Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau

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Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau
zeittöne
Das Magazin Leben im Alter   Sommer 2020

Lebenslinien

Irgendwann war
es Normalität
P f l eg ea lltag

Ist es jetzt soweit?
d i g i ta l e W e lt e n

mitpflegeleben.de
Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau
Die Hoffnung hilft uns leben.   Ed i to r i a l
   Johann Wolfgang von Goethe

                                Wir bleiben für Sie da!
                                Liebe Leserin, lieber Leser,

                                wir alle hatten uns so auf den Frühling gefreut, auf
                                den Sommer, auf üppige Natur und auf Gemein-
                                schaft im Grünen. Die Stiftung Liebenau hat sich auf
                                die vielen Aktionen und den großen Festakt zu ih-
                                                                                               Stefanie Locher
                                rem 150jährigen Bestehen vorbereitet und wir alle wollten
                                                                                               Dr. Alexander Lahl
                                dieses Jubiläum miteinander begehen.                           Geschäftsführung
                                Dann kam das Virus, wurde Covid19 benannt, und schlich         Liebenau Lebenswert Alter
                                sich, erst fast unbemerkt, dann aber mit großer Wucht in       gemeinnützige GmbH
                                unser aller Leben. Wir können nicht mit ihm verhandeln,        Liebenau Leben im Alter
                                                                                               gemeinnützige GmbH
                                es zur Vernunft bringen, ihm Angebote machen. Die ganze
                                                                                               Heilig Geist – Leben im Alter
                                Welt ist ihm ausgeliefert. Und wir mussten das hohe Gut,       gemeinnützige GmbH
                                das Recht auf Teilhabe massiv einschränken und die Häu-
                                ser der Pflege und die Servicezentren der Lebensräume für
                                Jung und Alt zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewoh-
                                ner schließen. Ein schmerzlicher Einschnitt, der allem wi-
                                derspricht, was uns wichtig ist. Umso mehr freuen wir uns,
                                dass Erleichterungen und Begegnungen wieder ermöglicht
                                werden können.
                                Es ist für alle schwer, mit dieser neuen Lebenssituation zu-
                                recht zu kommen. Wir sind Lernende, die das Beste für Sie
                                geben. Besonders unsere Fachkräfte in den Einrichtungen.
                                Die Situation ändert sich täglich. Wir bleiben für Sie da.

                                Wir grüßen Sie herzlich

                                Ihre                           Ihr
                                Stefanie Locher                Dr. Alexander Lahl

                                                                                                     zeittöne Editorial 3
Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau
I n h a lt

                                                                                                            19 Impuls:
                                                                                                            	Über die Hoffnung

                                            14       »Ich bin sehr froh, zu wissen,
                                                    	
                                                     wie verantwortungsbewusst
                                                     alle sind.«

                                          14 Pflegealltag                                                                                            24Lesesessel
                                                                                                                                                     	Luftig, leicht, lustig,
                                              »Ist es jetzt soweit?«
                                                                                      22    Digitale Welt
                                                                                           	
                                                                                             mitpflegeleben.de
                                                                                                                                                       lebensfroh

06
                                               as Haus der Pflege St. Hildegard
                                              D
             
                                              beherbergt am Rand von Böblingen
             »Wenn der Vater Stück für        44 Bewohnerinnen und Bewohner.
             Stück entgleitet.«               Seit dem 13. März 2020 ist das Haus                                                 Immer wieder –
                                              für Besucherinnen und Besucher
                                              weitgehend geschlossen gewesen.
                                                                                      Wissenswert                                 immer anders
                                              Eine nie dagewesene Situation, die
                                              aber zum Schutz der Menschen
                                                                                      11 Sars-Cov-2                               19	Impuls
06 Lebenslinien                               notwendig wurde. Linda Kraft, die
                                                                                         Ein Virus verändert die Welt             	Über die Hoffnung
                                              Leiterin des Hauses findet: Es sei
     »Irgendwann war es Normalität«           gelungen, Lebensqualität unter sehr
                                                                                         E in Gespräch mit Dr. Alexander Lahl,      »Zärtlich berührt sie deinen Leib,
                                                                                          einer der beiden Geschäftsführer           deine Seele, wird zum Halt und
	Bekannt und beliebt ist der Schau-          ernsten Bedingungen zu erhalten.
                                                                                          der Unternehmen der Stiftung               Zuversicht spürt Gewissheit.«
  spieler Sebastian Ströbel als Markus
                                                                                          Liebenau Pflege und Lebens­­-              Prälat Michael H.F. Brock
  Kofler in der ZDF Serie »Die Berg­
                                          20 Hoffnung                                     räume zu der alles beherrschen­-
  retter«. Der Vater von vier Kindern
                                                                                          den Pandemie und dem Weg,               24 Lesesessel
  hat gemeinsam mit seiner Mutter              Sehr geehrter Herr Spahn,
                                              »                                           den die Stiftung Liebenau geht.         	 Luftig, leicht, lustig, lebensfroh
  und seinen Geschwistern über                ich bin schon da.«                                                                      Lektüre und Hörbücher für den
  15 Jahre seinen Vater begleitet, der
                                          	Tete Yacinthus ist Pflegefachkraft im     22 D igitale Welt                              Sommer
  an Demenz erkrankt war. Geblieben
                                            Haus der Pflege St. Konrad in Kress­         mitpflegeleben.de
  ist: »Liebe! Ein sehr starkes Gefühl,
                                            bronn. Seit einigen Jahren ist er auch       Gemeinsam mit 14 Sozialunter­
  das mit dem Fortschreiten seiner
                                            in dem Ort am Bodensee zuhause.               nehmen hat die Stiftung Liebenau        26 Impressum
  Krankheit nicht weniger wurde.«
                                            Das war nicht immer so: Bis vor               eine Internet-Plattform ins Leben
  Darüber spricht er mit uns in                                                                                                   28 Kontakt
                                            sieben Jahren leitete der gebürtige           gerufen, die seit Oktober 2020
  »zeittöne«.
                                            Togolese eine Radiostation in Lomé.           bundesweit über alle Fragen zum
                                            Dann musste der Journalist fliehen            Thema Pflege informiert.
                                            und Frau und Kinder zurücklassen.

4 zeittöne Inhalt                                                                                                                                           zeittöne Inhalt 5
Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau
Lebenslinien

                          »Irgendwann war es
                          Normalität«
                          Wenn der Vater Stück für Stück entgleitet
                          In Ravensburg hat er Abitur gemacht, heute lebt er mit seiner Familie
                          in Hamburg. Sebastian Ströbel ist Schauspieler. Seine bekannteste Rolle
                          ist die des Markus Kofler in der ZDF-Serie »Die Bergretter«. Der vier­
                          fache Vater hat mit seinen Geschwistern und seiner Mutter über
                          15 Jahre den Vater auf dem »Weg in die Dunkelheit begleitet«. Was das
                          für sein Leben bedeutet, erzählt er mit großer Sensibilität und Offenheit.

6 zeittöne Lebenslinien                                                          zeittöne Lebenslinien 7
Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau
Lebenslinien

                                                 ja 15 Jahre Stück für Stück erlebt wie mein Vater
                                                 immer mehr in sich verschwunden ist. Ange-
                                                 fangen hat es mit Vergesslichkeiten, das haben
                                                 wir manchmal als nervig empfunden, weil wir
                                                 ja nie daran gedacht hätten, dass er auf dem
                                                 Weg ist, uns langsam zu verlassen. Diese Pha-
                                                 se dauerte etwa zwei Jahre bis nach zahllosen
                                                 Untersuchungen und Tests die bittere Wahr-
                                                 heit feststand. Meine Eltern lebten damals in
                                                 Brandenburg. Mein Vater war dort Chefarzt an
                                                 einer Klinik und er war erst Anfang 60 als die
                                                 Krankheit begann, ihn einzuspinnen. Man muss
                                                 sich das vorstellen, zu Anfang der 2000er Jahre
                                                 war diese Erkrankung noch nicht so sehr im
                                                 Bewusstsein. Auf dem Land gab es kaum Un-
                                                 terstützung wie es heute fast überall der Fall
                                                 ist. Und ich war mit Anfang 20 gerade dabei,
                                                 meinen Weg im Leben zu suchen, mich auszu-
                                                 probieren. Also sehr mit mir selber beschäftigt.
                                                 Dieser Spagat war nicht einfach für mich. Dazu
                                                 kommt: Ich lebte nicht mehr in der Nähe meiner
                                                 Eltern, sondern relativ weit weg.
                                                 Wie muss man sich eine »Begleitung in die
zeittöne: Herr Ströbel, wenn Sie an Ihren, vor   Dunkelheit«, wie Sie es nennen, vorstellen?         hat ihn lange noch gefordert, ist viel mit ihm      ist ein Wechselbad der Gefühle, das ich nicht
einigen Jahren verstorbenen Vater denken,                                                            gereist, hat ihn nicht allein gelassen. Ein wich-   wirklich beschreiben kann. Ich hätte meinen
was fällt Ihnen als Erstes ein?                  Eine einfache Antwort darauf kann ich nicht         tiger Punkt war die Diagnose und das Wissen         Vater so gern noch richtig kennengelernt. Aber
                                                 geben. Ich habe ja keinen Alltag mehr mit           darum, dass er Stück für Stück immer weniger        das war einfach nicht mehr möglich. Diese
Ströbel: Liebe! Ein sehr starkes Gefühl, das     meinem Vater erlebt, sondern ihn in regelmäßi-      da sein wird. Ich habe lange versucht, ihn aus      Krankheit übertüncht alles. Erinnerungen an das
mit dem Fortschreiten seiner Krankheit nicht     gen Abständen besucht. Anfangs allein, später       der Dunkelheit herauszuholen. Ob es aber für        Davor treten in den Hintergrund. Mein Vater
weniger wurde. Ich hatte immer ein sehr en-      mit seinen Enkelinnen, die ihren Opi als das        ihn die Dunkelheit war, wie ich sie gesehen         ist mir, ist uns, Stück für Stück entglitten. In der
ges Verhältnis zu meinem Vater, das hat sich     kennengelernt haben, was er zum jeweiligen          habe, kann ich nicht sagen. Vielleicht war es für   ersten Zeit nach der Diagnose war er unglaub-
während seines 15 Jahre währenden Abschieds      Zeitpunkt war. Meine Mutter war diejenige, die      ihn ja gar nicht so. Es gab absurde Situationen,    lich. Er hat uns eigentlich entlassen während er
nicht geändert. Wenn ich aber weiterdenke,       Tag für Tag, Jahr für Jahr für ihn da war. In den   die auch witzig waren, bizarre Situationen, die     sich von seinem alten Ich immer weiter verab-
dann fällt mir ein, wir – meine Mutter, meine    ersten Jahren zuhause, mit ungeheurer Kraft         ich nicht erwartet hätte und es gab noch lange      schiedet hat. Das hat uns als Familie sehr eng
Geschwister, unsere Familien und ich – haben     und Stärke, vor allem mit ihrer ganzen Liebe. Sie   plötzlich die unerwartet klaren Momente. Das        zusammengeschweißt. Begleitung heißt aber

8 zeittöne Lebenslinien                                                                                                                                                          zeittöne Lebenslinien 9
Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau
Lebenslinien                                                                                           Ak t u e ll e l ag e

auch Verzweiflung, Trauer und Hoffnungslosig-       Pflegekräfte im Heim, das ja seine letzte Hei-
keit. Denn irgendwann ist der Punkt erreicht,       mat wurde. Ich finde, diesen Menschen muss
an dem nichts mehr, aber auch gar nichts mehr       viel, viel mehr Anerkennung zukommen, mehr

                                                                                                       SARS-Cov-2
zurückkommt. Aber irgendwann wird das zur           Respekt. Sie sind wunderbar. Ich weiß nicht, wie
Normalität. Es gab Zeiten, in denen ich sehr mit    wir, wie unsere Mutter das geschafft hätte ohne
ihm gelitten habe, obwohl ich natürlich nicht       deren unermüdlichen Einsatz für unseren Vater
weiß, ob er überhaupt gelitten hat. Aber dieses     und all die anderen, die Zuwendung und Pflege
»Insichgefangensein« das durch nichts, aber
auch gar nichts aufzubrechen ist, hat große
                                                    brauchen.
                                                                                                       Das Corona-Virus verändert die Welt
Ängste in mir ausgelöst. Wir haben auch unsere        Sebastian Ströbel …
Kinder zu ihm mitgenommen, die damals noch                                                             Ein Gespräch mit Dr. Alexander Lahl
klein waren. Und Kinder sind so offen und groß-       … ist vor 43 Jahren in Karlsruhe geboren.
                                                      In Ravensburg hat er sein Abitur gemacht
artig: Sie nehmen die Menschen wie sie sind.
                                                      und am Mozarteum in Salzburg seine
Sie haben nicht hinterfragt, was mit ihm ist, sie
                                                      Ausbildung zum Schauspieler absolviert.
                                                                                                       Es ist in einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung von Politik und Ge-
haben seinen Heißhunger nach Süßem gestillt,
indem sie ihn gefüttert haben. Es war ihr »Opili«
                                                      Heute lebt er in Hamburg, ist verheiratet        sellschaft gelungen, die Ausbreitung des SARS-Cov-2 Virus von Mitte März
                                                      und Vater von vier Kindern.
so wie er eben war. Und sie haben ihn bedin-                                                           bis Ende April 2020 einzudämmen. Die Ansteckungszahlen konnten auf
gungslos geliebt. Das sind die kleinen Wunder,        In der bekannten Krimireihe »Kommissar
die niemals vergehen werden. Es ist das größ-
                                                      Rex« debütierte er 1998 als Filmschauspie-       einem Niveau gehalten werden, die das Gesundheitssystem bewältigen
                                                      ler und hat seitdem in vielen Produktionen
te Glück im Leben, geliebt zu werden und zu
                                                      mitge­arbeitet. Seit 2014 spielt er in der
                                                                                                       kann. Früh hat die Stiftung Liebenau entschieden, ihre Häuser der Pflege
lieben. Und ein anderes Glück habe ich in dieser
Zeit kennengelernt: Menschen, die sich tagtäg-
                                                      ZDF-Serie »Die Bergretter« die Rolle des         zu schließen, um ihre Bewohnerinnen und Bewohner vor Ansteckung und
                                                      Markus Kofler.
lich um meinen Vater gekümmert haben. Die                                                              Erkrankung zu schützen.

10 zeittöne Lebenslinien                                                                                                                                    zeittöne Aktuelle Lage 11
Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau
Ak t u e ll e l ag e                                                                                  Aus der Serie »Kreidezeit, April 2020« von
                                                                                                      Heike Schiller. Dokumentation gemalter Gefühle
                                                                                                      von Kindern auf Straßen

	Herr Dr. Lahl, was war das für ein Gefühl        gehörige müssen draußen bleiben, Veranstal-                                                                           deren Angehörige da. Das ist
  die Schließung der Häuser der Pflege zu          tungen sind abgesagt, die Pflegenden müssen                                                                           eine Mammutaufgabe, die man
  ver­fügen?                                       auf so vieles mehr achten und organisieren als                                                                        nicht genug anerkennen kann.
                                                   zuvor und die Gefahr der Vereinsamung und                                                                            Wenn wir es richtig beobach-
Von Gefühlen möchte ich hier erstmal gar nicht
                                                   Depression ist groß. Wir sind sehr glücklich,                                                                         ten, dann beginnt die ganze
sprechen. Es war das Gebot der Stunde eine
                                                   dass die Teams in den Häusern mit der Situa-                                                                          Gesellschaft zu begreifen, wie
Entscheidung zu treffen, die unseren Bewohne-
                                                   tion kreativ umgehen und dafür Sorge tragen,                                                                          wichtig sie für uns alle sind. Wir
rinnen und Bewohnern größtmöglichen Schutz
                                                   dass in dieser herausfordernden Zeit niemand                                                                          wünschen uns, dass auch die
bietet. Immerhin mussten wir das individuelle
                                                   zurückgelassen wird. Stand heute können wir                                                                           Politik jetzt ihren Fokus auf die
Recht auf Teilhabe maximal einschränken. Da
                                                   auf Holz klopfen: Das Virus ist bisher kaum in                                                                        Systemrelevanz der fachlich
muss man sehr rational vorgehen. Wir haben
                                                   die Häuser eingedrungen. Was Linda Kraft für                                                                          hochkompetenten Pflegekräfte
die Entwicklung verfolgt und täglich im Ge-
                                                   das Haus der Pflege St. Hildegard in Böblingen                                                                        richtet und nach der Bewälti-
spräch mit den Hausleitungen und Behörden
                                                   beschreibt (siehe Seite 14) kann ich für alle                                                                         gung der Krise nicht schwei-
bewertet. Anfang März haben wir gesehen:
                                                   unsere Häuser bestätigen: Die Mitarbeiterin-                                                                          gend zum Alltag übergeht. Es
Da rollt etwas auf uns zu, das einen großen
                                                   nen und Mitarbeiter geben alles, um den ihnen                                                                         muss endlich der Dreiklang aus
Einschnitt bedeuten wird. Am 13. März 2020
                                                   anvertrauten Menschen noch mehr zur Seite zu                                                                          adäquater Bezahlung der Mit-
war es dann soweit: Wir haben geschlossen.
                                                   stehen als ohnehin schon. Wir können hof-                                                                             arbeitenden, Kostenanteile der
Das war einerseits ein Gefühl der Erleichterung,
                                                   fen, diese Situation ändert sich bald – aber wir                                                                      Bewohnerinnen und Bewoh-
weil die Entscheidung gefällt war. Andererseits
                                                   wissen: Ohne Impfstoff bleibt es einfach sehr                                                                         ner in den Häusern der Pflege
war es definitiv eine meiner schwersten Ent-
                                                   gefährlich.                                                                                                           und Kosten der Bürger für die
scheidungen meines Berufslebens! Und die
                                                                                                                                                                         Pflegeversicherung neu und gut
Schließung bedeutet so viel mehr, als nur eine
                                                   	Da kommt den Mitarbeiterinnen und                                                                                   austariert werden. Gleichzei-
»ge­schlossene Tür«.
                                                     Mitarbeitern der Häuser eine große Ver­                                                                             tig ist es absolut dringlich, die
	Die Kultur der offenen Häuser kann nicht           antwortung zu. Wie ist das zu schaffen?                                                                             Häuser so schnell wie mög-
  mehr gelebt werden?                                                                                                                                                    lich wieder einer geordneten
                                                   Das ist eine gute Frage. Unsere Mitarbeiten-
                                                                                                                                                                        Teilöffnung zuführen zu können,
Genau. Das bedrückt meine Kollegin Stefanie        den haben auch ohne diese Krise einen he-
                                                                                                                                                                         damit Angehörige und Bewoh-
Locher, mich und alle Mitarbeitenden ganz          rausfordernden Alltag. Jetzt aber leisten sie
                                                                                                                                                                         nerinnen und Bewohner einan-
besonders. Seit Bestehen der Altenhilfe in der     Fantastisches. Sie müssen die neuen Auflagen
                                                                                                                                                                        der wiedersehen können.
Stiftung Liebenau leben wir eine Kultur der        und Regelungen umsetzen und dennoch einen          und müssen zudem ihren eigentlichen Tätig-
Begegnung, der Offenheit und des Austausches.      geregelten und atmosphärischen Tagesab-            keiten nachgehen. Sie sind alle mit viel Einsatz   Die durch das Virus verursachte weltweite
Unsere Häuser der Pflege sind offene Häu-          lauf sicherstellen. Sie haben aktuell eine noch    und Engagement dabei. Sie bemühen sich um          Krise ist von hoher Dynamik. Aussagen, die ak-
ser mit vielfältigen Begegnungsmöglichkeiten       größere Verantwortung. Die Belastungen, auch       einen Austausch zwischen Bewohnerinnen und         tuell getroffen werden, können morgen schon
und mit Quartiers- bzw. kommunalem Bezug.          psychosozialer Art, sind groß. Die Angst, vor      Bewohnern sowie deren Angehörigen über alle        durch neue Entwicklungen überholt sein. Das
Plötzlich ist das vorbei. Es ist, als hätten wir   Ansteckung – auch der eigenen Familie oder         möglichen Kanäle. Sie sind mit Empathie und        Gespräch mit Herrn Dr. Alexander Lahl fand
eine Wand hochgezogen, als hätten wir unsere       der Bewohnerinnen und Bewohner. Sie sehen          Herz für die Fragen, Probleme, Sorgen und          am 30. April 2020 statt und spiegelt den Stand
Grundeinstellung um 180 Grad gedreht. An-          sich mit zusätzlichen Aufgaben konfrontiert        Ängste der Bewohnerinnen und Bewohner und          zu diesem Zeitpunkt wider.

12 zeittöne Aktuelle Lage                                                                                                                                                    zeittöne Aktuelle Lage 13
Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau
P f l eg ea lltag

                                                              »Ist es jetzt soweit?«
                                                              Vom neuen Alltag in der Pflege
                                                              Das Haus der Pflege St. Hildegard beherbergt am Rand von Böblingen
                                                              44 Bewohnerinnen und Bewohner. Ab dem 13. März 2020 ist das Haus für
                                                              Besucherinnen und Besucher geschlossen gewesen. Eine nie dagewesene
                                                              Situation, die umzusetzen den Verantwortlichen wahrlich nicht einfach
                                                              gefallen ist, aber zum Schutz der Menschen notwendig wurde. Linda Kraft,
                           Bewohnerinnen im Haus der Pflege
                                                              die Leiterin des Hauses findet: Es sei gelungen, Lebensqualität unter sehr
                           St. Hildegard in Böblingen         ernsten Bedingungen zu erhalten.

14 zeittöne Pflegealltag                                                                                           zeittöne Pflegealltag 15
Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau
P f l eg ea lltag

T
          oi, toi, toi! Bis heute haben wir keine                                                                                                           das. Wir organisieren regelmäßige Fensterbe-
         Ansteckungen mit dem Virus weder                                                                                                                   suche. Wir ermöglichen Skypezusammenkünfte
          beim Personal noch bei den Bewoh-                                                                                                                 und wir nehmen Filme der Angehörigen ent-
          nerinnen und Bewohnern«, freut sich                                                                                                               gegen, die sie eigens für Bewohnerinnen und
Linda Kraft Ende April und hofft, dass sie alles                                                                                                            Bewohner machen. Das ist alles so wichtig, um
so gut organisiert haben, damit es auch so blei-                                                                                                            den Kontakt so gut wie möglich zu erhalten,
ben wird. Von einem großen Kraftakt spricht die                                                                                                             aber organisatorisch ist das hochkomplex.«
Leiterin des Hauses der Pflege St. Hildegard in
Böblingen, wenn sie an die Wochen seit Anfang                                                                                                               Auch das Betreuungsangebot im Haus selbst
März 2020 denkt. »Wir haben vor dem Lock-                                                                                                                   wurde neu ausgerichtet, denn ein gut struktu-
down die Entwicklungen bereits täglich verfolgt                                                                                                             rierter Tag ist jetzt notwendiger denn je. Zwar
und als die Infektionszahlen weiter sehr stark                                                                                                              gibt es keine Veranstaltungen mehr und auch
gestiegen sind, war die Schließung unserer Ein-                                                                                                             die Gruppenangebote mussten verändert wer-
richtung, bzw. die Entscheidung zur Schließung                                                                                                              den: Maximal fünf Bewohnerinnen und Bewoh-
des Trägers, ein wichtiger Schritt für den Schutz                                                                                                           ner können zum Beispiel ein Gymnastikangebot
unserer Bewohnerinnen und Bewohner, sowie                                                                                                                   wahrnehmen. Es muss also mehr solcher Ange-
Mitarbeitenden. Seit diesem Tag geben wir                                                                                                                   bote geben und braucht den ganzen personel-
täglich unser Bestes.« Aber natürlich bleibt die                                                                                                            len Einsatz. »Aber wir haben das prima hinbe-
Sorge, denn testen konnten sie bisher nur ein-                                                                                                              kommen und können darauf stolz sein«, findet
mal. Alle waren negativ. Diese Momentaufnah-
me ist zwar beruhigend, »trotzdem werden wir          »Wir sind ein sehr                                es jetzt soweit?« kommentiert. Sie kommen
                                                                                                        einigermaßen gut zurecht, weil sie sehen, es
                                                                                                                                                            Linda Kraft. Und dann ist da noch der wunder-
                                                                                                                                                            bare Garten, der weidlich genutzt werden kann
dünnhäutiger: Ein trockener Husten hier oder
erhöhte Temperatur dort lässt uns sofort unru-
                                                      gutes Team. Das zeigt                             geht um ihr Wohlbefinden. Für andere, die
                                                                                                        kognitiv und körperlich sehr eingeschränkt sind,
                                                                                                                                                            und in dem dann doch die eine oder andere
                                                                                                                                                            Veranstaltung stattfindet, wenn etwa die Leite-
hig werden« konstatiert Linda Kraft. Schließlich
müsse man besonders aufmerksam sein, denn
                                                      sich jetzt ganz beson-                            ist es schwer zu begreifen, was vorgeht. Wenn
                                                                                                        etwa der Sohn immer mittwochs kam und jetzt
                                                                                                                                                            rin des Kinder- und Jugendtreffs Dietzenhalde
                                                                                                                                                            Luca Christine Wenz eigens vorbeikommt und in
die Mitarbeitenden gehen ja auch nach Hause           ders.«                                            gar nicht mehr, ist das nicht leicht zu vermit-     gebührendem Abstand ein Gitarrenkonzert gibt.
in ihr Privatleben und kommen am nächsten                                                               teln. Aber auch für die Angehörigen ist es eine     Oder wenn Kinder aus der Umgebung Oster-
Tag zurück. Bei aller Vorsicht sind sie potentielle   Für die 44 Bewohnerinnen und Bewohner stellt      große Umstellung. Viele kamen sehr regelmäßig       grüße für die Bewohnerinnen und Bewohner
Überträgerinnen und Überträger. Das müsse             sich die Lage sehr unterschiedlich dar. Einige    alle paar Tage, andere täglich immer zur glei-      basteln und abgeben. Schokoladengrüße von
man immer auch im Auge haben. »Ich bin sehr           haben die Entwicklung in den Medien und im        chen Zeit. Es sind die Alltagsroutinen, die allen   den Spielbanken in Stuttgart kamen an – »Unser
froh, zu wissen, wie verantwortungsbewusst            Haus intensiv verfolgt und hatten einschneiden-   Beteiligten fehlen. »Wir stehen natürlich mit       Haus wird plötzlich sehr viel mehr als Teil des
alle sind. Wir sind ein sehr gutes Team. Das zeigt    de Maßnahmen im März bereits erwartet. Die        den Angehörigen im Austausch. Sie sehen die         gesellschaftlichen Seins wahrgenommen. Es
sich jetzt ganz besonders.«                           Schließung haben sie lediglich mit einem »Ist     Notwendigkeit der Schließung und unterstützen       ist sehr interessant, was in einer solchen Zeit

16 zeittöne Pflegealltag                                                                                                                                                          zeittöne Pflegealltag 17
Töne zeit - Irgendwann war es Normalität Ist es jetzt soweit? mitpflegeleben.de - Stiftung Liebenau
P f l eg ea lltag                                                                                     Imp u l s

                                                                         Linda Kraft: »Wir können
                                                                         diese Situation nicht über
                                                                         Monate aufrechterhalten.
                                                                         Es braucht absehbar eine
                                                                         kontrollierte Öffnung,
                                                                         denn jede Verlängerung
                                                                         des Ist-Zustandes macht
                                                                         die Akzeptanz schwieriger.
                                                                         Auch wenn es einen wei-
                                                                         teren organisatorischen
                                                                         und kommunikativen Auf-
                                                                         wand mit sich bringt: Ein
                                                                         von uns begleiteter Weg,
                                                                         Besuche zu ermöglichen
                                                                         ist psychologisch drin-
                                                                         gend geboten.« Das gelte
                                                                                                      Über die Hoffnung
Der Garten hinter dem                                                    natürlich auch für viele
Haus der Pflege St. Hildegard                                            andere Einrichtungen         Wie soll ich dich beschreiben, meine Hoffnung.     danken, die Hoffnung, als Erwartung, die ich
                                                                         wie Krankenhäuser oder       Manchmal kommst du daher wie ein kühler            hege. Denn Hoffnung darf nicht zur zweiten
                                                                         Hospize. Aber Linda Kraft    Wind in meiner Wüste. Wenn das Leben brennt        oder letzten Chance werden. Sie muss mehr
                                                                         hat noch einen weiteren      auf meiner Haut und meine Seele dürstet nach       sein als Sehnsucht oder Zuversicht, kein Licht-

»Solidarität und                                   großen Wunsch: »Nachhaltige Veränderungen
                                                   im Gesundheitswesen und in der Betreuung
                                                                                                      den Wassern des Lebens: Nähe, Begegnung,
                                                                                                      Zärtlichkeit, ein kleines Wort zur rechten Zeit,
                                                                                                                                                         blick, der zur Finsternis wird, sobald das Licht
                                                                                                                                                         des Tages schwindet, darf die Hoffnung nicht
Gemeinschaft gewin-                                von alten und gehandicapten Menschen jen-
                                                   seits von Umsatz und Budgetierung müssten
                                                                                                      einem Menschen. Und nur die heiße Sonne mir
                                                                                                      das Leben verbrennt. Übrig bleibt was auch in
                                                                                                                                                         zur Erinnerung werden an vergangene Tage der
                                                                                                                                                         Jugend. Hoffnung, du darfst für mich sein mein
nen wieder mehr an                                 doch jetzt zu machen sein. Systemrelevanz darf
                                                   kein leeres Wort bleiben.«
                                                                                                      Flammen steht: Einsamkeit, Schweigen, Abgren-
                                                                                                      zung und Zweifel. Dann kommt mir die Hoff-
                                                                                                                                                         Vertrauen, mit der ich Hand in Hand durchs
                                                                                                                                                         Leben gehe. Zärtlich berührt sie deinen Leib,
Bedeutung.«                                                                                           nung gleich einem kühlen Wind, der mich            deine Seele, wird zum Halt und Zuversicht spürt
                                                   Die durch das Virus verursachte weltweite          aufatmen lässt für einen kurzen Augenblick.        Gewissheit: Geborgenheit spricht die Hoffnung
passiert. Ich wünsche mir, dass wir davon vieles   Krise ist von hoher Dynamik. Aussagen, die         Aber die Hoffnung darf nicht nur sein ein kurzes   und vertraut darauf, dass sie niemals verloren
in die Nachcoronazeit retten können. Solidari-     aktuell getroffen werden, können morgen            Aufatmen. Sie darf nicht flüchtig sein, einem      geht. Sie ist nicht Windhauch und Schmetterling,
tät und Gemeinschaft gewinnen wieder mehr          schon durch neue Entwicklungen überholt sein.      Schmetterling gleich: Klein, flüchtig und schön.   sie ist das Fundament meines Lebens.
an Bedeutung. Wenn wir das halten könnten,         Das Gespräch mit Frau Linda Kraft fand am          Kaum greifbar, allenfalls einem Aufatmen gleich,
haben wir mehr aus dieser Krise gemacht als        27. April 2020 statt und spiegelt den Stand zu     bevor sie wieder verschwunden ist, die Hoff-       Prälat Michael H.F. Brock
wir je erwarten durften.« Trotzdem mahnt           diesem Zeitpunkt wider.                            nung. Und sie muss mehr sein in meinen Ge-         ist Vorstand der Stiftung Liebenau

18 zeittöne Pflegealltag                                                                                                                                                            zeittöne Impuls 19
Hoffnung

                                                                             M
                                                                                             an hat einen herrlichen Blick von   So kam Yacinthus ins Haus der Pflege St. Kon-
                                                                                             der Anhöhe auf der das Haus der     rad. »In Togo ist es selbstverständlich, dass alte
                                                                                             Pflege St. Konrad in Kressbronn     Menschen in der Familie leben und gepflegt
                                                                                             liegt. Den Bodensee, die Alpen      werden«, erzählt er. Für ihn war die Tugend,
                                                                             kann Tete Yacinthus von hier aus sehen und          Alte zu ehren und immer höflich zu sein, Teil
                                                                             genießen. Aber die schmerzhafte Sehnsucht           seiner Erziehung. Bald haben seine Kolleginnen
                                                                             nach seiner Familie kann diese unvergleichliche     und Kollegen erkannt: Tete kann das super, Tete
                                                                             Kulisse nicht lindern. Lindern kann das nur seine   passt zu uns. Sie haben ihn dabei unterstützt
                                                                             Arbeit, seine Berufung, wie er es nennt, mit        die Ausbildung zur Pflegefachkraft zu machen,
                                                                             den Menschen, die ihm vertrauen. Yacinthus ist      die er Ende 2018 mit Bravour bestand. Seine
                                                                             eigentlich ein Weltbürger, der gerne Sprachen       Kolleginnen und Kollegen unterstützen ihn, eine
                                                                             lernt, neugierig und offen ist. Er spricht Spa-     Zukunft in Deutschland zu haben und er sagt:
                                                                             nisch, Englisch, Französisch, Deutsch und einige    »Alle hier sind meine Freunde. Diese Arbeit ist
                                                                             Dialekte seines Geburtslandes fließend in Wort      alles, was ich habe.« Man spürt das, wenn man
                                                                             und Schrift. »Nur mit dem Chinesischen hapert       ihn im Zusammenspiel mit seinen Kolleginnen
                                                                             es ein bisschen«, sagt er lachend. »Ich lerne       und Kollegen erlebt: Zugewandt, kompetent und
                                                                             einfach gerne Sprachen, das fällt mir leicht.«      fröhlich. Aber was genauso wichtig ist: Er hat ei-
                                                                                                                                 nen sensiblen, liebevollen Draht zu den Bewoh-
                                                                             Tete Yacinthus musste Ende 2013 von einer           nerinnen und Bewohnern, die ihn alle sehr gern
                                                                             Stunde auf die andere sein Land verlassen, weil     um sich haben. Auch seine Kompetenzen aus
                                                                             er als Radiojournalist unbequem wurde und           seinem früheren Leben kommen in diesem Jahr
                                                                             damit rechnen musste, wie viele seiner Kollegen     zum Tragen: Tete Yakinthus wird federführend
                                                                             entführt, vielleicht sogar getötet zu werden.       die Digitalisierung im »Real Labor« übernehmen.
                                                                             Über Belgien kam er schließlich im Januar 2014      Einem Projekt der Stiftung Liebenau in Koopera-
                                                                             nach Deutschland, weil er hier auf Vermittlung      tion mit Berufsgenossenschaft und »inHaus«.

»Sehr geehrter Herr Spahn,…                                                  des Deutschen Botschafters in Togo bereits ein
                                                                             Praktikum bei der Deutschen Welle absolvier-
                                                                             te und über eine Sozialversicherungsnummer
                                                                                                                                 Einen großen Traum hat Tete Yakinthus weiter-
                                                                                                                                 hin: »Ich möchte so gern meine Frau und meine
… ich bin schon da.«                                                         verfügte. Wo er leben wollte, konnte sich der
                                                                             Asylbewerber natürlich nicht aussuchen und so
                                                                                                                                 beiden Kinder herholen dürfen. Wir gehören
                                                                                                                                 doch zusammen!« Sein Asylantrag wurde abge-
                                                                             kam er eines Tages nach Kressbronn. Dort such-      lehnt, aber die Gerichtsverhandlung dazu lässt
                                                                             te er sofort nach einer Aufgabe, die ihm helfen     seit zweieinhalb Jahren auf sich warten. Yacint-
Tete Yacinthus ist Pflegefachkraft im Haus der Pflege St. Konrad in Kress­   sollte Deutsch zu lernen, anzukommen und sich       hus versteht nicht, weshalb der Gesundheitsmi-
bronn. Seit einigen Jahren ist er auch in dem Ort am Bodensee zuhause.       zu integrieren, die Angst und Unsicherheit der      nister überall nach Pflegekräften sucht, er aber
                                                                             Flucht und die Trennung von seiner Familie ein      seit Jahren mit dieser Unsicherheit leben muss.
Das war nicht immer so: Bis vor sieben Jahren leitete der gebürtige Togo-    bisschen zu vergessen. Aber auch eine Aufgabe,      Einen Brief an Jens Spahn hat er im Kopf schon
lese eine Radiostation in Lomé. Dann musste der Journalist fliehen und       die ihm Spaß macht und ihn ausfüllt. Schnell        formuliert:
                                                                             fand er Anschluss in Kressbronn, und da er ein      »Sehr geehrter Herr Spahn, ich bin schon da
Frau und Kinder zurücklassen.                                                angenehmer und kluger Mensch ist, halfen            und liebe meine Aufgabe. Lassen Sie mich bitte
                                                                             ihm viele auf seinem Weg in ein neues Leben.        bleiben.«

20 zeittöne Hoffnung                                                                                                                                       zeittöne Hoffnung 21
N e u es au s d e r d i g i ta l e n W e lt                                                                                                                   Geschäftsführung
                                                                                                                                                              Torsten Anstädt
                                                                                                                                                              und Cornelia Röper

Mitpflegeleben.de
Eine neue Plattform im Internet stellt sich vor
Wenn Sie ein neues Fernsehgerät oder einen Gebrauchtwagen kaufen möchten, eine Urlaubs­
reise planen oder eine Bahnfahrt buchen wollen, dann informieren Sie sich heute zumeist auf
einer der Plattformen im Internet. Wer jedoch nach einem geeigneten Pflegeheim für sich oder
seine Angehörigen, nach einem Sozialdienst oder einer altersgerechten Wohnform sucht, war
bisher auf Hörensagen und Empfehlungen angewiesen. Das hat seit Oktober 2019 ein Ende.
Die Informationsplattform »mitpflegeleben.de« ist online. 14 Sozialunternehmen in Deutschland            Aber das ist noch nicht alles. »mitpflegeleben.de«   für sich oder Angehörige auszuarbeiten. Dabei
und die Stiftung Liebenau gründeten 2018 die »mitunsleben« GmbH und erarbeiteten dieses                  ist die erste, auf Künstlicher Intelligenz (KI)      können Sie unbesorgt sein: Für die Nutzung der
einmalige Angebot.                                                                                       basierende Pflegeplattform Europas. »Wir hel-        Plattform werden keine Gebühren verlangt und
                                                                                                         fen aktiv Menschen, die Pflege benötigen und         gleichzeitig sind Ihre Daten bestens geschützt,
                                                     allem sollte sie auch einen Beratungsservice        entlasten mit unserer intelligenten Pflegeplatt-     weil dies durch die gemeinnützigen Gesellschaf-
                                                     bieten, der Tag und Nacht bei Fragen hilft.         form sowohl Angehörige als auch Pflegekräfte,«       ter, den Sozialunternehmen, garantiert wird.
                                                                                                         erklärt Torsten Anstädt und verweist auf die         Und so betont Cornelia Röper: »Es ist ein gutes
                                                     Cornelia Röper beschreibt die ersten Gedanken       sympathische Robin, die Ihnen gerne bei indi-        Gefühl zu wissen, dass die Sozialwirtschaft uns
                                                     hierfür so: »Ich kann mich über fast alles online   viduellen Fragen weiterhilft. Robin ist Ihr, mit     als sozialem Start-up vertraut. Diese Zuversicht
                                                     informieren und finde vom Hotelzimmer über          künstlicher Intelligenz ausgestattetes Gegen-        kommt letztlich den Menschen zugute, die
                                                     Hundesitter bis hin zur Massage alles vergleich-    über, das zu jeder Tages- und Nachtzeit auf alle     unsere digitalen Angebote nutzen. Denn für sie
                                                     bar online. Aber wenn es um die Zukunft der         Informationen Zugriff hat. Robin beantwortet         entwickeln wir Lösungen, die ihnen Antwor-
                                                     eigenen Eltern oder Großeltern geht, ist es ver-    Ihre Fragen und findet Lösungen, wann immer          ten bieten auf Fragen, die sie gerade dringend
                                                     dammt schwer etwas zu finden. Das geht auch         Sie mit ihr in Kontakt treten. Natürlich ersetzt     beschäftigen.«
Mit Cornelia Röper und Torsten Anstädt wurden        anders.« Und so machten sie sich an die Arbeit.     eine digitale Beratung nicht das persönliche Ge-
in Berlin zwei kompetente Geschäftführungen          Im Oktober 2019 war es schließlich soweit. In       spräch. Aber Ihre eigenen Recherchen und die         Die Stiftung Liebenau freut sich, Ihnen mit die-
gefunden, die diese ebenso einfache wie beste-       enger Zusammenarbeit mit den Sozialunter-           Unterstützung von Robin lassen Sie gezielt etwa      ser Plattform einen Service bieten zu können,
chende Idee mit großem Engagement und ei-            nehmen ist die umfangreiche Plattform »mit­         auf die Einrichtung Ihrer Wahl zugehen. Sie          mit dessen Hilfe Sie auch den Weg zu unseren
nem motivierten Team umsetzten: Es sollte eine       pflegeleben.de« online gegangen. Wer heute          wissen dann bereits um Ihre Möglichkeiten und        vielfältigen Angeboten finden.
digitale Plattform aufgebaut werden, die einen       Pflege sucht, ambulant oder stationär, findet       können sich auf das Wesentliche konzentrieren.       Und wenn Sie schon mal hier sind, laden wir
leichten Zugang zur Welt der Pflege ermöglicht       hier bundesweit 25.000 Pflegeanbieter. Man          Das macht Sie zu einem wissenden Gegenüber           Sie gerne und herzlich ein, einen Blick auf unse-
und bundesweit Orientierung im Pflegedschun-         kann sich unverbindlich umschauen, auswählen,       und hilft den Pflegeberaterinnen mit Ihnen ein       re Angebote zu werfen: stiftung-liebenau.de/
gel gibt. Sie sollte leicht bedienbar sein und vor   nachfragen und Kontakt aufnehmen.                   passgenaues Pflege- oder Betreuungsangebot           pflege-und-lebensraeume/

22 zeittöne Neues aus der digitalen Welt                                                                                                                           zeittöne Neues aus der digitalen Welt 23
L es es es s e l

Lesesessel                                                                   |2|
                                                                                                                |3|
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                                                                   »Es gibt kein Verbot für alte
                                                                                                                                         Keine Sorge, das ist kein Rat-
                                                                   Weiber auf Bäume zu klet-
                                                                                                      Hendrik Groen ist ein Pseu-        geber. Der Titel dieses wun-
                                                                   tern…« entgegnete die großar-
                                                                                                      donym. Aber es gibt diesen         dervollen Buches geht weiter:
                                                                   tige Astrid Lindgren als sie mit
                                                                                                      85 Jahre alten Rentner wirk-       »Die Weisheit der Hundert-
Leichte Lektüre und Hör­
                                                                   über 80 Jahren beim Erklettern
                                                                                                      lich. Er lebe irgendwo in Hol-     jährigen. Eine Weltreise.«
                                                                                                                                                                                   |5|
                                                                   eines Baumes ertappt wurde
bücher haben wir für Sie                  |1|                      ihren besorgten Kritikern. Iris
                                                                                                      land und beschreibt in seinen      Die beiden Autoren, Klaus
                                                                                                                                                                          Zugegeben, ein bisschen
ausgesucht. Sie sind gute                                                                             Tage­büchern sein Leben in         Brinkbäumer und Samiha
                                                                   Apfel würde diesen Satz in                                                                             albern ist mancher Rat in
Begleiter in die Leichtigkeit   Viele kennen den Autor dieses                                         einer Einrichtung für ältere       Shafy, erzählen die Lebensge-
                                                                   ihrer Autobiografie vehement                                                                           diesem kleinen Büchlein
des Sommers, sie erlauben       Buches als Schauspieler, der                                          Menschen. Köstlich anarchisch,     schichten von Menschen, die
                                                                   unterstreichen. Die heute                                                                              schon. Aber dass es immer
über sich selbst zu lachen,     etwa im Tatort als Klaus Bo-                                          zuweilen nachdenklich, oft         100 Jahre und älter werden
                                                                   98jährige gilt als eine der                                                                            nur die »anderen« sind, die
geben Einblicke in besondere    rowski knifflige Fälle auf seine                                      selbstironisch und mit spitzer     und versuchen dem Geheim-
                                                                   originellsten Stil-Ikonen, deren                                                                       merkwürdig werden und nicht
Leben und motivieren sich       ganz besondere Weise löst.                                            Feder akribisch den Alltag         nis dieser sehr langen Leben
                                                                   Extravaganz legendär ist und                                                                           die, die an Lebenserfahrung
dem anspruchsvollen Leicht­     Dass er auch schreiben kann,                                          beschreibend, ist Groen inzwi-     auf die Spur zu kommen.
                                                                   die ihr Leben der Gestaltung                                                                           reich sind und deren Wissen
sinn des Seins hinzugeben.      beweist er mit seinem Erstling                                        schen ein Bestsellerautor ge-      Dafür reisten sie um die Welt
                                                                   der schönen Dinge des Lebens                                                                           unerschöpflich ist, dürfte
Und das eine oder andere ist    aufs Vorzüglichste. »Milbergs                                         worden. »Tanztee« ist bereits      und trafen in vielen Ländern
                                                                   gewidmet hat. Ihr Credo: Krea-                                                                         ja allen klar sein. Die vielen
prima geeignet vorgelesen       trügerisch harmlose Erinne-                                           seine zweite Veröffentlichung      Menschen. Ein Buch, das Mut
                                                                   tivität und Liebe zu sich selbst                                                                       humorigen, aber natürlich
zu werden und für Heiterkeit    rungen an seine Kindheit und                                          aus dem »sehr bequemen             macht, stärkt und das eigene
                                                                   ist alterslos! Das Alter nicht                                                                         nicht immer ernst gemeinten
zu sorgen. Am besten unter      Jugend in Düsternbrook, einem                                         Leben eines vollversorgten         Erinnern und Erzählen darü-
                                                                   leugnen, sondern tun, was                                                                              Ratschläge fühlen gängigen
dem Sonnenschirm mit einem      Kieler Stadtteil, langweilen                                          Rentners«. »Eierlikörtage, das     ber geradezu herausfordert.
                                                                   immer man will ohne sich um                                                                            Klischees auf den Zahn und
Gläschen Wein.                  keine Sekunde, im Gegenteil:                                          geheime Tagebuch des Hendrik       Mit sehr viel Liebe für die
                                                                   Konventionen zu scheren – das                                                                          haben durchaus einen realen
                                Sie entfalten Sog und Charme,                                         Groen, 83 ¼ Jahre« beginnt die     Menschen geschrieben und
                                                                   ist die Botschaft ihres Lebens                                                                         Hintergrund. Ein Buch zum
                                dem man sich nicht entziehen                                          Reihe. Sein drittes Werk heißt:    dabei hintergründig so viel
                                                                   mit der sie nicht Vorbild sein                                                                         Vorlesen in der Gemeinschaft
                                kann.« Na, wenn das der Lite-                                         »Lieber Rotwein als tot sein«      über uns alle erzählend ist
                                                                   will und es doch sein kann. Las-                                                                       oder als Geschenk für die
                                raturpapst Denis Scheck sagt,                                         und stellt einen sehr vergnüg-     das eine ganz besondere Lek-
                                                                   sen Sie sich von dieser »alten                                                                         lieben Verwandten, das ganz
                                dann ist es fast ein Muss. Wer                                        lichen Roman um einen Mann         türeempfehlung. Eignet sich
                                                                   Schachtel« verführen, die sich                                                                         sicher viele fröhliche Stunden
                                sich für die humorvolle Ge-                                           dar, der nach Jahrzehnten im       auch sehr gut zum Vorlesen.
                                                                   zum Ȋltesten Teenager der                                                                             garantiert.
                                schichte hinter dem Fernseh-                                          Toilettenpapiervertrieb arbei-
                                                                   Welt erklärt hat« und genießen                                        Klaus Brinkbäumer und
                                kommissar interessiert, der hat                                       tet und dann verschwindet …                                         Je älter man wird, desto
                                                                   Sie diese äußerst unterhaltsa-                                        Samiha Shafy: Das kluge,
                                viel Freude an diesem Buch                                            Herrlich zu lesen oder zu hören.                                    merkwürdiger werden die
                                                                   me und motivierende Lebens-                                           lustige, gesunde, ungebrem­
                                                                                                                                                                          anderen – der ultimative Rat­
                                Axel Milberg: Düsternbrock,        geschichte.                        Hendrik Groen: alle Bücher         ste, glückliche, sehr lange
                                                                                                                                                                          geber: Riva-Verlag, 9,99 €
                                Piper Verlag 22,00 €                                                  erschienen bei Piper zwischen      Leben, S. Fischer Verlag
                                                                   Iris Apfel: Stil ist keine Frage
                                                                                                      9,99 – 16,99 €;                    22,00 €; auch als Hörbuch
                                                                   des Alters, Midas Verlag
                                                                                                      Hörbücher 11,45 – 15,45 €          bei Audible erhältlich
                                                                   25,00 €

24 zeittöne Lesesessel                                                                                                                                                          zeittöne Lesesessel 25
Impressum

zeittöne ist ein Magazin der

Liebenau Lebenswert Alter gemeinnützige GmbH
Liebenau Leben im Alter gemeinnützige GmbH
Heilig Geist – Leben im Alter gemeinnützige GmbH

Redaktion: Dr. Alexander Lahl, Heike Schiller, Hanna Pfeiffer,
Sylvia Apfel
Gestaltung: Sabine Koch
Fotografie: Titel: ZDF/Thomas R. Schumann; Editorial: Felix Kästle;
Seiten 6, 8, 9, 10: ZDF/Thomas R. Schumann; Seite 22: mitunsleben;
Seite 23: mitunsleben, Fotograf Masa Yuasa; Seiten 24/25: Verlage;
Seiten 2, 11, 12, 13, 14/15, 16/17, 18, 19, 20, 27: Heike Schiller
Bildbearbeitung: Piltz Reproduktionen, Stuttgart
Druck: Siegl-Druck, Friedrichshafen                                                    Die Zukunft gehört denen,
                                                                               die an die Wahrheit ihrer Träume glauben.
Erscheinungstermin: 20. Juni 2020
                                                                      6|2020

Auflage: 7.000 Exemplare                                                                    Eleanor Roosevelt

26 zeittöne Impressum
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