Steuer Update 2022 - VISCHER
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Steuer Update 2022
Inhalt I Einleitung 1 II Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 2 A Steuerliche Auswirkungen der A ktienrechtsreform 2 1 Einführung des Kapitalbands 2 2 Neue Möglichkeit von Interims- bzw. Zwischendividenden 3 3 Geschäftsabschluss und Aktienkapital neu in Fremdwährung möglich 3 B Neues Kreisschreiben Nr. 5a der Eidgenössischen Steuerverwaltung betreffend U mstrukturierungen 4 1 Praxisänderungen mit dem neuen Kreisschreiben 4 2 Nachvollzug früherer Praxisänderungen 4 3 Klarstellung der Verwaltungspraxis 5 C Neuerungen und A ktualitäten im Bereich der Verrechnungssteuer 5 1 Verrechnungssteuerreform – A bschaffung der Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen 5 2 Erweiterung des Meldeverfahrens im Konzern 6 D Neuerungen und A ktualitäten im Bereich der Stempelabgaben 6 1 Abgelehnte Abschaffung der E missionsabgabe 6 2 Vermittlerbegriff bei der Umsatzabgabe 6 E Entscheide 7 1 Entscheid zur Anwendung der Altr eservenpraxis bei einem Drittverkauf 7 2 Art. 103 FusG: keine Handänderungssteuer bei Umstrukturierungen nach Art. 8 Abs. 3 bzw. 24 Abs. 3 und 3quarter StHG 8 3 CHF 10 Millionen Sanierungsfreibetrag bei der Emissionsabgabe auch ohne bilanzielle Verlustausbuchung 9 4 Interkantonale Verlustverrechnung bei einer Immobiliengesellschaft 10 Steuer Update 2022
III Natürliche Personen 12 A Neuerungen in der G esetzgebung und in der Verwaltungspraxis 12 1 Private Nutzung des Geschäftsfahrzeuges (inklusive Arbeitsweg) bei unselbständiger Erwerbstätigkeit 12 2 Neue Besteuerung von Kapitalleistungen aus Vorsorge und Versicherung bei natürlichen Personen im Kanton Zürich 14 B Entscheide 16 1 Liegenschaftsunterhaltskosten 16 2 Berechnung der Dreijahresfrist beim Einkauf in die berufliche Vorsorge 16 3 Steuerrechtlicher Aufenthalt aufgrund medizinischer Behandlung in der Schweiz 17 4 Übersicht der Rechtsprechung zur interkantonalen Wohnsitzverlegung 18 IV Grundsteuern 20 A Aktuelles 20 1 Abschaffung des Eigenmietwerts? B Entscheide 21 1 Grundstückgewinnsteuern: B ei gemischten Schenkungen ist ein Steueraufschub möglich 21 2 Im Kanton Basel-Landschaft können die Baunebenkosten unter bestimmten Umständen pauschal 15 % betragen 21 3 Verrechnung eines Grundstückgewinns im Kanton Zürich mit ausserkantonalen Betriebsverlusten 22 4 Kein Steueraufschub infolge Ersatzbeschaffung nach 4 Jahren 22 V Mehrwertsteuer 24 A Praxisänderungen und –präzisierungen 24 1 Privatanteil Geschäftsfahrzeug 24 2 Steuernachfolge / Haftung 24 B Aktuelle Entscheide 25 1 Solidarische Mithaftung von L iquidatoren 25 2 Keine Vorsteuerkorrektur bei Kauf eigener Aktien 25 3 Entstehung der Steuerforderung bei Gutscheinen 26 Steuer Update 2022
C Ausblick 27 1 Botschaft zur Änderung des Mehrwertsteuergesetzes vom 24. September 202 27 2 Besteuerung von elektronischen Plattformen im Besonderen 28 VI Internationale Steuern 30 A Internationale Abkommen 30 1 Covid-19: (Update) Auswirkungen auf die Besteuerung und Sozialversicherungsunterstellung von Grenzgängern 30 2 Änderungen Doppelbesteuerungsabkommen: Anpassungen an BEPS Mindeststandards 32 3 Senkung Residualsätze in DBA mit Indien und Chile aufgrund Anwendung sogenannter Meistbegünstigtenklausel 32 4 Weitere Neuerungen 33 B Wesentliche neue Gesetze und Verordnungen 34 1 Bundesgesetz über die Durchführung von internationalen Abkommen im Steuerbereich 34 C Wesentliche neue Entwicklungen in der OECD / EU 35 1 Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten – Eckwerte und Konkretisierung veröffentlicht 35 2 Automatischer Informationsaustausch über Finanzkonten (AIA) 45 3 Die EU geht gegen Briefkastenfirmen vor und definiert Substanzkriterien 46 D Entscheide 48 1 Juristischer Personen 48 2 Natürliche Person 49 3 Verfahren 50 Kontaktpersonen52 Weitere Informationen 53 Steuer Update 2022
I Einleitung Die Kanzlei VISCHER verfügt über ein kompetentes Steuerteam mit dreizehn Mitgliedern. Die Steuer- experten, Wirtschaftsprüfer, Anwälte und Treuhän- der beraten nationale sowie internationale Unter- nehmen und Unternehmer in allen Bereichen des Steuerrechts, sei es bei Ansiedlungen, Umstruktu- rierungen, Finanzierungen, Übernahmen oder bei der Gestaltung von Nachfolgeregelungen. Auch die Unterstützung von vermögenden Privat- personen ist Teil der täglichen Aufgaben. Nebst den typischen Steuerberatungsdienstleis tungen nimmt das Steuerteam auch Compliance- Aufgaben, wie Steuerrückstellungsberechnungen oder in komplexeren Fällen das Erstellen von Steuer erklärungen, wahr. Schliesslich führen die Team- mitglieder auch Steuerprozesse, sofern im Vorfeld keine angemessene Lösung mit den Behörden ge- funden werden kann. Dies ist zunehmend im Bereich der internationalen Amts- und Rechtshilfe der Fall. Mit dem elften Steuer Update nutzt das Steuerteam von VISCHER wiederum die Gelegenheit, einem steuerlich interessierten Publikum die Neuerungen in den wesentlichen Bereichen des Steuerrechts vorzustellen, welche sich im vergangenen Jahr er- geben haben und / oder im Jahr 2022 von Bedeutung sein werden. Steuer Update 2022 1
II Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben Christoph Niederer, Rechtsanwalt und dipl. Steuerexperte Patrik Fisch, MLaw HSG, MAccFin HSG, dipl. Steuerexperte A ist somit eigentlich nichts anderes als die Ergänzung der genehmigten Kapitalerhöhung um die geneh- Steuerliche migte Kapitalherabsetzung. Auswirkungen der b) Steuerliche Auswirkungen Aktienrechtsreform Die Einführung des Kapitalbands hat keine direkten steuerlichen Auswirkungen. Dessen Einführung Bundesrat und Parlament beschäftigen sich schon erleichtert bei börsenkotierten Gesellschaften aller seit gut zwanzig Jahren mit der Aktienrechtsreform. dings die eigentlich bereits heute bestehende Miss- Nachdem am 8. Oktober 2020 die Referendumsfrist brauchsmöglichkeit, dass anstatt der Ausschüttung für die am 19. Juni 2020 vom Parlament beschlos- von Dividenden im Rahmen des Kapitalbands eige- sene Vorlage ungenutzt verstrichen ist, befindet sie ne Aktien über die zweite Handelslinie zurückgekauft sich aber nun endlich auf der Zielgeraden. Es wird werden (für Verkäufer, bei denen das Buchwertprin- derzeit mit dem vollständigen Inkrafttreten der zip gilt, ohne Einkommens- bzw. Gewinnsteuerfol- Revision im Jahr 2023 gerechnet. Mit der Vorlage gen 1) und anschliessend, ebenfalls im Rahmen des erfahren auch verschiedene Steuergesetze punk- Kapitalbands, das Kapital wieder erhöht und neue tuelle Änderungen. Von steuerlicher Relevanz sind Aktien unter Bildung von Kapitaleinlagereserven im Wesentlichen folgende Aspekte der Reform: ausgegeben werden. Um zu verhindern, dass auf diese Weise immerzu Mittel steuerfrei an die Akti- onäre zurückgeführt werden können, sieht die 1 Einführung des Kapitalbands Vorlage eine Änderung von Art. 20 Abs. 3 des Bun- desgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) und Art. 5 Abs. 1ter des Verrechnungssteuergesetzes a) Aktienrechtliche Regelung (VStG) vor, wonach die während des Kapitalbands geschaffenen Kapitaleinlagereserven nur insoweit Mit der Einführung des Kapitalbands können die als Kapitaleinlagereserven qualifizieren, als sie die Statuten den Verwaltungsrat neu ermächtigen, Rückzahlungen von übrigen Reserven während des während der Dauer von maximal fünf Jahren das Kapitalbands übersteigen. Die steuerf rei rückzahl- Aktienkapital innerhalb einer Bandbreite (Kapital- baren Kapitaleinlagereserven, die während des band) ohne umständliche Kapitalerhöhungs- bzw. Kapitalbands geschaffen werden, werden also am Kapitalherabsetzungsverfahren zu verändern. Die Ende des Kapitalbands im Sinne einer Nettobetrach- Statuten legen fest, innerhalb welcher Grenzen der tung bestimmt, was unter anderem zur Folge hat, Verwaltungsrat das Aktienkapital erhöhen und her dass während des Kapitalbands geschaffene Kapi- absetzen darf. Die obere und die untere Grenze des taleinlagereserven erst nach dem Ende des Kapi- Kapitalbands dürfen das im Handelsregister einge- talbands steuerfrei zurückbezahlt werden können. tragene Aktienkapital aber höchstens um die Hälfte In der Literatur wird moniert, dass diese Einschrän- übersteigen bzw. unterschreiten. Das Kapitalb and kung unnötigerweise für sämtliche und nicht nur 1 Typischerweise verkaufen auf der zweiten Handelslinie nur Banken und professionelle Händler, die Arbitrage betreiben, indem sie die Titel kurz zuvor auf der ersten Handelslinie zu einem leicht tieferen Preis erwerben. Der allfällig resultierende Kapitalgewinn ist unter dem Buchwertprinzip aber grundsätzlich steuerbar. Steuer Update 2022 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 2
börsenkotierte Gesellschaften gilt, obwohl nur 3 Geschäftsabschluss und Aktienkapital letztere mittels Aktienrückkäufen über die zweite neu in Fremdwährung möglich Handelslinie tatsächlich eine Missbrauchsmöglichkeit haben 2. Auch die Emissionsabgabe wird konsequen- terweise nur auf dem am Ende des Kapitalbandes a) Aktienrechtliche Regelung festgestellten Nettozuwachs von Aktienkapital und Kapitaleinlagereserven erhoben, weshalb das Bun- Die Revision des Rechnungslegungsrechts wurde aus desgesetz über die Stempelabgaben (StG) ebenfalls der Aktienrechtsreform herausgetrennt und dieser entsprechend angepasst wird. vorgezogen. Die entsprechenden Gesetzesänderun- gen traten bereits am 1. Januar 2013 in Kraft. Eine wesentliche Änderung, die mit der Revision des 2 Neue Möglichkeit von Interims- bzw. Rechnungslegungsrechts eingeführt wurde, ist die Zwischendividenden Möglichkeit, den Geschäftsabschluss in Fremdwährung zu erstellen, vorausgesetzt, es handelt sich bei die- ser um eine für die Geschäftstätigkeit wesentliche a) Aktienrechtliche Regelung Währung (sog. funktionale Währung). Mit der Aktien rechtsreform folgt nun noch die Anpassung, dass Die Ausschüttung von Dividenden war bisher nicht auch das Aktienkapital auf die funktionale Währung zuletzt aufgrund der restriktiven Praxis der Revisions lauten kann. Lautet das Aktienkapital auf eine an- stellen nur aus dem Gewinn des abgelaufenen Ge- dere Währung als Schweizer Franken, so haben die schäftsjahrs und den freien Reserven gemäss dem Buchführung und die Rechnungslegung in derselben von der Generalversammlung genehmigten Jahres- Währung zu erfolgen. abschluss und gestützt auf einen entsprechenden Generalversammlungsbeschluss möglich. Mit der Aktienrechtsreform wird nun die Möglichkeit von b) Steuerliche Auswirkungen Interims- bzw. Zwischendividenden (nicht zu ver- wechseln mit ausserordentlichen Dividenden 3) Neu gilt, dass bei einem Geschäftsabschluss in einer geschaffen. Das heisst, es wird neu zulässig sein, Fremdwährung, der steuerbare Reingewinn zum dass die Generalversammlung Dividenden aus dem durchschnittlichen Devisenkurs (Verkauf) in der laufenden, im Zwischenabschluss ausgewiesenen entsprechenden Steuerperiode in Franken umge- Gewinn beschliesst. Die Ausschüttung einer Inte- rechnet wird 5. Das steuerbare Kapital wird zum rims- bzw. Zwischendividende setzt aber in jedem Devisenkurs (Verkauf) erst am Ende dieser Steuer- Fall einen (revidierten) Zwischenabschluss voraus. periode umgerechnet 6. Damit wird sichergestellt, dass die steuerliche Gewinnermittlung in Fremdwäh- rung erfolgen kann. Mit anderen Worten erfolgt die b) Steuerliche Auswirkungen Ermittlung der Steuerfaktoren in Fremdwährung und nur der steuerbare Reingewinn und das steuerbare Interims- bzw. Zwischendividenden werden steuer- Kapital werden in Franken umgerechnet. Die Steu- lich gleich behandelt wie ordentliche Dividenden. ererhebung und der Steuerbezug erfolgen hingegen Für die Bestimmung der handelsrechtlich ausschüt- weiterhin in Schweizer Franken. Mit den erwähnten tungsfähigen Reserven im Rahmen der indirekten Änderungen wird das Problem der Umrechnungs- Teilliquidation oder der Altreservenpraxis sollte nach gewinne/-verluste bei Geschäftsabschluss in einer hier vertretener Auffassung, selbst bei Vorliegen Fremdwährung behoben, deren steuerliche Behand- eines Zwischenabschlusses, auch weiterhin der lung Anlass zu Kontroversen gegebenen hat, wobei letzte Jahresabschluss massgebend sein 4. das Bundesgericht (BGer) 7 bereits entschieden hat, diese seien erfolgsneutral im Eigenkapital zu verbu- chen, womit sie gewinnsteuerlich unberücksichtigt bleiben. Unter der neuen Regelung sollte es auch möglich sein, dass Gesellschaften, die ihren Ge- schäftsabschluss in Fremdwährung erstellen und 2 Vgl. etwa Bertschinger / Mühlemann, Steuerliche Auswirkungen der Aktienrechtsrevision, StR 75 / 2020, 890; Oesterhelt / Schreiber, Steuerrechtliche Aspekte der Aktienrechtsreform, EF 6 / 2021, 275. 3 Ausserordentliche Dividenden sind Dividenden aus freien Reserven und dem Gewinn des abgeschlossenen Geschäftsjahrs gemäss dem genehmigten Jahresabschluss, die von einer ausserordentlichen Generalversammlung beschlossen werden. 4 So auch Oesterhelt / Schreiber, a.a.O., 278. 5 nArt. 80 Abs. 1bis DBG bzw. nArt. 31 Abs. 3 bis StHG. 6 nArt. 31 Abs. 5 StHG. 7 BGer 2G 857 / 2008 vom 1. Oktober 2009. Steuer Update 2022 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 3
deren Aktienkapital auf eine Fremdwährung lautet, nungssteuersubstrat bleibe indirekt durch die sich Kapitaleinlagereserven ebenfalls in Fremdwäh- inländische Muttergesellschaft erhalten. rung bestätigen lassen können 8. – Die Mindestbeteiligungsquote für eine steuer neutrale Beteiligungsausgliederung wird von 20 % auf 10 % gesenkt. Dies stellt einen B überfälligen Nachvollzug der Anpassung beim Beteiligungsabzug dar, bei dem die Mindest- Neues Kreisschreiben beteiligungsquote mit dem Unternehmens- steuerreformgesetz vom 23. März 2007 (Unter Nr. 5a der Eidge- nehmenssteuerreform II) mit Wirkung ab nössischen Steuer- 1. Januar 2011 auf 10 % gesenkt wurde. Neu werden der Gewinnsteuerwert und die Halte- ver waltung betreffend dauer der übertragenen Beteiligung von der übernehmenden Gesellschaft weitergeführt. Umstrukturierungen Die Gestehungskosten der über tragenen Beteiligung entsprechen dem Gewinnsteuer- wert. Keine anteilige Übertragung der Halte- dauer erfolgt hingegen bei teilweise steuer- Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat neutraler Beteiligungsausgliederung. am 1. Februar 2022 mit dem Kreisschreiben Nr. 5a – B ei der Spaltung und der Ausgliederung wird eine neue Fassung des in die Jahre gekommenen mit Bezug auf die Übertragung der noch nicht Kreisschreibens Nr. 5 betreffend Umstrukturierungen verrechneten Vorjahresverluste die bisherige vom 1. Juni 2004 publiziert. Neben vereinzelten Kann-Regelung durch die zwingende Vorschrift Praxisänderungen führt das neue Kreisschreiben ersetzt, dass die auf den übertragenen Be- bereits frühere Praxisänderungen, teilweise aufgrund triebsteil entfallenden noch nicht verrechne- ergangener Gerichtsentscheide, nach. Daneben ten Vorjahresverluste auf den übernehmenden erfährt das Kreisschreiben einige Ergänzungen zur Rechtsträger zu übertragen sind. Klarstellung der Verwaltungspraxis. Schliesslich – Eine Sperrfristverletzung bei der Ausgliede- ergeben sich eine Reihe von Anpassungen aufgrund rung eines Betriebs, Teilbetriebs oder von des Kapitaleinlageprinzips, das im bisherigen Kreis- Gegenständen des betrieblichen Anlagever- schreiben noch nicht berücksichtigt war, sowie des mögens oder bei einer Vermögensübertragung Bundesgesetzes über die Steuerreform und die im Konzern gemäss Art. 61 Abs. 3 und 4 DBG AHV-Finanzierung (STAF). Die wichtigsten Änderun- hat keine Nacherhebung der Emissionsabgabe gen lassen sich wie folgt zusammenfassen: mehr zur Folge, da es dafür an einer gesetz- lichen Grundlage fehlt. 1 Praxisänderungen mit dem neuen Kreisschreiben: 2 Nachvollzug früherer Praxisänderungen: – Die Übertragung einer Beteiligung von einer – E rfährt eine natürliche Person durch eine Schweizer Gruppengesellschaft auf eine durch Umstrukturierung einen Zuwachs der Summe eine inländische Mutter direkt oder indirekt von Nennwert und Kapitaleinlagereserven, so beherrschte ausländische Gruppengesellschaft hat ein Nennwertzuwachs in entsprechendem ist neu nicht mehr steuerneutral möglich. Es Umfang Einkommens- und Verrechnungs erfolgt eine verrechnungssteuerliche und steuerfolgen (Gratisnennwerterhöhung), nicht direktsteuerliche Abrechnung, wobei bei der aber einen Zuwachs der Kapitaleinlagere Gewinnsteuer grundsätzlich der Beteiligungs- serven, da es dafür keine gesetzliche Grund- abzug zur Anwendung kommt, sofern die lage gibt. Die Kapitaleinlagereserven werden einjährige Mindesthaltedauer erfüllt ist. Dies im Umfang des Anstiegs, soweit nicht durch scheint steuersystematisch richtig, zumal der eine Nennwertreduktion kompensiert, aber- Schweizer Fiskus das Besteuerungsrecht an kannt. Dies gilt auch bei einer Quasifusion den stillen Reserven auf der übertragenen mit zeitnaher Absorption. Beteiligung verliert. In der Literatur wird – Eine steuerneutrale Holdingspaltung ist auch hingegen zum Teil postuliert, das Verrech- möglich, wenn die Holdinggesellschaft zwar keinen eigentlichen Holdingbetrieb mit Per- 8 So auch Oesterhelt / Schreiber, a.a.O., 278; Bertschinger / Mühlemann, a.a.O., 886. Steuer Update 2022 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 4
sonal aufweist, aber zu je mindestens 50 % über die sie Obligationen verrechnungssteuerfrei an zwei aktiven, operativen Gesellschaften ausgeben können. Folge davon ist, dass der Schweizer beteiligt ist und sie eine dieser Beteiligungen Fremdkapitalmarkt vergleichsweise unterentwickelt auf die übernehmende Gesellschaft überträgt ist und Schweizer Konzerne entsprechende Funkti- bzw. abspaltet (sog. Transparenzprinzip). Die onen und Arbeitsplätze ins Ausland verlagert haben. entsprechende Praxisänderung geht auf einen Um dem entgegenzuwirken und den Fremdkapital- Bundesgerichtsentscheid zurück 9. markt im Inland zu stärken, hat der Bundesrat einen – B ei einer Fusion setzt die Übernahme von neuerlichen (den dritten!) Anlauf zur Reform der Vorjahresverlusten der übertragenden juris- Verrechnungssteuer unternommen. Das aktuelle tischen Person gemäss bundesgerichtlicher Reformvorhaben ist gegenüber den früheren Rechtsprechung10 betriebswirtschaftliche Grün- abgespeckt und sieht nur noch die Abschaffung der de voraus. Die Verlustübernahme ist ausserdem Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen vor. Die bei Steuerumgehung ausgeschlossen. früher verfolgte Umstellung vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip wird hingegen nicht mehr weiter- verfolgt, da diese seitens der Praxis als zu kostspie- 3 Klarstellung der Verwaltungspraxis: lig und schwer umsetzbar erachtet wird. Die Eck- punkte der nun vom Parlament beschlossenen – Teilweise steuerneutrale Umstrukturierungen Gesetzesänderung sind die Folgenden: sind grundsätzlich in dem Umfang steuer – A bschaffung der Verrechnungssteuer auf neutral möglich, als die jeweiligen Vorausset- Obligationen- bzw. Fremdkapitalzinsen. Z insen zungen für eine steuerneutrale Umstruktu- auf Einlagen von inländischen natürlichen rierung erfüllt sind. Personen (Kundenguthaben) bei inländischen – Eine Holdingspaltung mit zeitnaher Tochter- Banken und Sparkassen sind von der Abschaf- oder Mutterabsorption qualifiziert steuerlich – fung ausgenommen. Zinsen auf gewöhnlichen unter Berücksichtigung von Anfangs- und Darlehen, die nicht als Obligationen qualifi- Endsituation – als direkte Ausschüttung der zieren, unterlagen schon bisher nicht der Beteiligungsrechte der Tochtergesellschaft Verrechnungssteuer. Auch die sog. Too-big- bzw. als Naturaldividende. Diese unterliegt im to-fail-Instrumente waren schon bisher von Umfang ihres Verkehrswerts der Verrechnungs- der Verrechnungssteuer ausgenommen. Die steuer. Abschaffung betrifft somit einzig Obligationen nach Massgabe der 10 / 20-Nichtbankenregel von Schweizer Schuldnern. C – Intertemporalrechtlich sieht die Gesetzes vorlage vor, dass die Verrechnungssteuer auf Neuerungen und den Zinsen der im Zeitpunkt der Inkraftsetzung bereits ausstehenden Obligationen unverän- Aktualitäten im Bereich dert erhoben wird. Die Gesetzesänderung der Verrechnungssteuer erfasst mithin nur die nach Inkraftsetzung der Gesetzesänderung ausgegebenen Obli- gationen. – Weiter sieht die Vorlage vor, dass die Erhebung 1 Verrechnungssteuerreform – der Verrechnungssteuer auf Ersatzzahlungen A bschaffung der Verrechnungssteuer beim Securities Lending, wie sie bereits ge- auf Obligationenzinsen mäss bisheriger Praxis erfolgt, im Interesse der Rechtssicherheit einer gesetzlichen Re- Die Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen macht gelung zugeführt wird. den Schweizer Fremdkapitalmarkt unattraktiv. – Q uasi steuerartübergreifend sieht die Ge Zwar sehen die meisten Doppelbesteuerungsabkom- setzesvorlage schliesslich noch die Abschaf- men der Schweiz den Nullsatz für Zinsen vor, aufgrund fung der Umsatzabgabe auf Sekundärmarkt- des aufwendigen Rückerstattungsprozederes und transaktionen mit inländischen Obligationen dessen regelmässig langen Dauer, meiden auslän vor. Auf dem Sekundärmarkthandel mit aus- dische Investoren aber inländische Obligationen. ländischen Obligationen soll die Umsatzab- Schweizer Konzerne behelfen sich mit ausländischen gabe hingegen unverändert erhoben werden. Finanzgesellschaften, oft in Offshore-Jurisdiktionen, 9 BGer 2C 34 / 2018 vom 11. März 2019. 10 BGer 2C 351 / 2011 vom 4. Januar 2012, E.3.2. Steuer Update 2022 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 5
Gestützt auf die bundesrätliche Botschaft vom Schwester- oder Grossmuttergesellschaften das 14. April 2021 hat die Bundesversammlung nach Meldeverfahren auch nach der geplanten Verord- Behandlung in den Räten in der Schlussabstimmung nungsänderung nicht gewährt wird, obwohl Art. 20 vom 17. Dezember 2021 die Gesetzesänderung be- Abs. 2 Satz 2 VStG – nach Auffassung dieser Autoren – schlossen. Die Referendumsfrist läuft bis am 7. April es vorsieht. 2022. SP, Grüne und Gewerkschaften haben ange- kündigt, gegen die Gesetzesänderung das Referen- D dum zu ergreifen. Ein solches würde die per 1. Ja- nuar 2023 geplante Inkraftsetzung wohl verzögern. Neuerungen und Während die Linke angesichts pandemiebedingter Sonderbelastungen des Bundeshaushalts die mit Aktualitäten im Bereich Einnahmeausfällen verbundene Reform für nicht opportun hält, wird im Fachschrifttum kritisiert, der Stempelabgaben dass die Reform zu wenig weit gehe und sie insbe- sondere unterlasse, die verrechnungssteuerbeding- ten Nachteile für inländische kollektive Kapitalan- 1 Abgelehnte Abschaffung der lagen zu beseitigen, ja diese mit Bezug auf inländische E missionsabgabe Obligationen gar noch verstärke 11. Die Emissionsabgabe auf Fremdkapital wurde bereits per 1. April 1993 abgeschafft. Die Emissionsabgabe 2 Erweiterung des Meldeverfahrens im auf Eigenkapital steht seit Längerem in der Kritik, Konzern der Finanzierungsneutralität entgegenzulaufen und Eigenkapital gegenüber Fremdkapital (zusätzlich) Parallel zur laufenden Verrechnungssteuerreform steuerlich zu benachteiligen. Ausserdem wird die hat der Bundesrat die geänderte Verordnung über Emissionsabgabe als Wettbewerbsnachteil für die das Meldeverfahren im Konzern in die Vernehmlas- Schweiz gesehen, da die meisten Staaten keine sung geschickt. Die in der Vernehmlassungsvorlage derartige Abgabe erheben. Die von der Bundesver- vorgesehenen Änderungen umfassen die Absenkung sammlung am 18. Juni 2021 beschlossene Gesetzes- der erforderlichen Beteiligungsquote für das Melde änderung zur Abschaffung der Emissionsabgabe auf verfahren von bisher 20 % auf neu 10 % sowie die Eigenkapital geht zurück auf eine parlamentarische Verlängerung der mit Formular 823 einzuholenden Initiative der FDP aus dem Jahr 2009. Die SP hat Bewilligung für das internationale Meldeverfahren gegen die Gesetzesänderung das Referendum er- von bisher drei auf neu fünf Jahre. Im internatio- griffen. In der Referendumsabstimmung vom 13. Fe- nalen Verhältnis wird das Meldeverfahren gemäss bruar 2022 wurde die Vorlage mit einem Nein- Regelung in der Verordnung über die Steuerentlas- Stimmenanteil von 62.7 % abgelehnt. tung schweizerischer Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen ausländischer Gesellschaften vom 22. Dezember 2004 freilich wie bisher nur gewährt, 2 Vermittlerbegriff bei der Umsatz wenn die Dividendenempfängerin eine wesentliche abgabe Beteiligung an der Dividendenschuldnerin hält, was der Fall ist, wenn sie mindestens über eine Beteili- Gegenstand der Umsatzabgabe ist gemäss Art. 13 gung verfügt, die sie nach dem massgebenden Abs. 1 StG die entgeltliche Übertragung von Eigen- Doppelbesteuerungs- oder dem AIA-Abkommen zur tum an steuerbaren Urkunden, sofern eine der Beanspruchung einer zusätzlichen oder vollständigen Vertragsparteien oder einer der Vermittler Effekten Entlastung von der Verrechnungssteuer berechtigt. händler ist. Bereits aus dieser Definition des Steuer objekts wird deutlich, dass dem Vermittlerbegriff Das Vernehmlassungsverfahren wurde am 14. Juli eine zentrale Bedeutung zukommt. Gemäss Art. 17 2021 abgeschlossen. Der Ergebnisbericht steht noch Abs. 3 StG gilt der Effektenhändler als Vermittler, aus. Im Fachschrifttum wird die geplante Erweite- wenn er: «a. mit seinem Auftraggeber zu Original- rung des Meldeverfahrens im Konzern begrüsst, bedingungen des mit der Gegenpartei abgeschlos- allerdings geht diese nach Auffassung einiger Autoren senen Geschäfts abrechnet; b. lediglich Gelegenheit zu wenig weit 12, da das Meldeverfahren im Konzern zum Geschäftsabschluss nachweist; c. die Urkunden weiterhin ein direktes Beteiligungsverhältnis vor- am Tage ihres Erwerbs weiterveräussert ». Die De- aussetzt, weshalb bei geldwerten Leistungen an finition des Vermittlers ist zu trennen von der De- 11 Vgl. Oesterhelt / Opel, Reform der Verrechnungssteuer EF 8/2021, 440. 12 Vgl. etwa Oesterhelt / Schreiber, Erweiterung des Meldeverfahrens im Konzern, StR 76 / 2021, 605 ff. Steuer Update 2022 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 6
finition des Effektenhändlers in Art. 13 Abs. 3 StG, Beauftragter tätig wird. Ebensowenig setze der die da lautet: «Effektenhändler sind […] die nicht Vermittlerbegriff gemäss Art. 13 Abs. 1 StG voraus, unter Buchstabe a fallenden inländischen natürlichen dass zwischen dem Vermittler und einer Vertrags- und juristischen Personen und Personengesamthei- partei ein Mäkler- oder sonstiges Vertragsverhältnis ten, inländischen Anstalten und Zweigniederlassun- besteht. Auch sei nicht relevant, ob eine Vertrags- gen ausländischer Unternehmen, deren Tätigkeit partei dem Vermittler bei Geschäftsabschluss ein ausschliesslich oder zu einem wesentlichen Teil Entgelt schulde. Massgebend sei alleine die tatsäch- darin besteht 1. für Dritte den Handel mit steuer- liche Tätigkeit des Vermittlers, einschliesslich des baren Urkunden zu betreiben (Händler), oder 2. als Kausalzusammenhangs zwischen der T ätigkeit und Anlageberater oder Vermögensverwalter Kauf und dem Geschäftsabschluss. Dies im Unterschied zum Verkauf von steuerbaren Urkunden zu vermitteln Vermittlerbegriff bei der Mehrwertsteuer, was damit (Vermittler)». Art. 17 StG regelt mithin die Voraus- zu erklären sei, dass bei der Mehrwertsteuer eine setzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein wirtschaftliche Betrachtung Platz greife, wohingegen Effekten händler als Vermittler handelt. Dagegen bei der Umsatzabgabe aufgrund ihres formellen definiert Art. 13 Abs. 3 StG unter anderem, wann Charakters als Rechtsverkehrssteuer wirtschaftliche ein Vermittler als Effektenhändler qualifiziert. Letz- Gesichtspunkte nur insoweit berücksichtigt werden teres ist der Fall, wenn ein professioneller bzw. können, als das Gesetz wirtschaftliche Begriffe / gewerbsmässiger Anlageberater oder Vermögens- Konzepte verwendet. Eine Konzernobergesellschaft verwalter, Kauf- und Verkaufsaufträge seiner Kund- wird folglich immer dann zur Vermittlerin im Sinne schaft an Händler weiterleitet, ohne Risiken auf von Art. 13 Abs. 1 StG, wenn sie selbst wie ein seine eigenen Bücher zu nehmen. Gemäss der Nachweismäkler der ausländischen Tochtergesell- Kommentarliteratur setzt dies voraus, dass die schaft als erste die Gelegenheit zum Vertragsab- Tätigkeit in der Absicht, ein Erwerbseinkommen zu schluss nachweist oder sie wie ein Vermittlungs- erzielen selbständig und fortgesetzt ausgeübt wird. mäkler im Rahmen der Vertragsverhandlungen auf die Abschlussbereitschaft der anderen Vertragspartei Vor dem Hintergrund des nachfolgend zusammen- einwirkt und damit eine kausale Ursache für den gefassten Entscheids des BGer ist die Frage, wann Vertragsschluss setzt. Im konkreten Fall hat die ein Anlageberater oder Vermögensverwalter qua Konzernobergesellschaft durch ihre Organe wie ein Vermittlung von Urkunden als Effektenhändler qua- Vermittlungsmäkler auf die Abschlussbereitschaft lifiziert, nicht weiter relevant, stattdessen geht es des Verkäufers hingewirkt. um die Frage, wann ein Effektenhändlerals Ver- mittler agiert. Dem Entscheid vom 25. Februar 2021 13 Um in ähnlich gelagerten Fällen das Risiko, dass lag der Sachverhalt zugrunde, dass bei der Akqui- infolge Vermittlungstätigkeit der Konzernober sition einer ausländischen Gesellschaft durch eine gesellschaft die Umsatzabgabe ausgelöst wird, ausländische Gruppen gesellschaft Organe der als möglichst auszuschliessen, sollten die Organe der Effektenhändlerin qualifizierenden Schweizer Mut- Schweizer Konzernobergesellschaft bei den Ver- tergesellschaft der Käufergesellschaft bei den tragsverhandlungen nicht aktiv mitwirken. Auf jeden Kaufverhandlungen mitgewirkt haben. Streitig vor Fall sollten sie nicht den Kaufvertrag unterzeichnen, dem BGer war die Frage, ob die Schweizer Mutter- sondern dies den Organen der ausländischen gesellschaft durch ihre Organe bei der Akquisition Käufergesellschaft überlassen. als Vermittlerin im Sinne von Art. 17 Abs. 3 StG gehandelt hat. E Die Definition der Vermittlung in Art. 17 Abs. 3 StG ist der Definition der Leistung des Nachweismäklers Entscheide in Art. 412 Abs. 1 OR nachempfunden. Das BGer kommt in seinen Erwägungen denn auch zum Schluss, der Tätigkeit des Vermittlers im Sinne von Art. 13 1 Entscheid zur Anwendung der Alt Abs. 1 StG sei das Begriffsverständnis zugrunde zu reservenpraxis bei einem Drittverkauf legen, wie es im Mäklervertragsrecht vorherrscht. Abweichend spiele es aber beim Vermittlerbegriff Nachdem das BGer bereits im Jahr 2020 die Altre- gemäss Art. 13 Abs. 1 StG keine Rolle,ob der Effek- servenpraxis der ESTV bei der Verrechnungssteuer tenhändler als Kommissionär, Agent, Makler oder überprüfen musste 14, hatte es im Jahr 2021 gleich 13 BGer 2C 638 / 2020 vom 25. Februar 2021. 14 BGer 2C 354 / 2018 vom 20. April 2020. Steuer Update 2022 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 7
einen weiteren Altreservenfall zu beurteilen 15, wo- liche Gründe für den Beteiligungsverkauf geben bei es diesmal um die Frage der Anwendbarkeit der müsse. Wie das BGer in seinen Erwägungen festhält, Altr eservenpraxis bei einem Drittverkauf ging. Dem ist das missbräuchliche Element bei Altreservenfäl- Entscheid lag konkret der Sachverhalt zugrunde, len allerdings nicht im Beteiligungsverkauf an sich dass ein mangels DBA nicht rückerstattungsberech- zu sehen, sondern darin, dass eine Gesellschaft, die tigter Verkäufer mit Sitz in Paraguay am 23. März 2005 über nicht betriebsnotwendige, handelsrechtlich seine 100 prozentige-Beteiligung an einer Schweizer ausschüttungsfähige Mittel verfügt (sog. volles Treuhandgesellschaft an eine vom Verkäufer unab- Portemonnaie), veräussert wird. Üblicherweise hängige Schweizer Gesellschaft veräussert hat. Der würde sich der Verkäufer diese Mittel vor dem Ver- Kaufpreis von CHF 1 100 000 überstieg das Aktien- kauf ausschütten. Dass im konkreten Fall zwischen kapital von CHF 100 000 deutlich. Ausserdem wies dem Beteiligungsverkauf und der Dividendenaus- die Zielgesellschaft im Verkaufszeitpunkt nicht be- schüttung mehr als fünf Jahre liegen, tut nichts zur triebsnotwendige, handelsrechtlich ausschüttungs- Sache, da es – anders als etwa bei der indirekten fähige Reserven in Höhe von CHF 636 174.43 auf. Teilliquidation – keine Fünfjahresfrist gibt, deren Zweck der Käufergesellschaft ist sinngemäss der Ablauf einen Altreservenfall heilen könnte. Kauf und das Halten von Beteiligungen an Gesell- schaften im Treuhandbereich. Die Zielgesellschaft Der Entscheid schafft Klarheit, dass die Altreserven führte ihren Geschäftsbetrieb nach dem Beteiligungs- praxis auch bei Drittverkäufen Anwendung findet. verkauf zunächst fort. Erst im Jahr 2008 stellte sie Offen liess das BGer hingegen die Frage, ob bei einem diesen ein, was sich in ihrem Personalaufwand Rückerstattungsantrag gestützt auf ein Doppel r eflektiert, der sich in diesem Jahr praktisch auf null besteuerungsabkommen die Rückerstattung bei reduziert hat. Mit Formular 103 vom 26. Juli 2011 hat Altreserven nur im Umfang der Verbesserung der die Zielgesellschaft der ESTV sodann die Ausschüt- Rückerstattungsposition wie gemäss bisheriger tung einer Dividende in Höhe von CHF 820 300 mit Verwaltungspraxis oder vollumfänglich zu verweigern Fälligkeit am 20. Dezember 2010 deklariert. Von der ist, wie es im Entscheid vom 20. April 2020 16 betref- Dividendenempfängerin wurde das Meldeverfahren fend die Rückerstattung gestützt auf das AIA-Ab- beantragt, das aber von der ESTV abgelehnt wurde. kommen mit der Europäischen Union (vormals Auf der nachfolgend entrichteten Verrechnungssteu- Zinsbesteuerungsabkommen) aufgrund der Einheit er von CHF 287 105 hat die ESTV im Umfang von der Rechtsprechung mit dem Europäischen Gerichts- CHF 222 661.05 (35 % von CHF 636 174.43) die Rück- ' hof (EuGH) so entschieden hat. Vorliegend hat sich erstattung verweigert. diese Frage nicht gestellt, da der Beteiligungsver- käufer mit Sitz in Paraguay mangels DBA überhaupt Bei der Altreservenpraxis handelt es sich um einen nicht rückerstattungsberechtigt war und die Verbes- Anwendungsfall der allgemeinen Steuerumgehungs- serung der Rückerstattungsposition durch den Be- doktrin. Für die Verweigerung der Rückerstattung teiligungsverkauf mithin volle 35 % ausgemacht hat. der Verrechnungssteuer in Altreservenfällen bzw. allgemein in Fällen der Steuerumgehung gibt es aber auch eine gesetzliche Grundlage in Art. 21 2 Keine Handänderungssteuer bei Abs. 2 VStG. Die Annahme einer Steuerumgehung Umstrukturierungen setzt gemäss konstanter bundesgerichtlicher Recht- sprechung voraus, dass eine Rechtsgestaltung Dem Entscheid 17 lag folgender Sachverhalt zugrun- unüblich oder absonderlich (insolite) ist (objektives de: Der SBB wurde die Konzession für den (Aus-) Element) und nur aus dem Grund gewählt wird, um Bau und Betrieb eines Wasserkraftwerks im Wallis Steuern zu sparen (subjektives Element) und auch (Nant de Drance) mit der Auflage erteilt, dass sie zu einer tatsächlichen Steuerersparnis führen würde, die Konzession auf die zukünftige Betreibergesell- sofern es von der Steuerbehörde hingenommen schaft, an deren Kapital sie zu 36 % beteiligt ist, würde (effektives Element). Bei einem Drittverkauf überträgt. Die SBB hat sodann ein Grundstück, auf einer Beteiligung wurde die Anwendbarkeit der Alt- welchem sich die bestehende Staumauer (Vieux reservenpraxis bisher kontrovers diskutiert. Es Emosson) befindet, sowie alle Bauwerke, die Teil wurde die Meinung vertreten, dass bei einem Dritt- der Konzession sind, zum Gesamtpreis von verkauf, anders als etwa bei einer gruppeninternen CHF 34 750 000 an die zukünftige Betreibergesell- Umstrukturierung, es a priori am subjektiven Tat- schaft veräussert. Der Kanton Wallis hat es in der bestand mangle, da es zwingend andere als steuer Folge abgelehnt, die Übertragung des Grundstücks 15 BGer 2C 80 / 2021 vom 29. Juli 2021. 16 BGer 2C 354/2018 vom 20. April 2020. 17 BGer 2C 564 / 2020 vom 14. April 2021. Steuer Update 2022 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 8
mit der bestehenden Staumauer von der Handän- steuerneutrale Ausgliederung gemäss Art. 24 Abs. derungssteuer in Höhe von CHF 524 295 auszuneh- 3 lit. d StHG für erfüllt, womit Art. 103 FusG zur men, wogegen die SBB den Rechtsweg beschritten Anwendung kommt und mithin die Übertragung des hat. Die Vorinstanz stellte fest, dass der Verkauf Grundstücks von der Handänderungssteuer ausge- des Grundstücks keine Umstrukturierung darstelle, nommen ist. weshalb dieser nicht von der Handänderungssteuer ausgenommen werden könne. Das BGer hatte folg- Der Entscheid stellt, anders als man vielleicht meinen lich die Rechtsfrage zu beurteilen, ob der Verkauf könnte, keine Korrektur der früheren Rechtsprechung des besagten Grundstücks gestützt auf Art. 103 des und insbesondere des Entscheids vom 8. Oktober Fusionsgesetzes (FusG) von der Handänderungs- 2018 18 dar. In jenem Entscheid wurde die Anwend- steuer ausgenommen ist. Gemäss dieser Bestimmung barkeit von Art. 103 FusG auf eine Übertragung sind Umstrukturierungen im Sinne von Art. 8 Abs. 3 eines Weinguts vom selbständig e rwerbstätigen bzw. 24 Abs. 3 und 3quater des Steuerharmonisie- Eigentümer auf eine selbstbeherrschte AG verneint, rungsgesetzes (StHG) von der Handänderungssteuer da das übertragene Weingut nach Auffassung des ausgenommen. Die Vorinstanz stellte fest, dass Gerichts nicht als Betrieb qualifiziert hat und man- neben den im Fusionsgesetz geregelten Umstruk- gels Handelsregistereintrag auch die Voraussetzun- turierungen (Fusion, Umwandlung und Spaltung) gen für eine Vermögensübertragung nach Art. 69 ff. auch weitere Umstrukturierungen steuerneutral FusG nicht erfüllt waren, sodass weder eine Um- durchgeführt werden können, sofern die in den strukturierung nach Art. 8 Abs. 3 StHG noch eine genannten Gesetzesartikeln definierten Vorausset- solche nach FusG vorgelegen hat. Das Gericht hatte zungen erfüllt sind. Die Vorinstanz erachtete diese in jenem Entscheid aber nicht vertreten, die An- Voraussetzungen vorliegend allerdings nicht als wendbarkeit von Art. 103 FusG setze eine Umstruk- erfüllt, weshalb die Ausnahme von der Handände- turierung nach FusG voraus 19. rungssteuer gemäss Art. 103 FusG nicht zur Anwen- dung kommt. 3 Sanierungsfreibetrag von 10 Millionen Das BGer hält in seinen Erwägungen fest, dass Franken bei der Emissionsabgabe auch Art. 24 Abs. 3 und 3quarter StHG unter anderem die ohne bilanzielle Verlustausbuchung steuerneutrale Ausgliederung auf eine Tochterge- sellschaft, an der die übertragende Gesellschaft zu Der letztinstanzliche Entscheid des Bundesverwal- mindestens 10 % beteiligt ist, ohne steuerliche tungsgericht (BVGer) 20 betrifft den Fall einer sanie- Abrechnung auf den übertragenen stillen Reserven rungsbedürftigen GmbH, die im Jahr 2015 vor der ermögliche, sofern die Steuerpflicht in der Schweiz Umwandlung in eine AG zur S anierung eine Kapital- fortbestehe, die Gewinnsteuerwerte fortgeführt erhöhung gegen Ausgabe von Stammanteilen mit werden (allgemeine Voraussetzungen) und ein Be- einem Agio liberiert durch einen Schuldenerlass der trieb, Teilbetrieb oder betriebliches Anlagevermögen Muttergesellschaft (Verrechnungsliberierung) durch- übertragen und die fünfjährige Veräusserungssperr- geführt hat. Gegenüber der ESTV machte die Steu- frist eingehalten werde (spezifische Voraussetzun- erpflichtige geltend, sie beanspruche den Sanie- gen). Wie das Gericht im BGE 138 II 557 entschie- rungsfreibetrag von 10 Millionen Franken. bei der den habe, beziehe sich der Verweis in Art. 103 FusG Emissionsabgabe (Art. 6 Abs. 1 lit. k StG) und für auf den Umstrukturierungsvorgang. Die in Art. 24 den überschiessenden Teil den Erlass der Emissi- Abs. 3 und 3quarter StHG definierten Voraussetzungen onsabgabe bei offenbarer Härte (Art. 12 StG). Gemäss für die Steuerneutralität bei den direkten Steuern bisheriger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis 21 müssen hingegen nicht erfüllt sein. Da es sich bei setzte die Inanspruchnahme des Freibetrags bei jenem Entscheid allerdings um eine Umstrukturie- Sanierungen voraus, dass die Verluste bilanziell rung ohne Veräusserungssperrfrist gehandelt hat, ausgebucht werden, was indes aus dem Gesetzes- habe es in jenem Entscheid nicht prüfen müssen, wortlaut nicht hervorgeht, der da heisst: «[Von der ob die Veräusserungssperrfrist für die Anwendung Abgabe sind ausgenommen:] die bei offenen Sanie- von Art. 103 FusG eingehalten werden müsse. Vor- rungen vorgenommene Begründung von Beteili- liegend gebe es aber keinen Hinweis, dass die gungsrechten oder die Erhöhung von deren Nennwert Steuerpflichtige die Sperrfrist verletzt habe. Somit bis zur Höhe vor der Sanierung sowie Zuschüsse erachtet das BGer die Voraussetzungen für eine von Gesellschaftern oder Genossenschaftern bei 18 BGer 2C 503 / 2017 vom 8. Oktober 2018. 19 A.M. Oesterhelt, In vino veritas (non semper est), StR 73 / 2018, 922 ff. 20 BVGer A-5073 / 2020 vom 29. November 2021. 21 Vgl. Ziff. 2.2.3. des Kreisschreibens Nr. 29b der Eidgenössischen Steuerverwaltung betreffend das Kapitaleinlageprinzip vom 23. Dezember 2019. Steuer Update 2022 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 9
stillen Sanierungen, soweit: bestehende Verluste Im Ergebnis ist dem Entscheid beizupflichten, wenn- beseitigt werden, und die Leistungen der Gesell- gleich die umständliche Begründung nicht recht schafter oder Genossenschafter gesamthaft 10 Mil- überzeugen mag. Diese wurde vom Gericht wohl lionen Franken nicht übersteigen». gewählt, um seine frühere Rechtsprechung nicht als schlechterdings falsch bezeichnen zu müssen, da Die Steuerpflichtige buchte die Verluste nicht gegen die Frage, ob Verluste im Rahmen einer Sanierung die Agioreserven aus, sondern liess diese in der bilanziell ausgebucht werden müssen, um den Bilanz stehen. Mit Formular 170 vom 3. Oktober 2017 S anierungsfreibetrag bei der Emissionsabgabe be- meldete sie diese sodann als Kapitaleinlagereserven. anspruchen zu können, erst mit der Einführung des Nach einer Buchprüfung stellte die ESTV fest, die Kapitaleinlageprinzips verrechnungssteuerlich re- Agioreserven aus der Kapitalerhöhung seien als levant wurde. Das Gericht stellt somit die Korrektur Kapitaleinlagereserven verbucht und nicht zur Aus- seiner früheren Rechtsprechung als Präzisierung im buchung von Verlusten verwendet worden, weshalb Lichte des inzwischen eingeführten Kapitaleinlage- auf deren Betrag die Emissionsabgabe geschuldet prinzips dar. Nach diesem Entscheid sind sanie- sei. Gegen die entsprechende Verfügung beschritt rungsbedürftige Gesellschaften jedenfalls nicht mehr die Steuerpflichtige den Rechtsweg. Sie machte vor die Wahl gestellt, entweder den Sanierungsfrei- geltend, dass die nach dem Gesetz für den Sanie- betrag bei der Emissionsabgabe zu beanspruchen rungsfreibeitrag verlangte Beseitigung der Verluste oder die Sanierungszuschüsse als Kapitaleinlage- nicht mit einer bilanziellen Ausbuchung von handels- reserven zu verbuchen, was zu begrüssen ist. rechtlichen Verlusten gleichzusetzen sei. Eventua- liter machte sie geltend, die Verluste inzwischen ausgebucht zu haben. Die Vorinstanz hielt dagegen, 4 Interkantonale Verlustverrechnung bei dass die von der Steuerpflichtigen ergriffenen einer Immobiliengesellschaft S anierungsmassnahmen als solche im stempelab- gaberechtlichen Sinn hätten gelten können, sofern Dem Entscheid 22 lag der Fall zugrunde, dass eine sie die Verluste bilanziell ausgebucht hätte, was sie Immobiliengesellschaft mit Sitz im Kanton Bern und aber nicht getan habe. Die später erfolgte Verlustaus- Kapitalanlageliegenschaften in verschiedenen Kan- buchung könne nicht mehr berücksichtigt werden. tonen, darunter auch im Kanton Thurgau, im Jahr 2015 bei einem satzbestimmenden Reingewinn von Das Bundesverwaltungsgericht kommt in seinem CHF 17 755 763 im Kanton Aargau einen Verlust von Entscheid nach langwierigen Ausführungen zum CHF 534 473.12 ausgewiesen hat. Der Kanton Thur- Schluss, der Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 lit. k StG sei gau weigerte sich, den Verlust im Umfang von mit Bezug auf die Frage, ob für die Inanspruchnahme CHF 33 007.63 anteilig zu übernehmen und setzte des Freibetrags die Verluste bilanziell ausgebucht den steuerbaren Reingewinn in der Veranlagungs- werden müssen, nicht klar. Es müsse mithin durch verfügung unter dem Hinweis «Verluste aus Spezial Auslegung bestimmt werden, ob für die Anwendung steuerdomizilen sind durch den Sitzkanton zu des Sanierungsfreibetrags die Verluste bilanziell übernehmen» mit CHF 1 129 549.00 fest (anstatt ausgebucht werden müssen oder ob es ausreiche, CHF 1 096 542.90 gemäss Steuerausscheidung des sie zu beseitigen. Die Gesetzesmaterialien und der Sitzkantons). Die Steuerpflichtige beschritt gegen Sinn und Zweck der Norm erweisen sich, so das die Veranlagung den Rechtsweg und beantragte Gericht, mit Bezug auf diese Frage als unergiebig. deren Aufhebung unter Festsetzung eines im Kanton Die systematische Auslegung führe hingegen zum Thurgau steuerbaren Gewinns von CHF 1 096 542.90. Schluss, dass die Frage, ob in einem bestimmten Eventualiter sei die Veranlagung des Sitzkantons Fall die Emissionsabgabe ausnahmsweise nicht er- aufzuheben und habe dieser den auf den Kanton hoben oder erlassen wird, ohne Auswirkung auf die Thurgau ausgeschiedenen Verlust zu übernehmen. Verrechnungssteuer bleiben müsse. Der Umstand, Streitig vor dem BGer ist somit die Frage, inwieweit dass die Sanierungsleistung ausnahmsweise von der ein Kanton, auf dessen Gebiet eine Immobilien Stempelabgabe befreit bzw. diese erlassen wird, gesellschaft ausschliesslich Kapitalanlageliegen- dürfe nichts an der Möglichkeit der verrechnungs- schaften hält, im Rahmen der interkantonalen Ge- steuerfreien Rückzahlung von Kapitaleinlagereserven winnausscheidung Verluste aus anderen Kantonen ändern. Es könne nicht angehen, diese einzig deshalb übernehmen muss. Die Steuerpflichtige erleidet im nicht zuzulassen, weil die Stempelabgabe in einem Umfang des vom Sitzkanton dem Kanton Thurgau konkreten Fall nicht erhoben oder erlassen werde. zugewiesenen Verlust aus dem Kanton Aargau von CHF 33 007.63, der dieser zu tragen ablehnt, einen Ausscheidungsverlust, auf dessen Beseitigung sie 22 BGer 2C 1039 / 2020 vom 6. Oktober 2021. Steuer Update 2022 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 10
einen Anspruch aus Art. 127 Abs. 3 BV (Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung) hat. Die Vor- instanz vertrat unter Bezugnahme auf den Bundes- gerichtsentscheid vom 5. November 2019 23 den Standpunkt, dass ein reiner Liegenschaftskanton nur dann verpflichtet sei, Verluste einer Immobili- engesellschaft zu übernehmen, wenn der Sitzkanton der Immobiliengesellschaft dazu nicht in der Lage sei. Vorliegend sei im Sitzkanton ausreichend Gewinn vorhanden, der mit dem Verlust aus dem Kanton Aargau verrechnet werden könne. Die Beschwerde- gegnerin hielt ihrerseits dagegen, dass ein Sitzkan- ton für die in seinem Gebiet gelegenen Kapitalan- lageliegenschaften gleich zu behandeln sei wie die Liegenschaftskantone und nur die Betriebserträge vor den Liegenschaftskantonen zur Verrechnung bringen müsse. Das BGer hält in seinen Erwägungen fest, dass bei Kollisionen der Steueransprüche von Sitz- und Lie- genschaftskantonen seit jeher die Regel gelte, dass das Grundeigentum und die Erträge daraus dem Liegenschaftskanton zur ausschliesslichen Besteu- erung vorbehalten sind (Spezialsteuerdomizil am Ort der gelegenen Sache). Der Liegenschaftskanton habe die Auslagen, die unmittelbar mit den Erträgen und Gewinnen aus dem Grundeigentum zusammen- hängen, sowie einen proportionalen Anteil der Schulden und Schuldzinsen zum Abzug zuzulassen. Die übrigen Erträge und Aufwändedes Steuerpflich- tigen habe er hingegen nur für die Satzbestimmung zu berücksichtigen. In seiner jüngeren Rechtspre- chung habe das BGer den Grundsatz der alleinigen Besteuerung des Grundeigentums durch den Lie- genschaftskanton zwar eingeschränkt, die qualita- tive Regel des ausschliesslichen Steueranspruchs des Liegenschaftskantons über das Grundeigentum auf seinem Gebiet bleibe davon aber unberührt. Wenn der Sitzkanton aus dem Gesamtergebnis die in anderen Kantonen angefallenen Verluste und Aufwandüberschüsse unilateral ausscheidet und sie nicht verrechnet, verletze dieser das Prinzip der Reingewinnbesteuerung und Art. 127 Abs. 3 BV. Entsprechend entschied das Gericht, die Veranlagung des Sitzkantons sei aufzuheben und der im Sitzkan- ton steuerbare Gewinn sei um den auf den Kanton Thurgau ausgeschiedenen Verlust aus dem Kanton Aargau zu reduzieren. 23 BGer 2C 285 / 2018 vom 5. November 2019. Steuer Update 2022 Unternehmenssteuerrecht / Verrechnungssteuer / Stempelabgaben 11
III Natürliche Personen Nora Heuberger, Advokatin Philipp Flückiger, Treuhänder mit eidg. Fachausweis Hubert Steffen, Treuhänder mit eidg. Fachausweis Jannick Walleser, Volontär A nistrativen Aufwand – zu erheblichen Steuerfolgen beim Arbeitnehmenden führen. Neuerungen in der Per 1. Januar 2022 ist auf Bundesebene eine er- Gesetzgebung und in freuliche Änderung der Berufskostenverordnung in der Verwaltungspraxis Kraft getreten. Neu gilt ab der Steuerperiode 2022 für die pauschale Fahrtkostenberechnung ein Wert von 0.9 % pro Monat (respektive 10.8 % pro Jahr); mindestens aber CHF 150 pro Monat (wie bisher). 1 Private Nutzung des Geschäftsfahr Mit dieser Regelung entfällt für die direkte Bundes- zeuges (inklusive Arbeitsweg) steuer die zusätzliche Aufrechnung für den Arbeits- bei unselbständiger Erwerbstätigkeit weg, da dieser in der Erhöhung der Pauschale für die private Nutzung des Geschäftsfahrzeuges ent- Darf ein Mitarbeitender sein Geschäftsfahrzeug auch halten ist. Zudem stehen die Arbeitgeber nicht mehr für private Zwecke nutzen, liegt eine geldwerte Leis- in der Pflicht, den Anteil der Aussendiensttätigkeit tung des Arbeitgebers vor, die Einkommen darstellt am Gesamtpensum im Lohnausweis zu bescheinigen. und deshalb im Lohnausweis zu deklarieren ist. Die neue Regelung wird somit zu einer arbeitge- Neben der Abrechnung über die tatsächlichen Kosten berseitigen administrativen Vereinfachung führen. der unentgeltlichen privaten Nutzung eines Geschäfts- fahrzeuges kann eine pauschale Fahrtkostenabrech- Die Erhöhung der Pauschale wurde – soweit ersicht- nung vorgenommen werden – was in der Praxis der lich – von den meisten Kantonen per 1. Januar 2022 Standard ist. Die pauschale Fahrtkostenabrechnung (Steuerperiode 2022) auch für die Staats- und berechnet sich anhand einer Multiplikation eines Gemeindesteuer übernommen, was eine einheitliche Prozentsatzes mit dem Kaufpreis (exklusive Mehr- Handhabung ermöglicht. Gesichert gilt dies für die wertsteuer). Die Summe wird als monatliches Ein- Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, kommen aus dieser Nutzung abgerechnet. Bis und Bern, Freiburg, Solothurn, St. Gallen, Thurgau, Uri, mit der Steuerperiode 2021 lag der Prozentsatz des Zug und Zürich. Anteils für die private Nutzung des Geschäftsfahr- zeugs bei 0.8 % des Kaufpreises pro Monat (respek- Beispiel (langer Arbeitsweg): Eine unselbständig tive 9.6 % des Kaufpreises pro Jahr). In diesem erwerbstätige Person, legt täglich pro Arbeitsweg Anteil war der Arbeitsweg allerdings steuerlich nicht 35 km zwischen Wohn- und Arbeitsstätte zurück und abgegolten für den Fall, dass der Mitarbeitende das nutzt dafür ein Geschäftsfahrzeug vom Arbeitgeber Geschäftsfahrzeug auch für den Arbeitsweg nutzte. im Wert von CHF 60 000 (kein Aussendienst). Vari- Seit dem 1. Januar 2016 mussten Fahrtkosten zum ante (kurzer Arbeitsweg): Der Arbeitsweg der un- Arbeitsort mit 70 Rappen pro K ilometer als Einkom- selbständig erwerbstätigen Person zwischen Wohn- men in der Steuererklärung deklariert werden. Bis und Arbeitsstätte beträgt 10 km. Der Rest bleibt zur Höhe des Fahrkostenabzuges im Kanton sowie unverändert. 24 Bund ist der Arbeitsweg nicht steuerbar. Bei einem weiten Arbeitsweg konnte dies – nebst dem admi- 24 In Anlehnung an den erläuternden Bericht des Eidgenössischen Finanzdepartements vom 28. Juni 2019 https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/57597.pdf. Steuer Update 2022 Natürliche Personen 12
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