Technische Ansätze zur bedarfsgerechten Betriebsregulierung
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Eva Schuster und Elke Bruns, Technische Ansätze zur bedarfsgerechten B etriebsregulierung Technische Ansätze zur bedarfsgerechten Originalarbeit Betriebsregulierung Eine Chance für den naturverträglichen Ausbau der Windenergie? Von Eva Schuster und Elke Bruns Abstracts Technische Systeme zur automatisierten Vogelerkennung und Technical approaches for an automated regulation of wind turbines bedarfsgerechten Betriebsregulierung von Windenergieanlagen – Option for an extension of wind energy compatible with nature? (WEA) könnten zukünftig – zumindest in ausgewählten Fällen – zur Vermeidung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos Prospectively, technical solutions for the detection of flying birds beitragen. Zum einen könnten durch sie Abschaltungen zur Ver- in real time and an automated temporary wind turbine shut- minderung von Vogelkollisionen effizienter und wirkungsvoller down could, in selective cases, be a promising approach to min- werden. Zum anderen könnten sie einen Ansatz bieten, mit den imize collision risk of protected bird species. On the one hand, Prognoseunsicherheiten, die bei der Beurteilung von Tötungs- these systems could lead to a more effective and efficient turbine risiken im Rahmen der Genehmigung von WEA stehen, umzu- curtailment (on-demand). On the other hand, they provide the gehen. Gegenwärtig werden technische Systeme zur automati- possibility to deal with remaining uncertainties regarding the sierten Vogelerkennung vorwiegend für das Monitoring der prediction and assessment of potential significant negative im- Flugaktivität eingesetzt (Bsp.: Zugvogelerfassung). Gekoppelt pacts on birds in the course of the permitting process. At present, mit automatisierten Abschaltungen für Einzelvögel finden sie technical approaches are being used to monitor the flight activ- bisher in der deutschen Genehmigungspraxis für Onshore-WEA ity and behavior of birds (e. g. bird migration), whereas the jedoch keine Anwendung. Bevor die zum Teil noch in der Ent- coupling with automated turbine curtailment for single birds wicklung befindlichen Systeme zur Vogelerkennung und Be- has not been applied to onshore wind turbines in Germany so triebsregulierung in eine breitere Anwendung kommen können, far. Before these systems, of which some are still being developed müssen die Systeme ihre Zuverlässigkeit z.B. im Rahmen or optimized, can be frequently implemented in an established betriebsbegleitender Studien noch unter Beweis stellen. Die manner, their reliability must be investigated, e. g. within the Erprobung der technischen Systeme in Pilotvorhaben sollte nach framework of case studies during turbine operation. In order to einheitlichen Standards erfolgen und wissenschaftlich begleitet gain sound and transferable results, the evaluation of the systems werden. Der Artikel gibt einen kurzen Überblick über bisher must be based on a standardized research method. angewendete Verminderungs- und Vermeidungsmaßnahmen This paper gives a brief overview of “common” mitigation mit dem Fokus auf Abschaltungen, fasst den aktuellen Wissens- approaches with a focus on turbine curtailment, summarizes the stand über die technischen Systeme und bestehende An state of knowledge regarding technical approaches and ap wendungshürden zusammen und ordnet deren Einsatzmög- praises obstacles as well as possibilities for a possible future lichkeiten ein. application. 1 Einleitung Gegründet als neutraler Akteur mit dem tungsrisikos können in zweifacher Hinsicht Auftrag, zur Versachlichung von Debatten Unsicherheiten verbleiben: Zum einen ist Im Rahmen von Planungs- und Genehmi- und zur Konfliktklärung beizutragen, be- die durchzuführende Raumnutzungsana- gungsverfahren müssen wirksame und fasst sich das Kompetenzzentrum Natur- lyse zumeist aufgrund der Komplexität und praktikable Vermeidungs- und Verminde- schutz und Energiewende (KNE) mit aktu- raum-zeitlichen Dynamik der Aktivität und rungsmaßnahmen gefunden werden, mit ellen Entwicklungen und Erkenntnissen, Raumnutzung schon für den Untersu- denen prognostizierte Tötungsrisiken die ein Konfliktlösungspotenzial im Rah- chungszeitraum eingeschränkt aussage- durch Kollisionen von Vögeln mit Wind- men der naturverträglichen Energiewende kräftig, für einen Genehmigungszeitraum energieanlagen (WEA) unter die Signifi- besitzen. Ziel ist es, das zum Teil zerstreu- von 25 Jahren ist die Gültigkeit sehr frag- kanzschwelle gesenkt werden können. Die te Wissen neutral aufzubereiten und für lich (Grünkorn et al. 2016, Langgemach zunehmende Verknappung konfliktarmer den Wissenstransfer verfügbar zu machen. & Meyburg 2011). Zum zweiten ergeben Standorte stellt die Genehmigungsbehör- Ein zentraler Themenschwerpunkt ist die sich Prognoseunsicherheiten bezüglich der den dabei vor große Herausforderungen: Vermeidung von signifikant erhöhten Tö- tatsächlichen Wirksamkeit der einzelnen ffEs ist zum einen zu beurteilen, ob die tungsrisiken, hier insbesondere durch Kol- wie auch der kombinierten Vermeidungs- Signifikanzschwelle mit den „üblichen“ lision mit WEA. Die fachliche Begleitung und Verminderungsmaßnahmen. Schutzmaßnahmen unterschritten werden der Entwicklung und Erprobung techni- Die Möglichkeiten, auf diese Unsicher- kann. scher Lösungen für diesen Anwendungsbe- heit durch eine nachträgliche Anpassung ffZudem ist die Beantwortung der Frage reich stellt einen wesentlichen Bestandteil von Auflagen zur Adaption oder Verstär- erforderlich, ob eine vermeidungswirk der aktuellen Beratungsarbeit des KNE dar. kung von Schutzmaßnahmen zu reagieren, same Umsetzung insbesondere von Len- Bei der Prognose und Bewertung des sind begrenzt (Fellenberg 2016, Lau kungsmaßnahmen gelingt. vorhaben- bzw. standortspezifischen Tö- 2017). 226 N AT U RS C H U TZ u nd L a nd s ch a f ts pla nu ng | 50 ( 7) | 2018
Eva Schuster und Elke Bruns, Technische Ansätze zur bedarfsgerechten B etriebsregulierung In der Planungspraxis sind vorwiegend fachlichen Einschätzungsprä- Originalarbeit Lenkungsmaßnahmen die Regel, häufig in rogative“. Dieses behördliche Kombination mit pauschalen zeitweisen Letztentscheidungsrecht be- Abschaltungen. Es sollte geprüft werden, steht bei der Beurteilung von ob der Katalog geeigneter und prinzipiell Fragen, in denen sich in der wirksamer Maßnahmen um den Einsatz Wissenschaft und Praxis bis- technischer Systeme zur automatisierten lang keine gesicherte Er- Vogelerkennung und Abschaltung erwei- kenntnislage und anerkann- tert werden könnte. Der Artikel wird auf- ten Standards herauskristal- zeigen, unter welchen Voraussetzungen lisiert haben (vgl. BVerwG, dies möglich ist. Urt. v. 09.07.2008, AZ 9 A 14.07). Die Einschätzung der 2 Anforderungen an Vermeidungs- Fachbehörden basiert über- und Verminderungsmaßnahmen wiegend auf Erfahrungswer- ten. Eine belastbare Überprü- Mit Vermeidungsmaßnahmen soll der Ein- fung der Maßnahmenwirk- tritt der Verbotstatbestände nach § 44 samkeit fehlt weitgehend. Die Abs. 1 Nr. 1-3 BNatSchG, nämlich die Tö- Betreiber können weder zu tung und die Störung von besonders bzw. einem betriebsbegleitenden streng geschützten Arten sowie die Beschä- Monitoring noch zur Heraus- digung von deren Brutstätten, verhindert gabe von Daten verpflichtet Abb. 1: Der Rotmilan (Milvus milvus), eine WEA-sensible Vogelart. © Hanjo Steinborn werden. Der Fokus dieses Artikels liegt auf werden. Hierüber kann allen- der Verminderung von Kollisionsrisiken für falls eine freiwillige Verein The Red Kite (Milvus milvus), a bird species sensitive to wind turbines. die als WEA-sensibel eingestuften, „kolli- barung getroffen werden. sionsempfindlichen“ Vogelarten (vgl. Einen Überblick über das Spektrum der einiger Zeit eintretenden Gewöhnungs Bernotat & Dierschke 2016, LAG VSW Vermeidungs- bzw. Verminderungsansätze effekt vorzubeugen, wurde empfohlen, 2015) während des WEA-Betriebs. und damit verbundene Anwendungserfah- unterschiedliche Signaltonarten zu variie- Maßnahmen zur Verminderung von Kol- rungen bieten u. a. Biehl et al. (2017), ren und diese bedarfsgerecht einzusetzen. lisionsrisiken müssen prinzipiell wirksam Bulling et al. (2015), Gartman et al. Bioakustische Signale, die einen natür und im Einzelfall unter Berücksichtigung (2016a, 2016b). Auch in der Forschung sind lichen Fluchtreflex auslösen, wurden eben- der standort- und zielartenspezifischen Ge- Einschätzungen zur Wirksamkeit bisher falls aufgeführt (vgl. Harris & Davis 1998), gebenheiten geeignet sein. Die Maßnahme lediglich vereinzelt anzutreffen (vgl. De allerdings scheinen sie in Bezug auf Greif- soll ihre Wirksamkeit bis spätestens zum Lucas et al. 2012, Mammen et al. 2014, May vögel (Prädatoren) und den erforderlichen Zeitpunkt der Inbetriebnahme entfalten et al. 2015). Gegenwärtig befasst sich in artspezifischen Einsatz hier wenig sinnvoll. und über den gesamten Zeitraum der Ge- Deutschland ein FuE-Vorhaben des Bun- Eine Überprüfung hrer Langzeitwirkung nehmigung wirksam bleiben. Die tatsäch- desamtes für Naturschutz (BfN) damit, an WEA steht derzeit jedoch noch aus. Zum liche Wirksamkeit (im Sinne von Vermei- Erfahrungen zur Wirksamkeit zusammen- anderen ist im Einzelfall zu prüfen, ob Ver- dungserfolg) muss in der Regel nicht nach- zutragen (WINVERMIN, 01.09.2016 – grämungsmaßnahmen einen Störungstat- gewiesen werden. Der Nachweis der Wirk- 30.09.2017; http://t1p.de/WinVerMin). In bestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG samkeit ist somit – anders als bei CEF-Maß- einem weiteren FuE-Vorhaben (NatFor- erfüllen und daher in solchen Fällen nicht nahmen – nicht Genehmigungsvorausset- WINSENT, 01.07.2017 – 31.10.2018; zum Einsatz kommen dürfen. zung. Art und Umfang der Vermeidungs- http://t1p.de/NatForWINSENT) sollen mit und Verminderungsmaßnahmen müssen dem Einsatz technischer Erkennungs- und 3 Abschaltungen zur Verminderung sich in erster Linie daran orientieren, das Abschaltsysteme an einem Testfeld neue von Vogelkollisionen Eintreten des Verbotstatbestands zu ver- Ansätze entwickelt und erprobt werden. hindern. Dabei unterliegen etwaige Vermei- Bei den Verminderungs- und Vermei- In einigen Bundesländern, in denen bei- dungsauflagen jedoch nicht dem Verhält- dungsmaßnahmen, die in den Leitfäden spielsweise der Rotmilan oder auch der nismäßigkeitsgebot (z.B. Aufwand/Kosten und Erlassen der Länder als geeignet und Mäusebussard flächendeckend vorkom- in Relation zum erzielbaren Nutzen/Ver- prinzipiell wirksam eingestuft werden, men, sind konfliktarme Standorte für Er- meidungsbeitrag). Eine solche Abwägung, handelt es sich im Wesentlichen um richtung und Betrieb von WEA schwer zu im Sinne einer Angemessenheitsprüfung, ffLenkungsmaßnahmen, bestehend aus finden. So stellt sich unweigerlich auch die wäre erst im Rahmen einer nachträglichen einer „unattraktiven“ Gestaltung der Flä- Frage nach Abschaltungen als Verminde- Anordnung vorzunehmen (vgl. OVG Lüne- chen zur Minderung des Nahrungsangebots rungsmaßnahme, insbesondere dort, wo burg, Urt. v. 25.07.2011, AZ 4 ME 175/11). im WEA-Umfeld und Habitat-Aufwertungs- der Zugriff auf die Flächengestaltung und Dabei ist vorauszusetzen, dass ein Spekt- maßnahmen auf WEA-fernen Flächen, so- ‑bewirtschaftung im Umfeld der WEA ein- rum praktikabler Maßnahmenoptionen für wie um geschränkt ist und Flächen für die WEA- die Erreichung dieses Ziels besteht. ffBetriebsregulierungsmaßnahmen in Form ferne Habitataufwertung nicht oder nur Die Einschätzung, ob die in der Praxis von Abschaltungen. vereinzelt verfügbar sind. Hier können verbreitet angewendeten Maßnahmen ge- Maßnahmen zur aktiven Vergrämung Abschaltungen die einzige Möglichkeit dar- eignet und wirksam sind und den Eintritt werden gegenwärtig nicht als Verminde- stellen, das Tötungsrisiko unter die Signi- der Verbotstatbestände verhindern bzw. rungsmaßnahme empfohlen. Insbesondere fikanzschwelle zu senken. Risiken unter die Signifikanzschwelle sen- ist fraglich, ob akustische Vergrämung dau- Abschaltungen können temporär, an- ken können, unterliegt der „naturschutz- erhaft wirkt. Um einem möglichen, nach lassbezogen oder bei dem tatsächlichen 50 ( 7) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andschaf tspl a n un g 227
Eva Schuster und Elke Bruns, Technische Ansätze zur bedarfsgerechten B etriebsregulierung Eintritt eines Vogels in den Gefahrenbe- weise gut prognostizieren. Dabei spielen die Landschaft ist, in der die WEA steht und Originalarbeit reich einer WEA vorgesehen sein. Dabei insbesondere Jahres- und Tageszeit, Wind- je knapper das Nahrungsangebot dadurch kann es sich um eine Betriebsregulierung geschwindigkeit, Temperatur und Nieder- ist. Aufgrund der erhöhten Flugaktivität im Sinne einer gesteuerten Verlangsamung schlag eine Rolle (vgl. Brinkmann et al. über den bewirtschafteten Flächen gilt die der Rotordrehbewegung bis hin zum Still- 2011). Die Abschaltzeiten können darüber Abschaltung einer WEA sowohl während stand handeln. Abschaltungen gelten als hinaus durch ein freiwilliges betriebsbe- der Bewirtschaftung als auch in den Folge- zuverlässig wirksam, da der überwiegende gleitendes Monitoring (Erhebung von akus- tagen als geeignete Verminderungs- und Teil der Vogelkollisionen mit den Rotor tischen Monitoringdaten) über die ersten Vermeidungsmaßnahme (s. Tab. 1). Eine blättern der betriebenen WEA geschieht. Betriebsjahre hinweg standortspezifisch derartige Festlegung ist mit einem hohen In seltenen Fällen und bei wenigen Arten- angepasst und automatisiert gesteuert wer- Koordinationsaufwand verbunden. Insbe- gruppen (insbesondere Kleinvögeln und den (vgl. z.B. Behr et al. 2015, Brinkmann sondere bei kleinteiliger Eigentümerstruk- Hühnervögeln) wurden Kollisionen mit et al. 2011). tur und diversifizierter Bearbeitung kann dem WEA-Turm beobachtet (vgl. Dürr Die Prognose von Abschaltzeiten für es zu häufigen bzw. wiederkehrenden Ab- 2011, Schuster et al. 2015). Vögel ist hingegen wesentlich schwieriger, schaltungen auch über längere Phasen Zugleich sind sie aber auch eine „harte“ da ihre Flugaktivitäten nicht in gleichem kommen. Zudem ist die Kontrolle der ord- Maßnahme, die in das Betriebsregime der Maße wie bei den Fledermäusen mit akti- nungsgemäßen Durchführung der Maß- WEA eingreift und mit Effizienzeinbußen vitätsbeeinflussenden Parametern korre- nahme bei kleinteiliger Nutzungsstruktur für den Betreiber verbunden ist. Insofern lieren (Grünkorn et al. 2016). Neben laut Betreiber sehr aufwändig. ist zu prüfen, ob das Ziel, das Kollisionsri- saisonalen oder tageszeitlichen Faktoren siko unter die Signifikanzschwelle zu sen- spielen Verhaltensparameter, der Fort- ffManuelle Abschaltungen (auf Grund- ken, nicht auch durch andere, weniger pflanzungs- und Entwicklungszyklus sowie lage von Sichtkontrollen) restriktive Maßnahmen erreicht werden die Habitatausstattung bzw. Landnutzung Vereinzelt gibt es Vermeidungskonzepte, kann. Abschaltungen sollten mit Augen- im Umfeld der WEA eine Rolle für die Flug- bei denen ein Beobachter eingesetzt wird, maß angewendet werden und z.B. nur aktivität und damit für das Gefährdungs- um eine Abschaltung „bedarfsgerecht“ aus- dann zum Einsatz kommen, wenn andere potenzial. zulösen, sobald sich ein WEA-sensibler Maßnahmen nicht ausreichen, um das Kol- Zeiträume für temporäre Abschaltungen Vogel in den Gefahrenbereich der WEA lisionsrisiko unter die Signifikanzschwelle können an die Fortpflanzungs- und Ent- begibt. In einem spanischen Windpark zu senken. wicklungsphasen des Brutpaares oder das konnte auf diese Weise die Zahl der Kolli- Eine systematische Auswertung, in wie Zug- und Rastgeschehen gekoppelt sein. sionen des Gänsegeiers (Gyps fulvus) um vielen Fällen eine Genehmigung mit der Die Abschaltungen während der Brutzeit 50 % reduziert werden (de Lucas et al. Auflage von Abschaltungen erteilt wurde, zur Senkung des Kollisionsrisikos umfassen 2012). Die Herangehensweise ist ein erster liegt zwar nicht vor. Da die naturschutz- dabei die gesamte Brutphase, wobei Zeiten Schritt zu einer bedarfsgerechten Abschal- fachlichen Empfehlungen der Länder ne- mit Balz, Nestbau, Territorialverhalten und tung und die Abschaltzeiten können be- ben den Abschaltzeiten zum Zwecke des Selbständigwerden der Jungvögel einge- darfsbezogen eingegrenzt bzw. präzisiert Fledermausschutzes in den überwiegenden schlossen sind. Betriebsregulierungen wer- werden. Ob sich eine solche Lösung für die Fällen auch Abschaltungen für den Vogel- den dann meist für einzelne Brutpaare auf breite Anwendung eignet, ist fraglich. Der schutz (ereignisbezogen und pauschal, vgl. der Grundlage von Langzeitbeobachtungen Beobachtungsaufwand (ganztägig, über Tab. 1) vorsehen, ist jedoch davon auszu- oder Erfahrungswerten i.d.R. pauschal fest- mehrere Monate) ist hoch. Über die Feh- gehen, dass diese Empfehlungen nicht nur gelegt (vgl. Tab. 1). Aus naturschutzfach- lerrate liegen keine Kenntnisse vor. Aus in Einzelfällen Eingang in die Genehmi- licher wie auch aus energiewirtschaftlicher Berichten unterschiedlicher Akteure (Be- gungspraxis finden und sich in der Summe Sicht sollte das Abschaltfenster den Zeit- treiber, Fachbehörden) aus Niedersachsen auf die Effizienz der Energiegewinnung raum der erhöhten Kollisionsgefahr am sowie Nordrhein-Westfalen (mdl. Mitte- auswirken. Ein effizienter Anlagenbetrieb Standort abdecken und möglichst präzise lung der Genehmigungsbehörden) über und somit die effiziente Standortausnut- bestimmt werden (Bulling et al. 2015, den Einsatz eines Beobachters zur bedarfs- zung, insbesondere in Windkonzentrati- May et al. 2015). Eine Auflage starrer, also gerechten Betriebsregulierung geht hervor, onszonen, liegt somit auch im Interesse des z.B. am Datum orientierter Abschaltzeiten, dass sich die Maßnahme als wenig prakti- Naturschutzes. Eine geringere Auslastung birgt die Gefahr, dass sie nicht bedarfsge- kabel und als nicht kontrollierbar erwies. der Einzelanlagen hätte einen verstärkten recht sind; so können Brutzeiten variieren, Neubau von WEA zur Folge und würde es können sich aber auch Brutplätze verla- ffTechnikgestützte, automatisierte Ab- damit zu mehr Flächenbedarf führen. gern. Eine „adaptive“ Änderung ist kaum schaltungen Im Folgenden werden zunächst ver- möglich (vgl. Fellenberg 2016, Lau Es liegt sowohl im naturschutzfachlichen schiedene Formen der Abschaltungen sowie 2017). als auch im energiewirtschaftlichen Inter- ihre Vor- und Nachteile vorgestellt, bevor esse, die Wirksamkeit von Abschaltungen auf die Chancen und Risiken einer bedarfs- ffBewirtschaftungsabhängige Abschal- durch eine zeitliche Präzisierung zu er gerechten bzw. situationsabhängigen Ab- tungen höhen und die Effizienz der WEA nicht schaltungssteuerung eingegangen wird. Bestimmte Bewirtschaftungsereignisse unnötig einzuschränken. Technik-gestütz- (z.B. Mahd, Umbruch) im Umfeld der WEA te Systeme, die eine Abschaltung immer ffAbschaltzeiten (temporäre aktivitäts- erhöhen zeitweise das Nahrungsangebot dann auslösen, wenn sich mindestens ein abhängige Abschaltung) und üben dadurch eine Attraktionswirkung Individuum einer betroffenen Art im un- Für Fledermäuse lassen sich die Zeitfenster für Vögel aus (vgl. Mammen et al. 2014). mittelbaren WEA-Umfeld und somit in für temporäre Abschaltungen auf Grund- Es wird angenommen, dass diese Attrakti- akuter Kollisionsgefahr befindet, könnten lage von Parametern, welche die Fleder- on – und das damit verbundene Kollisions- eine bedarfsgerechte, auf das Vorliegen mausaktivität beeinflussen, vergleichs risiko – umso höher ist, je „ausgeräumter“ eines tatsächlichen Gefährdungstat 228 N AT U RS C H U TZ u nd L a nd s ch a f ts pla nu ng | 50 ( 7) | 2018
Eva Schuster und Elke Bruns, Technische Ansätze zur bedarfsgerechten B etriebsregulierung Tab. 1: Länderspezifische Empfehlungen zur Betriebsregulierung aus Leitfäden und Arbeitshilfen zur Verminderung von negativen Auswirkungen auf Vögel. Originalarbeit Recommendations of the German states regarding different types of turbine curtailment for the minimisation of bird collision. Bundesland Betriebsregulierung nach Bewirtschaftungsereignis Betriebsregulierung während Brut/Zug/Rast Quelle Baden- Rotmilan: wenn im Umkreis von 1 000 m um die WEA regel Zugvögel: Abschaltung an Tagen mit bedeutendem Zug LUBW (2015) Württemberg mäßig frequentierte Nahrungshabitate und Flugwege fest aufkommen und eingeschränkter Sicht gestellt wurden Rastvögel: temporäre Abschaltzeiten während der Rastzeiten Rotmilan, Wiesenweihe, Kornweihe, Rohrweihe: auf landwirt- Korn- und Wiesenweihe: im Falle einer Brutansiedlung inner- schaftlich und gärtnerisch genutzten Flächen am Tag der halb des empfohlenen Abstandsradius (1 000 m) im Zeitraum Bodenbearbeitung (Mahd, Ernte, Pflügen, Grubbern, Eggen, 01. April bis 31. August von Sonnenaufgang bis Sonnenunter- Mulchen, Ausbringen von Festmist) und drei Folgetagen im gang, während der jeweiligen Brutphase (Balz, Nestbau, Ter Zeitraum von 01. März bis 31. Oktober von Sonnenaufgang bis ritorialverhalten bis zum Selbständigwerden der Jungvögel) Sonnenuntergang im Umkreis von 300 m Rohrweihe: s. Korn- und Wiesenweihe; im Zeitraum 15. März bis 15. September Bayern insbesondere bei Rotmilanvorkommen: Abschaltung für mind. -- BayWEE (2016) zwei Tage bei großflächiger Ernte oder Mahd um die Anlage während des Tages; zielgerichtete Abschaltung während Ernte und Mahd Brandenburg allgemein: als nachträglich mögliche Auflage beispielsweise Änderungen im Betriebsregime in Betracht kommend MUGV Brandenburg (2011) Hessen -- Zugvögel: in Gebieten mit überdurchschnittlicher Zug HMUELV & HMWVL vogelverdichtung; Festlegung der Betriebszeitenregelung im (2012) Einzelfall, ggf. in Abhängigkeit von Witterungsbedingungen Mecklenburg- begleitende Maßnahmen zur Absicherung der Wirksamkeit -- LUNG MV (2016) Vorpommern von Vermeidungsmaßnahmen: auf landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Flächen am Tag der Bodenbearbeitung (Mahd, Ernte, Mulchen, Pflügen, Grubbern, Eggen, o. Ä.) und drei Folgetagen im Zeitraum 01. März bis 31. Oktober von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Umkreis von 300 m Niedersachsen kollisionsgefährdete Vogelarten: drei Tage ab Beginn der bo- Hinweise [zu Repowering]: „Ein Ende der Windenergienutzung [1] MNUEK (2016) denwendenden Bearbeitungen und Erntearbeiten im Umkreis sollte insbesondere angestrebt werden [...] in Bereichen, in [2] NLT (2014) von mind. 100 m während der Brutzeit bis zum 15. Juli; im denen es zu hohen kollisionsbedingten Tierverlusten (Fleder- Rahmen eines maßnahmenbezogenen Monitorings zu über- maus oder Vögel) kommt oder Anzeichen für solche Verluste wachen [1] gegeben sind und das Problem mit einer befristeten Abschal- tung der Anlagen nicht behoben werden kann.“ [2] Nordrhein- Grünlandmahd: Tag des Mahdbeginns und drei Folgetage Zugvögel: Hinwirken auf geeignete Abschaltszenarien an WEA [3] MULNV NRW (2017) Westfalen während Beginn bis Ende bürgerlicher Dämmerung im Umkreis in markanten Lagen, die während des Vogelzugs regelmäßig in [4] MKULNV NRW von 100 m [3] Rotorhöhe überflogen werden [4] (2012) Ackerernte: Tag des Erntebeginns bis zwei Tage nach Umbruch Stoppelbrache während Beginn bis Ende bürgerlicher Dämme- rung im Umkreis von 100 m [3] Rheinland- abhängig von Ernte und Mahd sowie in Anpassung an örtliche Kranichzug: während Haupt- und Massenzugtagen im Frühjahr Ministerium für Um- Pfalz Verhältnisse und Herbst bei schlechten Witterungsbedingungen (Nieder- welt, Landwirtschaft, Grünlandmahd: Tag des Mahdbeginns und drei Folgetage von schlag, Gegenwind, Nebel) während des voraussichtlichen Verbraucherschutz, Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im „home range“ Überflugs der Zugwelle auf der Basis eines Kranichzug-Moni- Weinbau und Forsten betroffener Rotmilan-Revierpaare, um Aktions- und Zeitraum torings Rheinland-Pfalz (2012) der größten Nahrungsverfügbarkeit und ‑Attraktivität abzu Wiesenweihe: im Falle einer Brutansiedlung innerhalb des decken. empfohlenen Abstandsradius (1 000 m), während der jeweili- gen Brutphase (Balz, Nestbau, Territorialverhalten bis zum Selbständigwerden der Jungvögel) Saarland in Abhängigkeit landwirtschaftlicher Nutzungsereignisse Kranichzug: an starken Zugtagen sollten die WEA abgeschaltet Ministerium für Um- (Mahd, Ernte, Einsaat, Pflügen, Grubbern, Eggen, Heuwenden, werden, Kollisionsgefahr insbesondere bei schlechten Witte- welt und Verbraucher- Heuentnahme) am Tag der Bearbeitung und zwei Folgetagen rungsbedingungen (Nebel, Starkregen, Sturm, Schnee u. ä.); schutz Saarland von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf der vom Rotor Monitoring erforderlich (2013) überstrichenen Fläche zzgl. 50 m Puffer Sachsen-Anhalt Rotmilan: Während und nach Ernte, Mahd, Umbruch und Heu- -- Mammen et al. (2014) wenden von Flächen im Umkreis von 200 m um eine WKA am Tag der Bewirtschaftung und zwei Folgetagen von Sonnenauf- gang bis Sonnenuntergang; erfolgt Mahd erst nach 14 Uhr, ab Bewirtschaftung und drei Folgetagen Schleswig- Ackerflächen: Tag der Bewirtschaftung und vier Folgetage -- MELUND & LLUR Holstein Grünlandflächen: Tag der Bewirtschaftung und drei Folgetage (2017) jeweils 1 Std. vor Sonnenaufgang bis 1 Std. nach Sonnenunter- gang im Zeitraum 01. Mai bis 31. August für nicht randliche Gebiete (Bezug: Rotmilan, Weißstorch) Thüringen obligatorische Abschaltung zur Mahd- und Erntezeit auf Brutzeit: sofern Horst besetzt, Beginn der Abschaltung von TLUG (2017) Grünland und Ackerland: im Umkreis von 300 m am Tag der Revierbesetzung/Balzzeit bis Verlassen der Reviere durch Jung- Bewirtschaftung und zwei Folgetagen im Zeitraum April bis und Altvögel, nach Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang September zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang; Zugzeit: Abschaltung über gesamte Zugzeit (Frühjahrs- und Ausnahme: Anbau Körnermais sowie kleine Flächen von < 1 ha Herbstzug) der betroffenen Art 50 ( 7) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andschaf tspl a n un g 229
Eva Schuster und Elke Bruns, Technische Ansätze zur bedarfsgerechten B etriebsregulierung bestands abgestellte Abschaltung leisten. sehen. Bei Radarsystemen, beispielsweise rasystemen groß genug, um Abschaltungen Originalarbeit Aus einer großen Zahl von Beratungsge- SwissBird Radar, Robin Radar Systems, rechtzeitig auslösen zu können. Die Syste- sprächen mit Projektierern und Betreibern DeTect; bei Kamerasystemen, z.B. DTBird, me sind jedoch kostspielig, was ihren Ein- ging hervor, dass überwiegend die Auffas- IdentiFlight, ProBird, SafeWind; bei GPS- satz begrenzen dürfte. sung vorherrscht, dass die Verwendung gestützten Systemen, etwa Geofences, ist ffDer Einsatz von GPS-Transmittern (Tra- solcher Systeme die Chance bieten könnte, diese Möglichkeit theoretisch gegeben. cker), wie sie in Kombination mit Geofen- Ertragseinbußen durch pauschalierte Ab- Einige dieser Systeme sehen zudem den ces benötigt werden, ermöglicht zwar eine schaltungen zu vermindern. Auch der Einsatz einer akustischen Warnung bzw. recht genaue Lokalisierung der Einzel avifaunistische Fachbeitrag aus Thüringen Vergrämung als Vorstufe der Betriebsregu- vögel, setzt jedoch die Besenderung jedes (TLUG 2017: 44) erwähnt erstmals Radar- lierung vor. einzelnen Individuums voraus, da die Maß- systeme als zukünftig denkbare Verminde- Die existierenden Systeme weisen recht nahme ausschließlich für besenderte Vögel rungsmaßnahme, sofern diese nach einer unterschiedliche Entwicklungsstände auf. wirksam ist. Überfliegt ein besenderter Fortentwicklung die technische Reife er- Zu den entscheidenden Kriterien der Be- Vogel eine um einen Windpark herum an- langt haben. wertung der Zuverlässigkeit der Systeme gelegte virtuelle Grenzlinie („Geofence“), würden nach Auffassung des KNE insbe- kann dies eine automatische WEA-Abschal- Der folgende Abschnitt geht der Frage sondere die Reichweite der Erfassung, die tung einleiten. Die Maßnahmenwirksam- nach, welchen Entwicklungsstand die ein- Erfassungswahrscheinlichkeit, die Dauer keit ist dabei stark von der engen Taktung zelnen Systeme haben, welche Anwen- der Datenübermittlung bzw. das Erfas- der Datenübertragung und somit von der dungsfälle denkbar sind und was noch zu sungsintervall, die Abdeckung des gesam- Leistungsfähigkeit der verwendeten Akkus tun ist, bevor die Systeme eine breite An- ten WEA-Umfelds und die Ad-hoc-Identi- abhängig (Sheppard et al. 2015). Während wendung erfahren können. fikation der Flugobjekte auf Arten- bzw. des Fangs und der Besenderung besteht Artengruppenebene gehören. Nach heu zudem die Gefahr, dass die Tiere verletzt 4 Technische Systeme zur auto- tigem Kenntnisstand erfüllt keines der werden. matisierten Vogelerkennung Systeme die genannten Kriterien vollum- Eine detaillierte Übersicht über Eigen- und Betriebsregulierung fänglich: schaften und Limitationen der einzelnen ffDie Kamerasysteme haben eine ver- existierenden Systeme wurde vom Kompe- Kommerzielle Entwickler wie auch wissen- gleichsweise begrenzte Reichweite der tenzzentrum Naturschutz und Energiewen- schaftliche Institute entwickelten bzw. optischen Erfassung, ihre Leistungsfähig- de erarbeitet und wird in regelmäßigen optimierten in den letzten Jahren zahlrei- keit ist stark von den Sichtverhältnissen vor Abständen aktualisiert und erweitert (s. che Systeme für die Vogel- und Fledermau- Ort abhängig und sie weisen derzeit eine KNE 2018). serkennung an WEA. Die Systeme nutzen hohe Falsch-Positiv-Rate (Fehlerkennungs- unterschiedliche Basis-Technologien (Ra- und Auslöserate) auf (Aschwanden et al. 5 Anwendung technischer Systeme dar, Kamera, GPS, Sensoren), die jeweils 2015, Steinmetz 2017). Somit kann eine in der Praxis unterschiedliche Eigenschaften (beispiels- Vergrämung bzw. eine Betriebsregulierung weise hinsichtlich der Reichweite, Raum- fälschlicherweise sowohl durch Regentrop- Es gibt eine Reihe von Gründen, warum abdeckung, Erfassungswahrscheinlichkeit, fen in Kameranähe oder Flugzeuge in wei- technische Systeme in der deutschen Ge- Identifikation von Flugobjekten bzw. Grö- ter Entfernung zur WEA als auch durch nehmigungspraxis bisher keine Rolle spie- ßenklassen) aufweisen und somit für un- Greifvögel im Umfeld der WEA ausgelöst len. Grundsätzlich mangelt es an empiri- terschiedliche Planungsphasen geeignet werden (vgl. Aschwanden et al. 2015). schen Nachweisen über ihre Wirksamkeit sind. Radarsysteme werden z.B. an Off- Systeme zur aktiven Erkennung von vogel- bzw. ihren Wirkungsgrad. Bei nicht-tech- shore-Windparks und an Flughäfen vor- artigen Flugobjekten befinden sich in der nischen Maßnahmen existiert für das Bun- nehmlich zur weiträumigen Erfassung der Entwicklung. Ob die Reichweite der Syste- desgebiet mit den hier vorkommenden Flugaktivität und zur Quantifizierung der me ausreicht, um eine rechtzeitige Abschal- Arten zumindest ein gewisser Erfahrungs- Durchzugrate herangezogen (vgl. Dirksen tung zu gewährleisten, muss sich noch schatz aus der praktischen Anwendung. 2017). Unabhängig von einem möglichen erweisen. Dies ist bei den technischen Ansätzen zur Einsatz für eine bedarfsgerechte Betriebs- ffRadarsysteme, die eine weiträumige Er- bedarfsgerechten Betriebsregulierung noch regulierung lassen sich hieraus Rückschlüs- fassung über mehrere Kilometer mit einer nicht der Fall. se für die Standortfindung ableiten. Kame- vergleichsweise hohen Erfassungsrate von Allerdings wurden in Forschungsprojek- rasysteme (Aschwanden et al. 2014, May Einzelvögeln ermöglichen, sind in der Lage, ten GPS-Transmitter und Radarsysteme et al. 2012, Steinmetz 2017) und GPS- Flugobjekte zumindest auf Artengruppe- standardmäßig zu Beobachtungszwecken Telemetrie eignen sich für das Monitoring nebene über eine Klassifizierung der Kör- verwendet (z.B. Hill et al. 2013, Hötker von Flugaktivitäten im WEA-Umfeld (Höt- pergröße zu bestimmen. Aktuell in der et al. 2013, Mammen et al. 2014, May et ker et al. 2013, Mammen et al. 2014, May Testphase befindliche Systeme zielen dar- al. 2012, Plonczkier & Simms 2012). Auf et al. 2012). Sensor-gestützte Systeme auf ab, über ein artspezifisches Muster der die bestehenden Kenntnisse über Funkti- finden Anwendung bei der Erfassung von Flügelschlagfrequenz eine Identifikation onsweise und Anwendbarkeit kann bei der Kollisionen mit dem Rotorblatt (EMPEKO auf Artenebene zu erreichen (vgl. Dirksen Systementwicklung und der Erprobung in S.A. 2016, Wiggelinkhuizen et al. 2007). 2017, Snoek 2016). Radarsysteme produ- der Praxis teilweise aufgebaut werden. Das An eine zuverlässige bedarfsgerechte zieren große Datenmengen, die auf der KNE kann an dieser Stelle einen Beitrag Betriebsregulierung sind andere und zu- Basis von standort- und zielartenspezifi- zum Wissenstransfer leisten. dem sehr hohe technische Anforderungen schen Informationen automatisiert verar- Einzelne Hersteller haben in den ver- zu stellen. Sie wird nicht von allen Syste- beitet und analysiert werden müssen, um gangenen Jahren ihr System im Rahmen men unterstützt, allerdings gibt es bereits diese nutzbar zu machen. Die Reichweite von Fallstudien überprüft und einen Be- mehrere Systeme, die diese Option vor der Erkennung ist im Vergleich zu Kame- richt über deren Wirksamkeit veröffentlicht 230 N AT U RS C H U TZ u nd L a nd s ch a f ts pla nu ng | 50 ( 7) | 2018
Eva Schuster und Elke Bruns, Technische Ansätze zur bedarfsgerechten B etriebsregulierung (z.B. DTBird, DeTect). Weitere kündigten aus der Erprobung gezogen werden, be- Fazit für die Praxis Originalarbeit an, dem in naher Zukunft gleichzukommen lastbar und von größtmöglichem Nutzen (z.B. IdentiFlight, ProBird, SafeWind, B- sind, wäre es aus Sicht des KNE wichtig, • Technische Systeme zur automatischen finder). Dabei handelt es sich aber nicht die Erprobung fachwissenschaftlich und Vogelerkennung und zur bedarfsgerech- immer um unabhängige, wissenschaftlich von neutraler Seite begleiten zu lassen. ten Betriebsregulierung stellen eine mög- begleitete Studien. Die Studien weisen teil- Darüber hinaus besteht Skepsis gegen- liche Option für die Verminderung von weise Defizite hinsichtlich der Transparenz über möglichen mit technischen Systemen Vogelkollisionen an WEA und für die Ver- und der Nachvollziehbarkeit der verwen- verbundenen Risiken, etwa dass ihr Einsatz ringerung von Prognoseunsicherheiten deten Methoden sowie hinsichtlich der zu Beeinträchtigungen von Tier und über das Kollisionsrisiko dar. präsentierten Ergebnisse auf. Da Metho- Mensch führen könnte. So waren einige in • Bevor es in Deutschland zu einer breiten denstandards für den Nachweis der Zuver- der Literatur beschriebene recht experi- Anwendung kommen kann, muss deren lässigkeit der Technik und für die Wirk- mentelle Ansätze unter dem Einsatz von Zuverlässigkeit im Rahmen wissenschaft- samkeit in Bezug auf den Verminderungs- beispielsweise energiereichen Lasern oder lich begleiteter Pilotstudien überprüft erfolg fehlen, sind die Überprüfung und der elektromagnetischer Strahlung (Fleder- werden. Vergleich der Ergebnisse der bisher vorlie- mäuse) so konzipiert, dass Verletzungen, • In welchen Fällen und unter welchen Be- dingungen diese Systeme zur Anwendung genden Studien erschwert. Zukünftig soll- Hyperthermie und Stress bei Tieren sowie kommen könnten, ist zu diskutieren und ten auch die Hersteller solcher technischen eine Gefährdung der menschlichen Ge- sollte mittels länderübergreifender Leitli- Systeme ein Interesse daran haben, ihre sundheit nicht ausgeschlossen waren (May nien festgelegt werden. Systeme von neutralen, unabhängigen In- et al. 2015, Nicholls & Racey 2007). Der- stituten unter Anwendung einheitlicher artige Risiken sind bei den für eine bedarfs- fachwissenschaftlicher Standards validie- gerechte Betriebsregulierung aktuell in führung von Pilotstudien erforderlich. ren zu lassen. Frage kommenden Systemen nicht zu be- Diese Studien sollten zur Gewährleistung Die oben aufgeführten Kriterien über die fürchten. Seitens des Naturschutzes besteht der Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit erforderlichen Anforderungen an Techno- die Befürchtung, dass Systeme, deren Zu- von Ergebnissen einem einheitlichen, an logien zur bedarfsgerechten Betriebsregu- verlässigkeit aktuell noch unzureichend fachwissenschaftlichen Maßstäben orien- lierung bilden das Gerüst, anhand dessen bekannt ist, bereits heute in all jenen Fällen tierten, Methodenstandard folgen. Die Er- überprüft werden sollte, ob die Vorausset- zum Einsatz kommen könnten, in denen probung der Systeme müsste artspezifisch zungen dafür gegeben sind, dass die Sys- eine Genehmigung aus artenschutzrecht- in verschiedenen naturräumlichen Regio- teme an WEA auch Einzelvögel im WEA- lichen Gründen bisher versagt wurde. Die nen erfolgen. Umfeld erkennen können und die Abschal- Technologien könnten hier als „Türöffner“ Das KNE sieht es als seine Aufgaben an, tung rechtzeitig eingeleitet werden kann. dafür dienen, Genehmigungen auch in sen- Beteiligte an Planungs- und Genehmi- Wie diese Kriterien im Einzelnen aus siblen Bereichen zu ermöglichen. gungsprozessen hinsichtlich einer mögli- geprägt sein müssen, d.h. welche Mindest- Diesen Befürchtungen kann entgegen- chen Anwendung der Systeme zu beraten, standards zu erfüllen sind, damit eine gewirkt werden, indem die Anwendungs- Anwendungserfahrungen zu sammeln und Anerkennung als wirksame Vermeidungs- fälle für den Einsatz dieser Technologien auszuwerten und so als neutrale Instanz maßnahme erfolgen kann, wäre Gegen- eingegrenzt werden. Aufgrund des Wirk- zu einer Validierung der Systeme beizutra- stand einer Konventionsbildung (Bick & prinzips, nämlich der Abschaltung bei je- gen. Darüber hinaus sollten länderüber- Wulfert 2017). dem optisch erfassten Vogel bzw. Individu- greifende Leitlinien entwickelt werden, in Für die Betreiber und Anwender der um der Zielarten, kann nicht jeder Standort welchen Fällen und unter welchen Bedin- Systeme stellt sich die Frage, mit welchen für die Windenergienutzung nutzbar ge- gungen die Systeme in der Praxis angewen- Einbußen durch eine bedarfsgerechte Be- macht werden. Die sorgfältige Standortpla- det werden sollten. triebsregulierung aus Gründen des Vogel- nung unter Beachtung von Mindestabstän- schutzes zu rechnen ist. Auf Grundlage der den und von Freihaltebereichen wird da- Dank ohnehin erforderlichen Erfassung und Pro- durch demnach nicht ersetzt. Erst wenn gnose der standortspezifischen Flugaktivi- nach den Untersuchungen erhebliche Pro- Wir möchten uns bei Jan Blew (BioConsult täten lässt sich eine erste Abschätzung der gnoseunsicherheiten verbleiben, ob das SH, Husum) für die Durchsicht des Manu- Häufigkeit bedarfsgerechter Abschaltun- Kollisionsrisiko sicher unter die Signi skripts und die nützlichen Hinweise bedan- gen vornehmen. Diese Informationen dürf- fikanzschwelle gesenkt werden kann, soll- ken. Ein weiterer Dank gebührt Elisabeth ten die Grundlage für die Entscheidung ten automatisierte Systeme in Betracht Hartleb (KNE) für ihre Expertise zu natur- bilden, ob die WEA auf dem Standort wirt- gezogen werden. schutzrechtlichen Inhalten. schaftlich zu betreiben sind. In Beratungsgesprächen mit dem KNE 6 Weitere Schritte Literatur kam zum Ausdruck, dass Betreiber und Aschwanden, J., Wanner, S., Liechti, F. 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Die Technologien sollten erst migung von Windenergieanlagen (WEA) (Wind- haben ein Interesse daran, dass Pilotstudi- dann in Genehmigungsverfahren einge- energie-Erlass – BayWEE). 1-59. en und Erprobungen durchgeführt werden, setzt werden können, wenn ihre Zuverläs- Behr, O., Brinkmann, R., Korner-Nievergelt, F., Nagy, M., Niermann, I., Reich, M., Simon, um die Funktionsfähigkeit und Zuverläs- sigkeit und prinzipielle Wirksamkeit nach- R. (Hrsg., 2015): Reduktion des Kollisions- sigkeit der Systeme besser beurteilen zu gewiesen sind. Hierfür ist eine kontrollier- risikos von Fledermäusen an Onshore-Wind können. Damit die Schlussfolgerungen, die te und wissenschaftlich begleitete Durch- energieanlagen (RENEBAT II). Umwelt und 50 ( 7) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andschaf tspl a n un g 231
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