Symposion Der "schwierige" Umgang mit dem Nationalsozialismus Die steirischen Universitäten im österreichischen Vergleich - Institut für ...
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Symposion Der „schwierige“ Umgang mit dem Nationalsozialismus Die steirischen Universitäten im österreichischen Vergleich www.uni-graz.at
Programm Donnerstag 16. Mai 2019 ������������������������������������������������������������������������������ 4 Freitag 17. Mai 2019 ����������������������������������������������������������������������������� 6 Abstracts ������������������������������������������������������������������������������ 8 Titelbild: © Sammlung Kubinsky
Der „schwierige“ Umgang mit dem National sozialismus Die steirischen Universitäten im österreichischen Vergleich Die Analyse der Quellen über die Entnazifi- und der Entnazifizierung sollte letztlich die zierung der Hochschulen in der Steiermark Hochschulen über Jahrzehnte bis in die Ge- macht die Ambivalenz des Mai 1945 zwi- genwart prägen. schen Neubeginn und Kontinuität evident. Zwar bemühten sich die österreichischen Auf Basis des am Centrum für Jüdische Stu- Universitäten nach dem Ende der NS-Herr- dien seit 2017 laufenden Forschungspro- schaft eine „Stunde null“ zu proklamieren, jektes „Die Karl-Franzens-Universität Graz die sich jedoch auf Grund von verschie- 1945–1955: Neubeginn und/oder Kontinui- densten Interessen einzelner Akteure sowie täten“ möchte das Symposion die Projekter- der Notwendigkeit den Forschungs- und gebnisse zur Steiermark zur Diskussion stel- Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten alsbald als len und mit anderen Universitäten in Öster- illusorisch erweisen sollte. Unter der Prä- reich in Beziehung setzen. Im Zentrum des misse, dass die Universitäten einen wich- Interesses steht neben der Einordnung der tigen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen, Grazer Situation in einen österreichischen avancierten Fragen nach personellen wie Kontext vor allem die Frage nach den Stra- auch inhaltlichen Neuorientierungen – frü- tegien und Handlungsspielräumen von Ak- her oder später – zum vieldiskutierten Poli- teur*innen, Institutionen und Netzwerken. tikum. Der ambivalente und inkonsistente Heimo Halbrainer, Susanne Korbel und Prozess des demokratischen Neubeginns Gerald Lamprecht 3
Programm MEERSCHEINSCHLÖSSL MOZARTGASSE 3 8010 GRAZ 13:00 BEGRÜSSUNG UND 13:45 PANEL 1: EINLEITUNG UNIVERSITÄT GRAZ (1) Ao Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek Moderation: Gerald Lamprecht (Vizerektor für Studium und Lehre) Susanne Korbel (Universität Graz): Univ.-Prof. Dr. Michael Walter „UM DIE VERGANGENHEIT KÜMMERN“ (Dekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät) Netzwerke in der Entnazifizierung der Universität Graz Emeritus o. Univ.-Prof Dr. Helmut Konrad (Ludwig Boltzmann Institut für Gesellschafts- und Alois Kernbauer (Universität Graz): Kulturgeschichte, Institut für Geschichte) DIE AKADEMISCHEN EHRUNGEN Gerald Lamprecht (Universität Graz): NACH 1945 DER „SCHWIERIGE“ UMGANG MIT DEM Die Universität Graz und ihre NATIONALSOZIALISMUS: Suche nach Identität Zur Konzeption der Tagung Christian Fleck (Universität Graz): VON SPITZENREITERN ZU NACHZÜGLERN SOZIALWISSENSCHAFTEN AN DER Universität Graz 1900 bis 1975 15:15 Kaffeepause 4
Donnerstag, 16. Mai 2019 15:45 PANEL 2: 18:45 PANEL 4: UNIVERSITÄT GRAZ (2) STEIRISCHE HOCHSCHULEN (2) GEISTESWISSENSCHAFT KUNSTUNIVERSITÄT Moderation: Susanne Korbel Moderation: Helmut Konrad Heimo Halbrainer (Universität Graz): Markus Lenhart (Kunstuniversität Graz): „… GEGENWÄRTIG DER EINZIGE DIE VORGÄNGERINSTITUTIONEN DER BESOLDETE VERTRETER DER GE- KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ UND 1945 SCHICHTSWISSENSCHAFT AN DER UNIVERSITÄT UND DAHER 15:45 Julia Mair (Kunstuniversität Graz): UNENTBEHRLICH.“ NEUBEGINN UND KONTINUITÄT Entnazifizierung der Geschichtswissenschaft Die Kunstuniversität Graz an der Universität Graz 19:15 Schluss Marco Jandl (Universität Graz): DIE UNIVERSITÄRE GERMANISTIK IN GRAZ ZWISCHEN NEUKONSTITUIE- RUNG UND KONTINUITÄT, UNSCHULDS NARRATIVEN UND ENTNAZIFIZIERUNGS- POLITIK 16:45 PANEL 3: STEIRISCHE HOCHSCHULEN (1): TU GRAZ, LEOBEN Moderation: Heimo Halbrainer Hans-Peter Weingand (Graz): „…NICHT NUR EIN NEUES STUDIENJAHR, SONDERN EINE NEUE EPOCHE“ Brüche und Kontinuitäten an der Technischen Hochschule Graz Thomas Geißler (Montanuniversität Leoben): DIE MONTANUNIVERSITÄT HAT KEINE GESCHICHTE, SIE HAT TRADITION 17:45 Kaffeepause 5
Programm MEERSCHEINSCHLÖSSL MOZARTGASSE 3 8010 GRAZ 9:30 PANEL 5: 11:00 PANEL 6: ASPEKTE DER NAZIFIZIERUNG UND ENTNAZIFIZIERUNG DER ENTNAZIFIZIERUNG IN WIEN WIENER HOCHSCHULEN (1) Moderation: Gerald Lamprecht Moderation: Susanne Korbel Ilse Korotin Johannes Feichtinger (Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien): (Österreichische Akademie der „… DER WELTANSCHAULICHE KAMPF Wissenschaften, Wien): DIENT NACH DEM KRIEGE DEM GLEI- DIE ENTNAZIFIZIERUNGSPRAXIS AN DER CHEN ZIELE.“ ÖSTERREICHISCHEN AKADEMIE DER WIS- Philosophen im „Kriegseinsatz der Geistes- SENSCHAFTEN wissenschaften“ („Aktion Ritterbusch“ – 1940- 1945) – Spuren des Fortwirkens Johannes Koll (Wirtschaftsuniversität Wien): „EINE KEIMZELLE DES Gunnar Mertz (Universität Wien): AUFBAUPROGRAMMS“ ENTNAZIFIZIERUNG STAATLICH-WISSEN- Entnazifizierung an der Wiener Hochschule für SCHAFTLICHER FORSCHUNGSANSTALTEN Welthandel zwischen Demokratisierung, kon- IN ÖSTERREICH servativer Traditionsbildung und nazistischer Die Geologische Bundesanstalt (GBA) und die Persistenz Zentralanstalt für Meteorologie und Geodyna- Juliane Mikoletzky/Alexandra Wieser mik (ZAMG) im Vergleich (Technische Hochschule Wien): ENTNAZIFIZIERUNG AN DER TH IN WIEN 10:30 Kaffeepause NEUANFANG UND REKONSTRUKTION (1945-1965) UND DER LANGE WEG ZU EINER ERINNERUNGSKULTUR 12:30 Mittagspause 6
Freitag, 17. Mai 2019 14:30 PANEL 7: 15:30 PANEL 8: E ENTNAZIFIZIERUNG DER ENTNAZIFIZIERUNG UND ERINNERUNG WIENER HOCHSCHULEN (2) Moderation: Marco Jandl Moderation: Heimo Halbrainer Alexander Pinwinkler (Universität Salzburg): Walter Manoschek (Universität Wien): ERINNERUNGSKULTUR UND ENTNAZIFIZIERUNG DER VERGANGENHEITSPOLITIK AN DER PROFESSORENSCHAFT UNIVERSITÄT SALZBURG DER UNIVERSITÄT WIEN Andreas Huber (Universität Wien): Paulus Ebner (Technische Hochschule Wien): ENTNAZIFIZIERUNG DER STUDIERENDEN DIE NACHHALTIGSTE HOCHSCHUL- AN ÖSTERREICHS HOCHSCHULEN ENTNAZIFIZIERUNG? Der Kampf um die Deutungshoheit über die 16:30 Schlussdiskussion Vergangenheit an der Hochschule für Bodenkultur in Wien 7
Abstracts Paulus Ebner (Technische Hochschule Wien): Der strengen und nachhaltigen Entnazifizie- Die nachhaltigste Hochschul- rung der Professorenkurie stand eine milde Entnazifizierung? Behandlung des akademischen Nachwuchses Der Kampf um die Deutungshoheit über gegenüber. Sehr schnell, also bereits ab ca. die Vergangenheit an der Hochschule für 1947/48, bildeten sich unter den Studieren- Bodenkultur in Wien den ein rechtsextremes Netzwerk, das die zu diesem Zeitpunkt strikt antinazistische Formal betrachtet unterschied sich die Ent- Hochschulleitung und auch die gewählten nazifizierung an der Hochschule für Bo- ÖH-Funktionäre immer wieder herausfor- denkultur nicht von der an anderen Hoch- derte. Insbesondere der Kampf um die Ver- schulen. Unter den Professoren wurde sie fügungsgewalt über die in den letzten Wo- konsequent und vergleichsweise nachhaltig chen des Krieges errichtete Ehrentafel für die durchgeführt, was einerseits durchaus (par- Gefallenen des Zweiten Weltkriegs blieb bis tei)politische Gründe hatte, andererseits in die 1990er Jahre ein wichtiger Gradmes- wohl dem öffentlichen Druck geschuldet ser für die politischen Verhältnisse an der war. Denn die Begleitumstände der akademi- BOKU. schen Entnazifizierung waren durchaus dra- matisch und der schon vor 1934 bestehende In den 1980er Jahren waren es Studierende, Ruf einer besonders „braunen“ Hochschu- die mit der Broschüre „Verdrängte Geschich- le wurde in der Öffentlichkeit bestätigt: Der te?“ einen wichtigen und fundierten Anstoß ehemalige kommissarische Leiter der BOKU zur Beschäftigung mit diesem Thema gaben. wurde nach Kriegsende inhaftiert und er- Im Vorfeld der 125 Jahr-Feier initiierte Rek- hielt in einem spektakulären Volksgerichts- tor Manfried Welan dann ein Forschungs- prozess eine mehrjährige Haftstrafe für seine projekt, das einen deutlichen Schwerpunkt Handlungen nach dem „Anschluss“, zwei auf der politischen Geschichte der Jahre 1933 weitere ordentliche Professoren mussten sich bis 1945 hatte. Eine Langzeitfolge dieses Pro- Volksgerichtsverfahren stellen, ein Dozent jekts war die Einrichtung eines betreuten des Hauses wurde wegen der Planung und Universitätsarchivs. Durchführung eines Todesmarsches verur- teilt. PAULUS EBNER , Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien, ab 1990 freischaffender Historiker in For- schungsprojekten, seit 2001 im Universitätsarchiv der TU Wien beschäftigt, ab 2016 dessen Lei- ter. Forschungsschwerpunkte: Zeitge- schichte, Wissenschaftsgeschich- te, Universitätsgeschichte, Kul- turgeschichte (Protestformen, Film, Populärkultur) 8
Christian Fleck (Universität Graz): bare Größe an Personal (critical mass) vor- Von Spitzenreitern zu Nachzüglern handen war. Sozialwissenschaften an der Universität Graz 1900 bis 1975 Drittens waren die, die an der Universität Graz Sozialwissenschaften lehrten, hinsicht- Blickt man auf die Geschichte der Sozialwis- lich ihrer fachlichen Aufgaben wenig ambiti- senschaften an der Universität Graz, dann oniert und unkonzentriert. stechen die Namen Ludwig Gumplowicz (1838-1909) und Joseph A. Schumpeter (1883- Viertens entwickelten sich die Sozialwissen- 1950) heraus, die am Beginn des 20. Jahr- schaften außerhalb Kontinentaleuropas seit hunderts hier lehrten. Vom langen Rest des den 1930er Jahren enorm schnell und er- Jahrhunderts lassen sich keine vergleichbaren reichten in den 1950er Jahren international Spitzenleistungen berichten. Im Vortrag wird einen Grad an Spezialisierung und Raffines- argumentiert werden, dass der Befund unst- se, die nicht mehr leicht „im Fernstudium“ rittig ist und es wird dann versucht werden, erworben werden konnte. Antworten darauf zu geben, warum diese Konstellation eingetreten ist. Fünftens trug die politische Kultur der Zwei- ten Republik dazu bei, dass ein sozialwissen- Erstens hinterließen die beiden Prominenten schaftlicher Diskurs gar nicht erst entstehen keine Schüler und Nachfolger, was nicht konnte. ihrem persönlichen Unvermögen zuzuschrei- ben ist, sondern in institutionellen Bedin- Abschließend wird daher festzustellen sein, gungen mitteleuropäischer Universität wur- dass die großen Verwerfungen, die Öster- zelt. reich und damit auch seine Universitäten zwischen 1933 und 1945 erlebten, keine Er- Zweitens zeichnete sich die Universität Graz klärung für den Prozess der Versumperung im Feld der Sozialwissenschaften von 1920 der Sozialwissenschaften an der Universität bis 1970 nicht dadurch aus, dass eine frucht- Graz liefern. CHRISTIAN FLECK , ao. Univ. 1987-2005 Leiter des Archivs für Soziologie in Österreich bis zu ihrer Vertreibung (1990), Die Prof., Institut für Soziologie der die Geschichte der Soziologie in verborgenen Kosten der Arbeitslosigkeit (1990, mit H.G. Zi- Universität Graz. 1979 Promoti- Österreich (AGSÖ), Graz, 1998- lian), Wege zur Soziologie nach 1945 (1996, Hg.), Soziolo- on Graz, 1989 Habilitation Wien, 2002 Secretary, 2002-06 Vice gische und historische Analysen der Sozialwissenschaften 1993/94 Schumpeter Fellow, Har- President, 2006-10 President des (2000, Hg.), Gefesselt vom Sozialismus. Studien zum Aus- vard University, Cambridge, Research Committee 08 Histo- tromarxisten Otto Leichter (2000, mit Heinz Berger), Paul 1999/2000 Fellow am Center for ry of Sociology der International M. Neurath, Gesellschaft des Terrors (2004, Mit-Hrsg.; engl. Scholars and Writers, The New Sociological Association (ISA), Ausgabe: 2005), Transatlantische Bereicherungen. Zur Erfin- York Public Library, New York, 2005-09 Präsident der Österrei- dung empirischer Sozialforschung (2007, engl. Übersetzung 2008 Visiting Fulbright Pro- chischen Gesellschaft für Sozio- 2011), Intellectuals and their Publics: Perspectives from the fessor, University of Minneso- logie (ÖGS). Social Sciences (2008, ed. with Andreas Hess and E. Stina ta, Twin Cities, 2011 Directeur Monografien und Editionen: Lyon), Soziologie, (2009, mit Anthony Giddens und Marian- d‘études invite Ecole des Hau- Korruption. Zur Soziologie nicht ne Egger de Campo), Knowledge for Whom? Public Sociolo- tes Etudes en Sciences Sociales, immer abweichenden Verhaltens gy in the Making (2014, ed. with Andreas Hess), Etablierung Paris, 2015 Marshall Plan Foun- (1985, Hg.), Koralmpartisanen. in der Fremde. Vertriebene Wissenschaftler in den USA nach dation Fellow, University of Ca- Über abweichende Karrieren po- 1933 (2015), Sociology in Austria (2016), Elmer Luchterhand, lifornia, Berkeley, 2016-18 Chief litisch motivierter Widerstands- Einsame Wölfe und stabile Paare (2017, Hrsg. mit Andreas Research Fellow Poletayev Insti- kämpfer (1986), Der Fall Brand- Kranebitter), Shaping Human Science Disciplines: Institutio- tute for Theoretical and Histo- weiner. Universität im Kalten nal Developments in Europe and Beyond (2019, ed. with Vik- rical Studies, Higher School of Krieg (1987), Rund um ‚Mari- tor Kárady and Matthias Duller). Economics, Moskau. enthal‘. Von den Anfängen der 9
Johannes Feichtinger (Österreichische Thomas Geißler und Ingrid Stadlmayr (Mon- Akademie der Wissenschaften, Wien): tanuniversität Leoben): Die Entnazifizierungspraxis an der Die Montanuniversität hat keine Österreichischen Akademie der Geschichte, sie hat Tradition Wissenschaften Im Jahr 2017 hat der Verband Sozialistischer Im Jahr 1948 war jedes dritte aktive Aka- Student_innen in Österreich – Sektion Leo- demiemitglied ein Parteigänger der NSDAP ben eine Broschüre zur Geschichte der Mon- gewesen. 1951 spitzte das sozialistische Wo- tanuniversität aufgelegt. Die zeitgeschicht- chenblatt Der neue Vorwärts die personelle liche Auseinandersetzung wurde zur Not- Zusammensetzung der ÖAW polemisch zu: wendigkeit, da es keine gesammelte Aufar- „Die Mitglieder der ,Österreichischen Aka- beitung der Zeit zwischen dem Zerfall des demie der Wissenschaften‘, als der Körper- Habsburgerreichs und dem Aufbau nach schaft, die Österreichs wissenschaftliche Elite der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu repräsentieren hätte, sind in ihrer Mehr- gibt. Die hausinternen Chroniken beschrei- heit noch immer die alten Protektionskinder ben ausführlich die Entwicklungen im 19. der faschistischen Ära. Da sitzt noch ein Jahrhundert, doch je näher das 20. Jahrhun- Nadler drinnen, ein Knoll, ein Christian, ein dert rückt, desto spärlicher die Darstellung. Pernkopf und wie sie alle heißen, die, wäh- Der Vortrag zeigt anhand des studentischen rend ihre jüdischen Kollegen vergast wurden, Projekts „Den Montanuniversität im Dritten sich als fanatische Nazi gebärdeten.“ Reich - Eine Spurensuche“, welche unange- Der Vortrag rekonstruiert die eigenwil- nehmen Wahrheiten und universitären Inte- lige Entnazifizierungspraxis an der ÖAW in ressenslagen einen zeitgeschichtlichen Dis- ihren Kontexten. Gezeigt wird, wie es an der kurs verhindern. Akademie gelang, die Akademiemitglied- schaft selbst jener ehemaligen Nationalsozi- alisten zu erhalten, die an den Universitäten in den dauernden Ruhestand versetzt wor- den waren. JOHANNES FEICHTINGER THOMAS GEISSLER beschäf- ist wissenschaftlicher Mitarbeiter tigt sich seit Jahren mit zeitge- der Österreichischen Akademie schichtlichen und politischen der Wissenschaften und Dozent Themen, nach mehreren Seme- für Neuere Geschichte an der stern in akademischen Gremien Universität Wien. Als Mitglied und studentischen Vertretungs- der Arbeitsgruppe Geschichte der körpern an der Montanuniver- Österreichischen Akademie der sität und bundesweit, hat er sein Wissenschaften 1847 bis 2022 be- Studium erfolgreich abgebrochen reitet er eine neue Akademiege- und erstellt Brandschutzkonzepte schichte vor. im Großraum Wien. DI.in INGRID STADLMAYR studierte Metallurgie an der Montanuniversität; analysiert be- ruflich metallische Werkstoffe und privat mit Vorliebe blinde Flecken der Regionalgeschichte. 10
Heimo Halbrainer (Universität Graz): Andreas Huber (Universität Wien): „… gegenwärtig der einzige besol- Entnazifizierung der Studierenden an dete Vertreter der Geschichtswissen- Österreichs Hochschulen schaft an der Universität und daher unentbehrlich.“ Die massivsten Zwischenfälle um die Ent- Entnazifizierung der Geschichts nazifizierung in Österreich ereigneten sich wissenchaft an der Universität Graz im November 1946 an Wiens Hochschulen. Studierende hatten in den Versammlungen 1945/46 kam es bei den einzelnen Fächern zu den ersten ÖH-Wahlen NS-Parolen skan- am Seminar für Geschichte zu einem radi- diert und ehemals politisch und rassistisch kalen Bruch, der sich sowohl institutionell, verfolgte Studierendenvertreter beschimpft. personell als auch teilweise in den Lehrinhal- Unmittelbare Konsequenz war nicht nur eine ten widerspiegelte. Der Vortrag geht einer- kommunistische Großdemonstration vor der seits diesem Bruch bzw. Neubeginn 1945/46 Universität Wien, sondern auch verschärf- nach und zeigt andererseits welche wissen- te Entnazifizierungsbestimmungen. So wur- schaftlichen Karrieren die „Entnazifizierten“ den Studierende ab Februar 1947 strenger be- teilweise in der Folge fern der Universität handelt als Professoren und Privatdozenten: Graz nahmen. „Minderbelastete“ Lehrende konnten im Falle des positiven Urteils einer Sonderkommissi- on (weiter) unterrichten, Studierende waren entsprechend der gesetzlichen Vorgaben aus- zuschließen. Der Vortrag wirft nicht nur am Beispiel die- ser „zweiten“ Entnazifizierungswelle einen Blick auf die maßgeblichen Akteure (Kom- missionen, akademische Behörden, Ministe- rium) und wie diese zusammenwirkten, um etwa verschärfte Entnazifizierungsbestim- mungen abzumildern. Eine These war dabei HEIMO HALBRAINER , Histo- allgegenwärtig: Dass man die akademische ANDREAS HUBER , MMag., riker in Graz, Leiter von CLIO Jugend nicht durch den Studienausschluss, Historiker und Soziologe, 2010– (Verein für Geschichts- und Bil- sondern gerade erst durch den Zugang zur 2011 wissenschaftlicher Mitar- dungsarbeit) und wissenschaft- tertiären Bildung demokratisieren könne. Be- beiter bzw. 2013–2017 Universi- licher Mitarbeiter am Centrum sondere Bedeutung kommt aber auch zu re- tätsassistent am Institut für Zeit- für Jüdische Studien der Univer- gionalen Unterschieden in Abhängigkeit zur geschichte und Mitarbeiter im sität Graz. Besatzungszone zu: Während in Wien noch „Forum ‚Zeitgeschichte der Uni- Forschungsschwerpunkte und vergleichsweise streng entnazifiziert wurde versität Wien‘“ Publikationen zu den Themen und zumindest schwerer Belastete vom Stu- Aktuelles Forschungsprojekt: NS-Herrschaft, Widerstand und dium ausgeschlossen wurden, hielten sich die „Der Deutsche Klub als Weg- Verfolgung während der NS- Ausschlüsse in Graz und Innsbruck in be- bereiter des Nationalsozialis- Zeit, jüdische Regionalgeschichte scheidenen Grenzen. Schließlich soll auch ein mus im Wiener Bürgertum“ (mit sowie dem Umgang mit der NS- Blick in die Rechtfertigungsschreiben NS- Linda Erker, Klaus Taschwer), Zeit nach 1945 (Erinnerungskul- belasteter Studienwerber geworfen werden, Forschungen zur Wissenschafts- tur und Justizgeschichte). die sich für die Medizinische Fakultät der und Universitätsgeschichte wie Universität Wien erhalten haben. auch zu deutschnationalen und katholischen Vereinen. In Arbeit befindliche Dissertation: „Kein Kommunist … Aber auch kein Jude?“ Diskriminierung und Pro- tektion im Lehrkörper der Uni- versität Wien 1918–1950. 11
Marco Jandl (Universität Graz): von den verschiedenen Entnazifizierungs- Die universitäre Germanistik in Graz stellen weitgehend und ohne größere Beden- zwischen Neukonstituierung und Kon- ken angenommen wurden. Die Grazer Ger- tinuität, Unschuldsnarrativen und Ent- manisten strebten in dieser Zeit vor allem nazifizierungspolitik eine schnellstmögliche Rückkehr zu einem geregelten Lehr- und Forschungsbetrieb an, Die universitäre Germanistik war in beson- der eine kritische Auseinandersetzung mit derer Weise mit den Entnazifizierungsmaß- der eigenen (NS-)Vergangenheit nur im Weg nahmen an den österreichischen Hochschu- stand. len in der Nachkriegszeit konfrontiert, hatte sich doch kaum ein Vertreter der Disziplin Bei Betrachtung der Institutsgeschichte wird in Österreich dem nationalsozialistischen klar, dass die Grazer Germanistik seit der Regime verweigert. Nahezu alle Lehrenden Gründung der ersten Lehrkanzel 1851 stark des Faches wurden einer politischen Über- geprägt war von kultur- und gesellschafts- prüfung unterzogen. So fanden sich auch politischen Entwicklungen und so auch die die Lehrenden am Grazer Seminar für deut- Umbrüche 1938 und 1945 keineswegs spur- sche Philologie mit Ausnahme des Dozenten los am Seminar vorübergegangen waren. Für Hugo Kleinmayr, der als unbelastet galt, diese Jahre ist vor allem ein Nebeneinan- kurzfristig in Erklärungsnot. der von Kontinuität und Bruch zu konstatie- ren. Innerhalb des Institutes in der NS-Zeit Im Zuge des komplexen Vorganges der Ent- als auch für die Zeit danach finden sich ver- nazifizierung des Institutes in Graz wurden schiedenste, zum Teil ambivalente Hand- argumentative Strategien entwickelt, um die lungsweisen und Verstrickungen seiner An- politische ‚Gewähr‘ der eigenen Person, aber gehörigen wieder, die ein differenziertes Bild auch von Kollegen zu belegen. Eine gängige der Entwicklung nötig machen und den ver- Taktik war dabei unter anderem die Stilisie- fügbaren Handlungsspielraum aufzeigen. rung des eigenen wissenschaftlichen Tuns als unpolitisch und rein dem Anspruch der Ob- jektivität verpflichtet. Durch eine Aufarbei- tung bislang unbearbeiteten Aktenmaterials wird ersichtlich, dass die Argumentationen MARCO JANDL studiert Ge- schichte und Germanistik an der Universität Graz. Im Som- mer 2017 schloss er seine Ma- sterarbeit im Fach Geschichte zur Grazer Germanistik in der Nachkriegszeit ab. Ein Sammel- bandbeitrag zu selbigem Thema erscheint 2019. Allgemeine For- schungsschwerpunkte sind Na- tionalsozialismus und Antisemi- tismus. 12
Alois Kernbauer (Universität Graz): fehlender Informationen von nicht damit Die akademischen Ehrungen befassten Universitätsangehörigen und erst nach 1945 recht von Außenstehenden weder gekannt, Die Universität Graz und ihre Suche noch nachvollzogen oder bedacht werden nach Identität können. Zu den Sitzungen der Fakultätsgre- mien und des Akademischen Senates waren Die von Universitäten verliehenen Ehrungen in Österreich bis zum Universitätsorganisa- werden gemeinhin als eine der renommier- tionsgesetz 1975 lediglich Professoren und testen Formen öffentlicher Anerkennung Vertreter der Privatdozenten zugelassen, vom wahrgenommen. Das Ansehen der verlei- jeweiligen Sitzungsverlauf erfuhren Außen- henden Universitäten spielt dabei ebenso stehende nur das, was sie erfahren sollten. eine Rolle wie die Tatsache, dass es sich bei Nicht selten wurden in der öffentlichen den Geehrten häufig um bekannte Persön- Wahrnehmung so mancher Ehrung eine Be- lichkeiten handelt. Solchen Auszeichnungen deutung und ein Symbolgehalt beigemessen, kommt allein schon deshalb Gewicht zu, weil die im universitären Entscheidungsfindungs- sie vergleichsweise selten vergeben werden, prozess keine Rolle gespielt hatten. und sie können immer dann an Brisanz ge- Der Kreis der Entscheidungsträger innerhalb winnen, wenn nicht ausdrücklich herausra- der „Professorenuniversität“ nach 1945 um- gende Leistungen in der Wissenschaft ge- fasste also – wie in der Zeit vor dem „An- würdigt werden, sondern Verdienste „um schluss“ auch - bloß einen Teil der Universi- die Wissenschaft“ bzw. um eine spezielle tätsangehörigen, wobei dieser Teil sehr häufig wissenschaftliche Institution, fallweise aber in mehrere, über spezifische Gegebenheiten auch um das „Gemeinwohl“, wie immer die- oder Interessen zusammengehaltene infor- ses definiert sein mag. In diesem letzten Fall melle Gruppierungen zu zerfallen pflegte. tut sich ein großer Ermessensspielraum auf, An der Universität Graz hatten in den ersten der der Einflussnahme von Ideologien, von Nachkriegsjahren jener Personenkreis den gesellschaftlich vertretenen Positionen oder größten Einfluss, dem keine nationalsozialis- einfach des „Zeitgeistes“ unterliegt. tische Vergangenheit nachhing, was jedoch nicht bedeutete, dass nicht auch ehemalige Im Zusammenhang mit akademischen Eh- Parteigenossen von der Universität Graz aus- rungen wird die verleihende Universität von gezeichnet wurden, wie sich überhaupt erst der Öffentlichkeit stets als Ganzes wahrge- im Laufe der Jahre eine Art „Kriterienkata- nommen, sie ehrt jemanden, ohne dass der log“ für die Verleihung der Grade von Ehren- vorangegangene Entscheidungsfindungspro- doktoren, Ehrensenatoren, Ehrenmitgliedern zess, in dem oftmals ganz unterschiedliche gewohnheitsrechtlich ausbildete, der aller- Faktoren zum Tragen kommen, die aufgrund dings nie scharfe Konturen annahm. ALOIS KERNBAUER , Studi- Österreichs“ 1991, Direktor des Universitätsgeschichte vom 18. bis zum 20. Jahr- um der Geschichte, Germanistik, Universitätsarchivs Graz ab 1993, hundert, Stadtrechtsgeschichte und Staatsbildungs- Rechtsgeschichte an der Univer- Ao. Universitätsprofessor Graz prozess in der frühen Neuzeit, sität Graz, Dr. phil. 1982, Mag. seit 1998, Mitglied u.a. ICHU/CIHU – International Com- phil. 1983 (Lehramtsprüfung für Gastprofessuren: University of mission for the History of Universities/Commissi- Gymnasien), Unterrichtsprakti- Minnesota, Minneapolis, 1994. on Internale pour l’Histoire des Universités. kum 1983/84, Assistent am In- University of Alberta, Edmonton Publikationen: 19 Bücher, Editor 7 Bücher, 170 stitut für Geschichte ab 1982, 2000. University of Missouri, St. Aufsätze und Lexikonartikel. wissenschaftlicher Mitarbeiter Louis 2002. Lektor: University of Herausgeber von Serien: „Publikationen aus dem an Forschungsprojekten, wissen- Binghampton, Universität Wien, Archiv der Universität Graz“, Mitherausgeber der schaftlicher Beamter am Univer- Medizinische Universität Graz. Zeitschrift „Mensch-Wissenschaft-Magie“: Mittei- sitätsarchiv ab 1989, Habilitation Forschungsschwerpunkte: Wis- lungen der Österreichischen Gesellschaft für Wis- für „Österreichische Geschich- senschaftsgeschichte, Sozialge- senschaftsgeschichte. te und Wissenschaftsgeschichte schichte der Wissenschaft und 13
Johannes Koll (Wirtschaftsuniversität Wien): Susanne Korbel (Universität Graz): „Eine Keimzelle des „Um die Vergangenheit kümmern“ Aufbauprogramms“ Netzwerke in der Entnazifizierung Entnazifizierung an der Wiener Hoch- der Universität Graz schule für Welthandel zwischen Demo- kratisierung, konservativer Traditions Die Entnazifizierung der österreichischen bildung und nazistischer Persistenz Hochschulen oblag unterschiedlichen Gre- mien, die bislang unter „Sonderkommission“ Der Wiederaufbau der Hochschule für Welt- subsumiert wurden. Nicht aber ein, sondern handel nach dem Untergang des „Großdeut- verschiedene Gremien von Seiten der öster- schen Reiches“ ist bisher nicht wissenschaft- reichischen Regierung wie der Allied Forces lich aufbereitet worden. Der Vortrag stellt entschieden über Pensionierung, Dienstbe- einen ersten Ansatz dar, Facetten der Entna- lassung, Enthebung – Sühne oder Unbedenk- zifizierung wie personalpolitische Entschei- lichkeit – der Bediensteten. dungen zum Lehrkörper, zu Verwaltungsan- Die Entscheidungen der Gremien waren sel- gestellten und zu den Studierenden, die Rege- ten einheitlich und ihre Korrespondenzen lung des Lehr- und Prüfungsbetriebes sowie liefern bemerkenswerte Aufschlüsse über das organisatorische Probleme beim Übergang in Ausnutzen gesetzlicher Lücken, das Inszenie- die Zweite Republik zu analysieren. Ansät- ren von Einzelinteressen und die Handlungs- ze zu einer demokratischen Erneuerung wer- spielräume von Akteur*innen. den dabei ebenso angesprochen wie Bestre- Zum einen gibt der Beitrag Überblick über bungen konservativer Eliten, an die Zeit vor die verschiedenen Instanzen und deren In- dem „Anschluss“ Österreichs anzuknüpfen teraktion in der Entnazifizierung. Zum ande- und großzügig Nationalsozialisten zu reinte- ren zeigt er am Beispiel der Universität Graz, grieren. Es ist zu fragen, welche Haltung ge- welche Personen für die Säuberungen ver- genüber der jüngsten Vergangenheit in der antwortlich waren und wie unterschiedliche Entwicklung zum Ausdruck kommt, die ab Netzwerke diese beeinflussten. Konflikte mit Frühjahr 1945 die einzige österreichische den Allied Forces werden be- und Möglich- Wirtschaftshochschule kennzeichnete. Und keiten von Akteur*innen – ihr „politischer was bedeuteten die hier getroffenen Entschei- Chamälonismus“ – ausgeleuchtet. Priv.Doz. Dr. JOHANNES dungen für die Zukunft der Welthandels- KOLL , Studium der Mittleren hochschule im Wiener Währinger Park? SUSANNE KORBEL studier- und Neueren Geschichte, Musik- te Kultur-, Literatur- und Ge- wissenschaft, Philosophie und schichtswissenschaft mit Schwer- Politikwissenschaft an der Uni- punkt Jüdische Studien an der versität zu Köln. 1999 Promotion, Karl-Franzens-Universität Graz. danach Wissenschaftlicher Mit- Von 2015 bis 2017 war sie Stipen- arbeiter, Lehrbeauftragter, Gast- diatin des OeAD in Budapest. professor und Postdoc an den Nach weiteren Forschungsaufent- Universitäten Köln, Münster und halten in Jerusalem, New York Wien sowie an der Wirtschaftsu- und Tübingen promovierte sie niversität (WU) Wien. Als Sti- mit der Arbeit „Zwischen Buda- pendiat und Gastforscher an wis- pest, Wien und New York. Jüd_ senschaftlichen Einrichtungen innen und (‚populär’-)kulturelle in Deutschland, Polen und den Transformationen um 1900“ an Niederlanden. 2013 Habilitation der Universität Graz. Hier ist sie an der Universität Wien für Neu- derzeit Projektmitarbeiterin am ere und Neueste Geschichte. Seit Centrum für Jüdische Studien 2015 Senior Scientist am Institut im FWF Projekt „Neue Ansätze für Wirtschafts- und Sozialge- zu einer Geschichte der Juden in schichte sowie Leiter des Univer- Wien um 1900“ und außerdem sitätsarchivs der WU Wien. seit 2015 Lehrbeauftragte. 14
Ilse Korotin stammenden und im Kontext der „Akti- (Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien): on Ritterbusch“ als Leiter der „Hauptgrup- „… der weltanschauliche Kampf dient pe Philosophie“ agierenden Philosophen Fer- nach dem Kriege dem gleichen Ziele.“ dinand Weinhandl soll – unter Anwendung Philosophen im „Kriegseinsatz der der historischen Netzwerkanalyse - nach Geisteswissenschaften“ („Aktion Ritter- über 1945 hinaus wirkungsmächtigen Ak- busch“ – 1940-1945) – Spuren des Fort- teuren und deren informellen und institutio- wirkens nalisierten Netzwerken gefragt werden bzw. im Einzelnen den unterschiedlichen weite- Der Beitrag thematisiert den in der wissen- ren Karrieren der beteiligten Philosophen schaftshistorischen Forschung als „Mark- nachgegangen werden, handelt es sich dabei stein“ interdisziplinärer Zusammenarbeit doch auch um einige für die philosophische sowie als gelungenes Beispiel des Zusam- Disziplin durchaus bestimmende Lehrende menspiels von Wissenschaft und Politik an- (wie etwa Erich Rothacker, dem Doktorva- erkannten „Kriegseinsatz der Geisteswissen- ter von Jürgen Habermas, Nicolai Hartmann, schaften“ („Aktion Ritterbusch“), welcher Hermann Glockner oder auch Arnold Geh- im Zeitraum 1940 bis 1945 - vom Reichsmi- len). Sie alle konnten nach 1945 ihre wissen- nisterium für Wissenschaft, Erziehung und schaftlichen Laufbahnen mit mehr oder we- Volksbildung (REM) und der Deutschen For- niger langen – durch Entnazifierungsverfah- schungsgemeinschaft (DFG) gefördert - unter ren, manchmal auch durch Internierungen der Gesamtleitung des Rechtsphilosophen erzwungene – Pausen in unterschiedlicher und Rektors der Kieler Christian-Alb- Intensität fortsetzen. Viele konnten auf den rechts-Universität, Paul Ritterbusch zur Pla- Fortbestand personeller Netzwerke vertrau- nung und Durchführung kam. In Zusam- en, die während der NS-Zeit geknüpft wor- menarbeit mit einer Reihe von geisteswis- den waren und nun oftmals bei der Entnazi- senschaftlichen Disziplinen wurden Arbeits- fizierung oder bei der Wiedereingliederung kreise gegründet, Tagungen abgehalten sowie in den akademischen Bereich als so genann- Publikationsreihen geplant und zum Teil te „Persilschein“-Netzwerke“ genützt werden auch realisiert. Für viele Geisteswissenschaf- konnten. Selbst das im beschriebenen Kon- ter war dies eine einzigartige Chance, die ge- text entstandene Schrifttum konnte oftmals sellschaftspolitische Wichtigkeit ihres Faches wiederum einer Veröffentlichung zugeführt unter Beweis zu stellen. Dementsprechend werden und so als Beleg ernsthaften Philo- groß waren – jedenfalls zu Beginn der „Akti- sophierens „über die Zeit“ geltend gemacht on“ – die Begeisterung und der Zulauf. werden. Ausgehend von der Biografie des aus Graz Dr.in phil. ILSE KOROTIN , geberin der Reihe „biografiA. Schwerpunkt: Der „Kriegsein- MA, Studium der Philosophie, Neue Ergebnisse der Frauenbi- satz der Geisteswissenschaften“ Soziologie und Geschichte an ografieforschung“. Forschungs- („Aktion Ritterbusch“ − 1940- der Universität Wien, Leiterin schwerpunkte: Frauenbiogra- 1945). Publikation (Auswahl): der IWK-Dokumentationsstelle fieforschung, Philosophie und Deutsche Philosophen aus der Frauenforschung und des mul- Nationalsozialismus, Wissen- Sicht des Sicherheitsdienstes des timodularen Forschungs- und schaftsgeschichte. 2018 Abschluss Reichsführers SS – Schwerpunkt Dokumentationsprojekts bio- eines Masterstudiums im Bereich Österreich, in: Marion Heinz et grafiA. Datenbank und Lexi- der Historisch-Kulturwissen- al. (Hrsg.): Philosophie und Zeit- kon österreichischer Frauen am schaftlichen Europaforschung/ geist im Nationalsozialismus, Institut für Wissenschaft und Geschichte mit der Arbeit: „... Verlag Königshausen & Neu- Kunst sowie der FrauenAG der eine neue geistige Ordnung Eu- mann, Würzburg 2006, S. 45–67. Österreichischen Gesellschaft ropas“. „Europadiskurse“ im für Exilforschung (öge). Heraus- Kontext des Nationalsozialismus. 15
Markus Lenhart (Kunstuniversität Graz): Julia Mair (Kunstuniversität Graz): Die Vorgängerinstitutionen der Neubeginn und Kontinuität Kunstuniversität Graz und 1945 Die Kunstuniversität Graz Die Universität für Musik und darstellende Im Zuge der Aufarbeitung der Musikgeschich- Kunst Graz ist als Universität eine junge Ein- te Österreichs in der Nachkriegszeit wurde richtung, wurde sie doch erst 1998 in diesen bisher – auch im Hinblick auf die Entnazifi- Rang erhoben. Allerdings täuscht das Datum, zierung der Hochschulen – vorwiegend Wien denn als Institution kann sie sich direkt auf thematisiert, während man Graz als weit die Gründung der Singschule des Musikver- ausstrahlendes Zentrum der musikalischen eins für Steiermark 1816 berufen und somit Avantgarde im Spannungsfeld zwischen Tra- auf eine 200jährige Geschichte verweisen. dition und Moderne noch wenig erforscht hat. Auch wenn MusikerInnen und Musikwissen- Es gibt diesbezügliche Forschungen betref- schafter nach 1945 den Standpunkt vertraten, fend Gottfried von Einem (1918-1996), in des- dass sie ausschließlich für Kunst und Wis- sen Umfeld sich auch Erich Marckhl (1902- GERALD LAMPRECHT , Zeit- senschaft gelebt hätten und so jede Involvie- 1980) findet. Als Landesmusikdirektor, Direk- historiker und Leiter des Cen- rung in das NS-Regime zu leugnen oder zu- tor des Grazer Konservatoriums und Grün- trums für Jüdische Studien. mindest herunterzuspielen trachteten, waren dungspräsident der damaligen Akademie für Forschungsschwerpunkte: Jü- die Vorgängerinstitutionen der Kunstuniver- Musik und darstellenden Kunst spielte Mar- dische Geschichte des 19. und sität Graz weit enger in die NS-Politik ver- ckhl in diesem Spannungsfeld eine zentra- 20. Jahrhunderts, Antisemitis- strickt, als sie zuzugeben bereit waren. Dies le Rolle. Der Tagungsbeitrag soll einen Über- musforschung, Verfolgung der betraf sowohl die Tätigkeiten damals illegaler blick über Marckhls Wirken während der NS- Jüdinnen und Juden, NS-Herr- Nationalsozialisten im Musikverein vor 1938 Zeit und seine durch die Entnazifizierung im schaftspraxis, Vermögensentzug als auch der Personen, die zwischen 1938 und Prinzip nicht beeinträchtigte Karriere danach und Restitution, Memory Stu- 1945 im Musikverein und im teilweise neu geben. Marckhl war Hauptverantwortlicher dies. geschaffenen steirischen Musikschulwerk an- in der Etablierung einer neuen Musiklehrer- gestellt waren. ausbildung ab 1939, was ihm nachhaltigen Einfluss auf die steirische Musikpädagogik Der vorliegende Beitrag plant zum einen zu bescherte, die er bis 1971 entscheidend mit- untersuchen, ob sich jemand und wer sich gestaltete. Auch zeichnet er dafür Rechnung, für sein Engagement für das NS-Regime ver- dass die Musikpädagogik in die Reichsmusik- antworten musste. Weiters sollen anhand ei- hochschule in Eggenberg integriert wurde. Es niger ausgewählter Persönlichkeiten die Stra- wird auch untersucht, inwieweit Erich Mar- tegien und Möglichkeiten dargestellt werden, ckhl das Grazer Musikleben der 1950er und die gewählt wurden, um trotz der Verwick- 1960er Jahre und die heutige Kunstuniversität lungen in die Kulturpolitik des NS-Regimes geprägt hat und warum eine Fortführung sei- MARKUS HELMUT LENHART , und den Bestrebungen einer umfassenden ner Karriere nach 1945 möglich war. Intention Studium der Kunstgeschichte, Ge- Entnazifizierung unbelastet nach 1945 wir- des vom Jubiläumsfonds der Österreichischen schichte, Religionswissenschaft ken zu können. Zum anderen soll neben der Nationalbank geförderten Forschungsprojekts und Pharmazie an der Karl-Fran- persönlichen Ebene in diesem Kontext die Erich Marckhl. Musikausbildung in der Stei- zens-Universität Graz; Promotion Selbstdarstellung der involvierten Instituti- ermark nach 1945 – Brüche und Kontinui- in Kunstgeschichte. Seit 2017 Seni- onen hinsichtlich ihrer Vergangenheit in den täten ist das Schließen der Forschungslücke or Scientist am Universitätsarchiv Jahren unmittelbar nach 1945 untersucht bezüglich der steirischen Musikausbildung. der Universität für Musik und dar- werden. stellende Kunst Graz: Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im JULIA MAIR , BA MA, studier- Projekt „Provenienzforschung an te Kunstgeschichte und Musiko- der Österreichischen National- der UB Graz“, sowie Institutslektor logie an der Karl-Franzens-Uni- bank geförderten Projekt Erich am Österreichzentrum der Hebrä- versität Graz und der Kunstuni- Marckhl – Musikausbildung in ischen Universität, Jerusalem. Seit versität Graz. Seit Januar 2019 der Steiermark nach 1945. Brü- 2006 ist er Lehrbeauftragter an der arbeitet sie als Universitätsassi- che und Kontinuitäten am Ar- Karl-Franzens-Universität Graz. stentin im vom Jubiläumsfonds chiv der Kunstuniversität Graz. 16
Walter Manoschek (Universität Wien): genbewegung fast von Anfang an bemerkbar, Entnazifizierung der Professoren- verstärkte sich ab 1947/48 schrittweise und schaft der Universität Wien blieb bis in die späten 1950-er Jahre wirksam. In meinem Vortrag werde ich auf die quan- Wehrmacht ́s War of Annihi- Der Anteil ehemaliger NSDAP-Anwärter titativen Aspekte, wie die Zahl der Entnazi- lation (Ed., gem. mit Hannes und -Mitglieder in der Professorenschaft der fizierten, die Enthebungen vom Dienst, die Heer, Alexander Pollak und Ruth Universität Wien war überdurchschnittlich Entlassung ohne Fortzahlung von Bezügen Wodak), Palgrave Macmillan, hoch: In der Philosophischen Fakultät betrug usw., eingehen. Basingstoke – New York, 2009 er 77%, in der Medizinischen 83%, in der Opfer der NS-Militärjustiz. Ur- Rechts- und Staatswissenschaftlichen 71% Ein weiteres Thema werden die rechtlichen teilspraxis – Strafvollzug – Ent- und in der Evangelisch-Theologischen Fakul- Rahmenbedingungen (Verbots-, Kriegsver- schädigungspolitik in Österreich tät 75%. brecher- und Nationalsozialistengesetz) und (2003) (Hg.), Mandelbaum-Ver- die Akteure und Organe (z. B. Otto Skrbens- lag, Wien “Serbien ist judenfrei!”. Zwei gegenläufige Prozesse lassen sich ab ky), der Akademische Senat und Sonderkom- Militärische Besatzungspolitik Ende April 1945 ausmachen: nämlich jener mission sein. und Judenvernichtung in Serbien der Entnazifizierung und jener der Amne- 1941/42 (1993), Schriftenrei- stierung, der Rehabilitierung. Der erste Pro- he des Militärgeschichtlichen zess setzte sehr rasch und auch gründlich Forschungsamtes Freiburg im ein, verzahnte sich um 1947 mit dem zweiten, Breisgau, Band 38, Verlag Olden- verebbte dann und wurde etwa Ende 1947 bourg, München, 2. Auflage 1995 im Wesentlichen beendet. Der zweite, als Ge- Gescheiterte Flucht. Der jüdische “Kladovo-Transport” auf dem Weg nach Palästina (1993),Verlag Ao. Univ. Prof. Dr. WALTER mit einem Forschungsstipendium Mandelbaum, Wien (gem. mit MANOSCHEK ist ao. Profes- des Mandel Center for Advan- Gabriele Anderl), 2. Auflage 2001 sor für Politikwissenschaft an ced Holocaust Studies des Uni- Auszeichnungen: der Universität Wien. Seine For- ted States Holocaust Center in Mai 2016: Buch des Monats der schungen fokusieren auf Natio- Washington DC über Ghettoge- Universität Wien („Dann bin ich nalsozialismus, Holocaust und sellschaften im polnischen Gene- ja ein Mörder!”) Vergangenheitspolitik. Er war ralgouvernement. Er ist seit 2019 2016: Demokratiepreis der Mar- von 1995 bis 1999 einer der Ge- Mitglied der „Independent Inter- garetha Lupac-Stiftung an das stalter und Organisatoren der national Commission of Inquiry Personenkomitee „Gerechtigkeit Ausstellung „Vernichtungskrieg. on Sufferings of Serbs in Saraje- für die Opfer der NS-Militärju- Verbrechen der Wehrmacht 1941- vo between 1991 and 1995” of the stiz“, verliehen vom Parlament 1944“ des Hamburger Instituts Public Center for the Research der Republik Österreich 2012: für Sozialforschung. 2012 er- of War, War Crimes and Missing Viennale 2012: Anerkennungs- schien seine Filmdokumentation Persons” of the Ministery of Ju- preis der Stadt Wien für den Do- „Dann bin ich ja ein Mörder!“. stice of the Republika Srpska”. kumentarfilm „Dann bin ich Adolf Storms und das Massaker Einschlägige Publikationen: ja ein Mörder!“ 1997: Carl von an Juden in Deutsch Schützen. „Dann bin ich ja ein Mörder!“. Ossietzky-Medaille der Liga für Der Film wurde am Vienna Film Adolf Storms und das Massaker Menschenrechte für die Ausstel- Festival mit dem Anerkennungs- an Juden in Deutsch Schützen, lung „Vernichtungskrieg. Ver- preis der Stadt Wien ausgezeich- Wallstein Verlag, Göttingen 2015 brechen der Wehrmacht 1941 bis net und bislang von verschie- „Dann bin ich ja ein Mörder!“. 1944“ 1992: Gewinner des in- denen TV-Sendern und an zahl- Adolf Storms und das Massaker ternationalen „Fraenkel Prize“, reichen Universitäten und Ho- an Juden in Deutsch Schützen, verliehen vom Institute of locaust Centers in Europa, den Dokumentarfilm, 68 min., 2012 Contemporary History and Wie- USA und Israel ausgestrahlt. Eine Der Fall Rechnitz. Das Massa- ner Library in London für das Monographie zum Film mit dem ker an Juden im März 1945 (Hg.), Buchmanuskript „Serbien ist ju- gleichen Titel erschien 2015 im Braumüller Verlag, Vienna 2009 denfrei! Militärische Besatzungs- Wallstein Verlag. Von Februar The Discursive Construction politik und Judenvernichtung in bis September 2018 arbeitete er of History. Remembering the Serbien 1941/42” 17
Gunnar Mertz (Universität Wien): die ZAMG mit der Herauslösung des Wetter- Entnazifizierung staatlich-wissen- dienstes und dessen Eingliederung ins Luft- schaftlicher Forschungsanstalten in fahrtministerium degradiert worden. Welche Österreich Maßnahmen wurden nach dem Zusammen- Die Geologische Bundesanstalt (GBA) bruch des NS-Regimes in Hinblick auf die und die Zentralanstalt für Meteorologie Organisations- und Personalstruktur gesetzt? und Geodynamik (ZAMG) im Vergleich Welche quantitativen und qualitativen Unter- schiede sind bei der Umsetzung dieser Maß- Ausgehend von Forschungsarbeiten im Auf- nahmen in den beiden Anstalten erkennbar trag des Bundesministeriums für Bildung, und inwieweit unterschied sich der Säube- Wissenschaft und Forschung zu der Ausstel- rungsprozess in staatlich-wissenschaftlichen lung „BergWetter 1938: Diktatur–Behörden– Anstalten von dem Prozess in staatlichen Wissenschaft“ untersucht der Beitrag den Hochschulen? Wie reagierten die Anstalts- Prozess der Entnazifizierung in zwei staat- leitungen und das Personal auf den angeord- lich-wissenschaftlichen Anstalten. Die in- neten Säuberungsprozess und welche Strate- stitutionellen Voraussetzungen der beiden gien zur Umgehung der personellen Entnazi- Institutionen unterschieden sich grundle- fizierung wurden angewandt? gend: Während die GBA in der NS-Zeit eine Zweigstelle der Berliner Reichsstelle für Bo- denforschung war und wegen des kriegswich- tigen Rohstoffbedarfs ausgebaut wurde, war GUNNAR MERTZ , Diplom- studium der Politikwissenschaft und Bachelorstudium der Inter- nationalen Entwicklung an der Universität Wien und an der Université de Liège. Seit 2015 Dissertant und 2018 Projektmit- arbeiter am Institut für Zeitge- schichte der Universität Wien (Arbeitstitel: „Politische My- then im Österreichischen Ge- birgsverein“). Fellow der Vienna Doctoral Academy: Theory and Methodology in the Humani- ties. Demnächst erscheint: Ent- nazifizierung im alpinen Raum: Der Alpenverein und die franzö- sische Besatzungspolitik in Ös- terreich mit einem Vergleich zu Deutschland, in: Stefan Martens, Marie-Benedicte Vincent (Hg.), La France et la dénazification de l’Allemagne après 1945 (L’Alle- magne dans les relations inter- nationales), Bruxelles u.a. 2019. Kontakt: gunnar.mertz@univie. ac.at 18
Juliane Mikoletzky und Alexandra Wieser Sicht die Nachhaltigkeit der vor allem in der (Wien): ersten Phase 1945/46 getroffenen Maßnah- Entnazifizierung an der TH in Wien men beurteilen läßt. Neuanfang und Rekonstruktion (1945- 1965) und der lange Weg zu einer Die 150-Jahr-Feier von 1965 stellt dabei einen Erinnerungskultur Angelpunkt dar: Die Nutzung des Anlasses auch zu einem erstmaligen öffentlichen Ge- Der Beitrag soll einen Überblick geben über denken der Hochschule an die Jahre 1938 - die Phasen der Entnazifizierung an der da- 1945, orchestriert ausgerechnet durch den maligen Technischen Hochschule in Wien, letzten NS-Rektor der TH in Wien, Hein- von den ersten „Sofortmaßnahmen“ unmit- rich Sequenz, und nicht unerwartet verengt telbar nach Kriegsende über die Periode der auf die Opfer des Zweiten Weltkriegs, mani- „Sonderkommissionen“ bis zur Erlassung des festiert in aller Deutlichkeit den damaligen „Nationalsozialistengesetzes“ 1947 und des- Diskussions- und Bewusstseinsstand. Den- sen Auswirkungen. Der Schwerpunkt wird noch entwickelten sich in der Folge, initiiert dabei auf der Betrachtung des Lehrperso- zunächst vor allem von der HochschülerIn- nals liegen, Akteure, Rahmenbedingungen nenschaft, Ansätze zu einer „Gedenkkultur“, und Argumentationslinien sollen skizziert die seit den 1990er Jahren insbesondere auch werden. Darüber hinaus soll jedoch auch die vom Archiv der TU Wien aufgegriffen und weitere Personal- und insbesondere Beru- weitergeführt wurden. fungspolitik bis in die Mitte der 1960er Jahre betrachtet werden, da sich erst auf längere JULIANE MIKOLETZKY , Dr. MMag. ALEXANDRA WIESER phil. Mag. Phil., Studium der Ge- Studium der Geschichte, Publi- schichte und Germanistik an der zistik und Kommunikationswis- Ruhr-Universität Bochum; Wiss. senschaften an der Universität Assistentin und Lektorin an der Wien und der TU Berlin; Stu- Ruhr-Universität Bochum und dium der Geschichtsforschung, an der Universität Wien, 2001 bis historischen Hilfswissenschaf- 2015 Leiterin des Archivs der TU ten und Archivwissenschaft am Wien, derzeit freie Mitarbeiterin Institut für Österreichische Ge- am Archiv der TU Wien. schichtsforschung. Archivarin Arbeits- und Forschungsschwer- zunächst im Diözesanarchiv St. punkte: Wirtschafts- Sozial- und Pölten, danach im Technischen Kulturgeschichte, Universitäts- Museum Wien und im Wiener und Wissenschaftsgeschichte des Stadt- und Landesarchiv, seit 19. und 20. Jahrhunderts. 2016 Archivarin im Archiv der TU Wien. Forschungsschwerpunkte: Tech- nikgeschichte, Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Ge- schichte des Polytechnischen In- stituts/ Technischen Hochschule/ Technischen Universität Wien. 19
Alexander Pinwinkler (Universität Salzburg): gleichsbeispiel interessant, weil ihre „Wie- Erinnerungskultur und Vergangen- dererrichtung“ in einer Zeit erfolgte, als die heitspolitik an der Universität justizielle Entnazifizierung bereits abge- Salzburg schlossen zu sein schien. Inwieweit in den 1960er-Jahren gerade deshalb die Berufung Die erinnerungspolitischen Aktivitäten der ehemaliger NS-Parteigänger begünstigt wor- Universität Salzburg konzentrierten sich in den sein könnte, wird im Vortrag diskutiert den vergangenen Jahren auf die kritische werden. Hierbei wird auf die Allianz zwi- Auseinandersetzung mit ihrer „Tabula ho- schen ehemaligen „Katholisch-Nationalen“ norum“. Die „Tabula honorum“ bezeichnet mit Ex-Nationalsozialisten ebenso einge- die Liste jener Personen, welche an der Alma gangen werden wie auf die Versuche zur in- Mater Paridiana seit deren Wiedererrichtung terdisziplinären Profilbildung an der Alma im Jahr 1962 geehrt wurden. Der Vortrag Mater Paridiana, die dezidiert der Förde- beleuchtet einerseits wesentliche Ergebnisse rung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eines Forschungsprojekts, das die Biogra- (René Marcic) dienen sollten. phien der in den 1960er- bis 1980er-Jahren von der Universität Salzburg Geehrten unter- Die Kultur des Schweigens und Verdrän- sucht hat. Andererseits verknüpft der Vortrag gens dominierte, was die NS-Zeit betraf, die empirischen Befunde zum „Ehrregime“ an der Universität Salzburg noch in den der Universität Salzburg mit der Analyse der 1960er- und 1970er-Jahren. Einzelne Beru- Handlungsstrategien ihrer „Gründergenerati- fungen waren allerdings bereits damals aus on“ der 1960er-Jahre. politischen Gründen umstritten. Inwieweit NS-Belastungen der betreffenden Gelehrten Hinsichtlich der Frage nach „Entnazifizie- hierbei eine Rolle spielten, wird im Vortrag rung und Demokratisierung“ ist die Uni- erörtert werden. versität Salzburg vor allem deshalb als Ver- Priv.-Doz. Dr. ALEXANDER Marc Bloch in Berlin. PINWINKLER , Studium der Ge- Veröffentlichungen zur Wissen- schichte und Germanistik; seit schafts-, Universitäts- und Zeit- 2012 Privatdozent für Zeitge- geschichte, zuletzt u.a.: Hand- schichte am Institut für Wirt- buch der völkischen Wissen- schafts- und Sozialgeschichte schaften, 2 Bde., Berlin 2017 (Hg. der Universität Wien sowie seit mit Michael Fahlbusch, Ingo 2016 Senior Scientist und Lehr- Haar); Schweigen und erinnern. beauftragter am Fachbereich Ge- Das Problem Nationalsozialismus schichte der Universität Salzburg. nach 1945, Salzburg 2016 (Hg. Vorher Wissenschaftlicher Mit- mit Thomas Weidenholzer); Hi- arbeiter, Lehrbeauftragter und storische Bevölkerungsforschun- Gastprofessor an den Universi- gen. Deutschland und Österreich täten Salzburg, Wien, Strasbourg, im 20. Jahrhundert, Göttingen Leipzig, Linz und Innsbruck; 2014. 2008/09 Gastforscher am Centre 20
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