Unterschiede in der Infrarotthermographie zwischen Gesunden und Personen mit Achillestendinopathie - Universität ...

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Unterschiede in der Infrarotthermographie zwischen Gesunden und Personen mit Achillestendinopathie - Universität ...
Unterschiede in der Infrarotthermographie zwischen
 Gesunden und Personen mit Achillestendinopathie

            Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades

                         Master of Science (MSc)

am Interfakultären Fachbereich Sport- und Bewegungswissenschaft/USI

                              eingereicht von
                               Daniela Lux
                                 01363464

                                Gutachter:
                     Univ.-Prof. Mag. Dr. Erich Müller

                         Salzburg, Dezember 2020
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Eidesstattliche Erklärung

   Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst, andere
als die angegebenen Quellen nicht verwendet, und die benutzten Quellen
beziehungsweise wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.

   Hallein, den 28.12.2020

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................ v
Abstract ...................................................................................................................... vi

1     Einleitung ............................................................................................................. 7
    1.1 Überblick Infrarotthermographie ..................................................................... 7
      1.1.1 Biologische und physikalische Grundlagen ................................................ 7
      1.1.2 Einflussfaktoren auf das Thermogramm ..................................................... 9
      1.1.3 Hauptgütekriterien .................................................................................... 11
      1.1.4 Medizinische Anwendungsbereiche ......................................................... 13
      1.1.5 Infrarotthermographie im Sport ................................................................. 17
    1.2 Achillestendinopathie .................................................................................... 22
      1.2.1 Begriffsbestimmung .................................................................................. 22
      1.2.2 Sehnenhistologie ...................................................................................... 24
      1.2.3 Ursachen und Risikofaktoren.................................................................... 28
      1.2.4 Diagnostik ................................................................................................. 30
      1.2.5 Therapeutische Verfahren ........................................................................ 31
      1.2.6 Prävention und Infrarotthermographie ...................................................... 33
    1.3 Fragestellungen und Hypothesen ................................................................. 35
2     Methodik ............................................................................................................ 37
    2.1 Personenauswahl ......................................................................................... 37
    2.2 Untersuchungsdesign ................................................................................... 37
      2.2.1 Lagebestimmung der Achillessehne ......................................................... 38
      2.2.2 Infrarotthermographische Untersuchung .................................................. 39
      2.2.3 Kurzfristige Trainingsbelastung ................................................................ 41
    2.3 Datenauswertung .......................................................................................... 43
3     Ergebnisse ......................................................................................................... 45
    3.1 Ergebnisse der Ruhemessung (IRTpre-ex) ...................................................... 46
    3.2 Ergebnisse nach Trainingsintervention (IRTpost-ex) ........................................ 47
4      Diskussion ......................................................................................................... 50
5      Conclusio ........................................................................................................... 62

Literaturverzeichnis ................................................................................................. lxiv
Anhang .................................................................................................................. lxxvii

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Abkürzungsverzeichnis
IRT     Infrarotthermographie

US      Ultraschall

MRT     Magnet-Resonanz-Tomographie

Ɛ       Emissionsfaktor

TP      Tendinopathie

A-TP    Achillestendinopathie

ROI     Region of Interest

Tsk     Körperoberflächentemperatur

∆T      Temperaturseitendifferenz

M.      Muskel (lat.: musculus)

ECM     Extrazelluläre Matrix

SPG     Sprunggelenk

HSR     Heavy Slow Resistance Training

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Abstract
Einleitung. Die Infrarotthermographie (IRT) ermöglicht in der Sportwissenschaft ein
Abbild der Körperoberflächentemperatur (Tsk), welches die Thermoregulation bei
Belastung widerspiegelt und Aufschluss über Pathologien liefern kann. Regelmäßiges
IRT-Screening scheint im Fußball eine wirksame Strategie zur Verletzungsprävention
zu sein, sodass dies möglicherweise auch für die Prävention von Achilles-
tendinopathien (A-TP) sinnvoll wäre. Aufgrund diesbezüglich mangelnder Literatur ist
es das Ziel dieser Arbeit, die Temperaturen von tendinopathischen und gesunden
Sehnen im Ruhezustand und nach Belastung zu vergleichen, um eine Grundlage für
weiterführende Forschung zu schaffen.
Methodik.    Es wurden Personen mit A-TP (TP-Gruppe, n=8) und beschwerdefreie
Personen (Kontrollgruppe, KG, n=9) mittels Infrarotkamera (FLIR T840) untersucht.
Vor und nach einer unilateralen Krafttrainingsbelastung erfolgte die Bildaufnahme der
unteren Extremitäten. Die Temperaturauswertung der Achillessehne erfolgte durch
manuelle ROI-Setzung (FLIR Tools+), wobei Tsk und Seitendifferenzen (∆T) auf
Gruppenunterschiede und Veränderungen durch Training analysiert wurden.
Ergebnisse. Statistische Analysen ergaben in Ruhe einen signifikanten Unterschied
von Tsk zwischen tendinopathischem und trainiertem Bein in der KG (p=.020), keinen
Unterschied hingegen für das nicht-trainierte Bein sowie ∆T. Die tendinopathische
Sehne zeigte sich in 6 von 7 Fällen im Seitenvergleich hypotherm. Durch das Training
traten im nicht-trainierten Bein beider Gruppen signifikante Veränderungen von
- 1,37 ± 0,92°C (KG, p=.002) und - 1,64 ± 1,04°C (TP, p=.006) auf, im trainierten Bein
hingegen nicht. Dies führte in der KG zu einer signifikanten Veränderung der ∆T von
0,57 ± 0,42°C zu 1,57 ± 0,51°C (p=.008).
Diskussion. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Tendinopathie im Infrarotbild
keine Anzeichen für Entzündung, sondern im Gegenteil eine Hypothermie zeigt, deren
Ursache noch unklar ist. Die Temperaturveränderung der Sehne durch Training
verhielt sich zwischen den Gruppen ähnlich und stimmte teils mit IRT-Untersuchungen
an Muskeln überein. Zukünftige Studien sollten die Ergebnisse an größeren
Stichproben testen und den Temperaturverlauf nach Belastung über mehrere Stunden
und Tage beobachten, um Aufschluss über normale und pathologische Reaktionen zu
geben, was für die Implementierung von Präventionsstrategien notwendig wäre.

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1 Einleitung

1.1 Überblick Infrarotthermographie
   Die Infrarotthermographie (IRT) beschreibt das passive, kontaktlose Messen der
von   einem    Körper    abgegebenen      Infrarotstrahlung.   Durch    den   direkten
Zusammenhang zwischen Infrarotstrahlung und Wärmeabgabe lässt sich mithilfe einer
Infrarotkamera ein Abbild der Körperoberflächentemperatur (Tsk) festhalten (Tattersall,
2016). Bekannt ist ihr Einsatz vor allem im Bereich der Industrie, Gebäudetechnik und
dem Militär, findet jedoch seit geraumer Zeit auch vermehrt Anwendung im
medizinisch-therapeutischen Kontext. Dass körperlicher Stress (z.B. in Form einer
Verletzung, Überlastung oder Krankheit) diverse Entzündungsprozesse hervorruft, gilt
in der Medizin als unumstritten. Bereits Hippokrates konstatierte, dass eine ungleiche
Wärmeentwicklung ein Zeichen von Krankheit darstellt (Hildebrandt et al., 2012).
Dieser gesteigerten Wärmeproduktion liegt im Allgemeinen eine Gefäßdilatation im
betroffenen Körperteil zugrunde, die mit einer erhöhten Exsudation und Durchblutung
einhergeht. In der Folge treten an der Hautoberfläche Entzündungsreaktionen wie
Rötung, Schwellung, Schmerz und Wärme auf (Egger, 2005). Um abnorme
Temperaturen quantifizieren zu können, wurden im Laufe der Jahrhunderte
unterschiedliche Arten von Temperaturmessgeräten entwickelt, wobei es bis zum
Jahre 1800 dauerte, bis man die Infrarotstrahlung entdeckte. Sir William Herschel legte
mit seiner damaligen Erkenntnis den Grundstein für die heute bekannte, kontaktlose
Infrarotthermographie.

1.1.1 Biologische und physikalische Grundlagen
   Um mit Infrarotthermographie arbeiten zu können, bedarf es Hintergrundwissen
einerseits über die menschliche Thermoregulation und andererseits über die Physik
der Wärmestrahlung, derer beider Grundlagen im Folgenden erläutert werden sollen.
   Der menschliche Körper strebt nach einer konstanten Kerntemperatur, die sich im
Normalfall in einem kleinem Bereich um 37°C bewegt. Zentrale und periphere
Thermorezeptoren senden hierfür Informationen an ein bestimmtes Areal im anterioren
Hypothalamus, die sogenannte Area praeoptica. Sie dient somit als zentrales
Steuerungsorgan der Thermoregulation (Romanovsky, 2007). Wird die Homöostase
beispielsweise durch externe oder interne Einflüsse gestört, werden thermoregulative

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Mechanismen in Gang gesetzt, welche Konduktion, Konvektion, Evaporation und
Radiation umfassen.
   Konduktion beschreibt dabei den Wärmeaustausch zwischen zwei Körpern bei
direktem Kontakt. Ähnlich hierzu verhält sich der Mechanismus der Konvektion, bei
der Wärmeaustausch zwischen einem Körper und der ihn umgebenden Luft oder
Flüssigkeit stattfindet. Der Austausch folgt dabei immer dem vorherrschenden
Temperaturgradienten von höherer zu niedrigerer Temperatur. Weitaus besser
bekannt ist die Evaporation, die Wärmeabgabe durch Verdunstung. Der menschliche
Körper gibt hierfür sowohl über die Hautoberfläche (Schweiß) als auch über das
respiratorische System Wasser ab (Tansey & Johnson, 2015).
   Der vierte und für die Infrarotthermographie wichtigste Mechanismus ist die
Radiation, also die Wärmeabgabe über elektromagnetische Strahlung. Im Grunde gibt
jeder Körper diese Strahlung ab, welche sich im für den Menschen unsichtbaren
Wellenlängenbereich von 0,8 – 14µm bewegt und von der Temperatur eines Körpers
abhängig ist (Harrap et al., 2018). Der grundlegende Zusammenhang zwischen
Infrarotstrahlung und Temperatur wurde erstmals im Planck‘schen Strahlungsgesetz
festgehalten, welches sich jedoch auf einen „Schwarzen Körper“ bezieht und somit
nicht direkt für reale Körper anwendbar ist. Diese abstrahierte Art von Körper hätte
einen Emissionsgrad von Ɛ = 1, würde also alle auftreffende Strahlung von außen
perfekt absorbieren und so die höchstmögliche Strahlung              emittieren. Der
Emissionsgrad, auch Emissivität genannt, realer Körper liegt hingegen bei Ɛ < 1, da
diese neben der körpereigenen Strahlung auch reflektierte und transmittierte Strahlung
aussenden. Wie hoch der Anteil an Reflexion und Transmission ist, ist hauptsächlich
von Material und Oberflächenbeschaffenheit abhängig, wobei für die menschliche
Hautoberfläche ein Emissionsgrad von 0,95 – 0,98 angenommen wird (Tattersall,
2016).
   Um ein möglichst genaues Abbild der tatsächlich vom Körper selbst emittierten
Infrarotstrahlung zu erhalten, wird die Temperatur daher unter Berücksichtigung des
entsprechenden Emissionsfaktors mittels mathematischer Formeln berechnet. Dies
geschieht in den meisten Fällen bereits durch die Einstellung des Emissionsfaktors an
der Infrarotkamera, kann aber auch im Nachhinein einberechnet werden.
   Über eine korrekte Anwendung der Infrarotthermographie ist es folglich möglich,
die Temperatur der menschlichen Hautoberfläche zu berechnen und darzustellen.

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Diese unterliegt ständig den oben genannten Thermoregulationsmechanismen,
welche einerseits durch Umgebungseinflüsse, andererseits durch körperlichen Stress
(z.B. Training) ausgelöst werden können. Über welche Bahnen diese Prozesse
gesteuert bzw. initiiert werden, konnte zwar noch nicht zur Gänze aufgeklärt werden,
jedoch scheinen der Neurotransmitter Acetylcholin sowie seine Co-Transmitter eine
zentrale Rolle einzunehmen (Tansey & Johnson, 2015). Steigt die Körperkern-
temperatur über einen gewissen Wert an, werden Evaporation und eine Vasodilatation
der hautnahen Blutgefäße initiiert, um das Blut möglichst nahe an die Oberfläche zu
bringen (Charkoudian, 2003). Dies wiederum ermöglicht, dass über Konvektion und
gegebenenfalls Konduktion Wärme aus dem Körperinneren an die Oberfläche geleitet
und folglich an die Umgebung abgegeben werden kann (Tansey & Johnson, 2015).
Eine zu niedrige oder abfallende Körpertemperatur bewirkt hingegen eine
Verminderung der Wärmeabgabe durch oberflächliche Vasokonstriktion und regt in
weiterer Folge Prozesse der Thermogenese an. Hierzu zählen die unwillkürliche
Kontraktion der Skelettmuskulatur (Kältezittern) und die Wärmeproduktion mithilfe des
braunen Fettgewebes (Charkoudian, 2016).
   Die beschriebenen Regulationsmechanismen zum Erhalt der Körperkern-
temperatur finden also unentwegt statt und werden in der Infrarotthermographie durch
die Aufnahme der Körperoberflächentemperatur abgebildet.

1.1.2 Einflussfaktoren auf das Thermogramm

   Die IRT bietet aufgrund ihrer nicht-invasiven und schnellen Funktionsweise diverse
Anwendungsvorteile, ist jedoch aus denselben Gründen anfällig für Umwelteinflüsse
und andere Störfaktoren. Auf den Ebenen Umwelt, Technik und Individuum wirken je
eine Vielzahl an Faktoren – teilweise kontrollierbar, teilweise nicht beeinflussbar –, die
minimiert und unbedingt dokumentiert werden sollten, um Fehlern in der
Datenaufnahme und -auswertung vorzubeugen. Welche Faktoren dies sind, wurde von
Fernández-Cuevas et al. (2015) in einem umfangreichen Review-Artikel untersucht.
Viele Faktoren aus den Bereichen Umwelt und Technik lassen sich sehr gut
kontrollieren. Das Infrarotbild wird im Sektor Umwelt unter anderem von Raumgröße,
-temperatur, -feuchtigkeit, Luftdruck und äußeren Strahlungsquellen (z.B. Fenster,
Beleuchtung) beeinflusst. Ein Konsens über die optimale Raumtemperatur wurde noch
nicht gefunden, da die Wahl der Temperatur vom Ziel der Untersuchung abhängt.

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Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass eine Spanne von 18°C – 25°C
eingehalten werden sollte. Wichtig zu beachten ist in Bezug auf die Raumtemperatur
auch die Akklimatisationszeit vor den jeweiligen Messungen. Fernández-Cuevas et al.
(2015)   empfehlen    auf   Grundlage    ihres   Reviews   eine   durchschnittliche
Gewöhnungszeit von 15 Minuten, mindestens jedoch 10 Minuten.
   Einflussfaktoren aus dem technischen Bereich beziehen sich vor allem auf die
Positionierung und Einstellung der Infrarotkamera, welche immer im rechten Winkel
zur untersuchten Körperoberfläche ausgerichtet werden sollte. Die empfohlene
Distanz variiert je nach Größe des zu untersuchenden Areals und sollte so klein wie
möglich gewählt werden, um eine ausreichend große Pixelzahl zu erreichen. Weiters
spielen Auflösung, Genauigkeit und korrekte Kalibrierung der Infrarotkamera eine
wichtige Rolle bei der Bildaufnahme. Für die anschließende Auswertung bedarf es in
der Folge einer speziellen Software, mit der die Temperatur festgelegter Regions of
Interest (ROIs) ausgewertet werden kann. Diese ROIs sollten anhand von
anatomischen Strukturen festgelegt werden und möglichst dieselbe Pixelanzahl für
beide Körperseiten aufweisen, um wiederholte Messungen durchführen zu können.
   Weniger gut kontrollierbar und seltener erforscht sind die individuellen
Einflussfaktoren, welche sich wiederum in intrinsische und extrinsische Faktoren
unterteilen lassen. Zu den wichtigsten intrinsischen Parametern zählen das
Geschlecht, das Alter, die Anthropometrie, der zirkadiane Rhythmus sowie die
Krankheitsgeschichte und der individuelle Blutfluss. Dass es in der IRT zu
Unterschieden zwischen Männern und Frauen kommt, begründet sich durch eine
unterschiedliche Stoffwechselrate, eine andere Körperfettverteilung und Temperatur-
schwankungen im Verlauf des weiblichen Zyklus (Fernández-Cuevas et al., 2015). In
59% der ausgewerteten ROIs zeigten sich signifikante Temperaturunterschiede von
bis zu 1,0°C zwischen den Geschlechtern (Marins et al., 2014). In Bezug auf die
Anthropometrie fand man heraus, dass zwischen Body Mass Index (BMI) und
Fettanteil (in %) und der Hauttemperatur in den meisten Körperbereichen eine
signifikante, negative Korrelation besteht (Chudecka & Lubkowska, 2015).
   Die Körpertemperatur selbst unterliegt – unabhängig vom Geschlecht –
tageszeitlichen Schwankungen, welche hauptsächlich von körperlicher Aktivität
abhängig sind und nur in geringem Ausmaß beeinflussbar sind. Da der Vormittag
Studien zufolge eine Phase stabilerer Temperatur darstellt, empfiehlt sich eine

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Datenaufnahme vor 12.00 Uhr. Extrinsisch beeinflusst wird das Thermogramm durch
die Einnahme diverser Substanzen (z.B. Medikamente, Kaffee, Alkohol), das
Auftragen von Cremes oder Gels, Sonneneinstrahlung, manueller Therapie und
körperlicher Aktivität (Fernández-Cuevas et al., 2015).
   Um die genannten Einflussfaktoren möglichst genau zu kontrollieren und Studien
somit allgemein vergleichbar zu machen, wurde an der University of Glamorgan ein
standardisiertes Testprotokoll entwickelt (Ammer, 2008). Die genaue Befolgung dieses
Protokolls wirkte sich positiv auf die Reliabilität und Validität und damit die Qualität der
medizinischen Infrarotthermographie aus (Ammer, 2008). Weiters empfehlen Moreira
et al. (2017) vor Aufnahme eines Thermogramms die Durchführung einer eigens
entworfenen Checkliste, die es ermöglicht, Einflussfaktoren detailliert zu ermitteln.

1.1.3 Hauptgütekriterien

   Trotz umfangreicher Testung und Anwendung der Infrarotthermographie herrscht
hinsichtlich der Erfüllung der Hauptgütekriterien bis heute Uneinigkeit. Aufgrund der
enormen Weiterentwicklung der Infrarottechnik können ältere Studien (vor 1990) kaum
mehr für die Evaluation von Reliabilität und Validität herangezogen werden und
werden deshalb in dieser Arbeit wenig diskutiert.
   Wichtige Kriterien zur Einschätzung der Testqualität sind Inter- und Intrarater-
Reliabilität. Dabei wird einerseits überprüft, ob mehrere, unabhängige Testleiter/innen
zu einem Messzeitpunkt (Interrater-Reliabilität), und andererseits, ob die/der gleiche
Testleiterin/Testleiter zu unterschiedlichen Messzeitpunkten (Intrarater-Reliabilität) zu
dem    gleichen   Ergebnis    kommen      (Underwood,     2017).    Vergleicht   man    die
Auswertungen von Infrarotthermogrammen mehrerer Untersucher, so zeigten sich im
Rangmittelvergleich bei Melnizky et al. (1997) Werte von 0,87 bzw. 0,9 für zwei
verschiedene Messzeitpunkte, wobei sich die Temperaturen im Mittel nur um etwa
0,1°C unterschieden. Diese Studie wurde nur mit einer sehr kleinen und spezifischen
Stichprobe (n = 3, Personen mit Thoracic Outlet Syndrom) durchgeführt und sollte
deshalb nicht als allgemeingültig angesehen werden. Eine größere Untersuchung an
gesunden Testpersonen ergab jedoch mit Intraklassen-Korrelationen (ICC) von 0,88
(absolute Temperatur) und 0,68 (Temperatur-Seitendifferenz, ∆T) eine ähnlich gute
bis sehr gute Interrater-Reliabilität (Zaproudina et al., 2008). Die höchsten
Korrelationen mit einen ICC-Wert von 0,999 konnten Fernández-Cuevas et al. (2012)

                                              11
mithilfe einer speziell entwickelten Software erzielen. Diese Software nimmt
eigenständig eine Segmentierung und Temperaturauswertung vor und reduziert
dadurch    die   Fehlerquote    bei   der    Auswertung    durch   unterschiedliche
Untersuchungspersonen.
   Bedeutsam ist außerdem, wie stabil Messwerte über eine längere Zeitspanne sind.
Zaproudina et al. (2008) untersuchten in ihrer Studie neben der oben diskutierten
Interrater- auch die Intrarater-Reliabilität und nahmen dafür im Abstand von 24
Stunden zwei Infrarotthermogramme derselben Personen auf. Im Durchschnitt über
alle Körpersegmente zeigte sich zwischen den beiden Thermogrammen eine
mittelmäßige Korrelation von 0,47 für die absolute Temperatur, beziehungsweise 0,40
für die Temperaturseitendifferenz (∆T). Gute ICC-Werte wurden in den Segmenten des
Rumpfes, des Oberarmes und der Wade gefunden (ICC: 0,66 – 0,72). Nur mäßig
korrelierten die proximalen Körperteile Hand, Fingerspitzen, Zehen und Unterarme
(ICC: 0,16 – 0,40). Das Knie zeigte im Tag-zu-Tag-Vergleich lediglich geringe
Varianzen von 0,02°C bei ICC-Werten von 0,75 – 0,85 (Hildebrandt & Raschner, 2009;
Zaproudina et al., 2008). Vergleicht man Thermogramme in kürzeren Abständen (fünf
Sekunden bzw. drei Stunden), zeigt sich durchwegs eine gute bis sehr gute
Reproduzierbarkeit (ICC: 0,997 bzw. 0,899) (Fernández-Cuevas et al., 2012; Varjú et
al., 2004). Um im Tagesvergleich eine gute Reliabilität erzielen zu können, ist es
unbedingt notwendig, die in Punkt 1.1.2 „Einflussfaktoren auf das Thermogramm“
beschriebenen Aspekte zu berücksichtigen.
   Die Infrarotthermographie gilt in vielen Bereichen der Technik und Medizin als
valide Form der Temperaturmessung, obwohl ihre Validität bis zum heutigen Tag
lediglich in sehr spezifischen Anwendungsbereichen und nicht global überprüft wurde.
Trotz der enormen technischen Weiterentwicklung der Infrarotkameras können die
gemessenen Temperaturen um bis zu 1°C (bzw. 1%) von der Wirklichkeit abweichen
(Fernández-Cuevas et al., 2015). Diese Abweichung lässt sich bereits an der
Genauigkeit der jeweiligen Kamera erkennen und beträgt je nach Modell und Hersteller
etwa 1 – 2%. Mittels Infrarotkamera gemessene Temperaturen zeigten im Vergleich
mit Thermoelementen und anderen Kontakt-Messgeräten signifikante Unterschiede
vor, während und nach einer körperlichen Belastung. Dabei betrugen die Fehlerwerte
zwischen 0,83°C – 1,88°C (Bach et al., 2015) bzw. 0,75°C – 1,22°C (Fernandes et al.,
2014).

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Dieser Mangel an Validität ist einer der limitierenden Faktoren in der
Infrarotthermographie. So muss man sich bei der Verwendung dieser Art der
Temperaturmessung immer bewusst sein, dass das Thermogramm kein direktes
Abbild der realen Temperatur ist, was wiederum bedeutet, dass direkte Vergleiche
zwischen mehreren Personen oder unterschiedlichen Studien nur eingeschränkt
möglich sind. Infolge dieser Problematik entwickelte sich die Idee, keine absoluten
Temperaturen auszuwerten, sondern die Tsk lediglich in ihrer Seitengleichheit zu
interpretieren. Die Grundlage dafür bietet die Theorie, dass das thermoregulatorische
System einen symmetrischen Aufbau zeigt (Ranson, 1993, zitiert nach Niu et al.,
2001). Davon ausgehend sollten beide Seiten eines Körpers die gleiche
Temperaturverteilung aufweisen, andernfalls liegt eine Verletzung oder Erkrankung
vor. Wie man herausfand, treten jedoch auch bei gesunden Menschen nicht selten
Asymmetrien auf. Im Bereich der Achillessehne wurde bei gesunden Läuferinnen und
Läufern ein durchschnittlicher Seitenunterschied von 0,50 ± 0,43°C dokumentiert
(Tumilty et al., 2019). Es ist eindeutig, dass die Symmetrie vom Rumpfbereich hin zu
den distalen Gliedmaßen abnimmt. Fand man am Rumpf durchschnittliche
Temperaturunterschiede von 0,10°C – 0,13°C, so zeigten sich in Händen und Füßen
bereits eine ∆T von 0,30°C – 0,64°C (Lahiri et al., 2012; Zaproudina et al., 2008). Die
Zusammenfassung mehrerer Studien ergibt letztlich, dass eine ∆T von < 0,5°C als
normal und ≥ 0,5°C als klinisch bedeutsam angesehen werden kann (Lahiri et al.,
2012; Selfe et al., 2008; Sillero-Quintana et al., 2015).

1.1.4 Medizinische Anwendungsbereiche

   Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Infrarottechnologie machte es möglich,
ihr Forschungs- und Anwendungsgebiet fortlaufend zu erweitern. Wurde die
Infrarottechnik zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem noch zu militärischen
Zwecken verwendet, hielt sie bereits um 1960 Einzug in die medizinische Diagnostik
(Ring, 2007).
   Es ist weithin bekannt, dass es im Zuge einer Verletzung oder Erkrankung oftmals
zu einer komplexen, entzündlichen Reaktion im betroffenen Körperteil kommt. Neben
den Kardinalzeichen Schwellung, Schmerz, Funktionseinschränkung und Rötung,
zeichnet sich meist eine Überwärmung ab. Diese Wärme ist hauptsächlich bedingt
durch die Weitstellung umgebender Blutgefäße, die eine erhöhte Blutfülle mit sich

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bringt (Ammer & Ring, 2010). Eben diese oberflächliche Erwärmung lässt sich mithilfe
einer Infrarotkamera veranschaulichen und genau dokumentieren. Das Prinzip machte
man sich bereits Anfang der 1970er Jahre zunutze, als man in ersten Studien das
Krankheitsbild der Arthritis untersuchte. Da Arthritis eine primär entzündliche
Erkrankung ist, lag die Vermutung nahe, dass sich die Entzündung beispielsweise in
den Fingergelenken im Thermogramm widerspiegeln würde. Ring und Collins (1970)
fanden heraus, dass die Tsk tatsächlich mit diversen Entzündungsparametern im
Gelenk in Zusammenhang stand (zitiert nach Ring & Ammer, 2012). Aus Infrarotbildern
ließ sich zudem die Wirkung und Effektivität spezifischer, entzündungshemmender
Medikamente ablesen, indem die Temperatur über den betroffenen Gelenken nach
der Medikamentengabe beobachtet wurde (Ring & Ammer, 2012). Neben der
Diagnostik entzündlicher Erkrankungen gibt die IRT ebenso Aufschluss über
unterschiedliche   Gefäßerkrankungen       und   Durchblutungsstörungen,      wie    sie
beispielsweise beim Raynaud-Syndrom, Thoracic-Outlet-Syndrom               (TOS) und
Karpaltunnelsyndrom auftreten (Ammer & Ring, 2010). In diesem Zusammenhang
sollte auch die wichtige Möglichkeit zur Beobachtung und Diagnostik von diabetischen
Neuropathien (z.B. diabetischer Fuß) genannt werden, welche durch veränderte
Temperaturmuster gekennzeichnet sind und so frühzeitig bei Risikopatient/inn/en
festgestellt werden können (Lahiri et al., 2012). Nicht nur eine verminderte vaskuläre
Versorgung lässt sich im Thermogramm erkennen, sondern auch eine verringerte
nervale Aktivität. Forschungen lassen vermuten, dass es               im Zuge einer
Nervenkompression zu einer verminderten Wärmeabstrahlung im zugehörigen
Dermatom kommt, was im Infrarotthermogramm im Vergleich zur anderen Körperhälfte
als hypothermer Bereich aufscheint. Die genauen Hintergründe wurden zwar noch
nicht umfassend geklärt, die Autoren gehen jedoch davon aus, dass eine vermehrte
Sympathikusaktivierung und in Folge eine Vasokonstriktion auftritt, die eine verringerte
Durchblutung bewirkt (Ammer & Ring, 2010).
   Zu Beginn der Forschung wurde vermutet, dass sich die IRT auch zur Diagnostik
von Mammakarzinomen verwenden ließe. Diese Hypothese basierte darauf, dass
Tumore generell eine höhere Stoffwechselrate und eine punktuell erhöhte
Blutversorgung aufweisen, welche als Hot Spots im Thermogramm erkennbar wären.
Bis heute ist die Verwendung der Infrarottechnik in der Brustkrebsdiagnostik aber sehr
umstritten, zumal sie laut Studien zwar eine ausreichend hohe Spezifität (85%), aber

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eine geringe Sensitivität (25%) und positive Vorhersagekraft (24%) besitzt und daher
Alternativen wie Mammographie, MRT oder Ultraschall besser zur Diagnostik geeignet
sind (Kontos et al., 2011). Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sich damit maligne
Melanome an der Hautoberfläche identifizieren und beobachten lassen (Ring &
Ammer, 2012).
      Ein weiteres Forschungsgebiet, welches im Laufe der letzten Jahrzehnte
besonders in den Fokus gerückt ist, ist die (Verlaufs-)Diagnostik von traumatischen
Verletzungen und chronischen Überlastungszuständen. Sillero-Quintana et al. (2015)
unternahmen hierfür eine umfangreiche Studie in einem spanischen Krankenhaus, in
welcher Notfallpatient/inn/en sowohl mittels herkömmlicher Diagnostik als auch mittels
Infrarotthermographie         untersucht      wurden.    Die      diversen       Diagnosen      und
Verletzungsareale wurden anschließend in Hinblick auf die Tsk und deren
Seitendifferenzen zwischen verletzter und unverletzter Seite verglichen. Wie bereits
aus früheren Studien bekannt, konnte die Temperaturerhöhung im Falle einer Arthrose
(+ 1,0°C)     bestätigt   werden.       Außerdem     zeigten      sich    bei    Knochenbrüchen,
Verstauchungen/Bänderrissen,             Meniskusverletzungen,           Prellungen,    Synovitis,
Chondromalazie,         Tendinitis      und   allgemeinem        Schmerzzustand        signifikante
Temperatur-Seitenunterschiede im Ausmaß von + 0,4 bis + 1,0°C. Auch bei
Muskelfaserrissen, wie sie häufig in Verbindung mit Sportausübung vorkommen, trat
eine durchschnittliche ∆T von + 0,8°C auf, wobei dieses Ergebnis aufgrund der
geringen Personenzahl nicht signifikant war.
      Schwieriger hingegen       ist ein      Vergleich von       Infrarotthermogrammen          bei
verschiedenen Wirbelsäulenerkrankungen und -beschwerden, welche in einem
Review von Ammer und Ring (2010) diskutiert wurden. Da selbst Gesunde nur selten
ein typisches, symmetrisches Thermogramm aufweisen, ist eine Diagnostik von
Wirbelsäulenverletzungen auf Basis der Thermographie sehr kritisch zu sehen.
      Eine   seit    Jahren    häufig    untersuchte     Verletzung,       die   vor   allem     bei
Überkopfsportarten (z.B. Wurfsportarten, Schwimmen oder Klettern) auftritt, ist das
Impingement-Syndrom der Schulter. Die Ergebnisse hinsichtlich infrarotthermo-
graphischer Beobachtungen sind hier jedoch uneindeutig. Einerseits zeichneten sich
bei     akuten      Schulterbeschwerden       mit    positiven     Impingementzeichen          einer
Schwimmerin Hot Spots im Bereich der Supraspinatus-Insertion ab (Hildebrandt et al.,
2012). Eine umfangreichere Studie wies hingegen bei 51% der von Impingement

                                                    15
Betroffenen eine Hypothermie im Schulterareal nach, die mit einer verringerten Range
of Motion (ROM) in Verbindung stand (Park et al., 2007). Die Autor/inn/en vermuteten
als Ursache für die Hypothermie eine durch Aktivitätseinschränkung verursachte
Muskelatrophie, die zu einer Abnahme des kapillären Blutflusses führte. Ring und
Ammer (2012) kommen in ihrem Review-Artikel zu einem ähnlichen Schluss. Eindeutig
erkennbar ist eine bereichsspezifische Hyperthermie bei tendinöser Überlastung. So
ergaben sich bei infrarotthermographischen Untersuchungen von Personen mit
Epicondylitis   lateralis   („Tennisarm“)   Hot    Spots   über   dem     entsprechenden
Muskelursprung der Handgelenksextensoren im Ellbogen, was häufig auch mit einer
Bursitis einherging. Dies könnte beispielsweise auch die lokale Hyperthermie in
Zusammenhang mit Impingement-Syndrom bei Hildebrandt et al. (2012) erklären, da
es durch die mit der Erkrankung einhergehenden Verengung des subacromialen
Raumes häufig zu einer Bedrängung und Reizung der hier verlaufenden Sehne des
M. supraspinatus kommt (Garving et al., 2017). Die ebenfalls durch Überlastung
hervorgerufene Patella-Insertionstendinopathie zeigte sich bei Skirennsportler/inne/n
in Form einer verringerten Schwelle für Druckschmerz und durchschnittlichen
Seitendifferenzen von + 1,4 ± 0,58°C bzw. + 1,1 ± 0,71°C an der betreffenden
Patellarinsertion (Hildebrandt et al., 2010; Hildebrandt et al., 2012).
   Fasst man die medizinischen Anwendungsgebiete der Infrarotthermographie
zusammen, so lässt sich sagen, dass sich die IRT zwar nicht bei allen, aber bei einer
Vielzahl an Krankheitsbildern und Verletzungen als nützliches, diagnostisches Tool
erweisen würde. Obgleich dieser Ergebnisse und der schnellen, nichtinvasiven
Anwendungsmöglichkeit der Infrarotkamera haben konventionelle, bildgebende
Verfahren wie Röntgen, MRT oder Ultraschall in der Gesellschaft einen so hohen
Stellenwert, dass es nur schwer möglich ist, diese durch ein neues Verfahren zu
ergänzen oder zu ersetzen.

                                              16
1.1.5 Infrarotthermographie im Sport

   Auch wenn sich die Infrarottechnik im klinischen Setting wohl in nächster Zeit nicht
durchsetzen wird, so findet sie dennoch seit Anfang des 21. Jahrhunderts verstärkt
Anwendung in der sportwissenschaftlichen Forschung und Praxis. Bei körperlicher
Belastung kommt es unter Aktivierung der Muskulatur zur Steigerung des
Metabolismus und damit einhergehend zu einer gesteigerten Körperkerntemperatur.
Wie in Kapitel 1.1.1 beschrieben regt diese erhöhte Körperkerntemperatur diverse
Thermoregulationsmechanismen wie Evaporation und Vasodilatation der hautnahen
Blutgefäße an, wodurch der Körper über die Hautoberfläche Wärme abgeben und
somit die Temperaturhomöostase aufrechterhalten kann (Charkoudian, 2003; Tansey
& Johnson, 2015). Da sich diese erhöhte Wärmeabgabe und damit verbundene
Radiation mithilfe der Infrarotthermographie erfassen lassen, ist es folglich möglich,
die thermoregulative Anpassung des Körpers bei sportlicher Aktivität zu beobachten
(Chudecka & Lubkowska, 2012). Seit Beginn der sportwissenschaftlichen Forschung
wurden daher viele Studien durchgeführt, die gewisse thermoregulative Muster zu
eruieren versuchten. Dennoch liegen zum jetzigen Zeitpunkt teils nur sehr heterogene
Ergebnisse vor (Hillen et al., 2020).
   Worüber bereits Einigkeit besteht ist die Abhängigkeit der Temperaturentwicklung
von Intensität und Dauer der körperlichen Belastung. Fernández-Cuevas (2012)
gelangte in seiner Arbeit zu dem Schluss, dass (1) konstante, länger andauernde
Aktivität niederer Intensität zu einer Erhöhung der Tsk unmittelbar nach der Belastung
führte, wohingegen bei (2) ansteigender, intervallartiger oder maximaler körperlicher
Belastung im Allgemeinen eine Temperaturreduktion zu sehen war.
   In Studien, die Fall (1) untersuchten, wurde durchwegs von einer direkt zu Beginn
des Trainings eintretenden, kurzzeitigen Reduktion der Tsk berichtet (Fernández-
Cuevas, 2012; Hildebrandt et al., 2012; Neves et al., 2015; Priego-Quesada et al.,
2016). Die Ursache hierfür vermutet man in der anfänglich stattfindenden
Blutumverteilung hin zur aktiven Muskulatur und der durch Sympathikus-
Reflexaktivierung initiierten Vasokonstriktion der hautnahen Blutgefäße (Neves et al.,
2015). Mit fortlaufender, aerober Muskelaktivität stieg die Temperatur in den ROIs über
der aktiv beteiligten Muskulatur kontinuierlich an, bis sie unmittelbar nach
Belastungsende um 0,5 – 0,8°C höher lag als vorher (Fernández-Cuevas, 2012;

                                            17
Hildebrandt et al., 2012; Priego-Quesada et al., 2016). Hiervon abweichende
Ergebnisse finden sich bei Fernandes et al. (2016), deren 60-minütige, aerobe
Laufeinheit zwar in nicht-aktiven Hautarealen eine anfängliche Temperaturabnahme
hervorrief, jedoch mit Andauern der Belastung keine signifikanten Auswirkungen auf
die Hauttemperatur der aktiven Oberschenkelmuskulatur hatte. Dennoch wurde im
Zusammenhang mit Ausdauertraining auch von einer um 2,4°C – 2,9°C verminderten
Temperatur berichtet (Chudecka & Lubkowska, 2012). Die hier durchgeführte
Trainingseinheit wurde allerdings unter dem Begriff speed-endurance training
beschrieben, welche etwa 90 Minuten dauerte. Die genaue Intensität dieser
Trainingseinheit wurde nicht berichtet, weshalb es durchaus möglich ist, dass diese
Untersuchung bezüglich ihrer Intensität auch Punkt (2) zuzuordnen wäre.
     Bei den Trainingsmethoden unter Punkt (2) mit ansteigenden, intervallartigen und
maximalen Belastungen wurde mit Beginn der Bewegung eine ähnliche Form der
Temperaturreduktion beobachtet, welche im Gegensatz zu (1) mit fortschreitender
Dauer und zunehmender Intensität progressiv zunahm (Hillen et al., 2020). In welchem
Ausmaß sich diese Reduktion bewegte, war zwischen den Studien unterschiedlich.
Einige berichteten von Veränderungen von - 0,89°C bis - 1,5°C über aktiv beteiligter
Muskulatur (Fernández-Cuevas, 2012; Hildebrandt et al., 2012; Tanda, 2018). Merla
et    al.   (2010)   stellten   beim   Laufen     mit     ansteigender    Belastung   sogar
Temperatursenkungen von - 3,0°C bis - 5,0°C fest. Grund für diese fortschreitende
Reduktion bis zum Belastungsende könnte der erhöhte Bedarf an Blutversorgung in
der entsprechenden Arbeitsmuskulatur sein, der durch oberflächliche Vasokonstriktion
gedeckt wird (Tanda, 2018).
     Im Gegensatz zu diesen bezüglich des Ausdauertrainings bereits sehr homogenen
Ergebnissen herrscht hinsichtlich der thermoregulativen Vorgänge beim Krafttraining
noch Uneinigkeit. Während in vielen Studien von einer Erhöhung der Tsk berichtet wird,
zeigen andere Untersuchungen auch eine signifikante Abnahme oder gleichbleibende
Temperaturen, was den Bedarf an weiterer, differenzierter Forschung verdeutlicht
(Hillen et al., 2020). In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass es
bereits     Hinweise    gibt,   dass   sich     die     kurzzeitige,   belastungsassoziierte
Temperaturveränderung bei trainierten und untrainierten Personen unterscheidet
(Escamilla-Galindo et al., 2017). Die Temperatur der Wade trainierter Personen stieg
nach einem kurzzeitigen Training mit + 1,0 ± 0,2°C zum einen stärker und zum

                                                18
anderen schneller an als bei Untrainierten mit einer Erwärmung von + 0,4 ± 0,1°C
(Formenti et al., 2013).
   Allen Trainingsmethoden und -intensitäten gemein ist jedoch eine ROI-
unabhängige, signifikante Steigerung der Tsk nach Ende der Belastung, welche in einer
Vielzahl von Studien berichtet wird (Escamilla-Galindo et al., 2017; Fernandes et al.,
2016; Fernández-Cuevas, 2012). 30 Minuten nach einer Krafttrainingsintervention
erreichte die Hauttemperatur bei Escamilla-Galindo et al. (2017) einen Höhepunkt und
lag auch nach 60 Minuten noch höher als zum Zeitpunkt vor der Messung. Verfolgt
man die Temperaturkurve während der Erholungsphase, so wurde auch bis zu acht
Stunden nach der Belastung eine gesteigerte Temperatur gemessen, mit einem
Höhepunkt in der Zeit zwischen vier und sechs Stunden nach dem Training
(Fernández-Cuevas et al., 2014). Auf Basis dieser Ergebnisse stellten die Autor/inn/en
die Hypothese auf, dass sich mittels IRT der Training Load und in Folge die
Regeneration beobachten ließe, wenn man davon ausgeht, dass der Körper nach
vollständiger Erholung wieder zu seiner Ausgangstemperatur zurückkehrt (Fernández-
Cuevas et al., 2014). Al-Nakhli et al. (2012) führten bewusst durch unilaterale Bizeps-
Curls Muskelkater herbei und dokumentierten 24 Stunden nach dem Training eine
signifikante Korrelation zwischen Tsk und subjektiver Muskelschmerzen bei einer
Temperatursteigerung von + 1,17°C. Nach weiteren 48 Stunden lagen zwar die
Intensität der Muskelschmerzen und die Myoglobinkonzentration weiter über dem
Ausgangsniveau, die Temperatur hingegen hatte sich normalisiert. Außerdem scheint
es durch Trainingseinheiten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, bei ansteigender
Erschöpfung und Schmerz, zu einer systematischen Steigerung der Hauttemperatur
um + 0,5°C bis 1,0°C zu kommen (Priego-Quesada et al., 2019). Diese Korrelationen
konnten trotz erheblicher Hinweise auf Muskelkater in neueren Studien nach
Marathonläufen und einer Intervention in Form von Wadenheben nicht bestätigt
werden (da Silva et al., 2018; Pérez-Guarner et al., 2019; Priego-Quesada et al.,
2020). Daraus wird letztlich abgeleitet, dass nach einer Trainingsbelastung nicht direkt
über die Hauttemperatur auf einen vorliegenden Muskelschaden geschlossen werden
sollte, da dies bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig geklärt wurde und weiterem
Forschungsbedarf unterliegt (da Silva et al., 2018).
   Die Tsk scheint nach einer Trainingsbelastung anzusteigen und nach 24 Stunden
(Priego-Quesada et al., 2020) bzw. 48 Stunden (Al-Nakhli et al., 2012) ihr beidseits

                                            19
symmetrisches Ausgangsniveau zu erreichen. Sollte sich diese Symmetrie nicht
wiederherstellen, könnte dies einen Hinweis auf eine zugrundeliegende Pathologie
liefern. Thermales Ungleichgewicht dient, wie bereits in Kapitel 1.1.4 beschrieben, als
Indikator für Entzündungsprozesse und nervale Dysfunktion und könnte so über
etwaige Fehl- oder Überlastungen informieren, noch bevor diese Schmerzen bereiten
(Fernández-Cuevas et al., 2017).
   Hildebrandt et al. (2010) zählen zu einer der ersten Forschungsgruppen, die einen
Einsatz von Infrarot-Screenings zur Verletzungsprävention bei Sportlerinnen und
Sportlern    postulierten   und       diese     erstmals    zur     Begleitung     jugendlicher
Skirennfahrerinnen und -fahrer in der Vorbereitungsphase verwendeten. Im Laufe des
Trainings zeigten sich bei sieben Sportler/inne/n mit Überlastungssymptomen
zwischen symptomatischem und nicht-symptomatischem Knie eine ∆T von
durchschnittlich 1,4 ± 0,58°C, die auch mit erhöhter Druckdolenz einherging. Die
Autor/inn/en    empfahlen    daher      einen     regelmäßigen       Einsatz     der   IRT   im
Trainingsverlauf, um so bereits frühzeitig Veränderungen in der Temperaturverteilung
erkennen und drohende Überlastungen und Verletzungen durch rechtzeitige
Interventionsprogramme (z.B. Belastungsreduktion, Physiotherapie oder weitere
Diagnostik) verhindern oder mildern zu können (Hildebrandt et al., 2010).
   Diese Hypothese wurde nun in zwei aktuellen, prospektiven Studien an
professionellen Fußballspielern geprüft und bestätigt (Côrte et al., 2019; Gómez-
Carmona et al., 2020).      Hierbei     wurden        in   den      (Vor-)Saisonen      zweier
aufeinanderfolgender Jahre die Verletzungshäufigkeit,                der Schweregrad der
Verletzung sowie die damit einhergehende Fehlzeit im Training dokumentiert.
Während der zweiten Beobachtungsperiode wurde anstelle von konventionellen
Verletzungspräventionskonzepten          die    Infrarotthermographie      mit     Fokus     auf
Seitendifferenzen angewandt. Eine ∆T von < 0,3°C wurde als normal angesehen,
zwischen 0,3°C – 0,49°C wurde das betroffene Areal verstärkt beobachtet. Überstieg
die Temperaturdifferenz zwischen den Körperhälften eine Grenze von 0,5°C so
wurden      sofort   präventive   Maßnahmen            ergriffen,    welche      beispielsweise
Belastungsreduktion, Kryotherapie und Physiotherapie umfassten (Gómez-Carmona
et al., 2020). In der Saison mit IRT-Anwendung kam es in beiden Studien zu
signifikanten Reduktionen in der Verletzungshäufigkeit von 11 auf 4 (Côrte et al.,
2019), bzw. von 15 auf 6 (Gómez-Carmona et al., 2020) Verletzungen. Auch der

                                                 20
Schweregrad sowie die Abwesenheitstage durch Verletzungen konnten verringert
werden (Côrte et al., 2019; Gómez-Carmona et al., 2020). Durch die frühe Auskunft
über bestehende Risiken waren Trainer/innen und medizinisches Personal also in der
Lage, schnell und gezielt Interventionsmaßnahmen zu setzen, noch bevor der Spieler
über Schmerz berichtete. Die Autor/inn/en weisen jedoch explizit darauf hin, dass der
Einsatz von IRT nur zur Vorbeugung muskuloskelettaler Verletzungen dient, welche
hauptsächlich durch Überlastung und unvollständige Regeneration auftreten, und
keine Vorhersage von traumatischen Verletzungen zulässt (Gómez-Carmona et al.,
2020).
   Abschließend lässt sich in Bezug auf die Anwendung von Infrarotthermographie im
sportwissenschaftlichen Kontext also sagen, dass sich mittels IRT sowohl kurz- als
auch     mittelfristig   die   Auswirkungen   von   körperlicher   Aktivität   auf   die
Körperoberflächentemperatur und damit auf die Thermoregulation beobachten lassen.
Neben der Trainingsmethode scheinen auch Intensität, Dauer und ROI-Auswahl die
thermoregulativen Mechanismen bzw. Tsk zu beeinflussen, weshalb in einigen
Bereichen noch weiterer Forschungsbedarf besteht. Eine der vielversprechendsten
Thematiken ist wohl die regelmäßige Verwendung der IRT zur Früherkennung von
Überlastungen und damit zur Verletzungsprävention. Um diese Ergebnisse eindeutig
bestätigen zu können, sollte die Thematik nun auch in weiteren Sportarten und -
settings untersucht werden.

                                              21
1.2 Achillestendinopathie
   Überlastungsbedingte Verletzungen können im Allgemeinen in jeder Sportart sowie
auch im nicht-sportlichen Alltag auftreten, wenn es langfristig bei Belastung zu
wiederholten Überbeanspruchungen kommt (Cassel et al., 2015). Die drei häufigsten
Überlastungsverletzungen bei jugendlichen Athlet/inn/en umfassten dabei Tendinitis
(35%), Shin Splint (31%) und Stressfrakturen der unteren Extremitäten (11%) (Cuff et
al., 2010).
   Als eine der drei häufigsten, überlastungsbedingten Verletzungen bei Läuferinnen
und Läufern mit Inzidenzraten von 9,1 – 10,9% aller Untersuchten ist die
Achillestendinopathie besonders im Laufsport ein zentrales Thema (Lopes et al.,
2012). Auch in der Allgemeinbevölkerung erfasste man bereits eine Inzidenzrate von
2,16/1000 Personenjahren (Albers et al., 2016), bzw. 2,35/1000 Personen (Jonge et
al., 2011). Diese Zahlen mögen zwar im Vergleich zur Inzidenz aller den
Bewegungsapparat betreffenden Verletzungen (267/1000 Personen-Jahre, untersucht
in der holländischen Bevölkerung) nicht hoch erscheinen, stellen aber insofern ein
Problem dar, als dass Überlastungseinschränkungen wie die Tendinopathie häufig
langfristig und rezidivierend zu Beschwerden führen (van der Linden, 2004, zitiert nach
Albers et al., 2016). Vor allem in Bezug auf die Entstehung, den Verlauf und die
Therapie bestehen noch immer sehr inkonsistente wissenschaftliche Ergebnisse,
weshalb es wünschenswert wäre, geeignete Präventions- und Früherkennungs-Tools
zu entwickeln, um Überlastungen vorzubeugen und so die Verletzungszahl zu
reduzieren.

1.2.1 Begriffsbestimmung

   Nachdem im Laufe der Zeit diverse Bezeichnungen und Diagnosen für
schmerzhafte    Sehnen     aufgekommen      sind,   die   häufig   zu   Unklarheit   und
Missverständnissen in Diagnostik und Therapie führten, wurde im Jahre 2020 ein
Delphi-Verfahren zur Konsensbildung durchgeführt. Demnach ist der Begriff
Tendinopathie (“tendinopathy”) „the preferred term for persistent tendon pain and loss
of function related to mechanical loading“ (Scott et al., 2020, S. 261). Diese Definition
wurde bewusst sehr allgemein gehalten, da Tendinopathien nicht selten ohne
nachweisbare pathologische oder biochemische Veränderungen vorliegen und damit

                                             22
Schmerz und Funktionsverlust die zentralen Einschränkungen darstellen (Scott et al.,
2020).
   Prinzipiell kann sich in jeder Sehne im menschlichen Körper eine derartige
Tendinopathie entwickeln, wobei gewisse Sehnen aufgrund ihrer anatomischen Lage
und Beanspruchung häufiger betroffen sind als andere. Vor allem die ausgeübte
Sportart ist hierbei entscheidend für die Lokalisation (Clarsen et al., 2015). Zu den
bekanntesten Tendinopathien der oberen Extremitäten zählen Tennis- und Golfer-
Ellbogen (laterale und mediale Epikondylitis). Bei diesen Krankheitsbildern kommt es
aufgrund von Überlastung der Unterarmextensoren (Tennisarm) und -flexoren
(Golferellbogen) zu chronischen Beschwerden im jeweiligen Sehnenursprungsbereich
des lateralen oder medialen Ellbogens (Maffulli et al., 2003b). Auch an den Sehnen
der sogenannten       Rotatorenmanschette     (M.   supraspinatus, M.      infraspinatus,
M. subscapularis und M. teres minor) können chronische Tendinopathien auftreten. An
den      unteren   Extremitäten   können    insbesondere     Patella-,   Achilles-   und
Hüftadduktorensehnen Beschwerden hervorrufen (Rees et al., 2009).
   Neben der betroffenen Sehne unterscheidet man im spezifischen Fall der
Achillestendinopathie außerdem nach der Lokalisation der Läsion innerhalb der
Sehne. Am häufigsten finden sich Anzeichen dafür unmittelbar an der Insertionsstelle
am Knochen (Enthesiopathie oder Insertionstendinopathie) oder im mittleren
Sehnenanteil (Mid-Portion-Tendinopathie, 2 – 7cm proximal des Calcaneus) (Diemer
& Sutor, 2018). Des Weiteren sind Entzündungen im Sehnengleitgewebe (Paratenon)
möglich (Cardoso et al., 2019).
   Dachte man bis Ende des 20. Jahrhunderts noch, dass Sehnenbeschwerden eine
entzündliche Erkrankung darstellen, so veränderte sich die Sichtweise mit
zunehmender histologischer Forschung, welche kaum Entzündungszellen in
pathologischen Sehnen nachweisen konnte (Rees et al., 2014). Heute wird als
Tendinopathie eine primär nicht-entzündliche, degenerative Erkrankung bezeichnet,
die vor allem durch Querschnittsvergrößerung der Sehne, Druck- und Anlaufschmerz
sowie belastungsabhängige Beschwerden charakterisiert wird (McAuliffe et al., 2017;
Pingel et al., 2012; Silbernagel et al., 2020). Die Ätiologie einer Tendinopathie umfasst
eine Vielzahl an Einflussfaktoren, welche in Absatz 1.2.3 genauer beschrieben
werden. Zentraler Punkt bei der Krankheitsentstehung ist jedoch häufig eine
Überlastung durch eine zu schnelle oder zu hohe Steigerung von Trainingsintensität

                                             23
und -umfang (O‘Neill et al., 2016). Die genauen Veränderungen, die im Zuge der
Sehnenproblematik auf histopathologischer und biochemischer Ebene ablaufen, sind
in einigen Punkten bis heute unklar. Welche Fakten bereits als gesichert gelten und
welche Faktoren noch weiterer Forschung bedürfen, soll im Folgenden beleuchtet
werden.

1.2.2 Sehnenhistologie

Aufbau und Funktion der Achillessehne

                                                          Als    Achillessehne            (lateinisch:
                                                       Tendo calcaneus) wird die Verbindung
                                                       der Endsehnen der beiden Muskeln
                                                       M. gastrocnemius         und        M. soleus

 Caput mediale des
                             Caput laterale des        bezeichnet,     die     gemeinsam           als
                             M. gastrocnemius
  M. gastrocnemius                                     M. triceps surae      die   oberflächliche
                             M. soleus                 Muskelschichte des dorsalen Unter-
   Tendo calcaneus                                     schenkels bilden (Platzer, 2013).
    = Achillessehne
                                                          Seltener kann auch die lange
                                                       Sehne    des    M.     plantaris     mit   der
                                                       Achillessehne         verwachsen           sein
                                                       (Dalmau-Pastor et al., 2014). Der M.

Abbildung 1. Anatomischer Aufbau des dorsalen
                                                       gastrocnemius entspringt mit seinen
Unterschenkels (Tillmann, 2010)                        beiden Köpfen, Caput mediale und
                                                       Caput laterale, an den Kondylen des
Oberschenkelknochens und zieht von dort nach distal. Der M. soleus hat seinen
Ursprung am Caput fibulae, der Linea m. solei tibiae sowie dem Arcus tendineus m.
solei und setzt in einer gemeinsamen Sehne mit dem M. gastrocnemius am Tuber
calcanei an. Durch seine anatomische Lage fungiert der M. triceps surae daher als
wichtigster Plantarflexor sowie stärkster Supinator im unteren Sprunggelenk (Platzer,
2013). Aufgrund der Zweigelenkigkeit des M. gastrocnemius bewirkt der M. Triceps
surae außerdem eine Flexion im Kniegelenk, kann daher jedoch bei gebeugtem Knie
nicht seine volle Wirkung erreichen (Diemer & Sutor, 2018; Platzer, 2013).
   Die Achillessehne beginnt an ihrem Ursprung in flacher Form, verläuft dann bis
etwa 4cm vor ihrem Ansatz in rundlicher Ausformung und setzt ausgeweitet und wieder

                                                  24
flacher am Calcaneus an, wobei sie insgesamt eine Länge von 10 – 15cm erreicht
(O‘Brien, 2005, zitiert nach Diemer & Sutor, 2018). Die Dicke der Sehne wird je nach
Autor/in unterschiedlich angegeben, wobei der Sehnenquerschnitt bei Gesunden je
nach Studie etwa 63,1mm² (Tran et al., 2020), bzw. 83,6mm² (Docking & Cook, 2016)
beträgt. Kongsgaard et al. (2011) fanden bei Differenzierung nach Sehnenabschnitt
folgende Querschnittsgrößen: proximal: 74mm², medial: 67mm² und distal: 81mm². In
anterior-posteriorer Richtung wurden Werte von 6,5mm verzeichnet (Docking & Cook,
2016). Mit diesen Werten stellt die Achillessehne die kräftigste und eine der längsten
Sehnen des menschlichen Körpers dar (Dalmau-Pastor et al., 2014).
   Für   die   Blutversorgung    der Sehne        sind   folgende   Arterien   maßgeblich
verantwortlich: (1) die Arteria tibialis posterior, welche am myo-tendinösen und osteo-
tendinösen Übergang den proximalen und distalen Sehnenabschnitt versorgt, und (2)
die Arteria fibularis, welche über das Paratenon den mittleren Sehnenabschnitt
versorgt. Dieser mittlere Abschnitt besitzt eine geringere Vaskularisierung und daher
eine schlechtere Blutversorgung (Dalmau-Pastor et al., 2014; Sharma & Maffulli,
2006).
   Der strukturelle Aufbau der Sehne ist im Grunde vergleichbar mit den meisten
anderen Sehnen des menschlichen Körpers, soll aber an dieser Stelle nochmals
herausgearbeitet   werden,      da   vor   allem    durch    (Über-)Belastung    gewisse
Veränderungen und Umbauprozesse in Gang gesetzt werden, auf die zu einem
späteren Zeitpunkt eingegangen wird. Die Hauptaufgabe einer jeden Sehne ist die
Kraftübertragung (Magnusson & Kjær, 2019). Sie setzt sich aus Bündeln von
Kollagenfibrillen zusammen, welche einzeln jeweils vom Endotenon und gemeinsam
vom Epitenon ummantelt werden (Abate et al., 2009; Sharma & Maffulli, 2006). Den
Abschluss nach außen bildet im Fall der Achillessehne ein Paratenon (Abate et al.,
2009). Auf zellulärer Ebene betrachtet bestehen Sehnen zu 90 – 95% aus Tenoblasten
und Tenozyten, welche sich in der extrazellulären Matrix (ECM) befinden und entlang
der Kollagenfasern angeordnet sind. Tenozyten sind u.a. für die Synthese von
Kollagen und Teilen der ECM sowie für die aerobe und anaerobe Energiegewinnung
innerhalb der Sehne zuständig (Sharma & Maffulli, 2006). Ins Verhältnis gesetzt bilden
Kollagene (hauptsächlich Typ 1) einen Anteil von 65 – 80% der Gewebetrockenmasse,
bzw. 30% der Gesamtmasse, von der rund zwei Prozent Elastine darstellen (O‘Brien,
1997). In der Literatur werden die Kollagenfibrillen als die Struktur angesehen, die

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