STEIERMARK Digitalisierungsoffensive vernetzt Industrie und KMU - Industriellenvereinigung ...
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DAS MAGAZIN DER INDUSTRIE April/Mai 2021 Mehr Düsentriebs statt Aktionismus! Warum eine innovative Industrie dem Klima mehr bringt als manche NGOs. Vereinigung der österreichischen Industrie, Schwarzenbergplatz 4, 1030 Wien Österreichische Post AG, MZ 03Z034897 M INTERNATIONAL CORNER AUSBLICK STEIERMARK Warum die WTO-Regeln dringend Wie Industrieunternehmen die Digitalisierungsoffensive ein Update benötigen Seite 2 Fachkräfte-Situation einschätzen Seite 5 vernetzt Industrie und KMU Seite 10
international corner/Gastkommentar Warum die WTO-Regeln dringend ein Update benötigen Während sich die Welthandelsarchitektur verändert hat, steckt die Welthandelsorganisation im Reformstau fest. An welchen Schrauben gedreht werden muss, zeigen IV-Experten für internationale Beziehungen und Märkte. E s kann in der WTO nicht so weitergehen Konformitäts- und Anerkennungsverfahren Handelsregeln blieben bisher häufig auf der jene, die zur bewussten Produktion von Über- wie bisher. Das sagt die nigerianische aufgrund unterschiedlicher Standards – sind Strecke, weil einzelne Staaten aus national- kapazitäten führen und Marktpreise destabi- Ökonomin Ngozi Okonjo-Iweala, die im in den vergangenen Jahren stark gestiegen. staatlichen Gründen ein Veto einlegten. Eine lisieren. Auch muss das WTO-Ziel, Handelsli- März als neue Generaldirektorin der Welt- der Errungenschaften der WTO, die Streit- beralisierungen durchzusetzen, wieder in den handelsorganisation angetreten ist. Baustel- Faire Spielregeln für alle schlichtung bei Handelsdisputen, ist gelähmt, Fokus rücken, Protektionismus ist der falsche len gibt es jedenfalls mehr als genug: Seit dem Marktteilnehmer weil die Vereinigten Staaten von Amerika seit Weg. Die WTO ist mittlerweile auf 164 Mit- Scheitern der 2001 gestarteten Doha-Runde Verstöße gegen bestehende Handelsre- Jahren die Ernennung neuer Berufungsrich- gliedsländer gewachsen. Um ihre Handlungs- gab es keine größeren Handelsliberalisie- geln wie verbotene Subventionen (v.a. Ex- ter blockieren. Die Berufungsinstanz ist des- fähigkeit zu erhöhen, sollte ein einfaches rungen mehr. Im Gegenteil: Zusatzzölle und portsubventionen) können oftmals nicht halb seit Dezember 2019 handlungsunfähig. Mehrheitsprinzip die bisher erforderliche nicht-tarifäre Handelshemmnisse – etwa sanktioniert werden. Reformen für faire Einstimmigkeit bei jeglichen WTO-Entschei- Warenimporte weltweit von immer mehr Importrestrik onen betroffen Dabei bräuchte das Regelwerk der 1994 dungen ablösen. Zudem sollten bedeutende Warenimporte weltweit von immer mehr Importrestriktionen betroffen gegründeten Organisation dringend ein Volkswirtschaften wie China, Indien oder 25 10 Update: Mit dem Aufstieg Chinas zur zweit- Russland dem Government Procurement größten Volkswirtschaft der Welt hat sich die Agreement beitreten. Dieser Vertrag regelt 19,2 Welthandelsarchitektur massiv verschoben. den Zugang zu öffentlichen Aufträgen. Auch 19,7 20 18,5 18,8 18,9 8 Die stark exportorientierte österreichische sollte der Entwicklungslandstatus nach kla- 18,4 17,9 8,7 Industrie fordert daher eine Trendwende: ren ökonomischen Kriterien vergeben wer- 16,6 16,1 15,4 „Es braucht faire Spielregeln für alle Markt- den und nicht nach einer Selbsteinschätzung. 15 7,5 6 teilnehmer. Das derzeitige Welthandels- Länder wie China verschaffen sich dadurch 12,6 system ist nicht mehr zeitgemäß und muss ungerechtfertigte Vorteile. dringend an die Anforderungen der Gegen- 10 4,7 4 wart und Zukunft angepasst werden“, lautet Jetzt muss die WTO beweisen, dass sie Zu- 3,7 3,6 das Credo der IV-Experten für internationale kunft hat. Generalsekretärin Ngozi Okon- 165 Beziehungen und Märkte. jo-Iweala hat angekündigt, Veränderungen 2,5 2 anzugehen: „Wir brauchen jemanden, der in 5 2,2 109 1,3 1,7 97 Handelsliberalisierungen in den Fokus der Lage ist, Reformen voranzutreiben – und 67 0,8 34 40 35 Was muss also auf die Reform-Agenda der das bin ich." 0,6 0 WTO? Dringend notwendig sind Verbote Quelle: UNCTAD 0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 und Sanktionsmöglichkeiten gegen erzwun- WEBTIPP Quelle: UNCTAD gene Technologietransfers, geistiges Eigen- Warenimporte weltweit, Mrd. USD von Importrestrikonen betroffen, in Prozent % Die ausführliche IV-Analyse tum muss besser geschützt werden. Ebenso „Die WTO zukunftsfit machen“ finden Immer mehr Zusatzzölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse gefährden den Wohlstand. müssten wettbewerbsverzerrende Subven- IV-Mitglieder in ihrer IVTopApp. Die WTO muss mit einem adaptierten Regelwerk gegensteuern. tionen stärker geahndet werden – vor allem GASTKOMMENTAR Alles steht und fällt mit der Bildung Die Forderungen nach einer Stärkung des Kapitalmarkts haben ihre Berechtigung. Wichtigstes Rädchen, an dem es zu drehen gilt, ist das Finanzwissen der Österreicher. W er nichts weiß, muss alles Im Erwachsenenalter ist es deutlich schwie- Robinhood. Es braucht Eigeninitiative und gibt es mehr Rendite für die privaten Anle- glauben. Was einst schon riger, die Scheu vor dem Kapitalmarkt zu Fachwissen, um solche Geschäftsmodelle ger und frisches Geld für die Unternehmen. Schriftstellerin Marie verlieren. Denn wer schon bei der Definition zu verstehen und eigene Risiken abschätzen Nicht zuletzt profitieren auch die heimischen von Ebner-Eschenbach der Begriffe ETFs und Anleihen ein ungutes zu können. Banken, weil sie für geringere Spareinla- formulierte und die Wis Gefühl in der Magengrube bekommt, wird gen, die stattdessen am Kapitalmarkt ihre senschaftskabarett-Gruppe „Science Bus- Übrige Handlungsfelder wurden bereits vie- Dienste tun, weniger Zinsen an die EZB zah- ters“ als Motto gegen das Unwissen auserko- lerorts gefordert, etwa steuerliche Anreize len müssen. ren hat, gilt auch für die Wirtschaftswelt – „In der Bedeutung der wie die ohnehin schon ins Auge gefasste Kapitalmärkte hinkt und ganz besonders für den Kapitalmarkt. Wiedereinführung einer Behaltefrist, ab der Ideen zur Belebung des Kapitalmarkts gibt es Auch wenn es bereits gesagt wurde: Bildung Gewinne auf Wertpapiere steuerfrei sind. genug, sie müssen auf politischer Ebene dis- ist der wichtigste Schlüssel, um dem Kapital- markt und seinen potenziellen Anlegern auf Österreich bekannt- Dennoch stößt man auch hier auf das Grund- problem Bildung. Wer sich nicht auskennt, kutiert und umgesetzt werden – rasch. Denn essenziell ist ein unverzügliches Handeln, die Beine zu helfen. lich international dem hilft der schönste steuerliche Anreiz nicht. Das fällt schlussendlich allen auf den auch und gerade beim Thema Bildung. Angst ist gerade in Pandemie-Zeiten ein schlechter, wenn auch nachvollziehbarer, deutlich hinterher, Kopf. Unternehmen, verhinderten Anlegern und dem Staat. In der Bedeutung der Kapital- Ratgeber. Dass ein Großteil der Österreicher beim Wagniskapital märkte hinkt Österreich bekanntlich inter das Geld nach wie vor lieber hortet als anlegt, national deutlich hinterher, beim Wagnis zeigt ein Blick auf die Daten der National- besonders.“ kapital besonders. bank. Per Februar 2021 haben private Haus- halte knapp 193 Mrd. Euro an täglich fälli- Natürlich gibt es auch bei den Unternehmen gen Einlagen liegen – 2015 waren es knapp Hebel, an denen man ansetzen könnte. Auch 108 Mrd. Euro. Sparkonten sind weiter das sich nicht näher mit dem Thema befassen sie sind bekannt – etwa die schon vor der Spar-Mittel der Wahl. Auch wenn das Inter- wollen. Je früher der Kapitalmarkt also auf Krise viel geforderte Eigenkapitalstärkung, esse für den Kapitalmarkt gestiegen und die der persönlichen Agenda ist, desto besser – die Unternehmen resilienter macht. Eine Thematik durch Gamestop und Co. ins breite Stichwort Schule. Maßnahme zur Stärkung des Kapitalmarkts öffentliche Interesse gerückt ist. kann eine steuerliche Gleichbehandlung Dabei müssen auch wirklich alle Schüler er- von Eigen- und Fremdkapital sein. Solche Warum Bildung so wichtig ist? Der Satz reicht werden, und zwar von unabhängigen Maßnahmen müssen Hand in Hand mit dem „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans Experten. Denn neben den altbekannten Ri- Schmackhaftmachen des Kapitalmarkts für Foto: Franz Gleiß nimmermehr“ ist zwar in den allermeis- siken am Kapitalmarkt zeigen auch die neuen Private gehen. Kommen die Gelder weg von Anita Kiefer ist Wirtschaftsredakteurin der ten Fällen falsch, was aber richtig ist: Trends, wie wichtig Wissen ist – Stichwort den Sparkonten hinein in den Kapitalmarkt, Tageszeitung „Kurier“. Die Gastkommentare in den iv-positionen stellen die Meinung des Autors dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Position der Industriellenvereinigung wider. 2 April/Mai 2021 | iv-positionen
Leitartikel/Aktuelles Der Aufschwung wird kräftig… …wenn jetzt die richtigen Weichen gestellt werden. Impf- „Darum geht es bei Reformen: Offensive und Comeback-Plan spielen dabei Schlüsselrollen. Nicht ums Kürzen, sondern wie schaffe ich den größten Output mit dem geringsten Input? Da haben Ö sterreichs Produktionssektor Stärkung des Eigenkapitals von Betrieben wir noch ganz viel zu tun.“ IV-MEINUNG und Kreditwirtschaft haben ist jetzt ein wichtiges Thema für krisenfes- entscheidenden Anteil daran, tes Wachstum und Aufschwung. Dass die Monika Kircher, dass der Wirtschaftsmotor in Bundesregierung in ihrem Comeback-Plan Aufsichtsratsmitglied u.a. Österreich trotz Pandemie am die Standortstärkung zum Schwerpunkt bei Andritz AG und Laufen geblieben ist. Und ebenso ist die In- erklärt hat, ist ein wichtiges Signal. Jetzt Siemens AG Österreich dustrie jetzt startklar für einen Aufschwung, geht es darum, diesen Plan mit Leben und von dem ganz Österreich profitieren wird. entsprechenden Maßnahmen zu füllen Wie kräftig dieser Aufschwung ausfallen wird, – und konzertiert umzusetzen. hängt entscheidend auch von den Rahmen- • Eine kluge Politik für Aufschwung und bedingungen dafür ab. Die drei wichtigsten Beschäftigung ist auch im Kontext der Weichenstellungen: Klimaschutzziele unverzichtbar. Unseren Betrieben noch schärfere Umweltziele • Die Impfung ist in jeder Hinsicht ein game aufzubürden ist der Weg in die wirtschaft- „Österreich soll international changer – gerade auch für die wirtschaftli- liche und ökologische Sackgasse: Die als automotive-freundliches che Gesundheit unseres Landes. Nach der Absiedelung von Betrieben an Standorte Land wahrgenommen werden. Versorgung der Hochrisiko-Gruppen mit Vakzinen muss es auch eine Priorität für mit niedrigeren Standards gefährdet Auf- Alle Aufträge, die dieser schwung, Jobs und Umwelt. Wir brauchen Schlüsselkräfte der Industrie geben – etwa Wirtschaftszweig hat, kommen daher wirksame Unterstützung für die für jene, die im Ausland österreichische Transformation (siehe Titelgeschichte), von internationalen Herstellern.“ Produkte verkaufen oder Anlagen er- gerade mit Blick auf Forschung und richten. Tatsache ist: Viele Konkurrenten Günther Apfalter, Übergangslösungen. aus anderen Staaten können ihre Be- Präsident von Magna Europa und Asien schäftigten bereits zu Kunden in wichtige Das Licht am Ende des ökonomischen Kri- Märkte entsenden, weil diese Länder mit sen-Tunnels ist ein starker, erfolgreicher In- ihrer Impfstrategie bereits weiter sind. dustriestandort Österreich. Er braucht jetzt Geimpfte Schlüsselkräfte sind ein wich- die besten Rahmenbedingungen, damit der tiger Standortfaktor, den wir uns rasch Aufschwung so kräftig, rasch und nachhaltig sichern müssen. wie möglich ausfallen kann. • Die Standortattraktivität für Investitionen, „Die gegenwärtige die den Aufschwung stärken, muss durch Ihr Krise muss genützt werden, ein entsprechendes Standortpaket ver- bessert werden. Die von der Industrie um alles, was in kurzer Zeit empfohlene Investitionsprämie ist ein digital erreicht wurde, gutes Beispiel für Maßnahmen, die auf voranzutreiben.“ dieses Ziel einzahlen. Denn klar ist: Nur, wo investiert wird, können Zukunft Christoph Neumayer, Sabine Herlitschka, und Beschäftigung wachsen. Auch die IV-Generalsekretär Vorstandsvorsitzende Infineon Technologies Austria AG Die Redaktion weist darauf hin, dass Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe der iv-positionen der 18. April war. Aktuelle Informationen über spätere Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie finden Sie unter www.iv.at. AKTUELLES IN KÜRZE POSTING DES MONATS GRAFIK DES MONATS ZAHL DES MONATS 7 International gesehen ist der Aufschwung Getragen wird die globale Erholung von den schon seit Monaten Realität. In seiner aktu- beiden weltgrößten Volkswirtschaften. Die ellen Prognose erwartet der IMF ein Wachs- USA und China sprinten Europa mit einem tum von real sechs Prozent für die Weltwirt- Anstieg von voraussichtlich sechseinhalb bis schaft. Wenn dies so einträte, handelte es achteinhalb Prozent davon. Vergleichsweise Die Corona-Krise hat dem Erfindergeist sich um die stärkste weltweite Expansion in bescheiden nimmt sich die Wachstumsdyna- Österreichs keinen Abbruch getan: Im inter- den vergangenen fünf Jahrzehnten – stärker mik in der Eurozone aus, die nur etwas mehr nationalen Vergleich belegt Österreich mit ist die Weltwirtschaft zuletzt im Jahr 1973 als halb so kräftig ausfallen wird wie jene auf 2.303 Patentanmeldungen Rang 14 des Pa- vor dem ersten Ölpreisschock gewachsen. der anderen Seite des Atlantiks. tent Index 2020 des Europäischen Patent- amts (EPA) und schafft somit ein stabiles Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr. Betrach- Größtes weltweites Wirtschaftswachstum seit fast 50 Jahren tet man die Patentdichte im Verhältnis zur 8 Einwohnerzahl, liegt Österreich global sogar 7 auf Rang sieben. Besonders innovativ sind 6 hierzulande Unternehmen aus den Bereichen 5 Kunststoff, Lichtsysteme, Halbleiter, 4 Schwerindustrie, Antriebssyste- 3 me und Beschlägeherstellung. 2 Post-Wiedervereinigungs- Dotcom-Blase Österreichs Industrie be- 1 1. Ölpreisschock rezession/Irak-Krieg weist somit Krisenresis- 0 2. Ölpreisschock tenz und zeigt, dass -1 Fotos: AdobeStock, IV/Michalski mit Hilfe ihrer -2 Lehman-Insolvenz Innovationskraft -3 COVID-19 der Aufschwung -4 gelingen wird. 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quelle: IMF April/Mai 2021 | iv-positionen 3
Wirtschaftspolitik Der (noch) blockierte Aufschwung? International stehen die Zeichen auf Wachstum. Wie Österreich davon profitieren kann und was einer kräftigen Erholung noch im Weg steht, zeigt eine aktuelle Analyse von IV-Chefökonom Christian Helmenstein. S ie sind 2021 die Sprinter im welt- Effektive Test-, Tracing- und weiten Konjunkturaufschwung: Impfstrategie Während der Internationale Wäh- IV-BIP-Prognose (real) für die österreichische Wirtschaft 2021: Helmenstein ist überzeugt, dass Österreich rungsfonds für die USA einen Aufhebung der Anti-COVID-19-Maßnahmen zum … am kräftigen internationalen Aufschwung BIP-Anstieg von 6,4 Prozent pro partizipieren kann: „Alle drei Hauptnachfra- gnostiziert, soll Chinas Wirtschaft laut OECD gekomponenten des BIP – Konsum privater um 7,8 Prozent zulegen. Vergleichsweise Haushalte, Exporte und Ausrüstungsinves- bescheiden ist die Wachstumsdynamik in der titionen – bergen ein enormes Erholungs- Eurozone, die nur etwas mehr als halb so kräf- potenzial für die österreichische Wirtschaft. tig ausfallen wird wie jene auf der anderen +5,1% +3,9% +2,9% +1,6% Sobald erstens die uneingeschränkte Erreich- Seite des Atlantiks. barkeit der Märkte wiederhergestellt ist, ist mit einem merklichen Anziehen der Exporte „Global hat der Aufschwung längst ein- zu rechnen. Würde sich zweitens die CO- gesetzt“, erklärt IV-Chefökonom Christian VID-bedingt nahezu verdoppelte Sparquote Helmenstein. Das belegt etwa der RWI/ 06.01.2021 31.03.2021 30.06.2021 30.09.2021 im Jahresverlauf lediglich von derzeit 14 auf ISL-Containerumschlag-Index: Demnach hat neun Prozent zurückbilden, impliziert dies der Welthandel sein Prä-COVID-Niveau be- eine zusätzliche Konsumnachfrage in Höhe reits deutlich überschritten. Auch der vom von 11,25 Mrd. Euro binnen Jahresfrist. Im Je rascher die Corona-Maßnahmen aufgehoben werden können, desto höher das BIP-Wachstum. Sollte Institute for Supply Management veröffent- das bis spätestens Ende Juni erfolgen, könnte Österreichs Wirtschaft noch um 2,9 Prozent zulegen. Vorgriff auf die kommende Konjunkturerho- lichte Einkaufsmanagerindex für die Neu- lung sowie zur weiteren Digitalisierung des auftragseingänge in der US-Industrie deutet die bereits „Hochkonjunkturniveau erreicht“ nachhaltig überschritten haben dürfte. Die Wirtschaftens, kräftig unterstützt durch die hätten. Interessantes Detail: Während die gesamte Volkswirtschaft wird aus heuti- Investitionsprämie, liegen drittens die Aus- „Global hat Effekte der COVID-19-Pandemie auf den ger Sicht mindestens vier bis fünf Quartale rüstungsinvestitionen bereits im Plus.“ Welthandel binnen vier Monaten bereits länger benötigen. der Aufschwung weitgehend überwunden wurden, waren dazu nach der Lehman-Krise 2008/09 acht „Die Industrie hat die Pandemie professio- Voraussetzung ist und bleibt aber die ra- sche Bekämpfung der Pandemie mit einer längst eingesetzt.“ Quartale erforderlich. nell gemeistert und inzwischen die Rolle der Wachstumslokomotive für Österreich effektiven Test-, Tracing- und Impfstrategie. Wegen der epidemiologischen Lage hat der Industrie überschreitet Vor-Krisen-Niveau übernommen. Allerdings gilt es zwischen den IV-Chefökonom einen Prognosefächer er- Christian Helmenstein Für die stark exportorientierte heimische In- Branchen zu unterscheiden“, lautet die Ana- rechnet: Je rascher die Corona-Maßnahmen IV-Chefökonom dustrie sind das grundsätzlich gute Nachrich- lyse des Ökonomen. Eine besonders kräftige aufgehoben werden können, desto höher ten. „Zum ersten Mal in der Neuzeit trifft eine Erholung war für die Fahrzeugindustrie und das BIP-Wachstum. Sollte das bis spätes- konjunkturelle Großkrise nicht primär die In- die chemische Industrie zu verzeichnen. Im tens Ende Juni erfolgen, könnte Öster- mit einem Wert jenseits der 60 Punkte auf dustrie, sondern vor allem den Dienstleistungs- Gegensatz dazu sind jene Bereiche stark ge- reichs Wirtschaft noch um 2,9 Prozent zu- den Beginn einer Boomphase. Zudem ver- sektor“, erörtert Helmenstein. Er rechnet damit, troffen, die unter den Corona-Maßnahmen legen. Enden die Einschränkungen erst Ende weist Helmenstein auf die Preise wichtiger dass Österreichs Industrie spätestens mit Feb- direkt oder indirekt leiden, wie etwa die Luft- September, würde der Anstieg auf magere Industrie-Rohstoffe wie Kupfer oder Eisen, ruar 2021 das Prä-COVID-Produktionsniveau fahrtzulieferer oder die Brauereien. 1,6 Prozent zurückgehen. Wettbewerbsfähigkeit ist das Um und Auf M it dem „Comeback-Plan“ der Bun- Die für Österreich vorgesehenen Gelder aus desregierung gilt es nicht nur, an die dem EU-Wiederaufbauplan müssten sinn- Entwicklung von 2019 anzuschlie- voll eingesetzt werden. Schwerpunktmäßig ßen – wir müssen darüber hinauswachsen. geht es um Digitalisierung und Klimaschutz. Das betonte IV-Präsident Georg Knill in der Gerade das Thema neue Technologien sei ORF-„Pressestunde“ im April. „Wettbewerbs- wesentlich – vor allem beim Klimaschutz, „zu fähigkeit ist das Um und Auf. Das müssen wir dem wir uns als österreichische Industrie voll auf den letzten Metern dieses Pandemie-Ma- und ganz bekennen“, hielt Knill fest, der unter rathons im Blick haben, wenn es jetzt um Kon- anderem auf die Bedeutung internationa- zepte geht, wie der Wirtschaftsstandort Ös- ler strategischer Partnerschaften hinwies: terreich gestärkt aus der Krise kommt.“ Die „Das braucht Europa, um Liefer- und Wert- Industrie plädiert für investitionsstärkende schöpfungsketten sowie die Versorgung mit Maßnahmen, wie etwa die Investitionsprä- Rohstoffen zu sichern.“ Dies sei wesentlich, mie, sowie eigenkapitalstärkende und entlas- damit Europa die technologische Transfor- tenden Maßnahmen, wie etwa die im Regie- mation mitgestalten kann und nicht weitere Industrie-Austausch mit rungsprogramm festgelegte KÖSt-Senkung auf 21 Prozent. „Das würde einen unheim- Abhängigkeiten entstehen. „Wir sehen auch, dass Produktion allein nicht reicht, wir müs- Wirtschaftslandesräten lichen Investitionsschub bringen, den wir dringend brauchen.“ sen Warenströme, Lieferketten und die Roh- stoffversorgung sicherstellen“, so Knill. B ei einer Video-Konferenz mit den Wirt- Industrie schnell(er) geimpft werden müssten. schaftslandesräten aller Bundesländer Knill: „Jeder Tag zählt. Die Mitarbeiter – seien im März betonte IV-Präsident Georg es Montage- & Service- oder Verkaufsteams – Knill die Bedeutung der Industrie für das müssen rasch wieder ihre Kunden in der Welt Land: „Eine starke Industrie, wettbewerbsfä- erreichen können.“ hige Rahmenbedingungen sowie Zuversicht und Optimismus sind die Grundpfeiler, mit Weitere Themen waren die Energie- und denen wir die Corona-Krise bewältigen und Mobilitätswende sowie die Dauer von Ge- ein erfolgreiches Comeback der Wirtschaft nehmigungsverfahren bei standortrele- schaffen können.“ Bei den großen Heraus- vanten Projekten, resiliente Logistikketten, forderungen unserer Zeit – Bewältigung der Infrastruktur und Raumplanung sowie Corona-Pandemie sowie die grüne und digita- Lehrlingsausbildung und Fachkräftemangel. le Transformation – sei die Industrie mit ihrer Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Mar- Innovationskraft und Umsetzungskompetenz kus Achleitner betonte bei dem Austausch: wichtiger Teil der Lösung. Zudem plädierte „Wichtig zur Absicherung der Industrie und Fotos: ORF.at, AdobeStock der IV-Präsident einmal mehr, dass nach den damit der Arbeitsplätze in unserem Land ist vulnerablen Gruppen vor allem die Schlüs- auch die Schaffung geeigneter Rahmenbe- selarbeitskräfte in der exportorientierten dingungen durch die öffentliche Hand.“ 4 April/Mai 2021 | iv-positionen
Wirtschaftspolitik Lücke zwischen Qualifikationsbedarf und Verfügbarkeit klafft auseinander Der Fachkräftemangel ist gegen Corona immun. Wie die Unternehmen die Situation einschätzen und welche Qualifikationen in den nächsten Monaten besonders gefragt sind, belegt eine IV-Mitgliederumfrage. Mit mehr als 16.000 Lehrlingen ist die Indus wichtigste Maßnahme, dass die Beschäftig- trie zweitgrößter Lehrlingsausbildner im ten mehr Bereitschaft und Motivation für Land. Auf Bundes- und Länderebene hat die Weiter- und Umqualifizierungsmaßnahmen IV in den vergangenen Wochen klar kommuni- an den Tag legen müssen. An zweiter Stelle ziert, dass die Bereitschaft der Unternehmen stehen zusätzliche physische Aus- und Wei- nach wie vor groß ist, Lehrlinge aufzunehmen. terbildungsangebote (40 Prozent). Jeder Viele Unternehmen – gerade in industriestar- dritte Betrieb schlägt weitere öffentliche ken Regionen – können ihre Lehrplätze nicht finanzielle Mittel vor. besetzen. Jedes dritte Unternehmen gibt an, dass die Zahl der Bewerbungen merkbar ab- Aus gutem Grund setzt sich die IV für eine genommen hat. Ein Problem ist die Corona- Angebotsoffensive der bestehenden Bil- Aufstiegsklausel: Der Anteil der BHS-Schüler, dungseinrichtungen für umfassende Wei- die nach Ende der Pflichtschulzeit eine Lehr- terbildung, Neu-Qualifizierung und lebens- stelle antreten, ist um 15 Prozent gesunken, langes Lernen ein. Der Handlungsbedarf ist weil viele mit einem oder mehreren Fünfern groß. Denn – und das ist die gute Nachricht aufsteigen konnten. – alleine die 310 Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, planen in den 11.500 neue Mitarbeiter nächsten Monaten, mehr als 11.500 neue D Was ist notwendig, um Weiterqualifizie- Mitarbeiter einzustellen, wenn die österrei- ie Corona-Krise hat den Fach- hier orten viele Betriebe den Kern des rung von Mitarbeitern voranzutreiben? chische Wirtschaft wieder auf den gewohn- kräftemangel nur vorüberge- Problems: Die Lücke zwischen Qualifika- Zwei Drittel der Unternehmen sehen als ten Wachstumspfad zurückkehrt. hend gedämpft. Trotz hoher tionsbedarf und Verfügbarkeit auf dem Arbeitslosigkeit bleibt die Suche Arbeitsmarkt klafft auseinander. Welche nach qualifiziertem Personal für Qualifikationen sind in der Industrie be- Die Top 5-Bereiche, in denen Industrieunternehmen den größten die überwiegende Mehrheit der Industrie- sonders nachgefragt? 83 Prozent der be- Fachkräftebedarf erwarten betriebe eine zentrale Herausforderung. Das fragten Unternehmen erwarten im Bereich geht aus einer IV-Blitzumfrage unter 310 Technik und Produktion den größten Fach- heimischen Industrieunternehmen hervor, die kräftebedarf. Für rund 40 Prozent wird bei Technik & Produktion 83% direkt rund 200.000 Arbeitsplätze in Öster- der Informationstechnologie qualifiziertes reich sichern. Wie hat sich die Verfügbarkeit Personal besonders stark nachgefragt sein, Informationstechnologie 39% von Fachkräften im Vergleich zur Vor-Coro- jedes dritte Unternehmen sucht für For- Forschung & Entwicklung 32% na-Zeit vor einem Jahr verändert? Rund 38 schung & Entwicklung. Die besten Jobper- Prozent der Firmen geben an, dass sich die spektiven haben Personen mit HTL- oder Verkauf & Marketing 26% Situation sogar weiter verschärft hat. HAK-Abschluss – hier erwartet mehr als jedes zweite Unternehmen (54 Prozent) Logistik & Wartung 18% Industrie sucht Lehrlinge hohen Bedarf, gefolgt von Absolventen An Bedeutung gewinnen wird daher das einer Lehre (53 Prozent) und Hochschul- 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Thema Aus- und Weiterbildung. Genau graduierten (45 Prozent). Kapitalmarkt: Nicht nur Awareness, sondern steuerliche Anreize schaffen G erade einmal jeder Vierte, der noch Vorständin der Oesterreichischen Kontroll- nicht an der Börse veranlagt ist, ist bank, Angelika Sommer-Hemetsberger. Kon- prinzipiell am Kauf von Aktien, An- kret basiert die Arbeit der Task Force auf drei leihen oder Investmentfonds interessiert. Säulen: „Neudenken der Unternehmensfinan- Lediglich vier Prozent der befragten Öster- zierung – Finanzierungspalette verbreitern“, reicher geben an, sich sehr gut mit Veran- „Erleichterte regulatorische Anforderungen an lagungen an der Börse auszukennen. Eine den Kapitalmarkt“ sowie „Private und betrieb- Umfrage des Aktienforums zeigt, dass sich liche Altersvorsorge weiterentwickeln“. Dabei der Kapitalmarkt in der Meinung der Bevöl- gilt es, nicht nur das Bewusstsein in der Bevöl- kerung zwischen vermeintlich „bekanntem kerung zu schärfen, sondern Wert und Nutzen Unwesen“ und „unbekannten Wesen“ be- eines starken Kapitalmarkts der Politik sicht- wegt. Eine aktuelle Detailauswertung weist bar zu machen. „Es wäre schön, wenn es hier zudem aus, dass Frauen deutlich risiko nicht nur so weit geht, Awareness zu schaffen, averser sind als Männer. Während 25 Pro- sondern es auch Förderungen und Incentives zent der befragten Männer angeben, dass gäbe – in dem man etwa steuerliche Anreize in ihrem Haushalt Geld in Form von Aktien schafft, um Ansparpläne zu fördern.“ Auch soll angelegt ist, sind es bei den Frauen nur zehn den Menschen die Scheu vor dem Kapitalmarkt Prozent. Bei „anderen Wertpapieren“ liegt genommen werden: Sommer-Hemetsberger: dieser Wert bei 16 Prozent (Männer) bzw. „Wichtig ist uns zu betonen, dass die Teilnahme acht Prozent (Frauen). am Kapitalmarkt nichts Elitäres ist.“ Industrie hat Österreich am Die neue IV-Task Force „Kapitalmarkt und Unternehmensfinanzierung“ beschäftigt sich Laufen gehalten D intensiv damit, wie das Interesse der Österrei- ie Corona-Krise zeigt, wie wichtig wichtig aufrechte und funktionierende cher für dieses wichtige Thema gestärkt wer- der Beitrag der Industrie und ihrer Lieferketten sind. Mit ihrer aktuellen Soci- den kann. „Wissen ist die beste Risikovorsorge, Beschäftigten für Versorgungs- al Media-Initiative „Respekt“ weist die IV weil man Entwicklungen besser einschätzen sicherheit, sozialen Zusammenhalt und darauf hin, wie viele Menschen und Unter- kann. Die Aktienmärkte sind im Februar und Lebensqualität in Österreich ist. Entschei- nehmen dahinterstehen, damit wir täglich März des Vorjahres drastisch eingebrochen, die dend war und ist, dass die Produktion mit lebensnotwendigen und allgemeinen Fotos: OeKB/David Sailer meisten haben sich aber bis Jahresende wieder während der Corona-Maßnahmen auf- Gütern versorgt werden. Daher ist es auch Angelika Sommer-Hemetsberger leitet erholt. Das muss man wissen und einschätzen die IV-Task Force „Kapitalmarkt und recht bleiben und damit weitergearbeitet wichtig zu sagen: „Danke für Euren Einsatz, können“, erklärt die Task Force-Vorsitzende und Unternehmensfinanzierung“. werden konnte. Sichtbar wurde auch, wie der Österreich am Laufen hält.“ April/Mai 2021 | iv-positionen 5
COVERSTORY Realistischer Weg statt absurder Forderungen Was die Industrie für das Klima leisten kann, wenn man sie lässt: Zwischen grüner Klimapolitik und innovationsgetriebenem Klimaschutz, der tatsächlich wirkt, liegen oft Welten. Die Industrie zeigt auf, wie Klimamaßnahmen aussehen müssen, die dem Klima helfen – und die Zukunft der (energieintensiven) Produktion im Land sichern. Beides ist möglich, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. D arf es noch ein bisserl mehr sein? Die EU-Treibhausgas- Für die IV ist wichtig, dass das eingefahre- ne Schwarz-Weiß-Denken von Umwelt- „Die energieintensive emissionen bis zum Jahr 2030 politikern und Umweltschutz-NGOs endlich Industrie soll um 55 Prozent zu senken, ist der Vergangenheit angehört. Neumayer: eine gewaltige Herausforde- „Die Industrie ist kein Bremser beim Kli- dabei unterstützt rung. Trotzdem gibt es Stimmen, welche maschutz, wir sind Vorreiter. Wir sind Teil die Einsparungsvorgaben in Europa und der Lösung. Nirgendwo auf der Welt wird werden, kräftige Investitionen in die Österreich noch weiter nach oben schrau- eine Tonne Zement mit weniger CO2-Emis- ben wollen. Das übrigens zu einem Zeit- sionen produziert als in Österreich. Auch punkt, zu dem China 300 neue Kohlekraft- werke errichtet, die über 700 Mio. Tonnen die heimische Eisen- und Stahlindustrie ist Benchmark in der Nachhaltigkeit. Die Zu- Zukunft zu tätigen.“ CO2 emittieren werden. Zum Vergleich: lieferindustrie hat sich bei Klimatechnolo- Ganz Österreich stößt pro Jahr 80 Mio. gien ebenfalls stark aufgestellt. Für all diese Peter Koren Tonnen CO2 aus. Leistungen haben Unternehmen, die im IV-Vize-Generalsekretär rauen internationalen Wettbewerb stehen, Für IV-Präsident Georg Knill ist klar: „Wer gewaltige Investitionen getätigt. Klima und das Ende allen CO2-Ausstoßes vor 2040 for- Volkswirtschaft können darauf nicht ver- Österreich hängt an diesem Sektor“, erklärt dert, tut das leider im Wissen, dass das ers- zichten.“ Zahlreiche Beispiele zeigen, welche IV-Präsident Georg Knill. Nach neuen Be- tens technisch nicht realisierbar ist und dass Anstrengungen Österreichs Industriebe- rechnungen des Industriewissenschaftlichen das zweitens dem weltweiten Klimaschutz triebe rund um Forschung und Entwicklung Instituts sorgt die energieintensive Industrie wenig nützt. Faktenbasierte Klimaschutz- für den Klimaschutz unternehmen – und wie für 17 Mrd. Euro an Löhnen, Lohnsteuer und politik sieht anders aus.“ Dazu kommt: Klima- erfolgreich sie dabei sind (siehe Kasten). Sozialversicherungsabgaben. schutz-NGOs und Grün-Politiker erzählen ihren Sympathisanten und Spendern mit den Aufschwung dekarbonisiert gestalten kolportierten wirtschaftlichen Chancen des „Die Industrie ist Nachhaltiger Klimaschutz und energieinten- Klimaschutzes nur einen Teil der Wahrheit. sive Produktion können und müssen eine ge- Der andere Teil lautet: Klimaschutz kostet kein Bremser beim meinsame Zukunft in Österreich haben. Dafür ein Vermögen – und wird am Ende von den müssen die betroffenen Unternehmen aber Konsumenten und Steuerzahlern zu tragen Klimaschutz, wir unterstützt werden. Es braucht eine Kompen- sind Vorreiter. Wir sein. „Diese unbequeme, aber fundamentale sation der Kosten, die nicht am weltweiten Wahrheit muss klar kommuniziert werden Markt untergebracht werden können. Kon- – sonst gibt es ein böses Erwachen“, fordert IV-Präsident Knill. sind Teil der Lösung.“ kret schlägt die IV einen Industrie-Dekarbo- nisierungs-Fonds vor: „Die energieintensive Industrie soll dabei unterstützt werden, kräfti- Vorreiter statt Bremser Christoph Neumayer ge Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Das Die Devise der Industrie in Sachen Klima- IV-Generalsekretär würde sicherstellen, dass der Aufschwung ‚de- schutz: Vernünftige Klimapolitik muss so karbonisiert‘ gestaltet wird und Investitionen gestaltet werden, dass dem Klima geholfen in die richtige Richtung gehen“, erklärt IV-Vize- wird, aber (energieintensive) Produktion Generalsekretär Peter Koren. im Land weiter möglich und wirtschaftlich Weichen richtig stellen sinnvoll ist. Nur das sichert Arbeitsplätze, Entscheidend ist jetzt, dass die klima- und Konkret soll damit die ausreichende Wohlstand und damit nachhaltigen sozia- industriepolitischen Weichen richtig gestellt österreichische Finanzierung bestehender len Frieden. „Weder Klima noch Umwelt werden. Der Industriellenvereinigung ist es Klimaschutz-Instrumente ermöglicht wer- wäre langfristig gedient, wenn wir um- insbesondere ein großes Anliegen, dass auch den: Dabei geht es etwa um die Kofinanzie- weltfreundlich produzierende Wirtschaft jene Unternehmen mitgenommen werden, rung von Projekten des Innovationsfonds und Arbeitsplätze durch immer härtere für die hohe Energie-Kosten ein zentraler des Europäischen Emissionshandelssys- Auflagen in Länder vertreiben, in denen Wettbewerbsfaktor sind. Und das aus gutem tems (ETS) oder von Investitionen bei den Klimaschutz leider nach wie vor nur eine Grund: Die volkswirtschaftliche Bedeutung europäischen Großprojekten IPCEI Was- untergeordnete Rolle spielt. Das schafft der energieintensiven Industrie – von Papier serstoff bzw. Low Carbon Industries. Mit neue, fatale Abhängigkeiten bei bestimm- über Stahl bis Baustoff – ist erheblich. „Die diesen Important Projects of Common Eu- ten Gütern und schadet dem Weltklima Unternehmen der energieintensiven Indus ropean Interest werden transeuropäische weit mehr, als es je nützen könnte“, betont trie sichern in Summe rund 390.000 Arbeits- Konsortien aufgebaut, die technologische IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. plätze. Mehr als jeder elfte Arbeitsplatz in Lösungen für die Herausforderungen der Foto: AdobeStock 6 April/Mai 2021 | iv-positionen
Zukunft auf den Weg bringen, sie skalieren auch für die Industrie gewährleisten, die ihre und industriell umsetzen. Zudem sollte der Prozesse von fossilen Energieträgern auf er- Industrie-Dekarbonisierungs-Fonds die Er- neuerbaren Strom umzustellen hat. Entschei- forschung, Herstellung und Nutzung von dend ist die Versorgungssicherheit. Um Black- alternativen Treibstoffen vor allem für die outs vermeiden zu können, muss der Ausbau Luftfahrt finanziell mittragen. Ebenfalls auf erneuerbarer Energieproduktion vom Ausbau der Agenda der Industrie: Das Emissions- entsprechender Infrastrukturen begleitet handelssystem erlaubt es EU-Ländern, Un- werden. Bei den Förderungen für erneuer- ternehmen Beihilfen zu gewähren, um die bare Energieträger fordert die Industrie, dass die Belastungen für private und betriebliche Energiekunden auf eine Milliarde Euro pro „Nicht umsonst Jahr begrenzt werden. ist heute die Ein wichtiges Thema ist auch die Dauer von INDUSTRIE MIT INNOVATION Genehmigungsverfahren, etwa für Was- österreichische serkraft- oder Windkraftwerke. „Wenn die AUF DEM WEG ZUR KLIMANEUTRALITÄT Industrieproduktion Dauer der Genehmigungsverfahren nicht einschätzbar ist, werden Projekte nicht reali- Aus CO2 wird hochwertiger Kunststoff die umweltschon siert. Das gilt für Energieerzeugungsanlagen genauso wie für die Energie-Infrastruktur“, Lafarge, OMV, VERBUND und Borealis haben 2020 das Projekt „Carbon2Product- endste weltweit.“ warnt Neumayer. Er erinnert daran, dass der Bau der 380-kV-Leitung in der Steiermark Austria“ gestartet. Ziel ist die Schaffung einer sektorenübergreifenden Wert- schöpfungskette sowie die Errichtung einer Anlage im industriellen Maßstab bis über 20 Jahre gedauert hat und dass in Salz- 2030, welche eine Abscheidung von nahezu 100 Prozent des jährlichen Ausstoßes Georg Knill burg das aktuelle 380-kV-Projekt zur Um- von rund 700.000 Tonnen CO2 im Lafarge Zementwerk Mannersdorf ermöglicht. IV-Präsident weltverträglichkeitsprüfung bereits 2012 Das abgeschiedene CO2 stünde so als wertvolle Ressource zur Verfügung, denn eingereicht wurde. mithilfe von Wasserstoff wird das abgeschiedene CO2 zu Kohlenwasserstoffen verarbeitet. Hierbei kommt grüner Wasserstoff zum Einsatz, der durch VERBUND durch das ETS verursachten Strompreis- IV-Präsident Georg Knill resümiert: „Es ist in einem Elektrolyseprozess auf Basis von Strom aus erneuerbaren Energien steigerungen zu kompensieren. Das stärkt wichtig, dass Österreich an europäischen erzeugt wird. Diese Kohlenwasserstoffe werden im weiteren Produktionsprozess die Wettbewerbsfähigkeit und verhindert Konsortien zur Stärkung strategischer euro- in erster Linie für die Herstellung hochwertiger Kunststoffe (OMV, Borealis) die Verlagerung von Produktionskapazi- päischer Wertschöpfungsketten offensiv teil- täten in Regionen mit geringeren Klima- nimmt. Das Interesse und die Technologie- genutzt. Das Endprodukt basiert somit auf erneuerbarer Energie und zeigt damit schutzanforderungen (Carbon Leakage). kompetenz der Unternehmen sind jedenfalls einen funktionierenden Kreislauf von CO2 auf. Finanziert werden könnte dieser Aus- vorhanden. Der österreichische Aufbau- und gleich mit Mitteln aus dem Fonds. Zudem Resilienzplan bietet die Chance, diese neuen Klarer Plan zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion sollte dieser genutzt werden, um klima- Projekte zu finanzieren. Nun liegt es an der politisch bedingte Kosten für die CO2-re- Politik, die neuen IPCEIs prioritär im Aufbau- Die Politik hat ambitionierte Ziele zur Reduktion der CO2-Emissionen gesetzt. duzierte Produktion über einen längeren plan zu positionieren.“ Für ihn ist zudem klar: voestalpine sieht sich als Teil der Lösung und hat mit greentec steel einen klaren Zeitraum auszubalancieren. „Nachhaltigkeit ist ein zentrales Anliegen für und ambitionierten Plan zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion entwickelt. Österreichs Unternehmen, nicht nur ökolo- Neben der Optimierung der bestehenden Hochofenroute plant voestalpine Belastungen begrenzen gisch, sondern auch ökonomisch und sozial. zunächst den schrittweisen Umstieg von der kohlebasierten Hochofen- auf eine Notwendig ist aus Sicht der Industrie auch Nicht umsonst ist heute die österreichische grünstrombasierte Elektrostahlroute. Durch die Anwendung innovativer Produk- eine entsprechende Ausrichtung geplanter Industrieproduktion die umweltschonendste tionstechnologien könnten die CO2-Emissionen bis 2030 jährlich um rund drei bis Gesetzesvorhaben. Beim Erneuerbaren-Aus- weltweit. Wir haben nicht nur die Thunbergs vier Mio. Tonnen bei gleichzeitiger Beibehaltung der höchsten Produktqualität bau-Gesetz (EAG) steht der Umbau des Ener- dieser Welt in unseren Unternehmen, son- dern auch die Düsentriebs, die diese mittels gesenkt werden. Langfristig wird angestrebt, den Einsatz von grünem Strom giesystems in Richtung Klimaneutralität außer Streit. Das EAG muss aber Planungssicherheit Innovationen auch umsetzen.“ und grünem Wasserstoff im Stahlerzeugungsprozess sukzessive zu erhöhen und so bis 2050 CO2-neutral zu produzieren. Dazu werden auch umfangreiche F&E-Projekte durchgeführt. Die Umsetzung all dieser Vorhaben ist abhängig von energie-, klima-, wirtschafts- und industriepolitischen Rahmenbedingungen auf nationaler und EU-Ebene. April/Mai 2021 | iv-positionen 7
Aktuelles Präsenzlehre ist durch nichts zu ersetzen Wie das restliche Schuljahr noch gerettet werden kann und welche Lehren aus den vergangenen Monaten gezogen werden müssen, haben IV-Bildungsexperten analysiert. S chulen zu, Schulen auf, Sommer- (Stichwort: Endgeräte) wurden laufend ver- schule, Herbst-Lockdowns, aus bessert und Pädagogen durch Fortbildungen den Weihnachtsferien ins Distance beim Digi-Teaching unterstützt. Systema- Learning, dann Schichtbetrieb und tische Teststrategien ermöglichen (theore- nun eine Mutation, die zusehends tisch) einen halbwegs geordneten Schichtbe- überhandnimmt. Im April befand sich Ost- trieb und ein Großteil des pädagogischen Österreich wieder im harten Lockdown mit Personals an Schulen und Kindergärten wur- Distance Learning, in Restösterreich wurde de bereits geimpft. der Schichtbetrieb fortgeführt. Perspektive? Ungewiss. Es ist anzunehmen, dass die epide- Fest steht aber: Präsenzlehre ist durch nichts miologische Lage wohl auch bis auf Weiteres zu ersetzen. Für das verbleibende Sommer- keine Verschnaufpause oder auch nur Pla- semester müssen daher weiterhin sämtliche nungssicherheit im Bildungsbereich zulassen Anstrengungen einem möglichst geregelten wird. Nach einem Jahr Pandemie liegen die Bildungsbetrieb gelten. Mit der gleichen In- Nerven der Betroffenen blank, der volkswirt- tensität muss nun aber auch über den Som- schaftliche Schaden von Schulschließungen mer hinaus gedacht werden. ist erwiesenermaßen enorm und die Zunah- me psychologischer Probleme alarmierend. Erfahrungen aus Corona-Zeit systematisch aufarbeiten Wichtige Initiativen gesetzt Erstens: Die sogenannte Bildungsschere, bei Gleichzeitig ist – nicht zuletzt auf Initiative der das „Zurücklassen“ schwächerer Kinder der Industriellenvereinigung – in den ver- und Jugendlicher in Kauf genommen wird, gangenen Monaten Positives gelungen: Ein gab es im österreichischen Schulsystem be- „Rettungsschirm Bildung“ finanziert mit reits vor Corona – mit einem weiteren Ausei- 200 Mio. Euro zusätzliche Förderstunden nandergehen ist daher zu rechnen. Bildungs- Bildung muss nachhaltig genützt und institu- Pandemie kann nur dann wirklichen Nutzen zum Aufholen entstandener Bildungsdefizi- defizite müssen somit nicht nur unmittelbar tionell verankert werden. Und nicht zuletzt bringen, wenn die Erfahrungen aus der Coro- te, Summer Schools werden quantitativ wie aufgeholt werden, sondern künftig auch nach drittens: Viele Problemfelder, aber auch Best na-Zeit systematisch aufgearbeitet werden. qualitativ ausgebaut und der Notenschluss Kräften verhindert werden. Zweitens: Das Practices, rückten pandemiebedingt in den Wenn man zukünftig Entscheidungen für ein verschoben, um das Schuljahr voll auszunüt- Potenzial des pandemiebedingten „Kalt- Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit: Das modernes Bildungssystem treffen will, ist zen. Infrastrukturelle Rahmenbedingungen starts“ im Bereich der digitalisierten (Aus-) in vielen Texten bemühte „Brennglas“ dieser das unumgänglich. AKTUELLES IN KÜRZE Österreich bei IPCEI Gesellschaftliche Verantwortung Mikroelektronik dabei entlang der Lieferkette I D m März hat die Europäische Kommission auch weitere Wirtschaftsbereiche von dem ie Kontrolle von Sozial- und Umwelt- Die Europäische Kommission arbeitet ak- die österreichische Teilnahme an einem Projekt profitieren. standards in Lieferketten global tuell im Gleichklang mit dem Europäischen paneuropäischen Schlüsselvorhaben zur tätiger Unternehmen und die Prä- Parlament an einem Gesetzesentwurf, der Weiterentwicklung des europäischen Mi- IPCEI Mikroelektronik ist nach IPCEI Batte- vention von Missständen sind bereits seit in den Bereichen „Sustainable Corporate kroelektroniksektors genehmigt. Nach der rien bereits das zweite Großprojekt, an dem mehr als einem Jahrzehnt Diskussionsthema Governance“ und „Due Diligence“ ver- Bewilligung des IPCEIs Mikroelektronik im Österreich partizipiert. Weitere IPCEIs zu im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und pflichtende Regeln einführen will. In einigen Dezember 2018 in Europa tritt nun auch den Themen Wasserstoff, Mikroelektronik II gesellschaftlicher Verantwortung. Unter- europäischen EU-Ländern existieren bereits Österreich diesem „Important Project of und Dekarbonisierung sind auf europäischer nehmen stehen immer wieder in der Kritik, nationale Gesetze. Auch in Deutschland soll Common European Interest“ (IPCEI) bei. Das Ebene in Vorbereitung. Aus IV-Sicht ist wich- Menschenrechtsverletzungen oder Umwelt- bis zum Herbst ein „Lieferkettengesetz“ be- Großvorhaben umfasst ein Gesamtinvesti- tig, dass Österreich an diesen Zukunftskon- schäden entlang ihrer Lieferketten mitzuver- schlossen werden. tionsvolumen von 8,4 Mrd. Euro. sortien aktiv teilnimmt, insbesondere wenn schulden. Dabei ist Europa längst führend im es um eine erfolgreiche Bewältigung der verantwortungsvollen Unternehmertum. Die IV arbeitet intensiv daran, Rechtssicher- Insgesamt 32 Partner aus Frankreich, Italien, grünen und digitalen Transformation geht. heit, Wettbewerbsfähigkeit und unterneh- Deutschland, Österreich sowie Großbritan- Das Interesse und die Technologiekompetenz Zahlreiche international bewährte Stan- merischen Gestaltungsspielraum im zukünf- nien engagieren sich beim IPCEI Mikroelek- der Unternehmen sind jedenfalls vorhanden. dards und Leitlinien zum sozial- und um- tigen Gesetzestext sicherzustellen sowie den tronik, darunter drei Technologie-Frontrun- Und auch der österreichische Aufbau- und weltverträglichen Management werden seit bürokratischen Aufwand zu minimieren und ner aus Österreich. Im Zentrum steht die Resilienzplan bietet die Chance, diese neuen Langem in der Praxis erfolgreich angewandt. ist dazu im engen Austausch mit der europäi- Entwicklung von energieeffizienten Chips, Projekte zu finanzieren. Es liegt an der Politik, Denn aufgrund der Komplexität, Vielfältig- schen und nationalen Politik und Verwaltung. Leistungshalbleitern und Leistungselektro- die neuen IPCEIs prioritär im Aufbauplan zu keit und Fragmentierung der Lieferketten Diskussionspunkte sind u.a. der Geltungs- nik. Mit zahlreichen Kooperationen können positionieren und damit weitere Tickets in die galt im CSR-Management und Reporting und Anwendungsbereich, Haftungsfragen durch Spillover-Effekte (d.h. Abstrahleffekte) Zukunft zu lösen. bis jetzt der Grundsatz der Freiwilligkeit. sowie Kohärenz mit anderen EU-Richtlinien. Bitte um Unterstützung: Gebrauchte PCs, Laptops, Monitore für Schüler benötigt D ie ehemaligen Flüchtlingskoordina- Kontaktaufnahme unter office@mwoe.at – toren Christian Konrad und Ferry vielen Dank! Maier (Allianz „Menschen.Würde. Österreich“) unterstützen den gemeinnützi- gen Verein „PCs für alle“ bei der Suche nach gebrauchten PCs, Laptops, Monitoren und Zubehör, damit diese aufbereitet und kos- tenlos an Schulen, karitative NGOs sowie an finanziell schlecht gestellte Menschen weitergegeben werden können. Leider fehlen dem Verein aktuell solche Geräte Fotos: IV, AdobeStock zur Aufbereitung. Sollten Sie geeignetes Equipment abzugeben haben, bitten wir um 8 April/Mai 2021 | iv-positionen
Junge Industrie „Nachhaltiges Wirtschafts- wachstum“ im Fokus Markus Gstöttner, stellvertretender Kabinettschef und wirtschaftspolitischer Berater von Bundeskanzler Sebastian Kurz, war im April Gast im JI-Bundesvorstand. Im Interview mit den „iv-positionen“ gibt er einen Ausblick auf die geplanten Schwerpunkte der Bundesregierung. Lieber Markus, wie kann Österreich nach Reformen zur Reduktion der öffentlichen bestehenden Stärken mit einem Fokus auf der akuten Gesundheitskrise wieder zu Ausgaben auch in dieser Phase wichtig, so Wettbewerbsfähigkeit und einem selbst- Wachstum und mehr Beschäftigung finden? wie auch die verstärkte Digitalisierung der bewussten Auftreten in der Welt zu verein- Es wird wichtig sein, mit der fortschreiten- öffentlichen Verwaltung. baren. Wir müssen den europäischen Bin- Aus der den Durchimpfung auch die Lockerung der nenmarkt weiter vertiefen und gemeinsame bestehenden COVID-Maßnahmen so ver- Wir leben im Zeitalter der Digitalisierung – Standards schaffen, an die sich dann auch antwortungsbewusst und schnell wie mög- wird es da ausreichen, nur bei der alle halten. Wir müssen die Digitalisierung in lich umzusetzen. Dazu gehören neben allen Bereichen des privaten und öffentlichen Verwaltung anzusetzen? Nein, es gibt unterschiedliche Bereiche, der öffentlichen Infrastruktur und Verwal- tung vorantreiben und sie damit auch in der Krise lernen? Lebens auch die europäische Reisefreiheit, in denen die Bundesregierung hier arbei- Wirtschaft verstärkt unterstützen. Und wir Bei einer Sitzung des JI-Bundesvor- die besonders für ein export- und touris- tet. Wichtig sind besonders der Ausbau müssen unsere Klimaziele auf eine Art und musstarkes Land wie Österreich wichtig der digitalen Infrastruktur (Breitband), die Weise erreichen, die den Standort Europa standes konnten wir mit Markus ist. Mit dieser Öffnung werden auch das fortschreitende Digitalisierung der Ver- weiter stärkt und Wertschöpfung sichert. Gstöttner (siehe Interview) diskutie- wirtschaftliche Wachstum und die Entspan- waltung und verstärkte Digitalisierung in ren – die Frage, ob wir wirklich aus nung am Arbeitsmarkt einsetzen. Daneben der Bildung. Weiters spielt natürlich auch der Krise lernen werden, beschäftigt müssen wir aber auch unsere Lektionen aus die Stärkung der öffentlichen Kompetenzen der Krise lernen und umsetzen – vor allem in im Bereich Cybersicherheit eine wichtige mich dabei am meisten. der Digitalisierung. Rolle. Wo immer möglich, wollen wir auch heimische Unternehmen dabei unterstüt- Im Gespräch haben wir beispielsweise auch Corona hat Österreich viel Geld gekostet – zen, ihre Geschäftsmodelle und Prozesse die Themen digitaler Hilfsmittel im Rahmen wie lässt sich das gestiegene Defizit wieder zu digitalisieren. der Pandemie besprochen, sei es Stopp- in den Griff kriegen? Corona-Apps oder etwa ein digitalisiertes, Das Wichtigste wird sein, dass wir rasch Stichwort Wachstum: Ganz Europa kommt, zentrales Impf-Management. Bei uns in Eu- wieder ein nachhaltiges Wirtschaftswachs- etwa im Vergleich mit den USA und China, ropa war hier vieles nicht möglich, was an- tum schaffen. Die Republik konnte sich zunehmend unter Druck – sind wir derswo gelungen ist, Stichwort Datenschutz dank der verantwortungsbewussten Haus- sozusagen am absteigenden Ast? und entsprechende Sorgen der Bürger. Ein haltspolitik der letzten Jahre die gesamte Österreich und Europa haben hier grund- solider Datenschutz kann auch eine Stärke ZUR PERSON Corona-Pandemie hindurch zu Negativ- sätzlich gute Voraussetzungen im interna- als Standort sein, aber natürlich muss in Kri- Markus Gstöttner zinsen verschulden und wir werden dieses tionalen Wettbewerb – Rechtsstaatlichkeit, senzeiten doch Handlungsfähigkeit gegeben Stellvertretender Kabinettschef und Geld zurückzahlen können, wenn wir wirt- einen der größten Binnenmärkte der Welt sein. Das Gleiche gilt auch für den Föderalis- wirtschaftspolitischer Berater von schaftlich wachsen. Darüber hinaus sind und führende Sozialstandards. Gleichzei- mus. In Deutschland wird das bereits inten- Bundeskanzler Sebastian Kurz die im Regierungsprogramm vorgesehenen tig müssen wir es wieder schaffen, diese siv diskutiert: Föderale Strukturen können Vorteile bringen, in großen Krisen wäre aber vielleicht ein bisschen mehr bundesstaatliche JI-Wien im Gespräch mit Handlungsfähigkeit zu wünschen. Klar, als Erstes ist nun zu hoffen, dass die Impf- kampagne wirklich Fahrt aufnimmt, damit wir Fridays for Future im Sommer/Herbst aus dem Schlimmsten draußen sind. Aber dann werden wir auch in Österreich diese und viele weitere Fragen intensiv diskutieren müssen. Denn wenn wir es nicht schaffen, in Veränderungen vor al- Ende März diskutierte die JI-Wien mit Adrian Hiss, Aktivist von Fridays for Future (FFF), über lem große Chancen zu sehen, wäre das kon- das Schicksal der FFF-Bewegung in Zeiten von Corona, das politische Programm der jungen traproduktiv. Es wird nicht die letzte Heraus forderung sein – gemeinsam können wir die Klimademonstranten und die Rolle der Industrie für die Klimawende. (digitale) Zukunft aber meistern! I m Gespräch mit JI-Wien-Vorstandsmit- soziale Tragweite vieler Forderungen der Herzlichst Euer glied Ludwig Malina-Altzinger schilderte Gruppierung betonte Hiss die Bedeutung von Hiss, dass das Pariser Klimaziel von 1,5 „Klimagerechtigkeit“, also einer Bewältigung Grad über dem vorindustriellen Niveau der Klimakrise, die soziale Erwägungen mit- im Zentrum aller politischen Bemühun- einbezieht. Die Corona-Pandemie würde hier gen stehen müsse. Dafür sei Klimaneutralität eine Chance bieten, durch gezielte Förderun- bis 2030 – so eine zentrale Forderung von gen nachhaltige Investitionen zu unterstüt- FFF – unumgänglich, was nur durch radikale zen. Die österreichische Industrie könne bei Matthias Unger, Maßnahmen wie das Ende „fossiler Groß- der Klimawende ein wichtiger Partner sein Bundesvorsitzender der Jungen Industrie projekte“ oder eine „Ressourcenbesteuerung und im Dialog mit der Klimabewegung inno- der fossilen Industrie“ erreicht werden kön- vative Lösungen entwickeln, die Ökonomie ne. Angesprochen auf die ökonomische und und Ökologie unter einen Hut bringen. JI-FACTBOX IMPRESSUM Herausgeber, Medieninhaber und Redaktion: Vereinigung der Österreichischen Industrie (Industriellenvereinigung), Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien, Tel.: 01/711 35-2308, E-Mail: positionen@iv.at, Homepage: www.iv.at, ZVR: 806801248, LIVR-N.: 00160, EU-Transparenzregister Nr.: 89093924456-06, Vereinszweck gemäß § 2 Statuten: Die Industriellenvereinigung (IV) bezweckt, in Österreich tätige industrielle Eine Milliarde Euro zusätzlich und im Zusammenhang mit der Industrie stehende Unternehmen sowie deren Eigentümer und Führungskräfte in freier und demokratischer Form zusammenzufassen; ihre Interessen besonders in beruflicher, pro Jahr stünde für die Elementar- betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene zu vertreten und wahrzunehmen, industrielle Entwicklungen zu fördern, Rahmenbedingungen für Bestand und Entscheidungsfreiheit des Unternehmertums zu sichern und Verständnis für Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu verbreiten. pädagogik in Österreich zur Ver- Chefredaktion: Robert Albrecht, Stefan Tilsner. Lektorat: Brigitte Mayr. Verantwortlich für den Inhalt: Mathias Burtscher, Joachim Haindl-Grutsch, Johannes Höhrhan, Eugen Stark, Claudia Mischensky, Gernot fügung, wenn Österreich zumindest Pagger, Ingrid Puschautz-Meidl, Michaela Roither, Irene Schulte. Für den Inhalt der letzten drei Seiten zeichnet die jeweilige Landesgruppe verantwortlich. Grafik: Petra Matovic, Nina Mayrberger. so viel in frühkindliche Bildung Fotos: JI/Schreiber, AdobeStock Druck: BULU - Buchdruckerei Lustenau GmbH, 6890 Lustenau. Erscheinungsort: Wien. Offenlegung nach § 25 des Mediengesetzes: iv-positionen erscheint 10x jährlich in einer Auflage von 8.300, Unternehmens- gegenstand: Information zu industrie- und gesellschaftspolitischen Themen für Mitglieder der Industriellenvereinigung und Meinungsträger in Österreich. Siehe auch unter www.iv.at investieren würde wie der Schnitt Fotos (Cover bzw. Coverstory): Buchdruckerei Lustenau/Fasching, AdobeStock, IV-Burgenland/Energie Burgenland, IV-Kärnten/AdobeStock, IV-NÖ/AdobeStock, der EU-Staaten. (OECD, Family IV-OÖ/iStock, IV-Salzburg/AdobeStock, IV-Steiermark/AdobeStock, IV-Tirol/AdobeStock, IV-Vorarlberg/ AdobeStock, IV-Wien/iStock benefits public spending 2019) Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf geschlechtsspezifische Endungen verzichtet. Die verwendeten Bezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter gleichermaßen. April/Mai 2021 | iv-positionen 9
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