Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
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Inhalt 3 Dossier «Gemeinsam gegen Food Waste» Ein schwerwiegendes Problem von Jennifer Zimmermann 4 Ein Aktionsplan für die Halbierung der Lebensmittelverluste von Saskia Sanders und Laura Tschümperlin 6 Essen retten, Klima schützen von Claudio Beretta 8 Lebensräume stark unter Druck von Maggie Haab und Andreas Obrecht 10 10 Eine breite Allianz gegen Food Waste von Clivia Bucher 12 Gemeinsam Potenziale aufdecken von Jonas Küng 14 Zu wertvoll zum Wegschmeissen von Sandra Helfenstein 16 Ein Brückenbauer zwischen Überfluss und Mangel von Alex Stähli 18 Ein Monat rund um Food Waste von Monika Keller 20 Bildung und Verpflegung unter einem Dach von Yvonne Lötscher 22 16 Das Foodsave-Bankett macht die Runde von Karin Spori 25 Pusch aktuell Bewusst wie – Umweltschutz zu Hause 26 Pusch-Agenda 28 Rubriken Umweltschutz in der Gemeinde Uni Bern setzt auf Wahlmöglichkeit 30 22 … und ausserdem 31 Thema Umwelt 4/2020 Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Netto-Null-Mobilität erscheint Mitte Dezember 2020 Impressum Druck Galledia AG, Flawil, klimaneutral gedruckt Leserservice auf Rebello-Recyclingpapier Ausgabe 3/2020, September 2020 Abonnement CHF 50.– pro Jahr, das Abo ist im Auf der Website von Pusch finden Sie Herausgeber Pusch – Praktischer Umweltschutz, Pusch-Mitgliederbeitrag inbegriffen weitere Informationen, nützliche Adressen, Hottingerstr. 4, Postfach, 8024 Zürich, Einzelpreis CHF 15.– Publikationshinweise und Links zum Thema Tel. 044 267 44 11, mail@pusch.ch, www.pusch.ch Auflage 2000 Ex. Save Food: Redaktion Priska Messmer, Nadine Siegle Erscheint vierteljährlich Konzept und Design Binkert Partnerinnen, Zürich Titelbild Leoni Kool, Pusch www.pusch.ch/themaumwelt Satz, Layout und Bild Peter Nadler, Uster ISSN 2296-6315 Thema Umwelt 3/2020
Pixabay 4 Leitartikel Ein schwerwiegendes Problem Ein Drittel aller Lebensmittel geht in der Schweiz auf dem Weg vom Feld zum Teller verloren – mit fatalen Auswirkungen für Umwelt und Klima. Food Waste ist ein gesellschaftliches Problem, das wir nur lösen können, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen. Aktive Städte und Gemeinden leisten einen wichtigen Beitrag. von Jennifer Zimmermann Die Schweiz hat das grosse Privileg, qua- Unnötige Ursache mit gravierenden litativ hochwertige Lebensmittel in Hülle Folgen und Fülle zur Verfügung zu haben. Die Diese Verschwendung belastet nicht nur Kehrseite: Viel zu oft werden Lebensmittel das Portemonnaie, sondern auch die Um- nicht gegessen, weil sie vermeintlich nicht welt. Denn mit den Lebensmitteln ver- perfekt sind. Sei es, weil sie aufgrund ihrer schwenden wir auch sämtliche kostbaren Unförmigkeit oder natürlicher Schönheits- Ressourcen, die für Produktion und Dis- fehler gar nicht erst verkauft werden (kön- tribution verwendet wurden: Land, Wasser nen) – oder aber, weil ein Lebensmittel im und Energie gehören genauso dazu wie Haushalt älter wird, den Reiz verliert und Düngemittel, Pestizide und Verpackungs- daher im Kehricht landet. Jährlich fallen material. so in der Schweiz 2,8 Millionen Tonnen Food Waste ist nicht nur moralisch ver- Food Waste an. Das entspricht 4,5-mal dem werflich, sondern belastet auch Klima und Gewicht der Schweizer Bevölkerung. Gewässer unnötig, Tiere müssen vergeb- 3/2020 Thema Umwelt
Leitartikel 5 Lebensmittel sind sehr aufwendig in der Produktion und deshalb ein wert- Dossier «Gemeinsam gegen Food Waste» volles Gut – es wird Zeit, dass wir sie wieder schätzen lernen. Die Herausgabe dieses Heftes wurde durch das Bundesamt für Umwelt (Bafu) finanziell unterstützt. lich ihr Leben lassen und der nutzlose wertung von Resten und die vermehrte >> via Abfallkalender und weitere Kom- Verbrauch von Landwirtschaftsland führt Verwendung zweitklassiger, trotz Schön- munikationskanäle die Bevölkerung auf zu unnötigem Druck auf natürliche Öko- heitsfehlern einwandfreier Produkte. die Problematik aufmerksam machen und systeme, die für den Erhalt der Artenvielfalt Tipps zur Vermeidung und richtigen Ent- wichtig sind. Insgesamt schadet die Le- Internationale und nationale Ziele sorgung von Food Waste geben, bensmittelverschwendung in der Schweiz Die Halbierung der Lebensmittelverluste >> Räumlichkeiten und Infrastruktur für der Umwelt gleich stark wie 50 Prozent des bis 2030 ist erklärtes Ziel der Agenda 2030 Lebensmittelhilfe und Food-Sharing- motorisierten Individualverkehrs. Durch der Vereinten Nationen, welche auch die Initiativen aus der Bevölkerung zur Ver- eine Halbierung des Food Waste liesse sich Schweiz unterzeichnet hat. Um das Ziel fügung stellen, die ernährungsbedingte Umweltbelastung zu erreichen, entwickelt der Bundesrat >> Akteure der Lebensmittelkette (wie um 10 bis 15 Prozent senken. Das wäre ein derzeit unter Mitwirkung verschiedens- Landwirte, Metzger, Bäcker, Restaurateure, wesentlicher Beitrag zu einem zukunfts- ter Stakeholder einen Aktionsplan gegen Lebensmittelhändler) an einen Tisch brin- fähigen, ressourceneffizienten und klima- Food Waste (siehe Artikel Seite 6). Dieser gen und gemeinsam Lösungen suchen, freundlichen Lebensstil. soll über die Förderung von Initiativen der >> Anforderungen zur Vermeidung von Wirtschaft, das Nutzen von Potenzialen Food Waste an Caterer der gemeindeeige- Wo ansetzen? aus Forschung, Digitalisierung und Inno- nen Verpflegungsstätten (Kitas, Mittags- Gemäss Berechnungen des Bundesamts vation, aber auch durch optimierte Rah- tische, Kantinen) oder Veranstalter von für Umwelt (Bafu) entsteht ein grosser Teil menbedingungen, Sensibilisierung und öffentlichen Events stellen, der vermeidbaren Abfälle in Haushalten. Bildung dazu beitragen, dass wir das Ziel >> Food Waste in der Schule zum Thema Pro Person und Jahr gehen hier rund der Agenda 2030 erreichen. Voraussicht- machen, zum Beispiel im Fach Wirtschaft, 90 Kilo Lebensmittel verloren. Mit 38 Pro- lich 2024 will der Bund evaluieren, ob die Arbeit, Haushalt oder mit dem Abfall- und zent belasten diese Lebensmittelabfälle die Massnahmen des Aktionsplans ausreichen Konsumunterricht von Pusch, Umwelt deutlich am stärksten. An zweiter oder ob Anpassungen notwendig sind. >> öffentliche Sensibilisierungsaktivitäten Stelle steht die Verarbeitungsindustrie wie Kochevents und Bankette initiieren (27 Prozent), gefolgt von der Gastronomie Breit abgestützte Kampagne oder unterstützen, (14 Prozent) und dem Gross- und Detail- Die Sensibilisierung der Bevölkerung hat >> über den Abfallzweckverband oder direkt handel (8 Prozent). Die landwirtschaftliche sich auch die breit abgestützte Initiative Partner von «Save food, fight waste.» wer- Produktion von Nahrungsmitteln, die ganz «Save food, fight waste.» unter der Leitung den und die Kommunikationsangebote der am Anfang der Kette steht, macht 13 Pro- der Stiftung Pusch zum Ziel gesetzt. Zu den Kampagne zur Sensibilisierung der Bevöl- zent der Umweltbelastung aus, wobei diese heute über 80 Partnern zählen 3 Bundes- kerung nutzen. grösstenteils im Ausland anfällt. ämter, 23 Kantone, 11 Gemeinden und Im November 2020 wird auf der Pusch- Wichtig ist, dass Lebensmittel auch als sol- Abfallzweckverbände, verschiedene Inte- Website eine Food-Waste-Toolbox mit che verwendet werden. Denn eine kürzlich ressengemeinschaften von Konsumenten, weiteren Massnahmen und Checklisten im Auftrag des Bafu publizierte ETH-Studie Bauern und Detailhandel sowie zahlreiche für Gemeinden aufgeschaltet. Die Inputs kommt zum Schluss, dass eine optimierte grosse und mittlere Unternehmen und daraus und viel Inspiration aus den Beiträ- Verwertung von Lebensmittelverlusten Food-Save-Initiativen. Sie alle engagieren gen des vorliegenden Dossiers unterstüt- in der Biogasanlage oder als Tierfutter sich mit verschiedenen Massnahmen für zen Gemeinden dabei, sich engagiert für nur einen Bruchteil der Umweltwirkung die Vermeidung von Food Waste, sensibi- die Reduktion der Lebensmittelverschwen- der Vermeidung von Lebensmittelverlus- lisieren die Öffentlichkeit für die Proble- dung einzusetzen. ten entfalten kann. Betrachtet man aber matik und vermitteln Know-how, um Food die Verwertungszahlen genauer, fällt auf, Waste im eigenen Handlungsspielraum zu Links und weitere Infos: dass heute nur 0,62 Prozent der Lebens- vermeiden (siehe Artikel Seite 12). www.pusch.ch/themaumwelt mittelabfälle gespendet und so weiter als Lebensmittel verwendet werden, während Engagierte Gemeinden sind gefragt knapp die Hälfte zu Dünger und Boden- Auch Kantone, Städte und Gemeinden sind verbesserer oder Biogas verwertet wird. eine wichtige Grösse, um die Umsetzung 31 Prozent werden als Tierfutter einge- der Reduktionsziele voranzutreiben. Mit setzt und weitere 21 Prozent landen in der der Verordnung über die Vermeidung und Kehrichtverbrennung. die Entsorgung von Abfällen (VVEA) von Um das zu ändern, braucht es viel Enga- 2016 haben sie den gesetzlichen Auftrag gement aller Akteure entlang der Lebens- erhalten, sich für die Abfallvermeidung Jennifer Zimmerman mittelkette – inklusive der Konsumentin- zu engagieren. Dabei gibt es für Gemein- Leiterin Gemeindeangebote nen und Konsumenten. Im Vordergrund den viele Möglichkeiten, sich für weniger und Erwachsenenbildung, Pusch, Zürich, stehen die optimierte Planung, ein gutes Lebensmittelverschwendung starkzuma- jennifer.zimmermann@pusch.ch, Vorratsmanagement, die konsequente Ver- chen. Sie können: www.pusch.ch Thema Umwelt 3/2020
6 Dossier Ein Aktionsplan für die Halbierung der Lebensmittelverluste Nur noch halb so viel Food Waste – das ist das erklärte Ziel des Bundes bis 2030. Ein Aktionsplan wird dafür die Leitlinien setzen, bestehende Massnahmen und Aktionen koordinieren und neue lancieren. Ein Monitoring soll sicherstellen, dass sich die Umsetzung auf Zielkurs befindet. von Saskia Sanders und Laura Tschümperlin Wenn Lebensmittel hergestellt, aber nicht Koordiniertes Vorgehen >> Bestehendes evaluieren: Der Plan wird konsumiert werden, führt dies zu unnöti- Die Vermeidung von Food Waste hat sich aufzeigen, welche Massnahmen bereits gen CO2-Emissionen, Biodiversitätsverlust als wichtige Massnahme für Umwelt- und umgesetzt wurden und welche Wirkung sowie Land- und Wasserverbrauch. 25 Pro- Klimaschutz etabliert. GLP-Nationalrätin damit erzielt wurde. zent der Umweltbelastung der Ernährung Isabelle Chevalley fordert einen koordi- >> Neue Massnahmen initiieren: Falls nötig, der Schweiz sind auf Food Waste zurück- nierten Prozess, um die Halbierung bis werden weiterführende Massnahmen vor- zuführen. Gleichzeitig verursachen die 2030 zu erreichen. Mit der Annahme ihres geschlagen, damit das Ziel der Halbierung Bereitstellung und der Konsum von Nah- Postulats im März 2019 hat das Parlament bis 2030 erreicht werden kann. rungsmitteln 28 Prozent der Umweltbe- deutlich gemacht, dass es das SDG 12.3 >> Indikatoren entwickeln: Damit die Fort- lastungen und sind damit der wichtigste ernst nimmt und in der Schweiz umsetzen schritte und die Zielerreichung überprüft Bereich des schweizerischen Endkonsums. will. Der Bundesrat erarbeitet nun einen werden können, wird ein Monitoring mit Die Zahlen sprechen für sich. Der Hand- Aktionsplan gegen die Lebensmittelver- entsprechenden Indikatoren erarbeitet. lungsbedarf ist offensichtlich und das schwendung. Das Bundesamt für Umwelt Potenzial für die Umwelt gross. Food Waste (Bafu) übernimmt die Federführung und Gemeinsam zum Ziel ist in der medialen Berichterstattung prä- arbeitet eng mit dem Bundesamt für Land- Ein so grosses Ziel wie das SDG 12.3 lässt sent und auch in der Bevölkerung ist die wirtschaft (BLW) und dem Bundesamt für sich nur mit dem Engagement vieler Problematik angekommen. Eine repräsen- Lebensmittelsicherheit und Veterinär- Akteure erreichen. Insbesondere die Sekto- tative Umfrage der ETH Zürich zeigt: Gut wesen (BLV) sowie mit Vertreterinnen ren Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel, die Hälfte der Befragten findet, es brauche und Vertretern von Städten und Kantonen Gastronomie und Haushalte spielen eine staatliche Massnahmen, um Food Waste zu zusammen. Im Fokus des Aktionsplans ste- zentrale Rolle. In einem ersten Schritt er- reduzieren, ein Drittel stimmt teilweise zu hen drei Anliegen: arbeitete das Projektteam eine Auslegeord- und knapp ein Viertel ist eher dagegen. Auf dem politischen Parkett Beretta und Hellweg (2019), R. Ryser (angepasst) Umweltbelastung der vermeidbaren Lebensmittelverluste in der Schweiz Auch auf der politischen Agenda ist Food Waste kein neues Thema. In den letzten Jahren wurden über 20 parlamentarische Vorstösse mit direktem Bezug dazu ein- gereicht. Mit der UN-Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung haben die Bemü- hungen ein konkretes Ziel erhalten. 2015 hat die Schweiz die Agenda gemeinsam Haushalte 38 % mit mehr als 190 Staaten verabschiedet. 10 Billionen UBP Diese fordert, die Nahrungsmittelverluste entsprechen 50 % der Gastronomie 14 % pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbrau- Umweltbelastung, cherebene bis 2030 zu halbieren und die Gross- & Detailhandel 8% die durch den entstehenden Nahrungsmittelverluste ent- motorisierten Individualverkehr lang der Produktions- und Lieferkette zu in der Schweiz verringern (Sustainable Development Goal verursacht wird. SDG 12.3). Mit einer Halbierung der Lebens- mittelverluste, die durch den Schweizer Verarbeitung 27 % Konsum entlang der Wertschöpfungs- kette verursacht werden, liessen sich die Landwirtschaft 13 % Gesamtumweltbelastung und die Treib- Auf jeder Stufe der Lebensmittelkette fallen Lebensmittelverluste an, welche die Umwelt hausgaseffekte der Schweizer Ernährung zusätzlich belasten. um 10 bis 15 Prozent reduzieren. 3/2020 Thema Umwelt
Dossier 7 Messen klärt auf und motiviert Ein wichtiger Bestandteil des Aktionsplans wird die Datenerhebung und ein regel- mässiges Monitoring sein. Nur so lassen sich Fortschritte bezüglich der politischen Zielsetzung, Food Waste um die Hälfte zu reduzieren, aufzeigen. Datenerhebungen in Betrieben sind eine wichtige Grund- lage für das Monitoring. Messungen von Lebensmittelverlusten sind aber auch aus anderen Gründen sinnvoll, denn sie kön- nen Mitarbeitende und Führungspersonen sensibilisieren und motivieren, eigene Reduktionsziele zu setzen. Das überge- Werkzeugkasten Umwelt ordnete, nationale Monitoring hilft, den Ist-Zustand zu verstehen, Bereiche mit grossem Reduktionspotenzial zu identi- fizieren, Fortschritte aufzuzeigen und die Wirkung von Massnahmen zu evaluieren. Die Fortschrittsmessung auf Betriebs-, Informationen sind wichtig – unter werkzeugkastenumwelt.ch stehen Grafiken und anderes Material Sektor- und nationaler Ebene muss mit- für die Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. tels aussagekräftiger Indikatoren erfolgen. Diese sollen sowohl die Mengen wie auch die damit verbundene Umweltbelastung nung von bereits umgesetzten sowie mög- faden veröffentlichen. Der Leitfaden zeigt berücksichtigen. lichen neuen Lösungsansätzen. Grundlage konkret auf, wie bereits in der Ausschrei- Ein branchenübergreifendes Monitoring dafür waren Fachgespräche mit Vertrete- bung von Verpflegungsdienstleistungen muss insbesondere der Heterogenität der rinnen und Vertretern aus den Sektoren die regelmässige Erhebung von Lebens- Akteure gerecht werden. Die Basis bilden entlang der Wertschöpfungskette und von mittelverlusten und spezifische Massnah- rund 50 000 Landwirtschaftsbetriebe, Konsumenten- und Umweltorganisatio- men integriert werden können. Daten, die Handel und Verarbeitung, KMU und Gross- nen. Inspiration boten auch erfolgreiche in öffentlichen Betrieben oder im Auftrag unternehmen, 30 000 Gastrobetriebe und Ansätze aus dem Ausland. Noch steht der der öffentlichen Hand erhoben werden, 8,5 Millionen Einwohner am Ende der Aktionsplan nicht, aber bereits jetzt ist klar: sollen auch in das nationale Monitoring Lebensmittelkette. Initiativen und Innovationen der Wirt- einfliessen. Die Sammlung und Auswer- Unter Einbezug von Vertreterinnen schaft und Zivilgesellschaft werden eine tung der verschiedenen Daten ist letztlich und Vertretern sämtlicher Sektoren er- wichtige Rolle spielen und es muss weiter- Aufgabe des Bundes. arbeitet das Bafu gemeinsam mit der hin verstärkt in die Sensibilisierung und Die öffentliche Hand unterstützt schon Zürcher Hochschule für angewandte Bildung investiert werden. heute die Umsetzung von Massnahmen Wissenschaften (ZHAW) ein geeignetes in den einzelnen Sektoren, zum Beispiel Monitoringkonzept. Dieses soll anschlies- Die öffentliche Hand ist gefragt durch die Förderung innovativer Projekte. send diskutiert und konkretisiert werden. Das Ziel ist ambitiös und bis 2030 bleibt Solche Förderungen werden auch in Zu- Die Verabschiedung des Aktionsplans ist nicht mehr viel Zeit. Die öffentliche Hand kunft wichtig sein. Weiter können Gemein- für die erste Hälfte 2021 geplant und soll spielt eine wichtige Rolle für die Reduktion den über Projekte wie «Land Gast Wirt» die der gesamten Schweiz einen Schub hin zu der Lebensmittelverluste. Bund, Kantone, lokale Landwirtschaft mit Abnehmern aus einem nachhaltigeren Ernährungssystem Städte und Gemeinden müssen Leitplan- der Gemeinde zusammenbringen, sodass verleihen. ken setzen, damit das SDG 12.3 erreicht auch Produkte verarbeitet werden, die werden kann. nicht den Normen entsprechen. Links und weitere Infos: Die öffentliche Hand selbst kann eine Vor- Die öffentliche Hand soll auch Impulse zur www.pusch.ch/themaumwelt bildrolle einnehmen, indem sie die Le- Verankerung des Themas Food Waste in bensmittelverluste in ihren Verpflegungs- der Bildung setzen: Lehrpläne gilt es ent- einrichtungen minimiert. Kantinen der sprechend zu gestalten und Lehrpersonal Verwaltung und Küchen in Schulen, Kitas, weiterzubilden. Und auch bei der Sensibili- Heimen und Spitälern sollten die Verluste sierung der Bevölkerung können Kantone, Saskia Sanders regelmässig erheben. Dadurch werden die Städte und Gemeinden eine entscheidende Projektleiterin Aktionsplan Mengen sichtbar und auch der finanzielle Rolle übernehmen und das Thema in Ak- gegen die Lebensmittel verschwendung, Bafu, Verlust offensichtlich. Die Daten sind zu- tionen und Öffentlichkeitsarbeit einflies- saskia.sanders@bafu.admin.ch, dem wichtig, um zielgerichtete Massnah- sen lassen. Eine gute Möglichkeit besteht www.bafu.admin.ch men ergreifen zu können und Fortschritte darin, Partner der Kampagne «Save food, Laura Tschümperlin aufzuzeigen. Die Fachstelle ökologische fight waste.» zu werden und als Multipli- Projektleiterin Aktionsplan öffentliche Beschaffung des Bafu wird die- kator die wichtigen Botschaften der Dach- gegen die Lebensmittel verschwendung, Bafu, laura. sen Herbst entsprechende Kriterien für die kampagne an die richtigen Zielgruppen zu tschuemperlin@bafu.admin.ch, nachhaltige Beschaffung in einem Leit- bringen. www.bafu.admin.ch Thema Umwelt 3/2020
8 Dossier Essen retten, Klima schützen Die Reduktion der Lebensmittelverschwendung ist ein wichtiger Baustein zur Erreichung des Zwei-Grad-Klimaziels. Während viele Klimaschutzmassnahmen zumindest kurzfristig etwas kosten, bringt Food-Waste-Vermeidung sogar finanzielle Einsparungen. von Claudio Beretta Im Jahr 2015 haben sich auf der Pariser Die Geschichte eines Steaks dauungsgase aus, insbesondere Methan. Klimaschutzkonferenz (COP21) 195 Länder Den meisten Leuten ist bewusst, dass Sie brauchen weniger Futtermittel, die zu erstmals auf ein allgemeines, weltweit Lebensmittel nicht in den Kehricht gehö- einem grossen Teil aus anderen Ländern rechtsverbindliches Klimaschutzüberein- ren. Viele verspüren aber kein schlechtes importiert werden, wo insbesondere tropi- kommen geeinigt: Die globale Erderwär- Gewissen, wenn sie Lebensmittel kompos- sche Regenwälder dafür abgeholzt werden. mung soll 2 Grad gegenüber vorindust tieren oder dem Haustier verfüttern. Dies Diese Landnutzungsänderungen belasten riellem Niveau nicht überschreiten, besser kommt von der falschen Vorstellung, dass das Klima stark, weil der ganze Kohlen- wären 1,5 Grad. der Verlust von Nährstoffen das grösste stoff, der in der Biomasse gespeichert Das World Resources Institute (WRI) hat Problem an der Verschwendung von war, freigesetzt und vorwiegend in Form dieses Ziel auf tolerierbare Treibhausgas- Lebensmitteln ist. Mindestens so schlimm von Treibhausgasen in die Atmosphäre emissionen heruntergebrochen. Danach sind jedoch die Umweltbelastungen, wel- entlassen wird. Fossil betriebene Trak- müssten die Emissionen bis 2050 auf che durch die Produktion, den Transport, toren bearbeiten die Felder und verteilen 21 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente die Lagerung, Verarbeitung und Zuberei- Kunstdünger, der bei der Produktion viel begrenzt werden, damit das Zwei-Grad- tung von Lebensmitteln verursacht wer- Energie verschlingt, deren Bereitstellung Ziel mit einer rund 70-prozentigen Wahr- den. All diese Umweltbelastungen können wiederum das Klima belastet. Lastwagen scheinlichkeit erreicht werden kann. wir einsparen, wenn wir nur so viel produ- und Schiffe transportieren die Futter- Bereits die heutigen Emissionen sind zieren, wie wir zum Essen brauchen. mittel in die Schweiz, wobei meist fossile zwei- bis dreimal höher als das angestrebte Das gilt zum Beispiel für ein Stück Rind- Treibstoffe eingesetzt werden. Ist das Rind Ziel; wenn wir so weitermachen wie bis- fleisch: Wenn wir im Restaurant eine halbe schlachtbereit, wird es zum Schlachthof her, erreichen wir im Jahr 2050 sogar über Portion bestellen, anstatt die Hälfte auf transportiert. Verarbeitung und Lagerung viermal so hohe Emissionen. dem Teller übrig zu lassen, dann entlasten brauchen weitere Energie und Infrastruk- wir die Umwelt und das Klima in vieler- tur, die das Klima belasten. Anschliessend Landwirtschaftliche Emissionen lei Hinsicht. Der Bauer muss nur halb so wird das Fleisch in Plastik verpackt und wiegen schwer viele Rinder halten und braucht dafür schliesslich gekocht oder gegrillt, wobei Die landwirtschaftliche Produktion inklu- nicht so viel Stallplätze und Land. Weniger auch hier Treibhausgase entstehen. Wenn sive Landnutzungsänderungen, zum Bei- Tiere stossen weniger klimawirksame Ver- wir also ein Stück Fleisch «retten», sparen spiel durch Abholzung zugunsten von Ackerland, ist ein grosser Verursacher von Treibhausgasen. Das WRI hat berechnet, Daten: WRI, 2018 welche Emissionen aus der Landwirtschaft Landwirtschaftliche Treibhausgasemissionen 2050 im Jahr 2050 noch tolerierbar wären, um 90 85 die Klimaziele zu erreichen: vier Milliarden Emissionen andere 80 Sektoren CO2-Emissionen (Gt) pro Jahr Tonnen CO2-Äquivalente. Das Szenario Emissionen aus Landwirt- «Business as usual» führt aber zu 15 Mil- 70 schaft und Landnutzungs- liarden Tonnen, also fast dem Vierfachen änderungen 60 (siehe Abbildung). Um die überschüssigen elf Milliarden 50 48 Tonnen CO2 zu vermeiden, hat das WRI 40 einen Massnahmenplan entwickelt. Den ersten Eckpfeiler der Vermeidungsstrate- 30 21 gie bildet die Halbierung von Food Waste. 20 11 Gt Weitere Bausteine sind unter anderem Emissionen- 70 % 10 15 klimafreundlichere Essgewohnheiten, ins- 12 Reduktionslücke 0 4 besondere weniger tierische Lebensmit- tel, landwirtschaftliche Innovationen zur 2010 2050 2050 (Basisjahr) (Weiter wie bisher) (Ziel) Steigerung der Erträge und zur Senkung des Methanausstosses von Wiederkäuern Die Emissionen, die bis 2050 durch die Landwirtschaft im Szenario «Weiter wie bisher» entstehen, entsprechen 70 Prozent der gesamten zur Zielerreichung tolerierbaren Menge sowie die Wiederherstellung von Feucht- an Emissionen sämtlicher Sektoren. gebieten. 3/2020 Thema Umwelt
Pixabay Dossier 9 Bis ein Steak auf unserem Teller liegt, hat es einen aufwendigen Weg hinter sich. Landet ein Teil davon im Müll statt im Magen, kostet das viele unnötige Ressourcen. wir Emissionen beim Futteranbau in Bra- rücksichtigt werden, ist es sogar die Hälfte schwieriger, die Wirtschaft von Massnah- silien, bei den Landwirten in der Schweiz, aller Autos. Die Halbierung von Food Waste men zu überzeugen, denn sie profitiert beim Metzger, Händler, Verarbeiter und im in der Schweiz spart damit jedes Jahr so davon, dass die Leute zu viel einkaufen. Restaurant sowie bei allen dazwischenlie- viel Umweltbelastung, wie eine Million Deshalb ist Sensibilisierung wichtig: Kon- genden Transporten. Autos verursachen, wenn sie einmal die sumentinnen und Konsumenten haben es Erde umrunden. selbst in der Hand, den klimaschützenden In einer Million Autos um die Erde «Batzen und s Weggli» zu haben, indem sie Das Rindfleisch-Beispiel macht schnell Eine wirtschaftliche Massnahme ganz einfach nur so viel einkaufen, wie sie klar, wie effektiv die Klimaschutzmass- Ein internationales Forschungsprojekt hat brauchen. Ausserdem können sie dazu bei- nahme «Essen retten» ist. Wie viele tech- über tausend Firmen befragt, die Food- tragen, dass Unternehmen weniger weg- nologische und logistische Optimierun- Waste-Vermeidungsmassnahmen umge- werfen, beispielsweise indem sie direkt auf gen wären nötig, um bei all den erwähnten setzt haben. Dabei zeigte sich praktisch dem Markt einkaufen oder ein Gemüseabo Prozessen die Klimaemissionen zu halbie- in allen Betrieben eine positive Bilanz: buchen, wo auch krumme Rüebli eine ren? Sie hätten letztlich den gleichen Effekt Die eingesparten Kosten überstiegen den Chance haben. wie die banale Massnahme, dass Restau- Mehraufwand für die Analyse und die rants halbe Portionen anbieten und Gäste Umsetzung von Massnahmen bei Weitem. Links und weitere Infos: nur so viel bestellen, wie sie essen mögen. Im Durchschnitt konnten für jeden inves- www.pusch.ch/themaumwelt Food Waste zu vermeiden, erscheint be- tierten Franken Waren- und Personalkos- sonders attraktiv, wenn wir den Nutzen ten von 14 Franken eingespart werden. mit anderen Umweltschutzmassnahmen Welche andere Klimaschutzmassnahme ist vergleichen. Eine aktuelle Studie des Bun- wirtschaftlich so lukrativ? desamts für Umwelt (Bafu) über die Um- Über ein Drittel der Umweltbelastung von welteffekte von Food Waste in der Schweiz Food Waste entsteht allerdings bei den zeigt, dass Lebensmittelverschwendung Haushalten. Hier sind gemäss Bafu durch- Claudio Beretta das Klima so stark belastet wie ein Drittel schnittliche Kosteneinsparungen von über Forschungsgruppe für Lebens mittel-Technologie, ZHAW, aller Autos. Wenn andere Umwelteffekte 600 Franken pro Haushalt und Jahr mög- claudio.beretta@zhaw.ch, wie Land- und Wasserverbrauch mitbe- lich. Allerdings ist es in diesem Bereich www.zhaw.ch Thema Umwelt 3/2020
10 Dossier Lebensräume stark unter Druck Der internationale Handel und globalisierte Ernährungssysteme üben Druck auf die ohnehin schon schwindende Biodiversität aus. Wird etwas ressourcenintensiv her gestellt, aber nicht konsumiert, resultiert daraus eine vermeidbare Umweltbelastung. von Maggie Haab und Andreas Obrecht Wir erleben gegenwärtig einen gravie- verschmutzen und versalzen. An vielen tät aus. In den Ozeanen bedrohen zudem renden Verlust an Biodiversität. Von acht Stellen führt die intensive Nutzung zum die Überfischung und die grosse Menge Millionen Tier- und Pflanzenarten ist heute Absenken des Grundwasserpegels. Auch an Beifang das Überleben vieler mariner eine Million vom Aussterben bedroht. Auch dies wirkt sich negativ auf die Biodiversi- Lebewesen und sensibler Ökosysteme. bei den noch nicht akut bedrohten Arten nehmen einige Bestände erheblich ab. Viele Ökosysteme der Erde haben in den vergangenen Jahrzehnten derart gelitten, dass sie ihre Leistungen für den Men- schen, wie etwa saubere Luft, Versorgung mit sauberem Wasser, Bestäubung durch Insekten oder Schutz vor Naturereignissen, nicht mehr vollständig erbringen können. Die wichtigsten direkten Ursachen für den globalen Verlust an Biodiversität sind gemäss dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) Landnutzungsänderungen, Klimawandel, Übernutzung natürlicher Ressourcen, die Ausbreitung invasiver ortsfremder Arten und die Umweltverschmutzung. Dass immer mehr Flächen landwirtschaftlich genutzt werden, liegt insbesondere an der steigenden Nachfrage nach Fleisch und den dafür verwendeten Futtermitteln. Le- bensmittelverschwendung verschärft die Problematik. Landnutzung statt Lebensraum Gemäss der Welternährungsorganisation (FAO) wird jährlich ein Drittel unserer Nah- rungsmittel verschwendet und gilt als Food Waste. Entsprechend gross ist der Anteil an der globalen Landoberfläche, welcher unnötigerweise landwirtschaftlich genutzt wird. Die Rechnung ist einfach: Dieses Drittel, welches in Realität grossmehrheit- lich industriell bewirtschaftet wird und der Lebensmittelverschwendung zum Opfer fällt, ging und geht durch Entwaldung, Monokulturen und Trockenlegung von Feuchtgebieten als Habitat für Pflanzen und Tiere verloren. Die Produktion von Lebensmitteln be- nötigt nicht nur Flächen, sondern auch Wasser. Eine wertvolle Ressource, die mit dem Wegwerfen von Nahrungsmitteln ebenfalls verschwendet wird. Die dominie- rende konventionelle, industrielle Land- wirtschaft setzt ausserdem viele Pestizide und Düngemittel ein, welche das Wasser 3/2020 Thema Umwelt
Dossier 11 Komplexe Zusammenhänge lediglich 11 Prozent entspricht. Entspre- Der FAO-Bericht von 2013 zeigt, dass be- chend gross ist also der negative Hebel, Ökosystemleistungen sonders die Verschwendung von Fleisch wenn tierische Produkte verschwendet be- (Ecosystem Services) und Milch verantwortlich für den Druck ziehungsweise nicht konsumiert werden. Frisches Wasser, ein Holz produzieren- auf die Landnutzung ist. Dies gilt jedoch «Feed no Food», also keine Fütterung der Wald und durch Insekten bestäubte nicht für jedes Produkt gleichermassen. mit Lebensmitteln, lautet die Maxime. Es Fruchtbäume sind Beispiele für die Das Fleisch einer mit Gras gefütterten macht einen grossen Unterschied, ob im gratis Leistungen eines gesunden Schweizer Ziege weist praktisch keine Kühlschrank ein Stück Fleisch, das von Ökosystems. Berechnungen ergaben, dass das Artensterben jährlich einen Belastung für die Biodiversität aus, wäh- einem mit viel Kraftfutter gefütterten Rind Schaden von über 3 Billionen Franken rend ein Rindersteak aus konventionellem kommt, oder ein Salat aus dem eigenen verursacht. Im grössten Obstanbauge- Betrieb, der Soja und Getreide als Futter- Garten vergammelt. Verschwendung ist biet Chinas müssen bereits menschliche mittel verwendet, eine hohe Belastung natürlich beides – und trotzdem: Gewisse Arbeitskräfte die Bestäubung der Obst- für die Biodiversität darstellt. Die Fleisch- Lebensmittel wie Kaffee und Kakao brau- bäume übernehmen. Der Wert der jähr- und Milchproduktion nimmt 78 Prozent chen viel Fläche und können nur in tropi- lichen globalen Ökosystemleistungen der Gesamtproduktionsfläche ein, wobei schen Regionen angebaut werden, wo die wird auf 4,6 Billionen Franken ihr Beitrag an verfügbare Nahrungsmittel Biodiversität besonders hoch ist. Bei sol- geschätzt. chen Lebensmitteln hat Food Waste einen entsprechend starken negativen Effekt. Peter-Lüthi/Biovision Eine globale Perspektive ist nötig, denn gemäss den Zahlen des Bundesamts für Entwicklung und Anwendung von Agrar- Umwelt (Bafu) entstehen rund 75 Prozent ökologie, wie die soeben veröffentlichte unserer durch Konsum verursachten Um- Studie «Money Flows» von Biovision ver- weltbelastung nicht etwa in der Schweiz, anschaulicht. sondern im Ausland. Der Selbstversor- gungsgrad der Schweiz liegt bei ungefähr Kommunal bis global 60 Prozent und die Nahrungsmittelimporte Auf kommunaler und kantonaler Ebene haben sich seit 1990 fast verdoppelt. steigen das Engagement und die Vernet- zung untereinander. Ein gutes Beispiel da- Agrarökologie als Lösung? für ist die verstärkte Zusammenarbeit der Komplexe systemische Probleme brauchen Westschweizer Gemeinden und Kantone ganzheitliche systemische Lösungen. Die in der «Association Coord21». Sie ist eine Agrarökologie bietet einen Ansatz, der auf Vereinigung von 63 Gemeinden, 4 Kan- allen Ebenen der Nachhaltigkeit greift. tonen und öffentlich-rechtlichen Institu- Dabei werden Gebiete mit hoher Arten- tionen der Westschweiz und des Tessins, vielfalt bewusst erhalten und gefördert, da die sich für eine nachhaltige Entwicklung der Wert ihrer Ökosystemleistungen (siehe engagieren. Kasten) anerkannt wird. Weiter werden Auf globaler Ebene setzen die Nachhaltig- lokale Produzentinnen und Konsumenten keitsziele der Uno an: Ein Unterziel des durch kurze Lieferketten näher zusam- Sustainable Development Goal 12 (Nach- mengebracht. Das bedeutet eine höhere haltiger Konsum) verlangt bis 2030 die Wertschöpfung für die Produzierenden, Halbierung von Food Waste auf Einzelhan- die durch mehr Planungssicherheit auch dels- und Konsumentenebene sowie die langfristig in gesunde Böden investieren Reduzierung von Food Loss, also Verlusten können. entlang der Produktions- und Lieferketten, Das Ernährungssystem muss in der jewei- einschliesslich Ernteverluste. Je früher in ligen Lokalwirtschaft eingebettet sein. So der Produktionskette interveniert wird, können regionale Traditionen berücksich- desto besser für die Umwelt. tigt werden und Nachernten, Lagerung, Verarbeitung sowie Transport logisch Links und weitere Infos: ineinandergreifen. Die Anwendung von www.pusch.ch/themaumwelt agrarökologischen Methoden vereint Er- nährungs- mit Biodiversitätszielen. Agrar- ökologie wird als Wissenschaft, Praxis und soziale Bewegung verstanden, welche die Andreas Obrecht Gestaltung und das Management nach- Geschäftsführer SDSN Switzerland, haltiger und gerechter Ernährungssys- a.obrecht@biovision.ch, teme erreichen will. Jedoch fliessen aktuell www.sdsn.ch noch zu wenig Gelder in die Forschung, Maggie Haab Integrierter Pflanzenschutz: Zur Verhinderung Kommunikation Biovision, von Food Loss durch Fruchtfliegen müssen diese m.haab@biovision.ch, Mangos in Kenia geschützt werden. www.biovision.ch Thema Umwelt 3/2020
Pusch 12 Dossier Food Ninjas sind sich bewusst, wie wertvoll Lebensmittel sind, und wollen sie, wenn immer möglich, mit Respekt behandeln und lustvoll geniessen – statt in den Abfall zu werfen. Eine breite Allianz gegen Food Waste Food Waste – ein drastisches und bekanntes Problem. Trotzdem produzieren wir Unmengen davon. Das muss sich ändern. Mit «Save food, fight waste.» setzen sich immer mehr Food Ninjas mit Kreativität und Mut für die genussvolle Verwertung von Lebensmitteln ein. von Clivia Bucher Eigentlich lernen wir es von Kindesbeinen haupt der eigenen Küche, als Gast im Res- stärkt fühlt, ist bereit, seine Gewohnheiten an: «Iss deinen Teller leer, dann gibt es taurant, beim Einkaufen im Laden oder zu überdenken und Verhaltensänderungen morgen gutes Wetter.» Oder: «In anderen als Arbeitskraft im beruflichen Alltag. Jede herbeizuführen. Ländern haben Kinder nichts zu essen, also Person hat direkt und indirekt Einfluss auf Was braucht die Bevölkerung also, um Food iss bitte auf!» So oder anders wurden viele die Problematik − im Negativen wie im Waste den Kampf anzusagen? Wichtig sind von uns in jungen Jahren dafür sensibili- Positiven. Denn ebenso wie die Summe die Wertschätzung der Lebensmittel und siert, dass sich Food Waste nicht gehört − aller weggeworfenen Rüebli in den Haus- Toleranz gegenüber nicht ganz der Norm und doch ist er heute mehr denn je Alltag. halten einen immensen Berg Food Waste entsprechenden Produkten, das Verständ- Was ist schon dabei, wenn das schrum- ergibt, führt die Summe aller Bemühun- nis für deren Produktion, Impulse, Ideen, pelige Rüebli im Grünabfall landet, wenn gen zu einer immensen Reduktion von Wissen, genussvolle, inspirierende Tipps niemand den Gratin-Rest von vorgestern Lebensmittelabfällen. und Tricks sowie eine Bewegung, die den noch essen mag, weil im Kühlschrank Damit wir bereit sind, unser Verhalten zu eigenen Tatendrang anspornt. neue Abwechslung wartet, oder die Pizza ändern, braucht es Sensibilisierung und einfach viel zu gross war? das Gefühl, nicht alleine, sondern als Ge- Verständnis schaffen meinschaft zu handeln: Denn nur wer Ende 2019 lancierte die Stiftung Pusch ge- Warum Sensibilisierung? diese versteht, den Handlungsspielraum meinsam mit einer starken Partner-Allianz Will die Schweiz Food Waste reduzieren, und die Relevanz des eigenen Verhaltens die Initiative «Save food, fight waste.». Die sind wir alle gefragt. Egal, ob als Ober- erkennt und sich durch sein Umfeld be- breit abgestützte, schweizweite und drei- 3/2020 Thema Umwelt
Dossier 13 Stadt Winterthur Fünf Tipps für Food Ninjas Das Credo ist denkbar einfach: Ge- niessen statt wegwerfen. Ob zu Hause, unterwegs oder geschäftlich, wir alle können Food Ninjas sein. Die fünf leitenden Handlungsempfehlungen für Food Ninjas: >> Planen und Einkaufsliste erstellen. >> Lebensmittel richtig lagern und Halt- barkeiten verlängern. >> Bei der Mindesthaltbarkeit den Sin- nen vertrauen. >> Reste und ältere Lebensmittel kreativ verwerten. >> Reste im Restaurant einpacken lassen. Und wenn es dennoch zu Food Waste kommt? Dann wird das Beste aus dem Alle Partner haben die Möglichkeit, Kampagnen-Inhalte für eigene Sensibilisierungszwecke zu Abfall gemacht: Humus und Energie. verwenden. Die Abfallfahrzeuge der Städte Basel, St. Gallen und Winterthur (im Bild) beispielsweise machen mit Plakaten der Food Ninja auf die Thematik aufmerksam. sprachige Kampagne will die Bevölkerung gne, welche von Massnahmen und diver- Bereits 80 Organisationen sind dabei sensibilisieren. Sie richtet sich inhaltlich sen Aktivitäten der Partner begleitet wird. Die Initiative «Save food, fight waste.» wird an Konsumentinnen und Konsumenten. Dazu gehören Fernseh-, Online- und Pla- von einer starken und wachsenden Allianz Denn alleine in den Schweizer Haushalten katwerbung, Artikel in Kundenmagazinen, institutioneller Partner unterstützt. Zu den gehen pro Person und Jahr rund 90 Kilo- Aufklärungsaktionen in Personalrestau- heute über 80 Partnern zählen drei Bun- gramm essbare Lebensmittel verloren. Mit rants und Mensen, Social-Media-Beiträge desämter, 23 Kantone und das Fürstentum 38 Prozent belasten diese Lebensmittel- und vieles mehr. Die Leitfigur der Kampa- Lichtenstein, 11 Gemeinden und Abfall- abfälle die Umwelt deutlich am stärksten. gne – eine «Food Ninja» − zeigt auf, wie zweckverbände, zahlreiche Unternehmen Will die Schweiz Food Waste reduzieren, einfach und genussvoll Konsumentinnen und Verbände aus den Bereichen Land- braucht es ein breit etabliertes Verständ- und Konsumenten im Rahmen ihres eige- wirtschaft, Lebensmittelindustrie, Gast - nis – für die Problematik als Grundlage nen Handlungsspielraums Food Waste ver- ronomie und Detailhandel, viele grössere für Veränderungen im Privatkonsum, aber meiden können (siehe Kasten oben). und kleinere NGOs, Stiftungen und Food- auch für die relevanten Optimierungen in Alle Massnahmen führen neugierige und Save-Initiativen. der Wertschöpfungskette der Lebensmit- interessierte Personen auf savefood.ch, Gerade durch diese grosse Allianz verdeut- telproduktion. eine umfangreiche Wissensplattform rund licht die Kampagne das Gefühl der Gemein- um das Thema Food Waste und Food Sa- samkeit: «Zusammen schaffen wir es, die Food Ninjas gehen voran ving. Nebst Infos und genussvollen Tipps Lebensmittelverluste zu reduzieren.» Alle «Save food, fight waste.» richtet sich an und Tricks haben Interessierte die Mög- Partner engagieren sich mit verschiede- Menschen, die die Folgen von Lebens- lichkeit, eigene Food-Waste-Fallen im nen Massnahmen für die Vermeidung von mittelverschwendung nicht oder nur we- Rahmen eines einfachen Online-Tests zu Food Waste und machen ihr eigenes Enga- nig kennen und mitunter auch deswegen ergründen und sich im Anschluss für eine gement mit öffentlichem Commitment noch unnötig oft Food Waste generieren. «Food Ninja Academy» einzuschreiben. auf savefood.ch sichtbar. Für die Zielerrei- Die Aufmerksamkeit dieser Personen er- Auch informiert die Plattform über heutige chung ist es zentral, so breit abgestützt zu langt die Initiative mit einer Werbekampa- Food-Save-Produkte und -Initiativen. sein und alle Akteure an einem Tisch zu vereinen. Denn eins ist klar: Food Waste ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Nur wenn alle Akteure der Lebensmittel-Wert- schöpfungskette sowie Konsumentinnen Gemeinden als wichtiger Teil der Allianz und Konsumenten ihren Beitrag leisten, Die Breite der Partner-Allianz setzt ein starkes, gemeinschaftliches und hoffnungs lässt sich dieses Problem lösen. volles Zeichen gegen Food Waste und für die Wertschätzung und den Genuss von Lebensmitteln. So kann mit gemeinsamen Kräften die wichtige Basis für Veränderung Links und weitere Infos: gelegt werden: die Sensibilisierung der Schweizer Bevölkerung. www.savefood.ch Auch Gemeinden spielen dabei eine wesentliche Rolle. Wie alle Partner der Kampagne können sie aus einem umfangreichen Katalog an Kommunikationsmitteln und -mög- lichkeiten für sie passende Massnahmen wählen, um beispielsweise bei der eigenen Bevölkerung Sensibilisierungsmassnahmen umzusetzen. Zudem können Partner wei- tere Kommunikationsmittel mit der Food Ninja entwickeln, sei es eine Rede der Food Clivia Bucher Kampagnenleiterin «Save food, Ninja, eigene Visuals und Filme, das Branding von Abfallfahrzeugen und vieles mehr. fight waste.», Pusch, Zürich, Weitere Informationen: www.savefood.ch/partner-werden clivia.bucher@pusch.ch, www.savefood.ch Thema Umwelt 3/2020
Pixabay 14 Dossier Lebensmittelabfälle zu messen und Ursachen zu analysieren, hilft dabei, Prozesse in der Gastronomie möglichst nachhaltig Food-Waste-frei zu gestalten. Gemeinsam Potenziale aufdecken Im Gastrobereich steckt grosses Optimierungspotenzial, um die Verschwendung von Lebensmitteln zu verhindern. Die öffentliche Hand kann dazu beitragen, für die Thematik zu sensibilisieren und Massnahmen zur Reduktion einzuleiten. Messungen und Analysen helfen dabei und machen die Potenziale sichtbar. von Jonas Küng Für 14 Prozent der in der Schweiz ent- Lagerung und Verpackung, wird ersicht- zutreiben. Neben allgemeinen Sensibilisie- stehenden Umweltbelastung durch Food lich, dass von der Produktion der Lebens- rungskampagnen und Empfehlungen kann Waste ist die Gastronomie verantwortlich. mittel bis zu deren Zubereitung im Gas- sie bei öffentlich unterstützten Betrieben, Zu diesem Schluss kommt ein vom Bun- trobereich viele Ressourcen und Energie beispielsweise im Bildungs- oder Kulturbe- desamt für Umwelt (Bafu) in Auftrag ge- aufgewendet werden. Es ist daher sinnvoll, reich, konkrete Anforderungen an die Ver- gebener Bericht der ETH Zürich aus dem dem Gastrobereich in der Food-Waste- meidung von Lebensmittelabfällen stellen. Jahr 2019. Bezüglich Umweltbelastung Debatte mehr Beachtung zu schenken. Auch die Unterstützung von Projekten, bei wiegt der in der Gastrobranche verursachte Dies umso mehr, da Lebensmittelabfälle in welchen das Messen und Analysieren von Food Waste somit deutlich schwerer, als der Gastronomie in strukturierten Abläu- Food Waste im Vordergrund stehen, birgt dies die reine Mengenbetrachtung nahe- fen entstehen, wo Anpassungen rasch und viel Potenzial. legen würde. Denn nur 7 Prozent der Food- langfristig wirken. Ein solches Projekt führt der Kanton Basel- Waste-Menge nach Gewicht gehen auf das Stadt aktuell mit verschiedenen Gastro- Konto der Gastronomie. Zum Vergleich: Anforderungen stellen, betrieben durch. An den Projektkosten 28 Prozent entfallen auf Haushalte. Be- Unterstützung bieten beteiligen sich der Kanton mit zwei Drit- rücksichtigt man aber alle umweltrelevan- Die öffentliche Hand hat unterschiedliche teln und die teilnehmenden Betriebe mit ten Faktoren wie Transport, Verarbeitung, Möglichkeiten, um Optimierungen voran- einem Drittel. Das Projekt steht im Kontext 3/2020 Thema Umwelt
Dossier 15 Ende des Projekts aus den Erfahrungen Eine Brancheninitiative gegen Food Waste und Massnahmen der dreissig beteiligten United Against Waste (UAW) ist eine Brancheninitiative, in welcher Unternehmen Gastrobetriebe die besten Umsetzungs- und Organisationen der Ausser-Haus-Verpflegung gemeinsam an der Reduktion von beispiele zusammenstellen und diese in Lebensmittelabfall arbeiten. Heute verbindet der Verein über 175 Mitglieder aus den geeigneter Form allen Gastrobetrieben im Branchen Produktion, Verarbeitung und Handel, Gastgewerbe und Gemeinschafts Kanton zur Verfügung stellen. gastronomie, Bäckereien und Konditoreien sowie Verbände. Damit sich die Umweltbelastung durch In partnerschaftlichen Projekten arbeitet UAW mit Verwaltungen auf allen Ebenen. Food Waste in der Gastronomie wesent- Gemeinsame Projekte erwiesen sich besonders erfolgreich in der Mobilisierung lokaler lich verbessern kann, braucht es mehr als Gastronomieunternehmen. Der Nutzen für Städte, Gemeinden und Kantone ist viel- 30 sensibilisierte Betriebe. Das Projekt im fältig: Kanton Basel-Stadt bietet aber reichlich >> Sie setzen effektive Abfallreduktionsprojekte in einem Bereich mit hoher Umwelt Inspiration, wertvolle Erfahrungen und relevanz und in einer relevanten Zielgruppe urbaner Gebiete um. spornt hoffentlich viele weitere Gastro >> Sie erreichen umwelt- oder ernährungspolitische Ziele. UAW liefert Fachkompetenz, betriebe an, Food Waste zu vermeiden. Methoden und Werkzeuge und übernimmt die Projektleitung. >> Sie setzen öffentliche Mittel in Leuchtturmprojekten ein, die langfristig Wirkung Erfolge in Luzern erzielen, da sich die positiven Effekte über die eigentliche Projektdauer hinaus multi- Wie gross die Optimierungspotenziale plizieren. sind, zeigt eindrücklich das Beispiel eines ähnlichen Projekts am Luzerner Kantons- spital. Durch messen, analysieren und die daraus abgeleiteten Massnahmen konnten des Massnahmenpakets nachhaltige Er- sung selbstständig vorzunehmen. UAW die drei Standorte des Spitals die Lebens- nährung Basel-Stadt 2018 – 2021, mit dem wertet die Resultate kontinuierlich aus und mittelabfälle um 35 Prozent reduzieren. der Regierungsrat sein Engagement für begleitet die Betriebe individuell. Das Pro- Seit 2018 fallen so pro Monat mindestens eine nachhaltige Ernährung stärken will. jekt wird gestaffelt durchgeführt. Ähnliche neun Tonnen weniger Food Waste an. Zu Mit insgesamt elf Massnahmen strebt der Betriebe besuchen den Workshop gemein- den Verbesserungsmassnahmen gehören Kanton drei Hauptziele an: sam und führen die Messungen parallel in Luzern unter anderem kleinere Menüs, >> regionale Lebensmittelversorgung und durch. Einige Monate nach der Messung die Verwendung von Rüstabfällen für Sup- Wertschöpfung stärken, des Ist-Zustandes findet eine Erfolgsmes- pen und Saucen sowie die Sensibilisierung >> eine vielfältige, gesunde, faire und um- sung statt, welche die Resultate der ange- von Personal und Patienten. weltverträgliche Verpflegung fördern, strebten Verbesserung sichtbar macht. >> Lebensmittelabfälle vermeiden. Für das Messen stehen Hilfsmittel wie Apps Nachhaltige Ernährung im Fokus Zu den Massnahmen des dritten Ziels ge- zur Verfügung, welche ein standardisiertes Parallel zum Food-Waste-Projekt mit der hört auch die Vermeidung von Food Waste Vorgehen vereinfachen. Das Messen ist Gastronomie engagiert sich UAW gemein- im Gastrobereich: Der Kanton Basel-Stadt trotzdem mit einigem Aufwand verbun- sam mit anderen Partnern für ein weiteres prüft in Anknüpfung an die Bestrebungen den. Beispielsweise müssen die Lebens- Projekt in Basel. Ziel ist, die Gastronomie des Bundes Reduktionsmöglichkeiten von mittelabfälle zuerst separiert werden, bevor für nachhaltige Ernährung zu sensibili- Lebensmittelabfällen im Bereich Catering sie gewogen werden können. Das ist nötig, sieren. Neben dem Vermeiden von Food und Gastronomie. Er stützt sich dabei auf um aussagekräftige Resultate zu erhalten. Waste geht es dabei um mehr Nachhaltig- gute Praxisbeispiele, analysiert Lebensmit- Dieser Prozess fördert aber die Sensibili- keit beim Lebensmitteleinkauf sowie bei telabfälle bei kantonalen und interessierten sierung der Mitarbeitenden, was wiederum der Menüwahl. Der Kanton prüft hier aktu- privaten Verpflegungsangeboten und ent- die Umsetzung der entsprechenden Mass- ell eine finanzielle Beteiligung. wickelt Empfehlungen. nahmen unterstützt. Die Federführung für die Umsetzung des Für Gastrobetriebe bedeutet das Projekt Links und weitere Infos: Projekts liegt beim Amt für Umwelt und jedoch nicht nur Aufwand: Durch die Ver- www.pusch.ch/themaumwelt Energie Basel-Stadt, welches dafür mit meidung von Food Waste reduzieren die dem Verein «United Against Waste» (UAW, Betriebe ihre Kosten. Unter Berücksichti- siehe Kasten) zusammenarbeitet. Gemein- gung der Vollkosten (also Ausgaben wie sam konnten Basel und UAW 30 Gastrobe- Waren-, Personal- und Energiekosten) triebe zum Mitmachen gewinnen, darunter können sie laut einer Studie von UAW eigenständige Restaurants und Hotels so- und der Berner Fachhochschule pro Kilo- wie Alters- und Pflegeheime und Spitäler. gramm vermiedenem Food Waste theo- Bei diesen Betrieben werden nun bis An- retisch 24 Schweizer Franken einsparen. fang 2021 in zwei Zeitabschnitten Messun- Damit bleibt der Ansporn für die Betriebe gen und Analysen des anfallenden Food gross, Lebensmittelabfälle auch nach der Waste durchgeführt. Projektphase zu vermeiden. Neben den finanziellen Anreizen schätzen die Ver- Der Aufwand lohnt sich antwortlichen der am Projekt beteiligten Die Betriebe sind nach einem halbtägigen Gastrobetriebe zudem, dass ein Austausch Jonas Küng Einführungsworkshop sowie einem Be- mit anderen Betrieben zum Thema statt- Amt für Umwelt und Energie, Kanton Basel-Stadt, such von Experten von UAW in der Lage, findet und sie so voneinander profitieren jonas.kueng@bs.ch, die erste, über vier Wochen laufende Mes- können. Der Kanton Basel-Stadt wird am www.aue.bs.ch Thema Umwelt 3/2020
16 Dossier Zu wertvoll zum Wegschmeissen Der Anspruch nach Perfektion bei Gemüse, Obst oder Kartoffeln führt zu Food Waste – und einer unnötigen Belastung für Umwelt und Klima. Bauernfamilien engagieren sich für die Reduktion von Food Waste und plädieren für mehr Toleranz und Wertschätzung zugunsten von Lebensmitteln. von Sandra Helfenstein Die Schweizer Bauernfamilien produzieren Hauptgründe für Food Waste in der Land- Im Kreislauf mit Leidenschaft Lebensmittel für die Be- wirtschaft sind: Ein Fünftel der unverkäuflichen Ware völkerung. Sie bearbeiten die Böden, bauen >> Ein Teil der produzierten Waren bleibt landet in der Tierfütterung und wird damit Kulturen an, pflegen diese von der Saat bis aufgrund von mehr oder weniger grossen – über einen Umweg – wieder zu Lebens- zur Ernte und sorgen sieben Tage die Wo- Abweichungen von strengen Handelsnor- mitteln. Den Rest wandeln Biogasanlagen che für ihre Nutztiere. Verluste versuchen men unverkäuflich. Also: Das Rüebli ist zu zu Strom und Wärme um und der so ent- sie dabei möglichst zu vermeiden. Denn krumm, die Gurke zu lang, der Apfel hat standene Kompost gelangt als Dünger wie- alles, was sie nicht verkaufen (können), oberflächliche Flecken, die Kartoffel Schorf der auf die Felder. Auch andere Erntereste fehlt ihnen an Einnahmen. auf der Schale oder die Tomate ist zu reif. arbeiten die Bauern in den Boden ein, wo >> Es besteht ein zu grosses Angebot für die sie zur Humusbildung beitragen und die Schädlich für Umwelt und Klima aktuelle Nachfrage. Das passiert vor allem Bodenfruchtbarkeit fördern. Noch besser Dennoch: Die Lebensmittelproduktion bei schnell verderblichen Frischprodukten wäre allerdings, wenn es gelänge, die neun braucht per se viele Ressourcen. Wenn das wie Salat, dessen Wachstum und Konsum Prozent Verlust auf Stufe Landwirtschaft Essen am Schluss statt in unseren Mägen zudem stark vom Wetter abhängig sind. ganz zu vermeiden. im Abfall landet, belastet das die Umwelt unnötig. Es entstehen vermeidbare CO2- Emissionen, der Land- und Wasserver- brauch ist verschwendet. Das hat auch wirtschaftliche Konsequenzen: Wegge- worfene Lebensmittel verursachen hohe Kosten entlang der Produktions- und Wert- schöpfungskette. In der Schweiz geht rund ein Drittel aller produzierten Lebensmittel zwischen Feld und Teller verloren. Das entspricht pro Jahr rund 2,8 Millionen Tonnen. Fast die Hälfte dieser vermeidbaren Lebensmittelabfälle fällt in den Haushalten und in der Gastro- nomie an. Die Landwirtschaft ist für neun Prozent der gesamten Lebensmittelver- schwendung verantwortlich. Die beiden Verantwortungsvolle Landwirtschaft Auf der Website verantwortungsvolle- landwirtschaft.ch publiziert der Schwei- zer Bauernverband für die Bevölkerung nicht nur generelle Informationen zum Thema Food Waste, sondern auch konkrete Tipps einer Bäuerin, wie sich Lebensmittelverschwendung im Haus- halt vermeiden lässt. Daneben finden sich auch Fakten zur Landwirtschaft und verschiedenen Themen wie Klima, Boden, Pflanzen- schutz und Biodiversität. verantwortungsvolle-landwirtschaft.ch 3/2020 Thema Umwelt
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