TAGFALTER SIE WÜRDEN UNS FEHLEN EIN GARTEN FÜR SCHMETTERLINGE ZURÜCK IN BRANDENBURG - Natur+Text
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30. Jahrgang – Nr. 3 August bis Oktober 2016 Natur + Text GmbH, Friedensallee 21, 15834 Rangsdorf, ISSN 0935-7602 Ausgabe 3/2016 TAGFALTER SIE WÜRDEN UNS FEHLEN EIN GARTEN FÜR SCHMETTERLINGE ZURÜCK IN BRANDENBURG MIT POST ER NATUR OHNE GRENZEN AKTUELLES Nacht der Kobolde Biologische Vielfalt sichern Seite 38 Seite 44
EDITORIAL Moore in Brandenburg und Berlin Moore sind faszinierend, vielfältig, kompliziert zu nutzen und reagieren sensibel auf Veränderun- LIEBE LESERINNEN UND LESER, gen. Sie prägen große Landschaften in Brandenburg und Berlin, sind seit Jahrhunderten durch den 30 Jahre Naturmagazin – wir wollten „Schmetterling“ richtig unromantisch, zeigt aber das allgemeine Menschen genutzt und nur auf ca. 2 % der einstigen Fläche noch naturnah. kein Jubelheft, kein Selbstlob auf 50 Interesse an diesen farblich meist so vollkommenen Tieren. In Seiten, trotzdem lässt sich ein gewisser früheren Zeiten genadelt an der Wand und heute in unzähligen Stolz auf das Erreichte nicht verheh- Kalendern und Bildbänden verewigt, steht eine Tiergruppe im Vorgestellt und erläutert werden: len. Stolz, verbunden mit dem Dank Mittelpunkt des aktuellen Heftes, die einfach zu beobachten und an alle Beteiligten, an alle, die daran für jeden erlebbar ist. Das betrifft zumindest das fertige Insekt. • ihre Vielfalt und die ihrer Lebewelt, mitgewirkt haben, dass dieses Maga- Eier, Larven und Puppen sind weniger bekannt, aber Vorausset- • ihre Charakteristika und Nutzung, zin heute noch existiert und hoffent- zung für den Schmetterling. An ihrem Schutz kann jeder von lich seinen Beitrag leistet, Menschen uns mitwirken, der Landwirt, indem er einen Blühstreifen auf • ihre Stellung im Klimawandel, für Natur zu interessieren, für die Er- seinem Acker einrichtet, der Gartenbesitzer, indem er auch der • ihre Entstehung und Entwicklung … eignisse um uns herum zu begeistern. Das Schöne hervorzuhe- Brennnessel noch Platz einräumt, der Gemeindearbeiter, indem ben, ohne das Tragische zu verheimlichen, war und bleibt unser er nicht jedes Grün sinnlos mit der Motorsense bearbeitet, die Anliegen. Im Wissen, wie rücksichtslos wir mit unserer umgeben- Beispiele ließen sich fortsetzen. den Natur verfahren, fällt es immer schwerer, noch unbeschwert über diese zu berichten. Ich bin jedoch fest der Meinung, dass Wissen und Handeln im Kleinen wie im Großen, beim Tagpfauen- wir uns das nicht nehmen lassen sollten, im Gegenteil, nur dar- auge und beim Klimawandel, bei Schmetterling und Eisbär, einen aus die Kraft und die Überzeugung schöpfen, uns für den Erhalt kleinen Teil Verantwortung hat jeder von uns. und den Schutz der Natur einzusetzen. Und das nicht gegen unse- re Mitbürger, sondern unter Einbeziehung möglichst vieler Men- Reinhard Baier schen. Mariposa, Butterfly, Motilek – dagegen klingt das deutsche Geschäftsführer Natur+Text INHALT … und alle Kapitel sind mit zahlreichen Abbildungen, Tabellen, Fotos und Diagrammen illustriert. TAGFALTER VERANSTALTUNGEN AKTUELLES Titelthema 29 SPANNENDE NATURERLEBNISSE FÜR 41 REISENDE GÄRTEN KINDER VON 7 BIS 12 JAHREN 42 STADTFLUCHT 4 SIE WÜRDEN UNS FEHLEN 30 HOCHZEIT FÜR NACHTSCHWÄRMER 44 BIOLOGISCHE VIELFALT SICHERN 12 „FRÜHER GAB ES MEHR 31 MIT ALLEN SINNEN IN DIE NACHT 46 ZUKUNFTSWERKSTATT SCHMETTERLINGE“ NATURSCHUTZKOMMUNIKATION 16 EDELSTEINE UND ELFEN 47 30 JAHRE NATURMAGAZIN 18 ERFREUEN AUCH LANDWIRTE EIN GARTEN FÜR SCHMETTERLINGE NATUR … 34 … UND KUNST 20 22 ZURÜCK IN BRANDENBURG GUTE JAHRE FÜR FEUERFALTER Der stolze Pfau RUBRIKEN 23 ZÄHLEN UND STAUNEN 36 … IM RÜCKBLICK 32 REZENSIONEN & BUCHTIPPS 24 WEIDELANDSCHAFT Trappenland Brandenburg 48 AUS DEN VERBÄNDEN LICHTERFELDE-SÜD 38 … OHNE GRENZEN 51 IMPRESSUM 26 DER EICHENPROZESSIONSSPINNER Nacht der Kobolde Vera Luthardt und Jutta Zeitz (Hrsg.) Moore in Brandenburg und Berlin mit Moorbodenkarte und zusätzlichen Informationen auf DVD 384 Seiten, 17 x 24 cm, Hardcover, Natur + Text 2014 ISBN 978-3-942062-13-8, Preis 39,90 Euro DIESE AUSGABE www.naturundtext.de ALS eBOOK LESEN! FÜR ALLE N ATURMAGAZIN-LESER KOSTENLOS ZUM DOWNLOAD UNTER: naturmagazin.info/epub/03-2016.epub Foto: Ingolf Rödel 4 Foto: Anne Loba 12 Die Veröffentlichung wurde freundlicherweise durch das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg aus der Konzessionsabgabe Lotto gefördert.
4 TAGFALTER Titelthema TAGFALTER Titelthema 5 SIE WÜRDEN UNS FEHLEN TAGFALTER IN BRANDENBURG UND BERLIN Etwa 2.400 verschiedene Schmetterlingsarten wurden bislang in Berlin und Brandenburg beobachtet. Viele von ihnen zählen zu den sogenannten Kleinschmetterlingen, wie beispielsweise die Kleider- und Dörrobst- motten, die wohl keiner in seiner Wohnung haben möchte. Aber auch viele Blattminierer, Wickler, Zünsler, Glasflügler und Widderchen – auch als Blutströpfchen bekannt –, bereichern die hiesige Schmetterlingsfauna. Andere, zu den Großschmetterlingen gehörende Gattungen sind die Spannerfalter (Geometridae), die Eulen- falter (Noctuidae), die Schwärmer (Sphingidae) und die Spinnerartigen, von denen in den vergangenen Jahren der Eichen-Prozessionsspinner wegen seiner giftigen behaarten Raupen eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Von den viel auffälligeren Tagfaltern wurden in Brandenburg und Berlin in den vergangenen 130 Jahren 118 Arten mit Sicherheit nachgewiesen, was nur etwa fünf Prozent aller in Brandenburg und Berlin gefundenen Schmetterlingsarten entspricht. S Kaisermantel chmetterlinge werden im allgemeinen Sprach- wurden schon durch U. v. Chappuis im Jahr 1942 in (Argynnis paphia). gebrauch häufig mit Tagfaltern gleichgesetzt einer Publikation beklagt und erste Ursachen wie die Foto: Ingolf Rödel und lösen bei den meisten Menschen über- Trockenlegung von Mooren oder die Intensivierung wiegend positive Assoziationen aus – sei es als Früh- der Landwirtschaft benannt. Im Jahr 1973 belegt lingsboten oder als Anzeiger einer (noch) gesunden dann E. Urbahn aus Zehdenick in einer Fachpubli- Umwelt. Deutlich negativer werden von vielen Men- kation anhand von zahlreichen Beispielen den nun schen jedoch die Präimaginalstadien der Schmetter- immer deutlicher werdenden Verlust an Schmet- linge – die Raupen – bewertet, besonders, wenn sie terlingen. Diese also schon frühzeitig beobachte- im eigenen Garten auftreten. Aber wie sieht die Si- ten Rückgänge setzen sich in der Folgezeit leider tuation der Tagfalter in Brandenburg wirklich aus? mit zunehmender Geschwindigkeit fort, was durch Vergleicht man ältere Literaturangaben zum Vor- zahlreiche Publikationen dokumentiert ist, und das kommen und zur Häufigkeit von Schmetterlingen in nicht nur in Brandenburg, sondern in ganz Europa. Brandenburg mit aktuellen Beobachtungen, kommt Das hat dazu geführt, dass verschiedene Schmetter- man zum Ergebnis, dass die Zahl und Vielfalt der lingsarten EU-weit unter besonderen Schutz gestellt Schmetterlinge in Brandenburg stark bis drastisch wurden (FFH-Richtlinie). Dazu gehören der Große abgenommen haben. Allerdings muss man berück- Feuerfalter, der Blauschillernde Feuerfalter, der Gol- sichtigen, dass es oft nicht einfach ist, solche Anga- dene Scheckenfalter, der Helle und Dunkle Wiesen ben, die meist nie auf quantitativen Angaben beru- knopf-Ameisenbläuling, der Lungenenzian-Amei- hen, miteinander zu vergleichen. Deutlicher – im senbläuling und der Thymian-Ameisenbläuling, die Sinne starker Verluste – werden die Ergebnisse, wenn in Brandenburg und Berlin noch vorkommen oder noch aktive ältere Schmetterlingsforscher ihre frü- zumindest früher gefunden wurden (siehe unten). heren Aufzeichnungen aus den 1950er und 1960er Jahren mit ihren gegenwärtigen Beobachtungen ver- Für eine umfassende und objektive Darstellung der gleichen. Diese negativen Bestandsentwicklungen Tagfalterfauna haben die Schmetterlingsforscher von naturmagazin 3/2016 naturmagazin 3/2016
6 TAGFALTER Titelthema TAGFALTER Titelthema 7 Der Baumweißling Brandenburg und Berlin – die meisten von ihnen und Berlin. Eine reich bebilderte Fauna der Tagfal- erlöschen schon nach wenigen Jahren wieder, wo- (Aporia crataegi) ist noch sind im Arbeitskreis Lepidoptera (= Schmetterlinge) ter von Brandenburg und Berlin wird demnächst er- bei die Besiedlung meistens aus Osten her erfolg- relativ verbreitet. Foto: Ingolf Rödel des Landesfachausschusses Entomologie des NA- scheinen. Hier fassen wir die Ergebnisse zusammen, te. Sehr bekannte Vertreter dieser Arten sind der in BU Brandenburg organisiert – ihre über Jahrzehn- gruppiert nach ihrer aktuellen Verbreitungssituation manchen Jahren in sehr großer Häufigkeit auftre- Die in den Steckbriefen te gesammelten Daten in das Erfassungsprogramm und den Trends ihres Auftretens, und wollen Hin- tende Distelfalter oder der seltenere Postillon. Auch abgebildeten Karten geben InsectIS einfließen lassen. Diese wurden durch die weise geben, welche Schutzmaßnahmen für den Er- der auffällige Admiral, der im Spätsommer gern in die aktuelle Verbreitung der jeweiligen Art in Branden Auswertung jeglicher verfügbarer Literatur und vie- halt einer reichhaltigen Schmetterlingsfauna mög- Gärten an faulem Obst saugt, gilt als Wanderfalter. burg für den Zeitraum von ler Museums- und privater Sammlungen ergänzt. lich und notwendig sind. Er überwintert aber in jüngster Zeit immer erfolg- 1990 bis 2015 an. Dadurch haben wir aktuell einen sehr guten Über- reicher bei uns und kann inzwischen als heimische blick über die Situation der Tagfalter in Brandenburg (1) Arten, die trotz aller Eingriffe des Art angesehen werden. Der Östliche Große Fuchs Menschen immer noch allgemein verbreitet ist nach jahrzehntelangem Fehlen in jüngster Zeit sind (Ubiquisten) 1 Noch weit verbreitet sind viele bekannte Tagfalter- wieder häufiger in Berlin und Brandenburg nachge- wiesen worden, westwärts sogar bis England, scheint ZITRONENFALTER arten, wie beispielsweise Kohlweißlingsarten, Zi- tronenfalter, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Großes aber nun wieder zu verschwinden. Insgesamt können wir dieser Gruppe sieben Arten zurechnen, was etwa (Gonepteryx rhamni) Ochsenauge, Kleiner Heufalter und Schachbrett – sechs Prozent der hiesigen Tagfalterfauna entspricht. insgesamt 28 Arten, also knapp ein Viertel der hei- Flügelspannweite (Fsw) 55–60 mm. In Euro mischen Tagfalter. Sie sind in geeigneten Lebensräu- (4) Arten mit starkem Rückgang und pa häufig und verbreitet. Auffälliger Vorfrüh men überall zu finden. Im Vergleich zu früher treten inzwischen oft nur noch einem bekannten lingsbote, der als einer der ersten Tagfalter jedoch auch sie vielfach schon lokaler auf und ihre Vorkommen in Brandenburg schon an sonnigen, milden Spätwintertagen Individuenzahl ist in den meisten Fällen deutlich ge- Die Bestände vieler Tagfalterarten, die in früheren fliegt. Lebt in lichten Wäldern und an Wald ringer als noch vor 50 oder mehr Jahren. Gefährdet Jahrzehnten noch weit verbreitet waren, sind wäh- rändern. Lebensdauer einschließlich der Über sind sie jedoch zum Glück nicht. rend der zurückliegenden 40 bis 50 Jahre regelrecht winterung durchschnittlich 10 Monate – e iner zusammengebrochen. Bekannte Ursachen sind die unserer langl ebigsten Falter. Überwintert in (2) Arten, die noch relativ verbreitet sind, Trockenlegung von Mooren („Komplexmeliorati- Bodenstreu und an niedrigen Sträuchern. Die aber nur noch auf lokal begrenzten Habitaten on“) und die allgemeine Grundwasserabsenkung, Raupen ernähren sich von Faulbaum- und vorkommen, vor allem auf extensiv genutzten die Intensivierung der Landwirtschaft mit einher- Kreuzdorn-Blättern. Mitte Juni schlüpft die trockenen oder feuchten Offenländern gehender Eutrophierung der Landschaft einschließ- neue Falter-Generation. In Brandenburg und (z. B. Heiden, Trassen, Röhrichte) oder an lich der atmosphärischen Stickstoffdeposition sowie Foto: Ingolf Rödel Berlin nicht gefährdet. Waldsäumen der großflächige Einsatz von Insektiziden. Beson- Auf begrenzten Arealen vergleichsweise häufig kom- ders verheerend wirkte sich diesbezüglich Anfang men noch Arten wie der Malven-Dickkopf vor, der der 1980er Jahre offenbar die „Nonnenbekämpfung“ 3 2 auch in der Gartenlandschaft anzutreffen ist. Außer- aus, aber auch der heutige Einsatz von Herbiziden DISTELFALTER SCHWALBENSCHWANZ dem gehören in diese Gruppe: Schwalbenschwanz, Baumweißling, Dukatenfalter, Kleiner Schillerfal- und Insektiziden lässt Arten schwinden. Hinzu kom- men die zunehmende Bebauung, die Aufgabe ex- (Vanessa cardui) (Papilio machaon) ter, Wachtelweizen-Scheckenfalter, Großer Perlmut- tensiver Mahdnutzung auf schwach entwässerten terfalter, Rostbraunes Ochsenauge und Rostbinde – Niedermooren und die Sukzession auf ehemaligen Fsw 52—59 mm. Regelmäßig und häufig auf Fsw 72–90 mm. In Europa nordwärts bis zum insgesamt sind es 32 Arten, also gut ein Viertel der Truppenübungsplätzen und Binnendünen sowie tretender Wanderfalter, nahezu weltweit ver Nordkap, in Großbritannien nur lokal vorkom Gesamtartenzahl. Alle diese Arten weisen in den ver- die immer stärker werdende Zerschneidung letzter breitet. Als einzige Großschmetterlingsart mend. A ktuell in Brandenburg und Berlin weit gangenen Jahrzehnten jedoch deutliche Rückgänge vorhandener Lebensräume. Einige wenige Arten wurden Distelfalter sogar auf Spitzbergen verbreitet, doch seine Bestände gehen deutlich auf, einige Arten müssen inzwischen zu den gefähr- konnten wir nach jahrzehntelangem Verschollen- nachgewiesen. In manchen Jahren erfolgen im zurück. Die Falter fliegen von Mitte April bis Ju deten Arten gerechnet werden. sein allerdings in jüngster Zeit auch wiederentde- Mai–Juni Masseneinflüge in Brandenburg und ni, die der 2. G eneration von Ende Juni bis Mitte cken. Zu dieser Gruppe müssen wir 21 Arten zäh- Berlin mit Massenvermehrungen im Sommer August. Falter bevorzugen bei der Nektarsuche (3) Wanderfalter und Arten, die ihr Verbrei- len – ca. 18 Prozent des Artenbestandes. Beispiele halbjahr. Die Raupen ernähren sich u. a. von Blüten von Disteln, Rot-Klee, Flieder, Nattern tungsgebiet zeitweilig bis nach Brandenburg sind die FFH-Arten Heller und Dunkler Wiesen Blättern der Distelarten, von Beifuß und Nat kopf und Sommerflieder. Die auffälligen grün- ausdehnen knopf-Ameisenbläuling und Thymian-Ameisen- ternkopf. Die Falter der 2. Generation können schwarz-roten Raupen leben auf Doldenge Diese Arten treten in Brandenburg und Berlin sehr bläuling sowie der Lilagold-Feuerfalter Lycaena bis Oktober bei uns beobachtet werden. Doch wächsen (Dill, Wilde Möhre, Gartenmöhre) und selten oder regelmäßig auf, sind hier aber nicht hippothoe, Großer Eisvogel, Mittlerer Perlmutter- weder als Falter, Raupe oder Puppe kann diese überwintern im Puppenstadium. In Branden dauerhaft heimisch. Sie können entweder in kei- falter, Hochmoor-Bläuling und Hochmoor-Sche- Art den mitteleuropäischen Winter überleben. Im Herbst erfolgt die Rück Foto: Wolfgang Ewert burg und Berlin derzeit nicht gefährdet. nem ihrer Entwicklungsstadien den mitteleuropä- ckenfalter, Großes Wiesenvögelchen, Baldrian-Sche- wanderung der Distelfalter in den Süden. Fotos: Ingolf Rödel ischen Winter überstehen oder ihre Populationen ckenfalter, Kleiner Waldportier oder Eisenfarbener naturmagazin 3/2016 naturmagazin 3/2016
8 TAGFALTER Titelthema TAGFALTER Titelthema 9 Samtfalter (Hipparchia statilinus). Für alle diese Ar- 4 ten müssen dringend Schutzmaßnahmen im Sinne einer Habitatverbesserung und der Habitatvernet- THYMIAN- zung ergriffen werden, um zunächst ein Ausster- AMEISENBLÄULING ben zu verhindern und mittelfristig eine Erholung der Bestände anzustreben. In manchen Fällen sind (Maculinea arion) dazu auch noch grundlegende Forschungen zu den Fsw 29–35 mm. Ein kleiner Tagfalter, der von Habitatansprüchen erforderlich. Auf jeden Fall Spanien ostwärts bis Sibirien verbreitet ist. In sind die für Brandenburg so typischen Sand-Tro- Europa hoch gefährdet (geschützt nach Anhang ckenrasen und Calluna-Heiden, extensiv genutzten IV der FFH-Richtlinie der EU); nur noch wenige Feuchtwiesen auf Niedermooren, Offenbereiche in stabile Vorkommen. Lebt in Brandenburg in k argen den oligotroph-sauren Mooren, lichte, nährstoffar- Kiefernwäldern mit Thymianvorkommen, letzte me und blütenpflanzenreiche Waldrandstrukturen Nachweise datierten von 1976. 2015 wurde die bzw. innere Waldsäume zu erhalten und durch ge- Art bei Brieskow-Finkenherd wiederentdeckt. Art zieltes Management zu fördern. Herbizid- und In- typische komplizierte Fortpflanzungsstrategie: Die sektizideinsätze in solchen Lebensräumen müssen Weibchen legen die Eier an die Knospen der Nah grundsätzlich unterbleiben. rungspflanzen (Thymian), von denen die Raupen fressen. Ältere, noch kleine Raupen s uchen den (5) Ausgestorbene oder verschollene Arten Boden auf und werden von Ameisen ihrer Wirtsart aktiv in deren Nester getra „Ausgestorben“ oder „verschollen“ sind Arten, die gen und dort bis zur Verpuppung gefüttert. Im Frühjahr verlassen die geschlüpf mindestens seit 20 bis 25 Jahren trotz Suche nicht ten Falter das Ameisennest. Die Art kann ihre Raupenentwicklung a ußerhalb des mehr nachgewiesen werden konnten, obwohl sie Nestes ihrer Wirtsameise nicht abschließen. Foto: PJC&Co, CC BY-SA 3.0 früher eine meist große Verbreitung aufwiesen. Die hohe Zahl von 21 Arten – ca. 18 Prozent der Arten – zeigt, wie sehr sich die Bedingungen aus den bereits 5 beschriebenen Gründen für die heimischen Schmet- GOLDENER terlinge in den vergangenen Jahrzehnten (seit etwa 1950) verschlechtert haben. Die verschwundenen SCHECKENFALTER Arten sind durchweg sehr anspruchsvoll hinsicht- (Euphydryas aurinia) lich ihrer besiedelten Habitate und oft sind ihre Raupen auf bestimmte Nahrungspflanzen ange- Fsw 33–45 mm. In Eurasien (fehlt in Norwegen wiesen. Die Arten waren an extensiv genutzte blü- und auf den Mittelmeerinseln) bis Südsibiri tenreiche Trockenrasen verschiedener Ausprägung en vertreten. War früher weit verbreitet, heu (einschließlich ausgedehnter kurzrasiger Sandthy- te bis auf wenige Restpopulationen ausge mianbestände), an nährstoffarme Mähwiesen (ins- storben. Einst in allen Regionen Brandenburgs besondere artenreiche Pfeifengraswiesen), an lich- nachgewiesen. 1983 letzte Beobachtungen te, luftfeuchte und ebenfalls blütenpflanzenreiche bei Erkner und Brandenburg/Havel. Feuchte, Wälder oder an saure Moore mit Moor-Heidelbee- nährstoffarme Mähwiesen mit Beständen des re gebunden. Beispiele sind Steppenheiden-Wür- Teufelsabbisses, der einzigen Raupennahrung fel-Dickkopffalter, Hochmoorgelbling, Himmel in Brandenburg, bildeten den Lebensraum der blauer Bläuling, Lungenenzian-Ameisenbläuling, Art. 2005 begann in Brandenburg die erfolg Blauschillernder Feuerfalter, Silberfleck-Perlmut- reiche Wiederansiedlung mit Faltern und Raupennestern aus Mecklenburg, terfalter, Goldener Scheckenfalter, die Schecken- u.a. im NSG Wernsdorfer See, NSG Löcknitztal und NSG Ruhlsdorfer Bruch. falter Melitaea britomartis und M. aurelia oder der Waldteufel. Zwei der hier genannten Arten (Golde- ner Scheckenfalter und Blauschillernder Feuerfal- (6) Arten mit aktueller Zunahme der Foto Kasten 5: Detlef Kolligs ter) konnten seit etwa zehn Jahren bislang erfolg- Häufigkeit und/oder der Verbreitung In Brandenburg noch reich wiederangesiedelt werden – nachdem durch Nur neun Arten – ca. sieben Prozent des Artenbe- weit verbreitet ist der O ckerbindige Sandfalter ein aktives Naturschutzmanagement auf Feuchtwie- standes – zeigen während der vergangenen 10 bis 20 (Hipparchia Semele). sen diese wieder in einen für die Arten nutzbaren Jahre deutliche Ausbreitungstendenzen und Häu- Foto: Ingolf Rödel Habitatzustand „überführt“ wurden. figkeitszunahmen, die auch in anderen Regionen naturmagazin 3/2016 naturmagazin 3/2016
10 TAGFALTER Titelthema TAGFALTER Titelthema 11 und der Große Fuchs. Wenige andere Arten profi- die Behörden oder zu Hinweisen zum Biotop- angrenzenden Regionen vorkommen, ist selbst tieren von den großräumigen Flächenstilllegungen management zusammengetragen. Damit konn- bei Vorhandensein geeigneter Habitatstruktu- seit Anfang der 1990er Jahre und besiedeln diese Flä- te der dringend notwendige Informationsfluss ren eine eigenständige Wiederbesiedlung we- chen nach einer Aushagerungsphase – beispielsweise hinsichtlich des Wissens der Entomologen zu nig wahrscheinlich. Deshalb sollten bisherige der Wegerich-Scheckenfalter, der bis etwa 1995 nur den Handlungsträgern deutlich verbessert wer- erste erfolgreiche Wiederansiedlungsprojekte noch wenige Populationen in Brandenburg aufwies, den („Wissenstransfer“). Diese Informationen von Schmetterlingen unter Beachtung gesetzli- jetzt aber wieder recht verbreitet auftritt. Der auf- wurden den Landkreisen zur Verfügung gestellt, cher Rahmenbedingungen fortgesetzt werden, fällige, wärmeliebende Segelfalter profitiert von der um sie in der praktischen Arbeit zu nutzen. Das soweit ein entsprechendes Habitatmanagement Entstehung der Braunkohlebergbau-Folgelandschaft wurde nach unseren Erfahrungen in den ver- langfristig gesichert ist. Ein erstes EU-LIFE-Pro- und wohl auch von dem für ihn günstigen Klima der schiedenen Landkreisen im Land Brandenburg jekt zur Wiederansiedlung des Goldenen Sche- vergangenen Jahre. Inzwischen wird er im Südosten recht unterschiedlich verwendet. Inzwischen ckenfalters wurde vor wenigen Jahren in Schles- Brandenburgs wieder verbreitet und regelmäßig ge- sind die Kenntnisse der Entomologen hinsicht- wig-Holstein bewilligt (www.life-aurinia.de). funden. Auffällig ist auch die Zunahme des noch lich Verbreitung und Lebensraumgefährdung um 1990 nur sehr lokal vorkommenden und Feucht- deutlich gestiegen. Daher sehen wir in einer • Langzeitmonitoring. – Eine wesentliche Grund- lebensräume bevorzugenden Großen Feuerfalters Aktualisierung des ehemaligen Projektes eine lage für zukünftige, fachlich begründete Ent- (FFH-Art). Seine Raupen haben ihr Nahrungsspekt- gute Chance für die Verbesserung des Wissen- scheidungen ist die dringend notwendige Fort- rum seit neuestem auf andere Ampferarten erweitert stransfers und damit die Möglichkeit, Habitat- führung der ehrenamtlichen kontinuierlichen und dadurch auch mesophile, eutrophe Standorte schutzmaßnahmen durch die entsprechenden Erfassung von faunistischen Daten. Jeder Inter- besiedelt, z. B. Pferdekoppeln. Aufgrund der klima- Behörden und die Naturschutzverbände sowie essierte ist hier aufgerufen, Daten zu melden. In tisch bedingten inzwischen verlängerten Vegetati- interessierte Bürger zu ergreifen. den nächsten Jahren wird es möglich sein, aktu- onsperiode bildet die Art regelmäßig zwei Genera- alisierte Verbreitungskarten der Schmetterlinge tionen aus (früher nur in Ausnahmefällen), was der • Durchführung von Sofortmaßnahmen zum Ha- für ganz Deutschland im Internet aufzurufen. Art weitere Vorteile bringt. Sie ist jetzt in der gesam- bitatschutz von besonders gefährdeten Arten. ten Osthälfte Deutschlands weit verbreitet und auch – Solche Maßnahmen beinhalten die Flächensi- Jörg Gelbrecht Hochmoor-Bläuling – Mitteleuropas beobachtet werden. Zum einen sind wieder im Berliner Stadtgebiet heimisch. cherung, den Schutz vor Einsatz von Pflanzen- (Plebeius optilete) es Arten, die in früheren Zeiten – zum Teil vor 50 schutzmitteln (Insektizide, Herbizide) und die Foto: Ingolf Rödel oder 100 Jahren – schon weit verbreitet waren, dann Wie können wir die Tagfalter in Brandenburg Durchführung von Biotopmanagementmaß- INFO aber immer seltener wurden und nun wieder deut- und Berlin schützen? nahmen in Zusammenarbeit mit Spezialisten lich zunehmen, ohne dass wir die Ursachen kennen. Der dramatische Rückgang der Artenvielfalt bei den mit dem Ziel die noch vorhandenen Popula- Beispiele hierfür sind der Kurzschwänzige Bläuling Schmetterlingen wurde bislang nur unzureichend tionen der besonders bedrohten Schmetter- SYSTEMATIK DER TAGFALTER dokumentiert und ist weder im Bewusstsein der Be- lingsarten zu stabilisieren und zu entwickeln. völkerung noch der zuständigen Behördenvertreter Solche Maßnahmen sind klassische Artenhilfs- BERLIN/BRANDENBURGS 6 angelangt. Um ihn zu stoppen – mehr als ein Drittel programme. Hier ist es ebenfalls essenziell, dass GROSSER FEUERFALTER der Arten sind bereits verschollen bzw. ausgestorben oder vom Aussterben bedroht – sind dringend fol- Flächeneigentümer und Nutzer (Forst, Land- wirtschaft) in solche Maßnahmen einbezogen Die Tagfalter von Brandenburg und Berlin gehören folgenden Gattungen an: Dickkopf-Falter (Hesperidae) mit 13 Arten, Ritterfalter (Papilionidae) (Lycaena dispar) gende Schritte notwendig: werden. Zeigen sich positive Entwicklungen, mit 2 Arten (Schwalbenschwanz und Segelfalter), Weißlinge (Pieridae) mit sollten mittel- bis langfristige Maßnahmen zum 13 Arten, zu denen unter anderen Kohl-Weißling, Zitronenfalter und Auro- Fsw 35–39 mm. In Europa und bis Sibirien ver • Fortsetzung des Projektes „Erfassung der Erhalt des Zustandes der Flächen einschließ- rafalter gehören, Bläulinge (Lycaenidae) mit 35 Arten, zu denen der häufige breitete Art, fehlt auf der Iberischen Halbin schmetterlingsbedeutsamen Lebensräume in lich von solchen für ein Biotopverbundverfah- blaugefärbte Hauhechel-Bläuling, der metallig-orangerot gefärbte Dukaten- sel, im Mittelmeerraum und Skandinavien. In Brandenburg“ aus den Jahren 2007–2009. – In ren eingeleitet werden. Schwerpunktmäßig ist Feuerfalter oder der eine grüne Unterseite aufweisende Brombeer-Zipfelfalter England ausgestorben. Geschützt nach euro diesem Projekt zwischen dem damaligen Lan- es notwendig, Offenflächen auf nährstoffarmen gehören, und schließlich die Edelfalter (Nymphalidae) mit 54 Arten. Hierzu päischem Recht (FFH-Richtlinie). Die Raupen desamt für Umwelt und Verbraucherschutz und Mooren, nährstoffarmen Mähwiesen, Heiden, zählen viele allgemein bekannte Arten wie Tag-Pfauenauge, Admiral, Distel- ernähren sich von Ampfer-Arten (Fluss- und dem LFA Entomologie im NABU Brandenburg Sandtrockenrasen sowie Magerrasen beson- falter, Großer und Kleiner Schillerfalter, Kaisermantel, Kleiner Perlmutter- Wasser-Ampfer). Der Große Feuerfalter galt zu wurden von den Schmetterlingsforschern die ders im Odertal und der Uckermark zu erhal- falter und verschiedene, oft schwer unterscheidbare Scheckenfalter sowie der Beginn der 1990er Jahre in Brandenburg und Vorkommen von Schmetterlingen der Roten ten. Auch sollte dringend geprüft werden, wie in häufige Kleine Heufalter oder das Schachbrett. Der Schlüsselblumen-Würfel- Berlin als stark gefährdet. Seit 1995–2000 ist Liste (vom Aussterben bedrohte oder stark ge- der besonders reichhaltigen Bergbaufolgeland- falter als letzte Art gehört zu den Würfelfaltern (Erycinidae) und ist in Bran- vor allem im östlichen Brandenburg eine deutli fährdete Arten) sowie geschützte Arten flächen- schaft der Lausitz langfristig extensiv oder nicht denburg mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgestorben. che Zunahme dieser Art zu beobachten. Aktuell scharf auf topografischen Karten eingezeichnet, genutzte Offenländer erhalten werden können. ist sie hier lokal häufig vertreten und gilt heute die dann digitalisiert wurden. Zusätzlich wur- Foto: Ingolf Rödel als kaum gefährdet. den in Tabellen Informationen zum Arteninven- • Wiederansiedlungsprojekte. – Da inzwischen tar, zu einem fachlichen Ansprechpartner für viele Arten nicht mehr in Brandenburg und in naturmagazin 3/2016 naturmagazin 3/2016
12 TAGFALTER Titelthema TAGFALTER Titelthema 13 „FRÜHER GAB ES MEHR Der Schornsteinfeger (Aphantopus hyperantus) ist eine weit verbreitete und häufige Art, die vor allem entlang von Heckenstruk SCHMETTERLINGE“ turen auftritt. Das Tagpfauenauge (Inachis io) ist eine der häu figsten und am w eitesten v erbreiteten Arten Deutsch lands und ist ein echter LANGZEITSTUDIE UNTERSUCHT ENTWICKLUNG Generalist. Der Kleine Fuchs (Aglais VON TAGFALTERN UND WIDDERCHEN u rticae) hat ähnliche A nsprüche an seinen Lebensraum wie das Tag pfauenauge, ist aber nicht Eine Langzeitstudie im Raum Regensburg hat den Artenverlust von Tagfaltern und Widderchen sowie die Wissenschaftler waren somit in der Lage, Verände- kompensiert wird. Als Folge des Bewirtschaftungs- so häufig wie dieses. Veränderung der gesamten Schmetterlings-Artengemeinschaft über einen Zeitraum von rund z weihundert rungen der Artengemeinschaften mit abiotischen wandels verschwanden schütter bewachsene Berei- Veränderungen – wie Niederschlagsmengen und che mit Rohbodenstellen und in der Folge die auf Jahren belegt. Besonders prekär: Viele der Untersuchungsflächen befinden sich in bereits seit langem Temperatur – in Verbindung zu setzen und zwischen diese Habitate spezialisierten Arten, beispielswei- ausgewiesenen Naturschutzgebieten. globalen und regionalen Effekten – wie Klimaverän- se das Kleine Ochsenauge oder die Berghexe – sie D derung oder Stickstoffdeposition – und lokalen Ef- wurden zuletzt in den ersten drei Dekaden des 20. as Verschwinden von vielen Arten unter- fekten – wie Verbuschung und Habitatverinselung – Jahrhunderts beobachtet. Ein späteres Zuwachsen schiedlicher Artengruppen, seien es Vögel, zu differenzieren. Orte der Erfassung waren mehrere der Kalkfelsen führte zum Verschwinden weiterer Amphibien, Reptilien, Blütenpflanzen oder Magerrasenstandorte bei Regensburg, die bereits seit Arten, deren Raupen speziell in diesen Bereichen eben Schmetterlinge aus unserer Landschaft wird längerer Zeit als Naturschutzgebiet unter Schutz ste- heranwachsen: beispielsweise der Rote Apollo, der seit vielen Jahren beobachtet. Langzeitbeobachtun- hen und durch Pflegemaßnahmen erhalten werden. nach den 1980er Jahren dort nicht mehr beobachtet gen bieten die einzige objektive Möglichkeit, die- wurde. Die weitere Verbuschung, Versaumung, Ver- sen Rückgang quantitativ wie qualitativ zu belegen. Die Ergebnisse kleinerung und Isolation der restlichen Kalkmager- Solche Datenreihen, die über viele Dekaden hinweg Seit 1840 hat die Gesamtartenzahl der Tagfalter und rasen ließ weitere Arten erlöschen. Mit dem Regens- am gleichen Standort für die gleiche Artengruppe Widderchen auf den untersuchten Flächen bis heute burger Gelbling verschwand eine östliche Steppenart und möglichst mit ähnlicher Methode erhoben wur- deutlich abgenommen: Von einst ca. 130 Arten wur- zunächst aus dem Untersuchungsgebiet und mittler- den, sind jedoch äußerst selten. Naturkundemuseen den bei den jüngsten Erhebungen nur 71 wiederge- weile aus Deutschland. Als dringliches Warnsignal und alte Aufzeichnungen können hierfür wertvolle funden. Der Rückgang betrifft allerdings nicht alle muss angesehen werden, dass im laufenden Jahr- Grundlagen liefern, wie eine Studie an Tagfaltern Arten gleichermaßen: Solche mit geringen ökologi- zehnt noch keine Nachweise des Krainer Widder- und Widderchen aus der Region um Regensburg schen Lebensraumansprüchen, wie beispielsweise chens vorliegen; diese Art tritt auf Kalkmagerrasen zeigt. Unlängst wurde sie von Habel und Kollegen Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Großes Ochsenauge, normalerweise in großen Dichten auf. im Fachblatt Conservation Biology publiziert. Schornsteinfeger oder der Rotkolbige Braundick- kopf, blieben über die gesamte Zeit hinweg stabil. Die Kalkmagerrasen-Spezialisten, die bis heute im Die Studie Klare Verlierer sind hingegen die Habitatspezialis- Gebiet überlebt haben, wie der Himmelblaue Bläu- In der „Regensburger Studie“ wurde die Zusammen- ten, also diejenigen Arten, die sehr spezifische öko- ling oder der Silbergrüne Bläuling, kommen auf den setzung der Schmetterlings-Artengemeinschaften logische Ansprüche stellen. Geradezu dramatisch verbliebenen kleineren Habitatflächen oft in großen über einen Zeitraum von fast zweihundert Jahren sind die Rückgänge bei typischen Trockenrasenarten Populationen vor, sodass sie bisher noch dem Aus- rekonstruiert – beginnend also noch vor der Indus – obwohl gerade diese in den untersuchten Habita- sterben entgangen sind. trialisierung und sämtlicher agrarischer Revolutionen ten eigentlich beste Überlebenschancen haben soll- bis hin zur Gegenwart. Ausgewertet wurden die sel- ten. Doch die Hälfte der dort einst vorgekommenen Gefährdete Arten besonders bedroht tenen Daten von Wissenschaftlern der Technischen Arten ist inzwischen verschwunden. Noch dramatischer als bei den typischen Kalkmager- Universität München, der Zoologischen Staats- rasenarten vollzieht sich der Rückgang im Untersu- sammlung München, des Senckenberg Deutschen Wandel mit Folgen chungsgebiet bei den Arten, die aktuell auf der Ro- Entomologischen Instituts in Müncheberg und der Maßgeblich für das Verschwinden vieler Trockenra- ten Liste stehen. Im Vergleich zum 19. Jahrhundert Universität Torun in Polen. Geradezu ein Glücksfall senarten dürfte auf den Untersuchungsflächen der sind von dieser Gruppe mittlerweile etwa 60 Prozent war für sie, dass Regensburg außerdem über eine der Rückgang der Schafbeweidung sein, die durch die ak- verschollen. Generell beobachten wir deshalb, dass ältesten Wetteraufzeichnungen weltweit verfügt. Die tuellen Naturschutzmaßnahmen nicht gleichwertig der Anteil der Generalisten an der Gesamtartenzahl naturmagazin 3/2016 naturmagazin 3/2016
14 TAGFALTER Titelthema TAGFALTER Titelthema 15 Der Silbergrüne Bläuling Der Hochmoorgelbling (Polyommatus coridon) ist (Colias palaeno) ist ein eine der Charakterarten von Spezialist für Hochmoore. Kalkmagerrasen. Früher, als solche Habitate im Umfeld des Untersu Das Kleine Ochsenauge chungsgebietes vorhanden (Hyponephele lycaon) waren, wurde er als „Gast“ braucht besonders magere auf den Trockenhängen und vegetationsarme gelegentlich angetroffen. Lebensräume und ist seit über 100 Jahren im Untersu Der Kurzschwänzige chungsgebiet ausgestorben. Bläuling (Cupido argiades) war einige Jahrzehnte im Untersuchungsgebiet nicht nachgewiesen, tritt dort jedoch seit einigen Jahren wieder auf. deutlich zunimmt, was durch den dramatischen Ver- sie Nahrung bereithält – sie verhungern. Beispiele des bestehenden Schutzgebietsnetzwerkes zumindest – über eher relativ kurze Zeiträume betrachtet. So- lust an Spezialisten begründet ist. Die bisherigen Be- dieser Klimaverlierer könnten der letztmals in den für Tagfalter kritisch hinterfragen. mit bestimmt jeder Beobachter für seine Generati- mühungen, die Artenvielfalt in diesen hochgradig 1980er Jahren beobachtete Weißbindige Mohrenfal- on entsprechend eine „neue“ Ausgangssituation, die schutzwürdigen und schutzbedürftigen Habitaten zu ter oder der in diesem Jahrzehnt noch nicht nach- Nicht alle verlieren von Generation zu Generation individuell und somit erhalten, kann daher nur als gescheitert betrachtet gewiesene Dukatenfalter sein. Diese Arten ziehen Neben zahlreichen Verlierern gibt es auch einige subjektiv verschoben wird. Langzeitbeobachtungen werden. Das, was eigentlich geschützt werden sollte, sich inzwischen verstärkt in die höheren Mittelge- wenige Arten, die nach lokaler Auslöschung selbst sind daher umso wichtiger, um Trends objektiv und ist weitgehend verschwunden. Das, was wir eigent- birgslagen zurück, wo es auch heute noch kältere nach einigen Dekaden plötzlich wieder auftreten, unabhängig von subjektiver, generationsgebunde- lich überall sonst auch finden, hat überlebt. und trockenere Winter gibt. Auch der Große Eis- wie der Kurzschwänzige Bläuling, der eventuell vom ner Wahrnehmung zu beschreiben und zu bewer- vogel, überall in Deutschland dramatisch im Rück- extrem warmen Sommer 2003 profitierte, oder der ten. Besonders hervorzuheben ist aber, dass sich Gründe des Artensterbens zug, könnte zu den Klimaverlierern gehören. Für Wandergelbling, der vielleicht als Folge der Klimaer- das Verschwinden der untersuchten Arten stark be- Die Gründe für das Aussterben der Spezialisten sind ihn führten aber auch Veränderungen in der Forst- wärmung immer öfter und zahlreicher Deutschland schleunigt zu haben scheint: Während des 19. Jahr- vielfältig und nicht ausschließlich durch die Verän- wirtschaft, hin zu dunklen Fichtenschlägen und weg im Frühjahr erreicht oder gelegentlich sogar vor hunderts verschwand von ihnen lediglich eine dau- derungen in den Naturschutzgebieten zu begrün- von sonnigen Laubwäldern mit reichen Randstruk- Ort an klimatisch begünstigten Stellen den Winter erhaft, bis Ende der 1970er Jahre waren es immerhin den. So kamen zum Beispiel noch im 19. Jahrhun- turen, zu erheblichen Lebensraumverlusten. Aber übersteht. Auch der Malvendickkopf tritt nach ei- schon zwölf. Dann machte der Artenrückgang einen dert zwei Moorarten – der Große Heufalter und der auch Stickstoffemissionen spielen eine große Rolle ner „Pause“ in der Mitte des vorigen Jahrhunderts Sprung: In den sich anschließenden Dekaden erlo- Hochmoorgelbling – gelegentlich auf den Trocken- beim Artensterben: Sie bewirken ein zunehmendes nun wieder auf; vielleicht sind die Temperaturen im schen jeweils weitere zehn bis elf Arten. Den Rekord hängen vor. Dorthin flogen sie aus ihren eigentlichen Pflanzenwachstum und sorgen für eine verstärkte Donautal schon so hoch, dass er auch dort, ähnlich stellt jedoch unser aktuelles Jahrzehnt mit erschre- Habitaten, den Moorbereichen in der Donauniede- Verschattung einst sonniger Larvallebensräume. Auf wie in Südeuropa, zu einer eher generalistischen Art ckenden 26 Arten auf, die nun nicht mehr gesich- rung, ein. Als diese Lebensräume jedoch vernichtet diese Weise können sich die Lebensbedingen für et- wird. Ebenfalls nach einer Periode ohne Nachwei- tet werden. wurden, fielen die Arten auch als Gäste auf den Tro- liche an Wärme und Trockenheit angepasste Arten se im gleichen Zeitfenster wird der Mattscheckige ckenhängen aus. Die in der Nachkriegszeit einset- – trotz generellem Temperaturanstieg – gerade für Dickkopf wiedergefunden. Da diese Art oft in ver- Die dargelegten Daten untermauern objektiv und zende radikale Umgestaltung vormals blütenreicher sie deutlich verschlechtern. saumten Bereichen angetroffen wird, könnte er sogar über einen Zeitraum von fast 200 Jahren den häufig und mäßig feuchter Mähwiesen zu Intensivgrünland, von dieser für die meisten anderen Arten nachteili- geäußerten Satz: „Früher gab es mehr Schmetter- Äckern oder Siedlungsraum führte für etliche Arten Neben diesen abiotischen Veränderungen (Klima, gen Habitatentwicklung profitieren. linge“. Und sie verschwinden immer schneller – so- zu einem Wegfall wichtiger Habitate, ihre Vernet- Stickstoff) spielen auch Landschaftsveränderungen gar in Schutzgebieten, die eigens zum Schutz genau zung ging verloren. Kleinere Satellitenpopulationen, eine große Rolle: Stochastische Prozesse, also das lo- Gab es früher mehr Schmetterlinge? dieser Arten angelegt wurden. Dies alles sollte uns die früher auf den Kalkhängen existierten, konnten kale Aussterben von Arten, können zur Ausdünnung Welche Arten auf einer Fläche vorkommen und wie besonders alarmieren! sich nicht mehr halten. Ein Beispiel hierfür dürfte von Arten in unserer Landschaft führen. Das betrifft diese sich dort entwickeln, ist von vielfältigen, eng der letztmals in den 1980er Jahren beobachtete Lila besonders jene, die spezifische Lebensraumansprü- miteinander verwobenen und komplexen Faktoren Jan Christian Habel, Andreas Segerer & Goldfalter sein. Auch die im Verlauf des Klimawan- che stellen und nur ein geringes Ausbreitungspoten- abhängig. Doch gab es früher denn nun wirklich Thomas Schmitt dels zunehmende Atlantisierung des Klimas dürf- zial haben, was auch die Analyse der Regensburger mehr Schmetterlinge als heute? Ja, dies bestätigt die te für viele Arten von großer Bedeutung sein. Die Datenreihe bestätigt. Diese Tatsache ist besonders Regensburger Zeitreihe; ähnliche Daten liegen aber Fotos: Ingolf Rödel zunehmend wärmer und nasser werdenden Winter alarmierend, da offensichtlich selbst auf geschützten auch für andere Regionen Deutschlands vor, bei- können bewirken, dass den Raupen eine schützen- Flächen (FFH-Gebieten, Naturschutzgebieten) trotz spielsweise für das Gebiet der Stadt Düsseldorf, den Weitere Informationen: de Schneedecke fehlt, auch werden sie vermehrt von Schutz und Management über lange Zeiträume hin- Raum Trier oder den Mainzer Sand. Meist werden Im Original ist die Studie unter http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ Pilzen befallen. Zudem können die Raupen in mil- weg seltene Arten nicht erhalten werden können. So- potenzielle Trends in Artengemeinschaften aber – cobi.12656/full erhältlich. den Wintern schon aktiv werden, bevor die Natur für mit müssen wir vor diesem Hintergrund die Effizienz bedingt durch unsere eigene begrenzte Lebensdauer naturmagazin 3/2016 naturmagazin 3/2016
16 TAGFALTER Titelthema TAGFALTER Titelthema 17 EDELSTEINE UND ELFEN ERFREUEN AUCH LANDWIRTE ABGESTIMMTE BEWIRTSCHAFTUNG E RMÖGLICHT SCHMETTERLINGSSCHUTZ des Schafszuchtverbandes, Knut Kucznik, der um Altlandsberg im Landkreis Märkisch-Oderland ca. stark bedrohten Art leistet. Und genau das erfüllt ihn auch mit Freude und Stolz. Der Vorsitzende des Schafzuchtverbandes, Knut Kucznik, plädiert für eine 200 Hektar Grünlandflächen mit seinen Schafher- enge Partnerschaft von Schmetterlinge gelten bei vielen Völkern dieser Welt als Edelsteine bzw. sogar als Elfen unter den Tieren. Besonders den und inzwischen auch mit Wasserbüffeln bewirt- Die Rinder von Bauer Lampe Landwirten und Natur schützern. schön drückt dies eine Legende der nordamerikanischen Ureinwohner aus: Als die Welt noch jung war, wollte der schaftet. Auf seinem, zum Teil sehr nassen, Moor- Etwa zehn Kilometer südlich von Eberswalde bewirt- grünland befinden sich europaweit die nördlichsten schaftet Bauer Lampe aus Trampe ca. 250 Hektar eines Mutterkühe der Robustrasse Schöpfer eines Tages etwas besonders Schönes erschaffen. Also sammelte er die prächtigsten Farben und steckte sie Vorkommen der beiden in Deutschland und in ganz ehemaligen Truppenübungsplatzes mit einer Herde „Uckermärker“ des in einen Sack: Das Blau des Himmels und das Grün der Bäume, das Gelb der Sonne und das Rot, Orange und Violett Europa stark bedrohten Ameisen-Wiesenknopfbläu- von Mutterkühen, insgesamt ca. 250 Rinder. Auch dort Landwirtschaftsbetriebes Lampe bei der Landschafts der Blumen. Und als er den Sack wieder öffnete, flatterten Hunderte von leuchtenden bunten Gestalten heraus: Die linge Maculinea nausithous und M. teleius. Zum Er- erfolgt eine enge Abstimmung zwischen dem Land- pflege im FFH-Gebiet Schmetterlinge hatten ihren ersten spektakulären Auftritt. halt dieser beiden stark spezialisierten Arten ist es wirtschaftsbetrieb und den betreuenden Schmetter- Trampe. äußerst wichtig, dass ihre Raupen-Nahrungspflan- lingsforschern bezüglich des Beweidungsregimes. Fotos: Hartmut Kretschmer S ze, der Große Wiesenknopf, nicht dem Konkurrenz- Besonders wertvolle Flächen werden im Frühjahr Wasserbüffel von Schäfer chmetterlinge lassen auch viele Landwirte einen guten bis sehr guten Zustand versetzt werden. druck durch zu starken Gras- oder Schilfaufwuchs ausgezäunt, während andere Flächen, auf denen sich Kucznik auf sehr arten nicht gleichgültig – selbst dann nicht, wenn Im Folgenden soll anhand zweier Beispiele gezeigt unterliegt. Die Konkurrenten müssen daher bereits starker Aufwuchs befindet oder sich unerwünschte, reichen Nasswiesen bei Altlandsberg. sie, vorgegeben durch verfehlte EU-Agrarpoli- werden, wie Landwirte auch unter den aktuellen För- im April/Mai abgeweidet oder gemäht werden. Zwi- neu eingewanderte Pflanzen – wie die Goldrute – an- tik, große landwirtschaftliche Flächen oft so bewirt- derbedingungen so wirtschaften können, dass davon schen Anfang Juni und Ende August werden die Flä- gesiedelt haben, schon sehr zeitig beweidet werden. schaften müssen, dass Tagfalter dort kaum noch Le- auch Schmetterlinge profitieren. chen geschont, da die empfindlichen Bläulinge dann Besonders wertvolle Biotope – z. B. mit Orchideen bensräume finden. Doch zunehmend gibt es gerade viele Nektarblüten brauchen und ihre Raupen in den oder Lebensräume für den wunderschönen Großen auch in Brandenburg eine immer besser werdende Schäfer Kucznik und seine Blütenständen des Wiesenknopfes fressen. Erst im Feuerfalter, den Violetten Feuerfalter und viele an- Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Schmet- Ameisen-Wiesenknopfbläulinge September, wenn die Räupchen bereits die Wie- dere Insektenarten – werden nur kurzzeitig durch terlingsforschern (Entomologen). Die meisten Tag- Schäfer bewirtschaften mit ihren Tieren in der Re- senknöpfe zur Überwinterung in Ameisennestern Schnellumtriebsweiden im Spätsommer genutzt. Die falterarten benötigen ungedüngte, extensiv bewirt- gel Grünland, das weder gedüngt noch mit Pflan- am Boden verlassen haben, werden die Schafe und hochsensiblen Räupchen dieser Arten werden auf die- schaftete, bunt blühende Wiesen mit einer Vielzahl zenschutzmitteln behandelt wird. Dadurch gehören Wasserbüffel zur Spätweide erneut auf die Flächen se Weise geschont. Denn gänzlich verzichtet werden von Pflanzenarten zum Leben. Dank guter Vertrags- Schafweiden für den Naturschutz zu den wertvollsten geschickt. Für diese sehr schmetterlingsfreundliche, kann auf eine Beweidung auch nicht, die Flächen wä- naturschutz-Programme sowie einiger Kulturland- Flächen überhaupt. In den zurückliegenden Jahren aber auch eingeschränkte Form der Bewirtschaftung ren inzwischen längst durch Gehölze zugewachsen. schaftsprogramme (KULAP) konnten in Branden- konnten einige Schäfer gewonnen werden, um be- bekommt der Landwirt Geld aus dem Vertragsnatur- burg während der zurückliegenden zwanzig Jahre stimmte vom Aussterben bedrohte Schmetterlingsar- schutz. So tragen die kleinen blau-braunen „Flieger“, Gemeinsam erfolgreich viele der wertvollsten Feuchtwiesen und Trocken- ten durch spezielle Bewirtschaftungsformen zu för- wie Kucznik sie liebevoll nennt, auch nicht unerheb- Die dargestellten Beispiele verdeutlichen, wie wich- rasen zum Schutz vieler bedrohter Arten wieder in dern. Das gilt beispielhaft auch für den Vorsitzenden lich zu seiner Einkommenssicherung bei. Darüber tig gerade die enge Zusammenarbeit zwischen Land- hinaus hat Kucznik längst sein Herz für die bedroh- wirten und Naturschützern für den Artenschutz ist. ten Schätze auf seinen Wiesen entdeckt. Mit „Du, Die hier genannten Landwirte stehen dabei nur als ich habe wieder eine neue Stelle mit Wiesenknöp- Beispiele für die zunehmende Zahl ihrer Berufskol- fen entdeckt und den Bereich gleich mal ausgekop- legen, die begriffen haben, wie wichtig ihre Arbeit pelt“, ruft er ab und zu bei seinem entomologischen nicht nur für die Einkommenssicherung im länd- Flächenbetreuer an. Wenn der Schäfer seine Wiesen lichen Raum ist, sondern auch für den Erhalt einer durchstreift und die zunehmende Zahl der grazilen artenreichen und schönen Natur in Brandenburg – und anmutigen Falter sieht, weiß er, dass er mit der und an der erfreuen wir uns letztlich alle. speziellen Bewirtschaftung der Moorwiesen einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt dieser europaweit Hartmut Kretschmer und Gabriela Michalski naturmagazin 3/2016 naturmagazin 3/2016
18 TAGFALTER Titelthema TAGFALTER Titelthema 19 EIN GARTEN FÜR SCHMETTERLINGE NATURGÄRTEN HALTEN EIN GANZJÄHRIGES N EKTARANGEBOT BEREIT Schmetterlinge tanzen geruhsam über Wiesen dahin ... so erträumen wir uns wohl den Sommer. Als hätte die Natur selbstvergessen gespielt, hat sie diese geflügelten Wesen überreich mit Farben und Mustern geschmückt. Auro rafalter, Landkärtchen, Ochsenauge, Schachbrett, und wie sie alle heißen. Schon die alten Griechen ließen sich von ihnen bezaubern und betrachteten Schmetterlinge als Sinnbild der Seele. Gewächse. Wer in seinem Garten daran etwas än- dern möchte, sollte schon jetzt an die nächste Som- mersaison denken: Entsprechend der Lage, Größe Blütenpracht von Frühjahr bis Herbst Nahrung, Rastplatz sowie Schutz vor Regen, Wind Die Nachtkerze entfaltet und Bodenbeschaffenheit des Gartens lassen sich un- Pflanzen Sie so, dass vom zeitigen Frühjahr bis zum und Kälte. So leben die Raupen des Zitronenfalters ihren Duft in der Dämme rung – Nachtfalter wissen terschiedliche Biotope realisieren. Etwa eine Stauden- späten Herbst immer etwas blüht, damit die Schmet- auf Kreuzdorn oder Faulbaum, die des Baumweiß- es zu schätzen. rabatte, ein duftendes Kräuterbeet oder eine Hecke terlinge jederzeit ausreichend mit Nektar versorgt lings auf Apfel, Schlehe oder Weißdorn, und die Rau- mit Wildsträuchern. Wer einen Teil seines englischen sind. Im Frühling liefern Blaustern, Schlüsselblu- pen des Großen Schillerfalters werden auf der Grau- Disteln sind zwar äußerst stachelig, an geeigneter Rasens in eine bunte Schmetterlingswiese umwan- me und Margerite flüssige Nahrung, im Herbst Pur- weide satt. Neunzig Prozent der Blätter exotischer Stelle können sie aber auch deln möchte, muss allerdings zuerst den Nährstoff- pur-Fetthenne oder Neubelgische Aster. Über acht- Pflanzen bleiben unangetastet, weil sie für Raupen im Garten dekorativ und für gehalt des Bodens senken, da die meisten Wildblu- zig Prozent unserer Schmetterlinge sind nachtaktiv. ungenießbar sind. Tagfalter Nahrungsquelle sein. men auf mageren Böden gedeihen. Am besten tragen Manche Pflanzen entfalten erst in der Dämmerung Sie dazu die vorhandene Grasnarbe teilweise ab. An ihr volles Aroma und ziehen Nachtfalter an. Auf un- Überwinterungsplätze bereit halten Fotos: Christof Ehrentraut den freigelegten Stellen wird der Boden umgebro- sichtbaren Duftstraßen finden sie mit traumwand- Schmetterlingsschutz im Garten heißt, auch im Win- chen, durch Sandbeimischung abgemagert und mit lerischer Sicherheit ihre Nektarquellen. Zu den ter an die Falter zu denken. Einige überdauern die einer im Fachhandel erhältlichen Blumenwiesenmi- Nachtfalter-Pflanzen zählen Geißblatt, Nachtkerze, kalte Jahreszeit als Puppe an einem Zweig oder Blatt. schung eingesät. Nachtlichtnelke und das Nickende Leimkraut. Harken Sie nicht sämtliches Falllaub weg und lassen Reisighaufen liegen. Hier könnten Puppen überwin- Heimische Wildblumen pflanzen Auch an Raupen-Futterpflanzen denken tern, manchmal sogar ein Schmetterling. Der Zitro- Kartäusernelke, Taubenskabiose, Tüpfeljohannis- Ein reichhaltiges Nektarangebot lockt zwar Schmet- nenfalter ist so ein Überlebenskünster. Bis zu minus kraut, Wilder Majoran und andere heimische Wild- terlinge in den Garten, doch sie bleiben nur Gäste, zwanzig Grad übersteht er. Ein Frostschutzmittel in blumen locken mit ihren Farben und Düften Schmet- wenn wir uns nicht gleichzeitig auch um ihre Raupen seinem Blut bewahrt ihn vor dem Erfrieren. Tag- terlinge an. Wie Marionetten an unsichtbaren Fäden kümmern. Vergessen wir nicht: Ohne Raupen keine pfauenauge und Kleiner Fuchs dagegen vertragen tanzen sie von Blüte zu Blüte, saugen durch ihren aus- Schmetterlinge! Im Gegensatz zu den Faltern inter- keinen Frost. Diese Schmetterlinge suchen sich ein gestülpten Rüssel Nektar und betätigen sich so ganz essieren sie sich nicht für Nektar, sondern haben es geschütztes Plätzchen in Geräteschuppen oder auf nebenbei als Bestäuber. Wer sich nicht nur auf seine auf Blätter einheimischer Pflanzen abgesehen. Wäh- Dachböden. Wenn sie im Frühling aus ihrer Kälte Pflanzen verlassen möchte, kann Schmetterlinge zu- rend der Schmetterling eine Vielzahl unterschiedli- starre erwachen, geht es wieder hinaus. Dann müs- sätzlich durch Kunstnahrung anlocken. Bewährt hat cher Nektarquellen aufsucht, ist seine Raupe in Be- sen entsprechende Fenster und Dachluken wenigs- sich ein „Schmetterlingscocktail“ aus Honig, Zucker zug auf ihre Futterpflanze schon wählerischer. So lebt tens einen Spalt weit geöffnet sein. Die schönen und einer Prise Salz - alles in Wasser gelöst. Schmet- die Raupe des Schwalbenschwanzes auf der Wilden Admirale machen es wie die Zugvögel. Wenn der terlingsfreunde müssen auch nicht gänzlich auf exo- Möhre oder der Petersilie, Raupen von Schachbrett Herbst naht, fliegen sie in den Süden, einige sogar tische Pflanzen verzichten. Wichtig ist nur, dass die und Ochsenauge ernähren sich von Gräsern, und die bis nach Nordafrika. Doch bevor es losgeht, sitzen U Blüten nicht gefüllt sind, damit die zarten Insekten Larve des Mittleren Weinschwärmers hat sogar eine sie noch gern auf Fallobst im Garten und saugen den Lavendel ist bei Tagfaltern, nser Sommerbild finden wir heute nicht leichten Zugang zum Nektar haben. Eine besonders exotische Futterpflanze auf ihrem Speisezettel: Sie süßen Fruchtsaft. Hoffentlich bekommen sie keinen Bienen und Hummeln sehr mehr so oft. Über sechzig Prozent der Fal- ergiebige Nektartankstelle ist der Sommerflieder. Er frisst auch die Blätter der Fuchsie. Lassen Sie kleine- Schwips von den leicht gärenden Äpfeln, Birnen oder beliebt. ter stehen auf der Roten Liste. Lebens- zieht unsere Falter magisch an. An manchen warmen re Stellen im Garten verwildern. Auf Brennnesseln, Pflaumen: Sie müssen ja auf ihrem langen, beschwer- raumzerstörung und Gifteinsatz machen ihnen den Tagen sind seine Blütenstände dicht mit Schmetter- Disteln und anderen „Unkräutern“ fühlen sich die lichen Weg gut Kurs halten. Garaus. Auch in vielen Gärten finden die farben- lingen besetzt. Dann können wir Tagpfauenauge, Raupen vom Kleinen Fuchs, Tagpfauenauge, Admi- prächtigen Insekten keine Nahrung mehr. Statt hei- Kleinen Fuchs oder Admiral ganz aus der Nähe er- ral, C-Falter, Distelfalter und Landkärtchen wie im Thomas Schmidt mischer Blumen, Gräser, Sträucher und Bäume do- leben. Weitere exotische Nektarspender sind Blaukis- Schlaraffenland. Besonders wichtig für unsere Fal- Autor zahlreicher Naturführer und Naturfotograf minieren langweiliger Einheitsrasen und exotische sen, Kapuzinerkresse, Phlox und Zinnie. ter sind heimische Sträucher und Bäume. Sie bieten (www.ts-naturfoto.de) naturmagazin 3/2016 naturmagazin 3/2016
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