Symposion Der "schwierige" Umgang mit dem Nationalsozialismus Die steirischen Universitäten im österreichischen Vergleich - Institut für ...

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Symposion
Der „schwierige“ Umgang mit dem
              Nationalsozialismus
             Die steirischen Universitäten
            im österreichischen Vergleich

                  www.uni-graz.at
Programm

                  Donnerstag
                  16. Mai 2019   ������������������������������������������������������������������������������ 4

                  Freitag
                  17. Mai 2019   ����������������������������������������������������������������������������� 6

                  Abstracts      ������������������������������������������������������������������������������ 8

Titelbild: © Sammlung Kubinsky
Der „schwierige“
Umgang mit
dem National­
sozialismus
Die steirischen Universitäten
im österreichischen Vergleich

Die Analyse der Quellen über die Entnazifi-    und der Entnazifizierung sollte letztlich die
zierung der Hochschulen in der Steiermark      Hochschulen über Jahrzehnte bis in die Ge-
macht die Ambivalenz des Mai 1945 zwi-         genwart prägen.
schen Neubeginn und Kontinuität evident.
Zwar bemühten sich die österreichischen        Auf Basis des am Centrum für Jüdische Stu-
Universitäten nach dem Ende der NS-Herr-       dien seit 2017 laufenden Forschungspro-
schaft eine „Stunde null“ zu proklamieren,     jektes „Die Karl-Franzens-Universität Graz
die sich jedoch auf Grund von verschie-        1945–1955: Neubeginn und/oder Kontinui-
densten Interessen einzelner Akteure sowie     täten“ möchte das Symposion die Projekter-
der Notwendigkeit den Forschungs- und          gebnisse zur Steiermark zur Diskussion stel-
Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten alsbald als     len und mit anderen Universitäten in Öster-
illusorisch erweisen sollte. Unter der Prä-    reich in Beziehung setzen. Im Zentrum des
misse, dass die Universitäten einen wich-      Interesses steht neben der Einordnung der
tigen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen,     Grazer Situation in einen österreichischen
avancierten Fragen nach personellen wie        Kontext vor allem die Frage nach den Stra-
auch inhaltlichen Neuorientierungen – frü-     tegien und Handlungsspielräumen von Ak-
her oder später – zum vieldiskutierten Poli-   teur*innen, Institutionen und Netzwerken.
tikum. Der ambivalente und inkonsistente       
                                                     Heimo Halbrainer, Susanne Korbel und
Prozess des demokratischen Neubeginns
                                                                         Gerald Lamprecht

                                                                                               3
Programm 
    MEERSCHEINSCHLÖSSL
    MOZARTGASSE 3
    8010 GRAZ

    13:00   BEGRÜSSUNG UND                                      13:45   PANEL 1:
            EINLEITUNG                                                  UNIVERSITÄT GRAZ (1)
            Ao Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek                         Moderation: Gerald Lamprecht
            (Vizerektor für Studium und Lehre)
                                                                        Susanne Korbel (Universität Graz):
            Univ.-Prof. Dr. Michael Walter                              „UM DIE VERGANGENHEIT KÜMMERN“
            (Dekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät)              Netzwerke in der Entnazifizierung
                                                                        der Universität Graz
            Emeritus o. Univ.-Prof Dr. Helmut Konrad
            (Ludwig Boltzmann Institut für Gesellschafts- und
                                                                        Alois Kernbauer (Universität Graz):
            Kulturgeschichte, Institut für Geschichte)
                                                                        DIE AKADEMISCHEN EHRUNGEN
            Gerald Lamprecht (Universität Graz):                        NACH 1945
            DER „SCHWIERIGE“ UMGANG MIT DEM                             Die Universität Graz und ihre
            NATIONALSOZIALISMUS:                                        Suche nach Identität
            Zur Konzeption der Tagung
                                                                        Christian Fleck (Universität Graz):
                                                                        VON SPITZENREITERN ZU NACHZÜGLERN
                                                                        SOZIALWISSENSCHAFTEN AN DER
                                                                        Universität Graz 1900 bis 1975

                                                                15:15   Kaffeepause

4
Donnerstag, 16. Mai 2019

15:45   PANEL 2:                                      18:45   PANEL 4:
        UNIVERSITÄT GRAZ (2)                                  STEIRISCHE HOCHSCHULEN (2)
        GEISTESWISSENSCHAFT                                   KUNSTUNIVERSITÄT
        Moderation: Susanne Korbel                            Moderation: Helmut Konrad

        Heimo Halbrainer (Universität Graz):                  Markus Lenhart (Kunstuniversität Graz):
        „… GEGENWÄRTIG DER EINZIGE                            DIE VORGÄNGERINSTITUTIONEN DER
        BESOLDETE VERTRETER DER GE-                           KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ UND 1945
        SCHICHTSWISSENSCHAFT AN DER
        UNIVERSITÄT UND DAHER                         15:45   Julia Mair (Kunstuniversität Graz):
        UNENTBEHRLICH.“                                       NEUBEGINN UND KONTINUITÄT
        Entnazifizierung der Geschichtswissenschaft           Die Kunstuniversität Graz
        an der Universität Graz
                                                      19:15   Schluss
        Marco Jandl (Universität Graz):
        DIE UNIVERSITÄRE GERMANISTIK IN
        GRAZ ZWISCHEN NEUKONSTITUIE-
        RUNG UND KONTINUITÄT, UNSCHULDS­
        NARRATIVEN UND ENTNAZIFIZIERUNGS-
        POLITIK

16:45   PANEL 3:
        STEIRISCHE HOCHSCHULEN (1):
        TU GRAZ, LEOBEN
        Moderation: Heimo Halbrainer

        Hans-Peter Weingand (Graz):
        „…NICHT NUR EIN NEUES STUDIENJAHR,
        SONDERN EINE NEUE EPOCHE“
        Brüche und Kontinuitäten an der Technischen
        Hochschule Graz

        Thomas Geißler (Montanuniversität Leoben):
        DIE MONTANUNIVERSITÄT HAT KEINE
        GESCHICHTE, SIE HAT TRADITION

17:45   Kaffeepause

                                                                                                        5
Programm 
    MEERSCHEINSCHLÖSSL
    MOZARTGASSE 3
    8010 GRAZ

    9:30    PANEL 5:                                        11:00   PANEL 6:
            ASPEKTE DER NAZIFIZIERUNG UND                           ENTNAZIFIZIERUNG DER
            ENTNAZIFIZIERUNG IN WIEN                                WIENER HOCHSCHULEN (1)
            Moderation: Gerald Lamprecht                            Moderation: Susanne Korbel

            Ilse Korotin                                            Johannes Feichtinger
            (Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien):            (Österreichische Akademie der
            „… DER WELTANSCHAULICHE KAMPF                           Wissenschaften, Wien):
            DIENT NACH DEM KRIEGE DEM GLEI-                         DIE ENTNAZIFIZIERUNGSPRAXIS AN DER
            CHEN ZIELE.“                                            ÖSTERREICHISCHEN AKADEMIE DER WIS-
            Philosophen im „Kriegseinsatz der Geistes-              SENSCHAFTEN
            wissenschaften“ („Aktion Ritterbusch“ – 1940-
            1945) – Spuren des Fortwirkens                          Johannes Koll (Wirtschaftsuniversität Wien):
                                                                    „EINE KEIMZELLE DES
            Gunnar Mertz (Universität Wien):                        AUFBAUPROGRAMMS“
            ENTNAZIFIZIERUNG STAATLICH-WISSEN-                      Entnazifizierung an der Wiener Hochschule für
            SCHAFTLICHER FORSCHUNGSANSTALTEN                        Welthandel zwischen Demokratisierung, kon-
            IN ÖSTERREICH                                           servativer Traditionsbildung und nazistischer
            Die Geologische Bundesanstalt (GBA) und die             Persistenz
            Zentralanstalt für Meteorologie und Geodyna-
                                                                    Juliane Mikoletzky/Alexandra Wieser
            mik (ZAMG) im Vergleich
                                                                    (Technische Hochschule Wien):
                                                                    ENTNAZIFIZIERUNG AN DER TH IN WIEN
    10:30   Kaffeepause
                                                                    NEUANFANG UND REKONSTRUKTION
                                                                    (1945-1965) UND DER LANGE WEG ZU
                                                                    EINER ERINNERUNGSKULTUR

                                                            12:30   Mittagspause

6
Freitag, 17. Mai 2019

14:30   PANEL 7:                                     15:30   PANEL 8: E
        ENTNAZIFIZIERUNG DER                                 ENTNAZIFIZIERUNG UND ERINNERUNG
        WIENER HOCHSCHULEN (2)                               Moderation: Marco Jandl
        Moderation: Heimo Halbrainer
                                                             Alexander Pinwinkler (Universität Salzburg):
        Walter Manoschek (Universität Wien):                 ERINNERUNGSKULTUR UND
        ENTNAZIFIZIERUNG DER                                 VERGANGENHEITSPOLITIK AN DER
        PROFESSORENSCHAFT                                    UNIVERSITÄT SALZBURG
        DER UNIVERSITÄT WIEN
                                                             Andreas Huber (Universität Wien):
        Paulus Ebner (Technische Hochschule Wien):           ENTNAZIFIZIERUNG DER STUDIERENDEN
        DIE NACHHALTIGSTE HOCHSCHUL-                         AN ÖSTERREICHS HOCHSCHULEN
        ENTNAZIFIZIERUNG?
        Der Kampf um die Deutungshoheit über die     16:30   Schlussdiskussion
        Vergangenheit an der Hochschule für
        Bodenkultur in Wien

                                                                                                            7
Abstracts
       Paulus Ebner (Technische Hochschule Wien):      Der strengen und nachhaltigen Entnazifizie-
       Die nachhaltigste Hochschul-                    rung der Professorenkurie stand eine milde
       Entnazifizierung?                               Behandlung des akademischen Nachwuchses
       Der Kampf um die Deutungshoheit über            gegenüber. Sehr schnell, also bereits ab ca.
       die Vergangenheit an der Hochschule für         1947/48, bildeten sich unter den Studieren-
       Bodenkultur in Wien                             den ein rechtsextremes Netzwerk, das die
                                                       zu diesem Zeitpunkt strikt antinazistische
       Formal betrachtet unterschied sich die Ent-     Hochschulleitung und auch die gewählten
       nazifizierung an der Hochschule für Bo-         ÖH-Funktionäre immer wieder herausfor-
       denkultur nicht von der an anderen Hoch-        derte. Insbesondere der Kampf um die Ver-
       schulen. Unter den Professoren wurde sie        fügungsgewalt über die in den letzten Wo-
       konsequent und vergleichsweise nachhaltig       chen des Krieges errichtete Ehrentafel für die
       durchgeführt, was einerseits durchaus (par-     Gefallenen des Zweiten Weltkriegs blieb bis
       tei)politische Gründe hatte, andererseits       in die 1990er Jahre ein wichtiger Gradmes-
       wohl dem öffentlichen Druck geschuldet          ser für die politischen Verhältnisse an der
       war. Denn die Begleitumstände der akademi-      BOKU.
       schen Entnazifizierung waren durchaus dra-
       matisch und der schon vor 1934 bestehende       In den 1980er Jahren waren es Studierende,
       Ruf einer besonders „braunen“ Hochschu-         die mit der Broschüre „Verdrängte Geschich-
       le wurde in der Öffentlichkeit bestätigt: Der   te?“ einen wichtigen und fundierten Anstoß
       ehemalige kommissarische Leiter der BOKU        zur Beschäftigung mit diesem Thema gaben.
       wurde nach Kriegsende inhaftiert und er-        Im Vorfeld der 125 Jahr-Feier initiierte Rek-
       hielt in einem spektakulären Volksgerichts-     tor Manfried Welan dann ein Forschungs-
       prozess eine mehrjährige Haftstrafe für seine   projekt, das einen deutlichen Schwerpunkt
       Handlungen nach dem „Anschluss“, zwei           auf der politischen Geschichte der Jahre 1933
       weitere ordentliche Professoren mussten sich    bis 1945 hatte. Eine Langzeitfolge dieses Pro-
       Volksgerichtsverfahren stellen, ein Dozent      jekts war die Einrichtung eines betreuten
       des Hauses wurde wegen der Planung und          Universitätsarchivs.
       Durchführung eines Todesmarsches verur-
       teilt.

                                                                    PAULUS EBNER , Studium der
                                                                   Geschichte und Germanistik an
                                                                   der Universität Wien, ab 1990
                                                                   freischaffender Historiker in For-
                                                                   schungsprojekten, seit 2001 im
                                                                   Universitätsarchiv der TU Wien
                                                                   beschäftigt, ab 2016 dessen Lei-
                                                                   ter.
                                                                   Forschungsschwerpunkte: Zeitge-
                                                                   schichte, Wissenschaftsgeschich-
                                                                   te, Universitätsgeschichte, Kul-
                                                                   turgeschichte (Protestformen,
                                                                   Film, Populärkultur)

8
Christian Fleck (Universität Graz):              bare Größe an Personal (critical mass) vor-
Von Spitzenreitern zu Nachzüglern                handen war.
Sozialwissenschaften an der
Universität Graz 1900 bis 1975                   Drittens waren die, die an der Universität
                                                 Graz Sozialwissenschaften lehrten, hinsicht-
Blickt man auf die Geschichte der Sozialwis-     lich ihrer fachlichen Aufgaben wenig ambiti-
senschaften an der Universität Graz, dann        oniert und unkonzentriert.
stechen die Namen Ludwig Gumplowicz
(1838-1909) und Joseph A. Schumpeter (1883-      Viertens entwickelten sich die Sozialwissen-
1950) heraus, die am Beginn des 20. Jahr-        schaften außerhalb Kontinentaleuropas seit
hunderts hier lehrten. Vom langen Rest des       den 1930er Jahren enorm schnell und er-
Jahrhunderts lassen sich keine vergleichbaren    reichten in den 1950er Jahren international
Spitzenleistungen berichten. Im Vortrag wird     einen Grad an Spezialisierung und Raffines-
argumentiert werden, dass der Befund unst-       se, die nicht mehr leicht „im Fernstudium“
rittig ist und es wird dann versucht werden,     erworben werden konnte.
Antworten darauf zu geben, warum diese
Konstellation eingetreten ist.                   Fünftens trug die politische Kultur der Zwei-
                                                 ten Republik dazu bei, dass ein sozialwissen-
Erstens hinterließen die beiden Prominenten      schaftlicher Diskurs gar nicht erst entstehen
keine Schüler und Nachfolger, was nicht          konnte.
ihrem persönlichen Unvermögen zuzuschrei-
ben ist, sondern in institutionellen Bedin-      Abschließend wird daher festzustellen sein,
gungen mitteleuropäischer Universität wur-       dass die großen Verwerfungen, die Öster-
zelt.                                            reich und damit auch seine Universitäten
                                                 zwischen 1933 und 1945 erlebten, keine Er-
Zweitens zeichnete sich die Universität Graz     klärung für den Prozess der Versumperung
im Feld der Sozialwissenschaften von 1920        der Sozialwissenschaften an der Universität
bis 1970 nicht dadurch aus, dass eine frucht-    Graz liefern.

 CHRISTIAN FLECK , ao. Univ.         1987-2005 Leiter des Archivs für     Soziologie in Österreich bis zu ihrer Vertreibung (1990), Die
Prof., Institut für Soziologie der   die Geschichte der Soziologie in     verborgenen Kosten der Arbeitslosigkeit (1990, mit H.G. Zi-
Universität Graz. 1979 Promoti-      Österreich (AGSÖ), Graz, 1998-       lian), Wege zur Soziologie nach 1945 (1996, Hg.), Soziolo-
on Graz, 1989 Habilitation Wien,     2002 Secretary, 2002-06 Vice         gische und historische Analysen der Sozialwissenschaften
1993/94 Schumpeter Fellow, Har-      President, 2006-10 President des     (2000, Hg.), Gefesselt vom Sozialismus. Studien zum Aus-
vard University, Cambridge,          Research Committee 08 Histo-         tromarxisten Otto Leichter (2000, mit Heinz Berger), Paul
1999/2000 Fellow am Center for       ry of Sociology der International    M. Neurath, Gesellschaft des Terrors (2004, Mit-Hrsg.; engl.
Scholars and Writers, The New        Sociological Association (ISA),      Ausgabe: 2005), Transatlantische Bereicherungen. Zur Erfin-
York Public Library, New York,       2005-09 Präsident der Österrei-      dung empirischer Sozialforschung (2007, engl. Übersetzung
2008 Visiting Fulbright Pro-         chischen Gesellschaft für Sozio-     2011), Intellectuals and their Publics: Perspectives from the
fessor, University of Minneso-       logie (ÖGS).                         Social Sciences (2008, ed. with Andreas Hess and E. Stina
ta, Twin Cities, 2011 Directeur      Monografien und Editionen:           Lyon), Soziologie, (2009, mit Anthony Giddens und Marian-
d‘études invite Ecole des Hau-       Korruption. Zur Soziologie nicht     ne Egger de Campo), Knowledge for Whom? Public Sociolo-
tes Etudes en Sciences Sociales,     immer abweichenden Verhaltens        gy in the Making (2014, ed. with Andreas Hess), Etablierung
Paris, 2015 Marshall Plan Foun-      (1985, Hg.), Koralmpartisanen.       in der Fremde. Vertriebene Wissenschaftler in den USA nach
dation Fellow, University of Ca-     Über abweichende Karrieren po-       1933 (2015), Sociology in Austria (2016), Elmer Luchterhand,
lifornia, Berkeley, 2016-18 Chief    litisch motivierter Widerstands-     Einsame Wölfe und stabile Paare (2017, Hrsg. mit Andreas
Research Fellow Poletayev Insti-     kämpfer (1986), Der Fall Brand-      Kranebitter), Shaping Human Science Disciplines: Institutio-
tute for Theoretical and Histo-      weiner. Universität im Kalten        nal Developments in Europe and Beyond (2019, ed. with Vik-
rical Studies, Higher School of      Krieg (1987), Rund um ‚Mari-         tor Kárady and Matthias Duller).
Economics, Moskau.                   enthal‘. Von den Anfängen der

                                                                                                                                  9
Johannes Feichtinger (Österreichische             Thomas Geißler und Ingrid Stadlmayr (Mon-
     Akademie der Wissenschaften, Wien):               tanuniversität Leoben):
     Die Entnazifizierungspraxis an der                Die Montanuniversität hat keine
     Österreichischen Akademie der                     Geschichte, sie hat Tradition
     Wissenschaften
                                                       Im Jahr 2017 hat der Verband Sozialistischer
     Im Jahr 1948 war jedes dritte aktive Aka-         Student_innen in Österreich – Sektion Leo-
     demiemitglied ein Parteigänger der NSDAP          ben eine Broschüre zur Geschichte der Mon-
     gewesen. 1951 spitzte das sozialistische Wo-      tanuniversität aufgelegt. Die zeitgeschicht-
     chenblatt Der neue Vorwärts die personelle        liche Auseinandersetzung wurde zur Not-
     Zusammensetzung der ÖAW polemisch zu:             wendigkeit, da es keine gesammelte Aufar-
     „Die Mitglieder der ,Österreichischen Aka-        beitung der Zeit zwischen dem Zerfall des
     demie der Wissenschaften‘, als der Körper-        Habsburgerreichs und dem Aufbau nach
     schaft, die Österreichs wissenschaftliche Elite   der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
     zu repräsentieren hätte, sind in ihrer Mehr-      gibt. Die hausinternen Chroniken beschrei-
     heit noch immer die alten Protektionskinder       ben ausführlich die Entwicklungen im 19.
     der faschistischen Ära. Da sitzt noch ein         Jahrhundert, doch je näher das 20. Jahrhun-
     Nadler drinnen, ein Knoll, ein Christian, ein     dert rückt, desto spärlicher die Darstellung.
     Pernkopf und wie sie alle heißen, die, wäh-       Der Vortrag zeigt anhand des studentischen
     rend ihre jüdischen Kollegen vergast wurden,      Projekts „Den Montanuniversität im Dritten
     sich als fanatische Nazi gebärdeten.“             Reich - Eine Spurensuche“, welche unange-
     Der Vortrag rekonstruiert die eigenwil-           nehmen Wahrheiten und universitären Inte-
     lige Entnazifizierungspraxis an der ÖAW in        ressenslagen einen zeitgeschichtlichen Dis-
     ihren Kontexten. Gezeigt wird, wie es an der      kurs verhindern.
     Akademie gelang, die Akademiemitglied-
     schaft selbst jener ehemaligen Nationalsozi-
     alisten zu erhalten, die an den Universitäten
     in den dauernden Ruhestand versetzt wor-
     den waren.

     JOHANNES FEICHTINGER                                          THOMAS GEISSLER beschäf-
     ist wissenschaftlicher Mitarbeiter                           tigt sich seit Jahren mit zeitge-
     der Österreichischen Akademie                                schichtlichen und politischen
     der Wissenschaften und Dozent                                Themen, nach mehreren Seme-
     für Neuere Geschichte an der                                 stern in akademischen Gremien
     Universität Wien. Als Mitglied                               und studentischen Vertretungs-
     der Arbeitsgruppe Geschichte der                             körpern an der Montanuniver-
     Österreichischen Akademie der                                sität und bundesweit, hat er sein
     Wissenschaften 1847 bis 2022 be-                             Studium erfolgreich abgebrochen
     reitet er eine neue Akademiege-                              und erstellt Brandschutzkonzepte
     schichte vor.                                                im Großraum Wien.

                                                                  DI.in INGRID STADLMAYR
                                                                  studierte Metallurgie an der
                                                                  Montanuniversität; analysiert be-
                                                                  ruflich metallische Werkstoffe
                                                                  und privat mit Vorliebe blinde
                                                                  Flecken der Regionalgeschichte.

10
Heimo Halbrainer (Universität Graz):             Andreas Huber (Universität Wien):
„… gegenwärtig der einzige besol-                Entnazifizierung der Studierenden an
dete Vertreter der Geschichtswissen-             Österreichs Hochschulen
schaft an der Universität und daher
unentbehrlich.“                                  Die massivsten Zwischenfälle um die Ent-
Entnazifizierung der Geschichts­                 nazifizierung in Österreich ereigneten sich
wissenchaft an der Universität Graz              im November 1946 an Wiens Hochschulen.
                                                 Studierende hatten in den Versammlungen
1945/46 kam es bei den einzelnen Fächern         zu den ersten ÖH-Wahlen NS-Parolen skan-
am Seminar für Geschichte zu einem radi-         diert und ehemals politisch und rassistisch
kalen Bruch, der sich sowohl institutionell,     verfolgte Studierendenvertreter beschimpft.
personell als auch teilweise in den Lehrinhal-   Unmittelbare Konsequenz war nicht nur eine
ten widerspiegelte. Der Vortrag geht einer-      kommunistische Großdemonstration vor der
seits diesem Bruch bzw. Neubeginn 1945/46        Universität Wien, sondern auch verschärf-
nach und zeigt andererseits welche wissen-       te Entnazifizierungsbestimmungen. So wur-
schaftlichen Karrieren die „Entnazifizierten“    den Studierende ab Februar 1947 strenger be-
teilweise in der Folge fern der Universität      handelt als Professoren und Privatdozenten:
Graz nahmen.                                     „Minderbelastete“ Lehrende konnten im Falle
                                                 des positiven Urteils einer Sonderkommissi-
                                                 on (weiter) unterrichten, Studierende waren
                                                 entsprechend der gesetzlichen Vorgaben aus-
                                                 zuschließen.

                                                 Der Vortrag wirft nicht nur am Beispiel die-
                                                 ser „zweiten“ Entnazifizierungswelle einen
                                                 Blick auf die maßgeblichen Akteure (Kom-
                                                 missionen, akademische Behörden, Ministe-
                                                 rium) und wie diese zusammenwirkten, um
                                                 etwa verschärfte Entnazifizierungsbestim-
                                                 mungen abzumildern. Eine These war dabei
 HEIMO HALBRAINER , Histo-                       allgegenwärtig: Dass man die akademische         ANDREAS HUBER , MMag.,
riker in Graz, Leiter von CLIO                   Jugend nicht durch den Studienausschluss,       Historiker und Soziologe, 2010–
(Verein für Geschichts- und Bil-                 sondern gerade erst durch den Zugang zur        2011 wissenschaftlicher Mitar-
dungsarbeit) und wissenschaft-                   tertiären Bildung demokratisieren könne. Be-    beiter bzw. 2013–2017 Universi-
licher Mitarbeiter am Centrum                    sondere Bedeutung kommt aber auch zu re-        tätsassistent am Institut für Zeit-
für Jüdische Studien der Univer-                 gionalen Unterschieden in Abhängigkeit zur      geschichte und Mitarbeiter im
sität Graz.                                      Besatzungszone zu: Während in Wien noch         „Forum ‚Zeitgeschichte der Uni-
Forschungsschwerpunkte und                       vergleichsweise streng entnazifiziert wurde     versität Wien‘“
Publikationen zu den Themen                      und zumindest schwerer Belastete vom Stu-       Aktuelles Forschungsprojekt:
NS-Herrschaft, Widerstand und                    dium ausgeschlossen wurden, hielten sich die    „Der Deutsche Klub als Weg-
Verfolgung während der NS-                       Ausschlüsse in Graz und Innsbruck in be-        bereiter des Nationalsozialis-
Zeit, jüdische Regionalgeschichte                scheidenen Grenzen. Schließlich soll auch ein   mus im Wiener Bürgertum“ (mit
sowie dem Umgang mit der NS-                     Blick in die Rechtfertigungsschreiben NS-       Linda Erker, Klaus Taschwer),
Zeit nach 1945 (Erinnerungskul-                  belasteter Studienwerber geworfen werden,       Forschungen zur Wissenschafts-
tur und Justizgeschichte).                       die sich für die Medizinische Fakultät der      und Universitätsgeschichte wie
                                                 Universität Wien erhalten haben.                auch zu deutschnationalen und
                                                                                                 katholischen Vereinen. In Arbeit
                                                                                                 befindliche Dissertation: „Kein
                                                                                                 Kommunist … Aber auch kein
                                                                                                 Jude?“ Diskriminierung und Pro-
                                                                                                 tektion im Lehrkörper der Uni-
                                                                                                 versität Wien 1918–1950.

                                                                                                                                  11
Marco Jandl (Universität Graz):                 von den verschiedenen Entnazifizierungs-
     Die universitäre Germanistik in Graz            stellen weitgehend und ohne größere Beden-
     zwischen Neukonstituierung und Kon-             ken angenommen wurden. Die Grazer Ger-
     tinuität, Unschuldsnarrativen und Ent-          manisten strebten in dieser Zeit vor allem
     nazifizierungspolitik                           eine schnellstmögliche Rückkehr zu einem
                                                     geregelten Lehr- und Forschungsbetrieb an,
     Die universitäre Germanistik war in beson-      der eine kritische Auseinandersetzung mit
     derer Weise mit den Entnazifizierungsmaß-       der eigenen (NS-)Vergangenheit nur im Weg
     nahmen an den österreichischen Hochschu-        stand.
     len in der Nachkriegszeit konfrontiert, hatte
     sich doch kaum ein Vertreter der Disziplin      Bei Betrachtung der Institutsgeschichte wird
     in Österreich dem nationalsozialistischen       klar, dass die Grazer Germanistik seit der
     Regime verweigert. Nahezu alle Lehrenden        Gründung der ersten Lehrkanzel 1851 stark
     des Faches wurden einer politischen Über-       geprägt war von kultur- und gesellschafts-
     prüfung unterzogen. So fanden sich auch         politischen Entwicklungen und so auch die
     die Lehrenden am Grazer Seminar für deut-       Umbrüche 1938 und 1945 keineswegs spur-
     sche Philologie mit Ausnahme des Dozenten       los am Seminar vorübergegangen waren. Für
     Hugo Kleinmayr, der als unbelastet galt,        diese Jahre ist vor allem ein Nebeneinan-
     kurzfristig in Erklärungsnot.                   der von Kontinuität und Bruch zu konstatie-
                                                     ren. Innerhalb des Institutes in der NS-Zeit
     Im Zuge des komplexen Vorganges der Ent-        als auch für die Zeit danach finden sich ver-
     nazifizierung des Institutes in Graz wurden     schiedenste, zum Teil ambivalente Hand-
     argumentative Strategien entwickelt, um die     lungsweisen und Verstrickungen seiner An-
     politische ‚Gewähr‘ der eigenen Person, aber    gehörigen wieder, die ein differenziertes Bild
     auch von Kollegen zu belegen. Eine gängige      der Entwicklung nötig machen und den ver-
     Taktik war dabei unter anderem die Stilisie-    fügbaren Handlungsspielraum aufzeigen.
     rung des eigenen wissenschaftlichen Tuns als
     unpolitisch und rein dem Anspruch der Ob-
     jektivität verpflichtet. Durch eine Aufarbei-
     tung bislang unbearbeiteten Aktenmaterials
     wird ersichtlich, dass die Argumentationen

      MARCO JANDL studiert Ge-
     schichte und Germanistik an
     der Universität Graz. Im Som-
     mer 2017 schloss er seine Ma-
     sterarbeit im Fach Geschichte
     zur Grazer Germanistik in der
     Nachkriegszeit ab. Ein Sammel-
     bandbeitrag zu selbigem Thema
     erscheint 2019. Allgemeine For-
     schungsschwerpunkte sind Na-
     tionalsozialismus und Antisemi-
     tismus.

12
Alois Kernbauer (Universität Graz):              fehlender Informationen von nicht damit
Die akademischen Ehrungen                        befassten Universitätsangehörigen und erst
nach 1945                                        recht von Außenstehenden weder gekannt,
Die Universität Graz und ihre Suche              noch nachvollzogen oder bedacht werden
nach Identität                                   können. Zu den Sitzungen der Fakultätsgre-
                                                 mien und des Akademischen Senates waren
Die von Universitäten verliehenen Ehrungen       in Österreich bis zum Universitätsorganisa-
werden gemeinhin als eine der renommier-         tionsgesetz 1975 lediglich Professoren und
testen Formen öffentlicher Anerkennung           Vertreter der Privatdozenten zugelassen, vom
wahrgenommen. Das Ansehen der verlei-            jeweiligen Sitzungsverlauf erfuhren Außen-
henden Universitäten spielt dabei ebenso         stehende nur das, was sie erfahren sollten.
eine Rolle wie die Tatsache, dass es sich bei    Nicht selten wurden in der öffentlichen
den Geehrten häufig um bekannte Persön-          Wahrnehmung so mancher Ehrung eine Be-
lichkeiten handelt. Solchen Auszeichnungen       deutung und ein Symbolgehalt beigemessen,
kommt allein schon deshalb Gewicht zu, weil      die im universitären Entscheidungsfindungs-
sie vergleichsweise selten vergeben werden,      prozess keine Rolle gespielt hatten.
und sie können immer dann an Brisanz ge-         Der Kreis der Entscheidungsträger innerhalb
winnen, wenn nicht ausdrücklich herausra-        der „Professorenuniversität“ nach 1945 um-
gende Leistungen in der Wissenschaft ge-         fasste also – wie in der Zeit vor dem „An-
würdigt werden, sondern Verdienste „um           schluss“ auch - bloß einen Teil der Universi-
die Wissenschaft“ bzw. um eine spezielle         tätsangehörigen, wobei dieser Teil sehr häufig
wissenschaftliche Institution, fallweise aber    in mehrere, über spezifische Gegebenheiten
auch um das „Gemeinwohl“, wie immer die-         oder Interessen zusammengehaltene infor-
ses definiert sein mag. In diesem letzten Fall   melle Gruppierungen zu zerfallen pflegte.
tut sich ein großer Ermessensspielraum auf,      An der Universität Graz hatten in den ersten
der der Einflussnahme von Ideologien, von        Nachkriegsjahren jener Personenkreis den
gesellschaftlich vertretenen Positionen oder     größten Einfluss, dem keine nationalsozialis-
einfach des „Zeitgeistes“ unterliegt.            tische Vergangenheit nachhing, was jedoch
                                                 nicht bedeutete, dass nicht auch ehemalige
Im Zusammenhang mit akademischen Eh-             Parteigenossen von der Universität Graz aus-
rungen wird die verleihende Universität von      gezeichnet wurden, wie sich überhaupt erst
der Öffentlichkeit stets als Ganzes wahrge-      im Laufe der Jahre eine Art „Kriterienkata-
nommen, sie ehrt jemanden, ohne dass der         log“ für die Verleihung der Grade von Ehren-
vorangegangene Entscheidungsfindungspro-         doktoren, Ehrensenatoren, Ehrenmitgliedern
zess, in dem oftmals ganz unterschiedliche       gewohnheitsrechtlich ausbildete, der aller-
Faktoren zum Tragen kommen, die aufgrund         dings nie scharfe Konturen annahm.

 ALOIS KERNBAUER , Studi-            Österreichs“ 1991, Direktor des      Universitätsgeschichte vom 18. bis zum 20. Jahr-
um der Geschichte, Germanistik,      Universitätsarchivs Graz ab 1993,    hundert, Stadtrechtsgeschichte und Staatsbildungs-
Rechtsgeschichte an der Univer-      Ao. Universitätsprofessor Graz       prozess in der frühen Neuzeit,
sität Graz, Dr. phil. 1982, Mag.     seit 1998,                           Mitglied u.a. ICHU/CIHU – International Com-
phil. 1983 (Lehramtsprüfung für      Gastprofessuren: University of       mission for the History of Universities/Commissi-
Gymnasien), Unterrichtsprakti-       Minnesota, Minneapolis, 1994.        on Internale pour l’Histoire des Universités.
kum 1983/84, Assistent am In-        University of Alberta, Edmonton      Publikationen: 19 Bücher, Editor 7 Bücher, 170
stitut für Geschichte ab 1982,       2000. University of Missouri, St.    Aufsätze und Lexikonartikel.
wissenschaftlicher Mitarbeiter       Louis 2002. Lektor: University of    Herausgeber von Serien: „Publikationen aus dem
an Forschungsprojekten, wissen-      Binghampton, Universität Wien,       Archiv der Universität Graz“, Mitherausgeber der
schaftlicher Beamter am Univer-      Medizinische Universität Graz.       Zeitschrift „Mensch-Wissenschaft-Magie“: Mittei-
sitätsarchiv ab 1989, Habilitation   Forschungsschwerpunkte: Wis-         lungen der Österreichischen Gesellschaft für Wis-
für „Österreichische Geschich-       senschaftsgeschichte, Sozialge-      senschaftsgeschichte.
te und Wissenschaftsgeschichte       schichte der Wissenschaft und

                                                                                                                               13
Johannes Koll (Wirtschaftsuniversität Wien):    Susanne Korbel (Universität Graz):
                                    „Eine Keimzelle des                             „Um die Vergangenheit kümmern“
                                    Aufbauprogramms“                                Netzwerke in der Entnazifizierung
                                    Entnazifizierung an der Wiener Hoch-            der Universität Graz
                                    schule für Welthandel zwischen Demo-
                                    kratisierung, konservativer Traditions­         Die Entnazifizierung der österreichischen
                                    bildung und nazistischer Persistenz             Hochschulen oblag unterschiedlichen Gre-
                                                                                    mien, die bislang unter „Sonderkommission“
                                    Der Wiederaufbau der Hochschule für Welt-       subsumiert wurden. Nicht aber ein, sondern
                                    handel nach dem Untergang des „Großdeut-        verschiedene Gremien von Seiten der öster-
                                    schen Reiches“ ist bisher nicht wissenschaft-   reichischen Regierung wie der Allied Forces
                                    lich aufbereitet worden. Der Vortrag stellt     entschieden über Pensionierung, Dienstbe-
                                    einen ersten Ansatz dar, Facetten der Entna-    lassung, Enthebung – Sühne oder Unbedenk-
                                    zifizierung wie personalpolitische Entschei-    lichkeit – der Bediensteten.
                                    dungen zum Lehrkörper, zu Verwaltungsan-        Die Entscheidungen der Gremien waren sel-
                                    gestellten und zu den Studierenden, die Rege-   ten einheitlich und ihre Korrespondenzen
                                    lung des Lehr- und Prüfungsbetriebes sowie      liefern bemerkenswerte Aufschlüsse über das
                                    organisatorische Probleme beim Übergang in      Ausnutzen gesetzlicher Lücken, das Inszenie-
                                    die Zweite Republik zu analysieren. Ansät-      ren von Einzelinteressen und die Handlungs-
                                    ze zu einer demokratischen Erneuerung wer-      spielräume von Akteur*innen.
                                    den dabei ebenso angesprochen wie Bestre-       Zum einen gibt der Beitrag Überblick über
                                    bungen konservativer Eliten, an die Zeit vor    die verschiedenen Instanzen und deren In-
                                    dem „Anschluss“ Österreichs anzuknüpfen         teraktion in der Entnazifizierung. Zum ande-
                                    und großzügig Nationalsozialisten zu reinte-    ren zeigt er am Beispiel der Universität Graz,
                                    grieren. Es ist zu fragen, welche Haltung ge-   welche Personen für die Säuberungen ver-
                                    genüber der jüngsten Vergangenheit in der       antwortlich waren und wie unterschiedliche
                                    Entwicklung zum Ausdruck kommt, die ab          Netzwerke diese beeinflussten. Konflikte mit
                                    Frühjahr 1945 die einzige österreichische       den Allied Forces werden be- und Möglich-
                                    Wirtschaftshochschule kennzeichnete. Und        keiten von Akteur*innen – ihr „politischer
                                    was bedeuteten die hier getroffenen Entschei-   Chamälonismus“ – ausgeleuchtet.
Priv.Doz. Dr. JOHANNES              dungen für die Zukunft der Welthandels-
KOLL , Studium der Mittleren        hochschule im Wiener Währinger Park?                         SUSANNE KORBEL studier-
und Neueren Geschichte, Musik-                                                                  te Kultur-, Literatur- und Ge-
wissenschaft, Philosophie und                                                                   schichtswissenschaft mit Schwer-
Politikwissenschaft an der Uni-                                                                 punkt Jüdische Studien an der
versität zu Köln. 1999 Promotion,                                                               Karl-Franzens-Universität Graz.
danach Wissenschaftlicher Mit-                                                                  Von 2015 bis 2017 war sie Stipen-
arbeiter, Lehrbeauftragter, Gast-                                                               diatin des OeAD in Budapest.
professor und Postdoc an den                                                                    Nach weiteren Forschungsaufent-
Universitäten Köln, Münster und                                                                 halten in Jerusalem, New York
Wien sowie an der Wirtschaftsu-                                                                 und Tübingen promovierte sie
niversität (WU) Wien. Als Sti-                                                                  mit der Arbeit „Zwischen Buda-
pendiat und Gastforscher an wis-                                                                pest, Wien und New York. Jüd_
senschaftlichen Einrichtungen                                                                   innen und (‚populär’-)kulturelle
in Deutschland, Polen und den                                                                   Transformationen um 1900“ an
Niederlanden. 2013 Habilitation                                                                 der Universität Graz. Hier ist sie
an der Universität Wien für Neu-                                                                derzeit Projektmitarbeiterin am
ere und Neueste Geschichte. Seit                                                                Centrum für Jüdische Studien
2015 Senior Scientist am Institut                                                               im FWF Projekt „Neue Ansätze
für Wirtschafts- und Sozialge-                                                                  zu einer Geschichte der Juden in
schichte sowie Leiter des Univer-                                                               Wien um 1900“ und außerdem
sitätsarchivs der WU Wien.                                                                      seit 2015 Lehrbeauftragte.

14
Ilse Korotin                                     stammenden und im Kontext der „Akti-
(Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien):     on Ritterbusch“ als Leiter der „Hauptgrup-
„… der weltanschauliche Kampf dient              pe Philosophie“ agierenden Philosophen Fer-
nach dem Kriege dem gleichen Ziele.“             dinand Weinhandl soll – unter Anwendung
Philosophen im „Kriegseinsatz der                der historischen Netzwerkanalyse - nach
Geisteswissenschaften“ („Aktion Ritter-          über 1945 hinaus wirkungsmächtigen Ak-
busch“ – 1940-1945) – Spuren des Fort-           teuren und deren informellen und institutio-
wirkens                                          nalisierten Netzwerken gefragt werden bzw.
                                                 im Einzelnen den unterschiedlichen weite-
Der Beitrag thematisiert den in der wissen-      ren Karrieren der beteiligten Philosophen
schaftshistorischen Forschung als „Mark-         nachgegangen werden, handelt es sich dabei
stein“ interdisziplinärer Zusammenarbeit         doch auch um einige für die philosophische
sowie als gelungenes Beispiel des Zusam-         Disziplin durchaus bestimmende Lehrende
menspiels von Wissenschaft und Politik an-       (wie etwa Erich Rothacker, dem Doktorva-
erkannten „Kriegseinsatz der Geisteswissen-      ter von Jürgen Habermas, Nicolai Hartmann,
schaften“ („Aktion Ritterbusch“), welcher        Hermann Glockner oder auch Arnold Geh-
im Zeitraum 1940 bis 1945 - vom Reichsmi-        len). Sie alle konnten nach 1945 ihre wissen-
nisterium für Wissenschaft, Erziehung und        schaftlichen Laufbahnen mit mehr oder we-
Volksbildung (REM) und der Deutschen For-        niger langen – durch Entnazifierungsverfah-
schungsgemeinschaft (DFG) gefördert - unter      ren, manchmal auch durch Internierungen
der Gesamtleitung des Rechtsphilosophen          erzwungene – Pausen in unterschiedlicher
und Rektors der Kieler Christian-Alb-            Intensität fortsetzen. Viele konnten auf den
rechts-Universität, Paul Ritterbusch zur Pla-    Fortbestand personeller Netzwerke vertrau-
nung und Durchführung kam. In Zusam-             en, die während der NS-Zeit geknüpft wor-
menarbeit mit einer Reihe von geisteswis-        den waren und nun oftmals bei der Entnazi-
senschaftlichen Disziplinen wurden Arbeits-      fizierung oder bei der Wiedereingliederung
kreise gegründet, Tagungen abgehalten sowie      in den akademischen Bereich als so genann-
Publikationsreihen geplant und zum Teil          te „Persilschein“-Netzwerke“ genützt werden
auch realisiert. Für viele Geisteswissenschaf-   konnten. Selbst das im beschriebenen Kon-
ter war dies eine einzigartige Chance, die ge-   text entstandene Schrifttum konnte oftmals
sellschaftspolitische Wichtigkeit ihres Faches   wiederum einer Veröffentlichung zugeführt
unter Beweis zu stellen. Dementsprechend         werden und so als Beleg ernsthaften Philo-
groß waren – jedenfalls zu Beginn der „Akti-     sophierens „über die Zeit“ geltend gemacht
on“ – die Begeisterung und der Zulauf.           werden.
Ausgehend von der Biografie des aus Graz

                        Dr.in phil. ILSE KOROTIN ,          geberin der Reihe „biografiA.        Schwerpunkt: Der „Kriegsein-
                        MA, Studium der Philosophie,        Neue Ergebnisse der Frauenbi-        satz der Geisteswissenschaften“
                        Soziologie und Geschichte an        ografieforschung“. Forschungs-       („Aktion Ritterbusch“ − 1940-
                        der Universität Wien, Leiterin      schwerpunkte: Frauenbiogra-          1945). Publikation (Auswahl):
                        der IWK-Dokumentationsstelle        fieforschung, Philosophie und        Deutsche Philosophen aus der
                        Frauenforschung und des mul-        Nationalsozialismus, Wissen-         Sicht des Sicherheitsdienstes des
                        timodularen Forschungs- und         schaftsgeschichte. 2018 Abschluss    Reichsführers SS – Schwerpunkt
                        Dokumentationsprojekts bio-         eines Masterstudiums im Bereich      Österreich, in: Marion Heinz et
                        grafiA. Datenbank und Lexi-         der Historisch-Kulturwissen-         al. (Hrsg.): Philosophie und Zeit-
                        kon österreichischer Frauen am      schaftlichen Europaforschung/        geist im Nationalsozialismus,
                        Institut für Wissenschaft und       Geschichte mit der Arbeit: „...      Verlag Königshausen & Neu-
                        Kunst sowie der FrauenAG der        eine neue geistige Ordnung Eu-       mann, Würzburg 2006, S. 45–67.
                        Österreichischen Gesellschaft       ropas“. „Europadiskurse“ im
                        für Exilforschung (öge). Heraus-    Kontext des Nationalsozialismus.

                                                                                                                                 15
Markus Lenhart (Kunstuniversität Graz):          Julia Mair (Kunstuniversität Graz):
                                    Die Vorgängerinstitutionen der                   Neubeginn und Kontinuität
                                    Kunstuniversität Graz und 1945                   Die Kunstuniversität Graz

                                    Die Universität für Musik und darstellende       Im Zuge der Aufarbeitung der Musikgeschich-
                                    Kunst Graz ist als Universität eine junge Ein-   te Österreichs in der Nachkriegszeit wurde
                                    richtung, wurde sie doch erst 1998 in diesen     bisher – auch im Hinblick auf die Entnazifi-
                                    Rang erhoben. Allerdings täuscht das Datum,      zierung der Hochschulen – vorwiegend Wien
                                    denn als Institution kann sie sich direkt auf    thematisiert, während man Graz als weit
                                    die Gründung der Singschule des Musikver-        ausstrahlendes Zentrum der musikalischen
                                    eins für Steiermark 1816 berufen und somit       Avantgarde im Spannungsfeld zwischen Tra-
                                    auf eine 200jährige Geschichte verweisen.        dition und Moderne noch wenig erforscht hat.
                                    Auch wenn MusikerInnen und Musikwissen-          Es gibt diesbezügliche Forschungen betref-
                                    schafter nach 1945 den Standpunkt vertraten,     fend Gottfried von Einem (1918-1996), in des-
                                    dass sie ausschließlich für Kunst und Wis-       sen Umfeld sich auch Erich Marckhl (1902-
 GERALD LAMPRECHT , Zeit-           senschaft gelebt hätten und so jede Involvie-    1980) findet. Als Landesmusikdirektor, Direk-
historiker und Leiter des Cen-      rung in das NS-Regime zu leugnen oder zu-        tor des Grazer Konservatoriums und Grün-
trums für Jüdische Studien.         mindest herunterzuspielen trachteten, waren      dungspräsident der damaligen Akademie für
Forschungsschwerpunkte: Jü-         die Vorgängerinstitutionen der Kunstuniver-      Musik und darstellenden Kunst spielte Mar-
dische Geschichte des 19. und       sität Graz weit enger in die NS-Politik ver-     ckhl in diesem Spannungsfeld eine zentra-
20. Jahrhunderts, Antisemitis-      strickt, als sie zuzugeben bereit waren. Dies    le Rolle. Der Tagungsbeitrag soll einen Über-
musforschung, Verfolgung der        betraf sowohl die Tätigkeiten damals illegaler   blick über Marckhls Wirken während der NS-
Jüdinnen und Juden, NS-Herr-        Nationalsozialisten im Musikverein vor 1938      Zeit und seine durch die Entnazifizierung im
schaftspraxis, Vermögensentzug      als auch der Personen, die zwischen 1938 und     Prinzip nicht beeinträchtigte Karriere danach
und Restitution, Memory Stu-        1945 im Musikverein und im teilweise neu         geben. Marckhl war Hauptverantwortlicher
dies.                               geschaffenen steirischen Musikschulwerk an-      in der Etablierung einer neuen Musiklehrer-
                                    gestellt waren.                                  ausbildung ab 1939, was ihm nachhaltigen
                                                                                     Einfluss auf die steirische Musikpädagogik
                                    Der vorliegende Beitrag plant zum einen zu       bescherte, die er bis 1971 entscheidend mit-
                                    untersuchen, ob sich jemand und wer sich         gestaltete. Auch zeichnet er dafür Rechnung,
                                    für sein Engagement für das NS-Regime ver-       dass die Musikpädagogik in die Reichsmusik-
                                    antworten musste. Weiters sollen anhand ei-      hochschule in Eggenberg integriert wurde. Es
                                    niger ausgewählter Persönlichkeiten die Stra-    wird auch untersucht, inwieweit Erich Mar-
                                    tegien und Möglichkeiten dargestellt werden,     ckhl das Grazer Musikleben der 1950er und
                                    die gewählt wurden, um trotz der Verwick-        1960er Jahre und die heutige Kunstuniversität
                                    lungen in die Kulturpolitik des NS-Regimes       geprägt hat und warum eine Fortführung sei-
 MARKUS HELMUT LENHART ,            und den Bestrebungen einer umfassenden           ner Karriere nach 1945 möglich war. Intention
Studium der Kunstgeschichte, Ge- Entnazifizierung unbelastet nach 1945 wir-          des vom Jubiläumsfonds der Österreichischen
schichte, Religionswissenschaft     ken zu können. Zum anderen soll neben der        Nationalbank geförderten Forschungsprojekts
und Pharmazie an der Karl-Fran- persönlichen Ebene in diesem Kontext die             Erich Marckhl. Musikausbildung in der Stei-
zens-Universität Graz; Promotion Selbstdarstellung der involvierten Instituti-       ermark nach 1945 – Brüche und Kontinui-
in Kunstgeschichte. Seit 2017 Seni- onen hinsichtlich ihrer Vergangenheit in den     täten ist das Schließen der Forschungslücke
or Scientist am Universitätsarchiv Jahren unmittelbar nach 1945 untersucht           bezüglich der steirischen Musikausbildung.
der Universität für Musik und dar- werden.
stellende Kunst Graz: Zuvor war er
wissenschaftlicher Mitarbeiter im                            JULIA MAIR , BA MA, studier-
Projekt „Provenienzforschung an                             te Kunstgeschichte und Musiko-       der Österreichischen National-
der UB Graz“, sowie Institutslektor                         logie an der Karl-Franzens-Uni-      bank geförderten Projekt Erich
am Österreichzentrum der Hebrä-                             versität Graz und der Kunstuni-      Marckhl – Musikausbildung in
ischen Universität, Jerusalem. Seit                         versität Graz. Seit Januar 2019      der Steiermark nach 1945. Brü-
2006 ist er Lehrbeauftragter an der                         arbeitet sie als Universitätsassi-   che und Kontinuitäten am Ar-
Karl-Franzens-Universität Graz.                             stentin im vom Jubiläumsfonds        chiv der Kunstuniversität Graz.

16
Walter Manoschek (Universität Wien):            genbewegung fast von Anfang an bemerkbar,
Entnazifizierung der Professoren-               verstärkte sich ab 1947/48 schrittweise und
schaft der Universität Wien                     blieb bis in die späten 1950-er Jahre wirksam.
                                                In meinem Vortrag werde ich auf die quan-        Wehrmacht ́s War of Annihi-
Der Anteil ehemaliger NSDAP-Anwärter            titativen Aspekte, wie die Zahl der Entnazi-     lation (Ed., gem. mit Hannes
und -Mitglieder in der Professorenschaft der    fizierten, die Enthebungen vom Dienst, die       Heer, Alexander Pollak und Ruth
Universität Wien war überdurchschnittlich       Entlassung ohne Fortzahlung von Bezügen          Wodak), Palgrave Macmillan,
hoch: In der Philosophischen Fakultät betrug    usw., eingehen.                                  Basingstoke – New York, 2009
er 77%, in der Medizinischen 83%, in der                                                         Opfer der NS-Militärjustiz. Ur-
Rechts- und Staatswissenschaftlichen 71%        Ein weiteres Thema werden die rechtlichen        teilspraxis – Strafvollzug – Ent-
und in der Evangelisch-Theologischen Fakul-     Rahmenbedingungen (Verbots-, Kriegsver-          schädigungspolitik in Österreich
tät 75%.                                        brecher- und Nationalsozialistengesetz) und      (2003) (Hg.), Mandelbaum-Ver-
                                                die Akteure und Organe (z. B. Otto Skrbens-      lag, Wien “Serbien ist judenfrei!”.
Zwei gegenläufige Prozesse lassen sich ab       ky), der Akademische Senat und Sonderkom-        Militärische Besatzungspolitik
Ende April 1945 ausmachen: nämlich jener        mission sein.                                    und Judenvernichtung in Serbien
der Entnazifizierung und jener der Amne-                                                         1941/42 (1993), Schriftenrei-
stierung, der Rehabilitierung. Der erste Pro-                                                    he des Militärgeschichtlichen
zess setzte sehr rasch und auch gründlich                                                        Forschungsamtes Freiburg im
ein, verzahnte sich um 1947 mit dem zweiten,                                                     Breisgau, Band 38, Verlag Olden-
verebbte dann und wurde etwa Ende 1947                                                           bourg, München, 2. Auflage 1995
im Wesentlichen beendet. Der zweite, als Ge-                                                     Gescheiterte Flucht. Der jüdische
                                                                                                 “Kladovo-Transport” auf dem
                                                                                                 Weg nach Palästina (1993),Verlag
                       Ao. Univ. Prof. Dr. WALTER           mit einem Forschungsstipendium       Mandelbaum, Wien (gem. mit
                       MANOSCHEK ist ao. Profes-            des Mandel Center for Advan-         Gabriele Anderl), 2. Auflage 2001
                       sor für Politikwissenschaft an       ced Holocaust Studies des Uni-       Auszeichnungen:
                       der Universität Wien. Seine For-     ted States Holocaust Center in       Mai 2016: Buch des Monats der
                       schungen fokusieren auf Natio-       Washington DC über Ghettoge-         Universität Wien („Dann bin ich
                       nalsozialismus, Holocaust und        sellschaften im polnischen Gene-     ja ein Mörder!”)
                       Vergangenheitspolitik. Er war        ralgouvernement. Er ist seit 2019    2016: Demokratiepreis der Mar-
                       von 1995 bis 1999 einer der Ge-      Mitglied der „Independent Inter-     garetha Lupac-Stiftung an das
                       stalter und Organisatoren der        national Commission of Inquiry       Personenkomitee „Gerechtigkeit
                       Ausstellung „Vernichtungskrieg.      on Sufferings of Serbs in Saraje-    für die Opfer der NS-Militärju-
                       Verbrechen der Wehrmacht 1941-       vo between 1991 and 1995” of the     stiz“, verliehen vom Parlament
                       1944“ des Hamburger Instituts        Public Center for the Research       der Republik Österreich 2012:
                       für Sozialforschung. 2012 er-        of War, War Crimes and Missing       Viennale 2012: Anerkennungs-
                       schien seine Filmdokumentation       Persons” of the Ministery of Ju-     preis der Stadt Wien für den Do-
                       „Dann bin ich ja ein Mörder!“.       stice of the Republika Srpska”.      kumentarfilm „Dann bin ich
                       Adolf Storms und das Massaker        Einschlägige Publikationen:          ja ein Mörder!“ 1997: Carl von
                       an Juden in Deutsch Schützen.        „Dann bin ich ja ein Mörder!“.       Ossietzky-Medaille der Liga für
                       Der Film wurde am Vienna Film        Adolf Storms und das Massaker        Menschenrechte für die Ausstel-
                       Festival mit dem Anerkennungs-       an Juden in Deutsch Schützen,        lung „Vernichtungskrieg. Ver-
                       preis der Stadt Wien ausgezeich-     Wallstein Verlag, Göttingen 2015     brechen der Wehrmacht 1941 bis
                       net und bislang von verschie-        „Dann bin ich ja ein Mörder!“.       1944“ 1992: Gewinner des in-
                       denen TV-Sendern und an zahl-        Adolf Storms und das Massaker        ternationalen „Fraenkel Prize“,
                       reichen Universitäten und Ho-        an Juden in Deutsch Schützen,        verliehen vom Institute of
                       locaust Centers in Europa, den       Dokumentarfilm, 68 min., 2012        Contemporary History and Wie-
                       USA und Israel ausgestrahlt. Eine    Der Fall Rechnitz. Das Massa-        ner Library in London für das
                       Monographie zum Film mit dem         ker an Juden im März 1945 (Hg.),     Buchmanuskript „Serbien ist ju-
                       gleichen Titel erschien 2015 im      Braumüller Verlag, Vienna 2009       denfrei! Militärische Besatzungs-
                       Wallstein Verlag. Von Februar        The Discursive Construction          politik und Judenvernichtung in
                       bis September 2018 arbeitete er      of History. Remembering the          Serbien 1941/42”

                                                                                                                                  17
Gunnar Mertz (Universität Wien):                die ZAMG mit der Herauslösung des Wetter-
     Entnazifizierung staatlich-wissen-              dienstes und dessen Eingliederung ins Luft-
     schaftlicher Forschungsanstalten in             fahrtministerium degradiert worden. Welche
     Österreich                                      Maßnahmen wurden nach dem Zusammen-
     Die Geologische Bundesanstalt (GBA)             bruch des NS-Regimes in Hinblick auf die
     und die Zentralanstalt für Meteorologie         Organisations- und Personalstruktur gesetzt?
     und Geodynamik (ZAMG) im Vergleich              Welche quantitativen und qualitativen Unter-
                                                     schiede sind bei der Umsetzung dieser Maß-
     Ausgehend von Forschungsarbeiten im Auf-        nahmen in den beiden Anstalten erkennbar
     trag des Bundesministeriums für Bildung,        und inwieweit unterschied sich der Säube-
     Wissenschaft und Forschung zu der Ausstel-      rungsprozess in staatlich-wissenschaftlichen
     lung „BergWetter 1938: Diktatur–Behörden–       Anstalten von dem Prozess in staatlichen
     Wissenschaft“ untersucht der Beitrag den        Hochschulen? Wie reagierten die Anstalts-
     Prozess der Entnazifizierung in zwei staat-     leitungen und das Personal auf den angeord-
     lich-wissenschaftlichen Anstalten. Die in-      neten Säuberungsprozess und welche Strate-
     stitutionellen Voraussetzungen der beiden       gien zur Umgehung der personellen Entnazi-
     Institutionen unterschieden sich grundle-       fizierung wurden angewandt?
     gend: Während die GBA in der NS-Zeit eine
     Zweigstelle der Berliner Reichsstelle für Bo-
     denforschung war und wegen des kriegswich-
     tigen Rohstoffbedarfs ausgebaut wurde, war

      GUNNAR MERTZ , Diplom-
     studium der Politikwissenschaft
     und Bachelorstudium der Inter-
     nationalen Entwicklung an der
     Universität Wien und an der
     Université de Liège. Seit 2015
     Dissertant und 2018 Projektmit-
     arbeiter am Institut für Zeitge-
     schichte der Universität Wien
     (Arbeitstitel: „Politische My-
     then im Österreichischen Ge-
     birgsverein“). Fellow der Vienna
     Doctoral Academy: Theory and
     Methodology in the Humani-
     ties. Demnächst erscheint: Ent-
     nazifizierung im alpinen Raum:
     Der Alpenverein und die franzö-
     sische Besatzungspolitik in Ös-
     terreich mit einem Vergleich zu
     Deutschland, in: Stefan Martens,
     Marie-Benedicte Vincent (Hg.),
     La France et la dénazification de
     l’Allemagne après 1945 (L’Alle-
     magne dans les relations inter-
     nationales), Bruxelles u.a. 2019.
     Kontakt: gunnar.mertz@univie.
     ac.at

18
Juliane Mikoletzky und Alexandra Wieser          Sicht die Nachhaltigkeit der vor allem in der
(Wien):                                          ersten Phase 1945/46 getroffenen Maßnah-
Entnazifizierung an der TH in Wien               men beurteilen läßt.
Neuanfang und Rekonstruktion (1945-
1965) und der lange Weg zu einer                 Die 150-Jahr-Feier von 1965 stellt dabei einen
Erinnerungskultur                                Angelpunkt dar: Die Nutzung des Anlasses
                                                 auch zu einem erstmaligen öffentlichen Ge-
Der Beitrag soll einen Überblick geben über      denken der Hochschule an die Jahre 1938 -
die Phasen der Entnazifizierung an der da-       1945, orchestriert ausgerechnet durch den
maligen Technischen Hochschule in Wien,          letzten NS-Rektor der TH in Wien, Hein-
von den ersten „Sofortmaßnahmen“ unmit-          rich Sequenz, und nicht unerwartet verengt
telbar nach Kriegsende über die Periode der      auf die Opfer des Zweiten Weltkriegs, mani-
„Sonderkommissionen“ bis zur Erlassung des       festiert in aller Deutlichkeit den damaligen
„Nationalsozialistengesetzes“ 1947 und des-      Diskussions- und Bewusstseinsstand. Den-
sen Auswirkungen. Der Schwerpunkt wird           noch entwickelten sich in der Folge, initiiert
dabei auf der Betrachtung des Lehrperso-         zunächst vor allem von der HochschülerIn-
nals liegen, Akteure, Rahmenbedingungen          nenschaft, Ansätze zu einer „Gedenkkultur“,
und Argumentationslinien sollen skizziert        die seit den 1990er Jahren insbesondere auch
werden. Darüber hinaus soll jedoch auch die      vom Archiv der TU Wien aufgegriffen und
weitere Personal- und insbesondere Beru-         weitergeführt wurden.
fungspolitik bis in die Mitte der 1960er Jahre
betrachtet werden, da sich erst auf längere

             JULIANE MIKOLETZKY , Dr.            MMag. ALEXANDRA WIESER
            phil. Mag. Phil., Studium der Ge-    Studium der Geschichte, Publi-
            schichte und Germanistik an der      zistik und Kommunikationswis-
            Ruhr-Universität Bochum; Wiss.       senschaften an der Universität
            Assistentin und Lektorin an der      Wien und der TU Berlin; Stu-
            Ruhr-Universität Bochum und          dium der Geschichtsforschung,
            an der Universität Wien, 2001 bis    historischen Hilfswissenschaf-
            2015 Leiterin des Archivs der TU     ten und Archivwissenschaft am
            Wien, derzeit freie Mitarbeiterin    Institut für Österreichische Ge-
            am Archiv der TU Wien.               schichtsforschung. Archivarin
            Arbeits- und Forschungsschwer-       zunächst im Diözesanarchiv St.
            punkte: Wirtschafts- Sozial- und     Pölten, danach im Technischen
            Kulturgeschichte, Universitäts-      Museum Wien und im Wiener
            und Wissenschaftsgeschichte des      Stadt- und Landesarchiv, seit
            19. und 20. Jahrhunderts.            2016 Archivarin im Archiv der
                                                 TU Wien.
                                                 Forschungsschwerpunkte: Tech-
                                                 nikgeschichte, Sozialgeschichte
                                                 des 19. und 20. Jahrhunderts, Ge-
                                                 schichte des Polytechnischen In-
                                                 stituts/ Technischen Hochschule/
                                                 Technischen Universität Wien.

                                                                                                  19
Alexander Pinwinkler (Universität Salzburg):     gleichsbeispiel interessant, weil ihre „Wie-
     Erinnerungskultur und Vergangen-                 dererrichtung“ in einer Zeit erfolgte, als die
     heitspolitik an der Universität                  justizielle Entnazifizierung bereits abge-
     Salzburg                                         schlossen zu sein schien. Inwieweit in den
                                                      1960er-Jahren gerade deshalb die Berufung
     Die erinnerungspolitischen Aktivitäten der       ehemaliger NS-Parteigänger begünstigt wor-
     Universität Salzburg konzentrierten sich in      den sein könnte, wird im Vortrag diskutiert
     den vergangenen Jahren auf die kritische         werden. Hierbei wird auf die Allianz zwi-
     Auseinandersetzung mit ihrer „Tabula ho-         schen ehemaligen „Katholisch-Nationalen“
     norum“. Die „Tabula honorum“ bezeichnet          mit Ex-Nationalsozialisten ebenso einge-
     die Liste jener Personen, welche an der Alma     gangen werden wie auf die Versuche zur in-
     Mater Paridiana seit deren Wiedererrichtung      terdisziplinären Profilbildung an der Alma
     im Jahr 1962 geehrt wurden. Der Vortrag          Mater Paridiana, die dezidiert der Förde-
     beleuchtet einerseits wesentliche Ergebnisse     rung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
     eines Forschungsprojekts, das die Biogra-        (René Marcic) dienen sollten.
     phien der in den 1960er- bis 1980er-Jahren
     von der Universität Salzburg Geehrten unter-     Die Kultur des Schweigens und Verdrän-
     sucht hat. Andererseits verknüpft der Vortrag    gens dominierte, was die NS-Zeit betraf,
     die empirischen Befunde zum „Ehrregime“          an der Universität Salzburg noch in den
     der Universität Salzburg mit der Analyse der     1960er- und 1970er-Jahren. Einzelne Beru-
     Handlungsstrategien ihrer „Gründergenerati-      fungen waren allerdings bereits damals aus
     on“ der 1960er-Jahre.                            politischen Gründen umstritten. Inwieweit
                                                      NS-Belastungen der betreffenden Gelehrten
     Hinsichtlich der Frage nach „Entnazifizie-       hierbei eine Rolle spielten, wird im Vortrag
     rung und Demokratisierung“ ist die Uni-          erörtert werden.
     versität Salzburg vor allem deshalb als Ver-

     Priv.-Doz. Dr. ALEXANDER             Marc Bloch in Berlin.
     PINWINKLER , Studium der Ge-         Veröffentlichungen zur Wissen-
     schichte und Germanistik; seit       schafts-, Universitäts- und Zeit-
     2012 Privatdozent für Zeitge-        geschichte, zuletzt u.a.: Hand-
     schichte am Institut für Wirt-       buch der völkischen Wissen-
     schafts- und Sozialgeschichte        schaften, 2 Bde., Berlin 2017 (Hg.
     der Universität Wien sowie seit      mit Michael Fahlbusch, Ingo
     2016 Senior Scientist und Lehr-      Haar); Schweigen und erinnern.
     beauftragter am Fachbereich Ge-      Das Problem Nationalsozialismus
     schichte der Universität Salzburg.   nach 1945, Salzburg 2016 (Hg.
     Vorher Wissenschaftlicher Mit-       mit Thomas Weidenholzer); Hi-
     arbeiter, Lehrbeauftragter und       storische Bevölkerungsforschun-
     Gastprofessor an den Universi-       gen. Deutschland und Österreich
     täten Salzburg, Wien, Strasbourg,    im 20. Jahrhundert, Göttingen
     Leipzig, Linz und Innsbruck;         2014.
     2008/09 Gastforscher am Centre

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