Vom Psycho-therapeuten zum Symptom-techniker?

 
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Schwerpunktthema: Humanismus

Karl-Otto Hentze

Vom Psycho-Therapeuten zum Symptom-Techniker?

                                           Der Beitrag zeichnet eine Entwick-      bedürfte es dann nicht mehr, Psycho-
                                       lung der Psychotherapie in Deutschland      therapie würde sich dann in der symp-
                                       seit 1999 nach, die kurz mit dem Wort       tombezogenen Anwendung von de-
                                       „Medizinalisierung“      gekennzeichnet     finierten Interventionen erschöpfen.
                                       werden kann und in deren Konsequenz         Diese Entwicklung wird insbesondere
                                       eine naturwissenschaftlich ausgerichtete    von dem Wissenschaftsverständnis des
                                       Psychotherapie monopolisiert wird, bei      Wissenschaftlichen Beirats Psychothe-
                                       der der Patient auf der Strecke bleibt.     rapie (WBP) getragen, dem Gemein-
                                                                                   samen Bundesausschuss (G-BA) voran
                                           Geisteswissenschaftlich begründe-       getrieben und von der Bundespsycho-
                                       te, sinnverstehende und humanistische       therapeutenkammer (BPtK) toleriert. Sie
                                       Psychotherapien sollen keinen Platz         gründet auf einer in der Naturwissen-
                                       mehr haben. Sie werden mit dem Bann         schaft als überholt geltenden neopositi-
                                       der Unwissenschaftlichkeit belegt. Die      vistischen Auffassung von linearen Kau-
                                       Ausgrenzung der Gesprächpsychothera-        salzusammenhängen. Beunruhigend ist
                                       pie ist aktuelles Beispiel für die Durch-   nicht die Existenz dieser an das organ-
                                       setzungsmacht der Protagonisten die-        zentrierte Behandlungsverständnis an-
                                       ser Entwicklung. Mit der heute von allen    gelehnten Auffassung von Psychothe-
                                       psychotherapeutischen Richtungen ak-        rapie – beunruhigend ist der von den
                                       zeptierten Erkenntnis, dass der Bezie-      Protagonisten dieser Auffassung vertre-
                                       hung die größte Bedeutung für psycho-       tene Anspruch, an die Stelle der psycho-
                                       therapeutische Veränderungsprozesse         therapeutischen Vielfalt eine alleingül-
                                       zukommt, wird Carl Rogers nachhaltig        tige Einheitspsychotherapie nach ihrem
                                       bestätigt. Auf der Grundlage seiner em-     Verständnis durchzusetzen.
                                       pirischen Psychotherapieforschung hat-
                                       te Rogers diese Erkenntnis bereits in den       Unterschiedliche     Menschenbilder
                                       50er Jahren des vorigen Jahrhunderts        und unterschiedliche Verstehensweisen
Karl-Otto Hentze                       herausgestellt. Dennoch soll top down       menschlicher Existenz erfordern aber un-
hentze@gwg-ev.org                      verordnet werden, dass Psychotherapie       terschiedliche psychotherapeutische Ver-
                                       nicht länger den Menschen in seinen Le-     fahren. Für eine qualitativ ausreichende
Psychologischer Psychotherapeut, Ge-   benszusammenhängen im Mittelpunkt           psychotherapeutische Versorgung sind
schäftsführer der GwG und Ausbilder    haben soll, sondern auf die Anwendung       sie nicht nur notwendig und nicht nur
in Gesprächspsychotherapie             von symptomgeschneiderten Interventi-       zu akzeptieren – sie müssen auch ge-
Fortbildungen in tiefenpsychologisch   onen reduziert wird. Für die Psychothe-     fördert werden. Dazu ist es erforderlich,
fundierter Psychotherapie und huma-    rapiepatienten mag erfreulich sein, dass    dass die Profession mit ihrer praktisch-
nistischen Psychotherapieverfahren     die praktizierenden Psychotherapeuten       klinischen Expertise die Definitionskom-
(Psychodrama, Gestalt, Bioenergetik,   sich in ihrem konkreten Handeln von         petenz für Psychotherapie wahrnimmt,
Hypnose). 25 Jahre niedergelassen      diesem Denken nicht beirren lassen, für     die Eigengesetzlichkeiten der Psycho-
in eigener Praxis. Seit 1985 in ver-   die Zukunft der Psychotherapie und für      therapie gegenüber der Organmedizin
schiedenen berufspolitischen Funk-     die Heranbildung des beruflichen Nach-      in Anwendung und Forschung betont
tionen, u. a. Präsidiumsbeauftragter   wuchses sind das aber bedenkliche Per-      und die Unterschiede zwischen psycho-
des BDP für das Psychotherapeuten-     spektiven.                                  therapeutischer und organmedizinischer
gesetz, Mitglied im Bundesausschuss                                                Behandlung herausstellt.
der Ärzte und Krankenkassen (1998-          Der Beitrag will dazu motivieren und
1999), im Berufungsausschuss und       ermutigen, in die Speichen eines Zu-           Nach dem Willen der Mehrheit im
im Beratenden Fachausschuss der KV     ges zu greifen, an dessen Endstation        WBP soll Naturwissenschaft nun in Aus-
NRW (1999 bis 2002), seit 2002 Mit-    der Mensch in der Psychotherapie allen-     schließlichkeit auch in der Psychothera-
glied in der Kammerversammlung         falls als Träger von Symptomen gesehen      pie über den Menschen kommen. Und
NRW und im Deutschen Psychothera-      wird. Der Expertise eines wissenschaft-     zwar in der Weise, dass der Patient nicht
peutentag.                             lich ausgebildeten Psychotherapeuten        mehr zuförderst als Mensch wahrge-

                                                           Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung 1/09     
Schwerpunktthema: Humanismus

nommen, sondern nach seinen Symp-               Psychotherapie gründet bisher zum            Nach     der    verwaltungsgericht-
tomen fragmentiert und aus seinen           Einen auf der Naturwissenschaft und          lichen Rechtsprechung ist der gesetz-
Sinnzusammenhängen und Perspekti-           den mit naturwissenschaftlicher Metho-       liche Begutachtungsauftrag nach § 11
ven herausgelöst werden soll. „Störung“     dik gewonnenen Erkenntnissen, zum an-        PsychThG auf die Ermittlung der herr-
oder „Symptom“ – damit wird die Vor-        deren auf der Geisteswissenschaft, die       schenden Meinung in der Wissenschaft
stellung verbunden, das Symptom sei die     die Subjektivität betont und berücksich-     über die psychotherapeutische Eig-
Störung. Und dieses „Symptom“ könne         tigt. Geisteswissenschaftlich gründende      nung und Wirksamkeit einer Behand-
aus dem Ganzen isoliert, also auch iso-     Psychotherapie ist vor allem qualitativer    lungsform gerichtet. Der WBP beharrt
liert behandelt und „weg gemacht“ wer-      Forschung zugänglich. Derzeit gibt es        dagegen ausdrücklich darauf, die Mei-
den. Das Symptom wird als ein abgrenz-      starke Tendenzen, die bisherige Koexis-      nung der Fachwissenschaftler als unbe-
bares und isolierbares Ganzes gesehen.      tenz dieser zwei unterschiedliche Ansät-     deutend zu betrachten, weil sie nur der
Dem steht die Erkenntnis entgegen,          ze in der Psychotherapie in Frage zu stel-   „niedrigsten Evidenzstufe“ zuzurechnen
dass das Symptom lediglich Ausdruck         len und das behauptete Spannungsfeld         sei (WBP-Schreiben an die Bezirksregie-
von Störungen im seelischen Geschehen       dadurch aufzulösen, dass dem naturwis-       rung von Oberbayern vom 20.9.2005).
ist. Dem unmittelbar sichtbaren, erfahr-    senschaftlichen Forschungsansatz allei-
baren und beschreibbaren Symptom lie-       nige Gültigkeit zugewiesen werden soll.
gen in der Regel komplexe, ineinander       Für die Bewertung der Psychotherapie         III. Verfahrensordnung
greifende Bedingungen zugrunde, die         heißt das, dass nur den Ergebnissen ex-           des Gemeinsamen
in den Psychotherapie-Richtlinien zutref-   perimenteller Studien Geltung zukom-              Bundesausschusses (G-BA)
fend als „seelische Krankheit“ bezeichnet   men soll; Psychotherapie(-verfahren)
werden.                                     sollen nach gleicher Methodik und an-            Im September 2005 hat der für das
                                            hand gleicher Kriterien wie ärztliche Me-    Leistungsrecht in der gesetzlichen Kran-
    Psychotherapie, die nachhaltig und      thoden oder ein Medikament bewertet          kenversicherung zuständige Gemein-
ganzheitlich wirken will, muss deshalb      werden.                                      same Bundesausschuss (G-BA) eine
stets den ganzen Menschen in seinem                                                      Verfahrensordnung (G-BA-VerfO) be-
Umfeld, in seiner Historie, in seiner Ge-                                                schlossen, mit der er psychotherapeu-
genwartssituation und in seinen Zu-         II. Der Wissenschaftliche Beirat             tische Verfahren den ärztlichen Behand-
kunftserwartungen, also in seinen Sinn-         Psychotherapie – seine                   lungsmethoden zuordnet (§ 8 Abs. 1
zusammenhängen berücksichtigen. In              rechtliche Stellung und sein             G-BA-VerfO). Damit hat er sich die for-
der Fixierung auf das Symptom droht             Auftrag                                  male Grundlage geschaffen, in Anleh-
Psychotherapie zur Reparaturwerkstatt                                                    nung an das Bewertungsvorgehen des
für gestörte Aggregate zu verkommen,            Ausgangspunkt dieser Entwicklung         WBP die komplexe Leistung Psychothe-
an die Stelle der Psycho-Therapeuten        ist das „Methodenpapier“ des WBP,            rapie mit ärztlichen Methoden (wie z.B.
sollen Symptom-Techniker treten. Die        das in seinen Grundzügen 1999 ent-           Ultraschall-Diagnostik, Bestrahlung, En-
skizzierte Entwicklung hat ihren Anfang     wickelt und im November 2007 in sei-         doskopie) oder mit medikamentöser Be-
im Jahr 1999 genommen.                      ner endgültigen Ausgestaltung verab-         handlung „in einen Topf zu werfen“ und
                                            schiedet wurde.1 Der WBP ist nach § 11       nach gleichen Kriterien zu bewerten.
                                            PsychThG vom Gesetzgeber dazu vor-
I.	Integration in die                       gesehen, dass er bei Zweifeln der zu-            Das ist von besonderer Bedeutung,
   kassenärztlichen Strukturen              ständigen Landesbehörden sich auf de-        weil damit der mit dem PsychThG für
                                            ren Anfrage gutachtlich dazu äußert,         das psychotherapeutische Leistungs-
    Mit der Integration der Psychothe-      ob ein Psychotherapieverfahren wis-          recht in das Sozialrecht eingeführte Leis-
rapie in die kassenärztlichen Strukturen    senschaftlich anerkannt ist. Er hat die-     tungsbegriff „Behandlungsverfahren“
begannen die Bestrebungen, die Beson-       se Aufgabenstellung verkannt und sich        bzw. „Psychotherapieverfahren“, der
derheiten, die die Psychotherapie von       stattdessen zu einer Behörde, zu einer       neben die Leistungsbegriffe „ärztliche
der Organmedizin unterscheiden, unbe-       Art „Wissenschaftsgericht“ (VG Leipzig)      Methode“, „besondere Therapieverfah-
achtet zu lassen. Die organisatorische      ausgeformt. Durch verwaltungsgericht-        ren“ und „Heilmittel“ getreten ist, igno-
Verortung von Psychotherapie und ärzt-      liche Urteile (VGe Düsseldorf, Gelsenkir-    riert wird.
licher Medizin unter einem gemein-          chen) und oberverwaltungsgerichtliche
samen Dach kann jedoch die fachlichen       Entscheidung (OVG NRW) wurden dem                Aus der formal vollzogenen Gleich-
Unterschiede der beiden Disziplinen         WBP jegliche Beteiligungsrechte an der       setzung von Psychotherapieverfahren
nicht aufheben. Die Eigengesetzlichkeit     normativen Ausgestaltung des Psycho-         mit ärztlichen Methoden leitet der G-BA
der Psychotherapie, ihr Wissenschafts-      therapeutenrechts abgesprochen. Die-         aber das Recht ab, Psychotherapie „in-
verständnis und eine dem Gegenstand         se gerichtlichen Hinweise zur Unhaltbar-     dikationsbezogen“ (korrekt: „symptom-
adäquate Forschungsmethodik muss im         keit seiner „usurpierten Prüfkompetenz“      bezogen“; s. folgend) zu prüfen. Eine
Interesse qualifizierter Versorgung ge-     (Spellbrink, Richter am BSG) hat er aber     nähere Prüfung zeigt, dass die Bestim-
wahrt bleiben.                              bis heute unbeachtet gelassen.               mungen der G-BA-Verfahrensordnung

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eine symptomspezifische Bewertung             chotherapeutentag im April 2005 die              Im Übrigen würde die Bewertung nach
von Psychotherapieleistungen weder            Pläne des G-BA zu einer symptombezo-             „Anwendungsbereichen“ anstelle der
begründen noch rechtfertigen. Wenn            genen Verfahrensbewertung ausdrück-              psychotherapeutenrechtlich gebote-
heute von indikationsbezogener Bewer-         lich zurückgewiesen.                             nen Anerkennung von zur Approbati-
tung von Psychotherapie die Rede ist,                                                          on führenden Behandlungsverfahren
dann wird das in der fachöffentlichen            „Die Mitglieder des 5. DPT verfolgen          die erforderliche Verzahnung des Be-
Diskussion häufig mit „symptomspezi-             mit großer Sorge die G-BA-Ankündi-            rufs- und Ausbildungsrechts der Psy-
fische Bewertung“ übersetzt. Das Miss-           gungen zur Bewertung der Eignung              chotherapeuten mit dem Sozialrecht
verständnis „Indikation/Symptom“ wird            von Psychotherapieverfahren für die           grundlegend beeinträchtigen.
durch teils wohl unbedachte, teils inter-        Versicherten-Versorgung.                      Der Vorstand der BPtK wird aufgefor-
essensgeleitet-vorsätzliche, in jedem Fall       Mit dem überraschenden Abweichen              dert, gegenüber dem G-BA das Anlie-
falsche Gleichsetzung von Indikation             von der verfahrensbezogenen Bewer-            gen dieser Resolution mit Nachdruck
(indiziert=angesagt) einerseits und Stö-         tung und der nun angekündigten Be-            zu vertreten.“
rung oder Symptom andererseits kons-             wertung nach „Anwendungsberei-
truiert.                                         chen“, würde der G-BA die Vorgaben            Der G-BA hat diese unmissverständli-
                                                 der Psychotherapie-Richtlinien verlas-     che Zurückweisung seiner Vorstellungen
    Die Verfahrensordnung beschreibt –           sen und insbesondere gravierende Pro-      von Psychotherapie ignoriert. Hilfreich
wie der Name sagt – wie bei der Bewer-           bleme für die Durchführung von Psy-        war ihm dabei, dass die BPtK den in der
tung von Leistungen vorzugehen ist. Sie          chotherapie durch Psychotherapeuten        Resolution zum Ausdruck kommenden
soll sicherstellen, dass Bewertungen und         im Rahmen der Psychotherapie-Ver-          Willen der Profession nicht vertreten,
Prüfungen in einem ordentlichen Ver-             einbarungen sowie Rechtsprobleme für       sondern zugunsten einer Kooperation
fahren (Verfahrensordnung) – z.B. trans-         das Ausbildungs- und Berufsrecht der       mit dem G-BA dessen Vorstellungen ak-
parent, Beachtung der Evidenzstufen              Psychotherapeuten aufwerfen.               zeptiert hat. Soweit der G-BA den WBP
und der Beteiligungsrechte Dritter, z.B.         Der G-BA bezieht sich offensichtlich auf   in Anspruch nimmt und ihn unzulässig
der BPtK – erfolgt. Sie beschreibt keine         Empfehlungen des Wissenschaftlichen        mit der Profession gleichsetzt, ist den
Inhalte! Fachlich-inhaltliche Regelungen         Beirates Psychotherapie (WBP), nach        früheren WBP-Vorsitzenden, den Profes-
würden eine Verfahrensordnung, die sui           denen die Länder wissenschaftlich an-      soren Hoffmann und Margraf zu danken,
generis die Vielzahl von Einzelfällen all-       erkannte Psychotherapieverfahren zur       die wegen der falschen Übertragung
gemein regeln soll, auch überfrachten.           (vertieften) Ausbildung „zulassen“         des WBP-Begutachtungskonzeptes auf
                                                 sollen. Für die anerkannten Behand-        die sozialrechtliche Prüfung und Zulas-
    Die Inhalte, die nach den Vorgaben           lungsverfahren ist hiermit jedoch kei-     sung von Psychotherapieverfahren am
der G-BA-VerfO zu prüfen sind, finden            ne indikationsbezogene Beschränkung        15.01.2006 eine Erklärung veröffentli-
sich in den jeweiligen Richtlinien. Für          ausgesprochen.                             cht haben, die appellartig endet:
den Gegenstand Psychotherapie sind               Wir sind besorgt, dass der G-BA für
die Psychotherapie-Richtlinien (PTR)             approbationsfähige Psychotherapie-            „Wir verbinden mit diesem Schreiben
maßgebend. Dort ist die “Indikation”             verfahren eine Bewertungspraxis ein-          die Erwartung, das bei den Ministeri-
für Psychotherapie definiert: Psycho-            führen will, die ein neues, mit dem           en, Gesundheitsbehörden, Selbstver-
therapie ist indiziert, „soweit und solan-       Selbstverständnis der Psychtherapeut-         waltungskörperschaften und Kranken-
ge eine seelische Krankheit vorliegt“. (§ 1      lnnen, den Psychotherapie-Richtli-            kassen in Deutschland offensichtlich
Abs.1 PTR) In § 2 Abs.1 PTR wird „seeli-         nien und dem geltenden Psychothera-           entstandene Missverständnis aufzu-
sche Krankheit“ konkretisiert als „krank-        peutenrecht nicht zu vereinbarendes           lösen, der als Arbeitsinstrument die-
hafte Störung der Wahrnehmung, des               Psychotherapieverständnis zugrunde            nende simplifizierte Katalog sei an sich
Verhaltens, der Erlebnisverarbeitung, der        legt. Gegen die Zerlegung der Psycho-         ein geeignetes Instrument und wer-
sozialen Beziehungen und der Körperfunk-         therapie in eine Vielzahl von „Anwen-         de als solches vom WBP empfohlen,
tionen“. Weitergehende Bestimmungen              dungsbereichen“ sprechen erhebliche           um Psychotherapieverfahren in Teilbe-
zur Psychotherapieindikation finden sich         fachliche Bedenken:                           reiche aufzulösen und diese jeweils als
in den PTR nicht. Zur Abgrenzung ge-             Die Zergliederung psychotherapeu-             wissenschaftlich zu bestätigen oder zu
gen bspw. Beratungsleistungen sind die           tischer Verfahren und psychothera-            verwerfen.“
kassenpflichtigen symptomatischen Aus-           peutischer Behandlungen in „Anwen-
prägungen seelischer Krankheit dann              dungsbereiche“ sowie die Reduzierung           Diese Klarstellung war gegenüber
in § 22 Abs.1 PTR konkretisiert. Der G-          der Patienten auf isolierte Störungen      dem G-BA durchaus noch rechtzeitig
BA kann sich für sein Vorgehen weder             ließen keinen Raum für eine ganz-          erfolgt, die aktuellen Vorgänge zeigen
auf die Profession noch auf die Wissen-          heitliche Sicht des Menschen, für eine     aber, dass der G-BA nicht bereit war, sie
schaft, noch auf das Berufsrecht stüt-           verlässliche      psychotherapeutische     zur Kenntnis zu nehmen, weil sie nicht
zen: Die Profession, repräsentiert durch         Beziehung und für Entwicklungsmög-         in sein Konzept passten. Die Nachfolger
das Bundesparlament der Psychothera-             lichkeiten der Patienten.                  im WBP haben dieses Verständnis des
peuten, hat auf dem 5. Deutschen Psy-                                                       „frühen“ WBP inzwischen verlassen und

                                                                   Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung 1/09       11
Schwerpunktthema: Humanismus

ihre anders gerichteten Vorstellungen       terscheiden sich aber per definitionem       V. Das Methodenpapier des
mit dem G-BA konsentiert. Tatsächlich       (u. a. durch Behandlerzuweisung und             WBP 2007
sind die Bemühungen schon weit fort-        festgelegter „Therapiedosis“) von Be-
geschritten, eine Psychotherapie allein-    handlungen in der Versorgung. An die             Mit dem Methodenpapier hat sich
gültig zu etablieren, die die Symptome      Stelle der Indikation „Seelische Krank-      der WBP die Kompetenz zugeschrieben,
anstelle des Menschen zum Gegenstand        heit“ wie sie in dem PsychThG und in         anhand von Wirksamkeitsstudien psy-
der Psychotherapie zu macht. Das zeigt      den geltenden Psychotherapie-Richtli-        chotherapeutische Ansätze in Verfahren,
sich auch an dem abgeschlossenen Be-        nien vorgesehen ist, wurde damit eine        Methoden und Techniken zu klassifizie-
wertungsverfahren zur Gesprächspsy-         symptomspezifische Indikation gesetzt.       ren. Er greift damit in das vornehms-
chotherapie. An ihr wurde die Probe                                                      te Recht der Kammern zur Gestaltung
auf`s Exempel gemacht und der Para-             Noch im April 2006 hatte die BPtK        und Definition des Berufsrechts ein. Der
digmen-Wechsel vollzogen.                   dem entgegengehalten, „im Ergebnis           WBP hatte sich bereits im Mai 2002 an
                                            können Regelungen in den Psychothera-        die Landesbehörden gewandt und ge-
    Um diesen absehbaren Entwicklun-        pie-Richtlinien verfassungsrechtlich kei-    fordert, der Psychotherapeuten-Ausbil-
gen entgegenzuwirken und wenigs-            nen Bestand haben, wenn sie dazu führen      dung nicht mehr Psychotherapieverfah-
tens auf sie aufmerksam zu machen, war      (können), dass in den Richtlinien eine An-   ren zugrunde zu legen, sondern eine
von einigen Delegierten des BPtK-Par-       erkennung als Behandlungsverfahren un-       „problemorientierte“ Ausbildung vor-
laments im März 2006 das Symposium          terbleibt, obwohl das Verfahren berufs-      zusehen. Das ist zwar mit den gesetz-
„Das Unbehagen in der (Psychothera-         rechtlich zur vertieften Ausbildung (§ 8     lichen und untergesetzlichen Bestim-
pie-)Kultur“ initiiert worden. Die Orga-    Abs. 3 Nr. 1 PsychThG) zugelassen ist und    mungen (§§ 1, 6 und 8 PsychThG) nicht
nisatoren und Teilnehmer waren noch         zur Approbation führt.“ DIe BPtK hat auf     vereinbar; vielmehr bedürfte es dazu
davon ausgegangen, dass vor einer           diese „grundsätzlichen rechtlichen Beden-    der Novellierung des Gesetzes und der
Umsetzung der erkennbaren Absichten         ken“ in nachfolgenden Stellungnahmen         Ausbildungs- und Prüfungsverordnung.
noch eine längere Diskussion und Mei-       zur      Gesprächpsychotherapie-Bewer-       Davon hat sich der gesetzlich eingerich-
nungsbildung in der Profession abge-        tung wiederholt hingewiesen, gleichzei-      tete WBP aber nicht abhalten lassen, un-
wartet würde. Das Symposium war mit         tig aber in unauflösbarem Widerspruch        ter Ausschluss der Fachöffentlichkeit mit
der „Bonner Erklärung“ abgeschlossen        dazu einer symptomspezifischen Bewer-        seinem Methodenpapier an der Ent-
worden, in der den erkennbaren Ent-         tung zugestimmt und das Schwellenkri-        wicklung eines einseitig neopositivis-
wicklungen eine Absage erteilt und die      terium ausdrücklich begrüßt.                 tisch ausgerichteten Psychotherapiepa-
in wenigen Tagen von 4000 Psycho-                                                        radigma mit Alleingültigkeitsanspruch
therapeuten in Deutschland gezeichnet           Der Beschluss vom 20.06.2006 zur         zu arbeiten. Danach soll Psychotherapie
worden war. Der beginnenden Diskussi-       Änderung der Psychotherapie-Richt-           nur legitimiert sein, wenn sie mit quan-
on in der Fachöffentlichkeit wurde aber     lininen wurde vom BMG wegen des              titativen Ergebnissen belegt ist, die mit
kein Raum gegeben, schon drei Monate        Schwellenkriteriums erst einmal bean-        naturwissenschaftlichen      Forschungs-
später fasste der G-BA seinen Beschluss     standet und konnte nicht in Kraft tre-       methoden gewonnen wurden. Dieses
zur Änderung der PTR.                       ten. Nachdem der G-BA in Reaktion auf        Vorgehen führt dann zu dem mathe-
                                            die Beanstandung Verständigung mit           matisierten Ergebnis, dass nur symptom-
                                            dem WBP und der BPtK gesucht hatte,          spezifische Interventionen das Prädikat
IV. Die Beschlüsse des G-                   wiederholte er den beanstandeten Be-         „wissenschaftlich“ verdienen. Damit ist
    BA zur Änderung der                     schluss vom 20.06.06 in leicht modifi-       der Weg gebahnt, eine verengte symp-
    Psychotherapie-Richtlinien              zierter Form am 20.12.2007. Der WBP          tomspezifische Ausbildung zu konzipie-
    vom 20.06.2006 und vom                  hatte inzwischen zur Stützung des neu-       ren und auf dieser Grundlage Symp-
    20.12.2007                              en G-BA-Beschlusses sein Methoden-           tom-Techniker auszubilden. In einem
                                            papier in einem E-Mail-Eilverfahren am       weiteren Schritt hat der WBP seine For-
    Der Beschluss vom 20.06.2006 sah        21.11.2007 verabschiedet. Mit der er-        derungen nach einer symptomspezi-
die Einbeziehung von Psychothera-           neuten Beschlussfassung zu der bereits       fischen Ausbildung mit entsprechenden
peuten nach ihrer vertieften Ausbildung     seit November 2007 vorliegenden Be-          Empfehlungen an die Landesbehörden
und Approbationserteilung in die ver-       schlussempfehlung zur Gesprächspsy-          für die Zusammensetzung des Lehrkör-
tragliche Versorgung nur vor, wenn das      chotherapie wartete der G-BA ab, bis das     per an den Ausbildungsstätten2 ergänzt.
von Ihnen gewählte Psychotherapie-          BMG die Nicht-Beanstandung des neuen
Ausbildungsverfahren ein vom G-BA de-       Beschlusses zur Änderung der Psycho-             Im Ergebnis dieser Empfehlungen
finiertes Schwellenkriterium erfüllt. Der   therapierichtlinien mitgeteilt hatte und     würden Psychotherapeuten zu Hand-
Nutzenbeleg sollte auf der Basis von ran-   wiederholte dann am 24.04.2008 seinen        werkern „trainiert“ (s. Fußnote) wer-
domisierten kontrollierten RCT-Studien      ablehnenden Beschluss zur Gesprächs-         den, die dann zur Benutzung von eng
für die in der Versorgung quantitativ be-   psychotherapie vom 21.11.2006.               umgrenzten symptomspezifischen In-
deutsamsten Diagnosen festgestellt wer-                                                  terventionen befähigt wären. Die dem
den. Behandlungen in RCT-Studien un-                                                     Symptom zugrunde liegende seelische

12    Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung 1/09
Schwerpunktthema: Humanismus

Krankheit, also die Ursache der Symp-        lichen Paradigma einfacher und mit dem        „Art des Verfahrens
tomatik, wird damit aber nicht erreicht,     Anspruch von Objektivität und Über-
also auch nicht behandelt.                   prüfbarkeit gestaltet werden können               Bei der Verhaltenstherapie handelt es
                                             und gleichzeitig wissenschaftliche bzw.       sich nicht um ein homogenes Verfahren,
    Wissenschaft wird in dem Metho-          Hochschulkarrieren erleichtern. Eine Re-      sondern um eine Gruppe von Interventions-
denpapier weitgehend auf das Kriterium       duzierung auf eine solchermaßen ver-          methoden, die jeweils auf spezifische Modi-
„Wirksamkeit“ reduziert. Wissenschaft-       künstelte Psychotherapie wird mittelfris-     fikationsziele gerichtet sind.“ (Seite 14):
lichkeit soll in Form von „Wirksamkeit“,     tig sowohl mit negativen Auswirkungen
soll in Form von symptombezogenen            auf die Qualität der Patientenversorgung
Interventionen, die ihre Wirksamkeit in      als auch auf die Rechte der Leistungser-      „Stand der Theorieentwicklung
experimentellen, manualisiert duchge-        bringer und deren Berufsausübung ver-
führten Studien an homogenen Patien-         bunden sein.                                      Insgesamt lässt sich keine abgeschlos-
tengruppe erwiesen haben, festgestellt                                                     sene und homogene theoretische Grundle-
werden.                                                                                    gung der Verhaltenstherapie konstatieren,
                                             Reduzierung der                               da sie grundsätzlich allen Methoden, die
    Naturalistische bzw. Versorgungs-        Wissenschaftlichkeit auf                      auf empirischer Forschung basieren bzw.
studien sollen – wenn sie überhaupt be-      Wirksamkeit                                   mit empirischer Forschung korrespondie-
rücksichtigt werden – nachrangig sein.                                                     ren, offen gegenübersteht.“ (Seite 21):
Kennzeichnend für die beabsichtigte Re-         Das Methodenpapier sieht unter an-
duzierung der psychotherapeutischen          derem vor:                                       Es ist nichts dagegen einzuwen-
Behandlung auf symptombezogene Ap-                                                         den, es ist im Gegenteil zu fordern und
plikationen von „Interventionen“ ist,         das entscheidende Merkmal für Wis-          zu fördern, dass unterschiedliche Kon-
dass der WBP erst in schriftlichen Nach-       senschaftlichkeit ist Wirksamkeit           zepte entwickelt werden. Im Austausch
verhandlungen die für die Versorgung          Theorie und Wirkungsweise psycho-           mit anderen Konzepten kann das berei-
besonders aussagekräftigen symptom-            therapeutischer Interventionen sind         chern – wenn aber ein Konzept einseitig
übergreifenden Studien, also Studien           nachrangig.                                 in den Stand alleiniger Wahrheit geho-
mit komorbiden Patienten, wie sie in                                                       ben werden soll, dann fordert das ent-
der Versorgungsrealität tatsächlich an-          Es ist bemerkenswert, dass ein sich als   schiedenen Widerstand heraus.
getroffen werden, nachträglich nolens        „wissenschaftlich“ bezeichnendes Gre-
volens aufgenommen hat. Um die Be-           mium die Auffassung vertritt, Wirksam-
einträchtigung seines auf Symptome           keit und Wirkungsweise könnten und            Bewertung und
reduzierten      Psychotherapie-Paradig-     müssten (Methodenpapier S. 6 ff) ge-          Anwendungsbereiche
ma dennoch möglichst gering zu hal-          trennt betrachtet werden, der Wirksam-
ten, hat er solchen Studien in seiner        keit sei Vorrang einzuräumen; Wirkungs-          Der WBP trifft seine Feststellungen
Bewertungshierarchie die geringste Be-       weise sei nur ein zusätzlicher Aspekt. Die    zur Wissenschaftlichkeit anhand von An-
deutung für die Feststellung der Wissen-     wesentlichen Implikationen des Metho-         wendungsbereichen, in denen er Symp-
schaftlichkeit zugeordnet. Die vom WBP       denpapiers korrespondieren nahtlos mit        tome gruppiert. Zu einzelnen Symp-
nach seinem Wissenschaftsverständnis         der Verhaltenstherapie, wie sie in der        tomen der Anwendungsbereiche sollen
und für seine Zwecke geforderten ex-         Dokumentation zur Verhaltenstherapie          experimentelle Studien vorliegen.
perimentellen RCT-Studien mögen der          von Kröner-Herwig zur Vorlage bei dem
Grundlagenforschung dienen, für Aus-         WBP beschrieben ist.                               Immerhin lässt der WBP hier einen
sagen zur Patientenversorgung sind sie                                                     Ansatz von Nachdenklichkeit gegenü-
weitgehend unbrauchbar. Die Diskussi-            Wenn in dem Methodenpapier die            ber seinem Methodenpapier erkennen,
on zu diesen unterschiedlichen Studien-      Notwendigkeit theoretischer Fundie-           wenn formuliert wird, dass „vom Nach-
typen wird häufig unter der Fragestel-       rung verneint, jedenfalls als entbehrlich     weis der Wirksamkeit eines psychothera-
lung geführt, welcher Studientyp besser      dargestellt und konsequent weitgehen-         peutischen Verfahrens oder einer Methode
oder gar überlegen sei. Diese Diskussion     de Verzichtbarkeit auf Erkenntnisse zur       bei einem Anwendungsbereich nicht gene-
geht insofern fehl, als sie unter rein me-   Wirkungsweise vertreten wird, dann liest      rell auf die Wirksamkeit des gesamten psy-
thodologischen Aspekten geführt wird         sich das, als hätten die Autoren des Me-      chotherapeutischen Verfahrens oder der
und dabei der Kontext, nämlich zu wel-       thodenpapiers aus der Kröner-Herwig-          Methode bei einem anderen Anwendungs-
chem Zweck Studien durchgeführt wer-         Expertise abgeschrieben:                      bereich geschlossen werden kann.“
den, ausgeblendet wird.
                                                                                               Da also auch nach den Erkenntnis-
   Diese einseitige Ausrichtung auf RCT-                                                   sen des WBP nicht von der effektiven
Studien (populär „Laborstudien“) wird                                                      Behandlung eines Symptoms auf die ef-
auch dadurch begünstigt, dass Studi-                                                       fektive Behandlung eines anderen Symp-
endesigns nach dem naturwissenschaft-                                                      toms oder ggf. des selben Symptoms mit

                                                                  Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung 1/09       13
Schwerpunktthema: Humanismus

Komorbidität geschlossen werden kann,         chotherapiebehandlung destilliert wird.    tur“. Ein weiterer Schritt zur kritischen
erweisen sich „Anwendungsbereiche“            Je mehr Bedingungen einer realen The-      Auseinandersetzung mit der beschrie-
als Grundlage für die Bewertung von           rapie, die in einer experimentellen Stu-   benen Entwicklung ist die Verbände-Stel-
Psychotherapie anhand der Behandlung          die als „Störvariablen“ gesehen werden,    lungnahme vom Oktober 2007 zu einer
von monosymptomatischen Patienten             ausgeschaltet werden, desto mehr nä-       sachangemessenen Bewertung von Psy-
als Irrweg. Damit räumt der WBP aller-        hert sich die RCT-Studie dem Ideal des     chotherapie(-leistungen)3, die dem G-
dings die Untauglichkeit der von ihm          Forschers im Labor. Es entsteht der Ein-   BA, zur Kenntnis dem BMG, der BPtK
vertretenen Aufgliederung von Psycho-         druck, dass gemessen werden soll, was      und anderen Funktionsträgern im Ge-
therapie in Anwendungsbereiche als Be-        gemessen werden kann. Der „Unter-          sundheitswesen zugestellt worden ist.
wertungsgrundlage ein; der Ansatz des         suchungsgegenstand“ soll den verfüg-
WBP ist in sich gescheitert. Er erstickt an   baren Instrumenten angepasst werden,           Es bleibt zu hoffen, dass die provo-
seiner eigenen Logifizierung. Denn die        mit denen eine Pseudo-Objektivität er-     kante, leider hochaktuelle Warnung, die
von ihm beabsichtigte Systematisierung        reicht werden kann. Erforderlich wäre,     vor über 30 Jahren – im Jahr 1976 – in
zur Urteilsfindung über die Wissenschaft-     angemessene Instrumente für den tat-       der Psychologischen Rundschau zu lesen
lichkeit von Verfahren könnte er wegen        sächlichen Untersuchungsgegenstand         war, noch rechtzeitig gehört wird: „Die
der von ihm selbst festgestellten Nicht-      zu entwickeln. Für die Bewertung von       Psychologie hat zuerst die Seele und dann
Übertragbarkeit von symptomspezi-             Psychotherapie ist noch bedeutsamer,       mit dem Bewusstsein auch den Verstand
fischen Wirksamkeitsnachweisen auf an-        dass die in den experimentellen Stu-       verloren“, formulierte der Bochumer Or-
dere Symptome nur durchhalten, wenn           dien bewusst (als Störvariable) ausge-     dinarius Prof. Heckhausen, ein interna-
er zu allen über 300 ICD-10-Diagnosen         schlossene therapeutische Beziehung        tional renommierter und dem natur-
– bei Berücksichtigung der regelmäßig         in den psychodynamischen und huma-         wissenschaftlichen Denken nicht ferner
vorliegenden Komorbiditäten würde die         nistischen Psychotherapieformen, die       Lehrer und Forscher in Zusammenhang
Zahl in`s Unermessliche steigen – in ex-      sich als verstehende, ganzheitliche, den   mit den von ihm gesehenen „Verwüs-
perimentellen Studien gewonnene Wirk-         Menschen in seiner Komplexität in den      tungen des Behaviorismus“.
samkeitsnachweise fordern würde.              Blick nehmende Psychotherapieformen
                                              beschreiben lassen, das eigentliche ver-      Erste Hinweise zur Zukunft der Psy-
                                              um ist. Das heißt, das Methodenpapier      chotherapie in Deutschland wird das für
Psychotherapie als Droge?                     des WBP ist geradezu darauf angelegt,      Ende März 2009 erwartete Forschungs-
                                              dass Psychotherapieformen, die ande-       gutachten mit der Beantwortung auf die
    In RCT-Studien soll die psychothe-        ren Menschenbildern verpflichtet sind      Frage des BMG geben, ob die Ausbil-
rapeutische Intervention auf eine „rei-       und die dem Verständnis einer linearen     dung weiterhin verfahrensbezogen blei-
ne Substanz“ reduziert werden, die im         Kausalität nicht folgen, die Prüfung des   ben oder zukünftig symptombezogen
Sinne eines Medikaments in ihrer Wir-         Wissenschaftsgerichts WBP nicht beste-     konzeptualisiert werden soll.
kung untersucht werden soll. In der Psy-      hen können.
chotherapieforschung ist inzwischen All-                                                 Fußnoten
gemeingut, dass der Varianzanteil am
                                                                                         1   Methodenpapier Version 2.6 http://www.
Behandlungserfolg dessen, was in der          Ausblick                                       wbpsychotherapie.de/page.asp?his=0.1.78
experimentellen Studie isoliert und un-                                                  2   „Bei einem Antrag auf Anerkennung eines
tersucht wird, circa 15% ausmacht. Es             Die Bemühungen des WBP haben               Ausbildungsinstituts ist vom Antragsteller
wird von keiner Seite infrage gestellt,       (auch) insoweit Wirkung gezeigt, als das       anzugeben, welche Psychotherapieverfah-
dass das entscheidende „Verum“ die the-       BMG in dem von ihm in Auftrag gege-            ren oder Psychotherapiemethoden für wel-
                                                                                             che Anwendungsbereiche gelehrt werden
rapeutische Beziehung ist. Diesem „Ver-       benen Forschungsgutachten die For-
                                                                                             sollen und welche Ausbilder und Supervi-
um“ wird ein Varianzanteil von 50% an         derung des WBP nach einer problem-             soren für das Training dieser Psychothera-
dem Behandlungserfolg zugesprochen.           orientierten Ausbildung mit der Frage          piemethoden zur Verfügung stehen.“ (Me-
Aber genau dieser überragende Wirkan-         aufgegriffen hat, ob die Ausbildung in         thodenpapier, S.27)
teil wird bei den experimentellen Studi-      Psychotherapie störungs- bzw. symp-        3   Bewertung von Psychotherapie(-leistun-
                                                                                             gen)      http://www.gwg-ev.org/cms/cms.
en aus methodischen Gründen planvoll          tombezogen erfolgen soll.
                                                                                             php?fileid=206
und systematisch weggefiltert.
                                                  Noch hat dieses vereinseitigende,
    Das Methodenpapier unterstellt eine       den Menschen aus dem Blick verlieren-
„Droge Therapie“ in reiner Form, die          de Psychotherapie-Paradigma keinen
es nicht gibt. In experimentellen RCT-        festen Boden, noch ist Zeit, dem entge-
Studien wird versucht, die therapeu-          genzuwirken. Es bleibt zu hoffen, dass
tische Intervention einer Droge (gleich       sich genügend Kräfte finden, die dieser
einem Medikament) nachzubilden, in-           Entwicklung Einhalt gebieten. Ein erster
dem ein verum „psychotherapeutische           Ansatz dazu war das Symposium „Das
Intervention“ aus der komplexen Psy-          Unbehagen in der (Psychotherapie-)Kul-

14     Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung 1/09
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