Telecenter statt EIN PRAXISBERICHT AUS DEM TELEHAUS WETTER - Ein Praxisbericht aus dem ...

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Telecenter statt EIN PRAXISBERICHT AUS DEM TELEHAUS WETTER - Ein Praxisbericht aus dem ...
Telecenter statt
              EIN
              PRAXISBERICHT
              AUS DEM
              TELEHAUS
              WETTER
                G abriele Fladung

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              ZUKUNFTS-
              VISION TEIL I
              D   eutschland im Jahr 2020. Herr
                  X steigt die Stufen seines Hau-
              ses hinauf. Sie sind mit Solarzellen
              bepflastert, so wie das komplette
              Dach des Hauses. Zum Identitäts-
              nachweis legt er seinen rechten
              Zeigefinder auf eine Glasplatte am
              Hauseingang. Ein Computer er-
              kennt seinen Fingerabdruck, die
              Tür öffnet sich. Schon kommt ihm
              der Haushaltsroboter entgegen,
              nimmt ihm Hut und Mantel ab
              und serviert frischen Kaffee. Zuvor
              hatte der Roboter schon den Haus-
              müll ausgeleert, der automatisch
Teleheimarbeit
    sortiert und mit Brennstoffzellen        Sie hält ihm den Rücken frei, sorgt   Praxistest stehen hier die Verspre-
    zur Energiegewinnung eingesetzt          für Gemütlichkeit und erledigt        chungen der neuen Arbeitswelt
    wird. Herr X begrüßt seine Frau,         nebenbei und eher verschämt und       auf dem Prüfstand.
    die dank Bildtelefon und Internet        verschwiegen etwas Heimarbeit.          Das TELEHAUS WETTER mit sei-
    ihre Arbeit weitgehend zu Hause                                                nem Trägerverein VeFAR e. V. ver-
    erledigt. „Jetzt ist Feierabend“ ruft
    sie ihm zu, und gemeinsam ma-
                                             AUF DER                               knüpft struktur-, wirtschafts-, und
                                                                                   beschäftigungspolitische Frage-
    chen die zwei es sich vor dem            SUCHE NACH                            stellungen mit frauenpolitischen
    dreidimensionalen Fernsehbild ge-                                              Zielsetzungen. Es befaßt sich mit
    mütlich.* Folgt man den Zu-              GEGEN-                                der Bedeutung neuer Informa-
    kunftsforschern des Fraunhofer
    Instituts für Systemtechnik und
                                             ENTWÜRFEN                             tions- und Kommunikationstech-
                                                                                   nologien für die Schaffung quali-
    Innovationsforschung (ISI), könn-          Welche Gegenentwürfe entwik-        fizierter,     existenzsichernder,
2   te so das häusliche Leben der Zu-        keln Frauen? Wie können neue In-      wohnortnaher Arbeitsplätze für        2
    kunft aussehen.                          formations- und Kommunika-            Frauen im ländlichen Raum, den
       Ist das die Zukunft, die die Frau-    tionstechnologien im Interesse        Auswirkungen neuer Technolo-
    en wünschen? Oder handelt es             von Frauen genutzt werden? Lei-       gien auf die klassischen Büro- und
    sich um die immer gleichen               sten neue Technologien einen Bei-     Sekretariatsarbeiten und den
    Phantasien altmodischer Manns-           trag zum Abbau geschlechtshier-       Chancen der besseren Vereinbar-
    bilder: „Der Mann geht hinaus ins        archischer Arbeitsteilung im Be-      keit von Beruf und Familie mit
    feindliche Leben, und drinnen            ruf? Kann mit Hilfe neuer             Hilfe technikgestützter neuer Ar-
    waltet die züchtige Hausfrau.“ Die       Technologien sinnvoll die Verein-     beitsformen. Das TELEHAUS WET-
    Technologie ist zukunftsorientiert       barkeit von Beruf und Familie er-     TER bietet Projektmanagement
    – das Familienbild ist rückschritt-      leichtert werden, ohne traditionel-   und Beratung zu Themen der
    lich. Es orientiert sich am Ideal der    le arbeitsteilige Strukturen zuun-    branchenspezifischen, unterneh-
    bürgerlichen Familie des ausge-          gunsten       von     Frauen    zu    mensinternen und marktbezoge-
    henden 19. Jahrhunderts – mit            manifestieren?                        nen Telekooperation, berät und
    zeitaktuellen Variationen. An die          Die Chancen neuer Technologien      unterstützt in Kommunikations-
    Stelle des Dienstmädchens tritt der      auszuloten, dazu traten Anfang        fragen, führt Qualifizierungsmaß-
    Roboter. An die Stelle von Stick-        der 90er Jahre unternehmenslusti-     nahmen im EDV-Bereich durch,
    rahmen, Einkaufskorb und ver-            ge Frauen aus Hessen gemeinsam        berät und schult beim Aufbau von
    schämter Heimarbeit treten Inter-        mit dem Frauenamt des Landkrei-       Teleservicecentern und entwickelt
    net und Bildtelefon in wider-            ses Marburg-Biedenkopf an. Sie        technologieorientierte Beschäfti-
    sprüchlicher       Besetzung       als   gründeten das TELEHAUS WET-           gungsprojekte.
    Freizeitvergnügen und als Arbeits-       TER, das bisher einzige frauenge-       Im Schnitt 15 Arbeitsplätze bie-
    mittel für die treusorgende Ehefrau.     führte Telehaus in Deutschland. Im    tet das TELEHAUS WETTER in sei-
nen unterschiedlichen Geschäfts-       beitsplatz. ArbeitnehmerInnen be-       Zunehmend besetzen männliche
    feldern. Alle Mitarbeiterinnen sind    halten so die wichtigen formellen       Sachbearbeiter und Führungskräf-
    sozialversichert und werden tarif-     und informellen Kontakte zum Be-        te diese Arbeitsform. Weitere
    gerecht entlohnt. 40 Frauen – vor      trieb und können andererseits die       Unternehmen zogen nach.
    allem Wiedereinsteigerinnen – ha-      Vorteile der Arbeit am häuslichen         Mittlerweile ist das Geschlech-
    ben bisher das Projekt in befriste-    Schreibtisch, mehr persönliche          terverhältnis in der Telearbeit am
    ten Arbeitsverhältnissen durchlau-     Autonomie und den Zeitgewinn            Kippen. Die am besten abgesicher-
    fen. Mehr als 80 Prozent konnten       durch die Reduzierung der Ar-           te Form der Telearbeit, die alter-
    in den ersten Arbeitsmarkt inte-       beitswege genießen. In der Telear-      nierende Telearbeit von Arbeit-
    griert werden, davon auffällig vie-    beit waren – wie so häufig, wenn        nehmerInnen, entwickelt sich hin
    le in Führungs- und Leitungsposi-      es um Innovationen geht – Frau-         zu einer Männerdomäne. Auch
    tionen. Flexible Arbeitszeiten,        en die Pionierinnen.                    dies ist keine unbekannte Erschei-
    frauen- und familienfreundliche          Ein Paradebeispiel lieferte die       nung in der historischen Ausge-
    Arbeitsbedingungen zeigen, daß         Württembergische Versicherung           staltung geschlechtsspezifischer
    Wirtschaftlichkeit und Flexibilität    Anfang der 90er Jahre. In Folge         Arbeitsmärkte. Frauen besetzen als
    in den Arbeitsbedingungen kein         der Grenzöffnung waren die An-          Pionierinnen oder als Lückenbü-
    Widerspruch sein muß. Im Gegen-        träge in der Autoversicherung           ßerinnen des Arbeitsmarktes neue
    teil: Sie steigern die Motivation      sprunghaft angestiegen. Qualifi-        innovative Arbeitsfelder. Erweisen
    der Arbeitskräfte, und motivierte      zierte Sachbearbeiterinnen, die die     sich diese als zukunftsträchtig und
    Arbeitskräfte sind es, die den Er-     Antragsflut bewältigen konnten,         profitabel, dringen die Männer in
    folg des Telehauses voranbringen.      fehlten. So bot man den Erzie-          das Arbeitsfeld ein mit der Folge:
                                           hungsurlauberinnen des Unter-           Aufwertung der Tätigkeiten, recht-

2
    FRAUEN ALS                             nehmens Teilzeitstellen an, die
                                           weitgehend von zu Hause aus er-
                                                                                   liche Absicherung, Verdrängung
                                                                                   der Frauen. Folgerichtig stellt so       3
    PIONIERINNEN                           ledigt werden konnten. Telearbeit
                                           war das Mittel, qualifizierte Kräf-
                                                                                   mancher Promoter der Telearbeit
                                                                                   erleichtert fest: Telearbeit ist keine
    DER                                    te trotz ihrer familiären Verpflich-    „geschlechtsspezifische Arbeits-
                                           tungen für die Arbeit zu gewin-         form“ mehr. Was heißt das für die
    TELEARBEIT                             nen. Der Fall ist klassisch, vielfach   Frauen? Sie müssen kämpfen um
      Isolierte Telearbeit zu Hause,       belegt in historischen Studien zur      ihren Anteil an der zukunftsorien-
    ohne soziale Absicherung, in           Frauenarbeit: Fehlt es an Arbeits-      tierten alternierenden Telearbeit in
    (Schein)selbständigen Arbeitsver-      kräften, greift man zurück auf die      Form rechtlich abgesicherter, ver-
    hältnissen, das waren die Horrors-     Frauen als Lückenbüßerinnen des         traglich eindeutiger Arbeitsver-
    zenarien der 70er Jahre. Zu Recht      Arbeitsmarktes. Das Besondere bei       hältnisse. Dies ist eines der The-
    wehrten sich die Frauen gegen          der Württembergischen war, daß          men des TELEHAUSES WETTER.
    diese Arbeitsform, die nur schein-     neue Kommunikationstechnolo-
    bar Lösungen brachte für eine zu-
    friedenstellende Vereinbarkeit von
                                           gien eingesetzt wurden, daß die
                                           Frauen überwiegend zu Hause ar-
                                                                                   ARBEITEN IM
    Beruf und Familie. Die isolierte Te-   beiteten und daß sie ihren Arbeit-      TELESERVICE-
    leheimarbeit konnte sich bis heute     nehmerinnenstatus beibehielten.
    glücklicherweise nicht durchset-       Der Modellversuch verlief zur Zu-       CENTER
    zen.                                   friedenheit aller Beteiligten und         Das TELEHAUS WETTER selbst
      Die Zukunft gehört der alternie-     entwickelte eine enorme Sogwir-         praktiziert eine Sonderform der
    renden Telearbeit, d. h. der Er-       kung. Telearbeit wird bis heute         Telearbeit, die Arbeit in einem
    werbsarbeit im Wechsel zwischen        und in wachsendem Umfang bei            wohnortnahen Teleservicecenter.
    häuslichem und betrieblichem Ar-       der Württembergischen praktiziert.      Hier arbeiten die Beschäftigten
wohnortnah unter einem Dach bei        branche expandiert, ihr Wachstum     machen und ihre Marktchancen
    einem Arbeitgeber. Sie werden für      wird von guten Zukunftsprogno-       nachhaltig zu verbessern.
    verschiedene Auftraggeber tätig,       sen begleitet – doch der Anteil
    d. h. sie nutzen die Outsourcing-
    Potentiale anderer Unternehmen.
                                           frauengeführter Unternehmen ist
                                           gering. Gute Chancen haben Frau-
                                                                                VEREINBAR-
      Eine leistungsfähige Telekom-        en – so die Prognose des Telehau-    KEIT VON
    munikationsanlage im Teleservi-        ses – wenn sie mit ihrem Unter-
    ce-center ermöglicht Dienstlei-        nehmen zukunftsorientierte Ni-       BERUF UND
    stungen rund um das Telefon wie
    Telefonannahme, Anrufweiter-
                                           schen besetzen und neue markt-
                                           gerechte Formen der Zusammen-
                                                                                FAMILIE – EIN
    schaltung, Info- und Auskunfts-
    service, Terminmanagement, Tele-
                                           arbeit entwickeln. Das TELEHAUS
                                           WETTER unterstützt und begleitet
                                                                                UNGELÖSTES
    fonmarketing u. ä. Internet, E-        die Unternehmerinnen dabei, die      PROBLEM
    Mail,            Fax            und    Chancen der Telekooperation für
    Videokonferenzanwendungen die-         ihr Unternehmen zu nutzen. Dies         Auffällig häufig sind es die
    nen der Unterstützung des Sekre-       geschieht durch die Erprobung        Männer, die Telearbeit als Mittel
    tariatsservice, der Abwicklung von     und Anpassung informationstech-      zur Vereinbarkeit von Beruf und
    Geschäftskorrespondenz,          der   nologischer Produkte wie E-Mail,     Familie propagieren. Das macht
    Durchführung von Mailingaktio-         Internet, Videokonferenzsysteme      mißtrauisch angesichts der gerin-
    nen, der Übermittlung von graphi-      und Application Sharing. Die über    gen Zahl von Hausmännern und
    schen Präsentationen usw. Die          Telekooperation möglich werden-      der notorischen Weigerung eines
    Mitarbeiterinnen übernehmen den        den neuen Arbeitsformen werden       Großteils der männlichen Bevöl-
    Aufbau und die Pflege von Daten-       untersucht, die sich entwickelnden   kerung, gleichberechtigt Verant-
4   banken, führen Internetrecherchen      Kooperationen analysiert. Die        wortung für Hausarbeit, Kinderer-      4
    durch, gestalten Webseiten für ihre    Unternehmerinnen erwarten, daß       ziehung und Pflege von Angehö-
    Kunden und beraten in Kommuni-         über Telekooperation die Bera-       rigen zu übernehmen. Geht es
    kationslösungen.                       tungsangebote ganzheitlicher ge-     ihnen vielleicht nur um die Stabi-
      Eine spezielle Kundengruppe des      staltet werden können, daß sich      lisierung traditioneller Rollenbil-
    Serviceangebotes sind frauenge-        die Wettbewerbsfähigkeit verbes-     der und klassischer Arbeitsteilung
    führte Unternehmensberatungen.         sert und daß neue Synergien ge-      zwischen Männern und Frauen?
    Das Backoffice im TELEHAUS             schaffen werden. Im TELEHAUS         Andererseits sind es auffällig häu-
    WETTER führt die Unternehmerin-        WETTER erhalten sie das notwen-      fig Initiativen von Frauen, die die-
    nen an innovative Informations-        dige technische Rüstzeug, um ihr     se innovative Arbeitsform auf be-
    und Kommunikationstechnologien         Unternehmen zukunftsfähig zu         trieblicher Ebene durchsetzen ge-
    heran, schult sie in der Anwen-                                             gen den Widerstand von mittlerem
    dung und bietet professionelle                                              Management und Betriebsrat.
    Unterstützung in den Bereichen                                              Zweifellos verfolgen diese Frauen
    Telefon- und Sekretariatsservice.                                           nicht nur einen Ausweg aus dem
    Das Konzept wird unterstützt von                                            Dilemma der Doppel- und Mehr-
    der Landesregierung Hessen und                                              fachbelastung. Ihre Energie speist
    der Europäischen Union, denn es                                             sich auch aus Visionen und Wün-
    leistet einen Beitrag zur Förderung                                         schen für eine neue und andere
    frauengeführter Unternehmen, si-                                            Form des Lebens und des Arbei-
    chert Arbeitsplätze und treibt den                                          tens.
    Technologietransfer voran.                                                     Die häuslichen Voraussetzungen
      Die Unternehmensberatungs-                                                müssen stimmen, damit der Traum
von der Telearbeit nicht zum Alp-       lifizierungsdefizite bei der Einfüh-   lernen können. Die Materialien
    traum wird. Frau benötigt ein ei-       rung von Telearbeit. Vor diesem        holen sie sich über das Telefon-
    genes abgeschlossenes Arbeits-          Hintergrund entwickelte das TE-        netz vom Rechner des Telehauses
    zimmer – ein Zimmer für sie             LEHAUS WETTER die Projektlinie         auf den eigenen Computerbild-
    allein –, um ungestört arbeiten zu      TAF – Telearbeit in der Familien-      schirm zu Hause.
    können. Eine professionelle, er-        phase. Telearbeit in der Familien-       Kurz vor der Eröffnung steht das
    gonomische Büroausstattung ist          phase, so die These, ist ein Mittel,   Multimedia Lernzentrum des TE-
    auch zu Hause notwendig, denn           den drohenden Karriereknick für        LEHAUSES WETTER. Es steht allen
    die Gesundheit ist unbezahlbar.         Erziehungsurlauberinnen abzumil-       Frauen offen, die sich mit neuen
    Verläßliche Kinderbetreuung ist         dern. Telearbeit in der Familien-      Technologien auseinandersetzen
    unverzichtbar, denn frau braucht        phase bringt beiden Vorteile – dem     wollen. Sie können hier im Inter-
    Ruhe zum Arbeiten. Telearbeit zu        Betrieb ebenso wie der Arbeitneh-      net surfen, diverse Selbstlernsoft-
    Hause erfordert ein hohes Maß an        merin. Dem Betrieb bleiben quali-      ware ausprobieren, Schnupperkur-
    Selbstdisziplin, an Eigenständig-       fizierte, bewährte Mitarbeiterinnen    se besuchen, ihre Bewerbungs-
    keit und Verantwortung. Die             und deren Know-how auch wäh-           unterlagen schreiben usw. Für das
    Kühlschrankfalle und das Work-          rend der Familienphase erhalten.       TELEHAUS WETTER ist dies ein
    aholic-Syndrom sind Phänomene,          Erspart bleiben teure Anpassungs-      Weg, die Chancen der Frauen beim
    mit denen frau umgehen muß.             qualifizierungen beim Wiederein-       Aufbruch in die Wissensgesell-
    Selbstmanagement, Selbstmotiva-         stieg. Die Arbeitnehmerin bleibt       schaft zu verbessern und einen
    tion und Zeitmanagement sind            über die innerbetrieblichen Vor-       Beitrag dazu zu leisten, die Me-
    gefragt. Neue Kommunikations-           gänge auf dem laufenden, behält        dienkompetenz der Frauen zu er-
    formen müssen sich entwickeln,          den Kontakt zur Berufswelt und zu      höhen.
    die das lockere Schwätzchen mit         den Kolleginnen, bewahrt ihre
4   Kolleginnen und Kollegen am
    Rande mitsamt seinen wichtigen
                                            Qualifikation und kann gleichzei-
                                            tig Familienleben und Berufstätig-
                                                                                   ZUKUNFTS-                             5
    Hintergrundinformationen erset-         keit miteinander verbinden. Pro-       VISION
    zen können, sonst gerät frau be-        bleme, die beim beruflichen
    ruflich leicht ins Hintertreffen.       Wiedereinstieg nach längerer Ab-       TEIL II
    W
              idersprüchliches zeigt sich   wesenheit zwangsläufig entstehen,        Eine eindeutige frauenpolitische
              beim Blick in die betrieb-    werden reduziert.                      Bewertung der Telearbeit ist (noch)
              liche Realität. Trotz der        Ein Schulungskonzept des TELE-      nicht möglich. Ungeklärt ist im-
    vielfach propagierten Vorteile der      HAUSES WETTER unterstützt Er-          mer noch die Frage, welchen Bei-
    Telearbeit sind Frauen mit famili-      ziehungsurlauberinnen in ihrem         trag die neuen Technologien zum
    ären Aufgaben in den praktizier-        Wunsch nach berufsnaher Qualifi-       Abbau geschlechtshierarchischer
    ten Modellversuchen zur Telear-         zierung auch während der Fami-         Arbeitsteilung im Beruf und zur
    beit unterrepräsentiert. Das            lienphase. Im kombinierten Nah-        besseren Vereinbarkeit leisten
    TELEHAUS WETTER hat Telear-             und Fernunterricht werden sie ver-     können, ohne die traditionellen ar-
    beiterinnen befragt, die während        traut gemacht mit Datenfernüber-       beitsteiligen Strukturen zuungun-
    der Familienphase in Telearbeit für     tragung, Internet, E-Mail und Net-     sten von Frauen zu manifestieren.
    ihren Arbeitgeber tätig waren. Die      meeting. Gleichzeitig erhalten sie       Fest steht aber: Die unterschied-
    Initiative dazu ging vorrangig von      einen Überblick über Textverar-        lichen Formen der Telearbeit und
    den Frauen selbst aus. Häufig           beitung, Präsentationsprogramme        der Telekooperation gewinnen er-
    mußten sie ihre Forderungen müh-        und Tabellenkalkulation. Das           heblich an Bedeutung. Frauen
    sam gegen Widerstände durchset-         wichtigste für die Mütter ist dabei,   werden in unterschiedlichster
    zen. Deutlich beklagten die             daß sie von zu Hause aus und un-       Weise betroffen von den Umbrü-
    befragten Telearbeiterinnen Qua-        abhängig in ihrer Zeiteinteilung       chen der Informationsgesellschaft
im Privatleben wie in der Berufs-      ung und Pflege von Angehörigen.
    arbeit. Telearbeit und Telekoope-      Sie brauchen Arbeitsplätze, die
    ration bringen neue Herausforde-       dies alles ermöglichen und gleich-
    rungen an das lebenslange Lernen,      zeitig eine finanzielle und soziale
    verändern die Arbeitsplätze und        Absicherung bieten, die sie unab-
    die Arbeitsorte, führen zu weiteren    hängig macht von Ehemann, El-
    Rationalisierungen und bringen         tern oder Staat.
    gleichzeitig neue Berufe hervor.         Eine frauen- =menschengerech-
       Gleichzeitig artikulieren Frauen    te Nutzung neuer Informations-
    klar ihre Interessen, und hieraus      technologien orientiert sich an
    entstehen die Visionen zur Gestal-     Leitbildern, die eine gerechte Ver-
    tung einer frauen- =menschen-          teilung der Erwerbs-, Haus- und
    freundlichen Welt. Frauen wollen       Familienarbeit zum Ziel hat. Dazu
    einen Beruf haben, sie verlangen       gehören auch eine Verkürzung der
    finanzielle Unabhängigkeit, sie su-    Erwerbsarbeit und individuelle
    chen nach Partnern, Arbeitskolle-      Zeitsouveränität, die Aufwertung
    gen und Mitarbeitern, die in der       sogenannte Frauenberufe und die
    Lage sind, Frauen als gleichbe-        Umwandlung unbezahlter bzw.
    rechtigt und gleichwertig anzuer-      minderbezahlten Arbeit in exi-
    kennen. Sie wünschen sich ein Fa-      stenzsichernde Erwerbsarbeit.
    milienleben, das mit ihren beruf-      Welchen Beitrag neue Technolo-
    lichen und privaten Wünschen im
    Einklang steht.                                 L I T E R A T U R
6      Frauen wollen sich nicht ein-       * Bundesministerium für Wirtschaft, Bundes-    6
    pressen lassen in eine Normalbio-      ministerium für Arbeit und Sozialordnung
    graphie, die da lautet: Schule,        (Hrsg.): Telearbeit - Chancen für neue Ar-
                                           beitsformen, mehr Beschäftigung, flexible
    Ausbildung, Beruf, Karriere, Ren-      Arbeitszeiten. Ein Ratgeber für Arbeitneh-
    te. Und sie wollen alle Bereiche des   mer, Freiberufler und Unternehmen, Bonn
                                           o. J.
    Lebens – die privaten wie die öf-      Gabriele Fladung: Telearbeit- und Teleservi-
    fentlichen, die familiären wie die     cezentren. Eine Alternative für den länd-
    freundschaftlichen, die sozialen       lichen Raum, in: Stadt und Gemeinde, hrsg.
                                           vom Deutschen Städte- und Gemeindebund,
    wie die politischen – leben. Dazu      Heft 4/5, 1997
    brauchen Frauen eine Arbeitswelt,      Gabriele Fladung: Zukunftsfähige Arbeits-
    die biographisch wie auch alltäg-      plätze durch neue Technologien, in: Das
                                           Parlament, Nr.11, Bonn 1998
    lich flexible Arbeitszeitregelungen    Norbert Kordey/Werner B Korte.: Telearbeit
    zuläßt. Sie brauchen lebensbiogra-     erfolgreich realisieren. Das umfassende,
    phisch Zeiten der Konzentration        aktuelle Handbuch für Entscheidungs–
                                           träger und Projektverantwortliche, Braun-
    auf Familie, Privatheit und/oder       schweig/Wiesbaden 1996
    Bildung sowie Zeiten der Konzen-       Imke Troltenier: Telearbeit in der Familien-
    tration auf Beruf und berufliche       phase. Berichte aus der Praxis, VeFAR e. V.,
                                           (Hrsg.), Marburg 1997
    Weiterentwicklung. Sie brauchen
    eine partnerschaftliche Aufteilung     Gabriele Fladung, Diplom-Kauffrau,
    der unbezahlten Hausarbeit. Sie        Mitgründerin und geschäftsführende
                                           Vorstandsvorsitzende vom TELEHAUS
    brauchen gesellschaftliche und         WETTER, Leiterin des Frauenamtes bei
    partnerschaftliche Entlastung von      der Kreisverwaltung Marburg-Bieden-
    Aufgaben rund um Kinderbetreu-         kopf
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