Unsere Paargeschichte - Pfarrei Forum

Die Seite wird erstellt Dastin Röder
 
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Unsere Paargeschichte - Pfarrei Forum
02/2023
                                                     Pfarrblatt Bistum St. Gallen
                                                          www.pfarreiforum.ch

Unsere Paargeschichte
Das erste Date, der erste Kuss,     Neue App stärkt Zufriedenheit
                                    Seite 7
der erste Streit … Warum eine
Fachstelle des Bistums St. Gallen
Paargeschichten sammelt.            Um-Care bei der Care-Arbeit
Seiten 2 – 6                        Seiten 10 – 11
Unsere Paargeschichte - Pfarrei Forum
Editorial                                               Inhalt
Kürzlich an einer Hochzeit: Im Saal durften alle        THEMA
Gäste dem Brautpaar übers Mikrofon Glückwünsche
mit auf den Weg geben. Die Kinder wünschten             An jenem Abend
ihnen Dinge wie viel Spass mit dem Baby, Glück          vor 22 Jahren
                                                        Seiten 3 – 4
und Gesundheit. Die Aussagen der Erwachsenen
kamen hingegen nüchterner daher: Durchhaltewillen       Paargeschichten
für Durststrecken in der Beziehung, die Kraft, auch     sammeln ohne sie
Tiefpunkte zu meistern und gemeinsam an etwas           zu bewerten
                                                        Seiten 5 – 6
zu arbeiten, auch wenn es gerade nicht so rosig ist,
war etwa zu hören. Der Gedanke schlich sich ein,        Mit der Gratis-
ob Hochzeitswünsche nicht zumindest an diesem           App «Resilyou» die
speziellen Tag romantischer sein sollten. Die besagte   ­Resilienz stärken
Hochzeit zeigte aber auch auf, dass ein Paar zu sein,   Seite 7
immer ein Wagnis ist. Man braucht nur an die hohe
Scheidungsquote in der Schweiz zu denken. Laut          «Er war und blieb
Schätzungen des Bundesamts für Statistik werden         Professor»
                                                        Seite 8
sich zwei von fünf heutigen Ehepaaren scheiden
lassen, wenn sich das Scheidungsverhalten nicht         Eine familiäre
ändern sollte. Trotz solcher Statistiken gehen          Hochschule
                                                        Seite 9
Menschen immer wieder Beziehungen ein. Das macht
deutlich: Ein Paar sein ist ein Grundbedürfnis und      Neue Zukunft für
Paarbeziehungen sind so vielfältig wie die Menschen,    unsere Enkelkinder
die sie knüpfen. Was zeichnet Beziehungen aus           gestalten
und wie bereichert die Vielfalt an verschiedensten      Seiten 10 – 11
Partnerschaften unsere Gesellschaft? Diesen Fragen
gehen wir in dieser Ausgabe nach.

                                                        Leserfrage
                                                        Seite 11

                                                        Kinderseite
                                                        Seite 12

                                                        Nachrichten
                                                        Seite 13

                                                        Medientipps & Agenda
                                                        Seiten 14 – 15
                                                                               Titelbild: supersizer /istock

Nina Rudnicki                                           Meine Sicht
                                                        Seite 15
Redaktorin
rudnicki@pfarreiforum.ch
                                                        Zu Besuch in …
                                                        Seite 16

2           P FA R R E I F O RUM
Unsere Paargeschichte - Pfarrei Forum
BEZIEHUNGEN

An jenem Abend
vor 22 Jahren

Texte: paargeschichten.ch
Illustrationen:
Lea Neuenschwander

Was hält Paare zusammen? Wieso trennen sie sich? Und wie schafft man es, dass ­Alltägliches
seinen Zauber behält? Das Projekt paargeschichten.ch sammelt Erzählungen von Paaren.
Das Pfarreiforum hat nachfolgend einige davon abgedruckt und die Projektverwortlichen zum
Interview getroffen (Seiten 5 und 6).

Meine Momo                                          zwischen zwei Buchdeckeln, bis ich sie zum Leben     Dort, in Rapperswil
«Wenn Momo zuhörte, blühte die Fantasie der Er-     erwecke; oder sitzt mir am Küchentisch gegenüber.    Zwanzig Jahre, nachdem er sich von mir getrennt
zählenden auf wie eine Frühlingswiese. Die Ge-      Meine Momo ist meine Frau. Wenn ich ihr eine         hat, ruft er an – nach zwanzig Jahren totaler
danken, die bisher zu Fuss gegangen sind, beka-     vage Idee erzähle, entwickelt sich diese wie von     Funkstille ruft er einfach unvermittelt an. Er
men plötzlich Flügel», heisst es im gleichnamigen   selbst weiter, allein durch ihre Art des Zuhörens.   sagt, dass er keine Angst vor der Angst mehr habe
Buch von Michael Ende. Ich habe das Privileg,       Sie ergänzt einen Gedanken, trifft mit einer Frage   und dass er daher diesen Anruf gewagt habe. Ich
Momo bei mir zu Hause zu haben: Sie schlummert      ins Schwarze oder hört einfach zu, mit den Augen.    falle, wie man sagt, aus allen Wolken, freue mich

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BEZIEHUNGEN

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                                                                    erhitzte sie – und brachte sie
                                                                 ihr ins Zimmer. Anfangs mochte
                                                       ich das nicht unbedingt. Doch indem sie
sehr. Und wir machen ein Treffen ab. In Rappers-       mich fragt, ob ich ihr die Bettflasche ma-
wil. Dort gehen wir dann zusammen über den             che, teilt sie mir mit, habe ich mit der Zeit
Seesteg. Er erzählt mir, dass er einen Herzinfarkt     verstanden, dass sie ins Bett geht. Und seit
hatte. Und dass dieser ihn gelehrt habe, mehr auf      ich das verstanden habe, tue ich das fast je-
sein Herz zu hören. Er wolle lernen zu lieben.         den Abend für sie. Es ist zu unserem gemein-
Nach zweihundert Metern auf dem Seesteg sind           samen Ritual des Zubettgehens geworden. Ich           klar, dass bei
wir wieder total verliebt.                             bringe die Wärmeflasche herein und lege mich          dir dafür ande-
                                                       zu Flora, plaudere mit ihr und lasse den Tag ge-      re Hirnareale un-
Leidenschaft statt P
                   ­ artnerschaft                      meinsam mit ihr ausklingen. In manchen Näch-          terentwickelt sind!» Sie wollte etwas entgegnen,
Geniesse ich Spargeln, tunke ich das Köpfchen in       ten muss ich ihr manchmal, wenn ich mit der           konnte aber nicht, es ging nicht mehr, wortlos
die Sauce, sauge es aus – den Rest werfe ich weg.      Bettflasche ins Schlafzimmer komme, ihren Kopf        stand sie auf, warf die Serviette auf den halb leer-
Es könnte bitter sein, holzig oder schlecht ge-        freilegen, um sie küssen zu können, so fest ist sie   gegessenen Teller mit dem Riso ai Frutti di Mare,
schält. Und genauso halte ich es mit der Paarbe-       in ihre Decke eingewickelt. In diesen Nächten         ging in die Ferienwohnung zurück, packte ihren
ziehung: Endlos spiele ich den Akt des Sich-Verlie-    grummelt sie nur; kein «Gute Nacht», kein Kuss,       Koffer und fuhr zum Flughafen. Zuhause löschte
bens, endlos beschäftige ich mich mit Ouvertüren,     keine Aufmerksamkeit. Aber ich weiss selbst           sie seine fünfzehn Anrufe in Abwesenheit und
mit dem ersten Blick, der ersten Berührung, dem       dann, dass wir zusammen sind. Anspruchslos            achtzehn SMS. Und blockierte seine Nummer.
ersten Kuss, der ersten Vereinigung. Wird es aber      und wohlig verlasse ich das Schlafzimmer. Wenn
ernst und kommen Paarbeziehungs-Gefühle auf,          mich Flora fragt, ob ich ihr ihre Bettflasche ge-     Vor dem Velokurierladen
habe ich Angst, es könnte, wie die Spargeln, bit-      macht habe, fragt sie mich: «Teilen wir diesen        Ein paar Tage nachdem ich von einer langen Pil-
ter werden, holzig. Und ich breche ab. Auf der ei-     Abend?» Sie fragt mich auch: «Gefällt es dir, dein    gerreise nach Santiago zurückkam, stand ich in
nen Seite, ja, sehne ich mich so sehr nach Zwei-       Leben mit mir zu verbringen?» Und: «Weisst du,        meinem Velokuriergeschäft, als zwei Frauen he-
samkeit, auf der anderen Seite gerate ich              wie froh ich bin, dass du hier bist?» Ja, habe ich,   reinkamen. Sie fragten mich, ob sie ihre Velorei-
dermassen in Panik, sie in einer Partnerschaft zu      Flora. Ja, das tun wir. Ja, sehr. «Ja, ich weiss.»    fen pumpen könnten. Und so kamen sie ins
fixieren – zu monogamisieren, alles auf eine Kar-                                                            ­Gespräch mit mir und den anderen Velokurier-
te zu setzen. Wieso kapituliere ich vor der Paar-      Der Besserwisser                                       fahrerinnen und -fahrern, die noch im Laden he-
beziehung, wo ich doch den Grossteil meines Le-        Bei jeder Gelegenheit zückte er sein Handy, um         rumstanden oder am Ende ihrer Schicht etwas
bens in genau dieser Form von Beziehung gelebt         zu googeln, ob nun Selma oder er recht hatte. Im-      zusammen trinken wollten. Wir hatten eine gute
habe? Oder ist es umgekehrt? Habe ich für mich        mer schon hat sie das genervt. Doch dann kam:          Zeit, und als sich die muntere Gesellschaft auf-
gemerkt, dass die Paarbeziehung selber die Kapi-       Sizilien. Sie hatten eine Ferienwohnung in einem       zulösen begann, war es Abend geworden. Meine
tulation ist? Die Kapitulation vor der Leidenschaft,   kleinen mittelalterlichen Städtchen und sassen         Geschäftspartner, die eine
vor dem ewig Neuen?                                    auf der Piazza beim Nachtessen, gleich gegenüber       Frau und ich blieben etwas
                                                       einer Kirche. Über der Eingangstür stand in tief-      länger. Als wir die Tür ab-
Die Bettflasche                                        roten Lettern «Chiesa del Purgatorio» – und Wil-       schlossen, kam er, dieser
In den dreizehn Jahren, in denen ich Flora ken-        ly fragte sie, was wohl «Purgatorio» bedeute.          eine Moment, der mein Le-
ne, gab es vielleicht fünf Abende, an denen ich        Ohne zu überlegen, sagte sie es ihm: «Fegefeu-         ben verändern sollte: Mein
vor ihr ins Bett gegangen bin. Sie geht früh ins       er!» Wieso sie das nun wieder wisse, sagt er, und:     Heimweg führte mich in dieselbe
Bett, manchmal schon vor 21 Uhr. Sie liebt                                         «Wenn du solche Sa-        Richtung, die auch mein Geschäfts-
ihr Bett. Und wenn sie einmal drin ist,                                               chen weisst, ist es     partner einschlug. Doch der
ist sie die Königin. Doch wenn                                                                                Weg der Frau ging in die ent-
ich spät von der Arbeit kom-                                                                                  gegengesetzte Richtung. Ich
me, Zeit mit ihr verbringen                                                                                   stand unentschlossen da. Die
will, ist Flora schon auf dem                                                                                 Frau auch. Mein Geschäftspart-
Rückzug. Dieser allabendli-                                                                                   ner rief: «Kommst du …?» Ich
che Moment der Trennung                                                                                       aber bewegte mich nicht. Bis
fühlte sich für mich viele                                                                                    sie schliesslich zu mir sagte:
Jahre lang wie eine Nieder-                                                                                   «Küss mich, aber richtig!» Und
lage an. Auch Flora litt un-                                                                                  so habe ich sie geküsst, an
ter meiner Enttäuschung. Bis                                                                                  jenem Abend vor 22 Jah-
zu dem Tag, vielleicht vor fünf                                                                               ren. Heute sind wir El-
Jahren, als Flora mich bat, ihr                                                                               tern von drei Kindern.

4            P FA R R E I F O RUM
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BEZIEHUNGEN

Paargeschichten sammeln,
ohne sie zu bewerten
Wieso uns Beziehungsgeschichten anderer Paare gut tun, erzählen Madeleine Winterhalter-
Häuptle und Matthias Koller Filliger von der Fachstelle Partnerschaft-Ehe-Familie (PEF) des
Bistums St. Gallen im Interview. Kürzlich haben sie das Projekt paargeschichten.ch lanciert.

     Als Projektleiter von paargeschichten.ch wird Matthias Koller Filliger auch selbst zum Autor und zeichnet auf, was andere ihm erzählen.
→

     Im Bild mit Madeleine Winterhalter-Häuptle, Stellenleiterin der PEF.

Die Plattform paargeschichten.ch                       schiedenen Bilder ergeben dann zusammen einen        schichten.ch gerade lanciert worden war, hatte
sammelt Geschichten unter                              Liebesanfang. Das Spannende dabei ist, dass zwei     ich ihn spontan gefragt, wie er denn eigentlich
­anderem von Liebesanfängen,                           Personen, die von ihrem Beziehungsanfang er-         seine Frau kennengelernt hatte. Am nächsten Tag
 Trennungen und Abschieden,                            zählen, oft ganz unterschiedliche Erinnerungen       fragte ich ihn, ob ich ihre eindrückliche Ge-
 vom Heiraten und Alleine sein:                        und Bilder haben. Das ist es, was mich fasziniert.   schichte aufschreiben und veröffentlichen dürfe.
 Welches ist Ihre Lieblings­                                                                                Madeleine Winterhalter-Häuptle: Wenn wir an ei-
 geschichte?                                           Mittlerweile sind rund                               ner Tagung oder einem Anlass mit den bereits ge-
 Matthias Koller Filliger: Persönlich mag ich die      70 ­Geschichten zusammen­                            sammelten Geschichten arbeiten, dann wirkt das
 Geschichten gerne, die von Liebesanfängen han-        gekommen. Wer erzählt Ihnen                          oft wie ein Katalysator. Viele Personen erinnern
 deln. Oft erzählen sie vom Kribbeln am Anfang         diese Geschichten und wieso?                         sich dann an ihre eigenen Geschichten und erzäh-
 einer Beziehung. Gerade auch in der Paarbera-         Matthias Koller Filliger: Nehmen wir die Ge-         len diese. Das ist es auch, was die Stärke dieses
 tung sind Liebesanfänge ein wichtiges Element.        schichte mit dem Velokurier. In dieser betreten      Projektes ausmacht: Die Geschichten sind oft so
 Wenn man beispielsweise in einer Krise der Fra-       zwei Frauen einen Velokurierladen, um ihre Ve-       alltäglich und gewöhnlich und doch zeigen sie ei-
 ge nachgeht, wie alles begonnen hat und warum         los zu pumpen. Sie bleiben den ganzen Nachmit-       nem sofort auf, was eine Beziehung ausmacht und
 sich das Paar einmal füreinander entschieden hat.     tag dort. Einer der Velokuriere und eine der Frau-   was deren Essenz ist. Eine meiner liebsten Ge-
 Madeleine Winterhalter-Häuptle: Fragt man Per-        en küssen sich noch am selben Abend. Heute sind      schichten ist «Die Bettflasche». Jeden Abend
 sonen nach ihren Liebesanfängen, erinnern sich        sie seit 22 Jahren verheiratet. Diese Geschichte     bringt Floras Partner ihr eine Bettflasche ins
 diese zunächst oft nicht an ein bestimmtes Ereig-     erzählte mir ein Arbeitskollege, als wir zusam-      Bett. Das wird zu einem gemeinsamen Ritual, das
 nis, sondern an viele verschiedene Bilder. Die ver-   men im Zug an eine Tagung fuhren. Weil paarge-       dabei hilft, die Enttäuschung zu überwinden,

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BEZIEHUNGEN

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                                                                                                             Partnerschaft einzulassen.
                                                                                                             Matthias Koller Filliger: Kirche und Pastoral be-
                                                                                                             treten «Heiligen Boden», wenn sie mit Paaren und
                                                                                                             Familien arbeiten: So heisst ein neuer Leitfaden
                                                                                                             für die Seelsorge, der nach der letzten Bischofs-
                                                                                                             synode von den Bistümern Basel und St. Gallen
                                                                                                             zur Ehe- und Familienpastoral herausgegeben
                                                                                                             wurde. Dieser betont, wie wichtig es ist, sich vor-
                                                                                                             behaltlos auf die heutzutage vielfältigen Paar-
                                                                                                             und Familienrealitäten einzulassen. Genau die-
                                                                                                             sem seelsorgerischen Ansatz entspricht auch das
                                                                                                             Projekt paargeschichten.ch.

                                                                                                             Von wegen vielfältigen P              ­ aar-
                                                                                                             und Familienrealitäten: Welche
                                                                                                             Rolle spielt der interkulturelle
                                                                                                             Aspekt? Was können wir etwa
                                                                                                             von binationalen Paaren oder
     Madeleine Winterhalter-Häuptle und Matthias Koller ­Filliger suchten nach einem                         von Paaren aus einer anderen
→

     Projekt, das sich weiterentwickeln lässt und wurde mit paargeschichten.ch fündig.                       Kultur lernen?
                                                                                                             Madeleine Winterhalter-Häuptle: Das Wichtigste
                                                                                                             ist wohl, zu verstehen, dass wir nicht in einer Bla-
                                                                                                             se leben. So wie wir und vielleicht unser Bekann-
dass Flora gerne früh und ihr Partner stets spät      lin. Durch ihn ist auch die Zusammenarbeit mit         tenkreis leben, das muss nicht zwangsläufig auch
ins Bett geht. Nur weil ich aber diese Geschichte     dem Kulturmagazin ERNST und dem Burgdorfer             für andere so stimmen. Das soll auch in den Paar-
mag, heisst das nicht, dass sie auch anderen ge-      Biografischen Institut entstanden.                     geschichten widergespiegelt werden. Gerade pla-
fallen muss und dass sie auf die Geschichte ge-       Madeleine Winterhalter-Häuptle: Gerade durch           nen wir eine Zusammenarbeit mit dem St. Galler
nauso positiv reagieren wie ich.                      diese Zusammenarbeit mit ausserkirchlichen             Verein Aida, der sich im Bereich Bildung und Be-
                                                      Partnern ist das Projekt unglaublich vielfältig        gegnung fremdsprachiger Frauen engagiert. Die
Wie geht man damit um, wenn                           und damit anschlussfähig für verschiedene Men-         Beziehungsgeschichten dieser Frauen werden in
jemandem eine Geschichte                              schen geworden. Die Redaktion vom Magazin              paargeschichten.ch aufgenommen und berei-
nicht gefällt, die einem selbst                       ERNST zum Beispiel machte ganz verschiedene            chern so das Projekt.
viel bedeutet?                                        Beiträge, auf die wir als kirchliche Arbeitsgrup-
Madeleine Winterhalter-Häuptle: Es ist gerade das     pe nicht gekommen wären, wie beispielsweise            →   www.paargeschichten.ch
Ziel von paargeschichten.ch nicht zu bewerten         eine Reportage mit einem Kellner, der über zwei-
oder zu interpretieren. Es ist zentral, Menschen      hundert Hochzeiten begleitet hat oder ein Ge-          Text: Nina Rudnicki
nach ihren Geschichten zu fragen und sie erzäh-       spräch mit einer Scheidungsanwältin. Erwähnen          Bilder: Ana Kontoulis
len zu lassen. Die Geschichten können verschie-       möchte ich auch die Reportage über eine Seelsor-
denes auslösen: Faszination und Befremden, Fra-       gerin im Trauercafé in Gossau, die dort mit den
gen und Wiedererkennen. Sie handeln von vielen        Paargeschichten gearbeitet hat und auf diese Wei-                     STETS NEUE
Höhepunkten, aber auch von schwierigen Mo-            se viele weitere berührende Erzählungen der Teil-
menten wie Trennung und Abschied. Diese Brei-         nehmenden über ihre Beziehungen zu hören be-
                                                                                                                          ­G ESCHICHTEN
te an Geschichten ist ein Schatz, der aufzeigt,       kam.
                                                                                                                 Das Projekt paargeschichten.ch wird von
dass Paarbeziehungen ganz unterschiedlich ab-
                                                                                                                 IG PEF-Pastoral Deutschschweiz verant-
laufen und gestaltet werden können.                   Stichwort Trauercafé: Ist das
                                                                                                                 wortet und von der Inländischen Mission
Matthias Koller Filliger: Und gerade deshalb ist es   ein Beispiel dafür, wie die
                                                                                                                 sowie den röm.-kath. Kantonalkirchen
ein Projekt, in dessen Mittelpunkt die Wertschät-     ­Paargeschichten in der Praxis
                                                                                                                 Aargau, Luzern, Deutschfreiburg und
zung steht. Etwa die Wertschätzung dessen, was         zum Einsatz kommen sollen?
                                                                                                                 Zürich und den Bistümern Sitten
die gemeinsame Geschichte eines Paares aus-            Madeleine Winterhalter-Häuptle: Genau. Mit den
                                                                                                                 ­(Oberwallis) und St. Gallen finanziert.
macht.                                                 Paargeschichten kann man in bestehenden Grup-
                                                                                                                  Die Webseite paargeschichten.ch wird
                                                       pen arbeiten, einen Anlass zum Thema Paarge-
                                                                                                                  fortlaufend mit neuen Geschichten
Die Geschichten können nicht                           schichten entwickeln oder diese als Türöffner in
                                                                                                                  ­erweitert. Die Fachstelle Partnerschaft-
nur auf paargeschichten.ch                             die Einzelseelsorge einfliessen lassen. Wie bereits
                                                                                                                   Ehe-Familie (PEF) des Bistums St. Gallen
­gelesen werden, sondern sind                          erwähnt, löst es bei allen Personen eigene Emo-
                                                                                                                   ist Mitglied bei der IG PEF und setzt das
 auch im Kulturmagazin Ernst                           tionen und Erinnerungen aus, wenn sie eine der
                                                                                                                   Projekt Paargeschichten im Bistum
 erschienen. Wie ist es zu dieser                      Paargeschichten hören. Wir betonen dabei im-
                                                                                                                   St. Gallen um.
 Zusammenarbeit gekommen?                              mer, wie wichtig es ist, nicht über andere Ge-
 Matthias Koller Filliger: Die Idee zum Projekt        schichten zu werten und zu urteilen. Nicht alle
                                                                                                                 →   Weitere Infos unter pef-sg.ch.
 Paargeschichten kam 2020 vom St. Galler Jour-         Geschichten sind eingängig oder romantisch. Es
 nalisten und dramaturgischen Berater Mark Rik-        gibt Geschichten, die von Dreiecksbeziehungen

6            P FA R R E I F O RUM
Unsere Paargeschichte - Pfarrei Forum
AKTUELL

Mit der Gratis-App «Resilyou»
die eigene Resilienz stärken
Um Zufriedenheit und Resilienz zu fördern, hat die Evang.-ref. Kirche des Kantons St. Gallen
eine Gratis-App entwickelt: «Resilyou». Sie hilft zu reflektieren, was einem Freude bereitet
und wofür man dankbar ist. Die App entstand in einem «Design Thinking»-Kurs an der HSG.

                                                   positiven Mustern aufbauen. Doch das geht nicht      Nutzer können dieses Gefühl nur schwer be-
                                                   von heute auf morgen. Wir fangen langsam mit         schreiben: Es ist etwas Magisches, was da pas-
                                                   einem Trampelpfad an, dieser wird zu einer Land-     siert. Wir haben mit «Resilyou» auch das Ziel,
                                                   strasse und idealerweise durch tägliches Training    Freundschaften zu vertiefen, denn diese sind das
                                                   wird daraus am Ende eine positive Autobahn.          Allerwichtigste für eine starke Resilienz und na-
                                                                                                        türlich auch, wie Studien zeigen, für ein erfülltes
                                                   Wie funktioniert die App?                            Leben.
                                                   Kocholl: Die App ist eine Art digitales Tagebuch.
                                                   Ich schreibe dort jeden Tag eine kurze Reflexion     Von der HSG-Welt in die
                                                   auf. Zum Beispiel drei Punkte, für die ich dank-     ­Kirchen-Bubble: War das ein
                                                   bar bin. Später, in einer Krise, kann ich mir die     Kulturschock?
                                                   Liste dann anschauen. Und meistens geht’s mir         Kocholl: Schon etwas. Ich bin überhaupt nicht
                                                   dann schon besser, weil ich viel Positives verges-    kirchlich erzogen, stand Religion und Kirche aber
                                                   sen habe. Zum anderen kann ich Zwischenstopps         schon immer eher positiv gegenüber. Anfangs
                                                   einlegen, zum Beispiel nach 20 Tagen, und die         wurde ich wegen des eher verstaubten Images
                                                   Einträge auf Muster prüfen. Wenn ich zum Bei-         der Kirche sehr positiv überrascht. Teilweise ha-
                                                   spiel viel Dankbares im Beruf empfinde, aber we-      ben mich die Reformierten sehr inspiriert in die-
                                                   nig in Freundschaften und in der Familie, merke       ser für mich recht neuen Welt. Die Zusammenar-
                                                   ich: Vielleicht sollte ich an meinem Privatleben      beit war von einer sehr wertschätzenden Kultur
                                                   etwas ändern. Besonders stolz bin ich auf die         geprägt. Das ist in der Wirtschaft nicht immer
                                                   Funktion, dass wir die Tagebuch-Einträge mit ei-      so. Beim Tempo hingegen dürften die Kirchen
                                                   ner anderen Person teilen können.                     gerne einen Zahn zulegen (lacht).

                                                   Was habe ich davon?
    Die App, eine Art digitales Tagebuch,          Kocholl: Zum einen üben Sie Ihre Resilienz kon-         * Meike Kocholl (27) hat an der Universi-
→

    regt zum Nachdenken über Fragen wie            sequenter, wenn Sie mit einer Freundin oder ei-            tät St. Gallen (HSG) einen Master in
    «Wofür bin ich dankbar?» an.
    Download: www.resilyou.com                     nem Freund eine Abmachung treffen. Wenn Sie                «Business Innovation» abgeschlossen.
                                                   eine Push-Nachricht erhalten und erfahren, wo-
                                                   für Ihre Partnerin oder Ihr Partner dankbar ist,
Was bietet Ihre App                                dann motiviert das, selbst dranzubleiben. Zum        Text: Raphael Rauch / kath.ch
­«Resilyou»?                                       anderen kann Sie die Person auf neue Gedanken        Bild: zVg.
 Meike Kocholl*: Mit «Resilyou» können Sie in      bringen. Und aus der Psychologie wissen wir,
 fünf Minuten pro Tag Ihre mentale Stärke trai-    dass Teamwork zusammenschweisst. Es tut psy-
 nieren. Die App fragt zum Beispiel: «Wofür bist   chisch gut, mit jemandem zusammen ein Projekt
 du heute dankbar? Auf was bist du heute stolz?    zu stemmen. Wichtig ist, dass es keine fremde
 Wer hat dich heute inspiriert – und warum?»       Person ist, sondern eine, die ich kenne und die
 Wenn man das regelmässig macht, stärkt das die    mich so annimmt, wie ich bin.
 eigene Resilienz.
                                                   Warum ist das wichtig?
Warum ist das so?                                  ­Vielleicht wäre ich zu einer
Kocholl: Dafür gibt es mehrere wissenschaftlich     fremden Person ehrlicher?
belegte Gründe. Einerseits greift zum Beispiel,     Kocholl: Vielleicht. Es ist womöglich auch erst-
was wir im Fachjargon Neuroplastizität nennen.      mal einfacher, zu einer fremden Person offen zu
Das ist die Eigenschaft des Gehirns, durch Trai-    sein. Als Menschen haben wir aber eine Sehn-
ning veränderbar zu sein. Im Hirn gibt es ganz      sucht in uns, so erkannt zu werden, wie wir wirk-
viele Verbindungen zwischen verschiedenen Ner-      lich sind – und trotzdem noch vom Gegenüber
venzellen. Vergleichen kann man diese mit Auto-     angenommen zu werden. Genau dieses Gefühl
bahnen, die oft automatisiert ablaufen. Manch-      bekommt man, wenn man das Tagebuch mit ei-
mal sind unsere Autobahnen aber negative            nem guten Freund teilt oder mit einer Partnerin                  Meike Kocholl
Muster. Deswegen müssen wir Autobahnen mit          oder mit Geschwistern. Die Nutzerinnen und                   Master in «Business Innovation»

                                                                                                                                                         7
Unsere Paargeschichte - Pfarrei Forum
AKTUELL

«Er war und blieb Professor»
Was bleibt von Papst Benedikt XVI.? Die Nachrufe, die nach seinem Tod erschienen sind,
­betonen seine theologische Strahlkraft, aber auch sein mangelndes Fingerspitzengefühl und
 die mangelhafte Aufarbeitung der Missbrauchsfälle.

Verständnis für die Situation in
der Schweiz
«Joseph Ratzinger war natürlich schon während
meines Studiums präsent durch seine Lehre. Das
erste Mal bewusst getroffen – also nicht im Rah-
men einer grösseren Veranstaltung – habe ich ihn
dann in Castel Gandolfo, als er mich zum Bischof
ernannte», so der St. Galler Bischof Markus Büchel
gegenüber kath.ch. Der St.Galler Bischof erinnert
sich an eine Privataudienz: «Das ist eine sehr schö-
ne Erinnerung. Ich habe nicht in Rom studiert und
mir war es ein wichtiges Anliegen, ihm zu sagen,
dass ich dennoch mit Rom eng verbunden bin. Es
war ein sehr gutes und offenes Gespräch. Ich habe
ihm viel von der Praxis hier erzählt und er zeig-
te viel Verständnis für unsere Situation in der
Schweiz. (...) Er war natürlich als Papst ein ande-
rer als zuvor als Professor. Sein Pontifikat begann
auch in einer schwierigen Zeit, in der die Ge-
schichte mit der Pius-Bruderschaft gerade hoch-
kochte. Ich weiss, dass Papst Benedikt XVI. sehr
unter dieser Spaltung gelitten hat. Er war stets
um die Einheit der Kirche bemüht – und das habe
ich sehr befürwortet. Aber er hat auch zum Woh-
le der Gemeinschaft Konzessionen gemacht, die
nicht für alle verständlich waren. Er suchte die
Einheit und hat damit auch Fortschritt verhin-
dert. Seine Entscheidungen hat Papst Benedikt
XVI. sicherlich mit grosser Sorge getroffen, aber
wir hätten uns vieles anders vorstellen können.»

 Rücktritt als wichtigstes
­Vermächtnis
                                                                         Joseph Ratzinger war von seiner Wahl am 19. April 2005 bis zu seinem Amtsverzicht
                                                                   →

 «Abgesehen von einigen theologischen Schriften,                         am 28. Februar 2013 Papst und damit der 265. Bischof von Rom.
 die man auch nach seinem Tod noch lesen wird,
 ist wohl das wichtigste Vermächtnis von Papst
 Benedikt XVI. die Tatsache seines Rücktritts»,
 wird Eva-Maria Faber, Professorin an der Theo-         ben konstitutiv ist: die je neue Forschung, die    gängers. «Der auferstandene und gekreuzigte Je-
 logischen Hochschule Chur, in einem Interview          Überprüfung blinder Flecken, die wissenschaft-     sus war das Ziel, zu dem uns Papst Benedikt führ-
 auf bluewin.ch zitiert. Mit diesem innovativen         liche Neugier auf das bisher noch nicht Wahrge-    te, indem er uns an die Hand nahm. Möge er uns
 Schritt habe er den Weg gebahnt, «lange Zeiten         nommene. Dass die Geschichte und das mensch-       helfen, in Christus die Freude des Glaubens und
 der Überforderung oder gar der Amtsunfähigkeit         liche Leben sich den Ideen nicht einfach fügen,    die Hoffnung des Lebens wiederzuentdecken.»
 von Päpsten zu vermeiden». Offen blieben «wei-         wurde in manchen Hinsichten eher geglättet und
 terhin Fragen zum Status und zum Auftreten ei-         ausgeblendet.» Das habe auch Wunden und Op-        Stolperstein in den Weg gelegt
 nes emeritierten Papstes. In seinen Jesusbüchern       fer hinterlassen.                                  «Ein kluger und erfahrener Hirte», nannte der
 stellte er Jesus in erster Linie als ‹Lehrer› dar –                                                       Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
 der heilende, in menschliche Gemeinschaft ein-         Feinfühliges Denken                                Georg Bätzing, den verstorbenen Benedikt XVI.
 tauchende Jesus tritt dahinter zurück.» So ähn-        «Grosser Lehrmeister der Glaubensunterwei-         bei einer Medienkonferenz. Doch Benedikt habe
 lich ist es laut Eva-Maria Faber vielleicht auch mit   sung», würdigte Papst Franziskus seinen verstor-   während seiner Amtszeit «auch manchen Stolper-
 Papst Benedikt. «Er war und blieb Professor, im        benen Vorgänger Benedikt XVI. «Sein scharfes       stein in den Weg gelegt (...) Nicht immer haben
 Sinne eines Lehrers.» Er habe sich auf manche          und feinfühliges Denken war nicht selbstbezogen,   wir, seine Landsleute, uns leicht mit ihm getan.»
 Disputationen eingelassen. «In anderen Hinsich-        sondern kirchlich, weil er uns immer zur Begeg-
 ten – das ist bei aller Pietät zu ergänzen – fehlte    nung mit Jesus führen wollte», so Franziskus bei   Auswahl: Stephan Sigg
 dieser ‹Professur› das, was für akademisches Le-       einer Generalaudienz nach dem Tod seines Vor-      Bild: Mark Bray / wikimedia

8             P FA R R E I F O RUM
Unsere Paargeschichte - Pfarrei Forum
AKTUELL

Eine familiäre Hochschule
Der St. Galler Lukas Gemeinder (27) arbeitete bisher im Kaufmännischen Bereich und s­uchte
­einen Beruf, der ihn mehr erfüllt. Jetzt studiert er an der Theologischen Hochschule Chur.
 Wie er haben viele der Studierenden vor dem Theologiestudium in anderen Berufen gearbeitet.

Helena Hofstetter-Bischof,          →
­Simon Sigg und Lukas
 ­Gemeinder (v. links) aus dem
  ­Bistum St. Gallen – hier in
   ­einem der Vorlesungsräume
    der Hochschule – studieren in
    Chur Theologie.

«I
            ch engagiere mich schon seit längerem      eine Zukunft hat.» Ihn motiviere die Arbeit mit       sind.» Etwa fünfzig bis sechzig Personen studie-
            freiwillig in der Kirche», erzählt Lukas   Jugendlichen. «Ich spüre eine Offenheit gegen-        ren an der Theologischen Hochschule Chur. Die-
            Gemeinder (27) aus St. Gallen, «dabei      über Religion und auch ein Bedürfnis nach Spiri-      se Zahl sei seit Jahren stabil. «Heute beginnen
habe ich immer mehr gespürt, dass mich diese           tualität. Ich bin überzeugt von der frohen Bot-       die wenigsten direkt nach der Matura mit dem
Arbeit mehr erfüllt als meine berufliche Tätigkeit     schaft der Kirche und möchte diese weitertragen.»     Theologiestudium. Die meisten haben schon eine
im Kaufmännischen. Zudem habe ich in den letz-         Mit Anfang 30 verspürte er die Motivation, sich       Berufsausbildung absolviert und zum Teil auch
ten Jahren wieder stärker zum Glauben zurück-          persönlich vermehrt mit existenziellen und phi-       mehrere Jahre im Beruf gearbeitet.» Viele der
gefunden und mich schliesslich für das Theolo-         losophischen Fragen auseinanderzusetzen und           Studierenden kommen laut René Schaberger aus
giestudium entschieden mit dem kirchlichen             den Glauben zu hinterfragen und zu begründen.         den Kantonen Graubünden, St. Gallen und Zü-
Dienst als Ziel.» Das Studium gefalle ihm: «Die        «Ich arbeite schon seit einigen Jahren in der Pfar-   rich. Es gebe auch vereinzelte Gasthörer im Ren-
unterschiedlichen Fächer wie etwa Musik, Litur-        reiseelsorge und wollte mein Wissen erweitern         tenalter, die die eine oder andere Vorlesung be-
gie-Wissenschaft, Kirchengeschichte und Spra-          und vertiefen.» Für Chur hat er sich entschieden,     suchen.
chen machen das Studium sehr spannend und              weil die Hochschule dort klein und familiär sei.
vielseitig. Dank des breiten Spektrums kann man        «Man kennt sich persönlich, isst und diskutiert       Text: Katja Hongler
persönliche Stärken und Schwächen in einzelnen         zusammen am Mittagstisch. Ich habe bereits Re-        Bild: zVg.
Fächern gut kompensieren. Auch wenn es manch-          ligionspädagogik studiert und zwar in Luzern.
mal sehr theoretisch ist, wird immer auch ein          Ich wollte noch eine andere Hochschule kennen
praktischer Bezug hergestellt.»                        lernen und entschied mich auch deshalb für                       ONLINE-­
                                                       Chur.»
Umfeld reagiert erstaunt
                                                                                                                 INFOVERANSTALTUNGEN
Einer der Studierenden aus dem Bistum St. Gal-         50 bis 60 Studierende
                                                                                                                Interessierte erhalten bei den Online-­
len ist auch Simon Sigg (32), Religionspädagoge        «Das grosse Plus der Theologischen Hochschule
                                                                                                                Informationsveranstaltungen am 13. und
und Jugendseelsorger in Gossau. Er absolviert ein      Chur ist die Nähe von Hochschule und Seminar»,
                                                                                                                21. Februar, jeweils 19.30 Uhr, kompakt
berufsbegleitendes Studium im bischöflichen            hält René Schaberger, Rektoratsassistent an der
                                                                                                                die wichtigsten Informationen zum
Studienprogramm. «Mein Umfeld reagiert                 Hochschule, fest. «Es wird nicht nur Theologie
                                                                                                                ­Studium der Theologie an der TH Chur
manchmal ein bisschen erstaunt, dass ich als jun-      gelehrt, sondern wir ermöglichen den Studieren-
                                                                                                                 sowie einen Einblick in die Institution.
ger Mensch Theologie studiere und ich spüre            den auch eine ganzheitliche Persönlichkeitsbil-
                                                                                                                 Es werden auch Fragen beantwortet.
auch eine gewisse Spannung in Bezug auf die Kir-       dung.» Auch bezeichnet René Schaberger die gute
che», sagt er. «Auch wenn mich die Skandale oder       Betreuung der Studierenden als einen Mehrwert.
                                                                                                                →   Anmeldung: www.thchur.ch/info
die vielen Kirchenaustritte traurig und nach-          «Wir können auch individuelle Studienprogram-
denklich stimmen, denke ich, dass die Kirche           me anbieten für Studierende, die berufstätig

                                                                                                                                                            9
Unsere Paargeschichte - Pfarrei Forum
AKTUELL

Eine neue Zukunft für unsere
Enkelkinder gestalten
Was würde sich verändern, wenn all die in unserer Gesellschaft geleistete unbezahlte
Care-Arbeit fortan entlöhnt würde? Diesen und weiteren Fragen geht die Toggenburger
­Theologin Ina Praetorius in ihrem neuen Buch nach.

                                                                                                                                       →    Ina Praetorius
                                                                                                                                            setzt sich für eine
                                                                                                                                            Wirtschaft ein, in
                                                                                                                                            deren Mittelpunkt
                                                                                                                                            die Fürsorge statt
                                                                                                                                            der Profit steht.

«Es liegt in der Natur der Frauen, für andere zu      interessiert sind, dass sich möglichst nichts än-     schaft und eine Politik, die nicht den Profit we-
sorgen und sie zu pflegen. Sie machen das gerne       dert.» Bessere Löhne für Pflegeberufe sowie wirt-     niger Menschen, sondern das Wohlergehen aller
und daher brauchen sie nicht mehr Lohn»: Mit          schaftliche Wertschätzung und beispielsweise          in die Mitte stelle. Entsprechend ist das Buch in
diesem und vielen weiteren Mythen möchte die          Entlöhnung der unbezahlten Care-Arbeit, die An-       die vier Teile «Altlasten entsorgen», «Unterwegs
Toggenburger Theologin Ina Prae-                                                                                          im postpatriarchalen Durcheinan-
torius mit ihrem neuen Buch «Um-                                                                                          der», «Anders sehen, anders spre-
Care» aufräumen. Zusammen mit
                                        «Es braucht eine Wirtschaft                                                       chen» und «Handeln für eine gute
der deutschen Ökonomieprofes-           und Politik, die das Wohl­                                                        Zukunft» unterteilt. Die Autorinnen
sorin Uta Meier-Gräwe hat Ina Prae-                                                                                       begeben sich beispielsweise auf die
torius im Buch 61 Textbausteine zu-
                                        ergehen aller Menschen in                                                         Spurensuche nach «Bullshit-Jobs» –
sammengestellt, die zum kritischen      die Mitte stellen.»                                                               also Jobs, die zwar gut bezahlt, aber
Denken anregen und zum eigensin-                                                                                          von den Menschen, die sie ausüben,
nigen Handeln einladen sollen. Die Texte können       gehörige – meist Frauen – für Familienmitglieder      als überflüssig empfunden werden. Sie gehen der
einzeln für sich oder in beliebiger Reihenfolge ge-   leisten: Das hätte laut Ina Praetorius massive Ver-   Frage nach, wie es sein kann, dass manche gut-
lesen werden.                                         schiebungen zur Folge, die die Prioritäten in un-     verdienenden Eltern es befürworten, dass Kita-
                                                      serer Gesellschaft verändern würden. «Und das         Betreuerinnen wenig verdienen. Und sie be-
Prioritäten in der Gesellschaft                       macht gerade den Befürwortern der gängigen pa-        schreiben, welches Verständnis von Wirtschaft
Das Buch greift mit dem Krieg in der Ukraine, der     triarchal geprägten Ökonomie Angst.»                  sie sich für ihre Enkelkinder wünschen.
Krise in der Pflege und der Coronapandemie auch
aktuelle Themen auf, die in den letzten Jahren in     «Bullshit-Jobs» aufspüren                             Kolumnen in Handelszeitung
der öffentlichen Wahrnehmung stark präsent wa-        Ina Praetorius bezeichnet sich selbst als postpa-     Den Anstoss, dieses Buch zu schreiben, kam vom
ren oder sind. Corona habe etwa gezeigt, dass es      triarchale Denkerin. Als solche setzt sie sich etwa   Patmos-Verlag. Dieser war auf die Kolumnen von
bessere Arbeitsbedingungen und Löhne braucht,         mit ihren Büchern oder dem Verein «Wirtschaft         Ina Praetorius und Uta Meier-Gräwe aufmerksam
um dem Personalmangel in den Pflegeberufen ent-       ist Care» für eine Fürsorge-zentrierte Wirtschaft     geworden, die die beiden regelmässig für die
gegenzuwirken. «Den Menschen ist das zwar be-         ein. In ihrem neuen Buch schreibt sie dazu: Ziel      deutsche Tageszeitung Handelsblatt schrieben.
wusst und die Pflegeinitiative befindet sich in der   müsse es sein, sich aus dem postpatriarchalen         Die Kolumnen beleuchteten laut der Bucheinlei-
Umsetzungsphase», sagt Ina Praetorius. «Aber es       Durcheinander in eine lebensfreundlich organi-        tung «die Zusammenhänge zwischen den an den
gibt starke Gegenkräfte im Parlament, die daran       sierte Zukunft zu bewegen. Es brauche eine Wirt-      Rand gedrängten Bereichen der Wirtschaft und

10           P FA R R E I F O RUM
LESERFRAGE

                                                       Warum braucht
                                                       es den kirchlichen
                                                       Sozialdienst?
                                  Ina Praetorius,
                                  Uta Meier-Gräwe:
                                  Um-Care.
                                  Wie Sorgearbeit
                                  die Wirtschaft
                                 ­revolutioniert.
                             →    Patmos-Verlag.
                                  160 S.

den vermeintlich höheren Sphären aus Geld, Ge-         Sabine F. betritt das Büro des kirchlichen Sozialdienstes
winn und Geopolitik». Die Autorinnen erweiter-         (KSD) der Seelsorgeeinheit Werdenberg. Ihr Mann ist kürz-
ten für das Buch ihre Kolumnen und ordneten sie        lich an Krebs gestorben, nachdem die 53-Jährige ihn drei
thematisch.                                            Jahre gepflegt hatte.

Globale Bewegung                                       Das Paar lebte von seinem Einkommen, zuletzt von Krankentaggeldern und Ersparnissen.
«Unser Buch ist ein Element einer schnell und glo-     Zeit für Freundschaften gab es kaum und die familiären Kontakte waren spannungs­geladen.
bal wachsenden Bewegung», sagt Ina Praetorius          Nun ist sie mit der Administration überfordert, aktuell hat sie wenig Geld, sein Konto ist
und nennt als Beispiele das Buch «Die Erschöp-         gesperrt. Sabine F. sehnt sich nach Ruhe, Trost und Sicherheit. Der Seelsorger überweist
fung der Frauen» der Geschlechterforscherin            sie an den KSD.
Franziska Schutzbach oder die Bücher zum The-
ma Care-Arbeit und einer neuen Zeitkultur der          Zusatzeinkommen nötig
deutschen Journalistin Teresa Bücker. Ende Feb-        Hier verschaffen wir uns gemeinsam einen Überblick. Wir klären Fragen bezüglich des
ruar wird zudem der Sammelband «Wirtschaft             Nachlassinventars und der Witwenrente, erhalten vom Pfarramt finanzielle Hilfe, um eine
neu ausrichten» erscheinen, an dem Ina Praetori-       Miete zu bezahlen und erstellen Budgets für verschiedene Zukunftsszenarien. Daraus wird
us mitgewirkt hat. In dem Band werden Beweg-           ersichtlich, dass Sabine F. ein Zusatzeinkommen benötigen wird. Immer wieder nehmen
gründe und Perspektiven care-politischer Initia-       wir uns Zeit für die widersprüchliche Gefühlswelt von Sabine F., für ihre biographischen
tiven vorgestellt, die seit der Covid-19-Pandemie      Rückblicke und Zukunftsfragen. Nach einigen Monaten sind die Finanzen gesichert. Sabi-
an Bedeutung gewinnen. Gemeinsam ist den 25            ne F. besucht regelmässig einen Trauertreff und kann sich bei Bewerbungsgesprächen vor-
Initiativen in Deutschland, Österreich und der         stellen. Sie fühlt sich nun sicherer und ist zuversichtlich, den weiteren Weg selbstständig
Schweiz, dass sie sich mit vielseitigen Aktionsfor-    zu bewältigen.
maten dafür einsetzen, Care-Arbeit sichtbarer zu
machen und zu einer gesellschaftlichen und wirt-       Scham und Angst
schaftlichen Anerkennung zu verhelfen. Im Juni         Wenn sich Menschen mit persönlichen, familiären oder finanziellen Problemen an die Kir-
ist zudem eine Tagung in Bayern geplant, an der        che wenden, braucht es sowohl seelsorgerliche Begleitung und finanzielle Unterstützung
sich die unterschiedlich gelagerten Initiativen als    als auch sozialarbeiterisches Fachwissen. Denn obwohl unser Sozialsystem grundsätzlich
einheitliche Bewegung neu verstehen können. Ina        gut ist, fallen Menschen durch die Maschen. Und nicht wenigen fällt es schwer, sich im So-
Praetorius spricht von einer «grossen Transfor-        zialsystem zurechtzufinden. Auf welche Leistungen habe ich Anspruch? An wen kann ich
mation», deren Ziel das Wohlbefinden aller statt       mich wenden? Hinzu kommen Scham und Angst vor Behörden. Für manche Klienten und
der Profit einzelner sei. Das Buch richtet sich der-   Klientinnen ist es darum einfacher, mit einem KSD Kontakt aufzunehmen. Hier ist es mög-
weil an all jene, die wegen Doppelbelastungen im       lich, flexibel und schnell zu reagieren sowie genügend Zeit zu haben für umfassende Be-
Alltag wenig Zeit zum Lesen haben, sich aber auf       ratungen. Dank lösungsorientierter Zusammenarbeit ist ein KSD oft ein Brückenbauer zu
kurze Denkanstösse einlassen möchten.                  den staatlichen Stellen.

Text: Nina Rudnicki                                    Vor allem für Working Poor
Bilder: pixabay.com / zVg.                             Mit der Gründung eines KSD verankert die Seelsorgeeinheit ihr soziales Engagement auch
                                                       strukturell. Dabei muss sie strategische Entscheidungen fällen: Welche Bedürfnisse beste-
                                                       hen vor Ort, welche Angebote gibt es bereits und welche Leistungen und Projekte soll der
                                                       KSD erbringen. In der Region Werdenberg erhalten vor allem Working Poor (d. h. Men-
                                                       schen, deren Lohn kaum zum Leben reicht) finanzielle Unterstützung. Zudem hat der kirch-
                                                       liche Sozialdienst Werdenberg etwa eine Lebensmittelabgabestelle eröffnet, eine Diako-
                                                       niewoche organisiert sowie Computerkurse für Menschen mit kleinem Budget angeboten.
                                                       Dies wurde nur möglich dank einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Pastoralteam,
                                                       den Sozialfachstellen vor Ort und vielen Freiwilligen.

                                                       Snjezana Gajski
                                                       Sozialarbeiterin, KSD Werdenberg, Caritas St. Gallen-Appenzell

             Ina Praetorius                            Leserfragen an info@pfarreiforum.ch

                                                                                                                                               11
Besuch
beim Papst
                                                                                          Grosse Ehre fü
                                                                                      vier Sternsing      r
                                                                                                     erinnen
                                                                                        von Lütisburg
                                                                                     Sie durften die SG:
                                                                                                     Schweiz
                                                                                    am Neujahrsg
                                                                                                  ottes
                                                                                      mit Papst Fran dienst
Der Papst, Petersdom, Vatikan und die Sternsingerinnen
Sarina, Christina, Madlen und Leona aus Lütisburg SG mitten                                          zisk
drin! Sie vertraten die Schweizer Sternsinger beim Papst im                            in Rom vertre us
Vatikan. Sie trafen auf andere Sternsinger­gruppen aus                                               ten.
Europa, besuchten die Schweizergarde, Missionswerke und
die Schweizer Botschaft. Als Höhepunkt sassen sie beim
Gottesdienst mit Papst Franziskus in der vordersten Reihe.

                                                                                                                                      nswerk
                                                                                                                            © Romano Siciliani, Kindermissio
                                 dlen (v. l. n. r.)   Sternsinger- Gruppen aus Deutsc
Christina, Sarina , Leona und Ma                      und Schweiz (in der Mitte) feie
                                                                                      hland, Ungarn , Slowakei, S
                                                                                                                ­ üdtirol
                               nst in der ersten
sassen beim ­Neujahrsgottesdie                        Papst Franziskus.
                                                                                     rten den N
                                                                                              ­ eujahrsgottesdienst mit
Reihe.

                                           Christina erzählt: «Es war sehr eindrücklich, wie gross der Petersdom
                                           ist und wir konnten ganz nahe beim Papst sein.» Auch Leona wird die
                                           Neujahrsmesse noch lange in Erinnerung bleiben: «Es war superschön,
                                           den Papst aus der Nähe zu erleben.» Sie war erstaunt über die
Auflösung Quiz                             Unterschiede zwischen einem Gottesdienst in Lütisburg und der
Lösungen aus der letzten                   Neujahrsmesse mit dem Papst im Vatikan. Sarina freute sich,
Ausgabe 1/2023                             dass es mit dem Treffen von Kardinal Koch trotz des Todesfalles des
                                           emeritierten Papstes Benedikt XVI. doch noch geklappt hat:
1N, 2E, 3U, 4J, 5A, 6H, 7R                 «Ich habe gemerkt, dass Kardinal Koch aus einem tiefen Glauben
                                                                                                                                            Text: Katja Hongler; Bilder: zVg.

Lösungswort: NEUJAHR                       heraus lebt. Er hat das Sternsingen sehr schön erklärt.» Für Leona
                                           war alles gut: «An diesen Tagen war für mich das Sternsingen cool und
Das Pfarreiforum gratuliert
der Gewinnerin Mailin
                                           die Stadt Rom zu erleben.» Madlen hatte noch einen Wunsch:
­Smolarz ganz herzlich!                    «Rom hat mir so gut gefallen. Ich möchte eigentlich noch länger
                                           bleiben.»
NACHRICHTEN

            Video lässt in Domsingschule blicken
            St. Gallen. Ob Singlager, Probewochenende oder Konzertreisen: Ein neuer Film gibt Einblick hinter
            die Kulissen der Domsingschule der Diözesanen Kirchenmusikschule St. Gallen und zeigt in verschie-
            denen Szenen, mit welcher Begeisterung die jungen Menschen mitmachen. Die Domsingschule be-
            steht aus drei Chorgruppen: Vorchor – Kinderchor – Jugendchor. Vor den Auftritten seien sie immer
            mega nervös, aber bereits nach den ersten Tönen sei die Nervosität jeweils verflogen, heisst es im
            Clip, der die Zuschauerinnen und Zuschauer mitnimmt in den Alltag der Domsingschule. Gepflegt
            wird ein breites Repertoire an weltlichen Liedern von Pop und Jazz bis hin zu Filmmusik und Volks-
            liedern. (red./nar)
            →   www.kirchenmusik-sg.ch/domsingschule/ton-und-bild

                                                           BISTUM
                                                          ST. GALLEN
                                                                           St.Gallen
                                                                                  Walzenhausen
                                                                               Teufen
                                                       Libingen

                                                                                                      Als Hellebardier im
Geborgen fühlen in                                                                                    Einsatz
der Gemeinde                                                                                          Walzenhausen. Claude Frei aus Walzenhausen ist
                                                                                                      seit zweieinhalb Jahren Schweizergardist. Als
Libingen. In Libingen bei Mosnang hat es in den ver-                                                  solcher durfte er die Beerdigung des ehemaligen
gangenen zehn Jahren keinen einzigen Austritt ge-                                                     Papstes Benedikt XVI. im Januar als Hellebardier
geben. Thomas Franck, Verwaltungsdirektor des Ka-                                                     begleiten. Insgesamt waren bei der Beerdigung
tholischen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen,                                                   30 bis 40 Gardisten im Einsatz. «Es war wirklich
bestätigt gegenüber dem Tagblatt: «Den letzten Aus-                                                   eine ganz spezielle Situation und Atmosphäre»,
tritt in Libingen gab es 2007.» Auch wenn die Kirch-                                                  sagt Claude Frei gegenüber dem St. Galler Tag-
gemeinde mit heute rund 230 Mitgliedern zu den                                                        blatt. Besonders für jene Schweizergardisten, die
kleinsten des Kantons gehört, wären statistisch ei-                                                   Papst Benedikt XVI. noch persönlich gedient hät-
nige Austritte zu erwarten gewesen. Über die Grün-                                                    ten. Frei erinnert sich gerne an ein Erlebnis mit
de, weshalb es nicht dazu kam, kann Thomas Franck                                                     dem ehemaligen Papst. Jedes Jahr am 6. Dezem-
allerdings nur mutmassen. So spiele wohl die Tatsa-                                                   ber besuchen die Gardisten ihren Vorgesetzten
che, dass es eine ländliche und weitläufige Region                                                    als Samichlaus und Schmutzli. Zusammen mit ei-
sei, eine Rolle. «In solchen Gemeinden kennt man                                                      nem anderen Gardisten durfte der Appenzeller,
sich noch.» Während die städtisch geprägten Regi-                                                     verkleidet als Schmutzli, dem Papst einen Besuch
onen einen grösseren Rückgang verzeichnen, sind                                                       abstatten. Durch seine deutsche Herkunft kann-
die Austrittsquoten im Ländlichen grundsätzlich tie-                                                  te dieser die Tradition und mochte sie auch sehr
fer. Der Verwaltungsdirektor schlussfolgert: «Offen-                                                  gerne. Der Walzenhauser hat sich durch seinen
bar gibt es ein Gemeindeleben, in dem man sich ge-                                                    Bruder und den Ministrantendienst zu seiner Be-
borgen und gut aufgehoben fühlt.» (red./nar)                                                          rufswahl inspirieren lassen. (red./nar)

                                           Pfarreileben durch den Krieg verändert
                                                Teufen. Anfang März im vergangenen Jahr kamen im Rahmen einer privat organisierten
                                                 humanitären Aktion 120 Geflüchtete aus der Ukraine nach Teufen. Im Interview mit
                                                   kath.ch berichtet Diakon Stefan Staub nun, wie sich das Pfarreileben dadurch verändert
                                                   hat. Mittlerweile leben laut Staub nur noch 64 Geflüchtete in Teufen und Umgebung,
                                                   weil die anderen in ihre weniger gefährliche, westukrainische Heimat zurückgekehrt
                                                   sind. «Alle sind anfangs privat untergekommen», beschreibt Staub die grosse Hilfsbe-
                                                  reitschaft. Inzwischen konnten so manche Ukrainerinnen und Ukrainer in Sozialwoh-
                                                 nungen einziehen, weil sie arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen. «In Fabriken, im Spi-
                                               tal, im Service, als Automechaniker», sagt er. Einige seien dem FC Teufen beigetreten,
                                             andere Jugendliche in der Pfadi oder in der Jubla untergekommen. (kath.ch/nar)

Bilder: Domsingschule, Teufen, Schweizergarde: zVg.; Libingen: wikimedia.org                                                                        13
MEDIENTIPPS & AGENDA

Tipp
                                                         Klezmer-Band «Cheibe Balagan»
                                                         Bekannt aus dem Kinohit «Wolkenbruch» sorgt die
                                                         Zürcher Klezmer-Band mit unglaublicher ­Virtuo­sität
                                                         für Hochstimmung und volle Säle, wo immer sie
                                                         ­aufspielen. «Cheibe Balagan» entstand aus ­einer
                                                          ­grossen Begeisterung für Klezmer, einer jüdischen
                                                           Musik­richtung aus Osteuropa. Ein besonderes
                                                           ­Augenmerk von «Cheibe Balagan» liegt auf dem Spiel
                                                            mit der jid­dischen Sprache, die für Schweizerdeutsch-
                                                            Sprechende sonderbar vertraut klingt und der Musik
                                                            Nähe und Sympathie verleiht.

                                                         3. Februar 2023, Fabriggli Buchs, 20.00 Uhr

Fernsehen                                                                       Radio
                 Der Lauf der Dinge                                             Die Kunst zu trösten
                 Wim Studer weiss: Das letzte Hemd hat keine Taschen.           Wenn die Kinderknie aufgeschlagen sind, der erste Liebes-
                 Der frühere Banker und verwitwete 16-fache Grossvater          kummer drückt, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist
                 will sich nach und nach von seinen Besitztümern trennen:       oder ein Plan sich zerschlägt: immer brauchen Menschen
                 «Wenn Du ein Ding versorgst und es die nächsten ein, zwei      Trost. Nichts kann dabei schnell hingesagt werden. Trösten
                 Jahre nicht mehr brauchst, so brauchst du es gar nie mehr      braucht Aufmerksamkeit, liebevolles Zuhören, manchmal
                 und kannst es ruhig weggeben.» Diese Dok-Sendung ist           langes Schweigen und viel Geduld. Sätze wie «Stell’ Dich
                 ­Folge 2 der SRF-Reihe «Der Lauf der Dinge».                   nicht so an!» oder «Das wird schon wieder!» haben da
                 →   Samstag, 4. Februar, SRF2, 19.20 Uhr                       ­keinen Platz. Es geht vielmehr darum, sich als Tröstende der
                                                                                 Trauer auszusetzen und ganz allmählich mit dem leidenden
                 Mensch Papa!                                                    Menschen in neue Hoffnung hinein zu wachsen. In der
                 Was macht das Vaterwerden mit Männern? Wissenschaftler          ­Sendung erzählen Menschen, die getröstet wurden und die
                 untersuchen, wie sich Männer psychisch und physisch              Trost spenden.
                 ­während der Schwangerschaft, der Geburt und in den            →   Sonntag, 5. Februar 2023, Bayern 2 und danach als Podcast
                  ­ersten Jahren mit ihren Kindern verändern. Diese Doku-
                   mentation fragt Gehirnforscher, Gynäkologen, Soziologen

                                                                                Online
                   und Psychologen zu ihren Forschungsergebnissen. Und sie
                   begleitet drei Männer in Deutschland, Frankreich und
                   Schweden auf ihrem Abenteuer, Papa zu werden und Vater
                   zu sein.
                 →   Samstag, 4. Februar 2023, Arte, 22.50 Uhr
                                                                                Der bayerische Papst
                 Himmlischer Spass – Hat Gott Humor?                            Zum Tod von Papst Benedikt XVI. zeigte der BR am
                 Religion erleben – die Sendereihe «Stationen» zeigt            1. J­ anuar den 90-minütigen Film «Der bayerische Papst».
                 ­Stationen einer persönlichen Entwicklung oder Stationen       Die Doku blickt zurück auf entscheidende Stationen im
                  des K
                      ­ irchenjahres, Feste anderer Religionen oder Stationen   ­Leben von Joseph Ratzinger, sie sucht Wurzeln und
                  des Lebens: Die Sendung fragt, wie Menschen denken und         Spuren in der bayerischen Heimat des Papstes und lässt
                  glauben. Dieses Mal passend zur Fasnacht: Hat Gott Humor?      ­Wegbegleiter und Zeitzeugen zu Wort kommen.
                 →   Mittwoch, 15. Februar, BR, 19 Uhr                          → Film online ansehen:
                                                                                www.pfarreiforum.ch/­derbayerischepapst

                                                                                Bilder: zVg. (oben), SRF, Larissa Klinker / Arte, BR

14   P FA R R E I F O RUM
MEINE SICHT

Agenda                                                                        Begegnung
                                                                              Als Kind im Vorschulalter mochte ich das
                                                                              Fest «Maria Lichtmess» am 2. Februar gar
Seniorenvortrag:                                                              nicht. Tags darauf räumte unsere Mutter
­Staatsanwaltschaft                                                           den Christbaum und die Krippe weg.
                                                                              Wie schade!
 und Untersuchungsamt
 Donnerstag, 2. Februar 2023,                                                 Wir liebten es, mit den Schafen und Hirten der grossen Krippen-
                                                                              landschaft zu spielen. Dabei fühlten wir uns glücklich und froh.
 14.30 bis 16.00 Uhr                                                          Wie leer war unser Wohnzimmer nach dem Aufräumen! Es lud
                                                                              nicht mehr zum Spielen und Verweilen ein.
Welche Aufgaben und Kompetenzen hat die Staatsanwaltschaft?
Was ist ein Antragsdelikt, was ein Offizialdelikt? Wie wird ermittelt,
                                                                              Als stille Beobachterin
welche ­Verfügungen werden erlassen und wie gelangen wir zu Urteilen?
                                                                              Jahrzehnte später freue ich mich auf das Hochfest «Darstellung
Beat Fehr zeigt Einblicke in seine spannende und herausfordernde Arbeit
                                                                              des Herrn» am 2. Februar. Im Schein vieler Kerzen höre ich die
bei der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen / Untersuchungsamt
                                                                              Worte des Evangeliums und fühle mich wie eine stille Beobach-
St. Gallen. Nach dem Vortrag sind alle zum gemütlichen Beisammensein
                                                                              terin der Szene, als der greise Simeon Jesus in seine Arme nimmt.
in der Kaffeestube eingeladen. Keine Anmeldung erforderlich.
                                                                              Vor meinem inneren Auge sehe ich den Holzdruck «Simeon» von
Weitere Infos: www.abtwil.kathsg.ch
                                                                              Walter Habdank. Behutsam halten die langen knochigen Hände
→   Kath. Pfarramt Abtwil
                                                                              von Simeon das Kind. Mit Güte und Liebe betrachtet er den Klei-
                                                                              nen. Freude, Dank und Glück strahlen aus dem alten, vom lan-
Zaubermärchen                                                                 gen Leben gezeichneten Gesicht. Auch Jesus schaut mit weit ge-
                                                                              öffneten Augen zu Simeon. Aber nicht nur, das hell erleuchtete
«Das ­Sonnenschloss»                                                          Köpfchen des Kindes neigt sich zur Seite. Es blickt in die Ferne,
Jeweils Sonntags, 29. Januar bis                                              zu uns. Ich fühle mich angesprochen. Erwidere ich seinen Blick?
19. Februar 2023, 11.00 Uhr                                                   Frei für Neues
                                                                              Gestärkt durch die Begegnung mit dem Kind gehe ich meinen
Wer knickt nachts die schönsten Blumen auf der Bergwiese? Was Vittorio,
                                                                              Weg, bin frei für Neues, Unerwartetes. Vielleicht gelingt es mir,
der jüngste der drei Brüder entdeckt, ist gleichzeitig der Beginn seiner
                                                                              Mitmenschen in einem neuen Licht zu sehen, frisch auf sie zuzu-
­Liebe zur geheimnisvollen Prinzessin Aurelia. Auch sie liebt ihn, ist aber
                                                                              gehen und offen zu sein für ihre Freuden und Sorgen. Ich wün-
 gefangen in der Gewalt eines Ungeheuers. Das Märchen ist für Kinder ab
                                                                              sche es mir und uns a­ llen.
 fünf Jahren geeignet. Weitere Infos: www.figurentheatermuseum.ch
→   Figurentheater Museum, Herisau

Demenz erleben:
­Simulator und Referate
 8. bis 26. Februar 2023
Mit dem Demenzsimulator erleben Besucherinnen und Besucher in alltäg-
lichen Situationen, wie sich Demenz anfühlt und vor welchen Heraus­
forderungen Betroffene stehen. Zwei Fachreferate am 12. Februar um
11.00 Uhr und am 22. Februar um 19.00 Uhr ergänzen die Ausstellung der
etwas anderen Art. Die Ausstellung wird von der evang. und der kath.
Kirchgemeinde Altstätten mitverantwortet und durch die Memory Clinic
des Spitals Altstätten, der Spitex RhyCare, der Pro Senectute Rheintal,
dem Entlastungsdienst Rheintal sowie dem Hospizdienst Rheintal
­unterstützt und fachlich begleitet. Weitere Infos: www.prestegg.ch                  Sr. Marianne-Franziska Imhasly
→   Museum Prestegg, Altstätten                                                                     Kloster Wurmsbach

Kontemplative Exerzitien:
­Einführung und Vertiefung
 12. bis 17. März 2023
Die Kontemplativen Exerzitien führen durch Übungen der Wahr­
nehmung von Natur, Leib und Atem in ein stilles Dasein vor Gott.
Die Teilnehmenden haben die Bereitschaft, sich auf die Stille, innere
­Prozesse und geistliche Begleitung einzulassen.
 Weitere Informationen und baldmöglichste Anmeldung: Sr. M. Fabienne
 Bucher, mafabucher@gmail.com, www.exerzitiengruppe-stgallen.ch
→   Seminar und Bildungshaus St. Wiborada, St. Gallen

                                                                              Bild: zVg.                                                    15
ZU BESUCH IN … 9642

                                                                                                                                               Adressänderungen: bitte wenden Sie sich
                                                                                                                                               Auflage 122 930, erscheint 12 mal im Jahr.
                                                                                                                                               2. Ausgabe 2023, 1. bis 28. Februar 2023
     Peter Burkhard aus Ebnat-Kappel arbeitet als Unternehmensberater bei der Würth Financial Services AG in Rorschach. Ist der
→

                                                                                                                                               direkt an Ihr Pfarramt.
     neue Parlamentspräsident des Katholischen Konfessionsteils in St. Gallen, geht er gerne ins Klosterbistro.

Diplomat                                                          Ebnat-Kappel. Und wie im Wallis sind es auch im Toggenburg
                                                                  die «tief verwurzelten Traditionen» und die Kultur, die ihn

und Zuhörer
                                                                  faszinieren und vor denen er grossen Respekt hat. Als Beispiel
                                                                  nennt der 59-Jährige das «Einschellen», die Viehschauen oder

                                                                                                                                                         Gestaltungskonzept: Die Gestalter AG, St. Gallen
                                                                  den Toggenburger Naturjodel. Es sei ein wunderbares und
                                                                  vielfältiges Tal und durch den Umzug nach Ebnat-Kappel als
Vor über 30 Jahren zog Peter Burkhard                             junge Familie – die Kinder waren damals fünf und drei Jah-
von St. Gallen nach Ebnat-Kappel.                                 re, das Jüngste kam im Toggenburg zur Welt – sei auch der

                                                                                                                                                         Druck: SL Druck + Medien AG, Mels
Die «tief verwurzelten» Traditionen                               Anschluss ans Dorfleben nicht schwer gefallen. Nach Ebnat-
im Toggenburg faszinieren den neuen                               Kappel zu ziehen, dafür hatte sich Peter Burkhard wegen sei-

                                                                                                                                                         Layout: Cavelti AG, Gossau
höchsten St. Galler Katholiken bis                                nes Berufes entschieden. Bei seinem damaligen Arbeitgeber,
­heute. Er wünscht sich eine liberalere                           der Winterthur Versicherungen, wurde ein neuer Innendienst-
 Kirche.                                                          leiter für die Generalagentur Wattwil gesucht. «Ich wollte den
                                                                  Job und so zogen wir um», sagt er.
Was es bedeutet, wenn eine Dorfgemeinschaft eine einzelne
Person oder eine Familie mitträgt und wie viele Traditionen       Das Gegenüber einschätzen
ein Kirchenleben mit sich bringt, das gepflegt wird: Peter        In Ebnat-Kappel war Peter Burkhard ab dem Jahr 2000 wäh-
Burkhard, neuer höchster St. Galler Katholik, erzählt, wie er     rend 18 Jahren in der Kirchenverwaltung – für das Amt wur-
vor vielen Jahren durch seine Frau der Kirche näher kam. Bis      de er angefragt. Seit 2007 politisiert er zudem im Kollegium,
dahin hatte er zwar die katholische Sekundarschule flade in       dem Parlament des Katholischen Konfessionsteils des Kantons
                                                                                                                                     Herausgeber: Verein Pfarrblatt im Bistum St. Gallen

St. Gallen und vor allem an Weihnachten und Ostern die Got-       St. Gallen. «Ich fand damals, dass unsere Kirchenverwaltung
tesdienste besucht. «Ansonsten nahm ich aber nicht gross am       eine Verbindung ins Parlament haben sollte, da es immer von
kirchlichen Leben teil», sagt der neue Parlamentspräsident        gegenseitigem Vorteil ist, wenn man die Personen hinter den
des katholischen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen. Das     Verwaltungen kennt», sagt er über seine Motivation, sich ins
Amt wird er bis Ende November 2024 innehaben. Durch sei-          Kollegium wählen zu lassen. Sich selbst beschreibt Peter Burk-
                                                                                                                                     T 071 230 05 31, info@pfarreiforum.ch

ne Frau, eine Walliserin, änderte sich seine Beziehung zur Kir-   hard als Zuhörer, Realist und Diplomat. Ihm sei es wichtig, sein
                                                                                                                                     Redaktion: Stephan Sigg (Leitung),

che. «Als ich meine Frau als junger Mann in ihrem Heimatdorf      Gegenüber einschätzen zu können und dessen Meinung zu ken-
                                                                                                                                     Webergasse 9, 9000 St. Gallen
                                                                                                                                     Katja Hongler, Nina Rudnicki

im Lötschental besuchte, war gerade der Pfarrer gestorben         nen. In seinen zwei Jahren als Präsident wird er vier Kollegi-
und ich wurde in die Totenwache eingeteilt. Es war die Auf-       umssitzungen leiten und dabei die Eröffnungsreden halten.
gabe des ganzen Dorfes, mehrere Tage neben dem Leichnam           «Die Kirche kann ich in diesem Amt nicht verändern. Aber ich
zu wachen», sagt er. «Auf diese Weise kommst du automatisch       kann in den Reden meine Gedanken kundtun. Ich bin höchst
ins Kirchenleben rein und wirst Teil davon.»                      liberal. Meiner Meinung nach wäre es Zeit für das Frauenpries-
                                                                  tertum und die Aufhebung des Zölibats», sagt er.
Ans Dorfleben anschliessen
Seit über 30 Jahren lebt Peter Burkhard, der in der Stadt         Text: Nina Rudnicki
St. Gallen aufgewachsen ist, mit seiner Familie nun schon in      Bild: Ana Kontoulis
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