179 Trick-Reich - Region Stuttgart
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart Ausgabe 1/2014 Trick-Reich Animationen und Effekte aus der Region Stuttgart erobern die Filmwelt Wasserdampf statt Dieselrauch Bioplastik für Biolebensmittel Blaues Band in Ochsenwang
Mannschaftsspieler Vom Proberaum auf die Bühne – Benhur, Dani, Moritz und Yannic aus Plochingen haben ein großes Ziel: einen ihrer Songs im Radio zu hören. Den ersten Schritt haben die vier Jungs von der Deutsch-Indie-Rock Band lift up! schon geschafft. Beim Rocktest 2014 holten sie sich mit mitreißendem Spaß an der Musik und viel Charisma den ersten Platz. Der Gewinn ist ein Auftritt beim Lauter-Festival in Zürich. Das Popbüro Region Stuttgart veranstaltet den Wettbewerb für junge Bands jedes Jahr. Neben dem großen Auftritt in der Schweiz erhalten die vier Finalisten einen Studioaufenthalt und Werbematerial. 2 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014
Editorial Inhalt willkommen Aktuell 4 Neuigkeiten aus der Region Stuttgart / Wussten Sie schon, …? Neu in der Region 5 Wasserdampf statt Dieselrauch Branchenfokus 6 Von der Bohne zur kalorienreduzierten Schokolade/ Wachstum durch Matthias Hangst Schrumpfen / In Pink und Blau Titelthema: Animation 8 –15 Trick-Reich 8 Animationen mit Effekt Animationen und Effekte aus der Region Stuttgart erobern die Filmwelt Die Region Stuttgart hat sich innerhalb von wenigen Jahr- zehnten zum veritablen Filmstandort entwickelt – hier Im Gespräch: Ulrich Wegenast 10 entstehen Spielfilme, Fernsehserien, Unternehmensfilme und Dittmar Lumpp und Computerspiele. Vor allem die Animationsstudios sind zu weltweit gefragten Partnern für visuelle Effekte Der die Charaktere beseelt 14 und digitale Postproduktion geworden. Absolventen der Michael Ohnewald porträtiert den Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg Trickfilmregisseur Andreas Hykade werden regelmäßig für den Oscar nominiert und haben die begehrte Trophäe bereits mehrfach errungen. Das Wissenschaft 16 Internationale Trickfilm-Festival in Stuttgart ist heute Viel mehr als nur Biogas / Meteorit mit ebenso wie die parallel stattfindende FMX-Konferenz ein Überraschungen / Kunststoffwände aus international bedeutender Branchentreffpunkt. Natur / Brennstoffzelle ohne Platin Innovation 17 Effekte und Animation gehen heute über den klassischen Skateboards statt Gabelstapler / Wer hat‘s Trickfilm weit hinaus. Auch aus Spielfilmen, in der Werbung erfunden?! oder aus Imagefilmen sind sie nicht mehr wegzudenken Existenzgründung 18 und repräsentieren als Schnittstelle von Technologie und Bioplastik für Biolebensmittel Kreativität besonders gut die Stärken der Kreativwirtschaft in der baden-württembergischen Hauptstadtregion. Fachkräfte 20 Vom ersten Semester an präsent / Mitarbeiter Die hier ansässigen Kreativdienstleister profitieren nicht nur im Unternehmen halten von Ausbildungsstätten wie der Filmakademie, der Hoch- Freizeit 21 schule der Medien, der Macromedia Hochschule, der Lazi Blaues Band in Ochsenwang / Kalender / Tipps Akademie oder der Merz Akademie, sondern auch von den Wirtschaftsförderung Region Stuttgart 22 starken Industriefirmen vor Ort, die eine wichtige Kunden- Aktuell basis bilden. Beide haben einfachen Zugang zur wissen- Sind die ganz dicht? / Termine / Meldungen schaftlichen Infrastruktur, wie etwa dem Höchstleistungs- Impressum / Nächste Ausgabe 23 zentrum der Universität Stuttgart, das seine Rechenzeit zum ersten Mal der Filmbranche zur Verfügung stellt. Neben ihrem Beitrag zur Wertschöpfung in der Region ist die Wachstumsbranche Filmwirtschaft auch Bestandteil eines jungen urbanen Kulturlebens und somit ein wichtiger weicher Standortfaktor. Mit der Film Commission Region 179 Kommunen – ein Standort. Stuttgart, einer der ersten Einrichtungen dieser Art in Deutschland, verfügt die regionale Wirtschaftsförderung über ein hoch spezialisiertes Team, das Dienstleistungen für Filmproduktionen in der Region anbietet und den Filmstandort Region Stuttgart national und international Ludwigsburg Rems-Murr vermarktet. Es ist mit ein Verdienst der Film Commission, dass die Erfolgsgeschichten zustande gekommen sind, von Stuttgart denen die Titelgeschichte dieser 179-Ausgabe berichtet. Böblingen Esslingen Göppingen raumzeit3 | Judith Schenten Dr. Walter Rogg Geschäftsführer Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014 3
Aktuell VRS / Frank Eppler 100 Jahre Hochschule Esslingen Mit einem ganzjährigen Jubiläumspro- Neue Regional- gramm und einem zentralen Festakt im Oktober feiert die Hochschule Esslingen direktorin im Amt wussten Sie schon,... ihr 100-jähriges Bestehen. Im Jahr 2014 wurde die Fachschule für Maschinen- Dr. Nicola Schelling hat im März ihre techniker von Stuttgart nach Esslingen Arbeit als Regionaldirektorin des Ver- verlegt. Wegbereiter war seinerzeit der band Region Stuttgart aufgenommen. Fabrikant Paul F. Dick, der bereits ab Nach Stationen als Richterin und Staats- 1910 den Umzug gefordert hatte. Zum anwältin in Baden-Württemberg trat Erfolg führten schließlich die großzügigen die gebürtige Stuttgarterin 2002 in den Spendenbeteiligungen zahlreicher Esslin- ... dass die Notrufnummer 112 als Landesdienst ein, wo sie zuletzt Leiterin ger Bürger sowie der Stadt. Bald kamen Erstes in der Region Stuttgart des Referats Europapolitik und Ressort- weitere Fachbereiche hinzu, wie zum flächendeckend eingeführt wurde? beobachter bei der Landesvertretung in Beispiel Feinwerktechnik, Elektrotechnik, Brüssel war. „Als Richterin habe ich nicht Nachrichtentechnik, Informationstechnik, Weil der Krankenwagen zu spät ein- nur entschieden, sondern auch Verglei- Fahrzeugtechnik, Gebäudetechnik, Wirt- traf, kam im Jahr 1969 der neunjährige che geschlossen“, sagte die 46-Jährige schaftsingenieurwesen und Betriebswirt- Björn Steiger bei einem Autounfall in bei ihrer Vorstellungsrede zur Wahl durch schaft, später die Naturwissenschaften. Winnenden ums Leben. Seine Eltern die Regionalversammlung im Dezember Ihre heutige breite Ausrichtung bekam Ute und Siegfried schafften es mit viel 2013. Der Vorsitzende des Verband die Hochschule durch die Fusion der da- Engagement, dass die Nummern 110 Region Stuttgart, Thomas S. Bopp, freut maligen Hochschule für Technik mit der und 112 zunächst in der Region Stutt- sich „auf eine gute Zusammenarbeit“. Hochschule für Sozialwesen im Jahr 2006. gart und dann bundesweit einheitlich region-stuttgart.org als Notrufnummern geschaltet wurden. Im Festjahr möchte die Hochschule Heute gilt die 112 in ganz Europa. hervorheben, dass sie ein Teil der Stadt Esslingen und ihrer Geschichte ist. Viele Ganz vorne beim Veranstaltungen sind Gemeinschafts- IHK-Bildungspreis projekte mit städtischen Institutionen, zum Beispiel mit dem Kulturamt als lang- kompakt Der Rote Faden hilft Beim IHK-Bildungspreis waren Firmen aus jährigem Kooperationspartner. der Region Stuttgart besonders erfolg- jedem Kind reich. Drei der fünf Sieger des bundes- hs-esslingen.de weiten Wettbewerbs um herausragende Mit einem bundesweit einmaligen Konzepte in der Berufsbildung stammen Fördernetzwerk unterstützt ein Bildungs- aus der Region Stuttgart: Die Robert projekt in Kernen im Remstal durch- Bosch GmbH Verpackungstechnik in gängig alle Kinder. Seit 2008 begleitet Waiblingen siegte in der Kategorie Groß- Tourismuswerbung die Initiative „Der Rote Faden“ Familien, um deren Kindern einen erfolgreichen unternehmen über 500 Beschäftigte mit an der Autobahn einem Konzept zum Auslandseinsatz als Bildungsweg zu ermöglichen. Derzeit fester Bestandteil der Ausbildung. Bei Mit fünf wichtigen Sehenswürdigkeiten werden rund 200 Familien mit und ohne Firmen unter 500 Beschäftigte machte die wirbt die Stadt Stuttgart entlang der Migrationshintergrund von der Geburt August Mink KG in Göppingen mit ihrer Autobahnen 8 und 81 um Touristen. der Kinder bis hin zum Übergang der besonderen „Kultur des Mitdenkens“ Auf den neuen Hinweistafeln sind die Jugendlichen in die Arbeitswelt betreut. das Rennen. Den Sonderpreis Integration Automobilmuseen von Porsche und Die Initiative verbindet ehrenamtliches bekam die Mader GmbH aus Leinfelden- Mercedes Benz, der zoologisch-bota- und hauptberufliches Bildungsengage- Echterdingen für ihre interkulturellen und nische Garten Wilhelma, die Mineral- ment direkt vor Ort. Nach der Geburt altersgemischten Teams. bäder und der Schlossplatz abgebildet. informieren geschulte Familienbesucher 140.000 Autos passieren täglich die über die lokalen Unterstützungsangebo- ihk-bildungspreis.de Autobahnen rund um die Landes- te für die Jüngsten. Ein Babytreff schließt hauptstadt – entsprechend groß ist die Betreuungslücke zwischen Geburt der Werbeeffekt. und Kindertagesstätte. 65 Ehrenamtliche engagieren sich, während eine Verbin- dungsstelle der Gemeinde die zentrale Schnittstelle des Fördernetzwerks bildet. Für dieses Engagement wurde Der Rote Faden im bundesweiten Wettbewerb „Ideen für die Bildungsrepublik“ aus über 1.000 Projekten ausgewählt und prämiert. Stuttgart Marketing buergernetz-kernen.de 4 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014
Neu in der Region Wasserdampf statt Dieselrauch Bei den Stuttgarter Straßenbahnen sind Busse mit Batterie und Brennstoffzelle unterwegs dampfend SSB Wasserdampf statt Dieselrauch: Das ist seit Anfang März In ihrer Geschichte hat die SSB immer wieder neue An- bei Linienbussen der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) triebstechnologien ausprobiert. Schon 1979 waren 13 Realität. Statt eines Dieselmotors im Heck haben die Hybridbusse im Stuttgarter Linienverkehr unterwegs, der Busse Elektromotoren in den Radnaben, die von gleich Strom kam aus rund drei Tonnen schweren Bleibatterien. zwei Energiequellen gespeist werden: von Brennstoff- Zwischen 1997 und 2003 fuhren 19 dieselelektrische zellen und von einer Batterie. In den Brennstoffzellen Busse auf der Linie 42, 2003 schließlich schon mal drei wird aus Wasserstoff und Sauerstoff Strom erzeugt, aus Brennstoffzellenbusse – allerdings noch ohne Batterie. dem Auspuff kommt als einzige Emission H 2O – reiner „Erprobungspartner für die Industrie bei technologischen Wasserdampf. Die Kombination mit der Batterie ist die Innovationen zu sein, hat für die SSB seit Jahrzehnten große Besonderheit der neuen Busse. Nur die Batterie Tradition“, sagt Wolfgang Arnold, der Technische Vorstand treibt den Elektromotor an, für den Strom, den die der SSB. „Auch bei den Brennstoffzellenhybridbussen Brennstoffzelle erzeugt, dient sie als Zwischenspeicher geht es jetzt darum, die Praxistauglichkeit im Linienein- ebenso wie für die zurückgewonnene Bremsenergie. satz zu erproben.“ Die neuen Busse sind Teil des Projektes So kann die Brennstoffzelle gleichmäßiger und damit S-Presso (Stuttgarter Praxiserprobung von wasserstoff- materialschonender und effizienter laufen. betriebenen Omnibussen), das aus Bundesmitteln ge- fördert wird. Überhaupt ist bei den neuen Fahrzeugen des Typs „Citaro FuelCell-Hybrid“ von Daimler alles auf Effizienz getrimmt: Wer das Vergnügen einer Dampfbusfahrt erleben möch- Gegenüber dem Vorgängermodell sind sie um rund te, muss sich derzeit noch auf die Filder begeben: Die eine Tonne leichter, können mehr Fahrgäste mitnehmen, neuen Busse fahren auf der elf Kilometer langen Buslinie die Reichweite wurde von 200 Kilometern auf rund 350 79 zwischen Plieningen und Flughafen/Messe. Ab Mitte vergrößert. Damit kommen sie mit einer Tankfüllung des Jahres rollt dann ein weiterer Bus zehn Kilometer auf etwa so weit wie ein konventioneller Dieselbus. Und der Buslinie 67 durch Fellbach. Tobias Schiller die Abwärme der Brennstoffzellen wird im Winter zum Heizen des Fahrgastraums verwendet. Gegenüber früheren Modellen sollen die neuen Busse fast um die Hälfte weniger Wasserstoff verbrauchen. 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014 5
Branchenfokus Von der Bohne zur kalorienreduzierten Schokolade Auf Maschinen von Bühler Barth aus Freiberg am Neckar entsteht weltweit Süßes Vor der Industrialisierung war alles Handarbeit: Rösten, Neun Jahre später, zur Jahrhundertwende, erweiterte Reinigen und Verarbeiten der Kakaobohnen. Auch die Barth seine Maschinenpalette für Kakao- und Kaffee- industrielle Fertigung von Schokolade folgt im Grund- bohnen um die Kugelröstmaschine Sirocco, die mehr satz den ursprünglichen handwerklichen Arbeitsschritten. als fünf Jahrzehnte lang der Verkaufsschlager war Heute jedoch sorgen in der Kakaoproduktion hoch und aufgrund ihrer Langlebigkeit heute noch bei nam- entwickelte technische Aggregate mit automatisierten haften Schokoladenherstellern in Betrieb ist. Anlagen für reibungslose Abläufe. Nachdem sich das Unternehmen jahrzehntelang an maschinen- und anlagenbau der Spitze der Maschinenhersteller für die schokoladen- verarbeitende Industrie behauptet hatte, geriet es 1980 ins Schlingern. Als G. W. Barth die Nachfrage nach Anlagen mit elektronischer Steuerung nicht bedienen konnte, folgte die Übernahme durch eine Finanzgruppe und im Jahr 2007 endlich der Einstieg der Schweizer Bühler Group – ebenfalls ein international renommierter Maschinen- und Anlagenbauer für die Lebensmittel- und Süßwarenindustrie. Unter dem neuen Nahmen Bühler Barth schaffte man die technische Neuausrichtung auf Anhieb. Aufgrund des Know-hows bei der Kakaoboh- nen- und Nussverarbeitung beließ Bühler die Zentrale und das Kompetenzzentrum für den Bereich Schokolade und Kakao in Freiberg. Neben Forschung und Entwick- Bühler Barth lung verblieben auch der Verkauf, das Engineering sowie die Fertigung mit einer vergrößerten Produktionsfläche am Neckar. Inzwischen gehört die Bühler Barth GmbH mit ihren Die Bühler Barth GmbH aus Freiberg am Neckar gilt 120 Mitarbeitern wieder zu den Technologieführern, als weltweit führender Hersteller von Maschinen, wenn es um die optimale Verarbeitung der Kakaobohne Anlagen und schlüsselfertigen Fabriken für die Verar- zu Kakaomasse, -butter oder -pulver geht. Wie viel das beitung von Kakao, Nüssen und Getreide für die Süß- Unternehmen von der Schokoladenherstellung versteht, waren- und Lebensmittelindustrie. „Unsere Maschinen bewies es im Jahr 2012 mit einer unter ernährungs- zur Kakaoerzeugung werden nach den strengsten wissenschaftlichen Aspekten epochemachenden Inno- Standards der Lebensmittelhygiene entwickelt“, erklärt vation: der fettreduzierten Schokolade. „20 Prozent Dr. Tobias Lohmüller, Leiter Forschung und Entwicklung einer Kakaobohne bestehen aus Schale, die sehr ballast- bei Bühler Barth. „Als Marktführer arbeiten wir eng mit stoffreich ist“, erklärt Dr. Tobias Lohmüller. „Es ist uns Kunden, Forschungsinstituten und Hygiene-Experten gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, das diese Schale daran, diese Standards permanent zu verbessern, doch in wertvolle Kakao-Ballaststoffe verarbeitet. Als fett- es ist vor allem die jahrzehntelange Erfahrung und das armer Kakaopuder kann er der Schokolade beigefügt Wissen um die schonende und effiziente Kakaoverar- werden, die dann bei gleichem Geschmack weniger beitung, die unsere Kunden so an uns schätzen.“ Kalorien enthält.“ Sonja Madeja Im Jahr 1890 von Georg Wilhelm Barth als Fabrik für Patent-Sicherheits-Röster G. W. Barth in Ludwigsburg gegründet, spezialisierte sich das Unternehmen zu- nächst auf das Rösten von Getreide und entwickelte im Jahr 1891 den ersten Sicherheitskugelröster. Bühler Barth GmbH Gründungsjahr: 1890 Sitz: Freiberg am Neckar Mitarbeiter: 120 buhlergroup.com/cocoa-and-nuts 6 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014
Branchenfokus Wachstum durch Schrumpfen maschinenbau Bilz aus Ostfildern entwickelt und produziert Qualitätswerkzeuge für die Spanntechnik Weltweit wird kaum ein Motorblock Transferstraßen. Mithilfe seiner Frau, hergestellt, ohne dass die Bilz Werkzeug- die Englisch sprach, wagte Otto Bilz fabrik GmbH daran beteiligt ist. In unmit- den Sprung nach Nordamerika. Die Zu- telbarer Nähe von Daimler und Porsche sammenarbeit mit mehreren US-Firmen Bilz hat sich das Familienunternehmen seit gipfelte in einer weiteren Innovation, bald 100 Jahren auf Qualitätsspannmittel der Entwicklung eines Futters für spezialisiert und sich zum zuverlässigen NC-Maschinen im Jahr 1960. Solche „Hochgeschwindigkeitsmaschinen Innovationspartner der Automobil- Maschinen wurden in Europa noch kommen ohne Schrumpftechnik nicht industrie und der Werkzeugmaschinen- nicht gebaut – Bilz war seiner Zeit weit mehr aus, das Schrumpfen ist in der branche entwickelt. Heute gilt Bilz als voraus. Automobilindustrie, im Flugzeugbau und weltweit führender Hersteller von Spann- im Formenbau zu einer festen Größe werkzeugen für Gewindeschneid- und Mit der Einführung der Schrumpf- geworden“, erklärt Michael Voss. So ist Höchstleistungswerkzeuge: „Unseren spanntechnik schaffte die dritte Gene- die Technologie zum zweiten Standbein Erfolg verdanken wir der kontinuierlichen ration – die Brüder Reiner und Axel – im des Unternehmens geworden und macht und konsequenten Neu- und Weiter- Jahr 1998 den Einstieg in die Luft- und 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus. entwicklung unserer Produkte sowie Raumfahrt sowie in die Medizintechnik. dem Gespür für Innovationen und für Bei diesem Verfahren wird das Werk- Heute entwickeln und produzieren 150 die Anforderungen der Kunden“, erklärt zeug in wenigen Sekunden erhitzt und Mitarbeiter in den Werken Nellingen Geschäftsführer Michael Voss. die Bohrung aufgeweitet, so dass und Horb sowie 180 Mitarbeiter in Asien das Werkzeug eingesetzt werden kann. modernste Lösungen zur Werkzeug- 1950 gelang Otto Bilz, dem Sohn des Beim anschließenden Kühlvorgang spannung für Kunden in 33 Ländern. Gründers Hermann Bilz, der große Durch- schrumpft die Bohrung wieder und Mit fünf Tochterunternehmen und bruch mit der Erfindung des Schnell- spannt Spannzange und Werkzeug fest 58 Vertretungen liegt der Exportanteil wechselfutters für Mehrspindler- und zusammen. von Bilz bei 45 Prozent. (som) bilz.de In Pink und Blau verlagswirtschaft Blue Ocean aus Stuttgart ist der Senkrechtstarter unter den Kinderzeitschriftenverlagen Erst seit acht Jahren gibt es die Stuttgar- zenten oder Spielzeugherstellern zu der Eltern zu genügen, die letztendlich ter Blue Ocean Entertainment AG, entwickeln und zu verlegen – wie bei- die Käufer sind“, erläutert Simon Peter. doch sie gehört bereits zu den umsatz- spielsweise Lego, Diddl, Power Rangers, „Wir betreiben ernsthafte Kinderunter- stärksten deutschen Kinder- und Jugend- Playmobil, Käpt’n Sharky oder Shaun haltung mit allem, was dazugehört. Vor magazinverlagen. Im Sommer 2006 das Schaf. Dabei müssen die Spielzeuge, allem wecken wir die Freude am Lesen erschien das erste Lillifee-Magazin, in Sammelfiguren, TV-Serien, Hörspiele oder und fördern Kreativität und Motorik.“ den darauffolgenden Jahren das Play- Buchreihen eins zu eins in die Inhalte von Themen, Gestaltung, Illustrationen, der mobil-Magazin, Horseland, Bella Sara, Kinderzeitschriften überführt und mit Umfang der Beiträge, das Sprachniveau Frag doch mal die Maus, Löwenzahn dem jeweiligen Lizenzgeber abgestimmt und die Schriftgröße müssen kindge- und viele weitere Hefte. werden. „‚Die Sendung mit der Maus‘ ist recht sein. Bildergeschichten, Tierseiten, zwangsläufig anders als ein Frag-doch- Ausmalbilder, Poster, Rätsel, Basteleien Die Idee der Gründerinnen Heidi Freiner mal-die-Maus-Heft, denn in unserem Fall und die obligatorische Produktzugabe und Sigrun Kaiser war es, Kinder- und findet eine ganz andere Art von Wissens- – Spielzeug, Schmuck oder Kosmetik – Jugendzeitschriften auf der Basis von vermittlung statt, die an das Medium ergänzen das redaktionelle Grundthema Lizenzen von Buchverlagen, TV-Produ- Print angepasst ist“, erklärt Simon Peter, des jeweiligen Heftes. Chefredakteur der Hälfte des Blue- Ocean-Portfolios. Blue Ocean ist der wachstumsstärkste junge deutsche Verlag der vergangenen Mit Einfühlungsvermögen für die jeweili- zehn Jahre. Von den Top 25 der Kinder- gen Zielgruppen erarbeiten die 72 Verlags- zeitschriften entfallen im Einzelverkauf mitarbeiter Konzepte und Inhalte. „Unsere 13 auf das Stuttgarter Verlagshaus. Dies oberste Priorität ist es, die Träume und beeindruckte auch den Burda-Konzern, Gross-Gruppe Wünsche der Kinder zu erfassen und ihre der jetzt 50,1 Prozent der Anteile über- Erwartungen an die Hefte zu erfüllen, nommen hat. (som) gleichzeitig aber auch den Ansprüchen blue-ocean-ag.de 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014 7
Max Lang und Jan Lachauer, Absolventen der Filmakademie Baden-Württemberg, haben den Hexenbesen im Ludwigsburger Studio Soi zum Fliegen gebracht. Für die visuellen Effekte in „Für Hund und Katz ist auch noch Platz“ sind sie mit einer Nominierung für den Oscar 2014 geadelt worden. Zuvor war das schon anderen Produktionen mit Ludwigsburger Beteiligung gelungen. Zwei Mal haben Abgänger der renommierten Hochschule die begehrte Trophäe sogar errungen: 2006 mit dem Science-Fiction-Film „Independence Day“ des Exil-Sindelfingers Roland Emmerich sowie 2012 mit „Hugo Cabret“ von Martin Scorsese. Hinzu kommen zwei Studenten-Oscars.
Titelthema: Animation Animationen und Effekte aus der Region Stuttgart erobern die Filmwelt Trick-Reich Nicht nur im Popcorn-Kino werden digitale Welten geschaffen. Das Arbeitsfeld der Animationsprofis ist inzwischen wesentlich weiter gefasst – und hat eine lange Tradition in der Region Stuttgart. Eine Geschichte über kreative Keimzellen, internationale Erfolge und wachsende Chancen. Ein Donnerstagnachmittag in einem der herrschaftlichen Sandsteinhäuser am Fuße der Stuttgarter Karlshöhe. Die Sonne scheint frühlingshaft, doch in den Räumen von M.A.R.K.13 verbannen halb heruntergezogene Rollläden das Tageslicht. „Sonne ist bei unserer Arbeit eher hinder- lich“, sagt Dominique Schuchmann, einer der drei Ge- schäftsführer des Studios für Animation, 3D und Visual Effects. Hoch konzentriert sitzen die Profis an ihren Bild- schirmen und arbeiten an aktuellen Projekten – hier in der Hohenzollernstraße beispielsweise an Imagefilmen für Mercedes Benz Trucks und Audi oder an Effekten für Studio 100 Media, Buzz Studios das multimediale Projekt Netwars über Datensicherheit im Netz. „Wir sind quasi zweigeteilt. Hier entstehen Realfilme, Imagefilme oder auch technische Filme für die Industrie und in der Innenstadt sitzen unsere Animations- jungs“, erklärt Schuchmann. Im Büro in der Theodor- Heuss-Straße wird derzeit dafür gesorgt, dass Biene Majas „Fell“ schön fluffig aussieht, bevor sie demnächst in 3D im Kino zu sehen sein wird. titelthema Laien denken beim Stichwort Animation und Visual Ein Großrechner bringt die Biene Effects an animierte Kinderfilme oder fantastische Welten zum Fliegen wie in „Der Herr der Ringe“ oder „Avatar“. Profis wie die von M.A.R.K.13 werden heute aber überall gebraucht: M.A.R.K.13 deckt einen Großteil der Medienformate In jedem Musikvideo, jeder Fernsehwerbung steckt ab – als eines der wenigen Büros in der Region Stuttgart, die Arbeit der Experten – sei es in Sachen visueller Nach- die sich breit aufgestellt haben. „Dementsprechend sind bearbeitung, die eine Filmsequenz noch schöner, das wir auch in diversen Disziplinen vertreten: klassische sonnige Wetter noch beglückender, die bunten Farben Animation und Zeichentrick, Visual Effects, 3D, Real- noch leuchtender wirken lässt. Seien es Hintergründe drehs, Postproduktion, Compositing und vieles mehr“, so oder Kulissen, die im Nachhinein zusammen- oder hinzu- Schuchmann, der selbst Animation an der Filmakademie gefügt, verschönert oder ausgetauscht werden. Sei es Baden-Württemberg in Ludwigsburg studiert hat und das beworbene Bonbon oder der mutige Superheld, anschließend blieb. Gemeinsam mit Armin Gauß von die dank der Profis besonders effektvoll und ästhetisch der Merz Akademie schloss er sich 2004 M.A.R.K.13 an, durch die Luft fliegen. Kaum ein Bewegtbild ist mehr un- gegründet 1999 von Holger Weiss. „Anfangs waren wir bearbeitet, auch wenn der Zuschauer das kaum bemerkt. ausschließlich Dienstleister für klassische Animation und Magic Light Pictures „Wenn man nicht sieht, was wir in monatelanger Kleinst- Postproduktion, dann haben wir unser Portfolio und arbeit geleistet haben, ist das Ziel erst erreicht“, so unseren Kundenkreis erweitert.“ Die ersten Projekte für Schuchmann. Und die Branche entwickelt sich wahn- große Firmen entstanden und M.A.R.K.13 wurde zu einer sinnig schnell. Während sich die Firmen weltweit mit angesehenen Anlaufstelle für Imagefilme. Inzwischen immer aufwändigeren Effekten und immer realistischer liest sich das Portfolio des Studios sehr variantenreich: wirkenden Animationen übertrumpfen, entstehen Musikvideos für Rammstein, klassische Werbefilme zur gleichzeitig auch immer neue Betätigungsfelder, bei- Suchtprävention oder für Autos, Imagefilme für hier spielsweise in den Bereichen Games und Apps. ansässige Unternehmen, Animationsfilme wie „Ritter Rost“ oder die „Biene Maja“. 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014 9
Titelthema: Animation Prof. Ulrich Wegenast und Dittmar Lumpp im gespräch 179: Wie erklären Sie sich die Erfolgs- Welche Rolle spielen Einreichungen Sie sind viel mit Präsentationen und geschichte des ITFS von den Anfängen aus der Region? Vorlesungen in der Welt unterwegs. als kleine Nischenveranstaltung zu Was kann die Region Stuttgart im einem weltweit beachteten Festival? Lumpp: Das ITFS hat sich schon früh Vergleich noch lernen? Film- und Medienfestival gGmbH auch als Schaubühne für hiesige Produk- Lumpp: Beim ITFS werden alle As- tionen gesehen. Dieser Trend hat sich Wegenast: Präsentationen des Trickfilm- pekte des Animationsfilms präsentiert: mit den stark verbesserten Förder-Rah- Festivals und Programme aus der Region künstlerischer Kurzfilm, Kindertrickfilm, menbedingungen in Baden-Württemberg Stuttgart führen uns zum Beispiel nach Werbung, oscarnominierter Blockbuster. natürlich verstärkt. Das ITFS profitiert von Sapporo oder Harare, Toronto oder Und wir bringen jedes Jahr neue The- den zahlreichen Produktionen aus dem Tampere. Dabei wird mir immer wieder men. So stehen zum Beispiel Animation Land, die wiederum eine glänzende Rolle deutlich, wie gut die Region Stuttgart und Games in immer engerem Zusam- im weltweiten Vergleich spielen. wirtschaftlich, technologisch und kulturell menhang. Deswegen bauen wir dieses aufgestellt ist. Gerade in Ländern wie Jahr unter dem Motto „Let’s Play!“ die Wird bald ein Höhepunkt in Sachen Simbabwe oder Armenien kann man von Gamezone deutlich aus – mit Präsentati- technischer Innovation und Qualität den Menschen lernen, dass eine gewisse onen von Gamesexperten und Vertre- erreicht sein? Risikobereitschaft und Leidenschaft not- tern großer und kleiner Spielefirmen. wendig ist, um voranzukommen. Lumpp: Die technische Entwicklung Sie und Ihr Team haben dieses Jahr ist ein stetiger Prozess, der nie zum Und umgekehrt: Was kann die Welt 2.300 Einreichungen gesichtet. Was Stillstand kommt. Wir haben in den hier lernen? macht einen guten Animationsfilm vergangenen 20 Jahren die totale Um- aus? stellung vom analogen Film zu digitalen Wegenast: Von der Region Stuttgart Filmformaten erlebt. Damit war eine kann man möglicherweise lernen, dass Wegenast: Eine Formel lässt sich nicht revolutionäre Änderung der Produkti- es bei aller positiven wirtschaftlichen pauschal festlegen. Der eine zeigt die onsabläufe verbunden. Natürlich gibt es Entwicklung entscheidend ist, nicht gesamte Palette an technischen Möglich- immer wieder neue technische Trends, keiten, ein anderer besticht durch mini- wie zuletzt die 3D-Technik. Es ist aber stehen zu bleiben und sich auf dem bisher male Zeichnungen. Wichtig ist sicherlich, auch ein wichtiger Trend, dass wir heute Erreichten auszuruhen. Gerade der Wan- dass Inhalt und Konzept originell sind. wesentlich häufiger über Inhalte, Storys, del von einem reinen Industriestandort Es gibt aber auch sehr emotional auf- Gestaltung et cetera sprechen als über in Richtung IT-Technologie und Kreativ- wühlende Filme. Vielleicht lässt sich zu- rein technische Fragen. wirtschaft scheint in der Region gut zu sammenfassend sagen: Ein guter Trickfilm funktionieren. Old und New Economy muss faszinieren, neue Impulse setzen, ergänzen sich hier sehr gut. sein Thema anschaulich machen. titelthema Wenn das gelbschwarze Insekt ab dem kommenden zu träumen. Echte und anspruchsvolle Trickfilmkunst kam Herbst über die Kinoleinwände fliegt, ist dies nicht zu- damals fast ausschließlich aus Osteuropa und insbeson- letzt einem der schnellsten Rechner Europas zu verdan- dere aus Prag. In den dortigen Trickfilmstudios erwarb ken. Normalerweise nutzen Wissenschaftler das Höchst- Ade das theoretische und praktische Rüstzeug für die leistungsrechenzentrum (HLRS) der Universität Stuttgart Gestaltung von Animationsfilmen – was zur Gründung für ihre Forschungen oder große Industriefirmen für die einer Arbeitsgruppe für Animationsfilm an der Universität Entwicklung von Autos und Maschinen. „Animationsfil- Wuppertal, der Teilnahme an Filmfestivals und ersten me in der heutigen Detailgenauigkeit erfordern extrem Aufträgen in der Wirtschaft führte. Nach seiner Berufung lange Rechenzeiten. Dafür bräuchte ein normaler PC an die Kunstakademie Stuttgart als Leiter einer Klasse für Jahrzehnte“, sagt Dr. Andreas Wierse, Geschäftsführer Grafikdesign im Jahr 1977 übernahm er 1980 auch dort der Sicos BW GmbH, die Firmen Zugang zum HLRS und den Auftrag zur Gründung einer Klasse für Trickfilm. anderen Großrechnern verschafft. Für die Stuttgarter Filmproduzenten ist der Superrechner vor der Haustür ein unschätzbarer Vorteil – und ein Novum dazu: „Erstmals Von Äffle und Pferdle zu fantastischen weltweit wird eine derart bedeutende wissenschaftliche Welten Rechnerstruktur für die Unterhaltungsindustrie genutzt“, betont Wierse den Pioniercharakter der Kooperation. „Die Anfänge an der Kunstakademie waren schwierig, vor allem auch wegen der zögerlichen Beschaffung Einer der Pioniere für die Entwicklung des Animations- geeigneter Technik und der immensen Kosten für eine films ist auch Professor Albrecht Ade, Gründer der Film- Filmproduktion“, so Ade. Trotz des hohen Arbeitsauf- akademie Baden-Württemberg. Als er gemeinsam mit wands – in der prädigitalen Zeit mussten für eine Minute seinen Studierenden begann, Trickfilme zu produzieren, Zeichentrick bis zu 280 Bilder auf Folie gezeichnet wagte noch kaum jemand von einer digitalisierten Welt werden – versammelten sich in der Studiengruppe nach 10 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014
Titelthema: Animation Prof. Ulrich Wegenast Die Film- und Medienfestival gGmbH wurde 2000 gegründet. Gesellschafter Künstlerischer Geschäftsführer sind die Filmakademie Baden-Württem- der Film- und Medienfestival berg, die Wirtschaftsförderung Region gGmbH in Stuttgart Stuttgart GmbH sowie die Städte Stutt- gart und Ludwigsburg. Die Gesellschaft Dittmar Lumpp ist Veranstalterin des Internationalen Geschäftsführer Organisation und Trickfilm-Festivals Stuttgart und von Finanzen der Film- und Medien- Raumwelten, Co-Veranstalterin von festival gGmbH in Stuttgart NaturVision sowie an weiteren Events beteiligt. Das ITFS wird auch getragen von der regionalen Wirtschaftsförderung. Wie sehen Sie die Verbindung von Kultur- und Wirtschaftsförderung? Lumpp: In früheren Jahren wurden diese Begriffe als Gegensätze diskutiert – auf der einen Seite die Hochkultur, auf der anderen Seite die Wirtschaftsanwen- dungen. Gerade der Bereich Animation beweist, dass diese Gegensätze heutzu- tage anachronistisch sind. Die Erfolgs- geschichte des ITFS zeigt, wie sich eine kulturelle Förderung auf die dynamische Film- und Medienfestival gGmbH wirtschaftliche Entwicklung der Animati- onsbranche in der Medienregion Stuttgart positiv ausgewirkt hat. Die Fragen stellte Valérie Hasenmeyer und nach 20 hoch motivierte Trickfilmer. Wer sich dafür positive Zukunft des Animationsfilms in Stuttgart zumin- einschrieb, war absoluter Liebhaber und Idealist, denn es dest erahnen. Und sich beim Trickfilmfestival davon über- gab damals weder eine Finanzierung noch Sponsoren. zeugen, dass das Potenzial weit über „Tricks for Kids“ und Dennoch blieb Ade hartnäckig – und gründete 1982 das „Äffle und Pferdle“ hinausging. Das brachte dem Festival Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart (ITFS). „Mit der bereits 1988 mehr als 15.000 Zuschauer. Die 1990er- Namensgebung haben wir hoch gegriffen, im ersten Jahre entfalteten schließlich vor allem mit der Digitalisie- Jahr gab es kaum internationale Beiträge“, sagt Ade und rung einen Boom der Filmtechnik und der Animation, lacht. Trotz eines recht bescheidenen Starts im kleinen der digitalen Vertonung sowie der digitalen Gestaltung Saal des Stuttgarter Landespavillons wich man bald auf von visuellen Effekten als völlig neue Sparte. Jetzt konnte die wesentlich größere Reithalle aus. „Ein Wagnis nicht schneller, günstiger und auch qualitativ hochwertiger ohne Risiko“, erzählt Ade. „Wir wurden aber durch das produziert werden. Das Trickfilmfestival stieg gleichzeitig Stuttgarter Publikum belohnt. Die Reithalle mit ihren zu einem der weltweit wichtigsten Festivals auf und ist 800 Sitzplätzen war schon am ersten Abend ausverkauft.“ bis heute zusammen mit der Fachkonferenz FMX (Kasten Es folgten zahlreiche Einladungen zu internationalen S. 12) ein weltbekannter Anziehungspunkt sowohl für Festivals; das Institut für Auslandsbeziehungen präsen- Fachbesucher als auch für Filmfans (Interview oben). tierte in 20 Goethe-Instituten weltweit die Ausstellung „Junger Trickfilm in der Bundesrepublik Deutschland“ mit 15 Werken, die überwiegend aus Stuttgart kamen. Die Wüste bewässern „Wir wussten zunächst nicht wirklich, wie wir im inter- Und schließlich war 1990 auch die Zeit reif für die Grün- nationalen Vergleich standen“, so Ade. Als aber wichtige dung der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigs- Preise von großen Festivals nach Stuttgart gingen, konn- burg. „Es brauchte die Lehre als unterfütternde Basis, um ten Trickfilmer und das Kinopublikum der Region die zu erreichen, dass sich auch die entsprechenden 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014 11
Titelthema: Animation erfolgreich. Was damals Tricksequenzen für Tom Tykwers „Lola rennt“ waren, sind heute Animationen für „Der Grüffelo“ und „Ritter Rost“ oder Effekte für Martin Scor- seses oscargekrönten „Hugo Cabret“ und den Emmy- Preisträger „Game of Thrones“. Die Industrieregion und die allgegenwärtige Digitalisierung tun ihr Übriges, um die Auftragslisten der Studios zu füllen. „Von diesen Entwicklungen und den gut funktionierenden Synergien profitiert nicht nur die Kreativwirtschaft“, sagt Dr. Walter Rogg, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH. „Industriekunden finden den passenden titelthema Dienstleister in der Nähe, und beide profitieren von der wissenschaftlichen Infrastruktur und den hervorragenden Ausbildungsstätten.“ Ohne Wissenschaft keine Kunst Look Effects Nicht nur an der Filmakademie werden diese Fortschritte durch junge Ideen in Gang gehalten. Schon vor mehr als 30 Jahren wurde an der heutigen Hochschule der Medien der Studiengang Audiovisuelle Medien gegrün- Firmen hier ansiedeln“, sagt Ade über die Idee, eine det in der Absicht, Technik für Fernsehen, Film und Filmhochschule zu gründen, die mitunter als „fixe Idee andere neue Medienformen entwickeln zu können. Hier eines Professors und eines Ministerialrats, die Wüste zu leitet Prof. Dr. Bernd Eberhardt inzwischen ein vom Land bewässern“ abgetan wurde. Doch die vermeintlichen Baden-Württemberg neu eingerichtetes kooperatives Pro- Fantasten entwickelten einen Plan für die Struktur dieser motionskolleg. Zusammen mit Prof. Dr. Thomas Ertl von Institution, der die rasante Entwicklung der Medien vor- der Universität Stuttgart und Prof. Dr. Andreas Schilling wegnahm und mit der Einrichtung einer gut ausgestat- von der Universität Tübingen betreut er eine Gruppe von teten Animationsabteilung gleichzeitig die vorhandenen Promotionsanwärtern im Bereich DigitalMedia Production. Stärken der Region als Alleinstellungsmerkmal positio- „Es geht beispielsweise um die Simulation von Sand, nierte. Heute haben die Filmakademie und vor allem das Wasser oder Nebel“, sagt Eberhardt und zeigt auf den Animationsinstitut als Ausbilder eine Vorreiterrolle und Bildschirm eines Studenten. Nach einem Klick rieseln sind international hoch im Kurs. Auch das anvisierte Ziel, virtuelle Körner durch eine Sanduhr. „Herauszufinden, die Region Stuttgart durch hier gegründete Animations- wie man solche Bewegungen berechnet und visualisiert, studios zu bereichern, wurde so Wirklichkeit. Mit dem ist angewandte Wissenschaft. Es müssen physikalische, Studio Film Bilder hatte Thomas Meyer-Hermann 1989 als meteorologische oder auch biologische Gesetze berück- einer der ersten Studenten Ades an der Kunstakademie sichtigt und manchmal vereinfacht werden, um nach bereits den Grundstein gelegt, etwas später unterstützt diesen Verhältnissen Bewegungen, Schatten, Farbe und von Filmakademie-Absolvent Andreas Hykade (Porträt S. Licht für unsere Bilder und Visualisierungswerkzeuge 14). Firmen wie unexpected, Mackevision, M.A.R.K.13, berechnen zu können“, so der Mathematiker. „Ohne Studio Soi und Pixomondo folgten – und sind bis heute Wissenschaft keine Kunst!“ Laut Eberhardt sind sicher Internationale Konferenz für Animation, Effekte, Games und Transmedia (FMX) Die FMX ist die führende und einfluss- Begleitend präsentieren Softwarefirmen reichste europäische Fachkonferenz für ihre Neuentwicklungen, es gibt einen digitales Entertainment, veranstaltet vom großen Stellenmarkt, Hochschulpräsen- Institut für Animation, Visual Effects und tationen und eine Ideenbörse. Im Jahr digitale Postproduktion der Filmakade- 2014 legt die FMX ihren Schwerpunkt mie Baden-Württemberg. Leitmotiv der auf Echtzeit, Virtuelle Produktion und Im- englischsprachigen Konferenz ist die Kon- mediate Feedback. Gemeinsam mit dem vergenz von Film, Fernsehen, Computer, gleichzeitig stattfindenden ITFS und dem Spielekonsolen und mobilen Endgeräten. Branchentreff Animation Production Day Künstler, Wissenschaftler, Produzenten macht die Konferenz Stuttgart zu einem und andere Spezialisten berichten über der größten und wichtigsten Treffpunkte neue Projekte, Entwicklungen und Ideen. der Animationsbranche. fmx.de 12 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014
Ronny Schoenebaum 90 Prozent der Bilder eines Spielfilms heutzutage digital duktionsstandort attraktiver zu werden. „Wenn die bearbeitet, wenn nicht sogar mehr. Die Frage, ob man Branche wächst, können wir außerdem wiederum den glaubt, was man sieht, stellt sich kaum mehr – so real Brückenschlag zurück zur Ausbildung stärken und den wirkt die abgebildete Welt. Inzwischen kann man von zahlreichen Talenten, die hier jedes Jahr die regionalen der Realisierung eines Holodecks wie in Star Trek, das Hochschulen verlassen, mehr Perspektiven bieten“, beliebige Umgebungen mit allen Sinnen erfahrbar macht, so Trautz. träumen. Um solche Zukunftsvisionen, neue Untersu- chungsergebnisse und -probleme geht es auch, wenn Erste Früchte sind längst geerntet. Für die Effekte in Wes sich die Teilnehmer der unterschiedlichen Hochschulen Andersons neuem Film „The Grand Budapest Hotel“, mit im Promotionskolleg treffen. „Der Austausch zwischen dem dieses Jahr die Berlinale eröffnet wurde, hat sich Wissenschaft und Praxis ist wahnsinnig wichtig und beispielsweise das bislang in den USA ansässige Studio bringt interessante Ergebnisse, sowohl für die reine Look Effects Unterstützung bei den LuxxStudios in Wissenschaft als auch für die entstehenden digitalen Stuttgart geholt – und sich in deren Räume eingebucht. Medien“, so Eberhardt. „Wir konnten ganz unkompliziert in den Büros der Kolle- gen unterkommen – und so auch wunderbar zusammen- arbeiten“, sagt Henrik Fett, einer der Gründer von Look Gemeinsam mit der Konkurrenz Effects. In Süddeutschland geboren und ausgebildet, hat er nach dem Studium ein Büro in Los Angeles gegründet, Für die geballte Nutzung vereinter Kräfte sorgt auch um jetzt quasi wieder zurückzukommen. „Wir kannten das Animation Media Cluster Region Stuttgart. Es wurde die Region Stuttgart als Standort für Animation so gut im Jahr 2008 von der MFG Filmförderung mit finanzieller wie gar nicht und waren mehr als angenehm überrascht, Beteiligung des Europäischen Fonds für regionale Ent- als wir während unserer Besuche auf der FMX-Konferenz wicklung gegründet, um die regionale Branche rund feststellten, was für tolle Strukturen und künstlerische um Animation und Visual Effects zu stärken. Insgesamt Energien hier vorzufinden sind.“ Der Auftrag von Wes 20 Dienstleister und Studios haben sich in der Cluster- Anderson für „The Grand Budapest Hotel“, der komplett initiative zusammengeschlossen, vom traditionsreichen in Deutschland gedreht wurde, gab schließlich den Werbefilmproduzenten Mackevision bis hin zu den jun- Anstoß, tatsächlich in Stuttgart eine Zweigstelle zu gen Durchstartern Studio Fizbin, die im vergangenen Jahr eröffnen. Mit Hilfe des Clusters sowie der Unterstützung mit ihrem digitalen Abenteuerspiel „The Inner World“ durch die Film Commission Region Stuttgart bei der einen Riesenerfolg gelandet haben. Firmen, die sonst als Suche nach Räumen fanden die Wahlamerikaner ein Büro Konkurrenten gelten, haben sich hier zusammengetan. für ihre Zweigstelle in Stuttgart – und die passenden „Da bei Projekten in unserem Bereich – vom Unterneh- Kontakte. „Was wir feststellen durften: Hier landet man mensfilm bis hin zum Hollywoodstreifen – immer öfter als Neuling nicht im Haifischbecken, sondern wird – ganz eine große Anzahl einzelner Akteure oder Firmen be- im Gegenteil – mit offenen Armen begrüßt, findet prob- teiligt ist, macht es Sinn, bei attraktiven Aufträgen zu lemlos hoch qualifizierte und zuverlässige Mitarbeiter und Kooperationspartnern zu werden und als regionaler bekommt tolle Unterstützung“, so Fett. Der Boden ist Reiner Pfisterer Firmenverbund aufzutreten“, so Clustermanager Andreas also längst geebnet für viel digitale Kreativität, visionäre Trautz. Durch die Vernetzung stärken die Unternehmen Forschungsprojekte und eine fruchtbare Zusammenarbeit sich gegenseitig und die Chancen steigen, gemeinsam in Sachen Animation und Visual Effects. internationale Projekte an Land zu ziehen und als Pro- Valérie Hasenmeyer 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014 13
Titelthema: Animation Der die Charaktere beseelt Wirkliche Größe offenbart sich im Kleinen. Jedenfalls gilt das für Andreas Hykade. Begegnung mit einem preisgekrönten Trickfilmregisseur, der nur wenige Striche braucht, um fast alles zu sagen. Von Michael Ohnewald Wenn einer hinauszieht in die Welt, dann ist ein wenig Er hatte damals schon ein Faible für animierte Figuren, Beistand nicht verkehrt. Im Fall von Andreas Hykade, was auch an Fred Feuerstein lag, der im öffentlich- Jahrgang 1968, mag die Heilige Muttergottes höchst- rechtlichen TV eine große Nummer war. Hykade, eher selbst ein wenig Regie geführt haben, was natürlich eine dem Tätigen als dem Untätigen zuneigend, hatte bald Mutmaßung ist, die allerdings auf dem Umstand fußt, eine klare Vorstellung vom Leben. „Ich wollte Trickfilm dass in Altötting, wo beide ihre Wurzeln haben, seit je machen und dann zu Walt Disney.“ ungewöhnliche Geschichten geschrieben werden. Und jene von Andreas Hykade ist so eine. „Ludwigsburg ist eine der besten Ausbildungsstätten in Europa“ In Deutschlands wichtigstem Wallfahrtsort, gelegen Da an den Kreuzungen des Lebens keine Wegweiser zwischen Inn und Alz, ist der Oberbayer herangewachsen. stehen, landete er nach dem Abitur erst einmal in Ministrant ist er gewesen, und als sich der Pontifex in Stuttgart an der Kunstakademie, von dort ging es nach Altötting ankündigte, fügte es sich gut, dass für eine London. „Das war ein heißes Pflaster, was Animations- kirchliche Inszenierung nach menschlicher Größe gesucht film betrifft“, sagt er im Rückblick. Irgendwann war wurde, oder besser gesagt nach einem Ministranten der Markt überhitzt und der Wunsch groß, eigene Filme von entsprechendem Wuchs. Hykade hatte das nötige zu machen. Der Oberbayer strandete in Ludwigsburg Maß und so kam es, dass Karol Józef Wojtyla, besser an der Filmakademie. Dort brachte er seine ersten bekannt als Johannes Paul II., in Altötting dem halb- Produktionen auf den Weg, welche gleich mit den wüchsigen Andreas über den Kopf streichelte, was ersten Preisen bedacht wurden, die einer wie er nicht natürlich gottsallmächtig prägt. wie die Monstranz bei der Fronleichnamsprozession vor sich herträgt, sondern still als Ansporn nimmt, Es ist ein Kreuz mit der Vergangenheit, weiß Andreas „sich die eigene künstlerische Handschrift nicht kor- Hykade fast 40 Jahre später, den mit der Gnadenkapelle rumpieren zu lassen“, wie er das nennt. zu Altötting noch immer mancherlei verbindet. Wie sonst ist es zu erklären, dass er auf der Internetseite der Stutt- Die Region erwies sich für Hykade als gutes Pflaster. garter Film Bilder GmbH, für die er heute neben seinem Als Student profitierte er von der Trickfilmförderung Amt als Kunstakademie-Professor kreativ ist, gleich im und saugte die kreative Atmosphäre einer Community ersten Satz über sich schreibt: „Andreas Hykade, born in sich auf, die sich hier in besonderer Weise entfalten in Altötting, Bavaria, center of the Holy Mary cult“. kann. „Ludwigsburg ist eine der besten Ausbildungs- stätten in Europa“, sagt er. Vor allem das Trickfilm- „Ich wollte Trickfilm machen und dann zu Walt Disney“ festival Stuttgart beflügelte seinen Schaffensdrang und kam ihm nicht selten wie ein Jungbrunnen vor. Dass ihn der Marienkult bis in die Gegenwart bewegt, Bis heute ist er regelmäßig zu Gast und bereichert die manifestiert sich freilich auch darin, dass die neueste Veranstaltung mit Filmpräsentationen und Programm- Produktion des renommierten Animationsfilmers in der punkten. „Ich bin viel unterwegs gewesen“, sagt Kapelle zu Altötting spielt und eine Liebesgeschichte Hykade. „Aber so etwas gibt es nirgendwo sonst, im Dunstkreis der Religion ist. „Mich treibt das auto- weder in Montreal noch in New York.“ biografische Erzählen“, sagt der Trickfilmregisseur. Er sitzt an diesem Nachmittag im zweiten Stock des Lud- Hykade, der keiner für die kriechende Mittelmäßigkeit wigsburger Animationsinstituts und zeigt auf ein paar ist, kultivierte in der schwäbischen Barockstadt seinen Skizzen, die ihm schon aus der Hand geflossen sind. unnachahmlichen reduzierten Strich, mit dem sich das ganze emotionale Spektrum abbilden lässt. Er entwi- Der Gnadenmuttergottes begegnet Hykade mit der ckelte sich zu einem meisterlichen Verführer, der lustvoll Gnade eines Talents, das sich ihm bereits im Kunstunter- offenbart, dass die Dinge oft nicht sind, wie sie schei- richt bei seinem Lehrer Alto Hien zart offenbart hat. nen. Das zeigte er auch in einem Animationsvideo, das er im Auftrag der Toten Hosen machte. Der Jäger- meister-Clip verhalf der Düsseldorfer Band zum ersten Platz in den Charts – und ihm zu weiteren Meriten. 14 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014
Titelthema: Animation porträt Reiner Pfisterer Wenn ihm der Hut hochgeht, der gleichfalls sein Mar- Hykade hat den Charakter der Figur beseelt, der mittler- kenzeichen wurde, vertraut der Künstler seine inneren weile verstorbene Schauspieler Dirk Bach als Synchron- Eruptionen einem dicken Skizzenbuch an. Freunden und sprecher sämtlichen Protagonisten die passende Stimme Feinden schickt er am Jahresende die passenden Werke. eingehaucht. Jede Geschichte hat ihre eigene Botschaft. Als ihm seine Frau eröffnete, dass er Vater wird, griff er Die Denkweite liegt in der Strichkürze. „Wenn du die umgehend zum Stift. Es ist die Geburtsstunde einer Figur, Dinge verknappt darstellst“, sagt Andreas Hykade, die mittlerweile Generationen von Kindern fasziniert: „bleibt Raum für den Zuschauer.“ „Tom und das Erdbeermarmeladebrot mit Honig.“ Die erste Zeichnung vermachte er Thomas Meyer-Hermann, Wer so redet, dem klebt man gerne an den Lippen. Gründer der Stuttgarter Trickfilmproduktion Studio Film Hykade ist seit einigen Jahren selbst Lehrender. In Bilder. Gemeinsam mit dem Südwestrundfunk schickten Kassel ließ er den Animationsnachwuchs an seiner Sicht sie Tom auf die Reise, der bis heute im Kinderkanal auf die Welt teilhaben, später auch an der Harvard den deutschen Nachwuchs fasziniert. Inzwischen gibt University. Seit 2011 ist er Professor am Animations- es 52 Folgen. Jede von ihnen besteht aus rund 5.000 institut der Ludwigsburger Filmakademie, wo er irgend- Handzeichnungen, die mit Flash-Software nachgezeich- wie angekommen ist. „Only one thing I did wrong“, net und dann per Computer animiert werden. erklärt er diesen Umstand mit Bob Dylan. „Stayed in Mississippi a day too long.“ Auch Tom hat letztlich mit Altötting zu tun, wo Hykade seiner sechs Jahre jüngeren Schwester einst Geschichten Es ist spät geworden. Andreas Hykade sitzt in einem Lud- von der Erdbeermaus erzählt hat. Die Figur hatte sich wigsburger Büro und schaut auf sein Skizzenbuch. Im in seinem Kopf eingenistet, er hatte sie quasi ständig Moment ärgert er sich über die Immobilienbranche. Das vor Augen. „Wenn das Unsichtbare stimmt“, sagt er, könnte neben seiner biografisch eingefärbten Story aus „ergibt sich das Sichtbare von alleine.“ Altötting das nächste Projekt werden. Hykade bindet sich einen roten Schal um und setzt den Hut aufs lichte Haupt. Nicht von ungefähr haben Tom und seine Erdbeer- Termin beim Makler. Vielleicht schickt er dem Mann am maus als Comic-Helden eine beeindruckende Karriere Jahresende eine Zeichnung. „Meine Geschichte auf einem hingelegt, vom Geheimtipp im Web zum Pflichtpro- Blatt Papier“, sagt der Künstler und eilt davon. gramm für Kinder im Fernsehen. Dabei ist Tom alles andere als ein Held: ein schmächtiger Bursche, stop- pelhaarig und bebrillt. Wofür ihn die Kinder lieben: Für seine Reportagen und Porträts ist Michael Ohnewald Er hat immer Kohldampf – und zwar auf Erdbeer- mit den renommiertesten Preisen ausgezeichnet worden, marmeladenbrote mit Honig. die im deutschen Journalismus vergeben werden. Für 179 porträtiert der Ludwigsburger Autor herausragende Persönlichkeiten aus der Region. 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014 15
Wissenschaft Brennstoffzelle ohne Platin Viel mehr als nur Biogas Ein Team des Max-Planck-Instituts für Fest- körperforschung in Stuttgart hat einen Weg gefunden, Brennstoffzellen zu entwi- erforschen Die Biogasanlage der Zukunft soll nicht Forscher des Stuttgarter Fraunhofer IGB ckeln, die ohne teures Platin auskommen. nur Energie, sondern auch Dünger und wollen den Dünger für die jeweilige Ersetzt wird das Edelmetall durch organi- Chemikalien erzeugen. Daran arbeiten Pflanze maßschneidern – mit Rohstoffen, sche Moleküle sowie Eisen oder Mangan, Wissenschaftler der Universität Hohen- die in der Biogasanlage selbst entstehen. die günstiger und leichter verfügbar sind. heim und des Fraunhofer-Instituts für Dazu trennen sie die Gärreste in ihre fes- Inspirieren ließen sich die Wissenschaftler Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik ten und flüssigen Bestandteile und setzen von Stoffwechselvorgängen bei Menschen (IGB) gemeinsam mit Industriepartnern. sie je nach Nährstoffbedarf der Pflanze und Tieren, die Sauerstoff einatmen und „Es besteht besonderer Forschungs- zu einem Designdünger zusammen. Frei in ihren Zellen mit Wasserstoff zu Wasser bedarf darin, die Biogasproduktion als werdende Ammoniakdämpfe sollen zu- umwandeln. Da in einer Brennstoffzelle die Ganzes möglichst effektiv zu gestalten, rückgewonnen und ebenfalls zu Dünger gleiche chemische Reaktion abläuft, ka- um die Ausbeute zu verbessern“, erklärt verarbeitet werden. Die anfallende Milch- men die Forscher auf die Idee, Sauerstoff Projektleiter Prof. Dr. Joachim Müller säure, Essigsäure und Buttersäure werden mit Hilfe von Enzymen zu reduzieren – wie von der Universität Hohenheim. in der Lebensmittelindustrie oder bei der im menschlichen Körper. Solche Enzyme Produktion von Reinigungsmitteln und enthalten Metalle wie Eisen und Mangan. Die Optimierung beginnt bereits auf dem Biokunststoffen benötigt. Prof. Dr. Klaus Kern und Dr. Doris Grumelli Acker. Die Hohenheimer Forscher experi- haben nun Eisen- und Manganatome zu- mentieren mit verschiedenen Pflanzen, Schließlich ermitteln die Wissenschaftler sammen mit organischen Molekülen auf neben Mais gehören dazu auch Amaranth den Energiebedarf für den Bau, den Be- eine Goldunterlage aufgedampft. Dabei oder Miscanthus, die derzeit als Energie- trieb und den Abriss der Biogasanlage haben sie festgestellt, dass sich diese Sub- pflanzen noch ein Nischendasein führen. und vergleichen sie in einer Ökobilanz mit stanzen von selbst zu Mustern anordnen, der Energiemenge, die die Anlage in ihrem die dem Aufbau von Enzymen stark gesamten Betriebsleben produziert. (hel) ähneln. (hel) agrar.uni-hohenheim.de fkf.mpg.de Meteorit mit Überraschungen Stuttgarter Physiker haben in Meteorit- In Meteoriten finden sich regelmäßig gestein ungewöhnlich kleine Diamanten Diamantpartikel, weil die Bedingungen entdeckt. Die Edelsteine im Bonsaiformat für deren Entstehung – hohe Tempera- umfassen nur rund 500 Kohlenstoff- turen und hoher Druck – im Weltraum atome, was sie für die medizinische öfters vorzufinden sind als auf der Erde. Forschung besonders interessant macht: Allerdings erreichen viel zu wenige Zum Beispiel steigern Nanodiamanten Meteoriten die Erde, um die eingeschlos- spürbar die Wirksamkeit von Medikamen- senen Nanodiamanten nutzbar zu ma- ten in der Tumortherapie. Zudem enthal- chen. Jetzt arbeiten Forscher daran, jene nuttapongg/Fotolia.com ten solche Diamantpartikel oft atomare Umgebungsbedingungen nachzuahmen, Verunreinigungen, die zu einer charakte- denen Meteoriten auf ihrer langen Reise ristischen Verfärbung wie grün, violett durch das All ausgesetzt sind. (hel) oder gelb führen und in der diagnosti- pi3.uni-stuttgart.de schen Medizin zur gezielten Markierung von Zellen oder Biomolekülen eingesetzt werden. WRS / Giersch Kunststoffwände aus Natur Forscher der Universität Stuttgart haben Welche gestalterischen Möglichkeiten einen umweltfreundlichen Biokunststoff der Kunststoff bietet, zeigt eine Fassade auf pflanzlicher Basis entwickelt, der zu auf dem Universitätscampus Stadtmitte. 90 Prozent aus nachwachsenden Roh- Auffällig ist der mit den Platten erzeugte stoffen besteht. Das neuartige Material 3D-Effekt. Der Biokunststoff ist eine ist am Institut für Tragekonstruktion und umweltfreundliche Alternative zu Kunst- Konstruktives Entwerfen in Zusammen- stoffen auf der Basis von Erdöl, Glas arbeit mit Partnern aus der Wirtschaft oder Metall und soll schon bald in den entstanden. Es ist schwer entflammbar, Handel kommen. (hel) witterungsbeständig und einfach zu itke.uni-stuttgart.de verarbeiten. 16 179 Das Standortmagazin der Region Stuttgart 1/2014
Sie können auch lesen