Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter

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Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
26. Tätigkeitsbericht 2018/19
Eidgenössischer Datenschutz- und
Öffentlichkeitsbeauftragter
Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
Tätigkeitsbericht 2018/2019
des Eidgenössischen Datenschutz- und
Öffentlichkeitsbeauftragten
Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte
hat der Bundesversammlung periodisch einen Bericht über seine Tätigkeit
vorzulegen (Art. 30 DSG).
Der vorliegende Bericht deckt den Zeitraum zwischen 1. April 2018
und 31. März 2019 ab.
Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
Eidgenössischer   Datenschutz-   und   Öffentlichkeitsbeauftragter
Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
Vorwort

                                   Die Schweiz belegt in den Rankings zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit des
                                   World Economic Forum und des World Competitiveness Center vorderste
                                   Ränge. Damit unser Land seine Position behaupten kann, formuliert der Bun-
                                   desrat Strategien und Aktionspläne, welche die Digitalisierung von Wirtschaft
                                   und Staat voranbringen sollen.
                                       Aber auch der Datenschutz bietet Chancen für den Innovationsstandort
                                   Schweiz. Mit technischen Neuheiten, welche den Schutz der Privatsphäre und
                                   die digitale Selbstbestimmung der Menschen sicherstellen, lassen sich eben-
                                   falls Punkte sammeln.
                                       Im Wettlauf der Innovation sollten wir indessen nicht vergessen, die beste-
                                   henden Standortvorteile zu bewahren: Dank einer weitsichtigen Leistung des
                                   Gesetzgebers erhielt die Eidgenossenschaft 1992 – vor bald dreissig Jahren
                                  – ein international anerkanntes Datenschutzgesetz, das es der Schweizer
                                   Wirtschaft bis heute ermöglicht, mit den Unternehmen wichtiger Handels-
                                   nationen ohne weitere gesetzliche Auflagen und Restriktionen Daten
                                   auszutauschen.
                                       Daten sind ein begehrtes Gut, und die Digitalisierung wirkt sich tiefgreifend
                                   auf die Privatsphäre der weltweit rund vier Milliarden Internetnutzer aus.
                                   Angesichts dieser Realität haben die Staaten des Europäischen Wirtschafts-
                                   raums den Datenschutz für ihre Bevölkerung erhöht und im Mai 2018 verein-
                                   heitlichte, zeitgemässe Regeln in Kraft gesetzt. Diese erlauben es ihren Unter-
                                   nehmen weiterhin, ungehindert den grenzüberschreitenden Datenaustausch
                                   zu pflegen, an dem inzwischen auch japanische und – im begrenzten Rahmen
                                   des Privacy Shield Übereinkommens – zertifizierte US-amerikanische Firmen
                                   teilnehmen.
                                       Dass als ambitiöser Bildungs-, Technologie- und Wirtschaftsstandort auch
                                   die Schweiz weiterhin beim ungehinderten Datenaustausch dabei ist, wird
                                   allgemein erwartet. Im September 2017 hat der Bundesrat mit seiner Botschaft
                                   zur Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz denn auch den
                                   parlamentarischen Gesetzgebungsprozess eingeleitet. Seither liegt der Ball
                                   bei den eidgenössischen Räten. Sie haben es in der Hand, das Schutzniveau
                                   der Daten unserer Bevölkerung nun jenem im umliegenden Europa anzupassen.
                                   Wenn diese Arbeit getan und unsere Bürgerinnen und Bürger angemessen
                                   geschützt sind, wird auch der Zugang der Wirtschaft zum freien Austausch
                                   von Daten gesichert und die Reputation der Schweiz als wettbewerbsfähige
                                   digitale Nation gewahrt sein.

                                      Adrian Lobsiger
                                      Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter

26. Tätigkeitsbericht   2018/19
Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
Inhaltsverzeichnis

      Aktuelle Herausforderungen...................... 6

      Datenschutz
1.1   Digitalisierung und Grundrechte............. 14                                                                  1.5   Gesundheit.............................................. 38
      –– Revision des Bundesgesetzes über den Datenschutz                                                                    –– Statistikprojekt mit E­ inzeldatensätzen der ­
         (DSG)                                                                                                                  Versicherer (BAGSAN)
      –– Datenschutz-Leitfaden im Kontext von Wahlen und                                                                     –– Neue Aufgaben durch ­elektronisches Patienten­dossier
         Abstimmungen                                                                                                        –– Bonusprogramm «Helsana+» auf dem Prüfstand:
      –– Systematische Verwendung der AHV-Nummer                                                                                Teilerfolg vor Bundesverwaltungsgericht
         durch die Behörden                                                                                                  –– Rasant wachsende Datenmengen in der
      –– Eckwerte für eine ­Datenpolitik der Schweiz                                                                            «personalisierten Gesundheit» bergen Risiken
      –– Datenverknüpfungen im ­Bereich Statistik
                                                                                                                       1.6   Arbeit..................................................... 42
        Schwerpunkt I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18            –– Outsourcing: Bearbeitung von Personaldaten
        Elektronischer Identitätsnachweis (E-ID)                                                                                im Ausland
        Die «SwissID»                                                                                                        –– Online-Bewerbungsverfahren und Bewerbungs­
                                                                                                                                gespräche: Was ist zu beachten?
1.2   Justiz, Polizei, Sicherheit................... 22                                                                      –– Bekämpfung der Schwarzarbeit im Kanton Wallis
      –– Polizeimassnahmen gegen Terrorismus
                                                                                                                       1.7   Versicherungen........................................ 45
      –– Beim Swiss-US Privacy Shield sind Verbesserungen
                                                                                                                             –– Neuer Observationsartikel für Sozialversicherungen
         angezeigt
                                                                                                                             –– SUVA: Mehr Transparenz bei Forschung mit
      –– Bekanntgabe von ­Flugpassagierdaten in EU-Staaten
                                                                                                                                Versichertendaten
      –– Swiss-Buchungssystem – ­Massnahmen gegen
         ­Datenmissbrauch gefordert                                                                                    1.8   Verkehr................................................... 47
        Schwerpunkt II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26             –– Multimodale Mobilität – ­Wahrung der informationellen
                                                                                                                                Selbstbestimmung ein Muss
        Schengen-Datenschutzgesetz in Kraft
                                                                                                                             –– Datenschutzkonformität bei neuen Apps im
        Schengen-Evaluation der Schweiz – ausreichende Mittel
                                                                                                                                öffentlichen Verkehr
        für Datenschutz gefordert

      –– Automatische Fahrzeug­fahndung und Verkehrs­                                                                  1.9   International......................................... 49
         überwachung                                                                                                         –– Aufsichtskoordinations­gruppen über die
                                                                                                                                ­Informationssysteme SIS II, VIS und Eurodac
1.3   Steuer- und Finanzwesen.......................... 31                                                                   –– Arbeitsgruppe «Border, ­Travel & Law Enforcement»
      –– Bekanntgabe von Personendaten an ausländische                                                                       –– Koordinationsgruppe der schweizerischen
         ­Steuerbehörden                                                                                                        ­Datenschutzbehörden im Rahmen von Schengen
      –– Beschwerde gegen das EFD im ESTV-Fall noch hängig                                                                   –– Internationale Konferenz der Datenschutzbeauftragten
      –– Empfehlung an Zentralstelle für Kreditinformation                                                                   –– Europäische Konferenz der Datenschutzbeauftragten
         (ZEK) erlassen
                                                                                                                             –– Arbeitsgruppe der OECD über die Informations­­
                                                                                                                                sicherheit und den Schutz der ­Privatsphäre
1.4   Handel und Wirtschaft............................. 35
                                                                                                                             –– Französischsprachige ­Vereinigung der Datenschutz­
      –– Datendiebstahl bei Swisscom ohne formelle
                                                                                                                                behörden (AFAPDP)
         Massnahmen abgeschlossen
      –– Datendiebstahl bei EOS – ­unnötig gespeicherte                                                                        Schwerpunkt III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
         ­Patientendaten                                                                                                       Die DSGVO – in gewissen Fällen auch in
      –– Verwendung der Daten von ricardo.ch in                                                                                der Schweiz anwendbar
         der ­Tamedia-Gruppe                                                                                                   Europarat – Die Schweiz sollte das angepasste
      –– Sachverhaltsabklärung bei Smart-TV-Hersteller                                                                         ­Übereinkommen so bald wie möglich unterzeichnen
         ­abgeschlossen
      –– Decathlon – verbesserte Information bei Daten­
         beschaffung nötig

                                                                                                                    Eidgenössischer   Datenschutz-   und   Öffentlichkeitsbeauftragter
Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
Inhaltsverzeichnis

      Öffentlichkeitsprinzip                                               Der EDÖB
2.1   Allgemein................................................ 60   3.1   Aufgaben und Ressourcen.......................... 70
                                                                           –– Leistungen und Ressourcen im Bereich Datenschutz
2.2   Zugangsgesuche – stetige Zunahme............ 61                      –– Leistungen und Ressourcen im Bereich
                                                                              Öffentlichkeitsgesetz
2.3   Schlichtungsverfahren – hoher Anteil
      einvernehmlicher Lösungen...................... 64             3.2   Kommunikation......................................... 74
      –– Dauer der Schlichtungs­verfahren                                  –– Rege Sensibilisierungstätigkeit und grosse mediale
      –– Anteil einvernehmlicher Lösungen                                     Aufmerksamkeit
      –– Anzahl hängiger Fälle                                             –– Datenschutzbehörden von Bund und Kantonen traten
                                                                              am Internationalen Datenschutztag gemeinsam auf
2.4    Ämterkonsultation und weitere                                       –– Diverse Leitfäden und ­Empfehlungen publiziert
      ­Stellungnahmen........................................ 66           –– Website nach wie vor ­wichtigster Kanal unserer
      –– Totalrevision des Bundesgesetzes über das                            ­Kommunikation
         öffentliche Beschaffungswesen
      –– Ämterkonsultation zur ­Genehmigung von                      3.3   Statistiken............................................ 76
         Tarif­strukturen in der Krankenversicherung                       –– Statistiken über die Tätigkeiten des EDÖB vom
                                                                              1. April 2018 bis 31. März 2019 (Datenschutz)
                                                                           –– Statistiken über eingereichte Zugangsgesuche
                                                                              nach Öffentlichkeitsgesetz vom 1. Januar 2018 bis
                                                                              am 31. Dezember 2018
                                                                           –– Übersicht der Zugangsgesuche der Departemente
                                                                              und der Bundeskanzlei
                                                                           –– Anzahl Schlichtungsgesuche nach Kategorien
                                                                              der Antragssteller
                                                                           –– Zugangsgesuche der gesamten Bundesverwaltung

                                                                     3.4   Organisation EDÖB................................... 83

                                                                           Abkürzungsverzeichnis............................ 84

                                                                           Abbildungsverzeichnis............................ 85

                                                                           Impressum
                                                                             In der Klappe
                                                                             Die wichtigsten Zahlen und Fakten
                                                                             Anliegen des Datenschutzes

26. Tätigkeitsbericht   2018/19
Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
Aktuelle Herausforderungen

Aktuelle Herausforderungen
I Digitalisierung

Die Bearbeitung von Personendaten          sorgen, die sie in die Lage versetzen,   Gesellschaft und
wird weiterhin von der dynamischen         die Analyse des Benutzerverhaltens       ­Datenpolitik
Weiterentwicklung der Informations-        laufend zu intensivieren und auf den
und Telekommunikationstechnologie          Online-­Werbemärkten astronomi-          Weiter akzentuiert hat sich im
in der global vernetzten Wirtschaft        sche Umsätze zu erzielen. Während        Berichtsjahr die öffentliche Kritik an
geprägt, die den Alltag der Schweizer      mit der gezielten Zuspielung von         den Betreibern sozialer Plattformen
Bevölkerung bei Arbeit, Konsum und         kommerziellen und weltanschauli-         und Anbietern von Suchmaschinen,
Freizeit in hohem Masse beeinflusst.       chen Botschaften die Datenschutzri-      die das erwähnte Geschäftsmodell der
                                           siken für die Nutzer steigen, gehen      Datenabschöpfung gegen «Gratis»-­
                                           die Werbeeinnahmen der Zeitungen         Dienstleistungen im globalen Umfang
Technologie und Wirtschaft                 sowie von Radio und Fernsehen            betreiben.
                                           zurück.                                      Angesichts der anwachsenden
Das technische und wirtschaftliche       • Nachdem in der Schweiz tätige Tele-      Mengen von erhobenen Kundendaten
Potenzial für Eingriffe in die Privat-     kom-Gesellschaften angekündigt           und der zunehmenden Komplexität
sphäre und Selbstbestimmungsrechte         haben, die Netzinfrastruktur für         und Autonomie der Analysetechnolo-
der Bevölkerung bleibt hoch, was der       Bandbreiten der fünften Generation       gien gestaltet sich die Gewährleistung
Beauftragte schwergewichtig auf zwei       (5G) auszurüsten, wird 5G-Technik        eines hinreichenden Datenschutzes
Entwicklungen zurückführt:                 bald Realität und damit Kapazität        für die kritisierten Betreiber zuneh-
• Das Internet ermöglicht Geschäfts-       und Geschwindigkeit der mobilen          mend anspruchsvoll: Zum einen müs-
  modelle, mit denen heute weltweit        Datenströme ein weiteres Mal             sen sie ihre Kunden leicht verständlich
  rund vier Milliarden Benutzer ange-      gewaltig erhöhen. Der bereits in der     und vollständig über die Bearbeitung
  sprochen werden. In den von ameri-       Vorperiode thematisierte Trend           ihrer Daten informieren. Zum anderen
  kanischen Tech-Firmen wie Google,        rasch anwachsender Mengen von            müssen sie den Kunden hinreichende
  Amazon und Facebook geprägten            verknüpften Geräten mit Sensoren,        Gestaltungsmöglichkeiten einräumen,
  Märkten hat sich für die Erbringung      die Bild, Ton oder Positions- und        damit diese alle Aspekte der Bearbei-
  internetgestützter Kommunikati-          weitere Daten im privaten und            tung freiwillig genehmigen oder
  ons- und Informationsdienstleis-         öffentlichen Raum aufzeichnen und        ablehnen können. Um dieser Verant-
  tungen eine Art «Gratis»-Modell          künstlichen Intelligenzen zuführen,      wortung gerecht zu werden, müssen
  durchgesetzt. Statt ihre Online-         wird sich somit noch beschleunigen.      die Anbieter Investitionen in daten-
  Dienste in Rechnung zu stellen, las-                                              schutzfreundliche Applikationen täti-
  sen sich die Anbieter von ihren Kun-                                              gen, die ihre Kunden mit wenigen
  den Benutzerdaten abtreten. Diese                                                 Klicks zu den nötigen Informationen
  Daten bearbeiten die Anbieter mit-                                                und Wahlmöglichkeiten führen. Der
  hilfe von Algorithmen und entspre-                                                Schutz der Privatsphäre und Selbstbe-
  chenden Analyse-Methoden weiter,                                                  stimmung der Kunden muss also früh-
  um den Kunden zielgerichtet Wer-                                                  zeitig und benutzerfreundlich in die
  bebotschaften zustellen zu können.                                                digitalen Produkte eingebaut werden.
  Die Werbeplätze versteigert der
  Anbieter an die bestzahlenden Drit-
  ten. Einige wenige von ihnen verfol-
  gen dieses Geschäftsmodell mit         Anbieter, die sich mit regulatorischen Lippenbekenntnissen
  derart grossem Erfolg, dass Milliar-   und der mechanischen Abarbeitung von Schutzanliegen
  den von Kunden ihre weltweiten
  «Gratis»-Dienste in Anspruch neh-
                                         begnügen, spielen mit dem Vertrauen ihrer Kunden
  men. Sie können ihre Algorithmen       und w
                                             ­ erden früher oder später die Aufmerksamkeit unserer
  mit Strömen von Kundendaten ver-       Behörde auf sich ziehen.

6                                                           Eidgenössischer   Datenschutz-   und   Öffentlichkeitsbeauftragter
Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
Aktuelle Herausforderungen

In den Mitgliedstaaten des EWR sind       Gesetzgebung                              Der Beauftragte hat sich in der staats-
die Datenschutzbehörden im Berichts-                                                politischen Kommission des National-
jahr dazu übergegangen, Unterneh-         In der Schweiz lässt der Abschluss der    rats, auf deren Einladung er bei den
men für die vernachlässigte Gewäh-        Beratung der vom Bundesrat im Sep-        Beratungen des DSG teilnimmt, stets
rung von Transparenz und Selbstbe-        tember 2017 vorgelegten Totalrevi-        für eine baldige Anhebung des Daten-
stimmung mit empfindlichen Bussen         sion des Datenschutzgesetzes (DSG)        schutzniveaus zu Gunsten der Schwei-
zu belegen, welche die im Mai 2017 in     durch die staatspolitische Kommission     zer Bevölkerung und demzufolge
Kraft getretene europäische Daten-        des erstberatenden Nationalrats nach      einen zügigen Abschluss der parla-
schutzgrundverordnung (DSGVO)             wie vor auf sich warten. Nachdem          mentarischen Beratungen ausgespro-
vorsieht. Nach ersten Informationen       diese die Vorlage zur Totalrevision mit   chen. Wann dies der Fall sein wird, ist
des EDÖB sind inzwischen auch             Entscheid vom 12. Januar 2018 in          indessen schwer absehbar.
Schweizer Unternehmen, welche             zwei Teile aufspaltete und in einem           Wenngleich gewisse Kreise der
Daten von Einwohnern im EWR bear-         ersten Schritt die Änderungen behan-      Wirtschaft das aus dem Jahre 1992
beiten, von Verfahren der dortigen        delte, die für die Übernahme des sog.     stammende DSG und die Befugnisse
Datenschutzbehörden betroffen. Wei-       Schengen-Besitzstands erforderlich        unserer Behörde für ausreichend
ter befassen sich dort auch die Wettbe-   sind, haben die Eidgenössischen Räte      erachten mögen, trifft der EDÖB in
werbsbehörden zunehmend mit der           ein neues Bundesgesetz über die           seinen Kontakten mit grenzüber-
Bearbeitung von Daten. In der             Umsetzung der Richtlinie (EU)             schreitend tätigen, grossen und klei-
Berichtsperiode forderte das deutsche     2016/680 oder Schengen-Daten-             nen Schweizer Unternehmen auf eine
Bundeskartellamt die Firma Facebook       schutzgesetz (SDSG) verabschiedet.        ausgeprägte Bereitschaft, in einen
aufgrund ihrer als marktbeherrschend      Dieses Sondergesetz, dessen Geltung       glaubwürdigen betrieblichen Daten-
eingestuften Stellung auf, die Zustim-    sich auf die Datenbearbeitung der         schutz zu investieren. Diese, von der
mung zu ihren Nutzungsbedingungen         Strafverfolgungsbehörden des Bundes       Totalrevision unmittelbar betroffenen
von anderen Diensten des Konzerns zu      beschränkt, ist am 1. März 2019 in        Unternehmen wollen auch ihrer
entkoppeln.                               Kraft getreten. Es soll dereinst durch    Schweizer Kundschaft einen den
    Es wird sich zeigen, ob die markt-    das totalrevidierte DSG wieder aufge-     erneuerten europäischen Standards
mächtigen Plattformen angesichts des      hoben werden. Nachdem unsere              entsprechenden Schutz bieten. Sie
aufsichtsbehördlichen Drucks und der      Behörde durch dieses Gesetz bezüglich     wissen auch, dass sich Datenbearbei-
öffentlichen Kritik am System der         der besonders sensiblen Bearbeitung       tungsprojekte in der digitalen Realität
«Gratisdienstleistungen» festhalten       von Personendaten im Polizeibereich       nur unter Anwendung zeitgemässer
werden. Eine aus Sicht des Daten-         mit zusätzlichen Aufgaben und Befug-      Instrumente wie der Datenschutz-­
schutzes gangbare Alternative sind        nissen betraut wurde, wird sie            Folgenabschätzung risikogerecht
Geschäftsmodelle, die bezahlende          namentlich bei der Kontrolle der          abwickeln und gegenüber der Kund-
Kunden von profilbildenden Daten-         Datenbearbeitung durch das Bundes-        schaft kommunizieren lassen.
auswertungen und personalisierten         amt für Polizei, fedpol, einen Schwer-        Und entsprechend lange werden
Zustellungen von Werbebotschaften         punkt setzen müssen. Ob der Bundes-       ihre kleinen, mittleren und grossen
ausnehmen. Solche Bezahlsysteme las-      rat unserer Behörde dafür die bean-       Konkurrenten in den Staaten der EU
sen sich sowohl über dezentral kont-      tragten, zusätzlichen Mittel zuspre-      und des EWR ihren diesbezüglichen
rollierte Crypto-Währungen als auch       chen wird, stand zur Zeit der Druckle-    Wettbewerbsvorteil zu nutzen wissen.
über das Bankensystem betreiben und       gung dieses Berichts noch nicht fest.
sind etwa in China bereits verbreitet,
weil dortige Plattformbetreiber auf
Online-Vertragsabwicklungen Kom-
missionen erheben.

26. Tätigkeitsbericht   2018/19                                                                                          7
Tätigkeitsbericht 2018/19 - Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter
Aktuelle Herausforderungen

II Beratungs- und Kontrolltätigkeit

Damit der EDÖB als Aufsichtsbehörde       Nachdem die Aufwendungen für die          Einen besonderen Beratungsschwer-
sicherstellen kann, dass Personenda-      Kontrollaufgaben in der Vorperiode        punkt hat der EDÖB mit Blick auf die
ten nicht mit der technisch machbaren,    deutlich absanken, konnten diese wie-     eidgenössischen Erneuerungswahlen
sondern rechtlich zulässigen Intensität   der auf den Stand der Periode von         im Herbst 2019 gesetzt, indem er im
bearbeitet werden, verlangt er von den    2016/17 angehoben werden. Sie lie-        Dezember 2018 zusammen mit den
Verantwortlichen digitaler Applika­       gen jedoch immer noch unter dem           kantonalen Datenschutzbehörden
tionen, dass sie hohe datenschutz-        langjährigen Durchschnittswert der        einen Leitfaden zur Anwendung des
rechtliche Risiken bereits im Planungs-   Vorperioden. Angesichts der anhal-        Datenschutzrechts auf die digitale
und Projektstadium minimieren             tend knappen Mittelausstattung unse-      Personendatenbearbeitung im Kontext
und gegenüber der betrieblichen und       rer Behörde war dieser Anstieg nur        von Wahlen und Abstimmungen pub-
behördlichen Datenschutzaufsicht          unter Kürzung anderer Leistungen zu       lizierte (www.edoeb.admin.ch/­
dokumentieren. Vor diesem Hinter-         bewerkstelligen. Auch in der aktuellen    wahlen). Der Leitfaden ruft darin allen
grund haben wir denn auch in der          Berichtsperiode vermochte der EDÖB        Akteuren ins Bewusstsein, dass perso-
aktuellen Berichtsperiode die Beglei-     die berechtigten Erwartungen der          nenbezogene Daten zu politischen
tung einer Vielzahl von Big-Data-­        Öffentlichkeit nach aufsichtsrechtli-     und weltanschaulichen Ansichten
Projekten von Bundesbehörden und          chen Massnahmen hinsichtlich der          einem höheren Schutzniveau unterlie-
privaten Unternehmen fortgesetzt.         Bearbeitung von Personendaten durch       gen, als solche, die im kommerziellen
    Nicht zuletzt um den eigenen          Konsumenten-Apps und soziale Netz-        Kontext bearbeitet werden. Die politi-
Arbeitsaufwand zu senken, wirkt der       werke nicht im gewünschten Mass zu        schen Parteien sind in Anbetracht
Beauftragte mit Blick auf Grossvorha-     erfüllen (vgl. «Aufgaben und Ressour-     ihrer zentralen Rolle bei der Durch-
ben, die mit hohen Datenschutzrisi-       cen», Ziff. 3.1).                         führung der eidgenössischen Erneue-
ken verbunden sind, weiterhin auf den                                               rungswahlen vom Herbst 2019 aufge-
selbstverantwortlichen Einsatz                                                      rufen, mit Blick auf den Datenschutz
moderner Arbeitsinstrumente wie der                                                 eine Vorbildfunktion wahrzunehmen.
Datenschutzfolgenabschätzung und
gegebenenfalls auch die Einsetzung
betrieblicher Datenschutzorgane hin.
Dennoch ist der Anteil unserer
Gesamtaufwendungen für die bera-
tende Begleitung von privatwirt-
schaftlichen Projekten im Berichtsjahr
weiter angestiegen.

                                          Je länger die Schweiz die Arbeitsinstrumente des
                                           modernen Datenschutzes nicht explizit in ihrer Daten­
                                           schutzgesetzgebung verankert, desto öfter werden
                                           sich hiesige Unternehmen – unbesehen ihrer tatsächlichen
                                          Investitionen in den Datenschutz – mit kritischen
                                          Fragen nach dem regulatorischen Schutzniveau ihres
                                          ­Sitzstandorts ­konfrontiert sehen.

8                                                           Eidgenössischer   Datenschutz-   und   Öffentlichkeitsbeauftragter
Aktuelle Herausforderungen

III Nationale und internationale Kooperation

Der EDÖB hat seine Zusammen­               behörden bis auf Weiteres nur über die    Evaluation des
arbeit mit den kantonalen und kom-         im DSG von 1992 vorgesehenen              ­Datenschutzniveaus
munalen Datenschutzstellen, die            Empfehlungs­befugnisse. Auch seine
mit den g­ leichen Entwicklungen und       Mittel sind seit dem Jahre 2005 im        Die Europäische Kommission über-
Technologien zur Bearbeitung von Per-      Wesentlichen unverändert geblieben        prüft das Datenschutzniveau von
sonendaten konfrontiert sind, weiter       (vgl. Ziff. 3.1). Erschwerend kommt       Drittländern und hat der Schweiz
intensiviert. Als Beispiele sind hier zu   hinzu, dass die Europäische Kommis-       letztmals im Jahre 2000 attestiert,
nennen: die Schengen-Evaluation (vgl.      sion mit der Evaluation des schweize-     dass ihr Datenschutzniveau angemes-
Ziff. 1.2), der Leitfaden zu den Wahlen    rischen Datenschutzniveaus einge-         sen ist. Unternehmen in der EU kön-
(Ziff. 1.1) oder die gemeinsame Durch-     setzt hat (s. rechts).                    nen deshalb Personendaten ohne wei-
führung des Internatio­nalen Daten-            Mit Inkrafttreten der DSGVO hat       tere Massnahmen mit Firmen in der
schutztages (Ziff. 3.2).                   sich die vormalige «Artikel 29»-          Schweiz austauschen. Zurzeit ist die
                                           Gruppe der EU-Datenschutzbehörden         Kommission daran, die Angemessen-
                                           neu als Europäischer Datenschutz­         heit des Schweizer Datenschutzni-
Neues Europäisches                         ausschuss (EDSA) konstituiert. Kern-      veaus gestützt auf die in der DSGVO
­Datenschutzrecht                          aufgabe des EDSA ist es, die einheitli-   aufgelisteten Kriterien erneut zu eva-
                                           che Anwendung der DSGVO sicher-           luieren. Sie hat angekündigt, den
Am 25. Mai 2018 ist die DSGVO in           zustellen. Der Wunsch des EDÖB, bei       Angemessenheitsentscheid im Mai
Kraft getreten, die unter gewissen         den Sitzungen generell als Beobachter     2020 in Berichtsform zu veröffentli-
Voraussetzungen auch für Bearbeitun-       zugelassen zu werden, wurde abge-         chen. Die Mitwirkung der Schweiz an
gen durch schweizerische Unterneh-         lehnt. Unsere Teilnahme wird sich         der Evaluation wird vom Bundesamt
men Anwendung findet. Im Herbst            somit auf Plenarsitzungen und nur für     für Justiz koordiniert und vom EDÖB
2017 hat der EDÖB ein Merkblatt            Punkte, die für den Schengen-Besitz-      unterstützt, indem er erbetene Infor-
veröffentlicht, das insbesondere auf       stand relevant sind, beschränken.         mationen bereit stellt (vgl. Ziff. 1.9).
die extraterritoriale Geltung des neuen
EU-Rechts eingeht und laufend aktua-
lisiert wird (www.edoeb.admin.ch/
dsgvo). Wir werden weiterhin alles
daransetzen, die betroffenen Schwei-
zer Unternehmen bei der Anwendung
der DSGVO mit Rat und Tat zu beglei-
ten und als Aufsichtsbehörde eine
auch im Ausland sichtbare Wirkung
zu entfalten.
     Die andauernde Übergangszeit bis
zum Inkrafttreten der immer noch
hängigen Totalrevision des DSG (vgl.
Ziff 1.1 und 3.1) gestaltet sich nach
wie vor als herausfordernd für den
EDÖB. Während die personell ver-
stärkten Datenschutzbehörden in den
Staaten des EWR inzwischen ihre
neuen Verfügungs- und Sanktionsbe-
fugnisse zum Tragen bringen (vgl. Ziff.
II), verfügt der EDÖB gegenüber der
Wirtschaft und dem Gros der Bundes-

26. Tätigkeitsbericht   2018/19                                                                                             9
Aktuelle Herausforderungen

Vor dem Hintergrund der laufenden             Swiss-US Privacy Shield
Evaluation wäre es für die Schweiz von
Vorteil, wenn diese nicht mehr auf der        Im Herbst 2018 haben wir im Rahmen
Grundlage des aus dem Jahre 1992              einer vom Seco angeführten Delega-
stammenden, sondern des totalrevi-            tion das aufsichtsbehörliche Review
dierten DSG vorgenommen werden                für das Swiss-US Privacy Shield
könnte, dessen Behandlung durch die           durchgeführt, das im Anschluss an das
Kommission des erstberatenden Nati-           zweite Review des EU-US Privacy
onalrats aber noch aussteht (vgl. Ziff. I).   Shields in Brüssel erfolgt ist. Obschon
Weiter wäre es von Vorteil, wenn der          im Review Schwachstellen aufgezeigt
Bundesrat davon Gebrauch machen               wurden, konnte die Funktionsweise
würde, dass das modernisierte Über-           des Privacy Shields seit dessen Inkraft-
einkommen zum Schutz des Men-                 setzung verbessert werden (vgl. Text
schen bei der automatischen Verarbei-         «Beim Swiss-US Privacy Shield sind
tung personenbezogener Daten (Über-           gewisse Verbesserungen angezeigt»,
einkommen 108) des Europarates seit           Ziff. 1.2).
Oktober 2018 zur Unterzeichnung
aufliegt, hat doch die Europäische
Kommission wiederholt darauf hinge-
wiesen, dass die Ratifizierung dieses
modernisierten Übereinkommens ein
entscheidendes Kriterium für den
Angemessenheitsentscheid darstellt
(s. Ziff. 1.9).

                                              Die Stimmberechtigten haben Anspruch darauf, nachvoll­
                                              ziehen zu können, aufgrund welcher Daten­bestände und
                                              ­welcher digitaler Bearbeitungsmethoden und Technologien
                                               sie von den Parteien oder diesen nahe stehenden Dritten
                                               angesprochen werden.

10                                                               Eidgenössischer   Datenschutz-   und   Öffentlichkeitsbeauftragter
Aktuelle Herausforderungen

IV Massnahmen zur Effizienzsteigerung

Aufgrund der erwähnten Herausforde-        Der EDÖB nimmt seine gesetzlichen        Verfahren im Bereich des
rungen bekräftigt der Beauftragte das      Aufgaben als Aufsichtsbehörde auto-      ­Öffentlichkeitsgesetzes
strategische Ziel, seine gesetzlichen      nom wahr. Unterstützende logistische     (BGÖ)
Aufgaben in der digitalen Realität fach-   und administrative Leistungen bezieht
kompetent, unabhängig und proaktiv         er indessen von der Bundeskanzlei,       Der EDÖB ist nach Durchführung
wahrzunehmen.                              welche diese nach Massgabe der allge-    eines einjährigen Versuchs zu einem
                                           meinen Standards der Bundesverwal-       beschleunigten und summarischen
                                           tung erbringt. In diesem Sinne wurde     Verfahren übergegangen, das sich
Organisation und Geschäfts­                der EDÖB von der Bundeskanzlei           dadurch charakterisiert, dass in der
kontrolle der Behörde                      auch bei der Einführung des neuen        Regel mündliche Schlichtungsver-
                                           Geschäftsverwaltungssystems Acta         handlungen durchgeführt werden.
Die am 1. April 2017 in Kraft gesetzte     Nova betreut, die im September 2018      Dieses Verfahren bewährt sich weiter-
Reorganisation der Behörde hat sich        erfolgreich abgeschlossen werden         hin, indem der Anteil der einvernehm-
bewährt. Durch das an die Reorganisa-      konnte.                                  lich abgeschlossenen Schlichtungen
tion und die Befragung des Personals                                                nach wie vor hoch und die Überschrei-
anschliessende Konsolidierungspro-                                                  tung der gesetzlichen Fristen im
gramm EFFET, das im Berichtsjahr           Informationsangebot                      Wesentlichen auf prozessual und
gestartet wurde, soll nun die interne                                               inhaltlich komplexe Fälle beschränkt
Zusammenarbeit optimiert und               Das in der Berichtsperiode erbrachte     werden konnten. Dies war bspw. der
dadurch die Wirkung unserer Behörde        Informationsangebot wurde punktuell      Fall bei Verfahren mit besonders
zusätzlich verstärkt werden.               verbessert. Dies betrifft namentlich     schwierigen juristischen, technischen
    Im Berichtsjahr haben auch meh-        den vorliegenden 26. Tätigkeitsbe-       oder politischen Fragen, aufgrund des
rere personelle Wechsel auf Ebene der      richt. Die Weiterentwicklung der         grossen Umfangs der verlangten
Geschäftsleitung stattgefunden: Nach       Inhaltsaufbereitung und der Kanäle ist   Dokumente oder wenn Drittparteien
38 Jahren als Datenschutzexperte           hingegen eine Daueraufgabe, die der      ins Verfahren miteinzubeziehen sind.
beim Bund, wovon 25 Jahre als Stell-       EDÖB angesichts des grossen Medien-
vertreter des Beauftragten, verliess       interesses mit vergleichbar wenig Mit-
Jean-­Philippe Walter unsere Behörde       teln bewerkstelligen muss (vgl. Ziff.
pensionshalber per Ende Januar 2019.       3.2).
Der ebenfalls frankofone Marc Bunt-
schu übernahm Walters Nachfolge als
stellvertretender Behördenleiter und
Chef des Ressorts für nationale und
internationale Zusammenarbeit. Bis
am 1. Februar 2019 leitete Buntschu
den Direktionsbereich Datenschutz,
der ab diesem Datum von Daniel
Dzamko geführt wird, der vorher in
der Geschäftsleitung der Steuerver-
waltung des Kantons Bern tätig war.
Im Frühjahr 2018 wurde Hugo Wyler
mit der Leitung des dem Beauftragten
neu direkt unterstellten Bereichs Kom-
munikation betraut.

26. Tätigkeitsbericht   2018/19                                                                                       11
Datenschutz
Datenschutz

1.1 Digitalisierung und Grundrechte

Revision des Bundesgesetzes               Datenschutz-Leitfaden                         verschiedene Experten angehört. Die
über den Datenschutz (DSG)                im Kontext von Wahlen und                     Erkenntnisse wurden in einem Leitfa-
                                          Abstimmungen                                  den festgehalten, der den verschiede-
Der Abschluss der Beratungen der                                                        nen Akteuren im politischen Mei-
Totalrevision des Datenschutzgesetzes     Im Berichtsjahr hat der EDÖB zusam-           nungsbildungsprozess als Auslegungs-
von 1992 durch die eidgenössischen        men mit den kantonalen Datenschutz-           hilfe dienen soll, um das aus dem Jahre
Räte ist noch nicht absehbar.             behörden und Experten einen Leitfaden         1992 stammende DSG im dynami-
Am 15. September 2017 hatte der           für die Bearbeitung von Personendaten         schen Umfeld der Digitalisierung auf
Bundesrat seine Botschaft (17.059) zur    im Zusammenhang mit Wahlen und                die Datenbearbeitung im Kontext von
Totalrevision des Bundesgesetzes über     Abstimmungen verfasst.                        Wahlen und Abstimmungen anzu-
den Datenschutz (DSG) an die eidge-       Der EDÖB hat zusammen mit der                 wenden.
nössischen Räte überwiesen. Im Rah-       Konferenz der kantonalen Daten-
men ihrer Beratungen zur DSG-­            schutzbeauftragten (Privatim) und in
Revision beschloss die staatspolitische   enger Absprache mit der Bundeskanz-
Kommission des erstberatenden             lei eine Arbeitsgruppe eingesetzt mit
Natio­nalrats, in einem ersten Schritt    dem Ziel, die Öffentlichkeit für syste-
nur die Änderungen zu behandeln, die      mische Risiken der Personendatenbe-
für die Übernahme des Schengen-­          arbeitung im Zusammenhang mit
Besitzstands erforderlich sind. Diese,    Wahlen und Abstimmungen zu sensi-
auf die Strafverfolgungsbehörden des      bilisieren. Im Rahmen dieser Arbeits-
Bundes beschränkten Bestimmungen,         gruppe, in der neben Fachleuten für
wurden inzwischen vom Parlament           den Datenschutz auch ein Politologe
genehmigt und vom Bundesrat per           vertreten ist, wurden im Berichtsjahr
1. März 2019 in Kraft gesetzt (vgl.
Schengen-DSG Ziff. 1.2).
    Dem gegenüber hat die erwähnte           Unrechtmässige Daten­beschaffung im Vorfeld
Kommission ihre Beratungen der               einer Abstimmung
Totalrevision des auf alle übrigen Bun-      Im Vorfeld zur Abstimmung der sog. Selbstbestimmungsinitiative im November
desbehörden und -betriebe sowie die          2018 hat eine beauftragte Agentur über über eine Website unrechtmässig
                                             ­Personendaten beschafft. Auf unsere Intervention hin änderte diese ihre Praxis.
gesamte Privatwirtschaft anwendba-
                                             Auf der Website 25november.ch konnten einzelne Personen bis zu zehn Handynum-
ren DSG noch nicht abgeschlossen. Im
                                               mern mit Name und Vorname ihrer Familienmitglieder, Freunde und Verwandten
Zeitpunkt der Drucklegung des vorlie-
                                              ­eintragen. Diese Personen wurden dann am Abstimmungswochenende zur Selbst-
genden Berichts war somit noch nicht
                                              bestimmungsinitiative mit per SMS mit einer Erinnerung bedient – vermeintlich
absehbar, wann sich das Plenum des
                                             versandt durch die Person, welche die Handynummern auf der Website erfasst und
erstberatenden Nationalrats mit der
                                               somit einem Dritten weitergegeben hatte. Der EDÖB gelangte darauf mit einem
Vorlage befassen wird (vgl. Ziff. I und
                                               Schreiben an den Betreiber der Website. Darin hat er die Agentur aufgefordert sicher-
Ziff. 1.9).
                                                             zustellen, dass alle, deren Handynummer angegeben werden, über die
                                                             Datenbearbeitung, deren Zweck und die für sie Verantwortlichen infor-
                                                             miert werden und dass nur Personendaten bearbeitet werden dürfen,
                                                             für deren Beschaffung, Weitergabe und jede weitere Bearbeitung eine
                                                             rechtsgültige Einwilligung vorliegt. Ausserdem musste der Betreiber
                                                             gewährleisten, dass die Personendaten nur zum Zweck der SMS-­
                                                             Erinnerung verwendet und danach gelöscht – und nicht etwa für künf-
                                                             tige Kampagnen aufbewahrt wurden. Unter anderem fehlte auf der
                                                             Website eine gut sichtbare und vollständige Datenschutzerklärung,
                                                             was die Betreiberin jedoch innert kurzer Frist nachgebessert hat.

14                                                             Eidgenössischer   Datenschutz-   und   Öffentlichkeitsbeauftragter
Datenschutz

Die Akteure werden im Leitfaden dazu
aufgerufen, den Stimmbürgerinnen
              und Stimmbürgern ein
             Höchstmass an Transpa-
              renz und Selbstbestim-
              mung einzuräumen und
              dafür entsprechend
datenschutzfreundliche Anwendun-
gen einzusetzen. Wer Daten im Kon-
text von Wahlen und Abstimmungen
bearbeitet, soll sich bewusst sein, dass
das Datenschutzrecht Angaben zu
politischen und weltanschaulichen
Ansichten einem höheren Schutzni-
veau unterstellt als Daten im gewerb-
lich-kommerziellen Umfeld. Der Leit-
faden richtet sich an alle Akteure der
politischen Meinungsbildung wie z. B.
Parteien und Interessengruppen,
Datenhändler und Datenplattformen
und will sie dazu anhalten, die digita-
len Bearbeitungsmethoden für die
Stimmbürger erkenn- und nachvoll-
ziehbar zu machen.

26. Tätigkeitsbericht   2018/19                    15
Datenschutz

Systematische Verwendung                 Wir begrüssen es, dass der Gesetzes-       Der EDÖB befürwortet weiterhin die
der AHV-Nummer durch die                 entwurf des Bundesrats Einrichtun-         Verwendung von sektorspezifischen
Behörden                                 gen, die über Datenbanken verfügen,        Personenidentifikatoren. Die mit der
                                         in denen die AHV-Nummer systema-           Verwendung von Einheitsidentifikato-
Der Bundesrat möchte eine weiterrei-     tisch verwendet wird, gestützt auf         ren verbundenen Risiken lassen sich
chende Verwendung der AHV-Nummer         unsere Bemerkungen ausdrücklich            so erheblich verringern, insbesondere
erleichtern und hat am 7. November       dazu verpflichtet, periodische Risiko-     unzulässige Verknüpfungen unter-
2018 eine Vernehmlassung zur Ände-       analysen durchzuführen. Dies nament-       schiedlicher Datenbanken bzw. Infor-
rung des Gesetzes über die AHV eröff-    lich unter Beachtung der Gefahr von        mationssysteme. In diesem Sinne ist
net. Die Vernehmlassung endete am        unerlaubten Datenverknüpfungen.            aus der in die Vernehmlassung gegebe-
22. Februar 2019. Wir haben unsere       Aufgrund dieser Risikoanalyse sind         nen Vorlage auch abzuleiten, dass es
Bemerkungen dazu angebracht, die in                    Massnahmen für die           weiterhin möglich sein wird, in Spe-
den Gesetzesentwurf übernommen                         Sicherheit und den           zialgesetzen für gewisse Zwecke sek-
wurden.                                                Schutz der Daten festzu-     toreigene Personenidentifikations-
Der vom Bundesrat in die Vernehm-                      legen und umzusetzen,        nummern anstelle der AHV-Nummer
lassung gegebene Entwurf sieht vor,                    die der Risikosituation      vorzuschreiben – wie beispielsweise
dass die eidgenössischen, kantonalen     angepasst sind und dem Stand der           für das elektronische Patientendossier.
und kommunalen Verwaltungen die          Technik entsprechen. Auch erachten
AHV-Nummer ausserhalb des Sozial-        wir als positiv, dass die in der Geset-
versicherungsbereichs systematisch als   zesvorlage bezeichneten Einrichtun-
eindeutige Identifikationsnummer         gen, die systematisch die AHV-Num-
verwenden dürfen.                                      mer verwenden, zur Füh-
                                                       rung eines Registers der
                                                       relevanten Datenbanken
                                                       verpflichtet werden, das
                                                       insbesondere als Grund-
                                         lage für die Risikoanalysen dienen soll.
                                         Schliesslich betonten wir die Notwen-
                                         digkeit einer Verstärkung der techni-
                                         schen und organisatorischen Mass­
                                         nahmen.
                                             Wie das Bundesamt für Sozialver-
                                         sicherungen (BSV) gegenüber dem
                                         EDÖB festhielt, wird das von der
                                         Kommission für Rechtsfragen NR mit
                                         dem Postulat 17.3968 bis Ende 2019
                                         verlangte «Sicherheitskonzept für Per-
                                         sonenidentifikatoren» im Rahmen der
                                         Gesetzgebungsarbeiten zur AHV in
                                         die Botschaft integriert werden. Dieses
                                         Sicherheitskonzept soll aufzeigen, wie
                                         den Risiken einer systematischen Ver-
                                         wendung der AHV-Nummer als ein-
                                         deutiger Personenidentifikator entge-
                                         genzutreten ist und der Datenschutz
                                         gestärkt werden kann.

16                                                          Eidgenössischer   Datenschutz-   und   Öffentlichkeitsbeauftragter
Datenschutz

Eckwerte für eine                          Beirat WBF und UVEK zur                  Datenverknüpfungen im
­Datenpolitik der Schweiz                  Digitalen Transformation                 ­Bereich Statistik
                                           Der EDÖB nahm im März 2019 an der
Der EDÖB konnte anlässlich der Ämter-      sechsten Sitzung des Beirats «Digitale   Mittels Verknüpfungen lassen sich aus
konsultation zu den Eckwerten für eine     Transformation» der Departemente         statistischen Datenbeständen neue
Datenpolitik der Schweiz Stellung neh-     WBF und UVEK teil. Ziel der Beirats-     Erkenntnisse gewinnen. Verknüpfungen
men. Er befasst sich weiterhin mit         sitzungen ist es, konkrete Transforma-   können das Risiko von Re-Identifikatio-
datenpolitischen Teilbereichen.            tionsprojekte und deren Nutzen für       nen massgeblich erhöhen. Um diesem
Im Rahmen der Ämterkonsultation            Wirtschaft und Bevölkerung aufzuzei-     zu begegnen, hat das BFS ein Verknüp-
wies der EDÖB darauf hin, dass die         gen. Beim Projekt «Swiss Data Custo­     fungsreglement erlassen.
Datenschutzbestimmungen nicht nur          dian» handelt es sich um ein Daten-      Das Bundesamt für Statistik (BFS)
bei Open Government Data (OGD),            treuhandsystem für Informationen,        verfügt über die gesetzlichen Grundla-
sondern auch in anderen aufgeführten       die nicht öffentlich zugänglich          gen für das Durchführen von sog. Ver-
Bereichen zu beachten seien. Zu nen-       gemacht werden können. Der Betrei-       knüpfungen. Solche Datenverknüp-
nen sind: Stammdatenverwaltung des         ber des «Custodian» soll von verschie-   fungen aus verschiedenen Erhebungen
Bundes, Daten von bundesnahen              denen Unternehmen – gegebenenfalls       sind ein valables Mittel im Bereich der
Betrieben und Forschungsanstalten,         auch Behörden – personenbezogene         Statistik, um aus Datenbeständen
Dateninnovation im Statistikbereich        und andere Rohdaten entgegenneh-         neue Erkenntnisse zu gewinnen, Ent-
sowie Innovation durch Daten im            men, diese einer Analyse durch künst-    wicklungen über mehrere Jahre hin-
Bereich der Mobilität und der Gesund-      liche Intelligenz unterziehen und        weg zu beobachten oder um Progno-
heit. Bei anonymisierten Daten             schliesslich die daraus gewonnenen,      sen machen zu können. Dafür werden
bestehe ausserdem immer das Risiko,        anonymisierten Erkenntnisse einer        die einzelnen Datensätze in den ver-
dass je nach Menge der vorhandenen         wertschöpfenden Verwertung zugäng-       schiedenen Datenbeständen mit Iden-
Daten Rückschlüsse auf die betroffe-       lich machen. Diskutiert wird derzeit     tifikationsnummern versehen und
nen Personen nicht ausgeschlossen          eine Anwendung in den Bereichen          anschliessend ein Verknüpfungsiden-
werden könnten, weshalb der Daten-         Mobilität, Medizin und Humanitäres.      tifikator generiert.
schutz auch hier zu berücksichtigen        Sowohl an den Vorbereitungssitzun-           Verknüpfungen bergen das daten-
sei. Weiter hielt der EDÖB fest, dass er   gen als auch an der Beiratssitzung       schutzrechtliche Risiko von uner-
sich seit der Ämterkonsultation zum        nahm der EDÖB die Gelegenheit wahr,      wünschten Rückschlüssen auf
DSG für die Einführung eines Rechts        die datenschutzrechtlichen Rahmen-       bestimmbare Personen, also Re-Iden-
auf Datenübertragbarkeit (Portabilität)    bedingungen und Vorgaben, die dabei      tifikationen. Die Identifikationsnum-
einsetzt. Die Bemerkungen des EDÖB         zu berücksichtigen sind, darzulegen.     mern und Indentifikatoren müssen
wurden aufgenommen.                        Der EDÖB wird das Projekt weiterhin      deshalb intern so verwaltet werden,
     Zum Thema Digitalisierung und         begleiten.                               dass solche Rückschlüsse ausgeschlos-
Datenpolitik laufen auf Bundesebene                                                 sen bleiben und es zu keinem Miss-
derzeit verschiedene Projekte, die vom                                              brauch kommen kann. Der EDÖB liess
BAKOM koordiniert werden. Der                                                       sich vom BFS über die laufenden und
EDÖB nimmt an einzelnen aktiv teil,                                                 geplanten Verknüpfungsprojekte und
so beispielsweise bei einem Projekt                                                 die Massnahmen zur Wahrung der
betreffend Nutzung von Daten oder an                                                Persönlichkeitsrechte informieren. Der
der Unterarbeitsgruppe zum Thema                                                    Austausch hat gezeigt, dass es sich um
Datenverfügbarkeit.                                                                 ein hochkomplexes Thema handelt,
                                                                                    das der EDÖB weiter beobachten wird.
                                                                                    Wir begrüssen, dass das BFS ein spezi-
                                                                                    fisches Verknüpfungsreglement erlas-
                                                                                    sen und publiziert hat.

26. Tätigkeitsbericht   2018/19                                                                                         17
Schwerpunkt I

 Elektronischer
­Identitätsnachweis (E-ID)
Mit einer staatlich anerkannten elektronischen Identität         Staatlich anerkannte private Unternehmen
soll bei elektronischen Anwendungen die Identität einer          als Identity Provider
Person sichergestellt werden. Der EDÖB begleitet das digi-       Der Nationalrat hat sich nach einer Anhörung der interes-
tale Grossprojekt auf allen Stufen. Er fordert, dass ein         sierten Kreise durch seine Kommission für Rechtfragen
hinreichender Datenschutz mit hoher Priorität gewährleis-        gegen eine ausschliesslich staatliche Lösung ausgespro-
tet werden muss.                                                 chen und stattdessen eine Aufgabenteilung befürwortet:
                                                                 Staatlich anerkannte private Unternehmen, sogenannte
Rechtssicherheit und Vertrauen sind wesentliche Voraus-          Identity Provider (IdP), werden zur Ausstellung von elek-
setzungen für die Abwicklung von Geschäften. Für ver-            tronischen Identitäten ermächtigt. Die Anerkennung der
schiedene Prozesse ist es dabei wesentlich, dass die Iden-       IdP erfolgt durch das Informatiksteuerungsorgan des
tität des Gegenübers sichergestellt ist. Für die analoge                     Bundes (ISB), welches darüber hinaus die Ein-
Welt stellt der Bund dazu konventionelle Identifizie-                        haltung der vorgegebenen Prozesse und tech-
rungsmittel zur Verfügung – nämlich Schweizerpass,                           nischen Standards durch die IdP überprüfen
Identitätskarte und Ausländerausweis. Mit der Verlage-                       und auf Basis dieser Prüfung die Anerkennung
rung von Geschäftsprozessen in die digitale Welt ändern                      erteilen bzw. verlängern oder entziehen. Eine
sich die Anforderungen an die Identifikationsmöglichkei-         vom Bundesamt für Polizei (fedpol) geführte elektroni-
ten. Ergänzend soll die Identität einer natürlichen Person       sche Schnittstelle wird Personenidentifizierungsdaten,
mittels einer staatlich anerkannten elektronischen Identi-       die in staatlich geführten Registern hinterlegt sind, den
tät (E-ID) nachgewiesen werden können.                           IdP zum ausschliesslichen Zweck der Identifikation zur
    Die E-ID wird für den Online-Zugang zu privaten              Verfügung stellen. Durch die Aufgabenteilung sollen
Dienstleistungen (wie z. B. die Eröffnung eines Bankkon-         einerseits verlässliche und Sicherheit gewährende Rah-
tos) und E-Government-Anwendungen (z. B. die Bestel-             menbedingungen garantiert werden, die die staatlichen
lung eines Strafregisterauszuges) ein zentrales Instrument       Institutionen im Rahmen von Anerkennungs- und Auf-
darstellen. Aus diesem Grund hat der EDÖB sowohl das             sichtsverfahren durchsetzen können. Andererseits kann
Gesetzgebungsprojekt für eine staatlich anerkannte E-ID          die technische Umsetzung und Vermarktung der konkret
wie auch die konkrete Umsetzung des Projektes bei der            ausgestalteten E-ID privaten Unternehmen überlassen
SwissSign Group AG (vgl. Die «SwissID») konstruktiv              werden.
kritisch begleitet und gefordert, dass wesentliche daten-
schutzrechtliche Anforderungen bereits in der Konzept-
phase der Projekte einfliessen.
    Der Bundesrat hat am 1. Juni 2018 die Botschaft zum
Bundesgesetz über anerkannte elektronische Identifizie-
rungseinheiten (E-ID-Gesetz, BGEID) verabschiedet,
welche die staatlich anerkannte Identität gesetzlich regelt.
Die Gesetzesvorlage wurde Ende März vom erstberaten-
den Nationalrat mit 128 zu 48 Stimmen genehmigt

18                                                             Eidgenössischer   Datenschutz-   und   Öffentlichkeitsbeauftragter
Schwerpunkt I

Anhörung des EDÖB als Bedingung
für die Anerkennung
Anlässlich der Anhörung in der Kommission sah der
EDÖB seine Aufgabe darin, sich unabhängig vom politi-
schen Entscheid zugunsten einer rein staatlichen oder nur
teilstaatlichen Lösung, für ein höchstmögliches Niveau an
Datenschutz einzusetzen. Der EDÖB hat darauf hinge-
wiesen, dass die Datenbearbeitung der staatlichen
Akteure auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage
beruhen muss und hat diesbezüglich punktuell Verbesse-
rungen des E-ID-Gesetzes verlangt. So hat der National-
rat als Anerkennungsvoraussetzung der IdP die vorgän-
gige Anhörung des EDÖB durch das ISB in das Gesetz
aufgenommen. Der EDÖB wird in diesem Rahmen die
datenschutzrechtlichen Standards, die er anlässlich der
Begleitung des Projektes von SwissSign erarbeitet hat, als
Massstab für die Beurteilung fordern (vgl. folgenden Text
«SwissID».
    Des Weitern hat der EDÖB darauf bestanden, dass die
Botschaft dahingehend präzisiert wird, dass die E-ID nur
            dort Anwendung finden soll, wo eine sichere
            Identifikation im Geschäftsverkehr unbedingt
            nötig ist. Für die zahlreichen Online-Konsum-
            geschäfte oder Bezüge von einfachen Dienst-
            leistungen, wo dies nicht nötig ist, dürfen durch
das E-ID-Gesetz weder im analogen noch im elektroni-
schen Geschäftsverkehr neue Identifizierungspflichten
geschaffen werden. Der Nationalrat hat den Zweckartikel
des Gesetzes entsprechend angepasst.

26. Tätigkeitsbericht   2018/19                                           19
Schwerpunkt I

Die «SwissID»
Mit einer «SwissID» stellt ein privater Anbieter dem Markt      Analysen datenschutzrechtlicher Risiken
eine elektronische Identität zur Verfügung. In regelmässi-      müssen ausgebaut werden
gen Sitzungen mit den Projektverantwortlichen begleitet         Dieses Vorhaben stellt auch aus datenschutzrechtlicher
der EDÖB das Vorhaben. Diese haben die Hinweise des             Sicht ein bedeutendes digitales Grossprojekt dar. Der
EDÖB aufgenommen.                                               EDÖB steht in regelmässigem Austausch mit den Projekt-
                                                                verantwortlichen, berät diese punktuell und gibt Rück-
Die SwissSign Group AG ist ein Joint Venture aus staats-        meldung zu den ihm vorgelegten Dokumentationen und
nahen Betrieben, Finanzunternehmen, Versicherungsge-            Informationen. Es hat sich gezeigt, dass sich die Swiss-
sellschaften und Krankenkassen. Mit ihrem Produkt               Sign über die Bedeutung des Datenschutzes für ihre
«SwissID» ist sie daran, eine elektronische Identität für       Datenbearbeitung bewusst ist und wesentliche techni-
den Online-Geschäftsverkehr auf privater Basis auf ver-         sche und organisatorische Massnahmen zum Schutz der
schiedenen Online-Plattformen einzuführen. Zu den               Daten getroffen hat. Der EDÖB hat darauf hingewiesen,
Vertragspartnern zum Onlinedienst der SwissSign zählen                        dass die Analysen der datenschutzrechtli-
bedeutende Unternehmen wie z. B. die schweizerische                           chen Risiken, welche typischerweise mit
Post, Swisscom, Coop, Ringier – weitere wie bspw. die                         dem Vorhaben verbunden sind, weiter aus-
SBB kommen laufend hinzu. Verschiedene Kantone pla-                           gebaut werden müssen und entsprechende
nen für ihre E-Government-Anwendungen die «SwissID»                           Massnahmen zur Vermeidung dieser Gefah-
einzusetzen oder haben diese bereits eingeführt.                ren getroffen werden sollten. Zudem erachten wir es als
    Derzeit basiert die «SwissID» noch auf einem Log-           unablässig, dass eine Person speziell für den betrieblichen
in-Passwort-Verfahren. Sie soll jedoch mit Blick auf die        Datenschutz eingesetzt wird, welche die Risiken und die
Inkraftsetzung des BGEID (vgl. dazu Artikel zur E-ID) zu        entsprechenden Massnahmen laufend prüft und zu den
einer elektronischen Identität auf privater Basis aufgewer-     unternehmerischen Entscheidungen aus der Perspektive
tet werden, damit die Nutzer identitätspflichtige Rechts-       des Datenschutzes Stellung nimmt.
geschäfte online abschliessen und staatliche Dienstleis-           Die Projektverantwortlichen von SwissSign sind mit
tungen online beziehen können.                                  den Hinweisen des EDÖB einig und werden ihre Analy-
                                                                sen und Dokumente hinsichtlich der Personendatenbe-
                                                                arbeitung ausbauen. Eine betrieblich datenschutzverant-
                                                                wortliche Person wurde in der Folge vom Unternehmen
                                                                bestimmt.

20                                                            Eidgenössischer   Datenschutz-   und   Öffentlichkeitsbeauftragter
Schwerpunkt I

26. Tätigkeitsbericht   2018/19             21
Datenschutz

1.2 Justiz, Polizei, Sicherheit

Polizeimassnahmen gegen                  Der EDÖB äusserte auch Zweifel am          Beim Swiss-US Privacy
Terrorismus                              Nutzen von Bestimmungen, denen             Shield sind Verbesserungen
                                         zufolge das Staatssekretariat für Migra-   angezeigt
Im Rahmen der zweiten Ämterkonsulta-     tion (SEM) auf die in Artikel 10, 11, 12
tion zum Entwurf eines Bundesgeset-      und 14 des Bundesgesetzes über die         Im Herbst 2018 fand in Brüssel die
zes über polizeiliche Massnahmen zur     polizeilichen Informationssysteme          Überprüfung des Privacy Shield Über-
Bekämpfung von Terrorismus (PMT) hat     des Bundes (BPI) erwähnten Informa-        einkommens zwischen der EU und den
der EDÖB erneut zahlreiche Bemerkun-     tionssysteme zugreifen kann. Die im        USA und erstmals auch der Schweiz
gen angebracht. Er erneuerte seine       Ausländer- und im Asylgesetz vorge-        und den USA statt. Die US-Behörden
Forderung nach Ausarbeitung einer        gebenen Rechtsgrundlagen betreffen         haben in diversen Belangen Verbesse-
einheitlichen Polizeigesetzgebung auf    ausschliesslich die Zusammenarbeit         rungen vorgenommen, die auch der
Bundesebene. Überdies verlangt er für    und die Koordination zwischen dem          Schweiz zugutekommen. Hingegen
die Migrationsbehörden eine Ein-         SEM und fedpol. Diese Bestimmungen         besteht beispielsweise noch Abstim-
schränkung des Zugangs zu den Daten-     bilden keine rechtlichen Grundlagen        mungsbedarf bei HR-Daten.
banken der Polizei.                      für einen ausdrücklichen Gesetzesauf-      Dem EDÖB sind im Berichtsjahr zwei
Der EDÖB hat die grosse Anzahl an        trag an das SEM bei der Aufklärung         Fälle betreffend Unternehmen gemel-
spezialgesetzlichen Erlassen und Nor-    von terroristischen Handlungen oder        det worden, die sich fälschlicherweise
men zur Regelung der Polizeitätigkei-    bei der Terrorismusbekämpfung.             als Swiss-US Privacy Shield zertifiziert
ten des Bundes erneut kritisiert.        Zudem betreffen diese Zugangsrechte        ausgaben («false claims»). Beide konn-
Hinzu kommt, dass die polizeilichen      gerichtspolizeiliche Daten und krimi-      ten in Zusammenarbeit mit dem U.S.
Daten auf unübersichtliche Weise in      nalpolizeiliche Analysen. Diese Daten      Department of Commerce (DoC)
mehreren Datenbanken und einer           sind äusserst sensibel und teilweise       gelöst werden. (vgl. auch Ziff. 1.4 im
wachsenden Zahl von Anwendungen          auch ungesichert. Der Zugriff auf sol-     Bericht des EDÖB zum 1. Swiss-US
bearbeitet werden. Der vorliegende       che Daten durch die Migrationsbehör-       Privacy Shield Review, Seite 4).
Entwurf für ein Bundesgesetz über        den muss über die Amtshilfe und nicht      Zudem sind rund zehn berechtigte
polizeiliche Massnahmen zur Bekämp-      über einen Online-Zugang erfolgen.         Beschwerden von Betroffenen aus der
fung von Terrorismus (PMT)               Auf diese Weise könnte fedpol die          Schweiz bei unabhängigen Beschwer-
erschwert diese Situation noch zusätz-   Verbreitung dieser Daten auf das           destellen (Independent Recourse
lich. Aus diesen Gründen forderte der    nötige Mass reduzieren.                    Mechanism, IRM) eingereicht worden.
EDÖB erneut die Ausarbeitung einer           Schliesslich wies der EDÖB auch        Betreffend den Ombudspersonmecha-
einheitlichen Polizeigesetzgebung auf    darauf hin, dass die Einsicht in das       nismus, der bei behördlichen Zugrif-
Bundesebene, so wie sie auch auf Kan-    automatisierte Fahndungssystem des         fen auf Personendaten Abhilfe schaf-
tonsebene existiert. Er erinnerte auch   Bundes (RIPOL) nicht dem gesetzli-         fen soll, ist bisher noch kein Fall beim
an die Wichtigkeit einer klaren Tren-    chen Auftrag der Tranzportpolizei          EDÖB eingegangen.
nung der Zuständigkeiten zwischen        entspricht, die Identität einer Person
dem Nachrichtendienst des Bundes         zu überprüfen oder eine Person zu
(NDB) und fedpol.                        identifizieren. RIPOL gibt nämlich an,
                                         ob eine Person zur Fahndung ausge-
                                         schrieben ist oder nicht. Ein Zugriff
                                         auf RIPOL erfordert sowohl die Ände-
                                         rung des Gesetzes über die polizeili-
                                         chen Informationssysteme des Bundes
                                         als auch eine Anpassung des Bundes-
                                         gesetzes über die Sicherheitsorgane
                                         der Transportunternehmen im öffent-
                                         lichen Verkehr.

22                                                          Eidgenössischer   Datenschutz-   und   Öffentlichkeitsbeauftragter
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