SICHT ARNSBERGER GENERATIONENMAGAZIN - SOMMER 2021
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Sicht Zum Mitn ehm en Ausgabe 88 Juni, Juli und August 2021 Arnsberger GenerationenMagazin Sommer 2021
Nr. 88 Seite 2 Sicht INHALT Weit weg, über Feldern: Editorial ............................................................................... 3 Stille SICHT-Buchvorstellung: Arnsberg sagenhaft! ..................... 4 Die Reise der AMYGDALA - Protokoll einer Weltumsegelung (Teil 25) ............................ 5 Neben Licht und Wärme Kurzgeschichten (nicht nur) für Frauen über 50 .................. 8 noch Impression Stille. Potenzierend, nicht additiv, wächst, Der Mörder ist immer der Gärtner ....................................... 9 erweitert sich nach allen Seiten Über den Zaun geschaut ... Wanderbegeisterte ... irrealer Raum Glück in mir. ... Lust auf eine große Tour? Der Rennsteig ...................... 10 Zum Abschied ein Blick zurück ........................................... 12 Allgegenwärtig hier Kinderlärm ist Zukunftsmusik - auch im Altenheim!............... 14 diese größte der Offenbarungen. Und erhebt sich Menetekel am Glockenhaus .............................................. 16 über einem Grundpegel Dezibel, Sehnsuchtsziel Namibia..................................................... 17 über der Nulllinie Rauschen, Smart City in Arnsberg - Zwischenstand 2021................... 20 wie ein Riese - Unsichtbar. drehMOMENTE Arnsberg e.V. .......................................... 21 Furchtbar aber wäre Die schnellste Schnecke der Welt ...?!............................... 22 der Töne absoluter Nullpunkt, Der Seniorenbeirat der Stadt Arnsberg startet mit vielen dieser vollkommene Tod. neuen kreativen Köpfen in die Zukunft .............................. 23 Neues Projekt „Ahnenwege“ ................................................ 24 Stellt sich nur langsam ein mein Ohr Meine Ferien ........................................................................ 26 auf dies Niedrigniveau. Doch die Zeit hilft anzupassen, Wo sind sie denn ...? ............................................................ 26 und nach und nach Humor ist, wenn man trotzdem lacht. ................................... 27 lässt mich die Stille ein. Neue Serie: Starke Frauen Da hat sie doch Stimmen, 1945 ... Der weite Weg zurück! ............................................. 30 eine Welt von Einzeltönen, ARES - Und täglich grüßt ................................................. 31 leise und laute. Arbeit oder Ruhestand? .................................................... 32 Die NEUE Stadtbibliothek in NEHEIM ............................... 33 Wie ausgegossen über mir ein Geist, Wahr oder nicht wahr? ...................................................... 34 der macht mich hören und erkennen: Schuld ist nur das Wetter! ................................................. 35 Stimmenvielfalt Leben ringsum. Die LachfAltEn Ag. Da singe ich mit, sendet kunterbunte Sommergrüße .................................... 36 Ton unter, zwischen, neben anderen Tönen, Rezepte: nur unterschwellig wahrnehmbar. Paprika-“Cannelloni“ mit Ricottasauce .............................. 38 Warme Mangosauce ......................................................... 38 Kein gerader Weg, Das sagt man nicht ............................................................ 39 und Symmetrie – Langweile kommt nicht auf. „Forschungsnetzwerk Sauerländer Schulen“ .................... 42 Krumm wird nicht gerade Blumen .............................................................................. 44 und uneben nicht eben. Musik kann älteren Menschen durch die Coronazeit helfen ................................................................................. 45 So bleibt und ist gut so , Einer der auszog um gegen den Trübsinn anzulachen ..... 46 was das Eis schuf Wer knackt die Nuss? - ? bunt gemischt ! ....................... 47 in den drei Zeiten hier: Felder und Wälder, Auflösungen: Wer knackt die Nuss? - Wahr oder nicht wahr? - ? bunt gemischt ! ........................ 48 Wiesen und Auen, Fragebogen: Zukunft Alter aktuell ..................................... 49 Flüsse und Täler: Mikrokosmos Sommerland, Einsamkeit vermeiden ... .................................................... 51 wo die Stille noch wohnen kann. Impressum - Bilderrätsel SICHT - Ausgabe 88 Auflösung Bilderrätsel SICHT - Ausgabe 87....................... 55 Wolfgang Prietsch, Berlin Coronavirus: Hilfsangebote in Arnsberg ............................ 56
Sicht Nr. 88 Seite 3 EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, „Jeder Mann Recht getan, ist eine Kunst die niemand kann!“ Dieses alte deutsche Sprichwort fällt mir ein, wenn ich an das „Coronadurch- einander“ denke. Manche Menschen fühlen sich in ihren Grundrechten ein- geschränkt und bevormundet, bestehen darauf und gehen „auf die Straße“. Protest gegen Ausgangs- und Kontaktsperren! Mal wird gelockert, dann wie- der verschärft und manches Bundesland geht sogar eigene Wege. Dem Ei- nen gefällt dieses nicht, dem Anderen ist jenes nicht recht! Es allen recht zu machen können Sie nicht, das kann ich nicht und auch unsere Politiker können das nicht! Wir sollten uns aber darüber im Klaren sein: Der Lockdown wurde nicht verhängt um uns zu ärgern ... sondern um uns zu schützen! Das aber scheinen einige unserer Mitmenschen immer noch nicht kapiert zu haben! Diese Uneinsichtigkeit macht die Pandemie erst zu dieser Katastrophe! Wehe aber, sie erkranken selber ... dann ist das Geschrei groß! Schon Platon zitierte: „Ich kenne kei- nen Weg zum Erfolg, aber den Weg zum Misserfolg, es allen recht machen zu wollen.“ Auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm wiesen in einem ihrer Märchensammlungen um 1800 darauf hin, dass es unmöglich ist, es allen Menschen recht zu machen! Erinnern Sie sich? Weit weg von den Menschen lebte ein Vater mit seinem Sohn. Als der Sohn größer wurde, hatte er einen Wunsch. „Ich möchte mich in der Welt umsehen und hören, was andere Menschen so meinen“, sprach er zu seinem Vater. Dieser schüttelte den Kopf. „Wünsch dir das nicht, mein Sohn, jeder sagt nämlich etwas anderes. Was du auch tust, nie kannst du es allen recht machen.“ „Das glaube ich nicht“, der Bub gab nicht eher Ruhe, bis sich der Vater mit ihm aufmachte. So zogen sie in die Welt hinaus. Der Vater schritt voran, sein Sohn ging neben ihm und am Halfter trabte der Esel. So begegnete ihnen ein Bauer, der sprach:„ Warum lasst ihr den Esel müßig ge- hen? Er kann doch einen von euch tragen.“ Da rief der Sohn guter Dinge: „Der Mann hat recht! Vater steig auf!“ Gesagt, getan. Der Vater setzte sich auf den Esel und der Sohn lief nebenher, bis sie auf zwei Wanderer trafen. Einer der Wanderburschen stieß seinen Kumpel in die Rippen und sagte: „Es ist eine Unverschämtheit, dass der Vater reitet und den Jungen zu Fuß gehen lässt.“ Sie schüttelten den Kopf und zogen ihres Weges. Vater und Sohn schauten sich an und tauschten die Rollen. Der Sohn ritt auf dem Esel voraus und der alte Mann lief zu Fuß hinterher. Bald trafen sie eine Frau, die im Wald Holz gesammelt hatte. Sie sah die beiden und schimpfte: „Es ist eine Schande, dass der Vater zu Fuß geht, während das feine Söhnchen reitet.“ Kopf- schüttelnd zog sie weiter. Der Sohn schämte sich und meinte zu seinem Vater: „Die Frau hat recht. Setz dich zu mir auf den Esel, Vater.“ Gemeinsam ritten sie weiter, bis ihnen die Kutsche eines feinen Herrn entgegenkam. Sie plauderten über Handel und Wandel miteinander. Beim Abschied sprach der vornehme Herr: „Der treue Esel wird bald eingehen, wenn er die schwere Last von zwei Personen weiterhin schleppen muss.“ So beschlossen sie, das Tier gemeinsam zu tragen. Sie banden ihm ein breites Leinenband um seinen Leib, steckten eine Stange hindurch und hoben sich jeder ein Ende davon auf die Schulter. Ein paar Stunden hatten sie den Esel ge- schleppt, als sie an ein Wirtshaus kamen. Davor saßen fröhliche Leute. Einer schrie: „Seht die Dummköpfe dort! Die tragen ihren Esel, anstatt auf ihm zu reiten!“ Alle lachten. „Wenn die beiden schon nicht reiten wollen, warum führen sie den Esel dann nicht am Halfter hinter sich her?“ „Wa- rum tun wir nicht, was die Leute sagen?“ fragte der Sohn. „Weil wir so von zu Hause losgezogen sind“, antwortete der Vater. „Um es allen recht zu machen, bin ich geritten, bist du und sind wir beide geritten. Wir haben den Esel sogar getragen.“ Kann man es denn keinem Menschen recht machen?“ fragte der Junge. „Nein, das kann man nicht, mein Sohn, wie du ja selbst gesehen hast“, sprach der weise Vater. Beide waren froh und glücklich, als sie abends wieder friedlich in ihrer gemütlichen Hütte saßen. Bleiben Sie gesund, Ihr Uwe Künkenrenken
Nr. 88 Seite 4 Sicht SICHT-Buchvorstellung vorgestellt von Christine Rumpf Arnsberg sagenhaft! Die Sage von der ledernen Brücke kennt ja wohl jeder in Arns- berg und Umgebung. Wie oft habe ich sie zum Beispiel meinen kleinen Nichten und Neffen erzählt, wenn sie in Arnsberg zu Be- such waren! Sie ist ja auch schön gruselig, und wenn man auf dem Schlossberg oder dem Rüdenberg steht, braucht es nur we- nig Vorstellungskraft, um die Geschehnisse wirklich vor Augen zu sehen! Aber es gibt noch so viele kleine und große Sagen und Geschich- ten über Arnsberg und die umliegenden Orte. Viele davon kennt kaum noch jemand. Sie drohen, in Vergessenheit zu geraten. Sagensammlungen über unsere Gegend gibt es durchaus ge- nug, aber sie sind alle schon etwas älter. Jochem Ottersbach hat sich der Sache angenommen und im letzten Herbst einen wunderschönen Band herausgegeben: „Arnsberg sagenhaft!“ Er erzählt viele, viele Sagen und Anekdoten neu. Dabei bürstet er manche ein wenig „gegen den Strich“, so dass sie wieder modern klingen. Ottersbach ergänzt die Geschichten durch viele interessante historische Details, die sie in neuem Licht erscheinen lassen. Schließlich steckt ja in vielen Sagen ein historischer Kern. Jochem Ottersbach wäre ja aber nicht Jochem Ottersbach, wenn es nicht Fotos in Hülle und Fülle gäbe! Unendlich viele Fotos zu den diversen Schauplätzen, und vor allem: seine Fotomontagen! Viele kennen sie aus seinem Projekt „Arnsberger Schloss“. Wie würde es aussehen, wenn es noch oder wieder stünde?! In diesem Band finden sich jede Menge lustige Fotomontagen, die einen die alten Geschichten quasi hautnah erleben lassen. Wunderbar zum Schmökern, Vorlesen, Durchschauen, Nachdenken und Träumen. Und ideal auch zum Verschenken. Ottersbach, Jochem: Arnsberg sagenhaft! Woll-Verlag, 2020 ISBN 9783948496173 17,90 Euro
Sicht Nr. 88 Seite 5 Die Reise der AMYGDALA Protokoll einer Weltumsegelung (Teil 25) Text und Fotos: Hans-Werner Wienand Samstag, 11. Mai / 10:32 Uhr Bordzeit / Position: 16°12,0´N / 023° 11,3´W Mensch, ist das schön! In diesem Augenblick kreuzen wir unsere alte Kurslinie vom 17. November, drei Jahre zuvor. Ge- nau hier waren wir schon einmal, damals, auf dem Weg von Boa Vista, Kapverden, auf der Fahrt in Richtung Westen, um den Atlantik als ersten großen Ozean unserer Reise zu durchqueren. Seitdem ist so viel passiert! Zwei weitere, noch viel größere Ozeane liegen nun hinter uns und damit wunderschöne Begegnungen mit Menschen, mit Fremden, die Freunde geworden sind, mit Abenteuern auf einsamen Inseln und auf See. Drei Jahre mit Erlebnissen für ein ganzes Leben. In diesem Augenblick haben wir nach 31.871,43 zurückgelegten Seemeilen (59.025,89 km) unseren kleinen blauen, gemeinsamen Planeten wirklich umrundet. Der Kreis ist geschlossen. Erst jetzt dürfen wir uns mit Recht „Weltumsegler“ nennen. Mit langsamer Fahrt, innerlich aufgewühlt, euphorisch und doch sehr demütig tasten wir uns um Mitternacht in den Hafen von Palmeira. Palmeira auf der Insel Sal, Kap Verden, war vor zweieinhalb Jahren für uns der erste Hafen au- ßerhalb Europas. Da lag so viel Unbekanntes noch vor uns, vor allem die Aussicht auf unzählige weitere schöne Häfen und Ankerplätze auf dieser Welt. Jetzt sind wir zurück und sind gespannt auf das, was von unseren damaligen Eindrücken und schönen Erinnerungen geblieben ist. Schiffe bekannter Segler ent- decken wir zunächst nicht. Doch dann, etwas versteckt, mitten im Ankerfeld, finden wir die 15-Me- ter-Yacht von Michél. Michél ist Deutsch-Franzose, könnte Französisch, Deutsch und Englisch fließend sprechen, - tut es aber nicht, weil ein Franzose nach seinem Selbstverständnis nur Französisch spricht und sonst nichts. Wir haben ihn nur ein einzi- ges Mal deutsch sprechen hören. Das war, als er in seinem kleinen Beiboot die Ruder verloren hatte und mit der Strömung hilflos auf den offenen Atlantik abzutreiben drohte. Da hat er uns in akzent- freiem Deutsch um Schlepphilfe gebeten.
Nr. 88 Seite 6 Sicht Wir haben ihn zurück in den Hafen gezogen und anschließend mit ihm in Armindas Bar sehr nachhaltig seine Rettung gefeiert. Michél hat den Motor aus seiner Yacht ausgebaut und verkauft, fährt nur mit der Kraft seiner Segel, immer allein, nur begleitet von einer grauen Katze. Er braucht den Platz im ehemaligen Motorraum für den Transport von Waren, denn er liefert billige Zigaretten und Rum von den Kap- verden nach Gambia und bringt von dort im Gegenzug Suppenwürfel aus UN-Beständen zurück auf die Kapverden. Der Zoll und der UN-Hochkommissar müssen davon nichts wissen. Nur so lebt es sich gut damit. In Guinea hat Michél vor Jahren von einem Fremdenlegionär etliche Kisten Pastis beim Pokern gewonnen, auf die Kapverden gebracht und an Armindas Bar veräußert. Jetzt kauft er den Likör gläserweise zurück, als einziger, weil hier niemand sonst so etwas trinkt, und jeder versteht so- fort, an diesem Tisch sitzt ein Franzose, und wenn du kein Französisch sprichst und auch keinen Pastis magst, brauchst du dich gar nicht erst dazuzusetzen. Wir freuen uns, Michéls Schiff zu entdecken, und vielleicht werden wir heute Abend bei Arminda noch spät in der Nacht gemeinsam mit ihm Lieder von Charles Aznavour und Edith Piaf singen – in zwei Sprachen. Die erste Pflicht an Land ist immer der Besuch bei der Polizei. Wir müssen uns anmelden. Wo die Polizei residiert, das wissen wir noch. Wir schlendern durch die vertrauten Straßen. Die Station ist leicht zu finden. Die Büroräume sind noch genauso wie früher. Selbst die Abplatzungen der verschossenen, dunkelblauen Ölfarbe an den Wänden haben sich nicht verändert. Noch immer sitzt der Beamte an seinem Schreibtisch, döst, hat den Stuhl nach hinten gekippt, die Füße auf die Tischplatte gelegt. Genau so haben wir ihn vor drei Jahren bei unserer Abmeldung auch ver- lassen! Es scheint, als ob er sich seitdem nicht bewegt hätte. Aber er lebt noch, denn noch immer steht in der Ecke der eingeschaltete Fernseher und der Uniformierte zappt mit der Fernbedienung durch das üppige Angebot öder Seifenopern. Und doch hat sich etwas verändert:
Sicht Nr. 88 Seite 7 Es gibt jetzt einen richtigen Aktenschrank in diesem Büro! Der ist neu. Die Schiebetüren sind geöffnet. Die Regale sind zwar noch leer, aber alles sieht doch schon sehr nach professioneller Arbeit aus. Wir hören, dass es neue bürokratische Regeln gibt: Der Visastempel wird jetzt nur noch vom Polizeiposten am internationalen Flughafen in Espargos in den Pass gedrückt. Dahin müssen wir zuerst fahren. Danach sollen wir zurückkommen und unsere gestempelten Schiffspapiere für die Dauer unseres Aufenthalts hier deponieren. Aha! Dafür also der Aktenschrank? Genau! Jetzt wissen wir Bescheid. „Muss das denn heute noch sein?“ fragen wir. „Es ist Sonntag und ...“ „Calma!“ sagt er. „Erledigt das Montag … oder Dienstag … oder Mittwoch … oder .…“ Ja, wir hätten fast den wohltuenden kapverdianischen Lebensrhythmus vergessen. Schauen wir einmal, was es Neues gibt im Dorf. Die erste Adresse dafür ist natürlich Armindas Bar, der Treffpunkt aller Segler. Ob sich dort wohl noch jemand an uns erinnert? Als wir um die Ecke schlen- dern, sehen wir Arminda selbst, die Wirtin, auf ihrem Hocker neben der Tür sitzen, auf dem Schoß ihren kleinen Enkel, gerade einmal zwei Jahre alt. Den gab es auch noch nicht, als wir uns vor über 30 Monaten verabschie- det hatten. So viel ist geschehen. Arminda hat die Gäste an den Außentischen, ihre Kasse und die Straße gleichzeitig in beiden Richtungen immer im Blick. Sie entdeckt uns sofort, wedelt mit beiden Händen und springt auf. Jetzt werden wir erst einmal richtig herzlich gedrückt. Sie freut sich wirklich. In ihren Augenwinkeln glänzt ein Tränchen. Auch wir sehen sie reichlich verschwommen. Das darf so sein. Am Außentisch sitzt Carlos, vor sich wie immer ein Glas Rotwein. Carlos heißt eigentlich Karl, ist vor über vierzig Jahren aus Hamburg kommend auf Sal gestrandet und dort geblieben. Sein Boot liegt im Hafen in fünf Metern Tiefe, nur die Mastspitze ragt noch heraus. Seitdem lebt er hier an Land, hilft Seglern mit guten Tipps und hat für die heimische Bevölkerung, die ansonsten keinen Zugang zu ärztlicher Hilfe hätte, eine kleine Erste-Hilfe-Station aufgebaut. Dafür freut er sich über jede Spende von Medikamenten oder Verbandsmaterial, Dinge, die hier nicht leicht zu bekommen sind. „Setzt euch“, sagt Carlos nur. Er sieht uns gar nicht an dabei. Wir sollen nicht sehen, dass auch seine Augen ein wenig feucht geworden sind. „Ihr seid spät heute…“ Es ist wie nach Hause kommen. www.sy-amygdala.de Bericht wird fortgesetzt.
Nr. 88 Seite 8 Sicht Kurzgeschichten (nicht nur) für Frauen über 50 Vorgestellt von Hanni Borzel Soeben erschienen, und jetzt druckfrisch auf meinem Tisch: „Mit 50 ist alles anders“ … Eine nette, sehr unterhaltsame bunte Aus- wahl von Kurzgeschichten vieler weiblicher Autoren, die gerade die Ü-50 Altersgrenze überschritten haben. Interessant, amüsant, daher ganz besonders auch für alle weibli- chen Leserinnen, die sich in verschiedenen Geschichten vielleicht wiederfinden, oder aber etwas bange auf dieses Alter in der zweiten Lebenshälfte schauen. Keine Sorge, Bange machen gilt hier nicht. Ich habe sogleich mit Vergnügen viele Episoden „verschlungen“. Man spürt schon bald, dass es sich bei den meisten Geschichten nicht um erfundene Storys handelt, sondern wie man so schön sagt, um „Geschichten, die das Le- ben schreibt“ - für mich auf jeden Fall lesens- werter als alles „Erdachte“. Auch wenn viele Leserinnen wie ich die ange- sprochene magische 50 schon ein Weilchen hinter sich gebracht haben, ich bin überzeugt, zwischen Vergangenheit geworden sind? auch ihnen wird so manche Situation etwas Möglichkeiten für neue Hobbys findet man oft bekannt vorkommen. sogar ganz zufällig, so wie es zum Beispiel Wenn ich hier besonders die weiblichen Leser auch der Autorin Christiane Bienemann ging. anspreche, bitte ich die Männer um Nachsicht, Von ihr durften wir bereits öfter nette klei- es nicht diskriminierend anzusehen, aber na- ne Schmunzelgeschichten in unserer SICHT türlich haben Frauen, besonders gerade nach veröffentlichen, so auch jetzt ihre Überlegun- den Wechseljahren, ganz andere Probleme gen zum stets unpassenden Wetter auf Sei- als die „Herren der Schöpfung. te 35. Sie geht inzwischen einem nicht ganz gewöhnlichen Hobby nach, welches sie nicht So ging bei dem Ausspruch einer Autorin so- mehr loslässt. fort mein Daumen hoch, die meinte, ab 50 wer- den Frauen fast unsichtbar – diesen Spruch Habe ich der weiblichen Leserschar nun ein versteht man erst, wenn man die Altersgrenze bisschen Appetit machen können? erreicht, bzw. überschritten hat. Die Zeit, die Und falls es doch tatsächlich auch Männer man morgens braucht, um sich hübsch zu ma- geben sollte, die sich für weibliche Gedanken- chen, nimmt mit den Jahren immer mehr zu, gänge interessieren (meine Hochachtung!) der Erfolg jedoch leider nicht - im Gegenteil! lege ich auch Ihnen diesen Kurzgeschichten- Aber nicht um solch kleine Sorgen geht es Band gerne ans Herz. in den Geschichten, eher um die Frage, wie kann ich die Zeit meiner zweiten Lebenshälfte Erhältlich zum Preis von 15,00 € unter der interessant und sinnvoll gestalten, wenn der ISBN 978-3-95720-302-1 berufliche Alltag und die Kinderbetreuung in- net-Verlag Chemnitz
Sicht Nr. 88 Seite 9 Der Mörder ist nicht immer der Gärtner Text: Klaus Renken Als Privatdetektiv hatte ich schon so Einiges dem Motor bemerkt. Als er den Fahrer bitten erlebt. Aber mein neuer Fall übertraf alles bis- wollte, den Motor abzuschalten, gab dieser her dagewesene. Meine Auftraggeberin, Eleo- Vollgas und verschwand unbeleuchtet in der nore Anders (Name aus Datenschutzgründen Dunkelheit. Der Portier konnte nur noch vom geändert) war der Meinung, dass mit ihrem Kennzeichen das HSK, also Hochsauerland- neuen Freund irgendetwas nicht stimmt und kreis, ablesen. So führte mich meine Recher- das sollte ich überprüfen. Mich erstaunte das che ins Sauerland. angebotene Honorar: 5.000 Euro plus Spesen sofort und bei Erfolg die gleiche Summe noch Aber alle Ermittlungen blieben erfolglos. Nicht einmal. der kleinste Anhaltspunkt oder Hinweis. Sie wohnte in Bremen und woher er kam wuss- Eines Morgens las ich in der Westfälischen te sie nicht! Kennengelernt haben sie sich über Rundschau: „Leichenfund in der Nähe des eine bekannte Plattform im Internet. Eleonore Neheimer Waldfriedhofes. Die Polizei hat die Anders, Erbin einer großen bekannten Hotel- Sonderkommission „Rosenschere“ eingerich- kette, hatte sich Hals über Kopf in den jungen tet.“ Mann verliebt. „Liebesbekundungen“ gingen per Chat hin und her, sie telefonierten stun- Pilzsucher hatten den Toten in einer Scho- denlang miteinander, schickten sich WhatsAp- nung gefunden. In seiner Stirn steckte eine ps und nach kurzer Zeit wurde ein Treffen in Rosenschere! Gab es einen Zusammenhang einem der Bremer Hotels vereinbart. zu meinem „Fall Dieter?“ Ich setzte mich mit der Soko Rosenschere in Verbindung und be- „Es war eine berauschende Nacht“ sagte sie, richtete über meine Vermutung. doch am nächsten Morgen war er verschwun- den, obwohl sie ein gemeinsames Frühstück Der getötete hieß Wladimir Schukow (auch vereinbart hatten. Zu ihrem Entsetzen stellte dieser Name wurde aus Datenschutzgründen sie fest: Es fehlte ihre Handtasche mit all ih- geändert), wohnhaft in Arnsberg. Also Fehlan- ren Papieren, EC- und Kreditkarten und einem zeige! Bei der Wohnungsdurchsuchung fan- größeren Geldbetrag. den die Beamten jedoch die Ausweispapiere und Scheckkarten von Eleonore Anders aus Die eingeschaltete Polizei fand die Handta- Bremen. War der Tote doch der Geliebte von sche im Müllcontainer des Hotels. Leer, bis auf Lore Anders und warum musste er sterben? einen Zettel auf dem stand: „Wir haben Dei- Warum hatte er sich bei Eleonore Anders als nen Dieter entführt.“ Wenig später ging eine Dieter ausgegeben? Lösegeldforderung ein: „500.000 Euro in klei- nen Scheinen, weitere Anweisungen folgen!“ Fragen, die auf eine Antwort warteten. Aber War Dieter wirklich entführt worden? Oder die Polizei hat weitere Ermittlungen durch hatte Dieter seine eigene Entführung vorge- mich untersagt. Kurz vor meiner Abreise lese täuscht und das Lösegeld selbst gefordert? ich in einem Stellengesuch: „Nach dem Tod Genau das sollte ich herausfinden. unseres Fahrers und Gärtners besetzen wir diese Stelle neu. Bewerben Sie sich unter der Da in den folgenden Wochen keine weiteren Kennziffer 3221.“ Es war der Arbeitgeber von Lösegeldforderungen eingingen und Eleonore Wladimir Schukow in Arnsberg. Anders keine Anzeige erstattete, legte die Po- lizei weitere Ermittlungen zu den Akten. Ich bekomme die Stelle und werde verdeckt weiter ermitteln. Der Portier des Hotels hatte in der besagten Nacht eine schwarze Limousine mit laufen- Wird fortgesetzt!
Nr. 88 Seite 10 Sicht Über den Zaun geschaut … Wanderbegeisterte … … Lust auf eine große Tour? Der Rennsteig Text: Hanni Borzel; Foto: Pixabay Wer ein echter Wandersmann ist, dem ist ja bekanntlich kein Weg zu weit, schon gar nicht, wenn dieser durch unverfälschte Naturlandschaften mit sauberer Waldluft führt. Sind Sie noch gut zu Fuß und möchten einmal auf eine mehrtägige Wandertour gehen, sich den frischen Wind auf den Höhen des Thüringer Waldes um die Nase wehen lassen? Dann empfehle ich Ihnen hier einmal die große Tour über den Rennsteig. Keine Angst – die gesamte Strecke von 170 Kilometern geht natürlich keiner an einem Tag! Dafür gibt es ja gut organisierte Wandertouren und man kann so die Strecke an 7, 8 oder auch 10 Tagen erwandern, ganz nach Wunsch, welcher Gruppe man sich anschließen möchte. Ganz individuelle Touren kann man auch jederzeit buchen, ob man nun die gesamte lange Stre- cke „abklappern“ oder auch nur kurze Touren, und zum Ausgangspunkt zurückkehren möchte – mit oder ohne Ruhetag dazwischen - alles lässt sich abstimmen. Ich würde natürlich jedem als Ausgangspunkt die Wartburgstadt Eisenach empfehlen – ein Be- such auf der Wartburg wäre ja schon ein besonders schöner Beginn einer solchen abenteuerli- chen Tour. Nur ein paar Kilometer weiter befindet sich dann in Hör- schel schon der Ausgangs- punkt des Rennsteiges. Von hier geht es über die ausge- suchten längeren oder klei- nen bequemeren Etappen weiter in die Höhe, entlang der bekannten Thüringer Wintersport-Orte wie Ober- hof, Masserberg, Neuhaus, Steinbach, bis in das Städt- chen Blankenstein, direkt an der Grenze zu Bayern gele- gen.
Sicht Nr. 88 Seite 11 Besonders gut ist durch den Tourismus-Verband die Organisation des Gepäck-Transfers geregelt. Da man ja nicht schwere Rucksäcke über den Berg schleppen möchte, aber doch so manches für die 8 bis 10 Tage benötigt, wird das Gepäck vom Veranstalter immer in das jeweils nächste Hotel gefahren. So läuft es sich doch immerhin entspannt von Ort zu Ort. Und ganz egal, ob zur Sommer- oder Winterzeit, der Thüringer Wald hat immer seinen ganz eige- nen Charme, auch wenn wir natürlich im Sauerland ähnlich schöne Wanderwege kennen, es hat dennoch jede Gegend ihren ganz eigenen Reiz, den es zu erkunden lohnt. Ein nicht nur in Thüringen durch seine Volks- und Wanderlieder bekannt gewordener Wanders- mann war zur DDR-Zeit Herbert Roth mit seiner Gesangspartnerin Waltraud Schulz. Sein be- kanntestes Lied, das Rennsteiglied „Ich wandre ja so gerne am Rennsteig durch das Land“ ist auch heute noch so etwas wie eine Hymne in Südthüringen und auch noch viele Jahre nach seinem Tod nicht unmodern geworden. Sorry, wenn ich jetzt ein kleines Stückchen vom Weg abkomme, aber ein kleines, nicht spekta- kuläres, aber historisch interessantes Kleinod möchte ich sehr gerne den Nicht-Thüringern noch vorstellen. Es liegt ein paar Schritte vom Rennsteig entfernt im Wald, nahe der Stadt Ilmenau auf einer Anhöhe, genannt Kickelhahn. Hier steht, eigentlich völlig unscheinbar, eine kleine Hütte, die schon hunderte von Jahren dort als Unterstand bei Schlechtwetter für Wanderer diente. Was diese Schutzhütte berühmt machte ist ein kleines Gedicht, welches im September 1760 unser Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe an die Wand schrieb – vielleicht in Ermangelung eines Blatt Papiers? Es ist heute bekannt als des Wanderers Nachtlied. Der Text, etwas sentimental: „Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch; Die Vöglein schweigen im Walde. Warte nur – balde ruhest du auch“ Traurig, dass dann leider im Jahr 1870 durch Unachtsamkeit von Spaziergängern oder Beeren- sammlern die Hütte abbrannte, und so die Original-Handschrift damit verloren ging. Ein paar Jahre später erfolgte aber der originalgetreue Wiederaufbau dieses Goethehäuschens, wie man es fortan nannte. Wolfgang Werner, ein in Ilme- nau lebender Künstler, hat mir freundlicherweise eine Zeich- nung dieser besonderen Hütte zur Verfügung gestellt, die ich Ihnen hier gerne zeigen darf.
Nr. 88 Seite 12 Sicht Zum Abschied ein Blick zurück Text: Martin Polenz Die „Kleinen Strolche“ zeigen seit vielen Jahren, wie Generationen miteinander in Kontakt kom- men und gemeinsam lernen können. Die langjährige Leiterin der Kita Kleine Strolche, Margit Albers, ist im April in den Ruhestand gegangen. Für uns als Sicht-Redaktion ein guter Anlass, um noch einmal zurückzuschauen auf einige Höhepunkte der Zusammenarbeit. Wir wünschen Mar- git Albers für die Zukunft alles Gute und erinnern uns gern an die tollen Begegnungen zwischen Jung und Alt, die wir gemeinsam erlebt haben. Jung und Alt entdecken sich neu Unvergessen, die Uroma Hedwig! Text: Marita Gerwin; Foto: Martin Polenz Urgroßmutter Hedwig ergreift Lauras Hände nur für kur- ze Zeit. Ihr Herz ergreift sie für immer. Eine anrührende Geschichte über die innige Freund- schaft zwischen der 5-jährigen Urenkelin Laura und ihrer 86-jährigen, demenzerkrankten Uroma Hedwig. "Sagen Sie mal, junge Dame, wer sind Sie eigentlich? Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor! Haben wir uns schon einmal gesehen?“ fragte Uroma Hedwig ihre Ur- enkelin Laura. Zuerst stutzte Laura ein wenig irritiert. Ur- oma Hedwig machte sicher einen Scherz mit ihr. Oder wusste sie es wirklich nicht? Laura zweifelte einen Mo- ment lang. Doch dann lächelte sie ihre Uroma verschmitzt an, blinzelte ihr ein Auge zu, streichelte dabei zärtlich ihre Hand und hüpfte auf ihren Schoß, so wie sie es immer getan hat. „Ich bin Deine kleine Laura und Du bist meine Lieblings-Uroma Hedwig!“ „Das ist ja schön!“ strahlte die 86-jährige Dame erleichtert. Laura hatte das Gefühl, als wenn Uroma Hedwig ein Stein vom Herzen gefallen wäre. Laura ist gerade 5 Jahre alt geworden. Sie weiß inzwischen, was in Uromas Kopf los ist. Die Mama hat ihr erzählt, dass Uroma Hedwigs Gehirn nicht mehr so gut funktioniert. Erst war die Uroma nur ein bisschen vergesslich. Dann hat sie Laura dreimal am Vormittag das Gleiche erzählt und gefragt „Sag mal, hab ich das sonst auch immer so gemacht?“ Manchmal flüsterte sie Laura heimlich zu: „Weißt Du noch, wie ich heiße?“ Was war nur passiert im Kopf von Uroma Hedwig? „Ist es nebelig in ihrem Kopf?“, fragt Laura interessiert nach. Ihre Mama lächelt „Ja, so kann man es vielleicht erklären. Doch es gibt immer wieder kurze Momente, da ist alles klar in ihrem Kopf. Es gibt tief im Gehirn ein Zentrum, in dem ihre Gefühle und Erinnerungen schlummern und darauf warten, von uns geweckt zu werden. Be- sondere Erlebnisse ihres Lebens, schöne und auch weniger schöne, hat sie dort abgespeichert. Manche gehen leider für immer verloren, doch ihr Herz wird nicht dement, da bin ich mir ganz si- cher“ erklärt ihr die Mama. „Das Herz wird nicht dement? Was bedeutet denn das Wort dement?“ will Laura wissen. „Kann sich Uroma Hedwig deshalb auch nichts Neues mehr merken? Wann wird sie denn wieder gesund?“ Fragen über Fragen, die Laura auch mit in ihre KITA in Arnsberg nimmt. Viele der KITA-Kinder haben gar keine Uroma mehr. Neugierig und gespannt schauen sie sich zusammen mit ihren Er- zieherinnen das zauberhafte Bilderbuch „Opa ist ...Opa“ von Lilli Messina an. Diese einfühlsame und anrührende Geschichte von Pepe und seinem Opa erklärt ihnen die wundersame Vergess- krankheit. Sie sitzen im Kreis und werfen sich kreuz und quer Wollknäuel zu.
Sicht Nr. 88 Seite 13 Ganz allmählich entsteht ein Netz mit vielen Verbindungen und Maschen. Genauso ist es im Gehirn eines Menschen. Immer engmaschiger, immer verzweigter wird das Netz aus Wolle, bis alle Kinderhände voll zu tun haben. Die Erzieherin lässt kleine Zettel in das Fadengewirr regnen, das wie ein kunterbuntes Netzwerk aussieht. Einige Zettel, die Uroma Hedwigs Erinnerungen darstellen sollen, bleiben auf dem Woll-Netz liegen. Andere fallen durch die Maschen hindurch. Unwiederbringlich purzeln sie auf den Boden, schweben dahin und dorthin. So wie die Erinne- rungen von Uroma Hedwig. Jetzt verstehen die 5- und 6-jährigen, was im Gehirn passiert, wenn die Vergesskrankheit eingesetzt hat. Dass sich die Krankheit nicht bessern wird, begreifen sie mit all ihren Sinnen. Aber auch, dass Uroma Hedwig Hilfe braucht. Jemand der sie versteht, dem sie sich anvertrauen kann, der sie liebt, auch wenn sie vergesslich ist. „Die großen Leute nennen das „Demenz“ oder „Alzheimer“, erklärt ihnen die Leiterin der Städt. KITA "Kleine Strol- che", Margit Albers: „Von außen sieht deine Uroma Hedwig aber ganz normal aus“, stellt Emma fest. „Das liegt daran, dass man die Vergesskrankheit nicht sehen kann, so wie ein Gipsbein bei einem gebrochenen Fuß“, weiß Patrick, der pfiffige Blondschopf in der KITA-Gruppe. „Oder wie ein Kopfverband beim Loch im Kopf. Oder wie ein knallroter Kopf, wenn man Fieber hat!“ spru- delt es aus der munteren Kinderschar heraus. Sie alle hören gebannt und wissbegierig zu, als die Erzieherinnen ihnen erklären, dass Menschen, die demenzkrank sind, vielleicht an manchen Tagen vergessen, wann es Morgen, Mittag oder Abend ist. Dass sie vielleicht gar keinen Hun- ger und Durst mehr spüren. An anderen Tagen denken sie vielleicht mittags daran, dass sie ein leckeres Essen kochen möchten, wissen aber nicht mehr, dass Salz ins Wasser gehört, um die Kartoffeln zu kochen. Oder sie verlaufen sich, weil sie nicht mehr wissen, wo sie wohnen. „So war es auch bei meiner Uroma Hedwig, die hat sich verirrt, als sie allein spazieren gegangen ist. Sie hatte einen Koffer dabei und wollte zu ihrer Mama verreisen!“, erinnert sich Laura. „Oh, Hilfe ... lebt die Mama von der Uroma denn noch? Die muss ja dann 1000 Jahre alt sein! Wie habt ihr sie denn wieder gefunden? Hatte sie ein Handy dabei, dass sie euch anrufen konnte?“, fiebern alle Kleinen Strolche besorgt mit. Laura denkt mit Gänsehaut an diesen Schrecken zurück. „Alle Nachbarn und Freunde haben geholfen Uroma Hedwig zu suchen. Kurz bevor es dunkel wurde, haben wir sie endlich gefunden. Sie hatte so eine Angst! Und ich auch!“ erinnert sich Laura. Die Erzieherin streichelt ihr tröstend über den Kopf und greift die Situation auf. „Ja, Menschen mit der Vergesskrankheit brauchen andere Menschen, die an das denken, was sie selbst vergessen. Die für sie da sind, so wie eure Eltern, Geschwister, Freunde und die Erzieherinnen in der KITA für euch da sind. Ihr Kinder braucht ja auch gelegentlich Hilfe, bis ihr erwachsen seid. So ist das auch im Alter.“ Ohne große Worte verstehen die Kinder, um was es eigentlich geht: Um Respekt, Wertschätzung und Würde bis zum Lebensende!
Nr. 88 Seite 14 Sicht Kinderlärm ist Zukunftsmusik - auch im Altenheim! Text: Marita Gerwin; Foto: Pixabay 16 kleine Kinderfüße trippeln aufgeregt die Treppe herauf. In der Hand und im roten Sandeimer Büschel mit dottergelben Löwenzahnblumen, Pusteblumen, Grasbüschel – mit Stumpf und Stiehl ausgerupft. Am Wegesrand. Erde rieselt auf die Treppenstufen des Evangelischen Altenheims „Zum Guten Hirten“ in Arnsberg. Noch ist es still im Haus. Doch das wird sich gleich ändern. Lebhaft wird es auf den Fluren. Acht kleine Strolche der Städt. KITA Auf der Alm in Arnsberg be- suchen heute wieder ihre Nachbarn. 80/85/90/102 Jahre alt. Fast ein Jahrhundert liegt zwischen ihnen. Beide Generationen strahlen um die Wette, als sie sich begegnen. Heute wird es ein schöner Tag! Eine muntere Schar wirbelt durch das Haus. Die Türen gehen auf. Frau M. 83 Jahre wartet schon ungeduldig zusammen mit den Anderen auf die kleinen Strolche. Ganz unbefangen mit seinen gestylten und gegelten Haaren und den roten Wangen setzt sich der ein Meter große Strahle- mann neben die alte Dame. Zwei Vertraute. Gute Freunde inzwischen. “Guck mal, was wir Euch heute mitgebracht haben. Ganz viele Löwenzahn- blumen“, ruft er mit kräftiger Stimme in die Runde. “Wie schön die gelbe Blüte ist. Wir haben früher Kuhblume dazu gesagt, weil die zu Massen auf der Kuhwiese standen. Und wenn Sie verblühen, dann ...“ Noch ehe der alte Herr zu Ende spre- chen kann, sprudelt es schon aus dem flotten Kin- dermund heraus: „wird eine Pusteblume daraus!“ Beide lachen. Sie blasen die Wangen auf und pusten zusammen die kleinen Fallschirme durch den Raum im Altenheim. Überall wirbeln sie herum – und die Kinder hinterher. „Und im Stängel ist eine Milch, mit der wir als Kinder unsere Warzen behandelt haben. Das hat gewirkt. Echt!“. Die Kleinen verstehen irgendwie nicht, was die alte Dame meint. „Was sind denn Warzen?“, wollen die 5-Jährigen wissen. „Wisst Ihr denn auch warum wir die Pflanze Löwenzahn nennen?“, fragt die Erzieherin in die Runde. Jung und Alt haben sofort eine Antwort parat: “Klar, guck Dir doch mal die Blätter genauer an, wie gezackt die aussehen. Wie gefährliche, scharfe, spitze Reißzähne von einem Löwen“. Die Kinderschar bleibt keine Antwort schuldig. „Früher, als ich Kind war, haben wir Körbeweise Kuhblumen ausgerupft für unsere Kaninchen. Die jungen zarten Blätter mümmelten die Hasen besonders gern. Das war unsere Aufgabe als Kinder auf dem Bauernhof,“ erinnert sich ein älterer Herr. „Und wir haben Zuhause Salat daraus gemacht, hmmm, der schmeckte gut!“ erinnert sich eine andere Dame in der Runde. Noch ehe die Kleinen weiter fragen können, geht die Tür zum Treppenhaus auf. Hereinspaziert kommt Frau Frigger von der Königsstraße in Arnsberg. Seit Jahren besucht sie regelmäßig als Ehrenamtliche das Altenheim. Zwei geheimnisvolle Kisten trägt sie in Ihren Händen. Verschmitzt lächelt sie. Mucksmäuschen still ist es plötzlich. Irgendetwas raschelt in den Kisten. Neugierig sind sie alle - ob 5 Jahre oder 95 Jahre alt. „Kommt mal mit mir. Vergesst aber Eure Lö- wenzahnpflanzen nicht“, fordert sie die munterer Truppe auf. Wie ein Rattenfänger von Hameln stolziert sie den langen Flur entlang.
Sicht Nr. 88 Seite 15 Eine kleine Karawane zieht gespannt hinter ihr her. Kinder schieben Rollstühle, helfen den alten Menschen den Rollator zu schieben, Andere rennen, flitzen, reden wild durcheinander. In der Tagespflege ist eine lange Tischreihe aufgestellt. Die Bewohner versuchen einen guten Platz zu ergattern. Und die kleinen Strolche? Die wollen endlich das Geheimnis der zwei Kisten lüften. Sie ahnen es schon. Vor der Tür zur Tagespflege wird es richtig kuschelig und kribbelig. Der Deckel springt auf. „ Wusst ichs doch! Oh sind die süß! Knuffig! So kuschelig. Wie die zappeln! Darf ich mal eins in die Hand nehmen und streicheln? Komm, die nehmen wir mit rein zu den Senioren. Die warten doch schon auf uns. Guck mal, da ist ja ein Riesentisch! Weißt Du was, daraus machen wir eine Rennbahn!“, die Kinder sind wie aufgedreht. Schwupp di wupp, sind die Kisten leer. Acht drei Wochen alte Kaninchen und drei ausgewachsene Kerle mit Schlappohren warten geduldig auf ihren großen Auftritt. Pure Be- geisterung. Gänsehaut macht sich breit. Jeder der kleinen Strolche schnappt sich einen Hoppel und legt ihn behutsam auf den Schoß der alten Menschen, auf den Bauch, auf den Tisch. Unbeschreiblich rührende Szenen spielen sich ab. Kleine und faltige Hände greifen zärtlich zu den „Gästen auf den vier Pfoten“. Alle reden durcheinander. Gefühle und Erinnerungen kommen hoch. Sprudelnder Kindermund. Große Augen, Lachen, Spaß. Entspannte Gesichter, in- nere Zufriedenheit, Unbekümmertheit, Glücksmomente. Geschichten, die das Leben schreibt. Einfach nur schön! Auf dem Weg zurück zur KITA gibt es viel zu erzählen. Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über! Von Berührungsängsten auf beiden Seiten keine Spur. Das nächste Mal besuchen die hochbetagten Menschen die kleine Strolche in ihrer KITA. Sie werden ihre Gäste - ihre Nachbarn - überraschen, aus ihrem Kinderleben erzählen - sie teilhaben lassen, mitnehmen. Sonne in den Alltag bringen. Warten wir es ab. Die Ideen in den Köpfen der Kinder sprudeln nur so. Eine Erfahrung, die Jung und Alt fürs Leben prägt. Da bin ich mir ganz sicher! Die wahre Bedeutung dieser Zusammenarbeit zwischen den Generationen versteht nur, wer die normale Situation in den Altenheim rund um den Globus kennt. Das Schweigen, die Apathie, die Ereignis- und Lustlosigkeit an so manchen Tagen im Jahr. Die hochbetagten Menschen genie- ßen es, gefordert zu sein, wachgerüttelt zu werden, in der Gemeinschaft mit jungen Menschen zu sein. Die Kleinen sind Unkompliziert, lebendig, quirlig. Diese Lebensfreude und der Lebenshunger, die Wissbegierde überträgt sich. Kinderlärm ist Zukunftsmusik - auch im Altenheim! Es klingt so selbstverständlich. Ist es aber - noch - nicht. Wir danken der KITA „Kleine Strolche“, dem Altenheim „Zum guten Hirten“, der DIAKONIE Ruhr- Hellweg, der Kath. Bildungsstätte Arnsberg und den Beraterinnen Frau Hoppe und Frau Kraas für diese Idee, die sie im Rahmen des Projektes Demenz Arnsberg entwickelt und in die Tat um- gesetzt haben.
Nr. 88 Seite 16 Sicht Menetekel am Glockenhaus Text: Christine Rumpf Kennen Sie die Geschichte von Belsazar aus dem Alten Testament? Sie steht im 5. Kapitel des Buches Daniel. Belsazar, der Sohn des Königs Nebukadnezar, benutzte den von seinem Vater geraubten Jerusalemer Tempelschatz, salopp gesagt, als Partygeschirr und erregte damit Gottes Unwillen. Während des Festes erschien die Hand Gottes und schrieb unheilvolle Buchstaben an die Wand. „Mene mene tekel u-parsin!“ Der jüdische Prophet Daniel übersetzte sie. Ganz frei übersetzt heißt das: „Gott hat dich gewogen und zu leicht befunden. Dein Reich wird an die Per- ser fallen.“ In der gleichen Nacht noch wurde Belsazar ermordet. Warum ich Ihnen das erzähle? Mal wieder wegen einer meiner kindlichen Schandtaten! Obwohl, oder vielleicht gerade weil ich Lehrerkind auf dem Dorf war, war ich ja bei jedem Schabernack dabei! Unsere Kirche stand auf einem Berg oberhalb des Dorfes und deshalb ge- nügte statt eines Kirchturms ein Glockenhaus. Der Schall reichte gut über das Dorf hinweg. Es war ein zweistöckiger Fachwerkanbau an der Westseite der Kirche. Unser Nachbar, von Beruf Anstreicher, hatte das Glockenhaus gerade frisch gestrichen: die Balken fast schwarz, die Fächer blütenweiß. Sie strahlten in der Sonne! Uns Kindern war das aber irgendwie nicht bunt genug, und wir sannen auf Abhilfe. Jetzt im Sommer waren am Berghang jenseits der Kirchhofmauer die Holunderbeeren reif, und das brachte uns auf die Idee schlechthin! Wir pflückten die Beeren, matschten uns damit so richtig schön die Hände ein und drückten sie an die Fachwerkflächen! Die rotvioletten Abdrücke sahen einfach nur phan- tastisch aus, und wir waren mit unserem Werk sehr zufrieden! Natürlich mussten wir dann ganz schnell nach Hause und uns möglichst unbemerkt von unseren Müttern die Hände waschen, damit uns die farbigen Hände nicht verrieten! Erwischt hat uns nie- mand! Auf jeden Fall kann man sagen, dass die heutigen Graffitikünstler in uns würdige Vorgän- ger hatten! Streng genommen könnte man sagen, dass das Sachbeschädigung war, aber Holunderbeerensaft hat netterweise die Eigenschaft, sehr schnell auszubleichen. Und da wir unser Kunstwerk an der Süd- seite des Glockenhauses angebracht hatten, war schon nach wenigen Wochen Sonne so gut wie nichts mehr zu sehen. Ein paar Pinselstriche unseres Nach- barn, und alles war wieder in Ordnung. Die Geschichte von Belsazar habe ich erst später im Konfirmandenunterricht kennengelernt, etwa zeitgleich Heinrich Heines Ballade „Bel- sazar“. Und ich musste natürlich sofort an unser Glocken- haus denken! Die Ballade liebe ich bis heute. Sie ist so schön unheimlich und lässt sich gut deklamieren! „Und schrieb und schrieb an weißer Wand Buchstaben von Feuer und schrieb und schwand!“ Und am Schluss: „Belsazar ward aber in selbiger Nacht von seinen Knechten umgebracht!“
Sicht Nr. 88 Seite 17 Sehnsuchtsziel Namibia Text und Foto: Karola Hilborne-Clarke Haben Sie auch ein Sehnsuchtsziel? Orte oder Länder, die Sie unbedingt besuchen möchten? Ich habe einige solcher Sehnsuchtsziele, und eines davon ist Namibia. Häufig werde ich gefragt – warum Namibia? Ich kann es nicht erklären, ich weiß es einfach nicht. Und dann habe ich mir diesen Traum Namibia erfüllt. Ich stehe hier am Flughafen in Windhoek. Noch ist alles so, dass ich es kaum glauben kann. Nach einem holprigen Start – die Verbindung Cockpit zum Passagierraum klappte nicht – kamen wir mit einstündiger Verspätung los. Die Flugroute führte von Frankfurt in einer mehr oder weniger geraden Linie nach Windhoek. Über Kamerun und Angola hatten wir Turbulenzen, haben sie aber gut überstanden. Nach einem zehnstündigen Flug landet das Flugzeug in Windhoek. Das Wetter ist bedeckt, windig aber warm. Am Flughafen geht alles sehr langsam voran – Ein- reisebestimmungen, Geldwechsel usw. Das liegt daran, dass heute Nationalfeiertag ist wird uns gesagt. Aber ich denke wir sind in Afrika, und da gehen die Uhren langsamer. Unser Reiseführer Nico nimmt uns in Empfang und wir brechen sofort auf zur Stadtrundfahrt. Windhoek ist die Hauptstadt Namibias. Namibia wurde erst 1990 unabhängig und ist sehr dünn besiedelt. Zahlungsmittel ist der Nami- bische Dollar. Die Amtssprache ist Englisch und Afrikaans, aber sehr viele Menschen sprechen deutsch. Wir fahren durch Katutura, das Schwarzenviertel, die Armenviertel und die Viertel der Reichen. Das Wahrzeichen ist die Christuskirche. Wir sehen das älteste Gebäude der Stadt, die Alte Feste, erbaut in der Kolonialzeit, heute das Nationalmuseum. Davor steht die Statue des Gründungsva- ters Sam Nujoma. Der Tintenpalast ist umgeben von prächtigen Gärten, drinnen tagt die namibi- sche Nationalversammlung. Wir sehen auch die ersten Hererofrauen in ihren prächtigen Gewändern und dem herausragenden Kopfschmuck. Namibia war von 1903 – 1918 un- ter deutscher Verwaltung, bekannt als Deutsch Südwestafrika. Deshalb kann man noch viel deut- sches entdecken. Mich faszinieren die Straßen- namen: An einer Kreuzung hat eine Straße einen deutschen, die andere Straße einen afrikanischen Namen. Dazu kommen auch noch englische Na- men. Viele Bäume und Blumen ziehen am Fens- ter vorbei, von denen ich viele noch nie gesehen habe.
Nr. 88 Seite 18 Sicht Nach der Stadtrundfahrt geht es ins Hotel. Ich bin todmüde, denn es war ein langer Tag, der Nacht- flug und mit schlafen war im Flugzeug nicht viel. Aber Gott sei Dank habe ich keinen Jetlag, denn Namibia liegt in der gleichen Zeitzone wie Deutschland. Da Namibia auf der Südhalbkugel liegt, sind die Jahreszeiten umgedreht. Ich bin gestern Abend wie tot ins Bett gefallen und habe gut geschlafen. Aber unsere Koffer müssen schon um 8 Uhr vor der Tür stehen. Nico sagt, wir haben einen anstrengenden Tag vor uns, weil die Straßen – sprich Pisten – schlecht sind. Leichter Regen fällt – für die Einheimischen ein Geschenk – und es ist frisch. Vor uns sehen wir die Auars Berge, das höchste Gebirge in Namibia. Auf unserer Fahrt aus der Stadt halten wir noch bei dem Denkmal für die Freiheitskämpfer (gegen die Kolonialmächte). Es gibt sehr viele Akazienbüsche, die zu Holzkohle verarbeitet werden. Das Holz wird aber auch gebraucht für die Masten der Überlandleitungen (was toll aussieht). An der Seite begleiten uns Paviane. In Rehoboth gibt es viele heiße Quellen. Hier lebt ein eigener Volksstamm, die Buster, zwischen Weißen und Hottentotten, die aus Südafrika kamen. Auch viele andere Volksstämme kamen vom Norden und trieben ihr Vieh nach Südafrika. Dieses Jahr hat es keinen Regen gegeben und des- halb sind die meisten Flussbetten trocken. Klein Aub ist bekannt für seine Kupferminen. Wir fahren weiter auf einem Plateau. Dann kommen wir an den Rand und die Schluchten fangen an, die bis zur Namib Wüste reichen. Auf unserer Wei- terfahrt – vorbei an Lepel = 2 Häuser und ein Autofriedhof – sehen wir eine schwarze Spy Kobra, die sich aber schnell aus dem Staub macht. Begegnen möchte ich der nicht. Aber wir sind hier in der Wildnis und es gibt viele Schlangen und Skorpione. Zum ersten Mal sehe ich Euphorbien, die für Menschen giftig sind. Die Buschmänner brauchten diese Pflanze zum Fische fangen. Die Straße ist furchtbar – Schotterpiste – und es geht hoch, runter und mit Karacho durch die Fluss- läufe. Nun sind wir schon am Anfang der Namib. Es ist alles gelb, nur noch vereinzelt Bäume und trocke- ne Flussbetten. Jetzt hören auch die Farmen auf, denn hier ist noch nicht mal Viehhaltung möglich. Auf der einen Seite begleiten uns ganz tolle Felsformationen und auf der anderen Seite fangen schon die roten Dünen der Namib an. Wir beziehen unsere Zimmer in der Namib Desert Lodge, die einen Pool hat (hurra!). Nach einem Salat tauchen wir dort unter – einfach herrlich. An der Einfahrt wurden wir von einer Giraffe begrüßt. Und während ich noch denke, welch eine tolle Idee, bewegt sich diese Statue – es ist eine echte Giraffe! Die Giraffe ist das erste wilde Tier, das ich in Freiheit sehe.
Sicht Nr. 88 Seite 19 Um 17:30 Uhr fahren wir in einem uralten Jeep los, um uns den Sonnenuntergang anzusehen. Lange hält unser Jeep nicht durch und wir müssen auf die anderen Fahrzeuge umsteigen. Dann fahren wir uns auch noch in den Sanddünen fest. Alles schon lustig. Unterwegs sehen wir Springböcke (sie springen wirklich so wie man das immer sieht und sind da- bei sehr elegant), Trappen, eine Onyx Herde und Strauße. Die Weite muss man gesehen haben um sie zu begreifen. Es ist einfach toll. Auf der steinernen Düne – die Lodge liegt zu unseren Füßen – machen wir halt und bekommen zu trinken und Springbockwürstchen. Sehr lecker. Wir werden gewarnt, nicht zu nah an den Abgrund heranzugehen, da die Kante ganz schnell abbrechen kann. Und dann bekommen wir den fantastischsten Sonnenuntergang zu sehen, den man sich über- haupt vorstellen kann. Auf der einen Seite haben wir die Berge, die laufend – je nach Sonnenstand - die Farbe wechseln von braun zu den verschiedensten Rottönen bis zu schwarz. Und wenn man sich ein bisschen dreht, hat man ganz andere Farben, weil die Sonneneinstrahlung dort anders ist. Ich kann mich gar nicht genug satt sehen. Gegenüber ein Abendrot, das sich ebenfalls laufend verändert. So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen. Komisch ist es schon, den Mond ver- kehrt herum am Himmel stehen zu sehen. Und als es dunkel wird kommen die Sterne – es ist unbeschreiblich. Der gesamte Himmel ist übersät mit Sternen. Sie sind so klar und so nah, als ob man sie pflücken könnte. Auf der Rückfahrt ist es dunkel und die Dünen sehen unheimlich aus. Sie sind sehr steil und wir fahren uns wiederum kurz fest. In der Lodge essen wir noch, denn es gibt unter anderem Kudu Steaks, im Freien gegrillt, Brötchen, Mangold Salat und vieles mehr. Die steinernen Dünen werden abends angestrahlt. Nun sehen wir von unten, was wir am Abend von oben gesehen haben. Die Farben und der Sternenhimmel sind einmalig. Wir finden den Ori- on, aber leider kann uns nie- mand das Kreuz des Südens zeigen. Kaum zurück im Zimmer und fertig fürs Bett geht das Licht aus. Auch das gehört zu Afrika. Es war ein toller Tag.
Nr. 88 Seite 20 Sicht Smart City in Arnsberg – Zwischenstand 2021 Text: Lars Morgenbrod Mit dem Modellprojekt „Smart Cities: 5 für Südwestfalen“ verfolgt Arnsberg einen regionalen An- satz zu einer zukunftsorientierten digitalen Transformation. Gemeinsam mit fünf Partner-kom- munen wurde hierzu eine Rahmenstrategie entwickelt. Sie dient als Basis für das einheitliche Ver- ständnis von Smart Cities in Südwestfalen und ist ebenfalls eine Einladung für alle Kommunen in der Region. Wir berichteten bereits mehrfach in der SICHT über dieses Vorhaben. Das Projekt ist in zwei Phasen gegliedert: bis Ende 2021 läuft die Strategiephase und anschlie- ßend folgt bis Herbst 2026 eine Umsetzungsphase für Projekte. Die Südwestfalen Agentur begleitet und unterstützt die Kommunen über die gesamte Laufzeit. Wo stehen wir also aktuell in diesem langjährigen Prozess? Momentan befinden wir uns in der Strategiephase: hier soll geklärt werden, was konkret erreicht werden soll, und wie das gelingen kann. Unter erschwerten Corona-Bedingungen fand die erste Bürgerbeteiligung der Stadt Arns- berg zu dem Thema Smart City über die Beteiligungsplattform „adhocracy+“ online statt. Auf dieser Plattform wird die Stadt Arnsberg auch zukünftig Bürger*innenbeteiligungen organisie- ren. Online ist die Beteiligungsplattform unter https://beteiligung.arnsberg.de zu erreichen. Die nächste Beteiligung zu konkreten Smart City Projekten folgt bis Mitte diesen Jahres. Dabei sind wieder alle Bürger*innen gefragt, Ideen und Meinungen zu teilen. Ein Besuch des Portals lohnt sich also! Ein im März 2021 gegründeter Technologiebeirat mit Vertreter*innen aus Wirtschaft und For- schung wird das Projekt mit fachlicher Expertise beratend begleiten. Und auch erste konkrete Maßnahmen neh- men Gestalt an: Als erstes interkommunales Leitprojekt der fünf südwestfälischen Part- nerkommunen wird eine offene regionale Da- tenplattform aufgesetzt. Sie soll die Basis für künftige gemeinsame Smart City Lösungen sein. Diese modulare Plattform wird open- source-basiert und bildet die Grundlage für zukünftige bürgerzentrierte Anwendungen, mögliche Beispiele sind smartes Parken, Messung und Überwachung der Luftqualität oder Tourismusanwendungen. Ein kleineres Projekt in Arnsberg sind sechs Smart Benches, welche in diesem Jahr in der Stadt aufgestellt werden. Diese smarten Bänke sind mit Solarmodulen ausgestattet und bieten eine unabhängige, regenerative Stromversorgung, um das eigene Smartphone per USB-Schnittstelle oder kabellos per auflegen zu laden. Ebenfalls bieten die Bänke einen kostenfreien Internetzugang per WLAN. Aktuell werden Aufstellungsorte ermittelt und geprüft. Hier zeigen sich also schon erste konkrete Beispiele, die Arnsberg smarter machen. Link zur Rahmenstrategie als PDF: https://smartcities-suedwestfalen.com/wp-content/uploads/2020/11/ Smart-Cities-Rahmenstrategie-fu%CC%88r-Su%CC%88dwestfalen.pdf Oder: Weitere Infos zur Rahmenstrategie unter https://smartcities-suedwestfalen.com/
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