Sehr geehrte Leserinnen und Leser, D en Medienstandort Hamburg - nextMedia.Hamburg
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EDITORIAL 3 Sehr geehrte Leserinnen und Leser, D en Medienstandort Hamburg menarbeit und Geschäftsmodelle von verbindet man mit den großen morgen. Auf Veranstaltungen wie der Verlagshäusern wie Gruner + Indiecon tauschen sich junge Blattma- Jahr, SPIEGEL, Bauer und ZEIT sowie cher aus vielen Ländern darüber aus, mit bekannten Marken wie Tagesschau wie aus publizistischer Leidenschaft er- und Tagesthemen, Deutschlands bedeu- folgreiche Print- oder Digital-Magazine tendsten öffentlich-rechtlichen Nach- werden. Mit dem Reeperbahn Festival richtensendungen. Aber auch Google und den Online Marketing Rockstars Deutschland hat seit rund zehn Jahren haben sich in Hamburg „Klassentref- seinen Sitz in Hamburg und ist damit fen“ der internationalen Medien- und Teil einer starken Medien- und Digital- Kreativwirtschaft entwickelt. wirtschaft, die unsere Tradition als füh- rende Medienmetropole fortschreibt. Diese Broschüre zeigt die Entwicklun- gen in verschiedenen Mediensparten: Hamburger Unternehmen sind seit Jahr- Wie wird Journalismus künftig ausse- zehnten Taktgeber der bundesweiten hen? Wie verändert sich das Geschäft Medienlandschaft. Wir sind Agentur- der Werbeagenturen? Wie geht man in Dr. Peter Tschentscher hauptstadt und ein wichtiger Standort der Filmwirtschaft mit neuen Forma- Erster Bürgermeister der Freien für Rundfunk, Musik und Games. An ten um? Was bewegt die Musikbranche? und Hansestadt Hamburg kaum einem anderen Ort finden sich Dabei zieht sich die digitale Transfor- so viele relevante Unternehmen mit na- mation als roter Faden durch alle Ge- tionaler und internationaler Bedeutung schichten. aus allen Bereichen der Branche. Die Aktivität und die Vielfalt der Me- Die Vielfalt und Erfahrung unserer Me- dienunternehmen in Hamburg zeigen, dien- und Kreativbranche bietet neue dass bei uns die Konzepte für erfolg- Chancen für den digitalen Umbruch. In reichen Journalismus und Medieninhalte Hamburg ansässige Unternehmen der im 21. Jahrhundert entwickelt werden. global vernetzten Digital- und Kreativ Die Medienbranche leistet damit für die wirtschaft, Start-ups und engagierte Gesellschaft und unsere Demokratie Hochschulen schaffen ein lebhaftes Um- einen wichtigen Beitrag. feld für neue Impulse und Innovationen. An Orten wie dem Kreativspeicher in der Speicherstadt entstehen Experimen- Ihr tierräume für neue Formen der Zusam- Dr. Peter Tschentscher
4 INHALT 5 06 EVENTS 10 VERLAGE 48 Junge Journalistinnen 40 16 über neue Anforderungen 19 Zu Besuch im Kreativspeicher, MEDIENPOLITIK ihres Berufs Wie digitalisiert Hamburgs Kraftwerk für sich eine Werbeagentur? Medieninnovationen Das Beispiel thjnk 19 AGENTUREN 24 24 Hamburger Plattformen wie Google, PLATTFORMEN Facebook und XING werden für Medien- unternehmen immer wichtiger 44 28 Spielmacher: Was traditionelle Medien von der Games-Branche MUSIK lernen können 32 FERNSEHEN 36 FILM 06 36 Party Meets Business: Reeperbahn Festival Fördern, was gefördert und Online Marketing Rockstars sind gehört: Filme aus Hamburg 40 Pflichttermine für Medienschaffende mit Mut und Anspruch INNOVATIONEN 44 GAMES 48 28 AUSBILDUNG Musik als Erlebnis – eine 10 Nacht in Hamburgs Live-Clubs Hamburg ist Deutschlands Pressehauptstadt. Wie die Verlage 50 wurden, was sie heute sind IMPRESSUM 32 TV-Ikonen von heute und morgen: Bei allen Unterschieden haben Tagesschau und Rocket Beans TV manches gemeinsam
Smart feiern Tanzen, treffen, staunen – Hamburgs Medienszene liebt die richtige Mischung aus Party und Business. Zwei Events setzen europaweit Standards Die österreichische Band Wanda im Docks, Reeperbahn Festival 2015
8 EVENTS 9 um die digitale Transformation dreht. So ent- steht ein Spektakel aus Kunst, Konzert und kre- ativer Digitalwirtschaft, das im europäischen Raum einzigartig ist. Das Reeperbahn Festival ist zum führenden Event der Kreativbranchen geworden. „Was erlebe ich, Die Orientierung an der in Austin stattfinden- den South by Southwest (SXSW) ist unverkenn- wovon ich noch bar. Sie war eine der ersten Veranstaltungen, die Festivals, Konferenzen und Fachausstellun- gen in den Bereichen Musik, Film und interak- Jahre später tive Medien aus einem Guss präsentierten. Der Mitgründer und Geschäftsführer des Reeper- bahn Festivals Alex Schulz war bereits im Jahr erzählen werde?“ 2000 in Austin und hatte sofort die Idee, etwas Ähnliches auf St. Pauli zu wagen. Seine Leitfra- ge: „Was erlebe ich, wovon ich noch Jahre spä- Alex Schulz, Geschäftsführer Reeperbahn Festival ter erzählen werde?“ Großveranstaltungen wie die Online Marketing Rockstars und das Reeperbahn Festival fördern die Leidenschaft für die eigene Arbeit. Sie sind Katalysatoren guter Ideen, bieten Raum für „Out of the box“-Denken und Networking in ent- spannter Atmosphäre. Hier sind die Relevanz und Dynamik dieser besonderen Branche un- mittelbar zu erleben. Etwas Besseres kann dem Medien- und Kreativstandort Hamburg und sei- D Rockstars-Gefühl er Laden ist voll, die gigantische Büh- Branche auf die eine oder andere Art teilneh- nen Unternehmen kaum passieren. in den Messehallen: Die ne noch immer leer. Anfangen, anfan- men. Wir wollen die Tage für alle, die dabei sind, Online Marketing Rockstars gen! Spannung und Vorfreude sind ganz besonders machen, und zwar in allen Be- ziehen jedes Jahr Tausende Besucher an längst nicht mehr zu steigern. Endlich knallt ziehungen, von produktiven Business-Terminen es vorn, die Videowand blitzt auf, welcome to über Inspiration und Fortbildung bis zu Netz- the show, ab geht’s! Auch so kann berufliche werk und good times“, so der Gründer und Ge- Weiterbildung aussehen. Die Online Marketing schäftsführer. Anders gesagt: gute Leute, gute Rockstars machen eine Digitalmarketing-Expo Themen, gute Musik. und Fachkonferenz zur unvergesslichen Party. Coole Live-Acts, wegweisende Speaker und In- Dieser Dreiklang bringt auch das Reeperbahn spiration auf jedem Expo-Quadratmeter – die- Festival zum Schwingen. Es ist mittlerweile se extravagante Mischung zieht inzwischen je- Deutschlands größtes Clubfestival und zählt des Jahr weit über 40.000 Besucher an. Zwei zu den Top 3 der Musikfestivals in Europa. Jahr Tage lang dreht sich in den Hamburger Messe- für Jahr überrascht es seine Besucher mit fri- hallen alles um die neuesten Trends im digita- schen, meist noch wenig bekannten Künstlern len Marketing. und innovativen Speakern im Rahmen des Kon- ferenzteils. Die Musik steht hier bei allen The- Der Kopf hinter dieser Erfolgsgeschichte ist men klar im Mittelpunkt. Die ca. 500 Konzerte NEXT Conference: Philipp Westermeyer. Aus einem Studentenpro- und Kunstveranstaltungen an 70 Orten rund Festivalstimmung auf der Reeperbahn jekt hat er eines der international führenden um die Reeperbahn bieten Entertainment, bei Events rund um das Thema Online-Marketing dem man auch noch etwas lernen kann. Das geschaffen, mit hochkarätigen Panels, Vorträ- Reeperbahn Festival ist damit weit mehr als ei- gen und einer inspirierenden Messe. „Online ne Reihe gelungener Bandauftritte in und vor Marketing Rockstars ist eine offene Plattform, den Live-Clubs auf St. Pauli. Seit 2015 findet an der zahlreiche Macher der Szene, Künst- die eigenständige NEXT Conference zur glei- ler, Experten und die wichtigsten Firmen der chen Zeit auf dem Kiez statt, bei der sich alles
VERLAGE 11 I m Juni 1945 betritt die Boxle- gende Max Schmeling das Zim- mer 310 des Hamburger Rat- hauses. Er bittet bei der britischen Mi- litärregierung um einen Passierschein, mit dem will er vor die Tore der Stadt fahren. Schmelings Ziel: Bendestorf, Sitz der Verlegerfamilie Springer. Er will den jungen Axel Springer dafür ge- winnen, mit ihm und dem Journalisten und Verleger John Jahr eine Zeitungsli- zenz zu beantragen. Der Boxer wittert die Chance auf das große Geld. Ham- burg liegt in Trümmern, ganz Deutsch- land steckt tief in der Nachkriegsnot. Aber schon bald, ist er sich sicher, wer- den die Menschen wieder gedruckte Nachrichten kaufen. Und die Unter- nehmen Anzeigen schalten. Springer will sofort motorisiert loslegen. Die drei versuchen, einen uralten Opel ihren Magazinen in der Hansestadt. oben: Die Verleger Gerd Bucerius, Pioniere von gestern wieder zum Laufen zu bringen, ver- Mangelwirtschaft, Beschränkungen John Jahr und Richard Gruner bei einer gemeinsamen Besprechung 1968 geblich. Schließlich nimmt Schmeling und journalistisch geprägter Unter- den Wagen in Schlepp. So geht es über nehmergeist schweißen zusammen. links: Der Verleger Axel Cäsar die Elbbrücken in das zerbombte Ham- Die Anfangsjahre verbinden die Män- Springer posiert 1956 vor seinem und heute Verlagsgebäude burg. Der Einzug des Trios ist Stoff für ner zu teils engen Weggefährten. Mit Legenden. Auch wenn es zunächst mit der Wiederbelebung der deutschen der Lizenz nicht klappt: Es ist der Be- Wirtschaft wachsen die jungen Ver- ginn der Ära des Axel Cäsar Springer lagshäuser rasant. Dabei erweist sich und der anderen Verlagsfürsten. Springer als der Expansionsfreudigs- te – eher zum Missfallen des einen Hamburgs große Verlage entstanden auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs. Neben Springer und Jahr etablieren oder anderen. Springer ausgenommen, Die deutsche Presselandschaft prägen sie bis heute. Und die digitale Herausforderung? sich schnell weitere Publizisten wie wechseln die Eigentumsverhältnisse in Haben sie längst angenommen Rudolf Augstein und Henri Nannen mit dieser Zeit häufig, es entstehen
12 VERLAGE 13 diverse Überkreuzbeteiligungen. „Links muss Strauß sein Amt aufgeben. Aug- von der Mitte, jeder auf seine Weise re- stein kommt nach 103 Tagen Untersu- gierungskritisch, ohne Scheu davor, den D E R AU F S T I EG chungshaft wieder frei. Hochmögenden in Bonn oder anders- DER HAMBURGER wo auf die Füße zu treten – das war V E R L AG E Die Bedeutung Hamburgs als Presse- die Hamburger Kumpanei“, so erin- und Medienmetropole nimmt in den nert sich der maßgeblich beteiligte An- Folgejahren weiter zu. Gruner, Jahr und walt Gerd Bucerius später. Zusammen 1875 Bucerius vereinen 1965 ihre Marken mit dem Druckunternehmer Richard Ursprünglich als Visitenkarten- STERN, Brigitte, DIE ZEIT und Capital druckerei gegründet, publiziert die Gruner übernimmt Bucerius Nannens unter einem Dach. Mit dem Zusammen- heutige Bauer Media Group STERN-Anteile – das Heft wird bald da- rund 600 Zeitschriften in schluss zur Gruner + Jahr GmbH & Co. rauf Europas auflagenstärkstes Maga- 16 Ländern. KG entsteht Deutschlands zweitgröß- zin. Mit den Gewinnen finanziert Buce- ter Verlag. Zwar verlegt Springer seinen rius sein über Jahre hinweg defizitäres Hauptsitz schon früh in das noch geteil- Lieblingskind, die Wochenzeitung DIE te Berlin. Die meisten Verlage aber blei- ZEIT. An nahezu allen Unternehmun- ben auch nach der Wiedervereinigung in 1907 gen beteiligt ist auch der Verleger John Was Richard Ganske einst der Hansestadt. Jahr. Dieser übernimmt 1950 die Hälf- als Lesezirkel begann, expandierte te an Augsteins SPIEGEL-Verlag, das zur heutigen Ganske Verlagsgruppe E R F O LG I M I N T E R N E T Magazin zieht wenig später aus dem mit Tochterunternehmen für Bücher, Zeitschriften, elektronische Medien Anzeiger-Hochhaus in Hannover nach So wurden Hamburgs Verlage, was sie und Handel. Hamburg zur ZEIT ins Pressehaus am heute sind. Die Erfolge der Vergangen- Speersort. Gedruckt wird zu dieser Zeit heit mögen auf manchem Verlagsmana- beim Konkurrenten Axel Springer. ger lasten, der mit der digitalen Trans- formation konfrontiert ist. Tatsächlich HARTER KAMPF UM 1946 aber haben die ehrwürdigen Verlage Am 21. Februar erscheint M A R K TA N T E I L E die Herausforderung längst angenom- erstmalig die ZEIT als sogenannte Lizenzpresse in einer Auflage von men. Dies zeigt sich besonders augen- Den Hanseaten gelingt es bis Anfang 25.000 Exemplaren. fällig beim SPIEGEL. Unter der schwer- der 1960er-Jahre, den Markt weitge- fälligen Adresse http://hamburg.bda. hend unter sich aufzuteilen. Springer de:800/bda/nat/spiegel/ ging am 25. geht daraus als der mächtigste deut- Oktober 1994 der SPIEGEL als erstes sche Großverleger hervor und dominiert 1962 Nachrichtenmagazin der Welt online. den Tageszeitungsmarkt. Im Kampf um Die „SPIEGEL-Affäre“ wird zum Das frühe Web-Experiment überstand Marktanteile nehmen schließlich die Meilenstein der bundesdeutschen die Zeit des New-Economy-Niedergangs Spannungen innerhalb der Gruppe zu. Pressegeschichte. und entwickelte sich zum digitalen Leit- Die hanseatischen Bande zerreißen, die medium. SPIEGEL ONLINE (SPON) ist meisten Überkreuzbeteiligungen wer- heute eines der stärksten Nachrichten- den aufgelöst. portale der Republik. Und profitabel. 1965 Hamburg wird seinerzeit auch zum John Jahr, Gerd Bucerius und In den folgenden Jahren wurde durch Schauplatz des bislang wichtigsten Richard Gruner gründen mit die zahlreichen Möglichkeiten, die der Gruner + Jahr den zweitgrößten Kampfes um die Freiheit der Presse: digitale Wandel der Branche bot, auch den neue Nutzergruppen und zusätzli- Der SPIEGEL hat damit seinen Weg in Leuchtendes Wahrzeichen deutschen Verlag. 1962 titelt der SPIEGEL, Deutschland das journalistische Angebot des SPIE- che Erlösquellen erschlossen. Moderne die Digital-Ära gefunden. Die anderen des Medienstandorts Hamburg – der SPIEGEL-Verlag nahe der sei nur „Bedingt abwehrbereit“, der GEL ausgebaut. Für Smartphones und und flexible Unternehmensstrukturen Hamburger Verlage haben sich eben- Speicherstadt Artikel nährt Zweifel an der Verteidi- Tablets, die den Markt eroberten, wur- schaffen den organisatorischen Rah- falls in Bewegung gesetzt, manchmal gungsfähigkeit der Bundeswehr. Ver- den Apps entwickelt, die eine neuarti- men, um SPIEGEL-Journalismus über auf ähnlichen, manchmal auf ganz an- teidigungsminister Franz Josef Strauß 1994 ge visuelle Form des Erzählens ermög- alle Medienkanäle anbieten zu können, deren Pfaden. Nach aufgeregten De- Der SPIEGEL geht als weltweit lässt daraufhin die Redaktionsräume lichen. Mit SPIEGEL+ konnte erfolgreich auf denen die Leser und Nutzer ihn er- batten um das Ende der gedruckten erstes Nachrichtenmagazin online. des SPIEGEL durchsuchen und vorü- SPIEGEL ONLINE wird zu einem der ein digitales Bezahlsystem in Form eines warten. Wichtigstes Projekt in diesem Zeitungen und Zeitschriften herrscht bergehend besetzen. Verleger Augstein führenden Newsportale im monatlichen Abomodells etabliert wer- Zusammenhang ist die Integration der in der Branche neue Zuversicht, den di- und sieben Mitarbeiter werden wegen deutschsprachigen Raum. den. Durch das Angebot von SPIEGEL Redaktionen von SPIEGEL und SPIEGEL gitalen Wandel nicht nur zu überstehen, angeblichen Landesverrats in Haft ge- und SPIEGEL ONLINE, das den Nutzern ONLINE, mit der in Zukunft die zen sondern auch gestalten zu können. nommen. Nach bundesweiten Protes- den Zugriff auf alle digitalen Produk- trale Steuerung von Recherchen, Inhal- ten zur Wahrung der Pressefreiheit te der Marke SPIEGEL ermöglicht, wer- ten und Produkten möglich werden soll.
14 VERLAGE 15 Publizistische Leuchttürme Hamburgs Medienhäuser im Selbstporträt AXEL SPRINGER BAUER MEDIA GROUP FUNKE MEDIENGRUPPE Statt einer Garage in Kalifornien war es Die Bauer Media Group ist eines der Die FUNKE MEDIENGRUPPE ist auf ein Stall in der Nordheide, in dem der erfolgreichsten Medienhäuser welt- dem Weg, das beste nationale Medien- junge Axel Springer die Idee für sein weit. Über 600 Zeitschriften, mehr haus in Deutschland zu werden, und „Start-up“ entwickelte. Gegründet hat als 400 digitale Produkte und über legt dabei den Fokus auf die beiden er seinen Verlag dann 1946 im Bunker 100 Radio- und TV-Stationen errei- Geschäftsbereiche Regionalmedien so- auf dem Heiligengeistfeld. Aus diesen chen Millionen Menschen rund um wie Frauen- und Programmzeitschrif- Anfängen ist heute der führende digi- den Globus. Auch Druckereien, Ver- ten und deren intelligente Verzahnung tale Verlag in Europa mit Hauptsitz in triebs- und Vermarktungsdienstleis- mit digitalen Angeboten. In Hamburg Berlin und mehr als 15.000 Mitarbei- tungen gehören zum Portfolio. Der ist FUNKE unter anderem mit starken tern geworden, der zunehmend auch Claim „We think popular“ verdeutlicht Medienmarken wie Hamburger Abend- auf dem US-Markt aktiv ist. Sind es das Selbstverständnis der Bauer Me- blatt, Bergedorfer Zeitung, Hamburger dort BUSINESS INSIDER oder eMAR- dia Group als Haus populärer Medien Wochenblatt und Klönschnack vertre- KETER, so hält Axel Springer Hamburg und schafft Inspiration und Motivati- ten. Zum Portfolio der Mediengruppe die Treue mit eigenen Ausgaben der on für die rund 11.500 Mitarbeiter in gehören außerdem Tageszeitungen, Wichtigste Bühne für den deutschen Qualitätsjournalismus: WELT und BILD, mit der Auto, Compu- 20 Ländern. Anzeigenblätter, TV- und Frauen-Zeit- Der traditionelle Nannen Preis in Hamburg. Journalisten der hiesigen Medienhäuser zählen regelmäßig zu den Gewinnern ter & Sport-Gruppe oder Netzportalen schriften und regionale Online-Portale wie Immonet und Casamundo sowie in insgesamt fünf Bundesländern. Radiobeteiligungen. GANSKE VERLAGSGRUPPE GRUNER + JAHR HUBERT BURDA MEDIA MEDIENGRUPPE KLAMBT SPIEGEL-VERLAG ZEIT VERLAGSGRUPPE Die Ganske Verlagsgruppe ist ein mo- G+J ist einer der größten Magazinver- Mit über 600 gedruckten und digitalen Die Mediengruppe Klambt gehört zu den Der SPIEGEL-Verlag ist ein Medienun- Deutschlands führende meinungsbil- dernes Medienhaus für Bücher, Zeit- lage Europas. Über seine prägenden Consumer-Medien und eigenen tech- ältesten Publikumsverlagen Deutsch- ternehmen in Hamburg. Seine publizis- dende Wochenzeitung wurde 1946 in schriften, elektronische Medien, Un- Marken STERN und Brigitte hinaus nologischen Entwicklungen wie der lands. Gegründet 1843 als schlesischer tischen Produkte stehen für heraus- Hamburg gegründet. Sie erreicht mit ternehmenskommunikation und Han- steht der Verlag für Kreativität und Open-Source-Software Thunder oder Kleinverlag, beschäftigt das Medienun- ragende journalistische Qualität und jeder Ausgabe mehr als zwei Millionen del mit Büchern und Zeitschriften. Sie Innovation bei Magazinen und im Di- dem Datenschutz-Browser Cliqz ist Hu- ternehmen heute über 650 Mitarbei- unabhängige Berichterstattung. DER Leser (verkaufte Auflage: 500.000 Ex- kombiniert als Familienunternehmen gitalgeschäft. So bringt G+J stetig bert Burda Media eines der größten Me- ter in mehr als zehn Tochterfirmen im SPIEGEL, Europas auflagenstärks- emplare) und steht für anspruchsvol- Tradition mit Innovation und bietet neue Erfolgstitel auf den Markt und dien- und Technologieunternehmen in In- und Ausland. Neben der Herausgabe tes Nachrichten-Magazin, erreicht zu- len und gründlich recherchierten Jour- einzigartigen Content und erstklassi- betreibt führende Websites zu The- Deutschland. Mit seinen starken Marken, von Zeitschriften betreibt Klambt auch sammen mit SPIEGEL ONLINE, dem nalismus, der bereits mit zahlreichen ge Dienstleistungen. Medienübergrei- men wie People, Women, Food und darunter FOCUS, BUNTE, CHIP, jameda zwei Versicherungsgeneralagenturen. Leitmedium im deutschsprachigen In- Preisen ausgezeichnet wurde. Neben fende Angebote in den Bereichen Ko- Living. Die G+J-Tochter Prisma Media und XING, erreicht Burda rund 50 Milli- Zusätzlich hält die Gruppe Beteiligun- ternet, jede Woche über 14 Millionen der ZEIT erscheinen im Zeitverlag ver- chen & Genuss, Reise & Freizeit, Kunst ist der digital führende Verlag Frank- onen Leser und 185 Millionen User. In- gen an Magazinen und Unternehmen in Menschen: auf Papier, im Internet und schiedene Zeitschriften, darunter das & Kultur, Gesundheit & Wohlbefinden, reichs, Ligatus einer der wichtigsten novationsfähigkeit zeichnet das Unter- verschiedenen Segmenten sowie Pres- mobil. Weitere führende journalisti- Wissenschaftsmagazin ZEIT WISSEN, Mode & Beauty sowie Wohnen & Stil europäischen Digitalvermarkter. Mit nehmen aus, das auf den Wurzeln und severtrieben und Rundfunksendern. Zu- sche Angebote sind das manager ma- das Studentenmagazin ZEIT CAMPUS machen die Gruppe zu einem maßgeb- TERRITORY gehört der größte deut- Werten eines Familienunternehmens letzt wurde das Portfolio durch Betei- gazin und die Formate von SPIEGEL und das Kindermagazin ZEIT LEO. Mit lichen Gestalter der Medienlandschaft sche Content-Communication-Dienst- gründet. Burda hat den Anspruch, die ligungen an Start-ups sowie die Grün- TV. 2017 erwirtschaftete die SPIE- ZEIT ONLINE hat der Verlag eines der in Deutschland, getreu dem Motto von leister zum Verlag. Transformation der Medienwelt aktiv dung mehrerer Internetportale ergänzt. GEL-Gruppe mit ihren knapp 1.100 größten und am schnellsten wachsen- Verleger Thomas Ganske: „Wir machen mitzugestalten – daran arbeiten knapp Bekannteste Titel: OK!, IN, GRAZIA so- Beschäftigten einen Umsatz von 269 den Angebote für qualitativ hochwer- Tiefwurzler – keine Flachwurzler.“ 12.000 Mitarbeiter in 20 Ländern. wie FUNKUHR, LEA und 7 Tage. Mio. Euro. tigen Online-Journalismus aufgebaut.
MEDIENPOLITIK 17 „Wer Journalismus für verzichtbar hält, erliegt einem gefährlichen Irrglauben“ Die Rolle von Journalismus Die Medienbranche ist weiterhin In gesellschaftlicher Hinsicht ist das und Politik im digitalen im Umbruch – welche Herausforde- Bild noch gemischt. Wir nutzen leiden- rungen schätzen Sie gegenwärtig schaftlich die kommunikativen Möglich- Medienwandel: Im Gespräch als besonders wichtig ein? keiten sozialer Medien, lernen aber erst mit Dr. Carsten Brosda, allmählich, wie eine direkte und trotz- Senator für Kultur und Erstens eröffnen uns digitale Technolo- dem verantwortungsbewusste öffent- Medien in Hamburg gien völlig neue Kommunikations- und liche Kommunikation funktioniert. Das Verbreitungswege. Und zweitens gibt betrifft so unterschiedliche Aspekte wie es zunehmend Gefährdungen der Mei- Datenklau und Auswertung von Nutzer- nungsfreiheit, die paradoxerweise pa- verhalten, Hasskommentare und Dro- rallel zu den neuen Kommunikations- hungen sowie gezielte Desinformatio- möglichkeiten des Internets wachsen. nen, die den freien Meinungsaustausch Es wird entscheidend darauf ankom- gefährden können. Noch schwieriger men, dass wir unsere gemeinsame Kom- scheint es, aus den individuellen Mög- munikationskultur so weiterentwickeln, lichkeiten wieder eine gemeinsame Öf- dass sich die immensen Chancen digi- fentlichkeit wachsen zu lassen. taler Medien realisieren. Was bedeutet das für den Was heißt das konkret? Journalismus? In ökonomischer Hinsicht ist die Medi- Anscheinend halten manche Journalis- enwirtschaft im Digitalen zusehends er- mus in Zeiten digitaler Kommunikation folgreich. Politik muss mit Blick darauf für verzichtbar. Ich halte das für einen für zukunftssichere Rahmenbedingun- gefährlichen Irrglauben. Demokratien gen sorgen. Das betrifft beispielsweise brauchen Journalismus, weil er unter- gut ausgebildete Fachkräfte. Und ge- schiedliche Interessen und Standpunkte setzliche Regelungen für mehr Fairness wahrnehmbar machen, in einem gesell- auf den digitalen Märkten, das berühm- schaftlichen Diskurs vernetzen und so te Level Playing Field eben. Auch eine maßgeblich die öffentliche Meinungs- starke Infrastruktur spielt eine wichti- bildung ermöglichen kann. Algorithmen ge Rolle, insbesondere ein flächende- funktionieren da bislang anders, weil links: Senator Carsten Brosda war selbst Zeitungsjournalist. ckendes Glasfasernetz, das jeden An- sie nicht auf die öffentliche, sondern Heute gestaltet er die deutsche schluss erreicht. Bis 2025 wollen wir auf die individuelle Relevanz fokussie- Medienpolitik mit das in Hamburg schaffen. ren. Hinzu kommt die unverzicht-
18 MEDIENPOLITIK AGENTUREN 19 beiten an einem gesetzlichen Rahmen für ihre Arbeitsweise. So entwickeln die Länder beispielsweise in der Diskussion über einen Medienstaatsvertrag aktu- ell Regeln für Selektion, Aggregation und Präsentation von Information durch sogenannte Intermediäre. Wir werden dabei in der Zukunft immer enger mit dem Bund und mit der EU zusammen- arbeiten. Welche kommenden technolo gischen Innovationen halten Sie für besonders relevant für die Medienbranchen? Nahezu jeder digitale Trend hat Auswir- kungen auf die Medienwirtschaft. Ins- besondere Sprache und semantisches Verstehen werden aber sicherlich eine enorme Bedeutung erlangen. Die Zu- Beim jährlichen Mediendialog bare aufklärerische und investigative sammenarbeit zwischen Mensch und diskutieren Carsten Brosda und Hamburgs Arbeit von Journalistinnen und Jour- Maschine wird um ein Vielfaches ein- Erster Bürgermeister Peter Tschentscher nalisten. Es wird entscheidend darauf facher, wenn das Gerät tatsächlich ver- mit den Spitzenvertretern der deutschen Medienwirtschaft ankommen, diesen gesellschaftlichen steht, was ich sage. Mittelfristig dürfte Wert des Journalismus deutlicher zu es auch kulturelle Veränderungen ge- konturieren. Damit kann auch eine stra- ben, wenn unsere Schriftsprache weni- tegische Anpassung der eigenen Rol- ger wichtig wird. Für die vielen Content- Bild mit Seltenheitswert: Michael Trautmann le einhergehen. Denn mehr als in der produzenten Hamburgs – in der Musik, und Jan Bechler sind viel auf Reisen und sehen sich nicht allzu oft in der Agentur thjnk Vergangenheit wird Journalismus nicht im Film, bei Games, in der Werbung oder nur als Vermittler zwischen Vertreterin- im Journalismus – stecken darin gro- nen und Vertretern gesellschaftlicher ße Herausforderungen und Chancen für Transformers D Interessen gefordert, sondern zuneh- Vermarktung und Vertrieb. er Anbeginn des Wandels hat die mend auch als Ermöglicher und damit Form einer blauen Säule. Sie ist das als Anwalt des Zustandekommens eines Wie unterstützt Hamburg Unter- entscheidende Maß höher als die ro- an der vernünftigen öffentlichen Gesprächs. Er nehmen bei diesen Innovations- te Säule neben ihr. In der Businesslounge im muss auch die fragmentierten Öffent- prozessen? Hamburger Flughafen verstummen die Gesprä- lichkeiten auf den digitalen Plattformen che. Alles starrt auf die Fernsehmonitore, auf mit in den Blick nehmen und wird im- Medienunternehmen sind hier Teil eines denen die Säulen aufleuchten und den Wahlsieg Waterkant mer wieder selbst in die Rolle des Ge- Ökosystems, das wir standortpolitisch von Barack Obama verkünden. Auch Michael sprächspartners gehen. fördern. Kreativwirtschaft, Digitalun- Trautmann hält den Atem an. Natürlich, an die- ternehmen, Start-ups und Hochschulen sem grauen 4. November 2008 erleben die USA Treiber der digitalen Meinungs profitieren von einer intensiven Zusam- einen historischen Umbruch. Erstmals regiert bildung sind aber zunehmend menarbeit. Gerade die Digital- und Kre- ein Afroamerikaner das Land. Doch Trautmann, Algorithmen, nicht Redaktionen. ativbranche sehen wir als Ideentreiber Online-Werbung ist längst nicht mehr nur etwas Gründer und Vorstand der Agentur thjnk (sei- für andere, die mitten im Transforma- für Internet-Spezialisten: Die Werbewirtschaft nerzeit kempertrautmann), erkennt in dem Sieg Na ja, ein Großteil der online geteilten tionsprozess stecken. Dieses Potenzi- noch eine andere Zäsur: „Die Kommunikations- steckt tief im digitalen Umbruch. Zu Besuch Inhalte hat seinen Ursprung in einer al wollen wir noch stärker erschließen. branche wird sich radikal verändern.“ Redaktion. Aber natürlich: Intermedi- Umgekehrt ziehen digitale Newcomer bei einer Agentur, die sich gerade neu erfindet äre, also digitale Plattformen, sind ein aus der Kooperation mit etablierten Me- Obamas außergewöhnliche Wahlkampagne wichtiger weiterer Gestalter öffentlicher dienakteuren großen Nutzen. Deshalb setzte gezielt auf Wählerdaten und die sozi- Kommunikation und immer häufiger die sind die gezielte Vernetzung und das alen Medien. Seine Wahlkampfberater hatten erste Anlaufstelle auf der Suche nach Öffnen von Experimentierräumen die erkannt, dass man mit einer digitalen Platt- Information. Deswegen schauen wir uns wichtigste Aufgabe unserer Standort form und herausragendem Social-Media-Mar- deren Praxis auch gründlich an und ar- initiative nextMedia. keting Wahlen wirksam beeinflussen kann.
20 AGENTUREN 21 stein, der projektweise dazukommt, sondern Stattdessen setzen die Werber von der Water- jede Kampagne muss von vorn bis hinten auch kant lieber auf passende Technologiepartner. digital funktionieren“, sagt Jan Bechler. Des- Facelift zum Beispiel, ein Hamburger Tech-Un- halb entwickelt thjnk medienneutrale Kampa- ternehmen und Marketingpartner von Face- gnen. Alle Ideen müssen online, offline, mobil book, mit dem thjnk 2015 das Joint Venture und als Bewegtbild funktionieren. Der lineare upljft gründete. Upljft soll die Stärken beider Agenturprozess wurde zugunsten einer stär- Partner vereinen, um Branding-Kampagnen in keren Zusammenarbeit aufgebrochen. Damit Social-Media-Kanälen auszuspielen. „Eine gu- das klappt, investiert die Agentur auch in die te Agentur kombiniert heutzutage Strategie, Freie Flächen, offenes Ambiente: Weiterbildung der Mitarbeiter. Etwa in Form Markenverständnis, Datenanalyse und Kam- Das neue Büro der thjnk Schule, eines regelmäßigen Fortbil- pagnenmanagement sowie bestmögliche Kre- der Agentur dungsangebots. ation“, ist Bechler überzeugt. Daten helfen da- bei, wesentlich zielgerichteter auszusenden N E U E A N G E B OT E F Ü R N E U E und – schon mit Blick auf die nächste Kampa- ANFORDERUNGEN gne – optimal auszuwerten. Am Ende macht aber weiterhin die Idee den Unterschied, ist Das moderne Büro an der Wasserkante, zwi- sich Trautmann sicher. schen Baumwall und Landungsbrücken, reprä- sentiert diesen Wandel und das neue Mindset Gute Ideen haben allerdings nicht nur Kreati- einer klassischen Werbeagentur mit digitaler vagenturen: Auf dem digitalen Werbemarkt DNA. Offene Kommunikation ist das Stich- mischen inzwischen auch Media-Agenturen, wort: Es gibt bei thjnk so gut wie keine ge- Unternehmensberatungen und Technologie- Auch bei der Wahl von Obamas Nachfolger darauf sehen aber unterschiedlich aus“, sagt schlossenen Büros mehr, der Vorstand sitzt an anbieter wie Google, Facebook und SAP mit. Donald Trump haben die sozialen Medien ei- Michael Trautmann. Seine Agentur entschied einem langen Tisch. Jeder Mitarbeiter ist mobil, Die Digitalisierung macht diese Player mal zu ne wichtige Rolle gespielt. Und längst hat sich sich für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen das gesamte Gebäude ein kreatives Areal. Rivalen, mal zu Partnern. Für Trautmann passt Trautmanns Vorahnung bewahrheitet. Digita- klassischen kreativen Kompetenzen und neuen diese Vielfalt gut zur Strategie einer ständi- le Kanäle sind fester Bestandteil des Media- digitalen Möglichkeiten. Wie jede Agentur muss thjnk technologisch auf gen Transformation: den Wandel umarmen, mixes geworden. Der Kampf um die Aufmerk- der Höhe sein. Die Agentur verzichtet jedoch immer auf der Suche nach neuen Chancen samkeit der Nutzer tobt heftiger denn je. Wie T R A N S F O R M AT I O N I N V I E L E N bewusst auf eine eigene Programmier-Unit. und Partnern. erreicht man die Menschen im Netz am besten SCHRITTEN mit Werbebotschaften? Für die Suche nach ei- ner Antwort auf diese Frage ist Deutschlands Wie holen wir technisches Know-how an Bord? Agenturhauptstadt der richtige Ort. Nirgend- Wo liegen die Wachstumsfelder? Mit diesen wo gibt es derart viele Werbeunternehmen, Fragen hat sich die Agentur thjnk seit Obamas klassische Agenturen wie Jung von Matt, Gra- Wahlsieg immer wieder konfrontiert. Einzelne barz & Partner, Scholz & Friends oder Kol- Leuchtturmprojekte gab es schnell nach dem MEDIALES ÖKOSYSTEM le Rebbe, aber auch Digitalspezialisten wie Startschuss zur digitalen Transformation. Gu- SinnerSchrader oder LA RED. Alle relevanten te Ansätze, doch zu wenig für echten Wandel. Das Herz der deutschen Werbewirtschaft schlägt in ups und Spezialdienstleister voneinander profitieren. Agenturen haben in Hamburg ihre Heimat oder Trautmann holte Jan Bechler als Chief Digital Hamburg. Heute haben hier alle relevanten Agen- An kaum einem anderen Ort finden sich so viele re- eine Dependance. Bei Wettbewerben der krea- Officer ins Unternehmen. Als Außenseiter des turen ihre Heimat oder eine Dependance. Mit über levante Unternehmen aus allen Bereichen der Medi- tivsten deutschen Kommunikationsdienstleis- Agenturgeschäfts brachte er eine andere Pers- 1.500 Werbeunternehmen und rund 15.000 Be- enbranche. Die Digitalisierung treibt die branchen- ter stehen Hamburger regelmäßig auf vorders- pektive, Unternehmergeist und viel Kompetenz schäftigten ist Hamburg Deutschlands Agentur- übergreifende Vernetzung noch weiter voran. Insbe- ten Plätzen. Auch international wird Hamburg im Online-Marketing mit. Das Duo krempelte hauptstadt. Die Werbebranche ist dabei zunehmend sondere die kurzen Kommunikationswege schaffen in einem Atemzug mit New York, London und auch die Organisationsstruktur um: In sämtli- Teil eines medialen Ökosystems, in dem Verlage, in der Hansestadt einen permanenten dynamischen Rio genannt. chen Teams haben Digitalexperten ihren festen Agenturen, Musiklabels, Produktionsfirmen, Start- Gedankenaustausch. Platz. Damit setzt die Agentur strukturell nicht „Wir alle stehen vor den gleichen Herausfor- auf eine digitale Sondereinheit, sondern eine derungen der Digitalisierung. Die Antworten integrierte Lösung. „Digital ist nicht ein Bau-
22 AGENTUREN 23 Hamburgs Ideenzünder SCHOLZ & FRIENDS THJNK Wir sind das Orchester der Ideen. Wir Das „Milch“ in der Ditmar-Koel-Str. 22 schaffen Markenerlebnisse, die das ist ein Ort der Wonne. Nico, der Chef, Denken, Fühlen und Handeln von Men- nennt seine Angestellten „Gastgeber“, Kreation, Media, Corporate Publishing, PR: Die ansässigen Agenturen prägen die kommerzielle schen verändern. Und wir glauben an fotografiert Gästehunde als #milch- Kommunikation wie nur wenige andere. Eine kleine Vorstellungsrunde im Selbstporträt Freundschaft. In Hamburg 1981 ge- dogs und legt großen Wert auf kleine gründet, zählen wir seit drei Jahr- Röstereien. So sehr, dass er angefan- zehnten zu den führenden deutschen gen hat, selbst zu rösten. Dazu bietet Agenturen und wurden allein 2014/15 er frische Landmilch an. Für die Wer- FISCHERAPPELT le Kunden aus dem Karoviertel betreut. mehrfach mit dem begehrten Titel ber gibt’s Espresso Tonic: Espresso Hierzu zählen unter anderem adidas, „Agentur des Jahres“ ausgezeichnet. mit Tonic. Ohne Gin. Oh, und Waffeln Eine Gruppe, alle Disziplinen. fischer- Bitburger, BMW, BVG, Deutsche Post, Neben den Standorten in Hamburg, hat Nico letztens auch ausprobiert. Appelt ist die führende Agentur für DFB, EDEKA, FAZ, Kia, Nikon, NIVEA, Berlin und Düsseldorf sind wir in den Mit mäßigem Erfolg. Wir glauben ja, Content-Marketing in Deutschland. Sixt und Vodafone. Vorurteile bekämpft: europäischen Märkten und über WPP es liegt an der Hefe, aber na ja. Hier Wir machen unsere Kunden zu rele- Diese Kampagne von Scholz & Friends weltweit vertreten. Zu unseren Kun- finden Sie uns zwischen 13 und 14 vanten Gesprächspartnern. Unsere belebte die Traditionsmarke Opel den zählen unter anderem die Deut- Uhr. Ansonsten um die Ecke: Vorset- Experten stehen für eine ausgeprägte KOLLE REBBE sche Bahn, Opel, Siemens, Tchibo, Vo- zen 32. Dort werben wir für andere, Digital-Denke und erstklassiges Tech- dafone sowie Institutionen wie die nicht für uns. nik-Know-how. Der Spaß an echten Kolle Rebbe inszeniert weltweit Mar- maligen Gemeindehaus in St. Pauli ge- Bundesregierung. Geschichten gehört für uns zu einer ken. Strategen, Kreative und Spezia- gründet und sitzt heute im einstigen Content-Agentur wie der Glaube an listen aus allen Disziplinen entwickeln Freihafenamt in der Speicherstadt. Ak- WEISCHER.MEDIA Ideen, die im Kopf bleiben. Wir wollen integrierte Kommunikationslösungen tuell arbeiten 195 Mitarbeiter an den SINNERSCHRADER Produkte entwickeln, die etwas verän- über Medien- und Ländergrenzen hin- Standorten Hamburg und Ingolstadt. Brüllen können viele, gewinnen nur die dern, und Bilder erschaffen, die Men- weg. Zum Beispiel für Lufthansa, o2, Das Agentur-Motto „Neu ist normal“ SinnerSchrader gehört zu den führen- wenigsten. Jedes Jahr versammelt sich schen berühren. Wir wollen Aufmerk- Netflix und Ritter Sport. Kolle Rebbe steht für eine Kultur der Neugier, die den Digitalagenturen Europas und bie- das Who’s who der Werbebranche in samkeit nicht erzwingen, wir wollen erfindet Produkte. Designer und Cre- Mitarbeitern und Kunden immer wie- tet die gesamte Bandbreite digitaler Cannes, um die neuesten Trends zu sie verdienen. Wertschätzung für Auf- ative Technologists entwickeln Pro- der neue Impulse geben soll. Zu den Agenturleistungen: Konzeption, Ge- feiern. Einen Löwen in Cannes zu ge- merksamkeit steckt in unserer DNA. dukte, Marken und innovative Techno- Kunden zählen neben den Gründungs- staltung, Entwicklung und Betrieb di- winnen ist für Werber wie ein Ritter- Derbe, unkorrekt, köstlich: logien bis zur Marktreife. Die Agentur kunden Audi und Astra auch Marken gitaler Plattformen, Mobile Apps, Ser- schlag. Als offizieller deutscher Reprä- Seit 1999 werben Philipp und Keuntje für Astra. nennt das: kreative Business-Intelli- wie RIMOWA, Sennheiser, Telekom, vice-Design, Kampagnen und Analytics. sentant unterstützt Weischer.Media GRABARZ & PARTNER Das Wort „Kult“ trifft hier ausnahmsweise zu genz. Kolle Rebbe unterstützt Start- Kühne, Bärenmarke, NEFF, Deutsche das Festival. Denn wir glauben, dass ups. Die Agentur hilft finanziell und Bank, E WIE EINFACH, BRITA, Hols- Mehr als 500 Mitarbeiter – davon rund gute Kommunikation mehr ist – sie Wir brauchen keine 600 Zeichen, um mit unternehmerischem Know-how, ten, Duckstein. 200 Entwickler – arbeiten an der di- ist eine Kunstform, die die Menschen uns zu beschreiben. Uns reichen die 60 unsere Kunden beim wirkungsvollen um junge Marken und Unternehmen gitalen Transformation für Unterneh- bewegt und die Welt verändern kann. einer Yelp-Bewertung vom benachbar- Umgang mit den Herausforderungen groß und erfolgreich zu machen. men wie Allianz, Audi, comdirect bank, Weischer.Media steht für emotiona- ten Bistro: „Nebenan arbeiten Hunder- in einer immer schneller und komple- PILOT ERGO, Telefónica, TUI, Unitymedia le Markenpräsenz rund ums Erlebnis- te Jugendliche bei einer Werbeagentur.“ xer werdenden Welt. und Volkswagen. SinnerSchrader wur- medium Kino, für wirkungsvollen Ziel- PHILIPP UND KEUNTJE Wir machen Werbung für das digitale de 1996 gegründet, ist seit 1999 bör- gruppendialog auf Out-of-Home-Me- Zeitalter – und das bereits seit 1999. sennotiert und hat Büros in Hamburg, dien, für spannendes Storytelling und HIRSCHEN JUNG VON MATT Die Kreativagentur Philipp und Keunt- Eingebettet in Markt- und Werbefor- Berlin, Frankfurt am Main, München, nachhaltige Markenkommunikation je wurde im Januar 1999 in einem ehe- schung spielen in unserer unabhängi- Prag und Hannover. über alle digitalen Marketingkanäle. Die Hirschen Group, das sind sechs Jung von Matt ist – sowohl was Aus- gen und inhabergeführten Agentur- sehr unterschiedliche Kommunika- zeichnungen für Kreativität als auch gruppe die Bereiche Media, Kreation tions- und Consulting-Agenturmarken Effizienz angeht – die erfolgreichste und Technologie nahtlos zusammen: unter einem Dach, zusammen unser Agenturgruppe im deutschsprachigen Eine enge Vernetzung von Kompeten- Home of the Brave. Wir bieten krea- Raum. 2016 wurde die Agentur dafür zen und Fachbereichen ist für pilot ent- Viraler Erfolg: tive Beratung für Kommunikation, Di- wieder mit Platz eins im Kreativ-In- scheidend. Unser Leistungsspektrum Der Weihnachts-Spot „#heimkommen“ von gitalisierung und öffentliche Meinung. dex des manager magazins ausge- umfasst digitale und klassische Medi- Jung von Matt für EDEKA Alleine in Hamburg mit sechs Büros: zeichnet. Jung von Matt bietet seinen aberatung, Kreation, Web-TV, Mobi- rief starke Emotionen zweimal Zum goldenen Hirschen, dazu Auftraggebern kreative und effizien- le und Social-Media-Marketing, Pro- und Diskussionen hervor die Freunde des Hauses, VORN Stra- te Marketingkommunikation über al- grammatic Advertising, Performan- tegy Consulting, ressourcenmangel le Kanäle und Disziplinen hinweg. Als PR-Coup von Kolle Rebbe: ce-Marketing, Forschung, Medien- und und and courage!. Gemeinsam – oder echtes Hamburger Kind werden seit Die Umlackierung zur WM 2014 brachte welt- Industriekooperationen sowie Content auch jeder für sich – unterstützen wir 25 Jahren nationale und internationa- weite Aufmerksamkeit und Auszeichnungen und Technologien für digitale Screens.
24 PLATTFORMEN 25 Von der XING-Dachterrasse beim Arbeiten den Blick bis zur Elbphilharmonie schweifen lassen wenigen Jahren haben sie die Spielregeln im Ge- schäft mit digitalen Inhalten neu bestimmt. Ins- besondere Google und Facebook sind die maß- geblichen Instanzen für Reichweitenausbau und Online-Marketing. Von Hamburg aus beraten ihre Teams Unternehmen und Agenturen beim Umgang mit den eigenen Plattformen und Ser- vices. Allein Google ist mit Hunderten Vertriebs- spezialisten und Marketingprofis am Standort aktiv. Hinzu kommen immer mehr Spezialdienst- leister für Online-Marketing wie Performance Media oder das auf künstliche Intelligenz spe- zialisierte US-Unternehmen Rocket Fuel. W I C H T I G E B A S I S F Ü R DA S I N H A LT EG E S C H Ä F T Effizientere, algorithmenbasierte Methoden des Beste Aussichten D ie neuen Herausforderer der Medien- Online-Marketings sind für Unternehmen nahe- welt sind in Wirklichkeit schon lange zu aller Branchen relevant. Für die Medienwirt- da. Google eröffnete seine Deutsch- schaft sind sie noch weit mehr – nämlich eine land-Zentrale bereits 2001 in Hamburg, Face- Grundlage für das zukünftige Inhaltegeschäft. für neue Allianzen book im Jahr 2010. Mit Twitter, XING, Dropbox Die Internetkonzerne geben dabei den Takt vor. und Yelp sind weitere namhafte digitale Platt- Mit Google und Facebook erschließen sich In- formen in Hamburg vertreten. Was verbindet halteanbieter deutlich höhere Reichweiten und diese so unterschiedlichen Unternehmen mit- zusätzliche Zielgruppen. Umgekehrt erkennen einander? Und mit Hamburgs Medien? auch die Digitalkonzerne, wie wichtig Content Digitale Player wie XING, Google, Facebook und Twitter haben in Hamburg für den langfristigen Erfolg ihrer Plattformen ihre deutsche Zentrale. Von hier aus krempeln sie die Medienbranche um Zunächst liefern sie alle wertvolle Tools für die ist. Folgerichtig unterstützt Google Medienun- Digitalisierung. Von ihrer Innovationskraft pro- ternehmen mit der weltweiten „Digital News In- fitieren sowohl Nutzer als auch Medienmacher itiative“. Wichtige Hamburger Medienplayer wa- unmittelbar. Die Gestaltungsmacht der digita- ren dabei früh in das Programm eingebunden, len Plattformen ist aber deutlich größer: Binnen einige saßen als einzige Deutsche im euro-
26 PLATTFORMEN 27 päischen Programmkomitee. Andere haben so Artikel verbreiten können. Im Oktober 2015 Das Beispiel XING zeigt noch etwas ande- eine Finanzierung erhalten, wie etwa der Ham- startete das Format Klartext mit einer eige- res: Trotz der Bedeutung digitaler Giganten burger Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr bei nen, klassisch agierenden Redaktion – ein un- wie Google und Facebook können sich digita- der Entwicklung einer Nachrichten-App. Zudem gewöhnlicher Schritt für ein soziales Netzwerk. le Plattformen erfolgreich am Markt positio- engagiert sich Google beim Next Media Acce- Themen zu Wirtschaft und Beruf werden nach nieren. Immerhin ist XING das größte Karrie- lerator, dem Hamburger Förderprogramm für Branche und Nutzerprofil personalisiert. „Der re-Netzwerk im deutschsprachigen Raum, vor Medien-Start-ups (siehe Artikel auf Seite 40). Mix aus klassischem Journalismus und Daten- dem US-Rivalen LinkedIn. Und vielleicht ist es Facebook wiederum bietet mit „Instant Articles“ analyse schafft wesentlich mehr Möglichkeiten, kein Zufall, dass XING in Hamburg geboren und einen direkten Weg, Zeitungs- und Zeitschrif- die Nutzer bestmöglich zu informieren und zu groß geworden ist. Viele Neugründungen ent- tenartikel im Newsstream seiner User zu plat- unterhalten“, so Jennifer Lachman, Chefredak- stehen hier aus einem kaufmännisch geprägten zieren, und beteiligt die Inhalteanbieter an den teurin von XING Klartext. Experten aus Wirt- Geist und wachsen organisch. Und sie treffen Werbeerlösen. In Deutschland arbeiten unter schaft und Politik nehmen zu aktuellen Themen auf eine gewachsene Content-Industrie, die of- anderem SPIEGEL ONLINE, BILD und die Ta- Stellung, die Nutzer diskutieren anschließend fen ist – für neue Allianzen, neue Experimente gesschau mit Instant Articles. deren Thesen. Das Konzept geht auf, die Nut- und vor allem: neue Gedanken. zer-Interaktivität ist dem Unternehmen zufolge Die wachsende Bedeutung von Kooperatio- deutlich gestiegen. nen zwischen Technologiespezialisten und In- halteanbietern spiegelt sich auch auf Unter- nehmensebene wider. Die Initiative nextMedia. Hamburg hat die Entwicklungen am Markt ana- lysiert (www.nextmedia.hamburg). Die zent- ralen Erkenntnisse: Technologie- und Inhalte- kompetenz müssen sich in einem Unternehmen in einem ausgewogenen Verhältnis bewegen. Inhalte können und sollen mehr als nur einen Aggregatzustand annehmen, wobei die Aspek- te „Nutzwert“ und „Erlebnis“ maßgeblich sind für den Erfolg. Und da sich Inhalte zunehmend von ihren Produzenten lösen und über digitale Plattformen vermittelt werden, müssen auch die Erlösstrukturen flexibler werden. H A M B U R G E R P L AT T F O R M G E H T E I G E N E N W EG XING macht vor, wie eine sinnvolle Balance von Technologie und Content aussehen kann. oben: Rudern bei Google: Auch bei dem 2003 in Hamburg gegründeten Innovatives Arbeiten in Hamburg Karriere-Netzwerk geht es darum, personali- sierte Informationen zu erhalten oder zielge- richtet zu verbreiten. XING setzt dabei aber links: Facebook-Mitarbeiter auf Exklusivität. Rund die Hälfte seines Um- zwischen Bäumen und Eulen im Konferenzraum satzes generiert das im TecDAX gelistete Un- ternehmen mit kostenpflichtigen Premium-Ac- counts der Nutzer und anderen Bezahlangebo- ten. Die andere Hälfte erwirtschaftet XING im B2B-Geschäft, zum Beispiel mit einem lizen- zierten Recruiting-Tool und Unternehmenspro- filen. Werbung gehörte nicht zum Kernge- schäft von XING, wird jedoch verstärkt ver- marktet und auch personalisiert ausgespielt. Um die Aktivität der Nutzer zu steigern, bie- tet die Burda-Tochter zunehmend eigene In- halte an. Nach einem Branchen-Newsletter ka- men Newsseiten dazu, über die Medienhäuser
MUSIK 29 In Nächten wie dieser Digitalisierung hin oder her – live ist Musik immer noch am schönsten. Musik als Gemeinschaftserlebnis ist wichtiges Wirtschafts- und Kulturgut zugleich. Was es dafür braucht? Ein produktives Spannungsverhältnis zwischen kommerziellen Nutzungs- interessen und Subkultur. Eine Besichtigungstour der anderen Art W ir treffen das ungleiche Noch bevor wir am Knust, Station Num- ni und Freunden, war so ein Freiraum Paar am frühen Abend mer zwei, angekommen sind, hören wir und seit jeher Bollwerk Hamburger Ge- vorm Bunker am Heili- das Brummen tiefer Bässe und einen genkultur. Bei einem Feuer im Febru- gengeistfeld: Oke Göttlich, Gründer quietschigen Trompetensound. Die Ur- ar 2016 ist er aber großteilig zerstört des Musikvertriebs finetunes und eh- ban-Brass-Band Moop Mama spielt ei- worden – die Decke wird abgestützt, renamtlicher Präsident des FC St. Pau- nen Guerilla-Gig auf dem Neuen Kamp: das Dach ist durch, die Instandsetzung li, und Dicken, Frontmann der Punk- „Alle Kinder schreien: Ohhh – auf die geht mühsam voran. Es bricht einem band Slime. Eine Nacht lang nehmen Fresse, fertig, los!“ Das Publikum tanzt das Herz, wenn man daran denkt, wie sie uns mit auf eine Tour durch ihre glücklich in den frühen Abend. „Boah“, man hier selbst morgens um fünf der Lieblingsclubs. lacht Dicken, „damals, als wir gezockt Sonne entgegengetanzt ist. Ralf Kös- haben, ich meine Punk, das war nicht so ter, Electro-Legende der ersten Stun- Wir starten im Bunker. Das Betonmons- draußen, das waren kleine, enge, mie- de, ist hier seit Ewigkeiten Booker und ter aus dem Zweiten Weltkrieg beher- fige Läden. Da gab’s ne Bar, die hieß DJ: „Die Nähe macht die Magie, dieses bergt neben dem Club Uebel und Ge- am Wochenende Krawall 2000, ver- Living-in-a-box-Feeling. Du bist als DJ fährlich auch das Terrace Hill, außer- stehst du?“ immer ganz dicht am Publikum und dem einen Probenraum, ein Tonstudio, hörst den Originalsound, den auch das ein Musikgeschäft und eine Musikhoch- KO M P L E T T V E R B A L L E R T, Publikum hört. Bei uns geht’s uns nicht schule. Wir fahren hoch in den vierten A B E R G L Ü C K L I C H W I E N I E um Gewinn, hier geht’s um die Liebe Stock, Malte von der Lancken, Booker zur Musik, hier darf man sich auspro- im Uebel und Gefährlich, drückt uns zur Oke zeigt auf einen Tontechniker, der bieren, experimentieren.“ Begrüßung erst mal ein kühles Bier in den Dezibel-Messer gen Band streckt die Hand. Er führt uns durch den Ball- und checkt, ob die wohl zu laut ist. „Ja, Die DJs wissen um den einzigartigen saal auf die sonnenüberflutete Terras- so was, das hat es früher nicht gege- Charme des Pudel. Oft sind die Book- se, denn es steht das erste Dachkonzert ben. Überall Regularien, die machen ing-Agenturen aber gegen einen Auf- der Saison an. Das Stadtpanorama ist es schon schwer für Clubs. Ist ja alles tritt dort, wollen lieber eine volle Halle die perfekte Kulisse für exklusive klei- sinnvoll, Anwohnerschutz, Fluchtwe- und sichere Einnahmen. „Ich hab schon ne Gigs im Freien – und den Start un- ge, Feuerschutz, Security und so. Aber DJs erlebt, die legen samstags im Berg- serer Clubtour. das kostet auch und erschwert dadurch hain auf und sonntags bei uns, stol- den Start und den Betrieb von Clubs. pern hier raus, komplett verballert, ab- Wenn in Austin die South by Southwest gespaced, aber glücklich wie nie“, sagt ist, dann wird da auch überall auf den Ralf. „Das ist der Unterschied zwischen Straßen gerockt, und es ist okay. Es oberflächlicher Eventkultur und Club- braucht einfach Freiräume, in denen ex- bing von Herzen“, meint Oke. „Stimmt“, links: Auf dem Weg in die Nacht: perimentiert werden darf.“ Der Golden sagt Dicken, „meine Mucke war das Dicken und Oke vorm Hafenklang Pudel, gegründet von Rocko Schamo- hier nie, aber die Idee vom Pudel
30 MUSIK 31 hab ich immer supportet, weil da geht’s zu trauen. Wenn es eine direkte Künst- um die Sache, dass alle zusammenhalten.“ lerförderung geben würde, für einzelne Gigs, das wäre was Feines.“ Z W I S C H E N KO M M E R Z I A L I S I E- RUNG UND CLUBÜBERLEBEN Während die Kamikaze Queens mit ih- rem Song „Sick inside“ jetzt so richtig Wir erreichen schließlich das Hafen- loslegen, geht’s für uns zack, zack die klang am Fischmarkt. In den 70ern Treppe runter, durch den Garderoben- war es das erste 24-Spur-Studio Ham- eingang in die große Konzerthalle. Al- burgs, schon damals fanden hier Kon- Experten unter sich: le schwitzen, der Laden ist voll. Adam zerte statt. Oben im Goldenen Salon Oke und Dicken diskutieren über Bousdoukos, Schauspieler und Dreh- Musik, Clubs und St. Pauli reißen die Kamikaze Queens schrillen buchautor der Hamburger Komödie Rockabilly vom Leder, während sich ei- „Soul Kitchen“, steht auf der Bühne. Er ne ihrer Frontfrauen, gepresst in eine und seine Band Amane sind der heuti- glänzende Lackmontur, ums Mikrofon ge Support für Imam Baildi und stehen räkelt. „Das ist meine Mucke“, ruft Di- für elektrolastigen Balkan-Hiphop aus cken begeistert. Und obgleich wir uns Griechenland. „Jetzt aber erst mal ein nur schwer losreißen können, ziehen feines Getränk“, sagt Oke und lotst uns wir uns nach hinten zurück. Oke stellt rüber ins Golem. Es präsentiert sich als uns Thomas vor, langjähriger Book- „Ort des gepflegten Besäufnisses und er und Geschäftsführer des Hafen- des ernsthaften Gesprächs“. Und mit klang. „Das Wohnzimmerfeeling hier, einer Rum-Cola für Dicken und einer das schätze ich schon sehr“, sagt Oke, Mate-Peng für Oke sind wir dafür gut „die entspannte Atmosphäre abseits aufgestellt. des Kiez-Trubels“. „Dafür kommen die Leute“, sagt Thomas: „Das ist der Un- „Hamburg muss seine Subkulturen um- terschied zwischen inhabergeführten armen“, sagt Oke: „Wir wollen es alle Läden oder Vereinen und industriellen Die Kamikaze Queens nicht hören, aber wenn man den Ver- Musikhallen. Ich mein, wenn’s mir nur reißen schrillen Rockabilly gleich mit Berlin zieht: Die haben es Musikkultur im Komet vereint Gegensätze: Oben Schallplatten-Auktion, vom Leder unten Freestyle-Battle-Rap um die Kohle gehen würde, dann würd geschafft, durch die Wende, den Tech- ich mehr Partys machen statt der we- no, diese Freiräume teilweise zu erhal- niger lukrativen Konzerte. Aber es ist ten. Hamburg hat durch seine Schön- Ideen. Wenn man nur auf seine Schön- seinem neuen Standort am Nobistor, schallt, sind Dicken und Oke begeis- eben schwierig, sich unter finanziel- heit auch ne Art Arroganz. Und Sub- heit schaut, dann ist man irgendwann sagt Oke, „Andi war glücklich, dass die tert. „So ein Unfug! Geil!“ – gekauft. lem Druck im Booking auch mal was kultur, die bringt Frische und neue München und freut sich altersmilde Stadt ihm da helfen konnte mit seinem Auch die nächste Platte reißt sich Di- über die tollen Naherholungsgebiete. neuen Laden“. Andi Schmidt ist Betrei- cken für 4,50 unter den Nagel: „Best Ich finde, es sollte weniger um ökono- ber des Molotow, eines der berühm- of Buddy Holly“. Jetzt steppt der Bär, mische Kennzahlen gehen. Natürlich ist testen Clubs in den damals baufälli- und bei „It’s in His Kiss“ von Cher ist ein Hafenklang kein Touristenmagnet, gen und mittlerweile abgerissenen Es- die Clubtour in vollem Gange, irgend- LEBENDIGE MUSIKSZENE aber es ist eine wichtige Keimzelle der so-Häusern. „Das Schönste aber wäre, wo zwischen Freude und Fremdschä- Hamburger Clubkultur, fördert den Zu- wenn die neuen Esso-Häuser, die übri- men, während unten im Kellergewölbe Hamburgs Musiker, Bands, DJs und Songwriter sind diolith, Grand Hotel van Cleef oder Buback gegen- sammenhalt der Indieszene und damit gens in einem Bürgerbeteiligungsver- ein Freestyle-Battle-Rap läuft. international so beachtet wie vielfältig: Samy Deluxe, über. Zu den jährlichen Musikevents zählen vor allem des ganzen Viertels. Aber um so was fahren konzipiert werden, dann stehen, Jan Delay, Hundreds, Deichkind, Digitalism, Boy, Fet- das Reeperbahn Festival und das Dockville Festival. besser zu fördern und vor zu vielen Re- dass es ein neues Molotow dort gibt Wir machen uns schließlich auf den Weg tes Brot, Kettcar, Kollektiv Turmstrasse, Revolverheld, gularien zu schützen, braucht es Politik, und das alte dann am jetzigen Stand- zu St. Paulis ehrlichster Kneipe: dem Selig, Wolfsheim usw. Der Musikstil der „Hambur- Mit über 100 Musikclubs ist Hamburg bundesweite die in Unorten einen Wert sieht.“ ort bliebe. Dann haben wir zwei gute Jolly Roger, einer Bar, von der man nicht ger Schule“ von Bands wie Tocotronic und Blumfeld Spitze. Die Musikbühnen prägen das kulturelle Leben Live-Clubs.“ so recht weiß, ob sie nicht manchmal ist seit den 90er-Jahren prägend für viele deutsche der Stadt. Sie machen Musik zum Erlebnis. Und für HAMBURG MUSS SEINE auch ein Club ist – geführt von einem Bands. Auch für seine Musicals und sein Angebot Musiker sind sie nicht selten Orte, an denen sie aus S U B K U LT U R E N U M A R M E N Nicht weit von dort kommen wir pünkt- Förderverein rund um Sympathisanten an klassischer Musik ist Hamburg bundesweit be- einer Leidenschaft einen Beruf machen. Das Clubkom- lich zur Top-oder-Flop-Plattenauktion des FC St. Pauli. „Hier gibt’s klare Re- kannt. Einigen großen Plattenfirmen in Hamburg wie binat vertritt bereits seit 2004 als Berufsverband Es geht raus, hoch Richtung Reeper- im Komet. Hier werden Vinyls verstei- geln“, sagt Marta, die nicht nur den Tre- Warner Music oder Edel Records steht eine Vielzahl die Interessen der Clubbetreiber, Veranstalter, Boo- bahn. „Mitten auf’n Kiez geh ich ei- gert, die sonst keiner mehr haben will. sen, sondern auch die Gäste im Griff von kleinen und unabhängigen Musiklabels wie Au- ker und Agenturen. gentlich nie, die ganze Feierei kann ich Der DJ ist erbarmungslos: Scheiben, hat. Ansage für uns: Fotoverbot, intime nicht haben, höchstens mal ins Mo- die keinen Käufer finden, zerbricht er Zone. Dicken schiebt die neuen Platten lotow noch“, sagt Dicken. Das Molo- und lässt die Teile auf die Tanze reg- über die Theke. Fußball, Mucke, Herz. tow sei übrigens ganz zufrieden mit nen. Als „Pogo in Togo“ aus den Boxen Mehr St. Pauli als hier gibt’s nicht.
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