Unterschiede in der Infrarotthermographie zwischen Gesunden und Personen mit Achillestendinopathie - Universität ...
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Unterschiede in der Infrarotthermographie zwischen Gesunden und Personen mit Achillestendinopathie Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science (MSc) am Interfakultären Fachbereich Sport- und Bewegungswissenschaft/USI eingereicht von Daniela Lux 01363464 Gutachter: Univ.-Prof. Mag. Dr. Erich Müller Salzburg, Dezember 2020
Eidesstattliche Erklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet, und die benutzten Quellen beziehungsweise wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Hallein, den 28.12.2020 iii
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................ v Abstract ...................................................................................................................... vi 1 Einleitung ............................................................................................................. 7 1.1 Überblick Infrarotthermographie ..................................................................... 7 1.1.1 Biologische und physikalische Grundlagen ................................................ 7 1.1.2 Einflussfaktoren auf das Thermogramm ..................................................... 9 1.1.3 Hauptgütekriterien .................................................................................... 11 1.1.4 Medizinische Anwendungsbereiche ......................................................... 13 1.1.5 Infrarotthermographie im Sport ................................................................. 17 1.2 Achillestendinopathie .................................................................................... 22 1.2.1 Begriffsbestimmung .................................................................................. 22 1.2.2 Sehnenhistologie ...................................................................................... 24 1.2.3 Ursachen und Risikofaktoren.................................................................... 28 1.2.4 Diagnostik ................................................................................................. 30 1.2.5 Therapeutische Verfahren ........................................................................ 31 1.2.6 Prävention und Infrarotthermographie ...................................................... 33 1.3 Fragestellungen und Hypothesen ................................................................. 35 2 Methodik ............................................................................................................ 37 2.1 Personenauswahl ......................................................................................... 37 2.2 Untersuchungsdesign ................................................................................... 37 2.2.1 Lagebestimmung der Achillessehne ......................................................... 38 2.2.2 Infrarotthermographische Untersuchung .................................................. 39 2.2.3 Kurzfristige Trainingsbelastung ................................................................ 41 2.3 Datenauswertung .......................................................................................... 43 3 Ergebnisse ......................................................................................................... 45 3.1 Ergebnisse der Ruhemessung (IRTpre-ex) ...................................................... 46 3.2 Ergebnisse nach Trainingsintervention (IRTpost-ex) ........................................ 47 4 Diskussion ......................................................................................................... 50 5 Conclusio ........................................................................................................... 62 Literaturverzeichnis ................................................................................................. lxiv Anhang .................................................................................................................. lxxvii iv
Abkürzungsverzeichnis IRT Infrarotthermographie US Ultraschall MRT Magnet-Resonanz-Tomographie Ɛ Emissionsfaktor TP Tendinopathie A-TP Achillestendinopathie ROI Region of Interest Tsk Körperoberflächentemperatur ∆T Temperaturseitendifferenz M. Muskel (lat.: musculus) ECM Extrazelluläre Matrix SPG Sprunggelenk HSR Heavy Slow Resistance Training v
Abstract Einleitung. Die Infrarotthermographie (IRT) ermöglicht in der Sportwissenschaft ein Abbild der Körperoberflächentemperatur (Tsk), welches die Thermoregulation bei Belastung widerspiegelt und Aufschluss über Pathologien liefern kann. Regelmäßiges IRT-Screening scheint im Fußball eine wirksame Strategie zur Verletzungsprävention zu sein, sodass dies möglicherweise auch für die Prävention von Achilles- tendinopathien (A-TP) sinnvoll wäre. Aufgrund diesbezüglich mangelnder Literatur ist es das Ziel dieser Arbeit, die Temperaturen von tendinopathischen und gesunden Sehnen im Ruhezustand und nach Belastung zu vergleichen, um eine Grundlage für weiterführende Forschung zu schaffen. Methodik. Es wurden Personen mit A-TP (TP-Gruppe, n=8) und beschwerdefreie Personen (Kontrollgruppe, KG, n=9) mittels Infrarotkamera (FLIR T840) untersucht. Vor und nach einer unilateralen Krafttrainingsbelastung erfolgte die Bildaufnahme der unteren Extremitäten. Die Temperaturauswertung der Achillessehne erfolgte durch manuelle ROI-Setzung (FLIR Tools+), wobei Tsk und Seitendifferenzen (∆T) auf Gruppenunterschiede und Veränderungen durch Training analysiert wurden. Ergebnisse. Statistische Analysen ergaben in Ruhe einen signifikanten Unterschied von Tsk zwischen tendinopathischem und trainiertem Bein in der KG (p=.020), keinen Unterschied hingegen für das nicht-trainierte Bein sowie ∆T. Die tendinopathische Sehne zeigte sich in 6 von 7 Fällen im Seitenvergleich hypotherm. Durch das Training traten im nicht-trainierten Bein beider Gruppen signifikante Veränderungen von - 1,37 ± 0,92°C (KG, p=.002) und - 1,64 ± 1,04°C (TP, p=.006) auf, im trainierten Bein hingegen nicht. Dies führte in der KG zu einer signifikanten Veränderung der ∆T von 0,57 ± 0,42°C zu 1,57 ± 0,51°C (p=.008). Diskussion. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Tendinopathie im Infrarotbild keine Anzeichen für Entzündung, sondern im Gegenteil eine Hypothermie zeigt, deren Ursache noch unklar ist. Die Temperaturveränderung der Sehne durch Training verhielt sich zwischen den Gruppen ähnlich und stimmte teils mit IRT-Untersuchungen an Muskeln überein. Zukünftige Studien sollten die Ergebnisse an größeren Stichproben testen und den Temperaturverlauf nach Belastung über mehrere Stunden und Tage beobachten, um Aufschluss über normale und pathologische Reaktionen zu geben, was für die Implementierung von Präventionsstrategien notwendig wäre. vi
1 Einleitung 1.1 Überblick Infrarotthermographie Die Infrarotthermographie (IRT) beschreibt das passive, kontaktlose Messen der von einem Körper abgegebenen Infrarotstrahlung. Durch den direkten Zusammenhang zwischen Infrarotstrahlung und Wärmeabgabe lässt sich mithilfe einer Infrarotkamera ein Abbild der Körperoberflächentemperatur (Tsk) festhalten (Tattersall, 2016). Bekannt ist ihr Einsatz vor allem im Bereich der Industrie, Gebäudetechnik und dem Militär, findet jedoch seit geraumer Zeit auch vermehrt Anwendung im medizinisch-therapeutischen Kontext. Dass körperlicher Stress (z.B. in Form einer Verletzung, Überlastung oder Krankheit) diverse Entzündungsprozesse hervorruft, gilt in der Medizin als unumstritten. Bereits Hippokrates konstatierte, dass eine ungleiche Wärmeentwicklung ein Zeichen von Krankheit darstellt (Hildebrandt et al., 2012). Dieser gesteigerten Wärmeproduktion liegt im Allgemeinen eine Gefäßdilatation im betroffenen Körperteil zugrunde, die mit einer erhöhten Exsudation und Durchblutung einhergeht. In der Folge treten an der Hautoberfläche Entzündungsreaktionen wie Rötung, Schwellung, Schmerz und Wärme auf (Egger, 2005). Um abnorme Temperaturen quantifizieren zu können, wurden im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Arten von Temperaturmessgeräten entwickelt, wobei es bis zum Jahre 1800 dauerte, bis man die Infrarotstrahlung entdeckte. Sir William Herschel legte mit seiner damaligen Erkenntnis den Grundstein für die heute bekannte, kontaktlose Infrarotthermographie. 1.1.1 Biologische und physikalische Grundlagen Um mit Infrarotthermographie arbeiten zu können, bedarf es Hintergrundwissen einerseits über die menschliche Thermoregulation und andererseits über die Physik der Wärmestrahlung, derer beider Grundlagen im Folgenden erläutert werden sollen. Der menschliche Körper strebt nach einer konstanten Kerntemperatur, die sich im Normalfall in einem kleinem Bereich um 37°C bewegt. Zentrale und periphere Thermorezeptoren senden hierfür Informationen an ein bestimmtes Areal im anterioren Hypothalamus, die sogenannte Area praeoptica. Sie dient somit als zentrales Steuerungsorgan der Thermoregulation (Romanovsky, 2007). Wird die Homöostase beispielsweise durch externe oder interne Einflüsse gestört, werden thermoregulative 7
Mechanismen in Gang gesetzt, welche Konduktion, Konvektion, Evaporation und Radiation umfassen. Konduktion beschreibt dabei den Wärmeaustausch zwischen zwei Körpern bei direktem Kontakt. Ähnlich hierzu verhält sich der Mechanismus der Konvektion, bei der Wärmeaustausch zwischen einem Körper und der ihn umgebenden Luft oder Flüssigkeit stattfindet. Der Austausch folgt dabei immer dem vorherrschenden Temperaturgradienten von höherer zu niedrigerer Temperatur. Weitaus besser bekannt ist die Evaporation, die Wärmeabgabe durch Verdunstung. Der menschliche Körper gibt hierfür sowohl über die Hautoberfläche (Schweiß) als auch über das respiratorische System Wasser ab (Tansey & Johnson, 2015). Der vierte und für die Infrarotthermographie wichtigste Mechanismus ist die Radiation, also die Wärmeabgabe über elektromagnetische Strahlung. Im Grunde gibt jeder Körper diese Strahlung ab, welche sich im für den Menschen unsichtbaren Wellenlängenbereich von 0,8 – 14µm bewegt und von der Temperatur eines Körpers abhängig ist (Harrap et al., 2018). Der grundlegende Zusammenhang zwischen Infrarotstrahlung und Temperatur wurde erstmals im Planck‘schen Strahlungsgesetz festgehalten, welches sich jedoch auf einen „Schwarzen Körper“ bezieht und somit nicht direkt für reale Körper anwendbar ist. Diese abstrahierte Art von Körper hätte einen Emissionsgrad von Ɛ = 1, würde also alle auftreffende Strahlung von außen perfekt absorbieren und so die höchstmögliche Strahlung emittieren. Der Emissionsgrad, auch Emissivität genannt, realer Körper liegt hingegen bei Ɛ < 1, da diese neben der körpereigenen Strahlung auch reflektierte und transmittierte Strahlung aussenden. Wie hoch der Anteil an Reflexion und Transmission ist, ist hauptsächlich von Material und Oberflächenbeschaffenheit abhängig, wobei für die menschliche Hautoberfläche ein Emissionsgrad von 0,95 – 0,98 angenommen wird (Tattersall, 2016). Um ein möglichst genaues Abbild der tatsächlich vom Körper selbst emittierten Infrarotstrahlung zu erhalten, wird die Temperatur daher unter Berücksichtigung des entsprechenden Emissionsfaktors mittels mathematischer Formeln berechnet. Dies geschieht in den meisten Fällen bereits durch die Einstellung des Emissionsfaktors an der Infrarotkamera, kann aber auch im Nachhinein einberechnet werden. Über eine korrekte Anwendung der Infrarotthermographie ist es folglich möglich, die Temperatur der menschlichen Hautoberfläche zu berechnen und darzustellen. 8
Diese unterliegt ständig den oben genannten Thermoregulationsmechanismen, welche einerseits durch Umgebungseinflüsse, andererseits durch körperlichen Stress (z.B. Training) ausgelöst werden können. Über welche Bahnen diese Prozesse gesteuert bzw. initiiert werden, konnte zwar noch nicht zur Gänze aufgeklärt werden, jedoch scheinen der Neurotransmitter Acetylcholin sowie seine Co-Transmitter eine zentrale Rolle einzunehmen (Tansey & Johnson, 2015). Steigt die Körperkern- temperatur über einen gewissen Wert an, werden Evaporation und eine Vasodilatation der hautnahen Blutgefäße initiiert, um das Blut möglichst nahe an die Oberfläche zu bringen (Charkoudian, 2003). Dies wiederum ermöglicht, dass über Konvektion und gegebenenfalls Konduktion Wärme aus dem Körperinneren an die Oberfläche geleitet und folglich an die Umgebung abgegeben werden kann (Tansey & Johnson, 2015). Eine zu niedrige oder abfallende Körpertemperatur bewirkt hingegen eine Verminderung der Wärmeabgabe durch oberflächliche Vasokonstriktion und regt in weiterer Folge Prozesse der Thermogenese an. Hierzu zählen die unwillkürliche Kontraktion der Skelettmuskulatur (Kältezittern) und die Wärmeproduktion mithilfe des braunen Fettgewebes (Charkoudian, 2016). Die beschriebenen Regulationsmechanismen zum Erhalt der Körperkern- temperatur finden also unentwegt statt und werden in der Infrarotthermographie durch die Aufnahme der Körperoberflächentemperatur abgebildet. 1.1.2 Einflussfaktoren auf das Thermogramm Die IRT bietet aufgrund ihrer nicht-invasiven und schnellen Funktionsweise diverse Anwendungsvorteile, ist jedoch aus denselben Gründen anfällig für Umwelteinflüsse und andere Störfaktoren. Auf den Ebenen Umwelt, Technik und Individuum wirken je eine Vielzahl an Faktoren – teilweise kontrollierbar, teilweise nicht beeinflussbar –, die minimiert und unbedingt dokumentiert werden sollten, um Fehlern in der Datenaufnahme und -auswertung vorzubeugen. Welche Faktoren dies sind, wurde von Fernández-Cuevas et al. (2015) in einem umfangreichen Review-Artikel untersucht. Viele Faktoren aus den Bereichen Umwelt und Technik lassen sich sehr gut kontrollieren. Das Infrarotbild wird im Sektor Umwelt unter anderem von Raumgröße, -temperatur, -feuchtigkeit, Luftdruck und äußeren Strahlungsquellen (z.B. Fenster, Beleuchtung) beeinflusst. Ein Konsens über die optimale Raumtemperatur wurde noch nicht gefunden, da die Wahl der Temperatur vom Ziel der Untersuchung abhängt. 9
Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass eine Spanne von 18°C – 25°C eingehalten werden sollte. Wichtig zu beachten ist in Bezug auf die Raumtemperatur auch die Akklimatisationszeit vor den jeweiligen Messungen. Fernández-Cuevas et al. (2015) empfehlen auf Grundlage ihres Reviews eine durchschnittliche Gewöhnungszeit von 15 Minuten, mindestens jedoch 10 Minuten. Einflussfaktoren aus dem technischen Bereich beziehen sich vor allem auf die Positionierung und Einstellung der Infrarotkamera, welche immer im rechten Winkel zur untersuchten Körperoberfläche ausgerichtet werden sollte. Die empfohlene Distanz variiert je nach Größe des zu untersuchenden Areals und sollte so klein wie möglich gewählt werden, um eine ausreichend große Pixelzahl zu erreichen. Weiters spielen Auflösung, Genauigkeit und korrekte Kalibrierung der Infrarotkamera eine wichtige Rolle bei der Bildaufnahme. Für die anschließende Auswertung bedarf es in der Folge einer speziellen Software, mit der die Temperatur festgelegter Regions of Interest (ROIs) ausgewertet werden kann. Diese ROIs sollten anhand von anatomischen Strukturen festgelegt werden und möglichst dieselbe Pixelanzahl für beide Körperseiten aufweisen, um wiederholte Messungen durchführen zu können. Weniger gut kontrollierbar und seltener erforscht sind die individuellen Einflussfaktoren, welche sich wiederum in intrinsische und extrinsische Faktoren unterteilen lassen. Zu den wichtigsten intrinsischen Parametern zählen das Geschlecht, das Alter, die Anthropometrie, der zirkadiane Rhythmus sowie die Krankheitsgeschichte und der individuelle Blutfluss. Dass es in der IRT zu Unterschieden zwischen Männern und Frauen kommt, begründet sich durch eine unterschiedliche Stoffwechselrate, eine andere Körperfettverteilung und Temperatur- schwankungen im Verlauf des weiblichen Zyklus (Fernández-Cuevas et al., 2015). In 59% der ausgewerteten ROIs zeigten sich signifikante Temperaturunterschiede von bis zu 1,0°C zwischen den Geschlechtern (Marins et al., 2014). In Bezug auf die Anthropometrie fand man heraus, dass zwischen Body Mass Index (BMI) und Fettanteil (in %) und der Hauttemperatur in den meisten Körperbereichen eine signifikante, negative Korrelation besteht (Chudecka & Lubkowska, 2015). Die Körpertemperatur selbst unterliegt – unabhängig vom Geschlecht – tageszeitlichen Schwankungen, welche hauptsächlich von körperlicher Aktivität abhängig sind und nur in geringem Ausmaß beeinflussbar sind. Da der Vormittag Studien zufolge eine Phase stabilerer Temperatur darstellt, empfiehlt sich eine 10
Datenaufnahme vor 12.00 Uhr. Extrinsisch beeinflusst wird das Thermogramm durch die Einnahme diverser Substanzen (z.B. Medikamente, Kaffee, Alkohol), das Auftragen von Cremes oder Gels, Sonneneinstrahlung, manueller Therapie und körperlicher Aktivität (Fernández-Cuevas et al., 2015). Um die genannten Einflussfaktoren möglichst genau zu kontrollieren und Studien somit allgemein vergleichbar zu machen, wurde an der University of Glamorgan ein standardisiertes Testprotokoll entwickelt (Ammer, 2008). Die genaue Befolgung dieses Protokolls wirkte sich positiv auf die Reliabilität und Validität und damit die Qualität der medizinischen Infrarotthermographie aus (Ammer, 2008). Weiters empfehlen Moreira et al. (2017) vor Aufnahme eines Thermogramms die Durchführung einer eigens entworfenen Checkliste, die es ermöglicht, Einflussfaktoren detailliert zu ermitteln. 1.1.3 Hauptgütekriterien Trotz umfangreicher Testung und Anwendung der Infrarotthermographie herrscht hinsichtlich der Erfüllung der Hauptgütekriterien bis heute Uneinigkeit. Aufgrund der enormen Weiterentwicklung der Infrarottechnik können ältere Studien (vor 1990) kaum mehr für die Evaluation von Reliabilität und Validität herangezogen werden und werden deshalb in dieser Arbeit wenig diskutiert. Wichtige Kriterien zur Einschätzung der Testqualität sind Inter- und Intrarater- Reliabilität. Dabei wird einerseits überprüft, ob mehrere, unabhängige Testleiter/innen zu einem Messzeitpunkt (Interrater-Reliabilität), und andererseits, ob die/der gleiche Testleiterin/Testleiter zu unterschiedlichen Messzeitpunkten (Intrarater-Reliabilität) zu dem gleichen Ergebnis kommen (Underwood, 2017). Vergleicht man die Auswertungen von Infrarotthermogrammen mehrerer Untersucher, so zeigten sich im Rangmittelvergleich bei Melnizky et al. (1997) Werte von 0,87 bzw. 0,9 für zwei verschiedene Messzeitpunkte, wobei sich die Temperaturen im Mittel nur um etwa 0,1°C unterschieden. Diese Studie wurde nur mit einer sehr kleinen und spezifischen Stichprobe (n = 3, Personen mit Thoracic Outlet Syndrom) durchgeführt und sollte deshalb nicht als allgemeingültig angesehen werden. Eine größere Untersuchung an gesunden Testpersonen ergab jedoch mit Intraklassen-Korrelationen (ICC) von 0,88 (absolute Temperatur) und 0,68 (Temperatur-Seitendifferenz, ∆T) eine ähnlich gute bis sehr gute Interrater-Reliabilität (Zaproudina et al., 2008). Die höchsten Korrelationen mit einen ICC-Wert von 0,999 konnten Fernández-Cuevas et al. (2012) 11
mithilfe einer speziell entwickelten Software erzielen. Diese Software nimmt eigenständig eine Segmentierung und Temperaturauswertung vor und reduziert dadurch die Fehlerquote bei der Auswertung durch unterschiedliche Untersuchungspersonen. Bedeutsam ist außerdem, wie stabil Messwerte über eine längere Zeitspanne sind. Zaproudina et al. (2008) untersuchten in ihrer Studie neben der oben diskutierten Interrater- auch die Intrarater-Reliabilität und nahmen dafür im Abstand von 24 Stunden zwei Infrarotthermogramme derselben Personen auf. Im Durchschnitt über alle Körpersegmente zeigte sich zwischen den beiden Thermogrammen eine mittelmäßige Korrelation von 0,47 für die absolute Temperatur, beziehungsweise 0,40 für die Temperaturseitendifferenz (∆T). Gute ICC-Werte wurden in den Segmenten des Rumpfes, des Oberarmes und der Wade gefunden (ICC: 0,66 – 0,72). Nur mäßig korrelierten die proximalen Körperteile Hand, Fingerspitzen, Zehen und Unterarme (ICC: 0,16 – 0,40). Das Knie zeigte im Tag-zu-Tag-Vergleich lediglich geringe Varianzen von 0,02°C bei ICC-Werten von 0,75 – 0,85 (Hildebrandt & Raschner, 2009; Zaproudina et al., 2008). Vergleicht man Thermogramme in kürzeren Abständen (fünf Sekunden bzw. drei Stunden), zeigt sich durchwegs eine gute bis sehr gute Reproduzierbarkeit (ICC: 0,997 bzw. 0,899) (Fernández-Cuevas et al., 2012; Varjú et al., 2004). Um im Tagesvergleich eine gute Reliabilität erzielen zu können, ist es unbedingt notwendig, die in Punkt 1.1.2 „Einflussfaktoren auf das Thermogramm“ beschriebenen Aspekte zu berücksichtigen. Die Infrarotthermographie gilt in vielen Bereichen der Technik und Medizin als valide Form der Temperaturmessung, obwohl ihre Validität bis zum heutigen Tag lediglich in sehr spezifischen Anwendungsbereichen und nicht global überprüft wurde. Trotz der enormen technischen Weiterentwicklung der Infrarotkameras können die gemessenen Temperaturen um bis zu 1°C (bzw. 1%) von der Wirklichkeit abweichen (Fernández-Cuevas et al., 2015). Diese Abweichung lässt sich bereits an der Genauigkeit der jeweiligen Kamera erkennen und beträgt je nach Modell und Hersteller etwa 1 – 2%. Mittels Infrarotkamera gemessene Temperaturen zeigten im Vergleich mit Thermoelementen und anderen Kontakt-Messgeräten signifikante Unterschiede vor, während und nach einer körperlichen Belastung. Dabei betrugen die Fehlerwerte zwischen 0,83°C – 1,88°C (Bach et al., 2015) bzw. 0,75°C – 1,22°C (Fernandes et al., 2014). 12
Dieser Mangel an Validität ist einer der limitierenden Faktoren in der Infrarotthermographie. So muss man sich bei der Verwendung dieser Art der Temperaturmessung immer bewusst sein, dass das Thermogramm kein direktes Abbild der realen Temperatur ist, was wiederum bedeutet, dass direkte Vergleiche zwischen mehreren Personen oder unterschiedlichen Studien nur eingeschränkt möglich sind. Infolge dieser Problematik entwickelte sich die Idee, keine absoluten Temperaturen auszuwerten, sondern die Tsk lediglich in ihrer Seitengleichheit zu interpretieren. Die Grundlage dafür bietet die Theorie, dass das thermoregulatorische System einen symmetrischen Aufbau zeigt (Ranson, 1993, zitiert nach Niu et al., 2001). Davon ausgehend sollten beide Seiten eines Körpers die gleiche Temperaturverteilung aufweisen, andernfalls liegt eine Verletzung oder Erkrankung vor. Wie man herausfand, treten jedoch auch bei gesunden Menschen nicht selten Asymmetrien auf. Im Bereich der Achillessehne wurde bei gesunden Läuferinnen und Läufern ein durchschnittlicher Seitenunterschied von 0,50 ± 0,43°C dokumentiert (Tumilty et al., 2019). Es ist eindeutig, dass die Symmetrie vom Rumpfbereich hin zu den distalen Gliedmaßen abnimmt. Fand man am Rumpf durchschnittliche Temperaturunterschiede von 0,10°C – 0,13°C, so zeigten sich in Händen und Füßen bereits eine ∆T von 0,30°C – 0,64°C (Lahiri et al., 2012; Zaproudina et al., 2008). Die Zusammenfassung mehrerer Studien ergibt letztlich, dass eine ∆T von < 0,5°C als normal und ≥ 0,5°C als klinisch bedeutsam angesehen werden kann (Lahiri et al., 2012; Selfe et al., 2008; Sillero-Quintana et al., 2015). 1.1.4 Medizinische Anwendungsbereiche Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Infrarottechnologie machte es möglich, ihr Forschungs- und Anwendungsgebiet fortlaufend zu erweitern. Wurde die Infrarottechnik zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem noch zu militärischen Zwecken verwendet, hielt sie bereits um 1960 Einzug in die medizinische Diagnostik (Ring, 2007). Es ist weithin bekannt, dass es im Zuge einer Verletzung oder Erkrankung oftmals zu einer komplexen, entzündlichen Reaktion im betroffenen Körperteil kommt. Neben den Kardinalzeichen Schwellung, Schmerz, Funktionseinschränkung und Rötung, zeichnet sich meist eine Überwärmung ab. Diese Wärme ist hauptsächlich bedingt durch die Weitstellung umgebender Blutgefäße, die eine erhöhte Blutfülle mit sich 13
bringt (Ammer & Ring, 2010). Eben diese oberflächliche Erwärmung lässt sich mithilfe einer Infrarotkamera veranschaulichen und genau dokumentieren. Das Prinzip machte man sich bereits Anfang der 1970er Jahre zunutze, als man in ersten Studien das Krankheitsbild der Arthritis untersuchte. Da Arthritis eine primär entzündliche Erkrankung ist, lag die Vermutung nahe, dass sich die Entzündung beispielsweise in den Fingergelenken im Thermogramm widerspiegeln würde. Ring und Collins (1970) fanden heraus, dass die Tsk tatsächlich mit diversen Entzündungsparametern im Gelenk in Zusammenhang stand (zitiert nach Ring & Ammer, 2012). Aus Infrarotbildern ließ sich zudem die Wirkung und Effektivität spezifischer, entzündungshemmender Medikamente ablesen, indem die Temperatur über den betroffenen Gelenken nach der Medikamentengabe beobachtet wurde (Ring & Ammer, 2012). Neben der Diagnostik entzündlicher Erkrankungen gibt die IRT ebenso Aufschluss über unterschiedliche Gefäßerkrankungen und Durchblutungsstörungen, wie sie beispielsweise beim Raynaud-Syndrom, Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) und Karpaltunnelsyndrom auftreten (Ammer & Ring, 2010). In diesem Zusammenhang sollte auch die wichtige Möglichkeit zur Beobachtung und Diagnostik von diabetischen Neuropathien (z.B. diabetischer Fuß) genannt werden, welche durch veränderte Temperaturmuster gekennzeichnet sind und so frühzeitig bei Risikopatient/inn/en festgestellt werden können (Lahiri et al., 2012). Nicht nur eine verminderte vaskuläre Versorgung lässt sich im Thermogramm erkennen, sondern auch eine verringerte nervale Aktivität. Forschungen lassen vermuten, dass es im Zuge einer Nervenkompression zu einer verminderten Wärmeabstrahlung im zugehörigen Dermatom kommt, was im Infrarotthermogramm im Vergleich zur anderen Körperhälfte als hypothermer Bereich aufscheint. Die genauen Hintergründe wurden zwar noch nicht umfassend geklärt, die Autoren gehen jedoch davon aus, dass eine vermehrte Sympathikusaktivierung und in Folge eine Vasokonstriktion auftritt, die eine verringerte Durchblutung bewirkt (Ammer & Ring, 2010). Zu Beginn der Forschung wurde vermutet, dass sich die IRT auch zur Diagnostik von Mammakarzinomen verwenden ließe. Diese Hypothese basierte darauf, dass Tumore generell eine höhere Stoffwechselrate und eine punktuell erhöhte Blutversorgung aufweisen, welche als Hot Spots im Thermogramm erkennbar wären. Bis heute ist die Verwendung der Infrarottechnik in der Brustkrebsdiagnostik aber sehr umstritten, zumal sie laut Studien zwar eine ausreichend hohe Spezifität (85%), aber 14
eine geringe Sensitivität (25%) und positive Vorhersagekraft (24%) besitzt und daher Alternativen wie Mammographie, MRT oder Ultraschall besser zur Diagnostik geeignet sind (Kontos et al., 2011). Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sich damit maligne Melanome an der Hautoberfläche identifizieren und beobachten lassen (Ring & Ammer, 2012). Ein weiteres Forschungsgebiet, welches im Laufe der letzten Jahrzehnte besonders in den Fokus gerückt ist, ist die (Verlaufs-)Diagnostik von traumatischen Verletzungen und chronischen Überlastungszuständen. Sillero-Quintana et al. (2015) unternahmen hierfür eine umfangreiche Studie in einem spanischen Krankenhaus, in welcher Notfallpatient/inn/en sowohl mittels herkömmlicher Diagnostik als auch mittels Infrarotthermographie untersucht wurden. Die diversen Diagnosen und Verletzungsareale wurden anschließend in Hinblick auf die Tsk und deren Seitendifferenzen zwischen verletzter und unverletzter Seite verglichen. Wie bereits aus früheren Studien bekannt, konnte die Temperaturerhöhung im Falle einer Arthrose (+ 1,0°C) bestätigt werden. Außerdem zeigten sich bei Knochenbrüchen, Verstauchungen/Bänderrissen, Meniskusverletzungen, Prellungen, Synovitis, Chondromalazie, Tendinitis und allgemeinem Schmerzzustand signifikante Temperatur-Seitenunterschiede im Ausmaß von + 0,4 bis + 1,0°C. Auch bei Muskelfaserrissen, wie sie häufig in Verbindung mit Sportausübung vorkommen, trat eine durchschnittliche ∆T von + 0,8°C auf, wobei dieses Ergebnis aufgrund der geringen Personenzahl nicht signifikant war. Schwieriger hingegen ist ein Vergleich von Infrarotthermogrammen bei verschiedenen Wirbelsäulenerkrankungen und -beschwerden, welche in einem Review von Ammer und Ring (2010) diskutiert wurden. Da selbst Gesunde nur selten ein typisches, symmetrisches Thermogramm aufweisen, ist eine Diagnostik von Wirbelsäulenverletzungen auf Basis der Thermographie sehr kritisch zu sehen. Eine seit Jahren häufig untersuchte Verletzung, die vor allem bei Überkopfsportarten (z.B. Wurfsportarten, Schwimmen oder Klettern) auftritt, ist das Impingement-Syndrom der Schulter. Die Ergebnisse hinsichtlich infrarotthermo- graphischer Beobachtungen sind hier jedoch uneindeutig. Einerseits zeichneten sich bei akuten Schulterbeschwerden mit positiven Impingementzeichen einer Schwimmerin Hot Spots im Bereich der Supraspinatus-Insertion ab (Hildebrandt et al., 2012). Eine umfangreichere Studie wies hingegen bei 51% der von Impingement 15
Betroffenen eine Hypothermie im Schulterareal nach, die mit einer verringerten Range of Motion (ROM) in Verbindung stand (Park et al., 2007). Die Autor/inn/en vermuteten als Ursache für die Hypothermie eine durch Aktivitätseinschränkung verursachte Muskelatrophie, die zu einer Abnahme des kapillären Blutflusses führte. Ring und Ammer (2012) kommen in ihrem Review-Artikel zu einem ähnlichen Schluss. Eindeutig erkennbar ist eine bereichsspezifische Hyperthermie bei tendinöser Überlastung. So ergaben sich bei infrarotthermographischen Untersuchungen von Personen mit Epicondylitis lateralis („Tennisarm“) Hot Spots über dem entsprechenden Muskelursprung der Handgelenksextensoren im Ellbogen, was häufig auch mit einer Bursitis einherging. Dies könnte beispielsweise auch die lokale Hyperthermie in Zusammenhang mit Impingement-Syndrom bei Hildebrandt et al. (2012) erklären, da es durch die mit der Erkrankung einhergehenden Verengung des subacromialen Raumes häufig zu einer Bedrängung und Reizung der hier verlaufenden Sehne des M. supraspinatus kommt (Garving et al., 2017). Die ebenfalls durch Überlastung hervorgerufene Patella-Insertionstendinopathie zeigte sich bei Skirennsportler/inne/n in Form einer verringerten Schwelle für Druckschmerz und durchschnittlichen Seitendifferenzen von + 1,4 ± 0,58°C bzw. + 1,1 ± 0,71°C an der betreffenden Patellarinsertion (Hildebrandt et al., 2010; Hildebrandt et al., 2012). Fasst man die medizinischen Anwendungsgebiete der Infrarotthermographie zusammen, so lässt sich sagen, dass sich die IRT zwar nicht bei allen, aber bei einer Vielzahl an Krankheitsbildern und Verletzungen als nützliches, diagnostisches Tool erweisen würde. Obgleich dieser Ergebnisse und der schnellen, nichtinvasiven Anwendungsmöglichkeit der Infrarotkamera haben konventionelle, bildgebende Verfahren wie Röntgen, MRT oder Ultraschall in der Gesellschaft einen so hohen Stellenwert, dass es nur schwer möglich ist, diese durch ein neues Verfahren zu ergänzen oder zu ersetzen. 16
1.1.5 Infrarotthermographie im Sport Auch wenn sich die Infrarottechnik im klinischen Setting wohl in nächster Zeit nicht durchsetzen wird, so findet sie dennoch seit Anfang des 21. Jahrhunderts verstärkt Anwendung in der sportwissenschaftlichen Forschung und Praxis. Bei körperlicher Belastung kommt es unter Aktivierung der Muskulatur zur Steigerung des Metabolismus und damit einhergehend zu einer gesteigerten Körperkerntemperatur. Wie in Kapitel 1.1.1 beschrieben regt diese erhöhte Körperkerntemperatur diverse Thermoregulationsmechanismen wie Evaporation und Vasodilatation der hautnahen Blutgefäße an, wodurch der Körper über die Hautoberfläche Wärme abgeben und somit die Temperaturhomöostase aufrechterhalten kann (Charkoudian, 2003; Tansey & Johnson, 2015). Da sich diese erhöhte Wärmeabgabe und damit verbundene Radiation mithilfe der Infrarotthermographie erfassen lassen, ist es folglich möglich, die thermoregulative Anpassung des Körpers bei sportlicher Aktivität zu beobachten (Chudecka & Lubkowska, 2012). Seit Beginn der sportwissenschaftlichen Forschung wurden daher viele Studien durchgeführt, die gewisse thermoregulative Muster zu eruieren versuchten. Dennoch liegen zum jetzigen Zeitpunkt teils nur sehr heterogene Ergebnisse vor (Hillen et al., 2020). Worüber bereits Einigkeit besteht ist die Abhängigkeit der Temperaturentwicklung von Intensität und Dauer der körperlichen Belastung. Fernández-Cuevas (2012) gelangte in seiner Arbeit zu dem Schluss, dass (1) konstante, länger andauernde Aktivität niederer Intensität zu einer Erhöhung der Tsk unmittelbar nach der Belastung führte, wohingegen bei (2) ansteigender, intervallartiger oder maximaler körperlicher Belastung im Allgemeinen eine Temperaturreduktion zu sehen war. In Studien, die Fall (1) untersuchten, wurde durchwegs von einer direkt zu Beginn des Trainings eintretenden, kurzzeitigen Reduktion der Tsk berichtet (Fernández- Cuevas, 2012; Hildebrandt et al., 2012; Neves et al., 2015; Priego-Quesada et al., 2016). Die Ursache hierfür vermutet man in der anfänglich stattfindenden Blutumverteilung hin zur aktiven Muskulatur und der durch Sympathikus- Reflexaktivierung initiierten Vasokonstriktion der hautnahen Blutgefäße (Neves et al., 2015). Mit fortlaufender, aerober Muskelaktivität stieg die Temperatur in den ROIs über der aktiv beteiligten Muskulatur kontinuierlich an, bis sie unmittelbar nach Belastungsende um 0,5 – 0,8°C höher lag als vorher (Fernández-Cuevas, 2012; 17
Hildebrandt et al., 2012; Priego-Quesada et al., 2016). Hiervon abweichende Ergebnisse finden sich bei Fernandes et al. (2016), deren 60-minütige, aerobe Laufeinheit zwar in nicht-aktiven Hautarealen eine anfängliche Temperaturabnahme hervorrief, jedoch mit Andauern der Belastung keine signifikanten Auswirkungen auf die Hauttemperatur der aktiven Oberschenkelmuskulatur hatte. Dennoch wurde im Zusammenhang mit Ausdauertraining auch von einer um 2,4°C – 2,9°C verminderten Temperatur berichtet (Chudecka & Lubkowska, 2012). Die hier durchgeführte Trainingseinheit wurde allerdings unter dem Begriff speed-endurance training beschrieben, welche etwa 90 Minuten dauerte. Die genaue Intensität dieser Trainingseinheit wurde nicht berichtet, weshalb es durchaus möglich ist, dass diese Untersuchung bezüglich ihrer Intensität auch Punkt (2) zuzuordnen wäre. Bei den Trainingsmethoden unter Punkt (2) mit ansteigenden, intervallartigen und maximalen Belastungen wurde mit Beginn der Bewegung eine ähnliche Form der Temperaturreduktion beobachtet, welche im Gegensatz zu (1) mit fortschreitender Dauer und zunehmender Intensität progressiv zunahm (Hillen et al., 2020). In welchem Ausmaß sich diese Reduktion bewegte, war zwischen den Studien unterschiedlich. Einige berichteten von Veränderungen von - 0,89°C bis - 1,5°C über aktiv beteiligter Muskulatur (Fernández-Cuevas, 2012; Hildebrandt et al., 2012; Tanda, 2018). Merla et al. (2010) stellten beim Laufen mit ansteigender Belastung sogar Temperatursenkungen von - 3,0°C bis - 5,0°C fest. Grund für diese fortschreitende Reduktion bis zum Belastungsende könnte der erhöhte Bedarf an Blutversorgung in der entsprechenden Arbeitsmuskulatur sein, der durch oberflächliche Vasokonstriktion gedeckt wird (Tanda, 2018). Im Gegensatz zu diesen bezüglich des Ausdauertrainings bereits sehr homogenen Ergebnissen herrscht hinsichtlich der thermoregulativen Vorgänge beim Krafttraining noch Uneinigkeit. Während in vielen Studien von einer Erhöhung der Tsk berichtet wird, zeigen andere Untersuchungen auch eine signifikante Abnahme oder gleichbleibende Temperaturen, was den Bedarf an weiterer, differenzierter Forschung verdeutlicht (Hillen et al., 2020). In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass es bereits Hinweise gibt, dass sich die kurzzeitige, belastungsassoziierte Temperaturveränderung bei trainierten und untrainierten Personen unterscheidet (Escamilla-Galindo et al., 2017). Die Temperatur der Wade trainierter Personen stieg nach einem kurzzeitigen Training mit + 1,0 ± 0,2°C zum einen stärker und zum 18
anderen schneller an als bei Untrainierten mit einer Erwärmung von + 0,4 ± 0,1°C (Formenti et al., 2013). Allen Trainingsmethoden und -intensitäten gemein ist jedoch eine ROI- unabhängige, signifikante Steigerung der Tsk nach Ende der Belastung, welche in einer Vielzahl von Studien berichtet wird (Escamilla-Galindo et al., 2017; Fernandes et al., 2016; Fernández-Cuevas, 2012). 30 Minuten nach einer Krafttrainingsintervention erreichte die Hauttemperatur bei Escamilla-Galindo et al. (2017) einen Höhepunkt und lag auch nach 60 Minuten noch höher als zum Zeitpunkt vor der Messung. Verfolgt man die Temperaturkurve während der Erholungsphase, so wurde auch bis zu acht Stunden nach der Belastung eine gesteigerte Temperatur gemessen, mit einem Höhepunkt in der Zeit zwischen vier und sechs Stunden nach dem Training (Fernández-Cuevas et al., 2014). Auf Basis dieser Ergebnisse stellten die Autor/inn/en die Hypothese auf, dass sich mittels IRT der Training Load und in Folge die Regeneration beobachten ließe, wenn man davon ausgeht, dass der Körper nach vollständiger Erholung wieder zu seiner Ausgangstemperatur zurückkehrt (Fernández- Cuevas et al., 2014). Al-Nakhli et al. (2012) führten bewusst durch unilaterale Bizeps- Curls Muskelkater herbei und dokumentierten 24 Stunden nach dem Training eine signifikante Korrelation zwischen Tsk und subjektiver Muskelschmerzen bei einer Temperatursteigerung von + 1,17°C. Nach weiteren 48 Stunden lagen zwar die Intensität der Muskelschmerzen und die Myoglobinkonzentration weiter über dem Ausgangsniveau, die Temperatur hingegen hatte sich normalisiert. Außerdem scheint es durch Trainingseinheiten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, bei ansteigender Erschöpfung und Schmerz, zu einer systematischen Steigerung der Hauttemperatur um + 0,5°C bis 1,0°C zu kommen (Priego-Quesada et al., 2019). Diese Korrelationen konnten trotz erheblicher Hinweise auf Muskelkater in neueren Studien nach Marathonläufen und einer Intervention in Form von Wadenheben nicht bestätigt werden (da Silva et al., 2018; Pérez-Guarner et al., 2019; Priego-Quesada et al., 2020). Daraus wird letztlich abgeleitet, dass nach einer Trainingsbelastung nicht direkt über die Hauttemperatur auf einen vorliegenden Muskelschaden geschlossen werden sollte, da dies bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig geklärt wurde und weiterem Forschungsbedarf unterliegt (da Silva et al., 2018). Die Tsk scheint nach einer Trainingsbelastung anzusteigen und nach 24 Stunden (Priego-Quesada et al., 2020) bzw. 48 Stunden (Al-Nakhli et al., 2012) ihr beidseits 19
symmetrisches Ausgangsniveau zu erreichen. Sollte sich diese Symmetrie nicht wiederherstellen, könnte dies einen Hinweis auf eine zugrundeliegende Pathologie liefern. Thermales Ungleichgewicht dient, wie bereits in Kapitel 1.1.4 beschrieben, als Indikator für Entzündungsprozesse und nervale Dysfunktion und könnte so über etwaige Fehl- oder Überlastungen informieren, noch bevor diese Schmerzen bereiten (Fernández-Cuevas et al., 2017). Hildebrandt et al. (2010) zählen zu einer der ersten Forschungsgruppen, die einen Einsatz von Infrarot-Screenings zur Verletzungsprävention bei Sportlerinnen und Sportlern postulierten und diese erstmals zur Begleitung jugendlicher Skirennfahrerinnen und -fahrer in der Vorbereitungsphase verwendeten. Im Laufe des Trainings zeigten sich bei sieben Sportler/inne/n mit Überlastungssymptomen zwischen symptomatischem und nicht-symptomatischem Knie eine ∆T von durchschnittlich 1,4 ± 0,58°C, die auch mit erhöhter Druckdolenz einherging. Die Autor/inn/en empfahlen daher einen regelmäßigen Einsatz der IRT im Trainingsverlauf, um so bereits frühzeitig Veränderungen in der Temperaturverteilung erkennen und drohende Überlastungen und Verletzungen durch rechtzeitige Interventionsprogramme (z.B. Belastungsreduktion, Physiotherapie oder weitere Diagnostik) verhindern oder mildern zu können (Hildebrandt et al., 2010). Diese Hypothese wurde nun in zwei aktuellen, prospektiven Studien an professionellen Fußballspielern geprüft und bestätigt (Côrte et al., 2019; Gómez- Carmona et al., 2020). Hierbei wurden in den (Vor-)Saisonen zweier aufeinanderfolgender Jahre die Verletzungshäufigkeit, der Schweregrad der Verletzung sowie die damit einhergehende Fehlzeit im Training dokumentiert. Während der zweiten Beobachtungsperiode wurde anstelle von konventionellen Verletzungspräventionskonzepten die Infrarotthermographie mit Fokus auf Seitendifferenzen angewandt. Eine ∆T von < 0,3°C wurde als normal angesehen, zwischen 0,3°C – 0,49°C wurde das betroffene Areal verstärkt beobachtet. Überstieg die Temperaturdifferenz zwischen den Körperhälften eine Grenze von 0,5°C so wurden sofort präventive Maßnahmen ergriffen, welche beispielsweise Belastungsreduktion, Kryotherapie und Physiotherapie umfassten (Gómez-Carmona et al., 2020). In der Saison mit IRT-Anwendung kam es in beiden Studien zu signifikanten Reduktionen in der Verletzungshäufigkeit von 11 auf 4 (Côrte et al., 2019), bzw. von 15 auf 6 (Gómez-Carmona et al., 2020) Verletzungen. Auch der 20
Schweregrad sowie die Abwesenheitstage durch Verletzungen konnten verringert werden (Côrte et al., 2019; Gómez-Carmona et al., 2020). Durch die frühe Auskunft über bestehende Risiken waren Trainer/innen und medizinisches Personal also in der Lage, schnell und gezielt Interventionsmaßnahmen zu setzen, noch bevor der Spieler über Schmerz berichtete. Die Autor/inn/en weisen jedoch explizit darauf hin, dass der Einsatz von IRT nur zur Vorbeugung muskuloskelettaler Verletzungen dient, welche hauptsächlich durch Überlastung und unvollständige Regeneration auftreten, und keine Vorhersage von traumatischen Verletzungen zulässt (Gómez-Carmona et al., 2020). Abschließend lässt sich in Bezug auf die Anwendung von Infrarotthermographie im sportwissenschaftlichen Kontext also sagen, dass sich mittels IRT sowohl kurz- als auch mittelfristig die Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die Körperoberflächentemperatur und damit auf die Thermoregulation beobachten lassen. Neben der Trainingsmethode scheinen auch Intensität, Dauer und ROI-Auswahl die thermoregulativen Mechanismen bzw. Tsk zu beeinflussen, weshalb in einigen Bereichen noch weiterer Forschungsbedarf besteht. Eine der vielversprechendsten Thematiken ist wohl die regelmäßige Verwendung der IRT zur Früherkennung von Überlastungen und damit zur Verletzungsprävention. Um diese Ergebnisse eindeutig bestätigen zu können, sollte die Thematik nun auch in weiteren Sportarten und - settings untersucht werden. 21
1.2 Achillestendinopathie Überlastungsbedingte Verletzungen können im Allgemeinen in jeder Sportart sowie auch im nicht-sportlichen Alltag auftreten, wenn es langfristig bei Belastung zu wiederholten Überbeanspruchungen kommt (Cassel et al., 2015). Die drei häufigsten Überlastungsverletzungen bei jugendlichen Athlet/inn/en umfassten dabei Tendinitis (35%), Shin Splint (31%) und Stressfrakturen der unteren Extremitäten (11%) (Cuff et al., 2010). Als eine der drei häufigsten, überlastungsbedingten Verletzungen bei Läuferinnen und Läufern mit Inzidenzraten von 9,1 – 10,9% aller Untersuchten ist die Achillestendinopathie besonders im Laufsport ein zentrales Thema (Lopes et al., 2012). Auch in der Allgemeinbevölkerung erfasste man bereits eine Inzidenzrate von 2,16/1000 Personenjahren (Albers et al., 2016), bzw. 2,35/1000 Personen (Jonge et al., 2011). Diese Zahlen mögen zwar im Vergleich zur Inzidenz aller den Bewegungsapparat betreffenden Verletzungen (267/1000 Personen-Jahre, untersucht in der holländischen Bevölkerung) nicht hoch erscheinen, stellen aber insofern ein Problem dar, als dass Überlastungseinschränkungen wie die Tendinopathie häufig langfristig und rezidivierend zu Beschwerden führen (van der Linden, 2004, zitiert nach Albers et al., 2016). Vor allem in Bezug auf die Entstehung, den Verlauf und die Therapie bestehen noch immer sehr inkonsistente wissenschaftliche Ergebnisse, weshalb es wünschenswert wäre, geeignete Präventions- und Früherkennungs-Tools zu entwickeln, um Überlastungen vorzubeugen und so die Verletzungszahl zu reduzieren. 1.2.1 Begriffsbestimmung Nachdem im Laufe der Zeit diverse Bezeichnungen und Diagnosen für schmerzhafte Sehnen aufgekommen sind, die häufig zu Unklarheit und Missverständnissen in Diagnostik und Therapie führten, wurde im Jahre 2020 ein Delphi-Verfahren zur Konsensbildung durchgeführt. Demnach ist der Begriff Tendinopathie (“tendinopathy”) „the preferred term for persistent tendon pain and loss of function related to mechanical loading“ (Scott et al., 2020, S. 261). Diese Definition wurde bewusst sehr allgemein gehalten, da Tendinopathien nicht selten ohne nachweisbare pathologische oder biochemische Veränderungen vorliegen und damit 22
Schmerz und Funktionsverlust die zentralen Einschränkungen darstellen (Scott et al., 2020). Prinzipiell kann sich in jeder Sehne im menschlichen Körper eine derartige Tendinopathie entwickeln, wobei gewisse Sehnen aufgrund ihrer anatomischen Lage und Beanspruchung häufiger betroffen sind als andere. Vor allem die ausgeübte Sportart ist hierbei entscheidend für die Lokalisation (Clarsen et al., 2015). Zu den bekanntesten Tendinopathien der oberen Extremitäten zählen Tennis- und Golfer- Ellbogen (laterale und mediale Epikondylitis). Bei diesen Krankheitsbildern kommt es aufgrund von Überlastung der Unterarmextensoren (Tennisarm) und -flexoren (Golferellbogen) zu chronischen Beschwerden im jeweiligen Sehnenursprungsbereich des lateralen oder medialen Ellbogens (Maffulli et al., 2003b). Auch an den Sehnen der sogenannten Rotatorenmanschette (M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. subscapularis und M. teres minor) können chronische Tendinopathien auftreten. An den unteren Extremitäten können insbesondere Patella-, Achilles- und Hüftadduktorensehnen Beschwerden hervorrufen (Rees et al., 2009). Neben der betroffenen Sehne unterscheidet man im spezifischen Fall der Achillestendinopathie außerdem nach der Lokalisation der Läsion innerhalb der Sehne. Am häufigsten finden sich Anzeichen dafür unmittelbar an der Insertionsstelle am Knochen (Enthesiopathie oder Insertionstendinopathie) oder im mittleren Sehnenanteil (Mid-Portion-Tendinopathie, 2 – 7cm proximal des Calcaneus) (Diemer & Sutor, 2018). Des Weiteren sind Entzündungen im Sehnengleitgewebe (Paratenon) möglich (Cardoso et al., 2019). Dachte man bis Ende des 20. Jahrhunderts noch, dass Sehnenbeschwerden eine entzündliche Erkrankung darstellen, so veränderte sich die Sichtweise mit zunehmender histologischer Forschung, welche kaum Entzündungszellen in pathologischen Sehnen nachweisen konnte (Rees et al., 2014). Heute wird als Tendinopathie eine primär nicht-entzündliche, degenerative Erkrankung bezeichnet, die vor allem durch Querschnittsvergrößerung der Sehne, Druck- und Anlaufschmerz sowie belastungsabhängige Beschwerden charakterisiert wird (McAuliffe et al., 2017; Pingel et al., 2012; Silbernagel et al., 2020). Die Ätiologie einer Tendinopathie umfasst eine Vielzahl an Einflussfaktoren, welche in Absatz 1.2.3 genauer beschrieben werden. Zentraler Punkt bei der Krankheitsentstehung ist jedoch häufig eine Überlastung durch eine zu schnelle oder zu hohe Steigerung von Trainingsintensität 23
und -umfang (O‘Neill et al., 2016). Die genauen Veränderungen, die im Zuge der Sehnenproblematik auf histopathologischer und biochemischer Ebene ablaufen, sind in einigen Punkten bis heute unklar. Welche Fakten bereits als gesichert gelten und welche Faktoren noch weiterer Forschung bedürfen, soll im Folgenden beleuchtet werden. 1.2.2 Sehnenhistologie Aufbau und Funktion der Achillessehne Als Achillessehne (lateinisch: Tendo calcaneus) wird die Verbindung der Endsehnen der beiden Muskeln M. gastrocnemius und M. soleus Caput mediale des Caput laterale des bezeichnet, die gemeinsam als M. gastrocnemius M. gastrocnemius M. triceps surae die oberflächliche M. soleus Muskelschichte des dorsalen Unter- Tendo calcaneus schenkels bilden (Platzer, 2013). = Achillessehne Seltener kann auch die lange Sehne des M. plantaris mit der Achillessehne verwachsen sein (Dalmau-Pastor et al., 2014). Der M. Abbildung 1. Anatomischer Aufbau des dorsalen gastrocnemius entspringt mit seinen Unterschenkels (Tillmann, 2010) beiden Köpfen, Caput mediale und Caput laterale, an den Kondylen des Oberschenkelknochens und zieht von dort nach distal. Der M. soleus hat seinen Ursprung am Caput fibulae, der Linea m. solei tibiae sowie dem Arcus tendineus m. solei und setzt in einer gemeinsamen Sehne mit dem M. gastrocnemius am Tuber calcanei an. Durch seine anatomische Lage fungiert der M. triceps surae daher als wichtigster Plantarflexor sowie stärkster Supinator im unteren Sprunggelenk (Platzer, 2013). Aufgrund der Zweigelenkigkeit des M. gastrocnemius bewirkt der M. Triceps surae außerdem eine Flexion im Kniegelenk, kann daher jedoch bei gebeugtem Knie nicht seine volle Wirkung erreichen (Diemer & Sutor, 2018; Platzer, 2013). Die Achillessehne beginnt an ihrem Ursprung in flacher Form, verläuft dann bis etwa 4cm vor ihrem Ansatz in rundlicher Ausformung und setzt ausgeweitet und wieder 24
flacher am Calcaneus an, wobei sie insgesamt eine Länge von 10 – 15cm erreicht (O‘Brien, 2005, zitiert nach Diemer & Sutor, 2018). Die Dicke der Sehne wird je nach Autor/in unterschiedlich angegeben, wobei der Sehnenquerschnitt bei Gesunden je nach Studie etwa 63,1mm² (Tran et al., 2020), bzw. 83,6mm² (Docking & Cook, 2016) beträgt. Kongsgaard et al. (2011) fanden bei Differenzierung nach Sehnenabschnitt folgende Querschnittsgrößen: proximal: 74mm², medial: 67mm² und distal: 81mm². In anterior-posteriorer Richtung wurden Werte von 6,5mm verzeichnet (Docking & Cook, 2016). Mit diesen Werten stellt die Achillessehne die kräftigste und eine der längsten Sehnen des menschlichen Körpers dar (Dalmau-Pastor et al., 2014). Für die Blutversorgung der Sehne sind folgende Arterien maßgeblich verantwortlich: (1) die Arteria tibialis posterior, welche am myo-tendinösen und osteo- tendinösen Übergang den proximalen und distalen Sehnenabschnitt versorgt, und (2) die Arteria fibularis, welche über das Paratenon den mittleren Sehnenabschnitt versorgt. Dieser mittlere Abschnitt besitzt eine geringere Vaskularisierung und daher eine schlechtere Blutversorgung (Dalmau-Pastor et al., 2014; Sharma & Maffulli, 2006). Der strukturelle Aufbau der Sehne ist im Grunde vergleichbar mit den meisten anderen Sehnen des menschlichen Körpers, soll aber an dieser Stelle nochmals herausgearbeitet werden, da vor allem durch (Über-)Belastung gewisse Veränderungen und Umbauprozesse in Gang gesetzt werden, auf die zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen wird. Die Hauptaufgabe einer jeden Sehne ist die Kraftübertragung (Magnusson & Kjær, 2019). Sie setzt sich aus Bündeln von Kollagenfibrillen zusammen, welche einzeln jeweils vom Endotenon und gemeinsam vom Epitenon ummantelt werden (Abate et al., 2009; Sharma & Maffulli, 2006). Den Abschluss nach außen bildet im Fall der Achillessehne ein Paratenon (Abate et al., 2009). Auf zellulärer Ebene betrachtet bestehen Sehnen zu 90 – 95% aus Tenoblasten und Tenozyten, welche sich in der extrazellulären Matrix (ECM) befinden und entlang der Kollagenfasern angeordnet sind. Tenozyten sind u.a. für die Synthese von Kollagen und Teilen der ECM sowie für die aerobe und anaerobe Energiegewinnung innerhalb der Sehne zuständig (Sharma & Maffulli, 2006). Ins Verhältnis gesetzt bilden Kollagene (hauptsächlich Typ 1) einen Anteil von 65 – 80% der Gewebetrockenmasse, bzw. 30% der Gesamtmasse, von der rund zwei Prozent Elastine darstellen (O‘Brien, 1997). In der Literatur werden die Kollagenfibrillen als die Struktur angesehen, die 25
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