VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER

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VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
VAGABU NDIERENDES
      VERNETZEN
   ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG
   DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
INHALTSVERZEICHNIS                                                                                                                                               GRUSSWORT VOM

                                                                                                                         Bild: ©arno
                                                                                                                                                                 BERLINER SENAT
Grußwort vom Berliner Senat                                                    3
Lesbische Sichtbarkeit                                                         4
Wie alles begann – Ein Netzwerk entsteht
Lesben und Alter – Ein Netzwerk wird zum Verband
                                                                               6
                                                                               8
                                                                                                                                                                 LIEBE LESER*INNEN,
Altersarmut – Ein lesbisches Thema?                                            10
Anforderungen an lesbensensible Pflege                                         12                                                                                in Ihren Händen halten Sie ein Produkt unseres Mikroprojekte-Fonds zur
Wohnen im Alter                                                                14                                                                                Geschichte von Berliner LSBTI-Selbstorganisationen 2020. In der vorlie-
                                                                                                                                                                 genden Broschüre bereitet der Dachverband Lesben und Alter e. V. nicht
Treibende Kräfte im Dachverband – Die Mitgliedsorganisationen                  18
                                                                                                                                                                 nur die eigene Geschichte anschaulich auf, sondern präsentiert informa-
Soziale Teilhabe                                                               20                                                                                tive thematische Exkurse zu den Themen, die Lesben* im und mit Blick
Lesben und Alter in der Queeren Community                                      22                                                                                auf das Alter bewegen. Die Broschüre ist damit nicht nur für Geschichts-
                                                                                                                                       Dr. Dirk Behrendt         interessierte spannend. Die Broschüre ist auch mit Blick auf antidiskri-
Rente                                                                          24
                                                                                                                                       Senator für Justiz,       minierungspolitische Herausforderungen der Gegenwart relevant.
Repressionen gegenüber Lesben nach 1949                                        27                                                      Verbraucherschutz
Umzug in das Bundespolitische Zentrum                                          28                                                      und Antidiskriminierung   Liebe Leser*innen, lesbische* Sichtbarkeit ist mir ein Herzensanliegen
                                                                                                                                                                 und seit mehreren Jahren auch ein Schwerpunkt der Förderpolitik des
Herausforderungen                                                              30                                                                                Berliner Senats. Daher freue ich mich, dass wir im Jahr 2020 gleich drei
Meilensteine                                                                   32                                                                                Projekte mit lesbischem* Schwerpunkt fördern konnten:
Internationale Vernetzung                                                      34                                                                                Das betrifft zunächst einen Bereich, den die Broschüre zu Recht als wich-
                                                                                                                                                                 tiges Gerechtigkeitsthema herausstellt: sicheres, würdiges und sozial
Ausblick – Die Zukunft des Dachverbands Lesben und Alter                       36                                                                                eingebundenes Wohnen im Alter. Daher fördern wir seit mehreren Jah-
Quellenangaben                                                                 38                                                                                ren ein echtes Leuchtturmprojekt und begleiten die Rad und Tat GmbH
                                                                                                                                                                 beim Aufbau eines Wohn- und Begegnungsorts in der Stadtmitte für Les-
                                                                                                                                                                 ben* im Alter oder mit Pflegebedarf.
                                                                                                                                                                 Seit 2018 loben wir außerdem den Berliner Preis für Lesbische* Sicht-
IMPRESSUM                                                                                                                                                        barkeit aus. Es ehrt mich besonders, dass ich im vergangenen Jahr
                                                                                                                                                                 Katharina Oguntoye, einer konsequent intersektional denkenden und
Herausgeberin:                             Gestaltung: Allround Team GmbH, Köln
Dachverband Lesben und Alter e. V.                                                                                                                               geschichtsbewussten Pionierin lesbischer* Emanzipation, diesen Preis
Sigmaringer Straße 1                       Fotos: Archiv Dachverband Lesben und Alter, Pixabay, Unsplash,                                                        überreichen durfte.
10713 Berlin                               Sabine Arnolds, DPWV, Anke Feja, Karin Herold, Doris Leymann,                                                         Auch das Projekt Lesbisch*.Sichtbar.Berlin ist in diesem Zusammen-
Tel: 030 55249384                          Annette Schulz, Beate Chandini Werner, arno.
                                                                                                                                                                 hang zu nennen. Es vernetzt lesbische* Communites und entwickelt
kontakt@lesbenundalter.de
www.lesbenundalter.de                      Die vorliegende Broschüre wurde sorgfältig erarbeitet. Trotz aller Sorgfalt                                           Konzepte zur Sichtbarmachung lesbischen* Lebens. Gerade neu auf den
Vereinsregister Berlin VR 36281            können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Für Hinweise auf eventuelle                                                Weg gebracht haben wir Projekte zum intergenerativen Austausch unter
                                           Fehler sind wir dankbar.                                                                                              Lesben*, zu lesbischem* Empowerment im Beruf und zum Coaching les-
1. Auflage Dezember 2020, Berlin
                                           Nachdruck und Vervielfältigung, auch in Auszügen, über analoge oder
                                                                                                                                                                 bischer* Initiativen mit Professionalisierungswunsch.
V.i.S.d.P. Carolina Brauckmann             digitale Medien bedürfen der Genehmigung durch die Herausgeberin.
                                           Alle Rechte vorbehalten.                                                                                              Spannend ist insoweit nicht nur die Geschichte, sondern auch die Zu-
Recherche und Text: Susanne Kalka                                                                                                                                kunft. In diesem Sinne wünsche ich dem Dachverband Lesben und Alter
Redaktion: Sabine Arnolds,                 Spendenkonto:
Carolina Brauckmann, Stefanie Soine        Dachverband Lesben und Alter e. V.                                                                                    e. V. alles Gute – und Ihnen als Leser*innen eine inspirierende Lektüre!
Projektleitung: Sabine Arnolds             Bank für Sozialwirtschaft
                                           IBAN DE 58 1002 0500 0001 5871 00
                                                                                                                                                                                                                                             3
VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
Bild: K Guinn / Pixabay
    „Mehr als alles jedoch,
    denke ich, fürchten wir
    die Sichtbarkeit, ohne die
    wir nicht wahrhaftig leben
    können. [...] Doch diese
    Sichtbarkeit, die uns höchst
    verletzlich macht, ist auch die
    Quelle unserer größten Kraft.“
    Audre Lorde,
    US-amerikanische
    Schriftstellerin und Aktivistin

    LESBISCHE
    Sichtbar zu sein spendet gleichzeitig Kraft und macht
                                                                SICHTBARKEIT
                                                                Akteu­rinnen im Dachverband ein zentra­ler Punkt.          Orte besetzen und Macht einfordern                    bewegung der 1970er Jahre gesellschaftlich mehr
    verletzlich, die Impulsgeberin der Schwarzen Frauen-        Auf den Kraft spendenden Aspekt verweisen ältere                                                                 Gleich­berechtigung und Akzeptanz und auf persön-
    und Lesbenbewegung in Deutschland, Audre Lorde,             Lesben wie Dr. Lising Pagenstecher, Jahrgang 1930,         Sichtbarkeit braucht Protago­  nist*innen, die sich   licher Ebene Autonomie erkämpfte, agiert inhaltlich
    weist in ihrem Zitat auf den Spannungsbogen der viel        Historikerin und Soziologin. Erst mit Ende 30 – also mit   sichtbar machen und für Veränderungen eintreten.      und ana­lytisch stark, stößt aber immer wieder an
    „besungenen“ Sichtbarkeit hin. Wer sich als lesbische       Beginn der Frauen- und Lesbenbewegung – gelang es          Die Netzwerkerinnen, Fachfrauen und Gründerinnen      Kapazitätsgrenzen, z. B. in der Gremienar­beit. Das gilt
    Feministin in sozialen Medien politisch äußert, weiß        Lising, ihre lesbische Identität anzunehmen und of-        des Dachverband Lesben und Alter gehören par          sowohl innerhalb der LGBTIQ*-Community als auch
    von der Verletzlichkeit ein Lied zu singen. Aus Sicht       fen zu leben: „Eine ‚lesbische Identität‘ beinhaltet für   exellence zu diesen sichtbaren Streiter*innen.        innerhalb der Senior*innenarbeit. Der Dachverband
    des Dachverbands Lesben und Alter grenzt es dabei           mich auch Gerechtigkeits- und Emanzipationsvor-            Carolina Brauckmann, Historikerin, Gründungsfrau      steht auch für den Spagat, einerseits den politischen
    an eine Binsenweisheit, dass ältere Lesben zweifach         stellungen im Hinblick auf das Geschlechter- und das       und Vorstand des Dachverbands, zeigt in ihrem         Wurzeln der autonomen Lesbenbewegung verbun­
    oder sogar (wie Monika Kehoe 1986 schrieb) dreifach         Frauenverhältnis. Denn ich möchte als Lesbe einen          Beitrag „Alt, sichtbar, autonom!“ die Bandbreite an   den zu sein und anderer­seits effi­ziente Lobby­arbeit
    unsichtbar sind: als Frau, als Ältere, als Lesbe. Die An-   gleichberechtigten und gleich­gewürdigten Platz ein-       Hürden auf, die dabei übersprungen werden müssen,     in den Institutionen zu leisten. Denn wie Brauckmann
    liegen älterer Lesben sichtbar und hörbar zu machen,        nehmen als Frau im Geschlechterverhältnis und als          und die Ausdauer, die diese Arbeit benötigt.          schreibt: „Orte sichtbar besetzen heißt Macht ein-
    in bessere Bedingungen umzusetzen, bleibt für die           Lesbe im Verhältnis zu anders lebenden Frauen.“            Die Generation, die mit der Frauen- und Lesben-       fordern“.

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VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
Bild: Alina Grubnyak / Unsplash
    WIE ALLES BEGANN –
                                                 EIN NETZWERK ENTSTEHT
    Lesben und Alter – ein Thema mit Zukunft                                                                                              Der Stein kommt ins Rollen –
                                                                                                                                          Die erste bundesweite Fachtagung
    „Wie wollen wir im Alter leben?                     tiven gründeten sich. An verschie-       gen zum Thema Alter und an einer
    Wo wollen wir im Alter leben? Mit                   denen Orten entstanden Besuchs-          „Woche der Älteren“. Die Runde woll-     „Die Idee der bundesweiten Fach­      aus Berlin stellten ihre Arbeits­
    wem wollen wir im Alter leben?“                     dienste und Wohnprojekte.                te, „die traditionelle Altenarbeit für   tagung wurde über die Mailing-­       schwerpunkte vor. Thematisch         „Die bundesweiten
    Lesben gehörten zu den ersten in                    In Hamburg näherten sich Lesben          die Interessen und Bedürfnisse älte­     Liste verbreitet, und die Rückmel-    ging es be­reits um Dauerbrenner     Fachtagungen bieten
    der queeren Community, die Ant-                     dem Altersthema zusätzlich auf           rer Lesben öffnen, um das Bewusst-       dungen bestätigten schnell: so        wie Wohnen, Pflege, Besuchsnet-      wichtige inhaltliche
    worten auf Alters-Fragen suchten.                   fachlicher Ebene. Bea Trampenau,         sein zu schärfen und die Ignoranz zu     eine Vernetzung, so ein Fachaus-      ze und den Einfluss auf die offene   Beiträge von Expert*innen
    Be­reits auf dem Lesbenfrühlings­                   lange im Hamburger Lesbenverein          durchbrechen.“                           tausch, so ein Kennenler­  nen ist    Altersarbeit.                        und ermöglichen den
    treffen 1983 (damals Lesbenpfingst­                 Intervention als Geschäftsführerin       Schließlich ging im April 2004 das       längst fällig gewesen“, heißt es in   Die Teilnehmerinnen waren be-        gegenseitigen Austausch
    treffen) tauschten sich etwa 30 Akti­               aktiv, beschreibt die Initiative: „Die   Netzwerk Lesben und Alter mit der        der Tagungsdokumentation.             geistert und wünschten sich für      der Teilnehmer*innen –
    vistinnen dazu aus und vernetz-                     Ehrenamtlichen bei Intervention          Mailingliste „lesben.altern“ an den                                            die Zukunft regelmäßige bundes-      auch über gemeinsame
    ten sich auf Initiative der Verlegerin              waren älter geworden. Sie woll-          Start – ein bundesweiter Aus­tausch      Viele engagierte Frauen koordi-       weite Fachtagungen, um auch wei-     lesben- und frauenpolitische
    Anke Schäfer (1938–2013).                           ten in die Facharbeit zum Thema          für Fachfrauen und Multiplikatorin-      nierten vom 22. bis 24. Oktober       terhin im persönlichen Austausch     Aktionen von den 1970er
    1986 entstand daraus der bundes­                    Alter einsteigen.“ 2002 entstand         nen. Schnell kam die Idee auf, sich      2004 erfolgreich die erste bun-       zu bleiben. Für 2005 schloss sich    Jahren bis heute.“
    weite Verein Selbsthilfe alleinle-                  in Hamburg der Facharbeitskreis          nicht nur virtuell, sondern auch         desweite Fachtagung „Lesben           die Planung gleich an. Die jewei­    Monika Brunnmüller,
    bender Frauen im Alter, seit 2000                   „Anders Altern“. Gemeinsam erar-         persönlich auszutauschen. Die Akti­      und Alter“ in Hamburg – über 40       ligen Organisatorinnen hielten die   belladonna – Kultur,
    „SAFIA – Lesben gestalten ihr Alter“.               beiteten lesbische Vertreterinnen        vistinnen formulierten ein Tagungs­      Lesben aus zehn Bundesländern         erarbeiteten Inhalte der Tagungen    Bildung und Wirtschaft für
    Gemeinsam wollten die Frauen al-                    aus Senior*innenorganisationen,          programm, beantragten finanzielle        nahmen teil. Verschiedene lesbi-      in Dokumentationen fest – abruf-     Frauen e. V., Bremen
    ternative Lebensformen im Alter                     Lesben - /Frauen - Projekten und         Förderung und organisierten Räume        sche Projekte, aber auch gemisch-     bar auf der Website des Dachver-
    ent­wickeln und praktizieren. Wei­                  einzelne Fachfrauen Positionen,          in Hamburg.                              te Ar­b eitskreise wie BALSAM1        bandes.
    tere lesbische Gruppen und Initia-                  beteiligten sich an Fachtagun­

    Zur gleichen Zeit initiierten Lesben zwei weitere
    Netzwerke, die sich dem Thema Alter widmeten:
    die Fraueninitiative 04 und der Lesbische Herbst.
    „Ich erlebte mich als Zeitgenossin, die in der
    Phase der Zwischenbilanz war: Was haben wir
    erreicht? Wie wollen wir mit unseren spezifischen
    Lebensweisen alt werden? Ich fand es faszinierend,
    dass auf einmal an unterschiedlichen Orten diese
    Fragen aufleuchteten.”
    Carolina Brauckmann, Vorstand Dachverband
    Lesben und Alter; rubicon e. V., Köln

    1
        Berliner Arbeitskreis lesbische und schwule alte Menschen

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VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
LESBEN UND ALTER –                                                                                        EIN NETZWERK
                                WIRD ZUM VERBAND
                                                                                                                                                                                        „Die Energie war ganz
                                                                                                                                                                                        eindeutig: Ja, wir gründen
                                                                                                                                                                                        einen schlagfertigen
                                                                                                                                                                                        Dachverband!“
                                                                                                                                                                                        Bea Trampenau,
                                Grundsteinlegung 2004:                                                                                                                                  Intervention e. V. (bis 2017),
                                Von der Fachtagung zum Netzwerk                                                                                                                         Hamburg

„Der Dachverband Lesben         Die Teilnehmerinnen und Orga­           des Alterns stand dabei neben                                                                                   „Die Bewegung war eine
und Alter e. V. stellt für      nisatorinnen der ersten bundes-         dem Austausch zwischen den                                                                                      Stimmung des Aufbruchs, der
mich eine beeindruckend         weiten Fachtagung im Jahr 2004          Projekten im Vordergrund. Eine                                                                                  Visionen und der Freude daran,
starke Gruppe von               legten in Hamburg den Grund-            der ersten, die eine wegweisende                                                                                gemeinsam aktiv zu sein.“
lesbischen, feministisch        stein für das Netzwerk „Lesben          Idee in den Raum warf, war Bea                                                                                  Jutta Brambach,
geprägten Frauen dar, die       und Alter“. In den darauffolgen-        Trampenau: Weitere Kräfte bün-                                                                                  Vorstand Dachverband
sich selbstbewusst für ihre     den Jahren bauten die Fachfrauen        deln, indem aus dem Netz­werk                                                                                   Lesben und Alter
Ziele engagieren. Er ist ein    durch regen Austausch von Wis-          ein Verband wird. 2007, auf der
wichtiger Verband, der sich     sen, Adressen und Tipps das Fun-        vier­
                                                                            ten Fachtagung, leitete sie
viel vorgenommen hat, weil      dament aus. Die Gruppe „Sappho          dazu einen Workshop. Die 20 Teil-
er den Finger in Wunden         und Methusalem“ organisierte            nehmerinnen diskutierten aus-         Der Startschuss 2009:                 Schließlich fassten sie einen Be­   Die Arbeitsgruppe einigte sich
legt und aktiv für die Rechte   2005 die nächste Tagung in Dort-        führlich und leidenschaftlich das     Wir gründen einen                     schluss, der in seinen Grundzügen   außerdem darauf, den Dachver-
lesbischer Frauen kämpft.“      mund. 2006 und 2007 zeichnete die       Für und Wider eines solchen           Dachverband                           bis heute gilt:                     band zunächst organisatorisch als
Felicitas Drubba,               Berliner offene Initiative lesbischer   Schritts. Am Ende des Workshops                                             • Neben Organisationen können       selbständiges Projekt bei Inter-
Förderin, München               Frauen RuT verantwortlich.              sprachen sie sich mehrheitlich        Zwei Jahre später im Frauenbil-         Einzelfrauen im Verband agie­     vention in Hamburg anzusiedeln.
                                Die fachliche Beschäftigung mit         dafür aus, einen Dachverband zu       dungshaus Charlottenberg auf der        ren, sofern sie schwerpunkt-      Gedacht war das als Übergangs­
                                Themen wie Wohnen, Sterben,             gründen, der die Interessen von       fünften Fachtagung war es dann          mäßig im Bereich „Lesben und      lösung, bis zur Gründung eines
                                Tod, Trauer, Pflege, Ehrenamtlich-      Lesben im Alter auf Bundesebe-        soweit: Die 22 Frauen der Arbeits­      Alter“ arbeiten.                  eigenständigen gemeinnützigen
                                keit, Besuchsdienste, Facetten          ne vertritt. Sie beauftragten Bea     gruppe tauschten sich intensiv        • Gemischte Mitgliedsorganisa­      Vereins.
                                                                        damit, alles für die Gründung vor-    über Struktur und Statut eines          tionen verfügen über einen les-   Am 1. November 2009 fiel dann
                                                                        zubereiten.                           schlagkräftigen Dachverbands aus.       bischen Arbeitsbereich, der       der Startschuss. Einstimmig be­
                                                                                                              Eine zentrale Frage dabei: Wer soll     autonom arbeiten kann und         schlossen die 44 Teilnehmerin-
                                                                                                              künftig Mitglied werden?                Frauen sollen den Verein im       nen der Fachtagung die Gründung
                                                                                                                                                      Verband vertreten.                des Dachverbands Lesben und Al-
                                                                                                                                                                                        ter mit dem Ziel, die Interessen
                                                                                                                                                                                        von älteren und alten Lesben
                                                                                                                                                                                        auf politischer Ebene zu vertre-
                                                                                                              Vorteile eines Dachverbands gegenüber einem losen                         ten sowie in Senior*inneneinrich-
                                                                                                              Netzwerk                                                                  tungen und -Verbände hineinzu-
                                                                                                                                                                                        wirken. Zu den wichtigen Themen
                                                                                                              •   mehr Stabilität nach innen,                                           von Lesben und Alter gehören: Al-
                                                                                                              •   professionelleres Agieren nach außen,                                 terssicherung, Wohnen, Gesund-
                                                                                                              •   feste Ansprechpartnerinnen für Politik und Verbände,                  heitsprävention, Versorgung und
                                                                                                              •   größere Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen.                            Pflege, Rentenpolitik sowie dro-
                                                                                                                                                                                        hende Altersarmut.

                                                                                                                                                                                                                            9
VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
ALTERSARMUT –
     EIN LESBISCHES THEMA?
     Arme Alte – eine wachsende Gruppe                          Die Armutsquoten von 2006 und 2019.                       Das Rentensystem trifft Lesben hart
                                                                Die Altersgruppe der 65-Jährigen und
     Ein selbstbestimmtes Leben im Alter benötigt – nicht       älter wächst am stärksten.                                Bis heute spiegeln sich die Säulen des Adenauer-        „Frauen sind im Alter oftmals auf eine soziale Si-
     nur – aber auch entsprechende finanzielle Ressour­                                                                   systems in den Rentenansprüchen von Frauen wider.       cherung über einen Ehemann angewiesen. Es müsste
                                                                         Alter
     cen. Bei immer mehr Menschen fallen die Renten­                                                                      Der Gender Pay Gap von 20 Prozent verdoppelt sich       aus meiner Sicht jedoch unbedingt so sein, dass ein
     ansprüche so gering aus, dass sie kaum noch über die                        14,0                                     im Alter zu einem Gender Pension Gap von über           würdiges, von einer Ehe unabhängiges Leben im Al-
                                                                   Insgesamt                                   +13,6 %
     Runden kommen. Die Armutsquote in Deutschland                               15,9                                     40 Pro­zent. Ehegattensplitting und Witwenrente –       ter möglich ist.”, erklärt die Historikerin Dr. Kirsten
     zeigt, insbesondere Ältere und Alte sind zunehmend                                                                   anstelle einer eigenständigen Absicherung – blieben     Plötz, die sich in ihrer Forschung u.a. mit dem Thema
     von Armut bedroht. Laut Statistischem Bundes­amt                Unter 18 18,6                             +10,2 %    grundsätzlich unangetastet. Lesben, die ebenso wie      lesbisches Altern befasst.
                                                                              20,5
     betraf dies im Jahr 2019 insgesamt 15,7 Prozent der                                                                  Schwule bis in die 2000er Jahre von solchen staatli-    In Deutschland leben schätzungsweise mehr als eine
     über 65-Jährigen. Zwischen 2006 und 2019 stieg die                18– 25 22,3                             +15,7 %    chen Versorgungsleistungen ausgeschlossen wa­ren,       halbe Million Lesben, die über 65 Jahre alt sind. Es
     Armutsquote der Rentner*innen und Pensionär*in-                          25,8                                        trifft es daher besonders hart. Ausgerechnet viele      ist wichtig, die Interessen dieser Frauen sichtbar zu
     nen um 66 Prozent! Ein trauriger Rekord: Die mit                                                                     derjenigen, die in der Lesben- und Frauenbewegung       machen, damit auch Lesben im Alter ein unabhän-
                                                                        25–50 13,3                             +6,0 %
     Abstand stärkste Zunahme des Armutsrisikos unter                         14,1                                        der 1970er bis 1990er Jahren den gleichstellungs­       giges und selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird.
     allen Gruppen.                                                                                                       politischen und gesellschaftlichen Wandel voran-        Genau aus dieser Motivation heraus, hat sich im Jahr
                                                                        50–65 11,3                             +6,2 %     getrieben haben, leben heute häufig am oder unter       2004 das Netzwerk „Lesben und Alter“ zusammen-
                                                                              12,0
                                                                                                                          dem Existenzminimum. Für ihr Engagement nahmen          geschlossen.
     Rentnerinnen besonders oft arm                              65 und älter 10,4
                                                                                                               +51,0 %
                                                                                                                          sie schlechter und oft sogar unbezahlte Jobs in Kauf.
                                                                              15,7                                        Ihre Lebensleistung spielt im Alter weder finanziell
     Frauen sind hierbei in besonderem Maße benach­            Rentner*innen 10,3                                         eine Rolle noch wird sie gesellschaftlich gebührend
     teiligt. Die konservative und frauenfeindliche Fami­                und                                   +66,0 %    gewürdigt.
                                                             Pensionär*innen 17,1
     lien- und Arbeitsmarktpolitik der frühen Bundesre-
     publik macht sich bis heute in westdeutschen weib-                          0    5 10 15 20 25 30
     lichen Lebensläufen bemerkbar:                                                    Armutsquote in %            2006
     • Die Erwerbsbiographie von Frauen zeigt häufiger
                                                                                                                   2019
        Lücken auf.
     • Sie arbeiten öfter in Teilzeit.
     • Sie verdienen im Schnitt 20 Prozent weniger als          Der Anteil derjenigen über 65 Jahre und
        Männer.                                                 älter nach Geschlechtern getrennt
     Für Frauen galt die heterosexuelle Ehe mit dem
     männ­lichen Alleinverdiener lange Zeit als alterna-
                                                                                 11,8
     tivloses Lebenskonzept. Alleinstehende oder gar                 weiblich                                  +47,5 %
                                                                                 17,4
     frauen­liebende Frauen wurden stigmatisiert. Beruf­
     liche Karriere und finanzielle Unabhängigkeit, in der                       8,5
                                                                   männlich                                    +58,8 %
     Regel mit höherer Bildung verbunden, entsprachen                            13,5
     nicht der traditionellen Frauenrolle.
                                                                                 0        10       20         30
                                                                                        Armutsquote in %           2006
                                                                Quelle: Der Paritätische Armutsbericht 2020        2019
10                                                                                                                                                                                                                                      11
VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
Bild: Dominik Lange / Unsplash

                                                                     ANFORDERUNGEN                                                                                                                                          zu entfalten. Würdevolle Pflege
                                                                                                                                                                                                                            bei Krankheit und im Alter setzt
                                                                                                                                                                                                                                                                     ter begleitet diesen Prozess durch
                                                                                                                                                                                                                                                                     seine Mitwirkung im Beirat. (https://

                                                                     AN LESBENSENSIBLE                                                                                                                                      voraus, dass Lebensrealitäten an-        www.awo.org/queer-im-alter).

                                                                     PFLEGE
                                                                                                                                                                                                                            erkannt werden. Viele lesbisch
                                                                                                                                                                                                                            lebende Frauen fürchten immer            Einiges ist inzwischen auf den
                                                                                                                                                                                                                            noch eher das Gegenteil, sollten         Weg gebracht. LSBTIQ*-Pflegewis-
                                                                                                                                                                                                                            sie pflegebedürftig werden und           senschaftler*innen treiben eine
                                                                                                                                                                                                                            in einer Alten- oder Pflegeeinrich-      bislang – gerade für das lesbische
                                                                                                                                                                                                                            tung leben müssen.                       Altern und die Pflege – feh­lende
                                                                                                                                                                                                                                                                     Forschung voran. Erste Pflege­
                                                                                                                                                                                                                                                                     einrichtungen lassen sich u. a.
                                                                                                                                                                                                                            Pflege –                                 mit dem Siegel „Lebensort Viel-
                                                                                                                                                                                                                            ein Thema mit Zukunft                    falt“ der Schwulenberatung Ber-
                                                                                                                                                                                                                                                                     lin zertifizieren. Handreichungen
                                                                                                                                                                                                                            Bereits während der Aids­krise der       und Pflegekonzepte für Aus- und
                                                                                                                                                                                                                            1980er Jahren setzten sich schwule       Fortbildung werden geschrieben.
                                                                                                                                                                                                                            Aktivisten und Pflegekräfte für eine     Beispielhaft seien drei Initiativen
                                                                                                                                                                                                                            menschenwürdige, vorurteilsfreie         herausgegriffen:
                                                                                                                                                                                                                            Pflege ein und gründeten eigene          • 2019 gab die Landeshauptstadt
                                                                                                                                                                                                                            AIDS-Spezialpflegedienste. Heute,          Hannover einen Leitfaden für
                                                                                                                                                                                                                            auch beeinflusst von Stummers Pio­         Führungskräfte in der ambulan­
                                                                                                                                                                                                                            nier­arbeit, gehen einige freie Träger     ten und stationären Altenpflege
                                                                                                                                                                                                                            voran und schulen ihre Mitarbei­           heraus.
                                                                                                                                                                                                                            tenden in der, wie es nun heißt,         • 2020 erschien das erste Lehr-
                                                                                                                                                                                                                            lebensweltorientierten Pflege. So          buch für Pflege und Soziale Ar-
                                                                     Pflege.Andersrum –                  mit den KundInnen als Mensch,                                                  ten Handreichung „Kultursensible    führt der AWO Bundesverband bis            beit „LSBTIQ* und Alter(n)“ mit
                                                                     frühe Impulse aus                   sexuelles Wesen, Frau und Les-                                                 Pflege für Lesben und Schwule“      Ende 2020 ein neues, bundes­weites         gesonderten Unterkapiteln auch
                                                                     Hamburg                             be“ wie eine inklusive Sprachkul-                                              Kriterien für die professionelle    Modellprojekt zur Öffnung der Al-          für lesbisches Altern.
                                                                                                         tur, adäquate Biografiearbeit, Ein-                                            Pflege. Ihr Kerngedanke: Men-       tenhilfeeinrichtungen der AWO            • Aufgrund eines einstimmigen
                                                                     2003 gründeten die Pflegefach-      beziehen der Wahlfamilie, Schutz                                               schen müssen die Möglichkeit ha-    für die Zielgruppe LSBTIQ* durch.          Stadtratbeschlusses öffnen sich
                                      „Menschen mit lesbischer       frau Birgit Röschmann und die So-   vor Diskriminierung, lesbische                                                 ben, auch im Alter ihre Identität   Der Dachverband Lesben und Al-             seit 2014, gesteuert durch das
                                      oder schwuler Identität        zialpädagogin Bea Trampenau in      Kulturangebote, gleiche Behand-                                                                                                                               Sozialreferat der Stadt München,
                                      professionell und              Hamburg Pflege.Andersrum. In        lung lesbischer Paare. Trampenau                                                                                                                              die stationären Pflegeeinrichtun-
                                      kultursensibel zu pflegen,     Workshops und Vorträgen zeigten     prägte dafür den Begriff „lesben-                                                                                                                             gen der Münchenstift GmbH im
                                      setzt ein generelles           sie auf, wie „Lesben und Schwulen   respektierende Pflege“.                                                                                                                                       Rahmen eines Modellprojekts.
                                      Interesse an Menschen          in der Pflege in Würde“ begegnet
                                      voraus und die Bereitschaft,   werden kann. Pflege.Andersrum                                                                                                                                                                   Bis es aber zum Standard gehört,
                                      sich Wissen über die           war in verschiedene Facharbeits­    Konzept kultursensible                                                                                                                                      Pflegepersonal für alternative Le­
                                      lesbische und schwule          kreise involviert, arbeitete mit    Pflege auch für Lesben                                                                                                                                      bens- und Liebensformen zu sensi-
                                      Kultur anzueignen.“            Senior*innenzentren und Pflege­     und Schwule                                                                                                                                                 bilisieren und spezifisch lesbische
                                      Gabi Stummer                   schulen zusammen. Gemein­    sam                                                                                                                                                                Lebenserfahrungen und Biogra-
                                                                                                                                               Bild: Georg Arthur Pflueger / Unsplash

                                                                     mit der Arbeitsgruppe „Quali­       Gabi Stummer, promovierte Pfle­                                                                                                                             phien als gleichwertig zu berück-
                                                                     tätskriterien ‚Lesben‘ für Alten-   gewissenschaftlerin und eine Zeit                                                                                                                           sichtigen, bleibt der Dachverband
                                                                     und Pflegeheime“ von Anders Al-     lang Sprecherin des Dachver-                                                                                                                                Lesben und Alter an dem Thema
                                                                     tern entwickelten sie Kriterien     bands Lesben und Alter, erarbei­                                                                                                                            dran.
                                                                     für einen „respektvollen Umgang     tete in ihrer 2015 veröffentlich­

                                 12                                                                                                                                                                                                                                                                          13
VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
Bild: MichaelGaida / Pixabay

                                                                                                                                                                             Pionierinnen:                         in Unterfranken bildete Grundka-      nen“. Dazu gehören Selbst­     hilfe
                                                                                                                                                                             Die SAPPhO                            pital und Grundstock für die 1997     im Alter sowie preiswerten Wohn-
                                                                                                                                                                             Frauenwohnstiftung                    offiziell gegründete SAPPhO Frauen­   raum zur Verfügung zu stellen. Mitt-
                                                                                                                                                                                                                   wohnstiftung. Während es zuvor        lerweile gibt es drei Lesbenwohn-
                                                                                                                                                                             Für SAFIA, das älteste bundeswei-     schon einige Frauenwohnprojekte,      projekte, durch die diese Idee ver-
                                                                                                                                                                             tes Netzwerk für Lesben 40+, wa-      zum Teil mit lesbischen Beteilig-     wirklicht und weiter­getragen wird.
                                                                                                                                                                             ren alternative Wohnformen von        ten, in Deutschland gab, entstand     Neben der Hofgemeinschaft ge-
                                                                                                                                                                             Anfang an ein wichtiges Thema.        europaweit das erste Wohnprojekt      hören dazu das Stadthaus Hanno-

                                    WOHNEN
                                                                                                                                                                             Acht Lesben kauften zeit­gleich mit   explizit für Lesben.                  ver sowie die Villa Charlotta und
                                                                                                                                                                             der Vereinsgründung einen Hof in      Die Stiftung will Bedingungen da-     ein weiteres Haus in Charlotten-
                                                                                                                                                                             Wüstenbirkach, Unterfranken. Da       für schaffen, „dass sich Lesben im    berg. Mit Sophias Welt in Schries-
                                                                                                                                                                             sie den Hof nicht selbst besitzen     Alter neue Lebens- und Wohnfor-       heim entsteht zurzeit der nächste

                                                                                                                                                                       IM ALTER
                                                                                                                                                                             wollten, erarbei­teten sie ab 1993    men und Möglichkeiten des Zu-         Wohnort.
                                                                                                                                                                             ein Stiftungs­konzept. Das Anwesen    sammenlebens erschaffen kön-

                                                                    Wie wollen wir wohnen, (nicht        vielen Veranstaltungen wissen die
                                                                    nur) wenn wir alt sind? Wie kann     Akteurinnen im Dachverband, die
                                    „Besonders interessiert         ein Altern in Würde ermöglicht       Themen Altersarmut und Wohn-
                                    mich das Thema Wohnen,          werden und wie können kollek-        perspektiven treiben ältere les-
                                    weil sich damit wesentliche     tive Wohnformen dazu beitra-         bische Frauen um. Gemeinsa-
                                    Themen, wie die Versorgung      gen? Wie kann lebenswerter und       me Wohnformen von Frauen ge-
                                    im Alter, würdevolles Altern,   bezahlbarer Wohnraum in Städ-        hen auf Wurzeln zurück wie die
                                    Verhindern von Isolation        ten und auf dem Land erhalten        Beginenhöfe im Mittelalter oder
                                    und Einsamkeit, auch            oder geschaffen werden? Und          Frauen­  wohnprojekte der ersten
                                    Pflege und die materielle       welche Ressourcen braucht es         und zweiten Frauenbewegung. In
                                    Versorgung im Alter –           für solche Wohnangebote? Die-        verschiedenen Städten und Regi-
                                    Stichwort Altersarmut           se und wei­tere Fragen bewegten      onen Deutschlands wird die Idee
                                    von Frauen – und letztlich      und bewegen eine ganze Genera-       vom gemeinschaftlichen Wohnen
                                    das zentrale Thema              tion lesbischer Aktivistinnen, die   und Leben im Alter oder zwischen
                                    Gendergerechtigkeit und         in den 1970er und 1980er Jahren      den Generationen umgesetzt. An-
                                    Teilhabe von Frauen/Lesben      für ihre autonome Lebensweise        dere kämpfen seit vielen Jahren
                                    verbinden.“                     gekämpft und viele Nachteile in      dafür, diesen Traum endlich zu
                                    Jutta Brambach,                 Kauf genommen hat.                   rea­lisieren. Zwei Beispiele, deren
                                    Geschäftsführung RuT–Rad        Auch für den Dachverband Lesben      Initiatorinnen oftmals eng mit der
                                    und Tat Berlin gGmbH            und Alter gehörten Wohnperspek-      Entstehungsgeschichte des Dach-
                                                                    tiven früh zu den Hauptthemen,       verbands Lesben und Alter ver-
                                                                                                                                               Bild: Ravi Patel / Unsplash

                                                                    eng verbunden mit der Frage nach     bunden sind, seien hier exempla-
                                                                    den finanziellen Ressourcen. Aus     risch herausgegriffen.

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VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
Bild: Marcus Lenk / Unsplash
     Der lange Kampf: RuT –                                                2020, scheint der Traum vom les-     te und organisierte politische        können. Ob allein, zu zweit, ge-       • passende Alternativen zum Al-
     Frauen Kultur & Wohnen,                                               bischen Wohn- und Kulturzen­trum     Unterstützung für das Projekt         meinsam mit Freund*innen, Be-            leinleben oder klassischen
     Berlin                                                                endlich zum Grei­fen nah.            „RuT – Frauen Kultur & Wohnen“        kannten, Zugehörigen oder einer          Seni­or*innenheimen finden,
                                                                           2014 entging RuT ein sicher ge-      – mitten im Zentrum Berlins. 70       anderen gewählten Wohnform,            • durch gemeinschaftliches Woh­
     Das gemeinnützige Beratungs- und                                      glaubtes Grundstück in Neukölln,     Mietwohnungen, dazu eine Pfle-        jede Lesbe sollte ihr Leben im Alter     nen und Wirtschaften Altersar-
     Kulturzentrum RuT – Rad und Tat –                                     weil die Verkäufer sich mitten in    ge-WG mit acht Plätzen, ein Kiez-     würdevoll gestalten können. Exis­        mut begegnen können,
     Offene Initiative lesbischer Frauen                                   den Verhandlungen doch für einen     café, Beratungs- und Veran­           tenzielle Themen besonders für         • Ansprechpartner*innen wie Pfle-
     plant seit mehr als zehn Jahren ein                                   anderen Interessen­  ten entschie-   staltungsräume sollen in der Nähe     Frauen sind: bezahlbarer Wohn-           gepersonal haben, die auf ihre
     inklusives Frauen-/ Lesbenwohn­                                       den. Kurz darauf bewarb sich RuT     vom Alexanderplatz entstehen. In      raum und gemeinschaftlich mit            spezifischen Bedürfnisse vor­
     projekt und Kulturzentrum in                                          um ein Teilgrundstück der soge-      Kooperation mit einer städtischen     anderen im nachbarschaftlichen           urteils­frei eingehen,
     Berlin, ein langer Kampf mit zarten                                   nannten „Schöneberger Linse“.        Wohnungsbaugesellschaft, der          Miteinander wirtschaften. Zu den       • an der Stadtentwicklung und
     Hoffnungsschimmern und harten                                         Der Senat suchte via Wettbewerb      Grundstück und Haus gehören,          zentralen Aspekten von bestehen-         Wohnraumgestaltung teilhaben
     Rückschlägen. 2011 gründete der                                       das beste Konzept für queeres        wird das Wohnprojekt nun zwar         den und kommenden Projekten              können.
     Verein für die Umsetzung extra                                        Wohnen und lebendige Quartier-       nicht als Eigentümerin, aber nach     gehören generationsübergreifen-
     eine gemeinnützige GmbH. Jetzt,                                       mitgestaltung. Im November er-       den Wünschen von RuT gebaut –         de Kontakte, barrierefreies Woh-       Dies setzt auf politischer Ebene
                                                                           hielt RuT den Zu­schlag. Die Freu-   in erster Linie für ältere und alte   nen und eine ökologische Bau-          eine umfassende finanzielle Förde-
                                                                           de war groß, bis der Konkurrent      Lesben, aber auch jüngere Frauen      und Wirtschaftsweise, mit dem Ziel     rung voraus, damit Lesbenprojekte
                                                                           Schwulenberatung Widerspruch         sollen dort einziehen.                eigenständig und vielfältig in einer   überhaupt entstehen können und
                                                                           einlegte und Verfahrensfehler bei    „Idee des Projektes ist es, einen     Gemeinschaft zu leben – bezahlbar      das Ziel der Gendergerechtigkeit
                                                                           der Vergabe geltend machte. In       inklusiven Ort zu schaffen, an        und nachhaltig. Der Dachverband        zukünftig in greifbare Nähe rücken
                                                                           einem zwei­ten kostenintensiven      dem frauenliebende Frauen in          Lesben und Alter arbeitet daran        kann.
                                                                           Verfahren fiel die Entscheidung      einer solidarischen Frauen-/Les­      Strategien für das Planen und Um-
                                                                           doch zugunsten des schwulen Pro-     ben­gemein­schaft wohnen und le­      setzen zu entwi­ckeln sowie Forde-
                                                                           jekts. Damit konn­te die personell   ben können und bis zu ihrem Le­       rungen an Politik und Wohnungs-
                                                                           und finanziell um ein Vielfaches     bensende selbst­bestimmt und so       wirtschaft zu formulieren. Er setzt                 Fachtag
                                                                           besser aufgestellte Schwulenbera-    selbstständig wie möglich blei-       sich dafür ein, dass Lesben und al-
                                                                           tung bereits ihr drittes Wohnpro-    ben können.“                          leinlebende Frauen:                              Gut (lesbisch)
                                                                           jekt realisieren.                    (Quelle: https://rut-wohnen.de/       • bis ins hohe Alter selbstbe­stimmt             leben und
                                                                           „Der gesamte Prozess zur Reali­      unser-haus/)                            und möglichst autonom bleiben                  wohnen –
                                                                           sierung des Lesben-Wohn- und         Noch ist unklar, wann die ersten        können,                                        Utopie oder
                                                                           Kulturzentrums, wozu auch unse-      Wohnungen bezogen werden kön-         • ihr Leben und die Gemeinschaft                 Grundrecht?
                                                                           re Erfahrungen rund um das Aus-      nen. Den Baustart musste RuT ge-        aktiv mitgestalten können,
                                                                           schreibungsverfahren Schöneber-      rade erst auf 2022 verschieben.       • ein geschütztes Wohnumfeld
                                   Bild: Anastasiia Chepinska / Unsplash

                                                                           ger Linse gehören, ist Ausdruck                                              vorfinden, in dem sie sich nicht                                                                26. Okt. 2020
                                                                                                                                                                                                                                                        10 –16:30 Uhr
                                                                           von struktureller Diskriminie-                                               erklären müssen und offen und
                                                                                                                                                                                                                                                       Treffpunkt Freize
                                                                           rung gegenüber Frauen und Aus-       Wie wollen Lesben im                    ohne Diskriminierung leben                                                                     Am Neuen Garte
                                                                                                                                                                                                                                                                         it,
                                                                                                                                                                                                                                                                        n 64,
                                                                           druck von Macht- und Herrschafts-    Alter wohnen?                           können,
                                                                                                                                                                                                                                                       14469 Po tsd am

                                                                           verhältnissen“, beschreibt Pro-                                            • weiterhin Kontakte zu ande-
                                                                           jektleiterin Jutta Brambach den      Nicht alle Lesben wollen im Alter       ren frauenliebenden/lesbischen             Altersarmut und
                                                                                                                                                                                                                        Wohnp      erspektiven

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         ixabay
                                                                                                                                                                                                  Teilhabe lesbische
                                                                           mühsamen Pro­zess um die Reali-      in kollektiven Wohnprojekten le­        Frauen knüpfen können, auch                                  r und alleinlebende

                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Bild: Mario Hagen/P
                                                                                                                                                                                                  an der Wohnraumge                      r Frauen
                                                                                                                                                                                                                        staltung und Stad
                                                                                                                                                                                                                                          tentwicklung in Bran
                                                                                                                                                                                                                                                               denb             urg
                                                                           sierung eines Lesbenwohnprojekts.    ben oder werden in einer solchen        wenn sie immobiler, körperlich            Gefördert durch

                                                                           Doch RuT gab nicht auf, kämpf­       Wohngemeinschaft unterkommen            oder mental eingeschränkt sind,                                                      Veranstalterin

16                                                                                                                                                                                                                                                            Dachverband Lesben
                                                                                                                                                                                                                                                              Sigmaringer Straße
                                                                                                                                                                                                                                                                                     und Alter e.V.
                                                                                                                                                                                                                                                                                  1, 10713 Berlin
                                                                                                                                                                                                                                                              Telefon +49 (0)30
                                                                                                                                                                                                                                                                                55249384
                                                                                                                                                                                                                                                              Mail: kontakt@lesbenund ,
                                                                                                                                                                                                                                                                                       alter.de
                                                                                                                                                                                                                                                              www.lesbenundalte
                                                                                                                                                                                                                                                                                  r.de
VAGABUNDIERENDES VERNETZEN - ENTSTEHUNG UND BEDEUTUNG DES DACHVERBANDS LESBEN UND ALTER
TREIBENDE KRÄFTE IM DACHVERBAND –
     „Als ich zum ersten Mal
     auf einer Tagung des
     Dachverbands Lesben
     und Alter war, fühlte ich                                     DIE MITGLIEDSORGANISATIONEN
     mich so gut aufgehoben,
     dass ich sofort eintreten
     wollte. […] Die gesammelte                     Viele Mitgliedsorganisationen und Förderinnen des        • belladonna – Kultur, Bildung und Wirtschaft für       Die Redaktion hat im Herbst 2020 Mitgliedsorganisa-
     Power, das Wissen und die                      Dachverbands Lesben und Alter waren von Anfang             Frauen e. V., Bremen                                  tionen und Mitgliedsfrauen befragt, was der Dachver-
     Erfahrungen der Lesben im                      an Teil des Netzwerks und gehörten zu den Gründe­        • FLiP e. V. – FrauenLiebe im Pott, Essen               band für sie bedeutet und was sie künftig von ihm er-
     Dachverband zu erleben und                     rinnen. Viele haben selbst ihre Wurzeln in der west-     • frauenberatungsstelle düsseldorf e. V., Düsseldorf    warten. Die ausgewählten Zitate stehen für sich. Ein
     im Miteinander zu spüren,                      deutschen Frauen- und Lesbenbewegung der 1970er          • Fraueninitiative 04 e. V.                             zentraler Punkt ist die Sichtbarkeit älterer Lesben.
     gibt mir immer wieder Kraft                    Jahre. Andere kamen erst später neu dazu. 2020 ge-       • FrauenKulturZentrum e. V., Darmstadt
     und Energie.“                                  hören 13 Mitgliedsorganisationen dem Dachverband         • HAKI e. V., Kiel
     Pat Wunderlich,                                an:                                                      • Intervention e. V., Hamburg
     Förderin, Rostock                                                                                       • LIBS – Lesben Informations- und Beratungsstelle
                                                                                                                                                                             s e r w a r t e i c h /
                                                                                                               e. V., Frankfurt am Main
                                                                                                             • rosaAlter, Projekt der Münchner Aidshilfe e. V.,
                                                                                                                                                                          Wa
                          u t e t                                                                              München                                                     erwarten wir
           Wa s  b e d  e
                                                                                                                                                                           vom Dachverband
                                                                                                             • rubicon e. V., Köln

                             D a c h v e r b a n d                                                           • RuT – Rad und Tat – Offene Initiative Lesbischer

         uns/mir der
                                                                                                               Frauen e. V., Berlin
                                                                                                             • SAFIA e. V. Lesben gestalten ihr Alter
                                                                                                                                                                          Lesben und Alter?
               d  A  l t e r ?                                                                               • SAPPhO Frauenwohnstiftung

      esben un
                                                „Der Dachverband bedeutet für mich gemeinsame

     L                                          lesbenpolitische Interessen und eine lebendige Brücke
                                                zwischen Fachlichkeit und Lesbenbewegung. Die lang­
                                                jährige Verbundenheit mit einigen Frauen aus den                                 „Ich erwarte mir vom Dachverband Lesben und           „Ein Gremium wie dieses birgt große
                                                Anfängen des Verbandes ist mir ebenso wichtig wie die                            Alter vor allem die Sichtbarmachung älterer           Chancen als Interessenvertretung
                                                Möglichkeit zu neuen Begegnungen.“                                               Lesben und deren (feministischer) Geschichte          für die Belange älterer Lesben. In
                                                Ulrike Schmauch, Förderin, Frankfurt am Main                                     und Lebensleistung. Ebenso erwarte ich mir die        dieser Hinsicht erwarte ich, dass
                                                                                                                                 Vertretung der politischen wie auch sozialen          der Dachverband sich konsequent
                                                                                                                                 Interessen älterer Lesben gegenüber allen             für die Sichtbarkeit von Lesben ein­
         „Die Mitgliedschaft im Dachverband                                                                                      staatlichen Institutionen.“                           setzt. Dazu wünsche ich mir, dass die
         Lesben und Alter und deren bundes­                 „Mir bedeutet der Dachverband                                        Angelika Schwarz, Fraueninitiative 04 e. V.           Sensibilisierung in der Gesellschaft
         weite Vernetzung unterstützt uns                   Lesben und Alter viel, da er als Inter­                                                                                    für unsere gleichwertigen Lebens­
         beim Aufbau von Strukturen und der                 essensvertretung für eine teils wenig                                                                                      perspektiven vorangetrieben wird.
         Entwicklung neuer Ideen, um als                    sichtbare und diskriminierte Gruppe                                                                                        Außerdem bündelt und kommuni­
         Lesbe im Alter gemeinsam aktiv und                 älterer Lesben Sprachrohr sein kann            „Wir erwarten vom Dachverband, dass er die Anliegen                         ziert der rege Austausch unterein­
         selbstbestimmt leben zu können.“                   und ist, wichtige aktuelle Themen              lesbisch-queerer älterer und alter Frauen* in (senior*innen)                ander auch Fachkompetenz, die in
         Barbara Raasch, FLiP e. V., Essen                  benennt und in die Öffentlichkeit              politischen Gremien und bei Veranstaltungen auf Bundesebe­                  landespolitischen Entscheidungen
                                                            bringt, Forderungen formuliert und             ne, z. B. der BAGSO und beim Deutschen Senior*innentag ver­                 Eingang finden kann.“
                                                            Impulse setzt.“                                tritt und sichtbar macht. Außerdem sollte der Dachverband                   Pat Wunderlich
                                                            Karin Klipp, Intervention e. V,                dabei unterstützen, das auf Bundesebene Erreichte auch auf
                                                            Hamburg                                        kommunaler Ebene und in der Praxis umzusetzen.“
                                                                                                           Inka Wilhelm, Fachstelle ALTERN UNTERM REGENBOGEN,
                                                                                                           frauenberatungsstelle Düsseldorf e. V.

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Bild: pasja1000 / Pixabay
     SOZIALE TEILHABE
     Mit zunehmendem Alter verbringen Menschen mehr Zeit in ihrem Wohnumfeld, z. B. der eigenen                       te, die sich speziell an sie richten.    Wunsch danach für älter wer-
     Wohnung. Damit sinkt in der Regel auch die Mobilität. Das Bedürfnis nach sozialen Kontakten ver-                 Auch innerhalb der LGBTIQ*-Com-          dende Lesben durchaus vorhan-
     schwindet aber im Alter keineswegs. Um Isolation und Einsamkeit im Alter entgegenzuwirken, ist                   munity gibt es für sie nur wenige        den ist. Das Konzept „Queer im
     es daher besonders wichtig, Senior*innen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermögli-                    Anlaufstellen.                           Quartier“ aus NRW ist ein gutes
     chen. Hier setzt das Konzept der offenen Senior*innenarbeit an.                                                                                           Praxisbeispiel.                                                 Lesben fordern Teilhabe!
                                                                                                                      Von den bestehenden Angeboten
                                                                                                                      der offenen Senior*innenar­beit                                                                          Die Generation der Frauen- und
                                                                                                                      fühlen sich viele ebenfalls nicht        „Queer im Quartier“ –                                           Lesbenbewegung hat durch ihren
                                                                                                                      angesprochen. Marie Sichtermann          Ein Praxisbeispiel aus                                          Einsatz für Gleichberechtigung
                                                                                                                      verweist im YouTube-­Video „les-         NRW                                                             und Emanzipation wichtige ge-
                                                                                                                      bisch.schwul.älter“ darauf, wie                                                                          sellschaftliche Veränderungen
                                                                                                                      wichtig in sozialen Kontakten ge-        In NRW entwickelten Carolina                                    herbeigeführt, die pluralistische
                                                                                                                      meinsame Erlebnisse und Sprache          Brauckmann und Georg Roth                                       und demokratische Gesellschaft
                                                                                                                      sind:                                    von der Fachberatung für gleich-                                und den Zusammenhalt unterein-
                                                                                                                                                               geschlechtliche Lebensweisen                                    ander gestärkt. Der Dachverband
                                                                                                                      „Alle wollen im Alter ihre Erin-         in der Senior*innenarbeit seit                                  Lesben und Alter kämpft dafür,
                                                                                                                      nerungen miteinander teilen, und         2013 den Ansatz „Queer im Quar-                                 dass diese Frauen im Alter nicht
                                                                                                                      das finde ich elementar wichtig.         tier“ – ein wichtiger Schritt für                               zurück in die Unsichtbarkeit glei­
                                                                                                                      Ich möchte mit Frauen zusammen           mehr soziale Teilhabe von älte-                                 ten. Damit sie auch im Alter weiter
                                                                                                                      sein, die Kürzel verstehen wie LFT       ren Lesben, Schwulen und quee-                                  am gesellschaftlichen Leben teil-
                                                                                                                      oder CSD, die wissen, was WenDo          ren Menschen. Ziel des Konzepts                                 haben können, benötigen Lesben
                                                                                                                      ist und wo Femø liegt.“                  ist, nicht-hete­
                                                                                                                                                                              rosexuell lebende                                attraktive Angebote der offenen
                                                                                                                                                               Menschen aktiv in die Quartiers­                                Altersarbeit.
                                                                                                                      Dazu kommt, Lesben werden                entwicklung zu involvieren und
                                                                                                                      in heteronormativen Strukturen           sie sichtbar zu machen. Dafür ist                               Der Dachverband Lesben und Al-
                                                                                                                      häufiger diskriminiert. Insbeson-        es notwendig, Multiplikator*in-                                 ter e. V. hat in Kooperation mit
                                                                                                                      dere ältere heterosexuelle Men-          nen aber auch die Menschen vor                                  der Bundesinteressenvertretung
                                                                                                                      schen hatten in ihrem bisheri-           Ort für das Leben und die Be-                                   schwuler Senioren 2018 ein Po-
                                                                                                                      gen Leben oft wenig Berührungs­          dürfnisse von LGBTIQ*-Personen                                  sitionspapier herausgegeben, in
     Teilhabe durch offene                   tur, Bildung, Gesundheit, Sport,     Offene Angebote für                 punkte mit Lesben und Schwulen.          zu sensibili­sieren. Gemeinsam                                  dem die gesellschaftliche Teilhabe
     Senior*innenarbeit                      Wohnen, Ehrenamt und Selbst­         lesbische Seniorinnen?              Im Zuge dessen werten sie gleich­        mit Community-Organi­sationen,                                  für ältere Lesben und Schwule
                                             hilfe. Moderne Varian­ten ersetzen                                       geschlechtliche Lebensweisen häu-        Kommunalverwaltungen, Seni-                                     gefordert wird (abrufbar unter
     Die offene Senior*innenar­      b eit   inzwischen häufig traditionelle      Ältere und alte Lesben haben        figer ab als jüngere. Daher ist es be-   or*-innenvertretungen und wei-                                  Veröffentlichungen auf www.les-
     richtet sich vor allem an ältere        Begegnungszentren mit Freizeit-      meist seit ihrer Jugend autonom     sonders wichtig, die Bedürfnisse         teren Playern entwickelt die                                    benundalter.de). Im Positionspa-
     Menschen, die eigenständig le­ben,      und Bildungsangeboten. Auch          eigene Netzwerke aufgebaut. Mit     und Wünsche älterer und alter Les-       Landesfachberatung dafür Bau-                                   pier appellieren beide Verbände
     mobil sind und nicht dauer­haft         der Fokus hat sich verändert. Die    zunehmendem Alter verklei­  nern    ben in der Senior*innen­   arbeit zu     steine. Städte wie Bochum,                                      an Träger*innen der Senior*innen­
     pflegebedürftig. Sie soll unabhän-      Zielgruppe wirkt stärker eigen­      sich diese Netzwerke, sodass sich   berücksichtigen, ihnen eine diskri-      Düsseldorf, Dortmund und Wup-                                   arbeit und Engagementpolitik
     gig vom Einkommen gewährleistet         verantwortlich und individuell       viele Lesben stärker in ihre ei-    minierungsfreie soziale Teilhabe zu      pertal setzen bereits nieder-                                   sowie Verantwortliche in Bund,
     werden und ist gesetzlich im So-        mit, beispielsweise in Form von      genen vier Wände zurückziehen.      ermöglichen.                             schwellige Konzepte wie die Öff-                                Ländern und Kommunen, ange-
     zialgesetzbuch (SGB XII) gere-          Quartiersprojekten, Selbsthilfe-     Zusätzlich gibt es kaum öffentli-                                            nung von Senior*innenzentren                                    messene Rahmenbedingungen
     gelt. Sie umfasst alle wichtigen ge-    gruppen, Ehrenamtsinitiativen        che Orte, an denen sich alte Les-   Bislang gibt es nur wenige spezi-        für lesbische und queere Angebo-                                für ein diskriminierungsfreies Al-
     sellschaftlichen Bereiche wie Kul-      und Senior*innennetzwerken.          ben treffen können oder Angebo-     fische Angebote, obwohl der              te um.                                                          tern zu schaffen.

20                                                                                                                                                                                                                                                                   21
LESBEN UND ALTER IN DER

                                            QUEEREN
                                                                                                             Partnerorganisation:                                                                    www.csd-ist-fuer-alte-da.de

                                                                                                                                                                                                                        r
                                                                                                             Schwule Senioren                                                                                CSD ist feü da!
           Bild: David Peterson / Pixabay

                                                                                                                                                                                                                  Al t

                                            COMMUNITY
                                                                                                             Der Dachverband Lesben und Alter setzt als Reaktion
                                                                                                             auf die Marginalisierung und um den politischen Ein-
                                                                                                             fluss zu stärken, auf die Zusammenarbeit mit zivilge-
                                                                                                             sellschaftlichen Organisationen und Verbänden.
                                                                                                             Origi­näre Partner*innen sind dabei die LGBTIQ*-Organi-
                                                                                                             sationen. Im Altersbereich ist dies zuvorderst die 2015
                                                                                                             gegründete Bundesinteressenvertretung schwuler
                                                     Bis heute ist der Dachverband die deutschlandweit       Senioren (kurz: BISS). Lesben und Alter und BISS ar-                                                                  BISS || KAPITEL XYZ

                                                     einzige Interessenvertretung, die sich ausschließlich   beiten vertrauensvoll zusammen. Zweimal jährlich
                                                     dem Themenfeld „Lesben und Alter“ annimmt und           werden auf Netzwerktreffen gemein­same Aktionen,
                                                     älteren lesbischen/frauenliebenden Frauen eine          Projekte, Initiativen und Auftritte geplant. 2018 gaben
                                                     Stimme gibt. Die Organisationen und Einzelfrauen,       beide Verbände anlässlich des Deutschen Senioren­
                                                     die sich auf den ersten Vernetzungstreffen von Lesben   tages das gemeinsame Positions­papier zur sozialen
„Lesbisch ist mehr als                               und Alter zusammenschlossen, gehörten zu den Ers­       Teilhabe lesbischer und schwu­ler Senior*innen her-
eine Identitätskategorie.                            ten, die sich auf fachlicher Ebene mit diesem Thema     aus, 2019 eines zur Europawahl. Neben der bundes-
Die Verwendung der                                   auseinandersetzten. Analog zur Gesamtgesellschaft       weiten Lobbyarbeit setzen sich beide Verbände auch
Bezeichnung Lesbe ist eine                           stellt auch innerhalb der LGBTIQ*-Community das         für mehr Sichtbarkeit inner­halb der queeren Com-
politische Aussage.“                                 Thema Altern ein Randthema dar. Damit droht aus-        munity ein. Die Kampagne „CSD ist für Alte da“ für
Carolina Brauckmann                                  gerechnet der Generation Stonewall und Frauen-          einen altersgerechten Christopher Street Day setz-
                                                     bewegung 2.0, die entscheidende gesellschaftliche       te 2019 Maßstäbe und fand bei vielen CSD-Organisa-
                                                     Veränderungen und Verbesserungen angestoßen             tor*innen Anklang. Ziel der Kampagne ist, auch die
                                                     hat, wieder im Hintergrund zu verschwinden. Les-        Pionier*innen der Lesben- und Schwulenbewegung
                                                     bische ältere Frauen, die wie dargelegt dreifach um     und ihre Bedürfnisse auf den heutigen CSD-Paraden
                                                     Sichtbar­keit kämpfen müssen, trifft das besonders      und Dyke* Marches einzubeziehen, indem auf diese          Weitere lesbische und queere
                                                     hart.                                                   Gruppe durch altersgerechte Maßnahmen Rücksicht           Netzwerke
                                                                                                             genommen wird.
                                                                                                                                                                       Bei den regelmäßig stattfindenden Lesbenfrühlings­
                                                                                                             Trotz der engen Kooperation zwischen dem les-             treffen, die ihren Ursprung in der Lesbenbewegung
                                                                                                             bischen und dem schwulen Altersverband bleibt es          haben, war und ist der Dachverband mit seinen
                                                                                                             wichtig, dass beide eigenständig die Interessen ihrer     Themen seit vielen Jahren präsent. Die gegenüber
                                                                                                             jeweiligen Zielgruppe voranbringen. Lesben und            schwulen Angeboten bundesweit deutlich geringer
                                                                                                             Schwule wurden unterschiedlich sozialisiert und hat-      ausgeprägte Infrastruktur stellt den Dachverband in
                                                                                                             ten im Zuge dessen auch unterschiedliche Heraus-          seiner Arbeit immer wieder vor neue Herausforde-
                                                                                                             forderungen zu bewältigen. Schwule Männer waren           rungen. Ganz zu Recht sind in den letzten 10 bis 15
                                                                                                             vor allem mit dem Paragraph 175 des Strafgesetz-          Jahren die Stimmen von trans* und inter* Aktivist*in-
                                                                                                             buches und der AIDS-Krise konfrontiert. Lesbische         nen hör- und sichtbarer geworden. Für den Dachver-
                                                                                                             Frauen kämpften hingegen innerhalb der Frauen-            band bedeutet dies, sein Selbstverständnis in Be-
                                                                                                             und Lesbenbewegung um ihr im Grundgesetz fest-            zug auf queere und LSBTIQ* Politiken weiterzuent-
                                                                                                             geschriebenes Recht auf Gleichberechtigung, ein           wickeln und dabei die politische Relevanz lesbischer
                                                                                                             autonomes Leben und sexuelle Selbstbe­stimmung.           Sicht­barkeit und Identität zu repräsentieren.

                                                                                                                                                                                                                                                         23
RENTE
                            Vom Gender Pay zum                  Rentenversicherungssys-
                            Gender Pension Gap                  tem benachteiligt Frauen

                            Die Erwerbsbiographien von          Das liegt vor allem daran, dass das   sicherung ist deshalb ein aktu-
                            Frauen und Männern in Deutsch-      deutsche Rentenversicherungs­         elles Thema. Da Frauen im Schnitt
                            land unterscheiden sich deut-       system nach dem sogenann­             deutlich weniger in ihrer Erwerbs­
                            lich. Frauen arbeiten häufiger in   ten Äquivalenzprinzip funktio­        phase einzahlen als Männer,
„Gerade lesbische           schlechter bezahlten Berufen,       niert: Je mehr in das gesetzliche     fällt die Rente für sie auch häu-
Frauen sind häufiger als    gelangen seltener in Führungs-      Rentensystem während des Er-          fig deutlich niedriger aus. Grund­
heterosexuelle Frauen       positionen und arbeiten öfter in    werbslebens eingezahlt wurde,         sicherungselemente gibt es im
darauf angewiesen, allein   Teilzeit. Hinzu kommt, sie unter-   desto höher sind auch die Ren­        deutschen Rentensystem kaum.
nur von ihrer eigenen       brechen wesentlich öfter ihre Er-   tenansprüche. Entscheidend war
Altersrente zu leben.“      werbstätigkeit, um sich um Kinder   hierfür die Rentenreform von
Reingard Wagner,            oder pflegebedürftige Angehörige    1957, die diese neue Berechnung       Die Grundrente:
Vorstand Dachverband        zu kümmern. Dieser drastische       auf Grundlage der Erwerbsphase        Viele Frauen und Lesben
Lesben und Alter;           Unterschied zwischen weiblichen     vorgab. Dadurch vergrößerte           fallen raus
Intervention e. V.,         und männlichen Erwerbsbiogra-       sich auch der Abstand zwischen
Hamburg                     phien spiegelt sich nicht nur im    Frauen- und Männeraltersruhe-­        Auch die ab 2021 kommende
                            Gehalt wider, sondern auch später   gel­dern.                             Grundrente erhalten nur Per-
                            in der Rente. Der sogenannte Gen-   Diese Grundprinzipien der Ren­        sonen, die mindestens 35 Jahre
                            der Pay Gap von 20 Prozent ver-     tenreform von 1957 gelten bis heu-    eingezahlt haben. Der Paritätische
                            doppelt sich im Rentenalter auf     te. Die daraus resultierende struk-   Gesamtverband äußert sich im Ar-
                            einen Gender Pension Gap von        turelle Ungleichheit zwischen         mutsbericht 2020 kritisch zu die­
                            über 40 Prozent.                    Frauen und Männern in der Alters-     ser Rentenreform:
                                                                                                      „Die verabschiedete Grundrente        Ohne, meist besserverdienenden      gung betrifft vor allem auch les-
                                                                                                      ist kein effektives Instrument der    Ehemann, verschlechtert sich die    bisch lebende Frauen. Viele Les-
                                                                                                      Armutsvermeidung, sondern dient       finanzielle Situation zusätzlich.   ben leben im Rentenalter am
                                                                                                      in erster Linie der Honorierung der                                       oder unter dem Existenzminimum
                                                                                                      sog. ‚Lebensleistung‘ in der Ren­     Im Jahr 2016 mussten 21 Prozent     oder müssen bis ins hohe Alter
                                                                                                      tenversicherung. Zur wirksamen        der alleinlebenden Frauen über      hinzuverdienen. Bis in die 2000er
                                                                                                      Bekämpfung der Altersarmut sind       65 mit weniger als 900 Euro mo­     Jahre hinein stand lesbischen
                                                                                                      andere Maßnahmen notwendig.“          natlich auskommen, unter den        Frauen nicht einmal die eingetra-
                                                                                                                                            alleinlebenden Senioren waren       gene Lebenspartnerschaft zu. Die
                                                                                                      Frauen zahlen aus den genann­         es nur 15 Prozent.                  damit verbundenen Vorteile des
                                                                                                      ten Gründen durchschnittlich et-                                          deutschen Steuer- und Sozialsys-
                                                                                                      was weniger als 30 Jahre in die       Strukturell benachteiligt das       tems blieben ihnen verwehrt. Das
                                                                                                      Rente ein. Damit geht die Grund­      deutsche Rentensystem Frauen,       betrifft insbesondere ältere Les-
                                                                                                      rente an den Erwerbsbiogra-           die ein eigenständiges Leben        ben, die heute bereits eine Rente
                                                                                                      phien der meisten Frauen vorbei.      führen wollen. Diese Benachteili­   beziehen.

                                                                                                                                                                                                                    25
REPRESSIONEN
                                                                                                                       GEGENÜBER LESBEN                                                               „Das Ausmaß an

                                                                                                                       NACH 1949                                                                      Repression, an
                                                                                                                                                                                                      Selbstverleugnung aus der
                                                                                                                                                                                                      Angst heraus ist bedrückend
                                                                                                                                                                                                      und in meinen Augen eine
                                                                                                                       Bis heute ist nur wenig darüber       destens in die 1980er Jahre – wenn       Art der Gewalt gegen
                                                                                                                       bekannt, welche Diskriminie­          den Gerichten bekannt war, dass          frauenliebende Frauen,
                                                                                                                       rungserfahrungen lesbisch lebe­n­     die Mütter lesbisch lebten. Damit        die bisher in keiner Weise
                                                                                                                       de Frauen in der jungen BRD und       das nicht passierte, verbarg man-        thematisiert, geschweige
                                                                                                                       DDR gemacht haben. Homosexua­         che Mutter ihre Lebensgefährtin.         denn öffentlich diskutiert
                                                                                                                       lität war zur damaligen Zeit mas-     […] Bei weiterer Forschung zeigte        wird.”
                                                                                                                       siven staatlichen und gesellschaft-   sich bald, dass es auch noch in den      Jutta Brambach
                                                                                                                       lichen Repressionen unterworfen.      1990er Jahren alltäglich war, wenn
                                                                                                                       Dies zeigt sich besonders offen-      Gerichte lesbischen Müttern deren
                                                                                                                       sichtlich in Paragraph 175, der       Kinder nahmen. Oder wenn damit
                                                                                                                       männliche Homosexualität unter        gedroht wurde.“
                                                                                                                       Strafe stellte. Deswegen anzuneh-     (Dr. Kirsten Plötz, von der Seite
     Der Dachverband                                                                                                   men frauenliebende Frauen wären       https://sorgerecht-lesbischer-­         bemerkbar. Dieser blinde Fleck in
     Lesben und Alter fordert                                                                                          von staatlichen Repressionen und      muetter.de/)                            der Geschichte gehört dringend
     eine Reform der Rente                                                                                             gesellschaftlicher Diskriminierung    Mit ihrer Forschung gibt Dr. Kirsten    aufgearbeitet. Die betroffenen
                                                                                                                       nicht betroffen gewesen, ist je­      Plötz diesen Frauen eine Stimme.        Frauen sind inzwischen 60 Jahre
     „Wer in der Rentenpolitik davon       ren. Aus diesen Gründen fordert       stark. Hierfür wurde unter ande-      doch ein Trugschluss. Viele frauen­   Lesbische und frauenliebende            und älter und haben bislang we­
     redet, die Lebensleistung von         der Dachverband Lesben und Al-        rem im Oktober 2019 die Fach­         liebende Frauen unterdrückten         Mütter mussten nach der Schei-          der eine öffentliche Entschuldi­
     Menschen müsse anerkannt wer-         ter eine Rentenreform, die die Er-    tagung „Altersarmut ist weiblich      ihre wahre Identität oder lebten      dung in ständiger Angst leben, das      gung noch eine Entschädigung für
     den, muss die Kriterien zum Be-       werbsbiographien lesbischer Frau-     – für eine geschlechtergerechte       sie nur im Verborgenen aus. Und       Sorgerecht für ihre Kinder zu verlie-   erlittenes Unrecht er­halten.
     urteilen dieser Leistung über die     en berücksichtigt. Die einzelnen      Absicherung im Alter alleinleben-     oft fehlten ihnen ganz einfach die    ren. Als Grund gaben Gerichte an,       Wichtig ist, die Erfahrungen les-
     Länge und Höhe von Gehaltszah-        Forderungen des Dachverbands          der lesbischer Frauen“ organisiert.   Worte für ihr Begehren.               bei einer lesbisch lebenden Mutter      bischer Frauen in BRD und DDR
     lung hinausdenken.“ (www.lesbe-       sind dabei:                           Dort diskutierten Vertreter*innen                                           sei das Kindeswohl gefährdet. Der       differenziert in den Blick zu neh-
     nundalter.de)                                                               von Beratungseinrichtungen mit        Drohender                             drohende Sorgerechtsentzug war          men. In der DDR waren lesbische
                                           • Einbeziehung von gesellschaftli-    Politiker*innen, Sozialverbänden      Sorgerechtsentzug bei                 sowohl für die Mütter als auch für      und frauenliebende Frauen durch
     Der Dachverband Lesben und Al-           chem Engagement auf die Ren-       und Fachfrauen über die Benach-       lesbischen Müttern                    ihre Kinder mit Scham und Ängs­         den § 151 auch strafrechtlich be­
     ter setzt sich dafür ein, dass Les-      tenjahre,                          teiligung von Lesben und alleinste-                                         ten verbunden. Viele Betroffene         droht. Dafür können die betrof-
     ben im Rentensystem nicht länger      • Überprüfung der Einstufung des      henden Frauen im deutschen Ren-       Ein großes Unrecht, das lesbischen    sind bis heute nicht in der Lage,       fenen Frauen inzwischen einen
     benachteiligt werden. Die Alters-        Eckrentners mit 35 Beitragsjah-    tensystem.                            Müttern zur damaligen Zeit wi­        über ihre Erfahrungen zu spre­          Antrag auf Entschädigung stel-
     sicherung muss für alle zum Le­          ren,                                                                     derfuhr, war der drohende Sorge­      chen.                                   len (kostenfreies Beratungstele-
     ben reichen. Die Grundrente muss      • Anerkennung der Lebensleis-                                               rechtsentzug. Die ehemalige Vor-                                              fon: 0800 1752017). Aber auch für
     daher weitergedacht werden und           tung lesbischer Frauen,                                                  standsfrau des Dachverbands Les-      Blinder Fleck in der                    die Zeit zwischen Gründung der
     nicht nur diejenigen berücksichti-    • Verstärkte Forschung zu den Le-                                           ben und Alter und Historikerin Dr.    Geschichte                              beiden deutschen Staaten bis zur
     gen, die mindestens 35 Jahre ins         bensverhältnissen von Lesben                                             Kirsten Plötz forscht schon seit                                              Wiedervereinigung gilt es, die je­
     Sozialversicherungssystem ein-           60+.                                                                     vielen Jahren zu diesem wichtigen     Die Unsichtbarkeit lesbischer Le­       weils greifenden gesellschaftli-
     gezahlt haben. Vielmehr sollte die    Der Dachverband Lesben und Al-                                              Thema.                                bensentwürfe in der jungen BRD          chen Mechanismen und die Fol-
     Grundrente allen die Teilhabe am      ter macht sich auch in der Öffent­                                          „Bundesdeutsche Gerichte entzo-       und DDR macht sich auch in der          gen nicht strafrechtlich relevanter
     gesellschaftlichen Leben garantie-    lichkeit weiterhin für dieses Thema                                         gen Müttern ihre Kinder bis min­      mangelnden Forschung darüber            Repressionen zu erforschen.

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