Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch

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Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
Thema
     Umwelt
         Gemeinsam gegen
         Food Waste
3/2020

                  PUSCH – PRAKTISCHER UMWELTSCHUTZ
Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
Inhalt 3

                                                  Dossier «Gemeinsam gegen Food Waste»
                                                  Ein schwerwiegendes Problem
                                                  von Jennifer Zimmermann                                                                         4

                                                  Ein Aktionsplan für die Halbierung der Lebensmittelverluste
                                                  von Saskia Sanders und Laura Tschümperlin                                                        6

                                                  Essen retten, Klima schützen
                                                  von Claudio Beretta                                                                              8

                                                  Lebensräume stark unter Druck
                                                  von Maggie Haab und Andreas Obrecht                                                             10

                                10                Eine breite Allianz gegen Food Waste
                                                  von Clivia Bucher                                                                               12

                                                  Gemeinsam Potenziale aufdecken
                                                  von Jonas Küng                                                                                  14

                                                  Zu wertvoll zum Wegschmeissen
                                                  von Sandra Helfenstein                                                                          16

                                                  Ein Brückenbauer zwischen Überfluss und Mangel
                                                  von Alex Stähli                                                                                 18

                                                  Ein Monat rund um Food Waste
                                                  von Monika Keller                                                                               20

                                                  Bildung und Verpflegung unter einem Dach
                                                  von Yvonne Lötscher                                                                             22

                                16                Das Foodsave-Bankett macht die Runde
                                                  von Karin Spori                                                                                 25

                                                  Pusch aktuell
                                                  Bewusst wie – Umweltschutz zu Hause                                                             26

                                                  Pusch-Agenda                                                                                    28

                                                  Rubriken
                                                  Umweltschutz in der Gemeinde
                                                  Uni Bern setzt auf Wahlmöglichkeit                                                              30

                               22                 … und ausserdem                                                                                 31

Thema Umwelt 4/2020
Städte und Gemeinden auf dem Weg
zur Netto-Null-Mobilität
erscheint Mitte Dezember 2020

Impressum                                         Druck Galledia AG, Flawil, klimaneutral gedruckt   Leserservice
                                                  auf Rebello-Recyclingpapier
Ausgabe 3/2020, September 2020                    Abonnement CHF 50.– pro Jahr, das Abo ist im       Auf der Website von Pusch finden Sie
Herausgeber Pusch – Praktischer Umweltschutz,     Pusch-Mitgliederbeitrag inbegriffen                weitere Informationen, nützliche Adressen,
Hottingerstr. 4, Postfach, 8024 Zürich,           Einzelpreis CHF 15.–                               Publikationshinweise und Links zum Thema
Tel. 044 267 44 11, mail@pusch.ch, www.pusch.ch   Auflage 2000 Ex.
                                                                                                     Save Food:
Redaktion Priska Messmer, Nadine Siegle           Erscheint vierteljährlich
Konzept und Design Binkert Partnerinnen, Zürich   Titelbild Leoni Kool, Pusch
                                                                                                     www.pusch.ch/themaumwelt
Satz, Layout und Bild Peter Nadler, Uster         ISSN 2296-6315

                                                                                                                             Thema Umwelt 3/2020
Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
Pixabay
4 Leitartikel

Ein schwerwiegendes
Problem

Ein Drittel aller Lebensmittel geht in der Schweiz auf dem Weg vom Feld
zum Teller verloren – mit fatalen Auswirkungen für Umwelt und Klima.
Food Waste ist ein gesellschaftliches Problem, das wir nur lösen können,
wenn alle Akteure an einem Strang ziehen. Aktive Städte und Gemeinden
leisten einen wichtigen Beitrag.

von Jennifer Zimmermann   Die Schweiz hat das grosse Privileg, qua-       Unnötige Ursache mit gravierenden
                          litativ hochwertige Lebensmittel in Hülle       Folgen
                          und Fülle zur Verfügung zu haben. Die           Diese Verschwendung belastet nicht nur
                          Kehrseite: Viel zu oft werden Lebensmittel      das Portemonnaie, sondern auch die Um-
                          nicht gegessen, weil sie vermeintlich nicht     welt. Denn mit den Lebensmitteln ver-
                          perfekt sind. Sei es, weil sie aufgrund ihrer   schwenden wir auch sämtliche kostbaren
                          Unförmigkeit oder natürlicher Schönheits-       Ressourcen, die für Produktion und Dis-
                          fehler gar nicht erst verkauft werden (kön-     tribution verwendet wurden: Land, Wasser
                          nen) – oder aber, weil ein Lebensmittel im      und Energie gehören genauso dazu wie
                          Haushalt älter wird, den Reiz verliert und      Düngemittel, Pestizide und Verpackungs-
                          daher im Kehricht landet. Jährlich fallen       material.
                          so in der Schweiz 2,8 Millionen Tonnen          Food Waste ist nicht nur moralisch ver-
                          Food Waste an. Das entspricht 4,5-mal dem       werflich, sondern belastet auch Klima und
                          Gewicht der Schweizer Bevölkerung.              Gewässer unnötig, Tiere müssen vergeb-

3/2020 Thema Umwelt
Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
Leitartikel 5

Lebensmittel sind sehr aufwendig in
der Produktion und deshalb ein wert-              Dossier «Gemeinsam gegen Food Waste»
volles Gut – es wird Zeit, dass wir sie
wieder schätzen lernen.                           Die Herausgabe dieses Heftes wurde durch das Bundesamt für Umwelt (Bafu) finanziell
                                                  unterstützt.

lich ihr Leben lassen und der nutzlose          wertung von Resten und die vermehrte          >> via Abfallkalender und weitere Kom-
Verbrauch von Landwirtschaftsland führt         Verwendung zweitklassiger, trotz Schön-       munikationskanäle die Bevölkerung auf
zu unnötigem Druck auf natürliche Öko-          heitsfehlern einwandfreier Produkte.          die Problematik aufmerksam machen und
systeme, die für den Erhalt der Artenvielfalt                                                 Tipps zur Vermeidung und richtigen Ent-
wichtig sind. Insgesamt schadet die Le-         Internationale und nationale Ziele            sorgung von Food Waste geben,
bensmittelverschwendung in der Schweiz          Die Halbierung der Lebensmittelverluste       >> Räumlichkeiten und Infrastruktur für
der Umwelt gleich stark wie 50 Prozent des      bis 2030 ist erklärtes Ziel der Agenda 2030   Lebensmittelhilfe und Food-Sharing-
motorisierten Individualverkehrs. Durch         der Vereinten Nationen, welche auch die       Initiativen aus der Bevölkerung zur Ver-
eine Halbierung des Food Waste liesse sich      Schweiz unterzeichnet hat. Um das Ziel        fügung stellen,
die ernährungsbedingte Umweltbelastung          zu erreichen, entwickelt der Bundesrat        >> Akteure der Lebensmittelkette (wie
um 10 bis 15 Prozent senken. Das wäre ein       derzeit unter Mitwirkung verschiedens-        Landwirte, Metzger, Bäcker, Restaurateure,
wesentlicher Beitrag zu einem zukunfts-         ter Stakeholder einen Aktionsplan gegen       Lebensmittelhändler) an einen Tisch brin-
fähigen, ressourceneffizienten und klima-       Food Waste (siehe Artikel Seite 6). Dieser    gen und gemeinsam Lösungen suchen,
freundlichen Lebensstil.                        soll über die Förderung von Initiativen der   >> Anforderungen zur Vermeidung von
                                                Wirtschaft, das Nutzen von Potenzialen        Food Waste an Caterer der gemeindeeige-
Wo ansetzen?                                    aus Forschung, Digitalisierung und Inno-      nen Verpflegungsstätten (Kitas, Mittags-
Gemäss Berechnungen des Bundesamts              vation, aber auch durch optimierte Rah-       tische, Kantinen) oder Veranstalter von
für Umwelt (Bafu) entsteht ein grosser Teil     menbedingungen, Sensibilisierung und          öffentlichen Events stellen,
der vermeidbaren Abfälle in Haushalten.         Bildung dazu beitragen, dass wir das Ziel     >> Food Waste in der Schule zum Thema
Pro Person und Jahr gehen hier rund             der Agenda 2030 erreichen. Voraussicht-       machen, zum Beispiel im Fach Wirtschaft,
90 Kilo Lebensmittel verloren. Mit 38 Pro-      lich 2024 will der Bund evaluieren, ob die    Arbeit, Haushalt oder mit dem Abfall- und
zent belasten diese Lebensmittelabfälle die     Massnahmen des Aktionsplans ausreichen        Konsumunterricht von Pusch,
Umwelt deutlich am stärksten. An zweiter        oder ob Anpassungen notwendig sind.           >> öffentliche Sensibilisierungsaktivitäten
Stelle steht die Verarbeitungsindustrie                                                       wie Kochevents und Bankette initiieren
(27 Prozent), gefolgt von der Gastronomie       Breit abgestützte Kampagne                    oder unterstützen,
(14 Prozent) und dem Gross- und Detail-         Die Sensibilisierung der Bevölkerung hat      >> über den Abfallzweckverband oder direkt
handel (8 Prozent). Die landwirtschaftliche     sich auch die breit abgestützte Initiative    Partner von «Save food, fight waste.» wer-
Produktion von Nahrungsmitteln, die ganz        «Save food, fight waste.» unter der Leitung   den und die Kommunikationsangebote der
am Anfang der Kette steht, macht 13 Pro-        der Stiftung Pusch zum Ziel gesetzt. Zu den   Kampagne zur Sensibilisierung der Bevöl-
zent der Umweltbelastung aus, wobei diese       heute über 80 Partnern zählen 3 Bundes-       kerung nutzen.
grösstenteils im Ausland anfällt.               ämter, 23 Kantone, 11 Gemeinden und           Im November 2020 wird auf der Pusch-
Wichtig ist, dass Lebensmittel auch als sol-    Abfallzweckverbände, verschiedene Inte-       Website eine Food-Waste-Toolbox mit
che verwendet werden. Denn eine kürzlich        ressengemeinschaften von Konsumenten,         weiteren Massnahmen und Checklisten
im Auftrag des Bafu publizierte ETH-Studie      Bauern und Detailhandel sowie zahlreiche      für Gemeinden aufgeschaltet. Die Inputs
kommt zum Schluss, dass eine optimierte         grosse und mittlere Unternehmen und           daraus und viel Inspiration aus den Beiträ-
Verwertung von Lebensmittelverlusten            Food-Save-Initiativen. Sie alle engagieren    gen des vorliegenden Dossiers unterstüt-
in der Biogasanlage oder als Tierfutter         sich mit verschiedenen Massnahmen für         zen Gemeinden dabei, sich engagiert für
nur einen Bruchteil der Umweltwirkung           die Vermeidung von Food Waste, sensibi-       die Reduktion der Lebensmittelverschwen-
der Vermeidung von Lebensmittelverlus-          lisieren die Öffentlichkeit für die Proble-   dung einzusetzen.
ten entfalten kann. Betrachtet man aber         matik und vermitteln Know-how, um Food
die Verwertungszahlen genauer, fällt auf,       Waste im eigenen Handlungsspielraum zu                        Links und weitere Infos:
dass heute nur 0,62 Prozent der Lebens-         vermeiden (siehe Artikel Seite 12).                      www.pusch.ch/themaumwelt
mittelabfälle gespendet und so weiter als
Lebensmittel verwendet werden, während          Engagierte Gemeinden sind gefragt
knapp die Hälfte zu Dünger und Boden-           Auch Kantone, Städte und Gemeinden sind
verbesserer oder Biogas verwertet wird.         eine wichtige Grösse, um die Umsetzung
31 Prozent werden als Tierfutter einge-         der Reduktionsziele voranzutreiben. Mit
setzt und weitere 21 Prozent landen in der      der Verordnung über die Vermeidung und
Kehrichtverbrennung.                            die Entsorgung von Abfällen (VVEA) von
Um das zu ändern, braucht es viel Enga-         2016 haben sie den gesetzlichen Auftrag
gement aller Akteure entlang der Lebens-        erhalten, sich für die Abfallvermeidung                     Jennifer Zimmerman
mittelkette – inklusive der Konsumentin-        zu engagieren. Dabei gibt es für Gemein-                    Leiterin Gemeindeangebote
nen und Konsumenten. Im Vordergrund             den viele Möglichkeiten, sich für weniger                   und Erwachsenenbildung,
                                                                                                            Pusch, Zürich,
stehen die optimierte Planung, ein gutes        Lebensmittelverschwendung starkzuma-                        jennifer.zimmermann@pusch.ch,
Vorratsmanagement, die konsequente Ver-         chen. Sie können:                                           www.pusch.ch

                                                                                                                    Thema Umwelt 3/2020
Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
6 Dossier

Ein Aktionsplan für die Halbierung der
Lebensmittelverluste
Nur noch halb so viel Food Waste – das ist das erklärte Ziel des Bundes bis 2030. Ein
Aktionsplan wird dafür die Leitlinien setzen, bestehende Massnahmen und Aktionen
koordinieren und neue lancieren. Ein Monitoring soll sicherstellen, dass sich die
Umsetzung auf Zielkurs befindet.

von Saskia Sanders und Laura Tschümperlin

Wenn Lebensmittel hergestellt, aber nicht     Koordiniertes Vorgehen                              >> Bestehendes evaluieren: Der Plan wird
konsumiert werden, führt dies zu unnöti-      Die Vermeidung von Food Waste hat sich              aufzeigen, welche Massnahmen bereits
gen CO2-Emissionen, Biodiversitätsverlust     als wichtige Massnahme für Umwelt- und              umgesetzt wurden und welche Wirkung
sowie Land- und Wasserverbrauch. 25 Pro-      Klimaschutz etabliert. GLP-Nationalrätin            damit erzielt wurde.
zent der Umweltbelastung der Ernährung        Isabelle Chevalley fordert einen koordi-            >> Neue Massnahmen initiieren: Falls nötig,
der Schweiz sind auf Food Waste zurück-       nierten Prozess, um die Halbierung bis              werden weiterführende Massnahmen vor-
zuführen. Gleichzeitig verursachen die        2030 zu erreichen. Mit der Annahme ihres            geschlagen, damit das Ziel der Halbierung
Bereitstellung und der Konsum von Nah-        Postulats im März 2019 hat das Parlament            bis 2030 erreicht werden kann.
rungsmitteln 28 Prozent der Umweltbe-         deutlich gemacht, dass es das SDG 12.3              >> Indikatoren entwickeln: Damit die Fort-
lastungen und sind damit der wichtigste       ernst nimmt und in der Schweiz umsetzen             schritte und die Zielerreichung überprüft
Bereich des schweizerischen Endkonsums.       will. Der Bundesrat erarbeitet nun einen            werden können, wird ein Monitoring mit
Die Zahlen sprechen für sich. Der Hand-       Aktionsplan gegen die Lebensmittelver-              entsprechenden Indikatoren erarbeitet.
lungsbedarf ist offensichtlich und das        schwendung. Das Bundesamt für Umwelt
Potenzial für die Umwelt gross. Food Waste    (Bafu) übernimmt die Federführung und               Gemeinsam zum Ziel
ist in der medialen Berichterstattung prä-    arbeitet eng mit dem Bundesamt für Land-            Ein so grosses Ziel wie das SDG 12.3 lässt
sent und auch in der Bevölkerung ist die      wirtschaft (BLW) und dem Bundesamt für              sich nur mit dem Engagement vieler
Problematik angekommen. Eine repräsen-        Lebensmittelsicherheit und Veterinär-               Akteure erreichen. Insbesondere die Sekto-
tative Umfrage der ETH Zürich zeigt: Gut      wesen (BLV) sowie mit Vertreterinnen                ren Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel,
die Hälfte der Befragten findet, es brauche   und Vertretern von Städten und Kantonen             Gastronomie und Haushalte spielen eine
staatliche Massnahmen, um Food Waste zu       zusammen. Im Fokus des Aktionsplans ste-            zentrale Rolle. In einem ersten Schritt er-
reduzieren, ein Drittel stimmt teilweise zu   hen drei Anliegen:                                  arbeitete das Projektteam eine Auslegeord-
und knapp ein Viertel ist eher dagegen.

Auf dem politischen Parkett

                                                                                                                                                Beretta und Hellweg (2019), R. Ryser (angepasst)
                                                Umweltbelastung der vermeidbaren Lebensmittelverluste in der Schweiz
Auch auf der politischen Agenda ist Food
Waste kein neues Thema. In den letzten
Jahren wurden über 20 parlamentarische
Vorstösse mit direktem Bezug dazu ein-
gereicht. Mit der UN-Agenda 2030 für eine
nachhaltige Entwicklung haben die Bemü-
hungen ein konkretes Ziel erhalten. 2015
hat die Schweiz die Agenda gemeinsam                                            Haushalte                  38 %
mit mehr als 190 Staaten verabschiedet.                                                                                10 Billionen UBP
Diese fordert, die Nahrungsmittelverluste                                                                              entsprechen 50 % der
                                                                                Gastronomie                14 %
pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbrau-                                                                               Umweltbelastung,
cherebene bis 2030 zu halbieren und die                                         Gross- & Detailhandel       8%         die durch den
entstehenden Nahrungsmittelverluste ent-                                                                               motorisierten
                                                                                                                       Individualverkehr
lang der Produktions- und Lieferkette zu
                                                                                                                       in der Schweiz
verringern (Sustainable Development Goal                                                                               verursacht wird.
SDG 12.3). Mit einer Halbierung der Lebens-
mittelverluste, die durch den Schweizer                                         Verarbeitung               27 %
Konsum entlang der Wertschöpfungs-
kette verursacht werden, liessen sich die                                       Landwirtschaft             13 %
Gesamtumweltbelastung und die Treib-
                                                 Auf jeder Stufe der Lebensmittelkette fallen Lebensmittelverluste an, welche die Umwelt
hausgaseffekte der Schweizer Ernährung          ­zusätzlich belasten.
um 10 bis 15 Prozent reduzieren.

3/2020 Thema Umwelt
Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
Dossier 7

                                                                                                                          Messen klärt auf und motiviert
                                                                                                                          Ein wichtiger Bestandteil des Aktionsplans
                                                                                                                          wird die Datenerhebung und ein regel-
                                                                                                                          mässiges Monitoring sein. Nur so lassen
                                                                                                                          sich Fortschritte bezüglich der politischen
                                                                                                                          Zielsetzung, Food Waste um die Hälfte zu
                                                                                                                          reduzieren, aufzeigen. Datenerhebungen
                                                                                                                          in Betrieben sind eine wichtige Grund-
                                                                                                                          lage für das Monitoring. Messungen von
                                                                                                                          Lebensmittelverlusten sind aber auch aus
                                                                                                                          anderen Gründen sinnvoll, denn sie kön-
                                                                                                                          nen Mitarbeitende und Führungspersonen
                                                                                                                          sensibilisieren und motivieren, eigene
                                                                                                                          Reduktionsziele zu setzen. Das überge-
Werkzeugkasten Umwelt

                                                                                                                          ordnete, nationale Monitoring hilft, den
                                                                                                                          Ist-Zustand zu verstehen, Bereiche mit
                                                                                                                          grossem Reduktionspotenzial zu identi-
                                                                                                                          fizieren, Fortschritte aufzuzeigen und die
                                                                                                                          Wirkung von Massnahmen zu evaluieren.
                                                                                                                          Die Fortschrittsmessung auf Betriebs-,
                        Informationen sind wichtig – unter werkzeugkastenumwelt.ch stehen Grafiken und anderes Material   Sektor- und nationaler Ebene muss mit-
                        für die Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung.                                                      tels aussagekräftiger Indikatoren erfolgen.
                                                                                                                          Diese sollen sowohl die Mengen wie auch
                                                                                                                          die damit verbundene Umweltbelastung
                        nung von bereits umgesetzten sowie mög-           faden veröffentlichen. Der Leitfaden zeigt      berücksichtigen.
                        lichen neuen Lösungsansätzen. Grundlage           konkret auf, wie bereits in der Ausschrei-      Ein branchenübergreifendes Monitoring
                        dafür waren Fachgespräche mit Vertrete-           bung von Verpflegungsdienstleistungen           muss insbesondere der Heterogenität der
                        rinnen und Vertretern aus den Sektoren            die regelmässige Erhebung von Lebens-           Akteure gerecht werden. Die Basis bilden
                        entlang der Wertschöpfungskette und von           mittelverlusten und spezifische Massnah-        rund 50 000 Landwirtschaftsbetriebe,
                        Konsumenten- und Umweltorganisatio-               men integriert werden können. Daten, die        Handel und Verarbeitung, KMU und Gross-
                        nen. Inspiration boten auch erfolgreiche          in öffentlichen Betrieben oder im Auftrag       unternehmen, 30 000 Gastrobetriebe und
                        Ansätze aus dem Ausland. Noch steht der           der öffentlichen Hand erhoben werden,           8,5 Millionen Einwohner am Ende der
                        Aktionsplan nicht, aber bereits jetzt ist klar:   sollen auch in das nationale Monitoring         Lebensmittelkette.
                        Initiativen und Innovationen der Wirt-            einfliessen. Die Sammlung und Auswer-           Unter Einbezug von Vertreterinnen
                        schaft und Zivilgesellschaft werden eine          tung der verschiedenen Daten ist letztlich      und Vertretern sämtlicher Sektoren er-
                        wichtige Rolle spielen und es muss weiter-        Aufgabe des Bundes.                             arbeitet das Bafu gemeinsam mit der
                        hin verstärkt in die Sensibilisierung und         Die öffentliche Hand unterstützt schon          Zürcher Hochschule für angewandte
                        Bildung investiert werden.                        heute die Umsetzung von Massnahmen              Wissenschaften (ZHAW) ein geeignetes
                                                                          in den einzelnen Sektoren, zum Beispiel         Monitoringkonzept. Dieses soll anschlies-
                        Die öffentliche Hand ist gefragt                  durch die Förderung innovativer Projekte.       send diskutiert und konkretisiert werden.
                        Das Ziel ist ambitiös und bis 2030 bleibt         Solche Förderungen werden auch in Zu-           Die Verabschiedung des Aktionsplans ist
                        nicht mehr viel Zeit. Die öffentliche Hand        kunft wichtig sein. Weiter können Gemein-       für die erste Hälfte 2021 geplant und soll
                        spielt eine wichtige Rolle für die Reduktion      den über Projekte wie «Land Gast Wirt» die      der gesamten Schweiz einen Schub hin zu
                        der Lebensmittelverluste. Bund, Kantone,          lokale Landwirtschaft mit Abnehmern aus         einem nachhaltigeren Ernährungssystem
                        Städte und Gemeinden müssen Leitplan-             der Gemeinde zusammenbringen, sodass            verleihen.
                        ken setzen, damit das SDG 12.3 erreicht           auch Produkte verarbeitet werden, die
                        werden kann.                                      nicht den Normen entsprechen.                                   Links und weitere Infos:
                        Die öffentliche Hand selbst kann eine Vor-        Die öffentliche Hand soll auch Impulse zur                 www.pusch.ch/themaumwelt
                        bildrolle einnehmen, indem sie die Le-            Verankerung des Themas Food Waste in
                        bensmittelverluste in ihren Verpflegungs-         der Bildung setzen: Lehrpläne gilt es ent-
                        einrichtungen minimiert. Kantinen der             sprechend zu gestalten und Lehrpersonal
                        Verwaltung und Küchen in Schulen, Kitas,          weiterzubilden. Und auch bei der Sensibili-
                        Heimen und Spitälern sollten die Verluste         sierung der Bevölkerung können Kantone,                       Saskia Sanders
                        regelmässig erheben. Dadurch werden die           Städte und Gemeinden eine entscheidende                       Projektleiterin Aktionsplan
                        Mengen sichtbar und auch der finanzielle          Rolle übernehmen und das Thema in Ak-                         gegen die Lebensmittel­
                                                                                                                                        verschwendung, Bafu,
                        Verlust offensichtlich. Die Daten sind zu-        tionen und Öffentlichkeitsarbeit einflies-                    saskia.sanders@bafu.admin.ch,
                        dem wichtig, um zielgerichtete Massnah-           sen lassen. Eine gute Möglichkeit besteht                     www.bafu.admin.ch
                        men ergreifen zu können und Fortschritte          darin, Partner der Kampagne «Save food,                       Laura Tschümperlin
                        aufzuzeigen. Die Fachstelle ökologische           fight waste.» zu werden und als Multipli-                     Projektleiterin Aktionsplan
                        öffentliche Beschaffung des Bafu wird die-        kator die wichtigen Botschaften der Dach-                     gegen die Lebensmittel­
                                                                                                                                        verschwendung, Bafu, laura.
                        sen Herbst entsprechende Kriterien für die        kampagne an die richtigen Zielgruppen zu                      tschuemperlin@bafu.admin.ch,
                        nachhaltige Beschaffung in einem Leit-            bringen.                                                      www.bafu.admin.ch

                                                                                                                                                Thema Umwelt 3/2020
Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
8 Dossier

Essen retten, Klima schützen
Die Reduktion der Lebensmittelverschwendung ist ein wichtiger Baustein zur
Erreichung des Zwei-Grad-Klimaziels. Während viele Klimaschutzmassnahmen
zumindest kurzfristig etwas kosten, bringt Food-Waste-Vermeidung sogar
finanzielle Einsparungen.

von Claudio Beretta

Im Jahr 2015 haben sich auf der Pariser        Die Geschichte eines Steaks                                      dauungsgase aus, insbesondere Methan.
Klimaschutzkonferenz (COP21) 195 Länder        Den meisten Leuten ist bewusst, dass                             Sie brauchen weniger Futtermittel, die zu
erstmals auf ein allgemeines, weltweit         Lebensmittel nicht in den Kehricht gehö-                         einem grossen Teil aus anderen Ländern
rechtsverbindliches Klimaschutzüberein-        ren. Viele verspüren aber kein schlechtes                        importiert werden, wo insbesondere tropi-
kommen geeinigt: Die globale Erderwär-         Gewissen, wenn sie Lebensmittel kompos-                          sche Regenwälder dafür abgeholzt werden.
mung soll 2 Grad gegenüber vorindust­          tieren oder dem Haustier verfüttern. Dies                        Diese Landnutzungsänderungen belasten
riellem Niveau nicht überschreiten, besser     kommt von der falschen Vorstellung, dass                         das Klima stark, weil der ganze Kohlen-
wären 1,5 Grad.                                der Verlust von Nährstoffen das grösste                          stoff, der in der Biomasse gespeichert
Das World Resources Institute (WRI) hat        Problem an der Verschwendung von                                 war, freigesetzt und vorwiegend in Form
dieses Ziel auf tolerierbare Treibhausgas-     Lebensmitteln ist. Mindestens so schlimm                         von Treibhausgasen in die Atmosphäre
emissionen heruntergebrochen. Danach           sind jedoch die Umweltbelastungen, wel-                          entlassen wird. Fossil betriebene Trak-
müssten die Emissionen bis 2050 auf            che durch die Produktion, den Transport,                         toren bearbeiten die Felder und verteilen
21 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente           die Lagerung, Verarbeitung und Zuberei-                          Kunstdünger, der bei der Produktion viel
begrenzt werden, damit das Zwei-Grad-          tung von Lebensmitteln verursacht wer-                           Energie verschlingt, deren Bereitstellung
Ziel mit einer rund 70-prozentigen Wahr-       den. All diese Umweltbelastungen können                          wiederum das Klima belastet. Lastwagen
scheinlichkeit erreicht werden kann.           wir einsparen, wenn wir nur so viel produ-                       und Schiffe transportieren die Futter-
Bereits die heutigen Emissionen sind           zieren, wie wir zum Essen brauchen.                              mittel in die Schweiz, wobei meist fossile
zwei- bis dreimal höher als das angestrebte    Das gilt zum Beispiel für ein Stück Rind-                        Treibstoffe eingesetzt werden. Ist das Rind
Ziel; wenn wir so weitermachen wie bis-        fleisch: Wenn wir im Restaurant eine halbe                       schlachtbereit, wird es zum Schlachthof
her, erreichen wir im Jahr 2050 sogar über     Portion bestellen, anstatt die Hälfte auf                        transportiert. Verarbeitung und Lagerung
viermal so hohe Emissionen.                    dem Teller übrig zu lassen, dann entlasten                       brauchen weitere Energie und Infrastruk-
                                               wir die Umwelt und das Klima in vieler-                          tur, die das Klima belasten. Anschliessend
Landwirtschaftliche Emissionen                 lei Hinsicht. Der Bauer muss nur halb so                         wird das Fleisch in Plastik verpackt und
wiegen schwer                                  viele Rinder halten und braucht dafür                            schliesslich gekocht oder gegrillt, wobei
Die landwirtschaftliche Produktion inklu-      nicht so viel Stallplätze und Land. Weniger                      auch hier Treibhausgase entstehen. Wenn
sive Landnutzungsänderungen, zum Bei-          Tiere stossen weniger klimawirksame Ver-                         wir also ein Stück Fleisch «retten», sparen
spiel durch Abholzung zugunsten von
Ackerland, ist ein grosser Verursacher von
Treibhausgasen. Das WRI hat berechnet,                                                                                                                          Daten: WRI, 2018
welche Emissionen aus der Landwirtschaft          Landwirtschaftliche Treibhausgasemissionen 2050
im Jahr 2050 noch tolerierbar wären, um
                                                                               90                         85
die Klimaziele zu erreichen: vier Milliarden                                                                                         Emissionen andere
                                                                               80                                                    Sektoren
                                                CO2-Emissionen (Gt) pro Jahr

Tonnen CO2-Äquivalente. Das Szenario
                                                                                                                                     Emissionen aus Landwirt-
«Business as usual» führt aber zu 15 Mil-                                      70                                                    schaft und Landnutzungs-
liarden Tonnen, also fast dem Vierfachen                                                                                             änderungen
                                                                               60
(siehe Abbildung).
Um die überschüssigen elf Milliarden                                           50       48
Tonnen CO2 zu vermeiden, hat das WRI
                                                                               40
einen Massnahmenplan entwickelt. Den
ersten Eckpfeiler der Vermeidungsstrate-                                       30
                                                                                                                                21
gie bildet die Halbierung von Food Waste.                                      20                                                              11 Gt
Weitere Bausteine sind unter anderem                                                                                                         Emissionen-
                                                                                                                        70 %

                                                                               10                         15
klimafreundlichere Essgewohnheiten, ins-                                                12                                                 Reduktionslücke
                                                                               0                                                 4
besondere weniger tierische Lebensmit-
tel, landwirtschaftliche Innovationen zur                                              2010              2050                  2050
                                                                                    (Basisjahr)   (Weiter wie bisher)          (Ziel)
Steigerung der Erträge und zur Senkung
des Methanausstosses von Wiederkäuern             Die Emissionen, die bis 2050 durch die Landwirtschaft im Szenario «Weiter wie bisher»
                                                  ­entstehen, entsprechen 70 Prozent der gesamten zur Zielerreichung tolerierbaren Menge
sowie die Wiederherstellung von Feucht-            an ­Emissionen sämtlicher Sektoren.
gebieten.

3/2020 Thema Umwelt
Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
Pixabay

                                                                                                                                                                 Dossier 9

          Bis ein Steak auf unserem Teller liegt, hat es einen aufwendigen Weg hinter sich. Landet ein Teil davon im Müll statt im Magen, kostet das viele unnötige Ressourcen.

                  wir Emissionen beim Futteranbau in Bra-              rücksichtigt werden, ist es sogar die Hälfte        schwieriger, die Wirtschaft von Massnah-
                  silien, bei den Landwirten in der Schweiz,           aller Autos. Die Halbierung von Food Waste          men zu überzeugen, denn sie profitiert
                  beim Metzger, Händler, Verarbeiter und im            in der Schweiz spart damit jedes Jahr so            davon, dass die Leute zu viel einkaufen.
                  Restaurant sowie bei allen dazwischenlie-            viel Umweltbelastung, wie eine Million              Deshalb ist Sensibilisierung wichtig: Kon-
                  genden Transporten.                                  Autos verursachen, wenn sie einmal die              sumentinnen und Konsumenten haben es
                                                                       Erde umrunden.                                      selbst in der Hand, den klimaschützenden
                  In einer Million Autos um die Erde                                                                       «Batzen und s Weggli» zu haben, indem sie
                  Das Rindfleisch-Beispiel macht schnell               Eine wirtschaftliche Massnahme                      ganz einfach nur so viel einkaufen, wie sie
                  klar, wie effektiv die Klimaschutzmass-              Ein internationales Forschungsprojekt hat           brauchen. Ausserdem können sie dazu bei-
                  nahme «Essen retten» ist. Wie viele tech-            über tausend Firmen befragt, die Food-              tragen, dass Unternehmen weniger weg-
                  nologische und logistische Optimierun-               Waste-Vermeidungsmassnahmen umge-                   werfen, beispielsweise indem sie direkt auf
                  gen wären nötig, um bei all den erwähnten            setzt haben. Dabei zeigte sich praktisch            dem Markt einkaufen oder ein Gemüseabo
                  Prozessen die Klimaemissionen zu halbie-             in allen Betrieben eine positive Bilanz:            buchen, wo auch krumme Rüebli eine
                  ren? Sie hätten letztlich den gleichen Effekt        Die eingesparten Kosten überstiegen den             Chance haben.
                  wie die banale Massnahme, dass Restau-               Mehraufwand für die Analyse und die
                  rants halbe Portionen anbieten und Gäste             Umsetzung von Massnahmen bei Weitem.                                   Links und weitere Infos:
                  nur so viel bestellen, wie sie essen mögen.          Im Durchschnitt konnten für jeden inves-                          www.pusch.ch/themaumwelt
                  Food Waste zu vermeiden, erscheint be-               tierten Franken Waren- und Personalkos-
                  sonders attraktiv, wenn wir den Nutzen               ten von 14 Franken eingespart werden.
                  mit anderen Umweltschutzmassnahmen                   Welche andere Klimaschutzmassnahme ist
                  vergleichen. Eine aktuelle Studie des Bun-           wirtschaftlich so lukrativ?
                  desamts für Umwelt (Bafu) über die Um-               Über ein Drittel der Umweltbelastung von
                  welteffekte von Food Waste in der Schweiz            Food Waste entsteht allerdings bei den
                  zeigt, dass Lebensmittelverschwendung                Haushalten. Hier sind gemäss Bafu durch-                             Claudio Beretta
                  das Klima so stark belastet wie ein Drittel          schnittliche Kosteneinsparungen von über                             Forschungsgruppe für Lebens­
                                                                                                                                            mittel-Technologie, ZHAW,
                  aller Autos. Wenn andere Umwelteffekte               600 Franken pro Haushalt und Jahr mög-                               claudio.beretta@zhaw.ch,
                  wie Land- und Wasserverbrauch mitbe-                 lich. Allerdings ist es in diesem Bereich                            www.zhaw.ch

                                                                                                                                                     Thema Umwelt 3/2020
Thema Umwelt Gemeinsam gegen Food Waste - Pusch
10 Dossier

Lebensräume stark unter Druck
Der internationale Handel und globalisierte Ernährungssysteme üben Druck auf die
­ohnehin schon schwindende Biodiversität aus. Wird etwas ressourcenintensiv her­
 gestellt, aber nicht konsumiert, resultiert daraus eine vermeidbare Umweltbelastung.

von Maggie Haab und Andreas Obrecht

Wir erleben gegenwärtig einen gravie-          verschmutzen und versalzen. An vielen         tät aus. In den Ozeanen bedrohen zudem
renden Verlust an Biodiversität. Von acht      Stellen führt die intensive Nutzung zum       die Überfischung und die grosse Menge
Millionen Tier- und Pflanzenarten ist heute    Absenken des Grundwasserpegels. Auch          an Beifang das Überleben vieler mariner
eine Million vom Aussterben bedroht. Auch      dies wirkt sich negativ auf die Biodiversi-   Lebewesen und sensibler Ökosysteme.
bei den noch nicht akut bedrohten Arten
nehmen einige Bestände erheblich ab.
Viele Ökosysteme der Erde haben in den
vergangenen Jahrzehnten derart gelitten,
dass sie ihre Leistungen für den Men-
schen, wie etwa saubere Luft, Versorgung
mit sauberem Wasser, Bestäubung durch
Insekten oder Schutz vor Naturereignissen,
nicht mehr vollständig erbringen können.
Die wichtigsten direkten Ursachen für
den globalen Verlust an Biodiversität sind
gemäss dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES)
Landnutzungsänderungen, Klimawandel,
Übernutzung natürlicher Ressourcen, die
Ausbreitung invasiver ortsfremder Arten
und die Umweltverschmutzung. Dass
immer mehr Flächen landwirtschaftlich
genutzt werden, liegt insbesondere an der
steigenden Nachfrage nach Fleisch und
den dafür verwendeten Futtermitteln. Le-
bensmittelverschwendung verschärft die
Problematik.

Landnutzung statt Lebensraum
Gemäss der Welternährungsorganisation
(FAO) wird jährlich ein Drittel unserer Nah-
rungsmittel verschwendet und gilt als Food
Waste. Entsprechend gross ist der Anteil
an der globalen Landoberfläche, welcher
unnötigerweise landwirtschaftlich genutzt
wird. Die Rechnung ist einfach: Dieses
Drittel, welches in Realität grossmehrheit-
lich industriell bewirtschaftet wird und der
Lebensmittelverschwendung zum Opfer
fällt, ging und geht durch Entwaldung,
Monokulturen und Trockenlegung von
Feuchtgebieten als Habitat für Pflanzen
und Tiere verloren.
Die Produktion von Lebensmitteln be-
nötigt nicht nur Flächen, sondern auch
Wasser. Eine wertvolle Ressource, die mit
dem Wegwerfen von Nahrungsmitteln
ebenfalls verschwendet wird. Die dominie-
rende konventionelle, industrielle Land-
wirtschaft setzt ausserdem viele Pestizide
und Düngemittel ein, welche das Wasser

3/2020 Thema Umwelt
Dossier 11

Komplexe Zusammenhänge                                                  lediglich 11 Prozent entspricht. Entspre-
Der FAO-Bericht von 2013 zeigt, dass be-                                chend gross ist also der negative Hebel,           Ökosystemleistungen
sonders die Verschwendung von Fleisch                                   wenn tierische Produkte verschwendet be-           (Ecosystem Services)
und Milch verantwortlich für den Druck                                  ziehungsweise nicht konsumiert werden.             Frisches Wasser, ein Holz produzieren-
auf die Landnutzung ist. Dies gilt jedoch                               «Feed no Food», also keine Fütterung               der Wald und durch Insekten bestäubte
nicht für jedes Produkt gleichermassen.                                 mit Lebensmitteln, lautet die Maxime. Es           Fruchtbäume sind Beispiele für die
Das Fleisch einer mit Gras gefütterten                                  macht einen grossen Unterschied, ob im             gratis Leistungen eines gesunden
Schweizer Ziege weist praktisch keine                                   Kühlschrank ein Stück Fleisch, das von             Ökosystems. Berechnungen ergaben,
                                                                                                                           dass das Artensterben jährlich einen
Belastung für die Biodiversität aus, wäh-                               einem mit viel Kraftfutter gefütterten Rind
                                                                                                                           Schaden von über 3 Billionen Franken
rend ein Rindersteak aus konventionellem                                kommt, oder ein Salat aus dem eigenen
                                                                                                                           verursacht. Im grössten Obstanbauge-
Betrieb, der Soja und Getreide als Futter-                              Garten vergammelt. Verschwendung ist
                                                                                                                           biet Chinas müssen bereits menschliche
mittel verwendet, eine hohe Belastung                                   natürlich beides – und trotzdem: Gewisse           Arbeitskräfte die Bestäubung der Obst-
für die Biodiversität darstellt. Die Fleisch-                           Lebensmittel wie Kaffee und Kakao brau-            bäume übernehmen. Der Wert der jähr-
und Milchproduktion nimmt 78 Prozent                                    chen viel Fläche und können nur in tropi-          lichen globalen Ökosystemleistungen
der Gesamtproduktionsfläche ein, wobei                                  schen Regionen angebaut werden, wo die             wird auf 4,6 Billionen Franken
ihr Beitrag an verfügbare Nahrungsmittel                                Biodiversität besonders hoch ist. Bei sol-         geschätzt.
                                                                        chen Lebensmitteln hat Food Waste einen
                                                                        entsprechend starken negativen Effekt.
                                                Peter-Lüthi/Biovision

                                                                        Eine globale Perspektive ist nötig, denn
                                                                        gemäss den Zahlen des Bundesamts für             Entwicklung und Anwendung von Agrar-
                                                                        Umwelt (Bafu) entstehen rund 75 Prozent          ökologie, wie die soeben veröffentlichte
                                                                        unserer durch Konsum verursachten Um-            Studie «Money Flows» von Biovision ver-
                                                                        weltbelastung nicht etwa in der Schweiz,         anschaulicht.
                                                                        sondern im Ausland. Der Selbstversor-
                                                                        gungsgrad der Schweiz liegt bei ungefähr         Kommunal bis global
                                                                        60 Prozent und die Nahrungsmittelimporte         Auf kommunaler und kantonaler Ebene
                                                                        haben sich seit 1990 fast verdoppelt.            steigen das Engagement und die Vernet-
                                                                                                                         zung untereinander. Ein gutes Beispiel da-
                                                                        Agrarökologie als Lösung?                        für ist die verstärkte Zusammenarbeit der
                                                                        Komplexe systemische Probleme brauchen           Westschweizer Gemeinden und Kantone
                                                                        ganzheitliche systemische Lösungen. Die          in der «Association Coord21». Sie ist eine
                                                                        Agrarökologie bietet einen Ansatz, der auf       Vereinigung von 63 Gemeinden, 4 Kan-
                                                                        allen Ebenen der Nachhaltigkeit greift.          tonen und öffentlich-rechtlichen Institu-
                                                                        Dabei werden Gebiete mit hoher Arten-            tionen der Westschweiz und des Tessins,
                                                                        vielfalt bewusst erhalten und gefördert, da      die sich für eine nachhaltige Entwicklung
                                                                        der Wert ihrer Ökosystemleistungen (siehe        engagieren.
                                                                        Kasten) anerkannt wird. Weiter werden            Auf globaler Ebene setzen die Nachhaltig-
                                                                        lokale Produzentinnen und Konsumenten            keitsziele der Uno an: Ein Unterziel des
                                                                        durch kurze Lieferketten näher zusam-            Sustainable Development Goal 12 (Nach-
                                                                        mengebracht. Das bedeutet eine höhere            haltiger Konsum) verlangt bis 2030 die
                                                                        Wertschöpfung für die Produzierenden,            Halbierung von Food Waste auf Einzelhan-
                                                                        die durch mehr Planungssicherheit auch           dels- und Konsumentenebene sowie die
                                                                        langfristig in gesunde Böden investieren         Reduzierung von Food Loss, also Verlusten
                                                                        können.                                          entlang der Produktions- und Lieferketten,
                                                                        Das Ernährungssystem muss in der jewei-          einschliesslich Ernteverluste. Je früher in
                                                                        ligen Lokalwirtschaft eingebettet sein. So       der Produktionskette interveniert wird,
                                                                        können regionale Traditionen berücksich-         desto besser für die Umwelt.
                                                                        tigt werden und Nachernten, Lagerung,
                                                                        Verarbeitung sowie Transport logisch                             Links und weitere Infos:
                                                                        ineinandergreifen. Die Anwendung von
                                                                        ­                                                           www.pusch.ch/themaumwelt
                                                                        agrarökologischen Methoden vereint Er-
                                                                        nährungs- mit Biodiversitätszielen. Agrar-
                                                                        ökologie wird als Wissenschaft, Praxis und
                                                                        soziale Bewegung verstanden, welche die                        Andreas Obrecht
                                                                        Gestaltung und das Management nach-                            Geschäftsführer SDSN
                                                                                                                                       Switzerland,
                                                                        haltiger und gerechter Ernährungssys-                          a.obrecht@biovision.ch,
                                                                        teme erreichen will. Jedoch fliessen aktuell                   www.sdsn.ch
                                                                        noch zu wenig Gelder in die Forschung,

                                                                                                                                       Maggie Haab
                                                                        Integrierter Pflanzenschutz: Zur Verhinderung                  Kommunikation Biovision,
                                                                        von Food Loss durch Fruchtfliegen müssen diese                 m.haab@biovision.ch,
                                                                        Mangos in Kenia geschützt werden.                              www.biovision.ch

                                                                                                                                               Thema Umwelt 3/2020
Pusch
12 Dossier

                                                                                                       Food Ninjas sind sich bewusst, wie wertvoll
                                                                                                   ­Lebensmittel sind, und wollen sie, wenn immer
                                                                                                      möglich, mit Respekt behandeln und lustvoll
                                                                                                         ­geniessen – statt in den Abfall zu werfen.

Eine breite Allianz gegen Food Waste
Food Waste – ein drastisches und bekanntes Problem. Trotzdem produzieren wir
Unmengen davon. Das muss sich ändern. Mit «Save food, fight waste.» setzen sich
immer mehr Food Ninjas mit Kreativität und Mut für die genussvolle Verwertung
von Lebensmitteln ein.

von Clivia Bucher

Eigentlich lernen wir es von Kindesbeinen     haupt der eigenen Küche, als Gast im Res-      stärkt fühlt, ist bereit, seine Gewohnheiten
an: «Iss deinen Teller leer, dann gibt es     taurant, beim Einkaufen im Laden oder          zu überdenken und Verhaltensänderungen
morgen gutes Wetter.» Oder: «In anderen       als Arbeitskraft im beruflichen Alltag. Jede   herbeizuführen.
Ländern haben Kinder nichts zu essen, also    Person hat direkt und indirekt Einfluss auf    Was braucht die Bevölkerung also, um Food
iss bitte auf!» So oder anders wurden viele   die Problematik − im Negativen wie im          Waste den Kampf anzusagen? Wichtig sind
von uns in jungen Jahren dafür sensibili-     Positiven. Denn ebenso wie die Summe           die Wertschätzung der Lebensmittel und
siert, dass sich Food Waste nicht gehört −    aller weggeworfenen Rüebli in den Haus-        Toleranz gegenüber nicht ganz der Norm
und doch ist er heute mehr denn je Alltag.    halten einen immensen Berg Food Waste          entsprechenden Produkten, das Verständ-
Was ist schon dabei, wenn das schrum-         ergibt, führt die Summe aller Bemühun-         nis für deren Produktion, Impulse, Ideen,
pelige Rüebli im Grünabfall landet, wenn      gen zu einer immensen Reduktion von            Wissen, genussvolle, inspirierende Tipps
niemand den Gratin-Rest von vorgestern        Lebensmittelabfällen.                          und Tricks sowie eine Bewegung, die den
noch essen mag, weil im Kühlschrank           Damit wir bereit sind, unser Verhalten zu      eigenen Tatendrang anspornt.
neue Abwechslung wartet, oder die Pizza       ändern, braucht es Sensibilisierung und
einfach viel zu gross war?                    das Gefühl, nicht alleine, sondern als Ge-     Verständnis schaffen
                                              meinschaft zu handeln: Denn nur wer            Ende 2019 lancierte die Stiftung Pusch ge-
Warum Sensibilisierung?                       diese versteht, den Handlungsspielraum         meinsam mit einer starken Partner-Allianz
Will die Schweiz Food Waste reduzieren,       und die Relevanz des eigenen Verhaltens        die Initiative «Save food, fight waste.». Die
sind wir alle gefragt. Egal, ob als Ober-     erkennt und sich durch sein Umfeld be-         breit abgestützte, schweizweite und drei-

3/2020 Thema Umwelt
Dossier 13

                                                                                                                                                     Stadt Winterthur
  Fünf Tipps für Food Ninjas
  Das Credo ist denkbar einfach: Ge-
  niessen statt wegwerfen. Ob zu Hause,
  unterwegs oder geschäftlich, wir alle
  können Food Ninjas sein. Die fünf
  leitenden Handlungsempfehlungen
  für Food Ninjas:
  >> Planen und Einkaufsliste erstellen.
  >> Lebensmittel richtig lagern und Halt-
     barkeiten verlängern.
  >> Bei der Mindesthaltbarkeit den Sin-
     nen vertrauen.
  >> Reste und ältere Lebensmittel kreativ
     verwerten.
  >> Reste im Restaurant einpacken lassen.
  Und wenn es dennoch zu Food Waste
  kommt? Dann wird das Beste aus dem           Alle Partner haben die Möglichkeit, Kampagnen-Inhalte für eigene Sensibilisierungszwecke zu
  Abfall gemacht: Humus und Energie.           verwenden. Die Abfallfahrzeuge der Städte Basel, St. Gallen und Winterthur (im Bild) beispielsweise
                                               machen mit Plakaten der Food Ninja auf die Thematik aufmerksam.

sprachige Kampagne will die Bevölkerung        gne, welche von Massnahmen und diver-               Bereits 80 Organisationen sind dabei
sensibilisieren. Sie richtet sich inhaltlich   sen Aktivitäten der Partner begleitet wird.         Die Initiative «Save food, fight waste.» wird
an Konsumentinnen und Konsumenten.             Dazu gehören Fernseh-, Online- und Pla-             von einer starken und wachsenden Allianz
Denn alleine in den Schweizer Haushalten       katwerbung, Artikel in Kundenmagazinen,             institutioneller Partner unterstützt. Zu den
gehen pro Person und Jahr rund 90 Kilo-        Aufklärungsaktionen in Personalrestau-              heute über 80 Partnern zählen drei Bun-
gramm essbare Lebensmittel verloren. Mit       rants und Mensen, Social-Media-Beiträge             desämter, 23 Kantone und das Fürstentum
38 Prozent belasten diese Lebensmittel-        und vieles mehr. Die Leitfigur der Kampa-           Lichtenstein, 11 Gemeinden und Abfall-
abfälle die Umwelt deutlich am stärksten.      gne – eine «Food Ninja» − zeigt auf, wie            zweckverbände, zahlreiche Unternehmen
Will die Schweiz Food Waste reduzieren,        einfach und genussvoll Konsumentinnen               und Verbände aus den Bereichen Land-
braucht es ein breit etabliertes Verständ-     und Konsumenten im Rahmen ihres eige-               wirtschaft, Lebensmittelindustrie, Gast­    -
nis – für die Problematik als Grundlage        nen Handlungsspielraums Food Waste ver-             ronomie und Detailhandel, viele grössere
für Veränderungen im Privatkonsum, aber        meiden können (siehe Kasten oben).                  und kleinere NGOs, Stiftungen und Food-
auch für die relevanten Optimierungen in       Alle Massnahmen führen neugierige und               Save-Initiativen.
der Wertschöpfungskette der Lebensmit-         interessierte Personen auf savefood.ch,             Gerade durch diese grosse Allianz verdeut-
telproduktion.                                 eine umfangreiche Wissensplattform rund             licht die Kampagne das Gefühl der Gemein-
                                               um das Thema Food Waste und Food Sa-                samkeit: «Zusammen schaffen wir es, die
Food Ninjas gehen voran                        ving. Nebst Infos und genussvollen Tipps            Lebensmittelverluste zu reduzieren.» Alle
«Save food, fight waste.» richtet sich an      und Tricks haben Interessierte die Mög-             Partner engagieren sich mit verschiede-
Menschen, die die Folgen von Lebens-           lichkeit, eigene Food-Waste-Fallen im               nen Massnahmen für die Vermeidung von
mittelverschwendung nicht oder nur we-         Rahmen eines einfachen Online-Tests zu              Food Waste und machen ihr eigenes Enga-
nig kennen und mitunter auch deswegen          ergründen und sich im Anschluss für eine            gement mit öffentlichem Commitment
noch unnötig oft Food Waste generieren.        «Food Ninja Academy» einzuschreiben.                auf savefood.ch sichtbar. Für die Zielerrei-
Die Aufmerksamkeit dieser Personen er-         Auch informiert die Plattform über heutige          chung ist es zentral, so breit abgestützt zu
langt die Initiative mit einer Werbekampa-     Food-Save-Produkte und -Initiativen.                sein und alle Akteure an einem Tisch zu
                                                                                                   vereinen. Denn eins ist klar: Food Waste ist
                                                                                                   ein gesamtgesellschaftliches Problem. Nur
                                                                                                   wenn alle Akteure der Lebensmittel-Wert-
                                                                                                   schöpfungskette sowie Konsumentinnen
  Gemeinden als wichtiger Teil der Allianz
                                                                                                   und Konsumenten ihren Beitrag leisten,
  Die Breite der Partner-Allianz setzt ein starkes, gemeinschaftliches und hoffnungs­
                                                                                                   lässt sich dieses Problem lösen.
  volles Zeichen gegen Food Waste und für die Wertschätzung und den Genuss von
  Lebensmitteln. So kann mit gemeinsamen Kräften die wichtige Basis für Veränderung
                                                                                                                         Links und weitere Infos:
  gelegt werden: die Sensibilisierung der Schweizer Bevölkerung.
                                                                                                                              www.savefood.ch
  Auch Gemeinden spielen dabei eine wesentliche Rolle. Wie alle Partner der Kampagne
  können sie aus einem umfangreichen Katalog an Kommunikationsmitteln und -mög-
  lichkeiten für sie passende Massnahmen wählen, um beispielsweise bei der eigenen
  Bevölkerung Sensibilisierungsmassnahmen umzusetzen. Zudem können Partner wei-
  tere Kommunikationsmittel mit der Food Ninja entwickeln, sei es eine Rede der Food                                Clivia Bucher
                                                                                                                    Kampagnenleiterin «Save food,
  Ninja, eigene Visuals und Filme, das Branding von Abfallfahrzeugen und vieles mehr.
                                                                                                                    fight waste.», Pusch, Zürich,
  Weitere Informationen: www.savefood.ch/partner-werden                                                             clivia.bucher@pusch.ch,
                                                                                                                    www.savefood.ch

                                                                                                                             Thema Umwelt 3/2020
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14 Dossier

                                                                        Lebensmittelabfälle zu messen und Ursachen zu analysieren, hilft dabei,
                                                                 Prozesse in der Gastronomie möglichst nachhaltig Food-Waste-frei zu gestalten.

Gemeinsam Potenziale aufdecken
Im Gastrobereich steckt grosses Optimierungspotenzial, um die Verschwendung
von Lebensmitteln zu verhindern. Die öffentliche Hand kann dazu beitragen, für die
Thematik zu sensibilisieren und Massnahmen zur Reduktion einzuleiten. Messungen
und Analysen helfen dabei und machen die Potenziale sichtbar.

von Jonas Küng

Für 14 Prozent der in der Schweiz ent-       Lagerung und Verpackung, wird ersicht-       zutreiben. Neben allgemeinen Sensibilisie-
stehenden Umweltbelastung durch Food         lich, dass von der Produktion der Lebens-    rungskampagnen und Empfehlungen kann
Waste ist die Gastronomie verantwortlich.    mittel bis zu deren Zubereitung im Gas-      sie bei öffentlich unterstützten Betrieben,
Zu diesem Schluss kommt ein vom Bun-         trobereich viele Ressourcen und Energie      beispielsweise im Bildungs- oder Kulturbe-
desamt für Umwelt (Bafu) in Auftrag ge-      aufgewendet werden. Es ist daher sinnvoll,   reich, konkrete Anforderungen an die Ver-
gebener Bericht der ETH Zürich aus dem       dem Gastrobereich in der Food-Waste-­        meidung von Lebensmittelabfällen stellen.
Jahr 2019. Bezüglich Umweltbelastung         Debatte mehr Beachtung zu schenken.          Auch die Unterstützung von Projekten, bei
wiegt der in der Gastrobranche verursachte   Dies umso mehr, da Lebensmittelabfälle in    welchen das Messen und Analysieren von
Food Waste somit deutlich schwerer, als      der Gastronomie in strukturierten Abläu-     Food Waste im Vordergrund stehen, birgt
dies die reine Mengenbetrachtung nahe-       fen entstehen, wo Anpassungen rasch und      viel Potenzial.
legen würde. Denn nur 7 Prozent der Food-    langfristig wirken.                          Ein solches Projekt führt der Kanton Basel-
Waste-Menge nach Gewicht gehen auf das                                                    Stadt aktuell mit verschiedenen Gastro-
Konto der Gastronomie. Zum Vergleich:        Anforderungen stellen,                       betrieben durch. An den Projektkosten
28 Prozent entfallen auf Haushalte. Be-      Unterstützung bieten                         beteiligen sich der Kanton mit zwei Drit-
rücksichtigt man aber alle umweltrelevan-    Die öffentliche Hand hat unterschiedliche    teln und die teilnehmenden Betriebe mit
ten Faktoren wie Transport, Verarbeitung,    Möglichkeiten, um Optimierungen voran-       einem Drittel. Das Projekt steht im Kontext

3/2020 Thema Umwelt
Dossier 15

                                                                                               Ende des Projekts aus den Erfahrungen
  Eine Brancheninitiative gegen Food Waste                                                     und Massnahmen der dreissig beteiligten
  United Against Waste (UAW) ist eine Brancheninitiative, in welcher Unternehmen               Gastrobetriebe die besten Umsetzungs-
  und Organisationen der Ausser-Haus-Verpflegung gemeinsam an der Reduktion von                beispiele zusammenstellen und diese in
  Lebensmittelabfall arbeiten. Heute verbindet der Verein über 175 Mitglieder aus den          geeigneter Form allen Gastrobetrieben im
  Branchen Produktion, Verarbeitung und Handel, Gastgewerbe und Gemeinschafts­                 Kanton zur Verfügung stellen.
  gastronomie, Bäckereien und Konditoreien sowie Verbände.                                     Damit sich die Umweltbelastung durch
  In partnerschaftlichen Projekten arbeitet UAW mit Verwaltungen auf allen Ebenen.             Food Waste in der Gastronomie wesent-
  Gemeinsame Projekte erwiesen sich besonders erfolgreich in der Mobilisierung lokaler         lich verbessern kann, braucht es mehr als
  Gastronomieunternehmen. Der Nutzen für Städte, Gemeinden und Kantone ist viel-
                                                                                               30 sensibilisierte Betriebe. Das Projekt im
  fältig:
                                                                                               Kanton Basel-Stadt bietet aber reichlich
  >> Sie setzen effektive Abfallreduktionsprojekte in einem Bereich mit hoher Umwelt­          Inspiration, wertvolle Erfahrungen und
     relevanz und in einer relevanten Zielgruppe urbaner Gebiete um.
                                                                                               spornt hoffentlich viele weitere Gastro­
  >> Sie erreichen umwelt- oder ernährungspolitische Ziele. UAW liefert Fachkompetenz,         betriebe an, Food Waste zu vermeiden.
     Methoden und Werkzeuge und übernimmt die Projektleitung.
  >> Sie setzen öffentliche Mittel in Leuchtturmprojekten ein, die langfristig Wirkung         Erfolge in Luzern
     erzielen, da sich die positiven Effekte über die eigentliche Projektdauer hinaus multi-   Wie gross die Optimierungspotenziale
     plizieren.                                                                                sind, zeigt eindrücklich das Beispiel eines
                                                                                               ähnlichen Projekts am Luzerner Kantons-
                                                                                               spital. Durch messen, analysieren und die
                                                                                               daraus abgeleiteten Massnahmen konnten
des Massnahmenpakets nachhaltige Er-            sung selbstständig vorzunehmen. UAW            die drei Standorte des Spitals die Lebens-
nährung Basel-Stadt 2018 – 2021, mit dem        wertet die Resultate kontinuierlich aus und    mittelabfälle um 35 Prozent reduzieren.
der Regierungsrat sein Engagement für           begleitet die Betriebe individuell. Das Pro-   Seit 2018 fallen so pro Monat mindestens
eine nachhaltige Ernährung stärken will.        jekt wird gestaffelt durchgeführt. Ähnliche    neun Tonnen weniger Food Waste an. Zu
Mit insgesamt elf Massnahmen strebt der         Betriebe besuchen den Workshop gemein-         den Verbesserungsmassnahmen gehören
Kanton drei Hauptziele an:                      sam und führen die Messungen parallel          in Luzern unter anderem kleinere Menüs,
>> regionale Lebensmittelversorgung und         durch. Einige Monate nach der Messung          die Verwendung von Rüstabfällen für Sup-
Wertschöpfung stärken,                          des Ist-Zustandes findet eine Erfolgsmes-      pen und Saucen sowie die Sensibilisierung
>> eine vielfältige, gesunde, faire und um-     sung statt, welche die Resultate der ange-     von Personal und Patienten.
weltverträgliche Verpflegung fördern,           strebten Verbesserung sichtbar macht.
>> Lebensmittelabfälle vermeiden.               Für das Messen stehen Hilfsmittel wie Apps     Nachhaltige Ernährung im Fokus
Zu den Massnahmen des dritten Ziels ge-         zur Verfügung, welche ein standardisiertes     Parallel zum Food-Waste-Projekt mit der
hört auch die Vermeidung von Food Waste         Vorgehen vereinfachen. Das Messen ist          Gastronomie engagiert sich UAW gemein-
im Gastrobereich: Der Kanton Basel-Stadt        trotzdem mit einigem Aufwand verbun-           sam mit anderen Partnern für ein weiteres
prüft in Anknüpfung an die Bestrebungen         den. Beispielsweise müssen die Lebens-         Projekt in Basel. Ziel ist, die Gastronomie
des Bundes Reduktionsmöglichkeiten von          mittelabfälle zuerst separiert werden, bevor   für nachhaltige Ernährung zu sensibili-
Lebensmittelabfällen im Bereich Catering        sie gewogen werden können. Das ist nötig,      sieren. Neben dem Vermeiden von Food
und Gastronomie. Er stützt sich dabei auf       um aussagekräftige Resultate zu erhalten.      Waste geht es dabei um mehr Nachhaltig-
gute Praxisbeispiele, analysiert Lebensmit-     Dieser Prozess fördert aber die Sensibili-     keit beim Lebensmitteleinkauf sowie bei
telabfälle bei kantonalen und interessierten    sierung der Mitarbeitenden, was wiederum       der Menüwahl. Der Kanton prüft hier aktu-
privaten Verpflegungsangeboten und ent-         die Umsetzung der entsprechenden Mass-         ell eine finanzielle Beteiligung.
wickelt Empfehlungen.                           nahmen unterstützt.
Die Federführung für die Umsetzung des          Für Gastrobetriebe bedeutet das Projekt                        Links und weitere Infos:
Projekts liegt beim Amt für Umwelt und          jedoch nicht nur Aufwand: Durch die Ver-                  www.pusch.ch/themaumwelt
Energie Basel-Stadt, welches dafür mit          meidung von Food Waste reduzieren die
dem Verein «United Against Waste» (UAW,         Betriebe ihre Kosten. Unter Berücksichti-
siehe Kasten) zusammenarbeitet. Gemein-         gung der Vollkosten (also Ausgaben wie
sam konnten Basel und UAW 30 Gastrobe-          Waren-, Personal- und Energiekosten)
triebe zum Mitmachen gewinnen, darunter         können sie laut einer Studie von UAW
eigenständige Restaurants und Hotels so-        und der Berner Fachhochschule pro Kilo-
wie Alters- und Pflegeheime und Spitäler.       gramm vermiedenem Food Waste theo-
Bei diesen Betrieben werden nun bis An-         retisch 24 Schweizer Franken einsparen.
fang 2021 in zwei Zeitabschnitten Messun-       Damit bleibt der Ansporn für die Betriebe
gen und Analysen des anfallenden Food           gross, Lebensmittelabfälle auch nach der
Waste durchgeführt.                             Projektphase zu vermeiden. Neben den
                                                finanziellen Anreizen schätzen die Ver-
Der Aufwand lohnt sich                          antwortlichen der am Projekt beteiligten
Die Betriebe sind nach einem halbtägigen        Gastrobetriebe zudem, dass ein Austausch                     Jonas Küng
Einführungsworkshop sowie einem Be-             mit anderen Betrieben zum Thema statt-                       Amt für Umwelt und Energie,
                                                                                                             Kanton Basel-Stadt,
such von Experten von UAW in der Lage,          findet und sie so voneinander profitieren                    jonas.kueng@bs.ch,
die erste, über vier Wochen laufende Mes-       können. Der Kanton Basel-Stadt wird am                       www.aue.bs.ch

                                                                                                                     Thema Umwelt 3/2020
16 Dossier

Zu wertvoll zum Wegschmeissen
Der Anspruch nach Perfektion bei Gemüse, Obst oder Kartoffeln führt zu Food Waste –
und einer unnötigen Belastung für Umwelt und Klima. Bauernfamilien engagieren sich
für die Reduktion von Food Waste und plädieren für mehr Toleranz und Wertschätzung
zugunsten von Lebensmitteln.

von Sandra Helfenstein

Die Schweizer Bauernfamilien produzieren       Hauptgründe für Food Waste in der Land-        Im Kreislauf
mit Leidenschaft Lebensmittel für die Be-      wirtschaft sind:                               Ein Fünftel der unverkäuflichen Ware
völkerung. Sie bearbeiten die Böden, bauen     >> Ein Teil der produzierten Waren bleibt      landet in der Tierfütterung und wird damit
Kulturen an, pflegen diese von der Saat bis    aufgrund von mehr oder weniger grossen         – über einen Umweg – wieder zu Lebens-
zur Ernte und sorgen sieben Tage die Wo-       Abweichungen von strengen Handelsnor-          mitteln. Den Rest wandeln Biogasanlagen
che für ihre Nutztiere. Verluste versuchen     men unverkäuflich. Also: Das Rüebli ist zu     zu Strom und Wärme um und der so ent-
sie dabei möglichst zu vermeiden. Denn         krumm, die Gurke zu lang, der Apfel hat        standene Kompost gelangt als Dünger wie-
alles, was sie nicht verkaufen (können),       oberflächliche Flecken, die Kartoffel Schorf   der auf die Felder. Auch andere Erntereste
fehlt ihnen an Einnahmen.                      auf der Schale oder die Tomate ist zu reif.    arbeiten die Bauern in den Boden ein, wo
                                               >> Es besteht ein zu grosses Angebot für die   sie zur Humusbildung beitragen und die
Schädlich für Umwelt und Klima                 aktuelle Nachfrage. Das passiert vor allem     Bodenfruchtbarkeit fördern. Noch besser
Dennoch: Die Lebensmittelproduktion            bei schnell verderblichen Frischprodukten      wäre allerdings, wenn es gelänge, die neun
braucht per se viele Ressourcen. Wenn das      wie Salat, dessen Wachstum und Konsum          Prozent Verlust auf Stufe Landwirtschaft
Essen am Schluss statt in unseren Mägen        zudem stark vom Wetter abhängig sind.          ganz zu vermeiden.
im Abfall landet, belastet das die Umwelt
unnötig. Es entstehen vermeidbare CO2-
Emissionen, der Land- und Wasserver-
brauch ist verschwendet. Das hat auch
wirtschaftliche Konsequenzen: Wegge-
worfene Lebensmittel verursachen hohe
Kosten entlang der Produktions- und Wert-
schöpfungskette.
In der Schweiz geht rund ein Drittel aller
produzierten Lebensmittel zwischen Feld
und Teller verloren. Das entspricht pro Jahr
rund 2,8 Millionen Tonnen. Fast die Hälfte
dieser vermeidbaren Lebensmittelabfälle
fällt in den Haushalten und in der Gastro-
nomie an. Die Landwirtschaft ist für neun
Prozent der gesamten Lebensmittelver-
schwendung verantwortlich. Die beiden

  Verantwortungsvolle
  Landwirtschaft
  Auf der Website verantwortungsvolle-
  landwirtschaft.ch publiziert der Schwei-
  zer Bauernverband für die Bevölkerung
  nicht nur generelle Informationen
  zum Thema Food Waste, sondern auch
  konkrete Tipps einer Bäuerin, wie sich
  Lebensmittelverschwendung im Haus-
  halt vermeiden lässt.
  Daneben finden sich auch Fakten zur
  Landwirtschaft und verschiedenen
  ­Themen wie Klima, Boden, Pflanzen-
   schutz und Biodiversität.
  verantwortungsvolle-landwirtschaft.ch

3/2020 Thema Umwelt
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