URTEIL VERWALTUNGSGERICHT WEIMAR - Beck.de

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                                         Aktenzeichen

                   VERWALTUNGSGERICHT WEIMAR
                                                           verkündet am: 30.03.2006

                                                           gez. Hottenrott-Kerz

                                                           Justizobersekretärin
                                                           als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle

                                      URTEIL
                           IM NAMEN DES VOLKES

                          In dem Verwaltungsrechtsstreit
die D_____ AG,
vertreten durch den Vorstand,
T_____, _____ F_____,
                                                            - Klägerin -
Prozessbevollm.:
Rechtsanwälte von Minckwitz und Partner,
Hamburger Allee 45, 60486 Frankfurt am Main,

gegen

die Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch den Präsidenten des
Eisenbahn Bundesamtes,
Vorgebirgsstraße 49, 53119 Bonn,
                                                            - Beklagte -

beigeladen:
1. der Freistaat Thüringen,
vertreten durch den
Thüringer Minister für Bau und Verkehr,
Werner-Seelenbinder-Straße 8, 99096 Erfurt
2. die D_____ AG,
vertreten durch den Vorstand,
S_____, _____ F_____,

wegen
Eisenbahnverkehrsrechts

hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Weimar durch
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Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Heisel,
Richter am Verwaltungsgericht Schaupp,
Richterin am Verwaltungsgericht Pirk,
ehrenamtliche Richterin,
ehrenamtlicher Richter,

aufgrund der mündlichen Verhandlung am 30. März 2006 f ü r R e c h t e r k a n n t :

           1. Die Klage wird abgewiesen.

           2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen mit Ausnahme der au-
               ßergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

           3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
               Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages
               abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollsteckung Sicherheit in glei-
               cher Höhe leistet.

                                     Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Genehmigung der Betriebseinstellung der Bahn-
linie B_____ – S_____. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Antrag vom 16.09.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Einstellung des
Betriebs auf oben genannter Strecke. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen darauf,
dass zwar derzeit noch die Erlöse aus dem Betrieb der Strecke die jährlichen Instandhaltungs-
kosten überstiegen, jedoch in den nächsten fünf Jahren Investitionen von rund 19,3 Mio €
anstünden (16,8 Mio Oberbau, 1,5 Mio Eisenbahnüberführungen und 1 Mio Bahnübergänge).
Sie habe den Betrieb der Strecke im Internet ausgeschrieben, Bewerber für die Übernahme
der Strecke hätten sich jedoch nicht gefunden. Da auch eine wesentliche Erhöhung der Ein-
nahmen nicht zu erwarten sei, könne die Strecke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden.
Ihr sei daher der weitere Betrieb unzumutbar.

Der Beigeladene zu 1., der mit der Beigeladenen zu 2. einen Vertrag zur Erbringung von Ver-
kehrsleistungen auf der oben genannten Strecke geschlossen habe, habe es abgelehnt, mit die-
ser einen längerfristigen Vertrag mit 20 Jahren Laufzeit zu schließen. Da jedoch der Beigela-
dene zu 2. den Vertrag jährlich kündigen könne, habe die Klägerin keine ausreichende Inves-

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titionssicherheit, wenn sie die Strecke generalüberhole. Auf weitere Nachfrage der Beklagten
erläuterte die Klägerin insbesondere den bei ihren Berechnungen eingestellten betrieblichen
Aufwand für die Vorhaltung der Strecke. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die An-
gaben im Schriftsatz vom 9.12.2004 an die Beklagte (Bl. 115 VA) verwiesen.

Mit Bescheid der Beklagten vom 16.12.2004 wurde die Genehmigung versagt. Zur Begrün-
dung wurde darauf verwiesen, dass die Voraussetzungen für eine Stilllegung der Strecke und
insbesondere eine Unzumutbarkeit des Weiterbetriebes nicht vorlägen. Das Vorbringen der
Klägerin ziele ausschließlich auf eine von dieser gewünschten Stilllegung der Strecke. Die
Variante eines dauerhaften Weiterbetriebes sei nicht ernsthaft erwogen worden. Ein solcher
könne bei entsprechender Förderung durch Bundesmittel erfolgen. Das Risiko eines wirt-
schaftlichen Erfolgs könne die Klägerin nicht auf den Beigeladenen zu 1. als Besteller der
Verkehrsleistungen abwälzen.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.12.2004 Widerspruch ein. Diesen be-
gründete sie im Wesentlichen damit, dass bei allen denkbaren Weiterbetriebsmöglichkeiten
(Verpachtung der Strecke, Stilllegung zum 31.12.2004, Stilllegung zum 31.12.2011, Weiter-
betrieb der Strecke bis 2023) jeweils negative Ergebnisse zu erwarten seien. Denn es sei bes-
tenfalls von gleichmäßigen Trassenerlösen wie im Jahre 2004 auszugehen. Auch bei einer
hundertprozentigen Übernahme der zuwendungsfähigen Kosten für Ersatzinvestitionen
verblieben nicht förderfähige Kosten in Höhe von rund 1,42 Mio €. Von einem Weiterbetrieb
der Anlage über das Jahr 2011 hinaus könne jedoch nicht ausgegangen werden, da sich der
Beigeladene zu 1. geweigert habe, eine zwanzigjährige Bestellgarantie abzugeben.

Mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 01.08.2005 wurde der Widerspruch zurückge-
wiesen. Zur Begründung wurde – ergänzend zum bisherigen Vorbringen – darauf verwiesen,
dass die Zuordnung der Rentabilitätsberechnung zu einer einzelnen Strecke verfehlt sei.
Vielmehr müsse sich die Klägerin in einer Gesamtkalkulation einen gewinnbringenden Be-
trieb anderer Strecken genauso zurechnen lassen wie einen eventuell defizitäreren Betrieb bei
anderen Strecken. Es sei zunächst zu prüfen, ob der Bund Finanzmittel zur Verfügung stelle.
So lange dies nicht geklärt sei, könne eine Feststellung der Unzumutbarkeit gerade nicht er-
folgen. Eine Rückzahlungsverpflichtung von Mitteln für Ersatzinvestitionen sei nur bei einer
Streckenstilllegung zu erwarten. Unabhängig davon, ob der Freistaat Thüringen später Bestel-
lungen für die Strecke auslöse, müsse daher keine Stilllegung der Strecke durch die Klägerin
erfolgen.

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Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.08.2005 Klage.

Sie begründete dies ergänzend zu Ihrem Vorbringen im Widerspruchsverfahren damit, dass
auch bei einer Fremdmittelförderung durch den Bund und einem Weiterbetrieb der Strecke bis
2023 das Ergebnis negativ sein werde. Es könne sicher davon ausgegangen werden, dass der
Bund diese Maßnahmen nicht finanzieren werde. Grundlage hierfür sei die so genannte Glo-
balvereinbarung Oberbau, die eine Finanzierungsfähigkeit nur für den Fall vorsehe, dass die
entsprechenden Planungskosten das Ergebnis wirtschaftlichen Handelns seien. Dies sei nicht
der Fall. Die also selbst zu finanzierenden Erhaltungsinvestitionen könnten keinesfalls durch
die Trassenerlöse erwirtschaftet werden.

Die Klägerin beantragt,

           die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16.12.2004 und des Wider-
           spruchsbescheides vom 01.08.2005 zu verpflichten, der Klägerin die Genehmi-
           gung zur dauernden Einstellung des Betriebs der Strecke B_____ – S_____ zu er-
           teilen,

Die Beklagte beantragt,

           die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren verweist sie darauf, dass die Klä-
gerin die Varianten einer Kostenrechnung bei Ausbau der Strecke mit Hilfe von Bundeszu-
schüssen und einer durch Rationalisierung entstehenden Kostenminderung nicht geprüft habe.
Diese Variante führte zu einer Rentierlichkeit der Strecke. Es bestünde der Verdacht, dass die
Klägerin im Wege der von dem Beigeladenen zu 1. verlangten dauerhaften vertraglichen Bin-
dung Aufträge für ihr Schwesterunternehmen, die Beigeladene zu 2. sichern wolle. Bei den
von der Klägerin genannten erforderlichen Investitionen sei von einer deutlichen Überhöhung
auszugehen. So seien die Kostenschätzung für eine Oberbauinstandsetzung von ca. 500,00 €
pro lfd. Meter Gleis für hoch belastete Magistralen des Schnellverkehrs und des schweren
Güterverkehrs entwickelt worden. Bereits hier seien erhebliche Summen einzusparen. Die
Berechnungen der Klägerin zu einer Unterdeckung von 626.000 € bei einem Betrieb bis zum
Jahre 2011 und einer Unterdeckung von 193.000 € bei einem Betrieb bis 2023 zeigte, dass die
vorzunehmenden Sanierungsmaßnahmen in erheblichem Umfang als Aufwand und nicht als
aktivierungsfähige Investition einbezogen worden seien. Bei einer Sanierung der Strecke ent-
fielen durch den Einbau technischer Einrichtungen Personalkosten in Höhe von 459.000 €.

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Unabhängig davon sei festzustellen, dass die Klägerin die Strecke auf Verschleiß gefahren
habe und nunmehr die Sanierungskosten nicht tragen wolle. Entsprechende Fördermittel seien
– abgesehen von den Abschreibungen – ertragsneutral. Einer entsprechenden Rückstellung
stehe auf der Aktivseite der Wertgewinn beim Anlagekapital gegenüber.

Der Beigeladene zu 1. führt aus, dass er im Rahmen eines Vertrages mit der Beigeladenen zu
2. einen Vertrag über die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen abgeschlossen habe.
Von 2004 an sei eine Ausweitung der Zugkilometer geplant gewesen, die jedoch aufgrund
zahlreicher Mängelstellen auf der Strecke nicht hätte realisiert werden können. Dementspre-
chend sei es zu einer Reduzierung der zunächst vereinbarten Kilometerleistung gekommen.
Über das Jahr 2007 sei es ihm nicht möglich, verbindliche Aussagen zu treffen, da im Hin-
blick auf die Fortschreibung des Nahverkehrsplanes ab 2008 Unsicherheiten über die Beteili-
gung des Bundes bei der Förderung der Verkehrsangebote bestünde. Daher könne zum jetzi-
gen Zeitpunkt keine verbindliche Trassenbestellung über diesen Zeitpunkt hinaus gegeben
werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und
die vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Heftungen) Bezug genommen. Diese
Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

                              Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Genehmigung der beantragten Stilllegung der Bahn-
strecke B_____ – S_____. Der dies verweigernde Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die beantragte Streckenstilllegung ist § 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs.
1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes – AEG -. Für die Einstellung des Betriebes einer Stre-
cke ist demnach erforderlich, dass dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Betrieb der
Einrichtung nicht mehr zugemutet werden kann. Eine Unzumutbarkeit bei einer beabsichtig-
ten Streckenstilllegung liegt dann vor, wenn die Trassenerlöse auf Dauer die Strecke nicht
mehr finanzieren und auch eventuelle Zuwendungen und Zuschüsse von Aufgabenträgern
einen      wirtschaftlichen      Betrieb        nicht     dauerhaft     sichern      (Witten-
berg/Heinrichs/Mittmann/Zwanziger zu § 11 AEG Rdn. 20).

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Eine solche Unzumutbarkeit des Weiterbetriebes hat die Klägerin mit den im Antrags-, Ver-
waltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Unterlagen nicht dargelegt.

Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite folgt dies nicht daraus, dass die Klägerin eventu-
elle Verluste auf bestimmten von ihr betriebenen Strecken durch erzielten Gewinn auf ande-
ren Strecken ausgleichen kann. Denn diesen Einwand muss sie sich nicht entgegenhalten las-
sen. Der Zumutbarkeitsbegriff des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG ist nicht unternehmensbezogen zu
verstehen, so dass eine Unzumutbarkeit nicht erst dann eintritt, wenn es der Klägerin als Ge-
samtunternehmen nicht mehr zugemutet werden kann, defizitäre Strecken weiter zu betreiben.
Der Wortlaut des § 11 Abs. 1 AEG spricht eindeutig von dem „ … Betrieb einer Strecke“, so
dass die Unzumutbarkeit auf einen bestimmten Streckenabschnitt zu beziehen ist und dement-
sprechend keine Gesamtunternehmensbetrachtung in wirtschaftlicher Hinsicht stattfindet.

Die Zumutbarkeit des Weiterbetriebs resultiert für die Klägerin entgegen der Auffassung der
Beklagten auch nicht aus einer möglichen – von der Beklagten behaupteten – vorangegange-
nen Streckenvernachlässigung. Denn eine mögliche Streckenvernachlässigung – unabhängig
ob diese durch die Klägerin vorliegend erfolgt ist – kann einen möglichen Stilllegungsan-
spruch nach § 11 Abs. 1 AEG nicht vernichten. Denn die Beklagte selbst ist nach dem Gesetz
beauftragt, mögliche Verletzungen bei der Unterhaltungspflicht der Strecke festzustellen und
berechtigt Instandsetzungen ggf. auch zwangsweise durchzusetzen (§ 4 Abs. 1 AEG, § 2 Abs.
3 i.V.m. § 5 AEG). Der Beklagten als zuständiger Aufsichtsbehörde ist es daher möglich, eine
Streckenvernachlässigung zu beenden und wirksame Gegenmaßnahmen zu veranlassen. Eine
gleichwohl geduldete Streckenvernachlässigung hätte sie – läge sie denn vor – selbst zu ver-
antworten.

Gleichwohl hat die Klägerin eine Unzumutbarkeit im oben genannten Sinne durch die vorge-
legten Berechnungsmodelle nicht schlüssig dargelegt. Dabei ist es grundsätzlich nicht zu be-
anstanden, wenn die Beklagte gerade solche Berechnungsmodelle fordert, die eine langfristige
wirtschaftliche Sicherung der Strecke aufzeigen könnten.

Die Klägerin hat zunächst im Zuge des Verwaltungsverfahrens im Wesentlichen dargelegt,
dass sie aufgrund des anstehenden Investitionsbedarfes in Höhe von ca. 19,3 Millionen Euro
keine Aussicht sehe, die Höhe der jährlichen an den Bund zu leistenden Abschreibungszah-
lungen zu erwirtschaften. Eine solche Annahme kann vorliegend jedoch bereits deshalb nicht
zur Unzumutbarkeit des weiteren Streckenbetriebes führen, da derzeit überhaupt nicht fest-
steht, ob und in welcher Höhe die Klägerin bei entsprechenden Ersatzinvestitionen, d. h. einer

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grundlegenden Erneuerung der Strecke zu Zahlungen verpflichtet ist. Nach § 11 Abs. 2 i.V.m.
§ 10 Abs. 1 des Gesetzes über den Ausbau des Schienenweges des Bundes, - Bundesschie-
nenwegeausbaugesetz –BSWAG – leistet zwar die Eisenbahn für Maßnahmen, die seitens des
Bundes gefördert wurden, grundsätzlich Zahlungen in Höhe der jährlichen Abschreibung. §
10 Abs. 1 Satz 2 BSWAG sieht jedoch ausdrücklich vor, dass, wenn die Baumaßnahmen nicht
oder nur zum Teil im unternehmerischen Interesse liegen, sich die Abschreibungen ggf. nur
auf einen Teilbetrag der Investitionssumme beziehen oder gar der Bund einen Baukostenzu-
schuss gewähren kann. Dies bedeutet zur Überzeugung der Kammer nichts anderes, als es die
Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums ist, eine Strecke, die sich unter Umständen
nicht rechnet, aus politischen Gründen gleichwohl im Rahmen eines verlorenen Zuschusses
hundertprozentig zu fördern. Die Klägerin würde dann die Strecke sozusagen „kostenlos“
erhalten und müsste daran ihre Wirtschaftlichkeitsberechnung ausrichten. Vorliegend hat die
Klägerin jedoch einen solchen Antrag auf Förderung der Strecke (im Rahmen von beabsich-
tigten Ersatzinvestitionen) weder gestellt noch hat das Bundesverkehrsministerium einen sol-
chen Antrag ganz oder teilweise abgelehnt. Dies wäre aber zur Überzeugung der Kammer
unabdingbare Voraussetzung dafür, dass das Gericht eine Unzumutbarkeitsfeststellung treffen
könnte. Denn – entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Klä-
gerin – ist nicht ersichtlich, dass auch bei einer hundertprozentigen Förderung der Strecke im
Rahmen eines verlorenen Zuschusses die Strecke nicht wirtschaftlich betrieben werden könn-
te. Dagegen spricht nämlich eindeutig der Umstand, dass die Klägerin selbst glaubt, die Stre-
cke bei einer zwanzigjährigen Bestellgarantie durch die Beigeladene zu 1. weiter wirtschaft-
lich betreiben zu können. Denn wäre nach jeder denkbaren Möglichkeit ein wirtschaftlicher
Weiterbetrieb nicht möglich, hätte eine solche Anfrage bei der Beigeladenen zu 1. von vorn-
herein überhaupt keinen Sinn gemacht. Nur in diesem Fall jedoch, wenn auch bei einer hun-
dertprozentigen Förderung – ohne Rückzahlungsverpflichtung – ein wirtschaftlicher Betrieb
der Strecke nicht möglich erscheint, könnte auf eine solche Antragstellung auf Förderung und
eine entsprechende Bescheidung verzichtet werden. Auch aus anderen Unterlagen die die
Klägerin im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegt hat, ist eine solche Konstellation
nicht zu entnehmen. Soweit die Klägerin angekündigt hat, diese Unterlagen, im Rahmen eines
zu erstellenden Sachverständigengutachtens vorlegen zu können, ist dies für ein substantiier-
tes Vorbringen als Voraussetzung für eine gerichtliche Beweiserhebung nicht ausreichend.

Entgegen der Auffassung der Klägerin muss diese für einen Fall, dass die Beigeladene zu 2. –
im Auftrag der Beigeladenen zu 1. – keine Trassenbestellung mehr bei der Klägerin auslösen
würde – auch nicht befürchten, gegebenenfalls gewährte Investitionsmittel des Bundes zu-

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rückzahlen zu müssen. Denn nach § 9 a Abs. 1 BSWAG ist dies nur der Fall, wenn die Kläge-
rin den Schienenweg stilllegt, zweckentfremdet, nicht betriebsbereit vorhält oder auf andere
Eisenbahninfrastrukturbetreiber überträgt. Die Rückzahlungsverpflichtung wird daher gerade
dann nicht ausgelöst, wenn das entsprechende Eisenbahninfrastrukturunternehmen lediglich
keine Trassenbestellungen mehr erhält und dementsprechend kein Verkehr auf der Strecke
mehr stattfindet. Das Risiko der Klägerin, dass keine Trassenbestellung mehr erfolgt, besteht
daher allenfalls in der Form, dass sie im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Kalkulation für diesen
Fall keine Trassenerlöse mehr erwarten kann. Eine Rückzahlungsverpflichtung nach § 9 a
BSWAG ist damit jedoch nicht verbunden.

Nach der Zielrichtung der Norm des § 10 Abs. 1 BSWAG soll daher das Bundesverkehrsmi-
nisterium in einem politischen Willensbildungsprozess entscheiden, ob es für die Klägerin
einen unrentablen Streckenbetrieb gleichwohl durch Gewährung eines verlorenen Zuschusses
wirtschaftlich durchführbar macht. Es ist nicht zulässig, wenn die Klägerin vorab über die
Wahrscheinlichkeit einer solchen Förderung spekuliert, eine Ablehnung prognostiziert und
die von ihr erwartete ablehnende Entscheidung gedanklich vorwegnimmt und auf diesem We-
ge zu einer Unzumutbarkeit des Weiterbetriebes kommt.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Entscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren vorliegend nicht aus Billigkeitsgrün-
den zu erstatten, da diese im Verfahren keine eigenen Klageanträge gestellt haben und sich
dementsprechend keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3
Satz 1 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708
Nr. 11 ZPO.

Berufungszulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO sind vorliegend nicht gege-
ben. Insbesondere liegt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht allein deswegen vor, weil sie ggf. für eine Vielzahl anderer Verfah-
ren Auswirkungen haben könnte. Vielmehr hat vorliegend die Kammer lediglich den konkre-
ten Fall in Form der Finanzsituation der Strecke unter den Begriff der Unzumutbarkeit im
Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG subsumiert. Nichts anderes gilt für die – lediglich von der

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Beklagten beantragte – Zulassung der Sprungrevision. Auch insoweit liegen die Vorausset-
zungen des § 134 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1,2 VwGO nicht vor.

                            Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Thüringer Oberverwaltungsge-
richt zu, wenn sie von diesem zugelassen wird.
Die Zulassung der Berufung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils be-
antragt werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar, Rießnerstraße 12 b,
99427 Weimar, zu stellen.
Der Zulassungsantrag ist innerhalb zweier Monate nach Zustellung des Urteils zu begründen.
Die Begründung ist - wenn sie nicht bereits mit dem Zulassungsantrag erfolgt - beim Thürin-
ger Oberverwaltungsgericht, Kaufstraße 2 - 4, 99423 Weimar einzureichen.

Hinweis: Für das Berufungsverfahren besteht Vertretungszwang nach Maßgabe des § 67
Abs. 1 VwGO; dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung.

Heisel                                    Schaupp                                        Pirk

                                      Beschluss

           Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17,7 Millionen € festgesetzt (§ 13
           GKG).

Das Gericht hat vorliegend den Betrag als Streitwert angesetzt, den die Klägerin – nach ihren
korrigierten Berechnungen - glaubt, bei einer Stilllegung der Strecke im Rahmen ihrer In-
standhaltungspflicht in den nächsten 5 Jahren vornehmen zu müssen. Dies ist als wirtschaftli-
ches Interesse der Klägerin anzusetzen und dementsprechend als Streitwert festzulegen.

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Gegen den Streitwertbeschluss steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Be-
troffenen die Beschwerde an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zu.
Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar, Rießnerstraße 12 b,
99427 Weimar, einzulegen.
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird,
nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich
anderweitig erledigt hat.

Heisel                                  Schaupp                                       Pirk

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