979
                                                                                                   1982
                                                                                                          1985
                                                                                                                 1988
                                                                                                                        1991
                                                                                                                               1994
                                                                                                                                      1997
                                                                                                                                             2000
                                                                                                                                                    2003

                                                                                                                                                           2040              76.720       89.033          -12.313
                                                                                                                                                           2050              77.139       96.653          -19.514

                                                                                                                                                      Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006

Als Gründe für den zurückliegenden starken Geburtenrückgang und die insgesamt sehr niedrige
Fertilitätsrate werden in der Fachdiskussion häufig die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen,
eine schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf, veränderte Lebensinhalte und die bessere
Geburtenkontrolle genannt. 7

Starke Zunahme der über 60-Jährigen

Die Zahl der über 60-Jährigen steigt im gesamten österreichischen Bundesgebiet an. Im Jahr
2005 waren rund 1,8 Mio. Personen über 60 Jahre alt, im Jahr 2030 werden es 2,7 Mio. sein.

Die durchschnittliche Lebenserwartung lag im Jahr 2004 bei 76,4 Jahren bei den Männern und
82,1 Jahren bei den Frauen. Im Jahr 2030 hingegen wird sich die Lebenserwartung bei den
Männern auf 81,3 und bei den Frauen auf 86,4 Jahre erhöhen. Langfristig werden sich – so die
Erwartungen der Statistik Austria – die geschlechtsspezifischen und die regionalen Unterschiede
bei der Lebenserwartung verringern.

7
    vgl. dazu Bayerischer Städtetag (2005); BMSGK (2001); BMSGK (2004); Textor (2000); Schipfer (2005).

                                                                                                                                                       8
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                                                  23.05.06

Abbildung 4: Lebenserwartung 2004 – 2040

                                                 Lebenserwartung bei der Geburt

                                          90,0
                                                                 Frauen                                                             Lebenserwartung
                                                                                                                            Jahr     bei der Geburt
                                          85,0
                            Lebensjahre

                                                                                                                                    Männer Frauen
                                          80,0                                                                              2005       76,7   82,5
                                                                              Männer                                        2010       77,7   83,3
                                          75,0                                                                              2015       78,6   84,2
                                                                                                                            2020       79,6   84,9
                                          70,0                                                                              2025       80,4   85,7
                                                                                                                            2030       81,3   86,4
                                                 2005

                                                         2010

                                                                     2015

                                                                                   2020

                                                                                                 2025

                                                                                                               2030
                                                                                                                            2040       82,8   87,7
                                                                                                                            2050       84,3   89,0
                                                                 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.01)

Gründe für das Ansteigen der durchschnittlichen Lebenserwartung für Menschen in Österreich
liegen vor allem in der besseren medizinischen Versorgung und in einem „gesünderen“, zumin-
dest weniger belastendem Leben.

Zuwanderungsgewinne kompensieren den Geburtenrückgang

Ein ganz wesentliches Element der zurückliegenden und zukünftigen Bevölkerungsentwicklung in
Österreich sind Wanderungsbewegungen, wobei hier vor allem Zuwanderungen aus dem Aus-
land entscheidend werden. So wird der in der Vergangenheit beobachtbare Zuwanderungsge-
winn (Saldo aus Zu- und Wegzügen; Wert 2004 = 50.600 Personen) aus dem Ausland auch für
die zukünftige Bevölkerungsentwicklung in Österreich maßgeblich sein.
Abbildung 5: Geburten- und Wanderungsbilanzen nach Bundesländern – 2007-2011

                                 Bevölkerungsentwicklung 2007-2011
                       4

                       3
 Ausgangsbevölkerung

                       2
    in Prozent der

                                                                                                                                 Bevölkerungsveränderung
                       1                                                                                                                  absolut
                       0                                                                                                        Bevöl-               Wan-
                                                                                                                                         Geburten-
                                                                                                                               kerungs-            derungs-
                       -1                                                                                                                  bilanz
                                                                                                                                bilanz              bilanz
                       -2                                                                                       2002-2006          216.148   10.161    191.674
                                                                                                                2007-2011          160.784    5.395    155.389
                       -3
                                                                                                                2012-2016          131.418    6.241    125.177
                            Ö             Bgld    Knt   NÖ      OÖ   Slb    Stmk     Tirol   Vbg        Wien
                                                                                                                2017-2021          108.310    6.359    101.951

                Bevölkerungsveränderung insgesamt                Geburtenbilanz    Wanderungsbilanz             2022-2026           97.668    -2.432   100.100
                                                                                                                2027-2031           81.222   -20.992   102.214
                                                                 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006, Tabelle Bevänd.)

Ausgehend von einem Zuwanderungshöchststand im Jahr 2004 (rund 127.000 Zuwanderer aus
dem Ausland) gehen die neuen Berechnungen zwar von einer leicht sinkenden, aber gegenüber
früheren Prognosen deutlich höheren Zuwanderung aus, die dann bis zum Jahr 2020 auf jährlich
etwa 100.000 Personen zurückgeht. Die bereits beschriebene wachsende Gesamtbevölkerung in

                                                                                             9
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                23.05.06

Österreich basiert somit in erster Linie auf einer kontinuierlich hohen Zuwanderung aus dem
Ausland.

Als Gründe für die hohen Zuwanderungsraten werden von der Statistik Austria folgende genannt:
• die wachsende Verflechtung mit den bisherigen und neuen EU-Ländern,
• bestehende Ansprüche auf Familiennachzüge infolge von Einbürgerungen sowie
• auch in Zukunft hohe Flüchtlingszahlen.
Tabelle 2: Internationale Zuwanderung nach Bundesländern – absolut pro Jahr
                             Internationale Zuwanderung, absolut
        Ö         Bgld     Knt      NÖ       OÖ     Slb     Stmk       Tirol    Vbg      Wien
 2005   115.000    1.840   4.370 13.915 14.145       7.820 10.925       9.775    5.635   46.575
 2010   110.000    1.760   4.180 13.310 13.530       7.480 10.450       9.350    5.390   44.550
 2015   105.000    1.680   3.990 12.705 12.915       7.140   9.975      8.925    5.145   42.525
 2020   100.000    1.600   3.800 12.100 12.300       6.800   9.500      8.500    4.900   40.500
                                               Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006)

Innerhalb Österreichs wird erwartet, dass sich sowohl die Binnenwanderungsströme als auch die
Zuwanderung aus dem Ausland vor allem auf die städtischen Regionen konzentrieren und dort
zu Bevölkerungswachstum führen. Insbesondere für den Großraum Wien ist mit einer hohen
Zuwanderung aus dem Ausland zu rechnen.

Unterschiedliche regionale Entwicklungen bedingen unterschiedliche kommunale Heraus-
forderungen

Die oben gezeigten demographischen Entwicklungen werden regional sehr unterschiedliche
Konsequenzen haben und die Gemeinden jeweils vor unterschiedliche Herausforderungen stel-
len: So ist zu erwarten, dass sich in Folge der demographischen Veränderungen die Nachfrage
nach altersspezifischen Leistungen der Städte und Gemeinden verändert und jeweils individuelle
Anpassungsmaßnahmen erforderlich werden.

Im Falle des Bevölkerungsrückgangs könnten lokale und regionale Infrastruktureinrichtungen
bereits innerhalb ihrer normalen Lebensdauer von immer weniger Menschen genutzt werden,
wodurch ihre Wirtschaftlichkeit sinkt. Dort, wo die höchsten Rückgänge zu erwarten sind, werden
u.U. auch Angebote gänzlich infrage gestellt werden müssen. Öffentliche Leistungen werden in
den Regionen mit großen Bevölkerungsverlusten teurer. Weil sich die Schrumpfungsprozesse
sehr stark auf ländliche Regionen konzentrieren, werden diese Regionen vermutlich von einem
schrittweisen Rück-/ Umbau von Infrastruktur betroffen sein.

Demgegenüber ist zu erwarten, dass insbesondere die noch weiter wachsenden städtischen
Räume gleich in zweifacher Hinsicht herausgefordert werden: Neuer Investitionsbedarf als Folge
des Bevölkerungswachstums und zusätzliche Aufgaben zur Integration einer wachsenden Zahl
an ZuwanderInnen aus dem Ausland.

Die genannten Veränderungsprozesse werden somit die Anpassungsfähigkeit des öster-
reichischen Städtesystems durch die gegensätzlichen Verläufe dieser Entwicklungen erheblich
herausfordern.

                                                    10
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                23.05.06

2        Entwicklungen im Bereich der Zuwanderung

2.1      Geschichte der Migration in Österreich

Die neuere Geschichte der Zuwanderung nach Österreich ist mit politischen Veränderungen im
Ausland und mit wirtschaftlichen Entwicklungen in Österreich eng verknüpft. So sind aus dem
Blickwinkel der Migration als Folge von politischen Veränderungen nach dem 2. Weltkrieg vor
allem die Flüchtlingswellen aus Ungarn (1956 – 180.000 Flüchtlinge), der früheren Tschechos-
lowakei (1968 – 168.000 Flüchtlinge) sowie Polen (1981 – ca. 140.000 Flüchtlinge) zu nennen.
Aber auch der Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 und die so genannten Balkankriege auf
dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien8 führten zu großen Flüchtlingswellen, in deren Folge
mehrere zehntausend Menschen nach Österreich und insbesondere nach Wien gekommen sind.

Daneben ist Zuwanderung auch eine Folge des wirtschaftlichen Erfolgs Österreichs. Die Gastar-
beiterbewegungen in den 1960er und 1970er Jahren waren vor allem darauf ausgerichtet, für die
prosperierende heimische Wirtschaft genügend (und auch billige) Arbeitskräfte nach Österreich
zu holen. Dazu wurden 1964 und 1966 mit der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien entspre-
chende Anwerbeabkommen vereinbart. Mit dem Anwerbestopp 1973 endete diese Zuwande-
rungswelle.9 Lange Zeit wurde angenommen, dass die angeworbenen GastarbeiterInnen nur für
kurze Zeit ins Land kommen und dann wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Dies hat sich
rückblickend als eine Fehleinschätzung erwiesen. Im Gegenteil: Zunehmend kam es zu einem
Nachzug von Familien, EhepartnerInnen und Kindern; vor allem die Kinder blieben in Österreich.

Aufgrund dieser Entwicklung verdoppelte sich zwischen 1978 und 1994 die Zahl der Ausländer-
Innen in Österreich von 326.000 auf 713.000 Personen. Seit Anfang der 1990er Jahre sinkt die
Zahl der Neuzuwanderungen von ArbeitsmigrantInnen aufgrund eines neuen Fremdenrechts und
einer zunehmend restriktiven Zuwanderungspolitik der österreichischen Bundesregierung.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für MigrantInnen haben sich in letzter Zeit neuerlich merk-
lich verändert. Das Fremdenrechtspaket 2005 verknüpft die Einwanderung nach Österreich an
noch strengere Voraussetzungen. Änderungen gab es auch im Staatsbürgerschaftsgesetz 2005,
dem Asylgesetz, dem Fremdenpolizeigesetz und dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes
2005 (NAG 2005).

2.2      Wichtige demographische Entwicklungen im Bereich der Migration

Die „unterschiedliche Wahrnehmung“ von AusländerInnen

Das für die Statistik wesentliche Merkmal zur Bestimmung, wer Ausländer oder Ausländerin ist,
ist die Staatsbürgerschaft. Doch das ist nur die „halbe Wahrheit“, unterscheidet sich doch die
persönliche Wahrnehmung der Menschen merklich von diesen formalen Kriterien. Und so gibt es
in der Alltagswelt neben dem durch die Staatsbürgerschaft als AusländerIn zu definierenden
Merkmal so etwas wie „gefühlte AusländerInnen“10. Während ein/e aus der Türkei eingebürgerte/r

8
     Wir verwenden nachfolgend den Begriff „ehemaliges Jugoslawien“ insbesondere deshalb, weil dieser von der Statistik
     Austria verwendet wird und die statistischen Auswertungen entsprechend dieser Kategorie erfolgen.
9
      vgl. Stadt Wien GGrIFKP; vgl. Perchinig (2003), S. 16 f.
10
     vgl. die Beiträge in: Die Zeit vom 4. Mai 2006, S. 3

                                                                 11
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                          23.05.06

ÖsterreicherIn – trotz österreichischem Pass – immer noch als AusländerIn gesehen wird, trifft
dies für eine/n zugewanderte/n Schweden/Schwedin an der Spitze eines Konzerns vielleicht
weniger zu. Insofern sind Statistiken, die ausschließlich auf die Staatsbürgerschaft rekurrieren, zu
relativieren. Wir versuchen dies im Folgenden dadurch zu erreichen, indem wir generell von
Menschen mit Migrationshintergrund (also Zuwanderen und ihren Nachkommen) sprechen und
damit unterstellen, dass durch die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft – siehe
unten – in jedem Fall die Herausforderung der Integration noch nicht automatisch gelöst ist.
Andererseits möchten wir jedoch auch ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir nicht ausschlie-
ßen wollen, dass Menschen mit Migrationshintergrund bereits erfolgreich integriert sind.

Unterschiedliche AusländerInnenquoten in den Bundesländern

Am 1.1.2005 hatten 776.147 ausländische Staatsangehörige ihren Hauptwohnsitz in Österreich –
dies ist ein Anteil von 9,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung.
Abbildung 6: Bevölkerung nach In- und AusländerInnen 1971-2001

                                                      AusländerInnenanteil 1971-2001
                                      8,0

                                      7,0

                                      6,0                                                                AusländerInnen
                Bevölkerung in Mio.

                                      5,0

                                      4,0                                                                Österr.
                                                                                                         Staatsbürger-
                                      3,0                                                                Innen
                                      2,0

                                      1,0

                                      0,0
                                            1971           1981            1991             2001

                                                   Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 8.11)

Die Verteilung der nicht-österreichischen Bevölkerung innerhalb Österreichs ist sehr unterschied-
lich. Während in Wien der Anteil nicht-österreichischer EinwohnerInnen im Jahr 2005 17,7 Pro-
zent betrug, lag der Anteil im Burgenland bei nur 4,5 Prozent. Kärnten, Niederösterreich, Oberös-
terreich und die Steiermark bewegen sich zwischen 5,3 und 7,4 Prozent; die Bundesländer Salz-
burg, Tirol und Vorarlberg liegen mit Werten zwischen 9,9 und 12,9 leicht über dem Durchschnitt
Österreichs mit 9,5 Prozent.

MigrantInnen in Österreich sind mehrheitlich im arbeitsfähigen Alter – der Großteil davon
hat eine niedrige Qualifikation

Die meisten der sich in Österreich aufhaltenden MigrantInnen sind im erwerbsfähigen Alter.
Vielfach verlassen sie Österreich jedoch wieder, wenn sie sich dem Ruhestand nähern.

In Bezug auf die Formal-Qualifikation der MigrantInnen ist eine deutliche Zweiteilung zu erken-
nen: Zum einen ist der Anteil der Hochqualifizierten Nicht-ÖsterreicherInnen höher als bei den
ÖsterreicherInnen insgesamt; zum anderen ist aber wiederum der Anteil der Personen mit einem
niedrigen Bildungsniveau bei den im Land lebenden ZuwanderInnen deutlich höher als bei den
ÖsterreicherInnen. So haben durchschnittlich über 50 Prozent der AusländerInnen nur die
Pflichtschule absolviert, wohingegen bei den ÖsterreicherInnen dieser Anteil bei lediglich 20
Prozent liegt.

                                                                          12
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                                            23.05.06

Sinkende Zahl an Einbürgerungen nach 2003

Aus dem Blickwinkel der Integration ist die Gruppe der eingebürgerten Personen ebenfalls eine
wichtige Größe, weil der Wechsel der Staatsbürgerschaft nicht automatisch Maßnahmen der
Integration für diese Gruppe verzichtbar macht und auch eingebürgerte Personen im Bewusst-
sein von ÖsterreicherInnen oftmals immer noch als AusländerInnen wahrgenommen werden.

In den 80er Jahren wurden jährlich durchschnittlich 4.000 AusländerInnen eingebürgert: 20% aus
Deutschland, 40% aus Jugoslawien und der Türkei, 20% aus Polen, 15% aus Ungarn und der
Tschechoslowakei, alle übrigen Nationen lagen zusammen unter 5%. Im Jahr 1991 waren es
bereits 20.000 Einbürgerungen jährlich. Die Einbürgerungsquote (Einbürgerungen in Prozent der
ausländischen Wohnbevölkerung) steigt seit Mitte der neunziger Jahre kontinuierlich und erreich-
te 2003 einen Höchststand mit 6,3% nach 5,1% im Jahr 2002, 4,5% im Jahr 2001 und 3,5% im
Jahr 2000. Im Jahr 2004 erhielten 42.174 Personen die österreichische Staatsbürgerschaft.
Bezogen auf die zu Jahresbeginn 2004 in Österreich lebende ausländische Wohnbevölkerung
(765.303) bedeutet dies eine Einbürgerungsquote von 5,4%.

Die Struktur der Einbürgerungen hat sich im Betrachtungszeitraum bis 2004 immer wieder verän-
dert. Der größte Teil der Einbürgerungen bezog sich im Jahr 2004 zum einen auf BürgerInnen
aus dem ‚ehemaligen Jugoslawien’ (2004 = 19.000 Einbürgerungen; = 45%) und zum anderen
auf MigrantInnen aus der Türkei (2004 = 13.000 Einbürgerungen; = 31%).
Tabelle 3: Einbürgerungen 1993-2004 nach Staatsangehörigkeit
         Bisherige
                          1993       1994     1995     1996       1997     1998       1999       2000     2001       2002       2003     2004     1993-2004
    Staatsangehörigkeit

Ehem. Jugoslawien          5.780      5.621    4.529    3.118      3.659    4.142      6.728      7.557   10.737     13.990     21.574   19.045     106.480
Türkei                     2.686      3.377    3.201    7.492      5.064    5.664     10.324      6.720   10.046     12.623     13.665   13.004      93.866
Rumänien                    672        904      872      691       1.096    1.500      1.635      2.682    2.813      1.774      2.096    1.373      18.108
restliches Europa          1.926      2.236    2.081    1.653      2.100    2.648      2.129      2.419    2.541      2.598      2.342    2.394      27.067
Afrika                      703        709      820      615        924     1.144      1.040      1.366    1.787      1.470      1.696    1.912      14.186
Amerika                     209        211      324      264        361      381        278        297      307        302        322      433        3.689
Asien                      2.006      2.026    2.347    1.640      2.382    2.184      2.393      3.122    3.358      3.164      2.845    3.318      30.785
Ozeanien                         7      10       16           9      11           9          8      11           3          4      13       13          114
Sonstiges                   142        181      176      145        195      114        143        146      139         86        141      153        1.761
Insgesamt                 14.131     15.275   14.366   15.627     15.792   17.786     24.678     24.320   31.731     36.011     44.694   41.645     296.056
                                              Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 6.02)

                                                                            13
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                       23.05.06

Abbildung 7: Eingebürgerte nach der bisherigen Staatsangehörigkeit

                                      Eingebürgerte nach bisheriger
                                           Staatsangehörigkeit
                      50.000

                      40.000

                      30.000

                      20.000

                      10.000

                           -
                                             1995

                                                    1996

                                                            1997

                                                                   1998

                                                                                                       2003

                                                                                                              2004
                               1993

                                      1994

                                                                           1999

                                                                                  2000

                                                                                         2001

                                                                                                2002
                        Ehem. Jugoslaw ien                 Türkei                          Rumänien
                        restliches Europa                  Afrika                          Amerika
                        Asien                              Ozeanien                        Sonstiges

                                        Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 6.02)

Ohne Zuwanderung würde die Bevölkerung in Österreich bereits mittelfristig schrumpfen

Wie oben bereits ausgeführt, gehen die aktuellen Bevölkerungsprognosen davon aus, dass mehr
Menschen nach Österreich zuwandern als aus Österreich abwandern (positiver Außenwande-
rungssaldo) und dieser – wenn auch etwas rückläufige Trend – einer der wesentlichen Gründe für
das generelle Bevölkerungswachstum der kommenden Jahre darstellt.

Der Außenwanderungssaldo wird – gegenüber heute – in den kommenden Jahren leicht rückläu-
fig sein und sich mittelfristig bei einem Wert von rund 20.000 Personen einpendeln (siehe Tabel-
le). Das Binnenwanderungsvolumen (d.h. die Wanderung innerhalb Österreichs) ist gegenüber
dem Außenwanderungsvolumen deutlich höher.
Tabelle 4: Außenwanderungssaldo und Binnenwanderungsvolumen – absolut
                                  Wanderungssalden, absolut
Jahr                                2005    2010      2015                          2020         2025           2030
Außenwanderungssaldo              36.303  29.814    23.895                        19.332        20.163        20.500
Binnenwanderungsvolumen           81.579  83.037    83.781                        83.049        81.992        81.390
                                        Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.02)

Die Regionen sind von der Zuwanderung unterschiedlich betroffen

Auch bei der Zuwanderung müssen wir von regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen aus-
gehen: Die internationale Zuwanderung konzentriert sich nach den aktuellen Prognosen vor allem
auf die Stadt Wien und wird im Jahr 2020 mit geschätzten rund 40.000 Personen weit vor allen
anderen Bundesländern liegen und rund 40 Prozent der Gesamtzuwanderung betragen. In Ober-
österreich und Tirol ist mittelfristig mit einer Zuwanderung von rund 13.000 bis 14.000 Personen
pro Jahr zu rechnen. Im Burgenland, in Kärnten und in Vorarlberg wird sich die internationale
Zuwanderung zwischen 2.000 und 5.000 Personen bewegen.

                                                                      14
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                                                 23.05.06

Abbildung 8: Prognostizierte internationale Zuwanderung nach Bundesländern

                                                            Internationale Zuwanderung
                                               50
                                               45
                         Personen in Tausend   40
                                               35
                                               30
                                               25
                                               20
                                               15
                                               10
                                               5
                                               0
                                                                                 OÖ
                                                                        NÖ

                                                                                                    Stmk

                                                                                                           Tirol

                                                                                                                             Wien
                                                               Knt

                                                                                         Slb
                                                     Bgld

                                                                                                                    Vbg
                                                              2005    2010       2015        2020

                                                                                Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006)

Tabelle 5: Internationale Zuwanderung nach Bundesländern – absolut
                                                  Internationale Zuwanderung, absolut
         Ö          Bgld                        Knt      NÖ       OÖ     Slb     Stmk                              Tirol       Vbg           Wien
  2005   115.000     1.840                      4.370 13.915 14.145       7.820 10.925                              9.775       5.635        46.575
  2010   110.000     1.760                      4.180 13.310 13.530       7.480 10.450                              9.350       5.390        44.550
  2015   105.000     1.680                      3.990 12.705 12.915       7.140   9.975                             8.925       5.145        42.525
  2020   100.000     1.600                      3.800 12.100 12.300       6.800   9.500                             8.500       4.900        40.500
                                                                                Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006)

Geburtenraten von ÖsterreicherInnen und Nicht-ÖsterreicherInnen
Tabelle 6: Lebendgeborene nach Staatsbürgerschaft und Bundesland
         Staatsbürger-                                                                               Bundesland
 Jahr       schaft                                    Ö          Bgld          Knt       NÖ        OÖ     Slb             Stmk       Tirol      Vbg     Wien
           Österreich                               67.472      2.029        4.757    12.784    12.132 4.627              9.728     6.125      3.359   11.931
                         absolut
 1999        Nicht-                                 10.666        202          476     1.347     1.770    930             1.037       966        712    3.226
           Österreich        in %                     13,7        9,1           9,1      9,5      12,7   16,7               9,6      13,6       17,5     21,3
           Österreich                               67.694      2.030        4.644    12.717    12.376 4.493              9.683     6.171      3.217   12.363
                         absolut
             Nicht-                                 10.574        176          511     1.380     1.729    944               992       978        680    3.184
 2000      Österreich        in %                     13,5        8,0           9,9      9,8      12,3   17,4               9,3      13,7       17,4     20,5
           Österreich                               65.741      2.059        4.542    12.418    11.970 4.314              9.146     5.916      3.351   12.025
                         absolut
             Nicht-                                  9.717        152          465     1.242     1.467    875               868       867        639    3.142
 2001      Österreich        in %                     12,9        6,9           9,3      9,1      10,9   16,9               8,7      12,8       16,0     20,7
           Österreich                               68.474      2.025        4.467    12.809    12.293 4.580              9.551     6.112      3.435   13.202
                         absolut
             Nicht-                                  9.925        135          365     1.404     1.587    856               911       861        580    3.226
 2002      Österreich        in %                     12,7        6,3           7,6      9,9      11,4   15,7               8,7      12,3       14,4     19,6
           Österreich                               67.861      2.033        4.405    12.526    12.184 4.470              9.548     6.107      3.268   13.320
                         absolut
             Nicht-                                  9.083        134          402     1.276     1.336    704               816       737        512    3.166
 2003      Österreich        in %                     11,8        6,2           8,4      9,2       9,9   13,6               7,9      10,8       13,5     19,2
           Österreich                               69.902      2.076        4.478    13.019    12.561 4.597              9.580     6.364      3.568   13.659
                         absolut
             Nicht-                                  9.066        134          367     1.303     1.376    657               884       674        474    3.197
 2004      Österreich        in %                     11,5        6,1           7,6      9,1       9,9   12,5               8,4       9,6       11,7     19,0

                                                            Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 1.07)

                                                                                        15
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                      23.05.06

Betrachtet man die Statistik der Lebendgeborenen nach der Staatsbürgerschaft wird eines deut-
lich: Der Anteil der Geburten von Nicht-ÖsterreicherInnen an allen Geburten ist seit 1999 insge-
samt – aber auch in den einzelnen Bundesländern – leicht rückläufig und lag im Jahr 2004 bei
zuletzt 11,5 Prozent für Österreich. In den einzelnen Bundesländern variieren die Werte sehr
stark und reichen (bezogen auf das Jahr 2004) von Wien mit 19 Prozent bis gerade einmal 6,1
Prozent im Burgenland. Hinweisen möchten wir an dieser Stelle darauf, dass diese Ergebnisse
mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten sind, weil die Statistik nur nach der Staatsbürgerschaft
unterscheidet und nicht nach dem Migrationshintergrund der Eltern.

Dieser Umstand zeigt sich auch in der Geburtenbilanz, welche bei ÖsterreicherInnen negativ,
hingegen bei Nicht-ÖsterreicherInnen positiv verläuft.
Tabelle 7: Geburtenbilanz von ÖsterreicherInnen und Nicht-ÖsterreicherInnen
                                              Geburtenbilanz
                                       1999       2000      2001               2002         2003         2004
ÖsterreicherInnen                    -9.028     -7.483    -7.505             -5.911       -7.521       -2.571
Nicht-ÖsterreicherInnen               8.966      8.971     8.196              8.179        7.256        7.247
                                           Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 1.07)

Österreich vor einer neuen Zuwanderungswelle?

Die aktuelle Prognose der Statistik Austria11 geht von einer mittelfristig leicht sinkenden Zuwan-
derung aus. Ausgehend von 115.000 internationalen MigrantInnen im Jahr 2005 wird ein Absin-
ken der Zuwanderung auf rund 100.000 Personen im Jahr 2020 erwartet.

Laut einer aktuellen Studie des WIFO für das Bundesministerium für Inneres12 mehren sich die
Anzeichen jedoch dafür, dass Österreich am Beginn einer neuen Zuwanderungswelle stehen
könnte. Als Gründe werden eine erhöhte Freizügigkeit innerhalb der alten und der neuen
EU-Mitgliedsländer, aber auch wachsende internationale Flüchtlings- und Wanderungsbewe-
gungen angeführt. Es sei allerdings kein so massiver Schub wie Ende der 80er-Jahre oder An-
fang der 90er-Jahre – nach dem Fall des Eisernen Vorhanges – zu erwarten, sondern eher eine
„stetige Zuwanderungswelle“. Ebenso vertreten die MigrationsexpertInnen die Ansicht, dass ein
mögliches Abflachen der Zuwanderung aus den 2004 beigetretenen Erweiterungsländern bereits
in absehbarer Zeit durch MigrantInnen aus Bulgarien und Rumänien oder den BürgerInnen aus
Ländern Ex-Jugoslawiens, die ebenfalls eine EU-Mitgliedschaft anstreben, kompensiert werden
könnten. Außerdem sei kurz- bis mittelfristig eine verstärkte Zuwanderung im Rahmen des Fami-
liennachzugs zu erwarten. Damit dürfte das potenzielle Arbeitskräfteangebot in Österreich mittel-
bis längerfristig weiter expansiv sein.

Und so wird in der genannten WIFO Studie letztlich erwartet, dass die Zuwanderung infolge der
Osterweiterung zumindest bis zum Jahr 2020 auf dem Niveau der letzten Jahre bleiben wird. In
diesem Zusammenhang wird für Österreich die Möglichkeit der Einführung eines Punktesystems
diskutiert, mit welchem in Anlehnung an erfolgreiche Modelle in Australien oder Kanada die
Steuerung der Zuwanderung nach Qualifikation oder Alter möglich wird, um insbesondere
Schlüsselarbeitskräften den Aufenthalt in Österreich zu erleichtern.

11
     vgl. ÖROK-Prognose 2001-2031, 2006.
12
     vgl. Der Standard vom 20.03.2006; bzw. Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) / Biffl 2005.

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Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                 23.05.06

Zurzeit arbeiten – so die Studie – die meisten MigrantInnen im Tourismus und in der Land- und
Forstwirtschaft, meist im niedrig qualifizierten Bereich. Die Branchenstruktur der AusländerInnen-
beschäftigung hat sich kaum verändert. Mit Ausnahme der Textil- und der Chemischen Industrie
hat der AusländerInnenanteil an der Beschäftigung in allen Branchen zugenommen. Eine Son-
derentwicklung ist seit dem Sommer 2004 festzustellen: Es kommen vermehrt Arbeitskräfte aus
den alten EU-Mitgliedsländern, insbesondere aus Deutschland, und immer weniger aus der
Türkei nach Österreich.

2.3      Der Nutzen von MigrantInnen für die Gesellschaft

Zuwanderung erfordert einerseits zusätzliche Maßnahmen der Eingliederung der MigrantInnen,
sie bietet andererseits aber auch vielfältige zusätzliche ökonomische und gesellschaftliche Po-
tenziale, die durch eine gezielte Integrationspolitik genutzt werden können13:

• ZuwanderInnen stellen ein wichtiges Arbeitskräftepotenzial dar
  Der Großteil der ZuwanderInnen verrichtet körperlich schwere und schlecht bezahlte Arbeiten
  (z.B. im Bau- oder Gastgewerbe, im Bereich Reinigung,…), für welche sich immer weniger
  ÖsterreicherInnen finden. Dabei ist fast die Hälfte der MigrantInnen unter ihrer Formalqualifi-
  kation beschäftigt. Rund 70 Prozent der ZuwanderInnen (und 90 Prozent der Türken) üben
  Hilfs- oder angelernte Tätigkeiten aus, die meist schlecht bezahlt sind; drei Viertel der Migran-
  tInnen haben ein Einkommen unter dem Durchschnittseinkommen. Insgesamt gibt es (in
  Wien) weniger Arbeitssuchende als ausländische Arbeitskräfte – ohne ZuwanderInnen wären
  viele Arbeitsplätze unbesetzt. Aus hochqualifizierten ZuwanderInnen wird ein vielfacher Nut-
  zen gezogen – z.B. im Managementbereich internationaler Unternehmen, in der Wissenschaft,
  im Gesundheitsbereich, in der Diplomatie oder im Sport.

• ZuwanderInnen sind selbst Arbeitgeber
  Das Mannheimer Institut für Mittelstandsforschung hat ermittelt, dass die MigrantInnen in
  Deutschland rund 3-4 Prozent aller Arbeitsplätze schaffen, gleichzeitig vorzugsweise Lands-
  leute einstellen und somit häufig den Arbeitsmarkt noch zusätzlich entlasten, indem sie Jobs
  für gering Qualifizierte mit mäßigen Deutschkenntnissen anbieten. 14

• ZuwanderInnen sind Konsumenten, die für entsprechende Umsätze an ihrem Lebensort sor-
  gen.

• ZuwanderInnen leisten einen wichtigen Beitrag zum Sozialsystem:
  MigrantInnen tragen mit ihren Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und kommunalen Abga-
  ben zur Finanzierung des Sozialsystems bei, von dem sie gleichzeitig teilweise ausgeschlos-
  sen sind (z.B. Familienleistungen, Sozialhilfe, Wohnbauförderung, Schul- und Studienbeihil-
  fen,…). Eine Analyse des Sachverständigenrates für Zuwanderung und Integration in
  Deutschland hat unlängst – entgegen weit verbreiteter Vorurteile in der Bevölkerung – zeigen
  können, dass selbst unter der Prämisse einer hohen Arbeitslosigkeit von MigrantInnen in
  Deutschland diese letztlich mehr zum Sozialstaat beitragen, als sie ihn kosten. 15

13
     Die dargestellten Potenziale sind mehrheitlich einer Studie entnommen, welche versucht, die Potenziale von Zuwanderern
     für die Stadt Wien zu erfassen; siehe Höferl (2006). Siehe hierzu auch die Einschätzungen der Gemeinden in der nachfol-
     gend beschriebenen BürgermeisterInnenbefragung.
14
     vgl. die Beiträge in: Die Zeit vom 4. Mai 2006, S. 4
15
     Neben diesen direkten Auswirkungen auf die Gemeinde hat die Zuwanderung auch einen erheblichen volkswirtschaftlichen
     Nutzen. Zuwanderung, die vor allem auf Unterschiede in den Lohnniveaus zurückgeht (z.B. „GastarbeiterInnen“), führen
     grundsätzlich zu einem effizienteren Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit und somit auch zu einem Anstieg des Sozialpro-

                                                                 17
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                                23.05.06

• ZuwanderInnen geben wichtige Impulse für Kultur und Gesellschaft:
  Städte profitieren von einer größeren ethnischen Vielfalt und Diversität etwa durch Mehrspra-
  chigkeit der Bewohner oder indem ZuwanderInnen ihre – in den Herkunftsländern erworbenen
  speziellen Fähigkeiten und Fertigkeiten – hier zur Verfügung stellen (Handwerk, Künste, Ko-
  chen) und damit die städtische Gesellschaft bereichern.

3        Integration als Herausforderung und Chance der Städte und Gemeinden

Die Zukunft der Städte ist multiethnisch. Um den sozialen Zusammenhalt sicherzustellen, ist die
konsequente Integration von ZuwanderInnen für die Städte eine zwingende Notwendigkeit. ‚Mig-
ration als Chance begreifen’ nannte die ‚Global Commission on International Migration’16 Ende
2005 ihren Bericht an die UN. Neben den positiven Effekten der Zuwanderung (etwa den Vortei-
len für die städtische Wirtschaft) erwachsen den Städten aber gleichzeitig neue und erweiterte
Aufgaben einer gezielten Integration dieser ZuwanderInnen. Nicht zuletzt die Jugendkrawalle in
Frankreich im vergangenen Jahr haben auf bestehende Versäumnisse aufmerksam gemacht.

Es fehlt aber auch in Österreich bislang an einer generellen und aktiven Integrationspolitik quer
über alle staatlichen Ebenen. 17 Einbürgerung – also der formale Wechsel der Staatsbürgerschaft
– ersetzt Integrationsmaßnahmen nicht grundsätzlich, weil – wie wir oben versucht haben zu
zeigen – viele Einheimische diese Neu-ÖsterreicherInnen weiterhin als AusländerInnen wahr-
nehmen und sich bei den Eingebürgerten selbst, durch den neuen rechtlichen Status nicht
zwangläufig auch frühere Einstellungen und Verhaltensweisen sofort verändern. Eine solche
Gegensätzlichkeit von internationalen MigrantInnen und „Einheimischen“ sollte jedenfalls nicht als
gegeben hingenommen werden, sondern konsequent versucht werden, diese zu überwinden.

Städte leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration

Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Hinblick auf eine erfolgreiche Integration
sind somit Bund, Länder und Gemeinden gleichermaßen gefordert. Für die Städte und Gemein-
den ist – im Sinne des sozialen Zusammenhaltes – eine erfolgreiche Integration lebenswichtig.
Die Zukunft vieler Städte wird aufgrund der absehbaren demographischen Entwicklungen multi-
ethnisch sein und im Lebensraum Stadt wird sich als erstes zeigen, inwieweit Strategien und
Maßnahmen zur Integration erfolgreich waren.

Wenn ein Nachholbedarf im Bereich der Integration generell zutreffend ist, dann bedarf es zu-
nächst einer eher nachholenden Integrationspolitik,18 aber gleichzeitig auch konsequenter Schrit-
te in die Zukunft. Dabei ist unübersehbar, dass das Thema „Integration“ politisch sehr sensibel ist
und schnell Gefahr läuft, in der tagespolitischen Debatte missbraucht zu werden.

Die Städte und Gemeinden leisten bereits heute einen wichtigen Beitrag im Rahmen einer über-
greifenden Integrationspolitik, was auch zukünftig so sein wird. Die Hauptverantwortung für die
Integrationspolitik liegt aber eindeutig beim Bund. Dies nicht zuletzt deshalb, weil dort die wesent-

     dukts. Je höher die Einkommensunterschiede sind, desto höher sind die Wachstumsgewinne. Berechnungen des Deut-
     schen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin haben ergeben, dass eine Zuwanderung von 1 Prozent der Erwerbsbevöl-
     kerung zu einem Anstieg des BIP um 0,5 Prozent führt. Auch beim umlagenfinanzierten Rentenversicherungssystem wird
     ein positiver Beitrag der Zuwanderer gesehen. vgl. Brücker (2004), S. 3
16
     vgl. http://www.gcim.org/en/
17
     vgl. Güngör u. Ehret (2002), S. 5 f.
18
     vgl. Bade (2006), S. 7

                                                                18
Arbeitskreis 2 – Die bunte Stadt                                                                               23.05.06

lichen Entscheidungen über die Rahmenbedingungen – so etwa über den Zuzug aus dem Aus-
land – getroffen werden.

Als wichtige Aufgabenbereiche des Bundes wären etwa zu nennen19:
• die nachhaltige Sensibilisierung der Bevölkerung für die Notwendigkeit aber auch die Vorteile
   der Zuwanderung,
• die Versachlichung der Diskussion über Zuwanderung und Integration und die Vermeidung
   von Polarisierungen in der Gesellschaft,
• Hilfen bei der Eingliederung von MigrantInnen in den Arbeitsmarkt (z.B. durch die Anerken-
   nung von im Ausland erworbenen Berufs- und Bildungsabschlüssen aufgrund von Ausbil-
   dungsdauer und Ausbildungsinhalten),
• die Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten und die Eröffnung von Möglichkeiten zur Teil-
   nahme an den politischen Entscheidungsprozessen (z.B. Wahlrecht) ,
• und letztlich die dauerhafte und umfassende Finanzierung aller Integrationsprogramme.

Als vom Bund bereits realisierte Rahmenbedingungen der Integration wurden uns genannt20:

• Sozialleistungen
  Für die Erteilung von Aufenthaltstiteln ist – laut aktueller Regelung – das Vorhandensein von
  ausreichenden Unterhaltsmitteln sowie eine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung er-
  forderlich. Das Fehlen dieser Elemente bildet einen möglichen Versagungsgrund (Ermessens-
  übung der Behörde). Die gesetzliche Sozialversicherung orientiert sich bei ihren Leistungen
  an der Erwerbstätigkeit und nicht am Aufenthaltsstatus (oder die Staatsbürgerschaft) – also
  lediglich daran, ob Beiträge geleistet wurden (oder z.B. von einem Arbeitgeber – auch bei
  „Schwarzarbeit“ bzw. illegaler AusländerInnenbeschäftigung – nachgefordert werden können).
  Gleichzeitig bietet sie Anreize für den Familiennachzug, indem großzügige Möglichkeiten zur
  Mitversicherung von EhepartnerInnen und Kindern im System angelegt sind. In diesem Be-
  reich gibt es – gesamtsystematisch – eine weitgehende Integration von Anfang an. In Bezug
  auf (nicht beitragsabhängige) Sozial- und Familienleistungen gilt es hingegen, einen legalen
  Aufenthaltsstatus zu verlangen, da sonst Anreize zur Gesetzesumgehung geschaffen würden.

• Arbeitsmarktintegration
  Die Fremdenrechtsgesetz-Novelle zum 01.01.2003 brachte eine weitere Harmonisierung, in-
  dem mit dem Niederlassungsnachweis erstmals ein einheitliches Dokument für zeitlich unbe-
  schränkte Niederlassung und einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang eingeführt wurde.
  Bei Schlüsselkräften (das ist jene Gruppe, auf die die Neuzuwanderung von Arbeitskräften –
  abgesehen vom Familiennachzug – derzeit beschränkt ist) wurde ein One-Stop-Shop-
  Verfahren eingeführt. Im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz wurden diese Elemente bei-
  behalten, jedoch um den Umstand erweitert, dass bei kurzfristiger Beschäftigung die Beschäf-
  tigungsbewilligung das Aufenthaltsrecht mit umfasst. Dies trägt zu einer transparenteren Ab-
  grenzung von dauerhaften Sachverhalten (Niederlassung) gegenüber temporären und bloß
  vorübergehenden Aufenthalten bei.

• Sprachliche Frühförderung
  Die Schülereinschreibung erfolgt zukünftig jeweils Oktober/November (ein Jahr vor Schulein-
  tritt). Gleichzeitig findet ein Sprachtest statt. Bei Bedarf wird den Eltern empfohlen, das För-

19
     siehe etwa Güngör u. Ehret (2002), S. 8
20
     Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf eine schriftliche Auskunft von Alexander Janda; siehe dazu auch das
     diesbezügliche Referat von Alexander Janda im Arbeitskreis 2.

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