Von Neugier und Transformation - "WIR DÜRFEN KEINE ANGST HABEN" Patrice Heine im Interview zum Wandel der Chemie in der Industrie - Chemiepark ...
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Von Neugier und Transformation „WIR DÜRFEN EIN FUNKE FÜR ENDLICH WIEDER KEINE ANGST DIE REGION MESSE HABEN“ Kommt 2027 die LAGA in die Impressionen der Standortmes- Region? se Chemiepark-Forum 2021 Patrice Heine im Interview zum Wandel der Chemie in der Industrie
2 WEIL VERÄNDERUNGEN SPANNENDER GEMEINSAM SIND. / TATIANA SYRIKOVA PEXELS.COM BILD: Sie haben spannende Geschichten aus der Region? Teilen Sie diese mit unserer Redaktion unter: redaktion@splitter-promotion.de
3 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN Editorial Als wir im Januar begonnen ha- Für Patrice Heine, Geschäfts- Eine spannende Entdeckungs- ben, ein unterhaltsames Magazin führer der Chemiepark GmbH, ist reise der politischen Transfor- über Chemie und die Menschen vor allem Neugier entscheidend mation haben wir alle gemeinsam und die Region zu gestalten, wa- in Veränderungsprozessen. Die seit 1989 erlebt. Wir haben eine ren wir natürlich auf eine Entde- notwendige Transformation der selbstgewählte Veränderung voll- ckungsreise zu spannenden Per- Chemie in Richtung Klima- zogen und konnten ganz persön- sönlichkeiten und Begebenheiten neutralität beschreibt er in sei- lich erfahren, wie eng Freiheit, eingerichtet. nem Interview in dieser Ausgabe Verantwortung und eben auch Wie vielfältig und komplex, wie treffend. Er macht bewusst, Neugier miteinander verknüpft wunderbar neu und verwoben sich dass es eben Neugier ist, die uns sind. die Arbeit am „Molekül“ gestalten Handlungsoptionen erarbeiten Es genau wissen wollen, sich eine kann, hat niemand von uns geahnt. lässt. Wir dürfen keine Angst Perspektivenvielfalt einholen und Für unsere Mitarbeiterinnen und haben vor der Transformation miteinander im Austausch bleiben Mitarbeiter aus Redaktion und der Chemie – sondern wir sollen – darauf sind wir vor allem neugie- Design erschließen sich bei jeder lernen, in Möglichkeiten zu rig. Sie auch? neuen Ausgabe auch neue Sicht- denken. weisen und Ideen. Gerade hier in der Region Bleiben Sie neugierig! sind die Menschen transfor- mationserfahren. Ihre Redaktion Der Strukturwandel der Re- gion durch das Verschwinden einer ganzen Industrie, des Berg- baus, war hier nicht durch Angst, sondern neue Chancen geprägt. Die Landschaft hat sich erholt und ist heute aus unseren Köp- fen in puncto Naherholung nicht mehr wegzudenken. Die Neugier der Menschen hier hat gastrono- mische Angebote entwickelt und zwei Fahrgastschiffe als touristi- sches Angebot implementiert. Und Hand aufs Herz: Auch mit der He- rausforderung der Corona-Pande- mie hat uns Neugier gut umgehen lassen. Matthias Goßler Splitter Manufaktur Ausgabe 03 | 21
4 10 Das Event Duo: Wie der Goitzsche Marathon und Reitsport zusammenkommen. 06 Wir dürfen keine Angst haben: Patrice Heine im Interview 22 Bodo, 149 Tiere und 300 Fische: Ein Rundgang mit Thomas Ehrlich durch das Tiergehege 25 15 Ich war mein Leben lang neugierig: Lena Mikolaiczak trifft Klaus Staeck Man kann dahin gehen, wo Licht ist oder man macht selbst Licht an: Ein Kurzportrait zu Heike Makk.
5 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN Inhalt 20 Wir dürfen keine Angst haben 6 Das Event-Duo 10 Endlich wieder Messe: Impressionen der Standortmesse Ein Funke für die Region 12 Chemiepark Forum 2021 Ich war mein Leben lang neugierig15 Das freut nicht nur den Biber 18 27 Endlich wieder Messe Bodo, 149 Tiere und 300 Fische 20 22 Man kann dahin gehen, wo Licht ist oder man macht selbst Licht an 25 Ein großes Glück 27 Ein halbes Leben mit den Brücken30 Musik macht glücklich 32 Ein großes Glück: Die BSW Sixers und In Hülle und Fülle 35 Anja Petermann haben trotz Pandemie starken Erfolg in der Jugendarbeit Das Satire-Teilchen im Molekül: Azubine Josefine 37 Das große Los 38 Impressum 39 32 AUSGABE 03 | 21 Musik macht glücklich: Ein Einblick in Matthias Erbens Leben als Orchesterleiter und Privatperson
—Wir dürfen keine Angst haben— 6 „Wir dürfen keine . Angst haben“ . Der Geschäftsführer der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH Patrice Heine über den Wandel der Industrie hin zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft, Chemie als Schulfach und seinen Wunsch an die Politik. M Molekül: Hat Pa- trice Heine eigentlich Chemie als Schulfach gehabt? Patrice Heine: Ja, das hatte ich. In der DDR gab es das Fach ja bereits ab der 7. Klasse. Das war relativ spät, aber immer noch ein Jahr früher als im Westen. Bild: Splitter / Michael Gueffroy pexels.com/
7 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN Patrice Heine bei den Rohrbrücken auf dem Chemieparkgelände // Bild: Splitter / Michael Gueffroy M: Was ist von damals aus dem punkt für ein bestimmtes Thema. Unterricht bei Ihnen hängen Ganz oft entwickelt man später so- geblieben? gar noch Sympathien für das eine PH: Wir haben in der DDR relativ oder andere. viele Versuche gemacht, der Unter- M: Trotzdem scheint die Chemie richt war sehr aufgelockert. In der unter den Naturwissenschaften Regel wurde immer irgendetwas nicht das beste Image zu besitzen. am Reagenzglas oder am Bunsen- PH: Kann sein, wenn man die brenner gemacht. Das war natür- Historie der Chemie betrachtet, lich spannend und damit ideal für hatte sie früher nicht solch ein das Alter. Ich war, ehrlich gesagt, Imageproblem. Ganz zu Beginn, auch sehr gut in Chemie, ich hatte in den 30er, 40er, 50er Jahren immer eine Eins. (lacht) war Chemie immer mit extremem M: Trotzdem sagt die Statistik: Fortschritt verbunden. Sie hat alle Chemie ist eines der Wahlfächer, Bereiche des Lebens durchdrun- für das sich die wenigsten Schü- gen und hat Dinge einfacher ge- ler entscheiden. Viele wählen es ab, macht. Plötzlich waren künstli- wenn sie es können. Warum ist das che Garne, Strumpfhosen da, es so? gab Rohre, die aus PVC hergestellt mie zu tun hat, dann wäre der PH: Eine berechtigte Frage. wurden, die Fotografie kam auf. In Raum nahezu komplett leer. Aber (überlegt) Mir fällt dazu noch eine der DDR gab es sogar den Slogan das wird zukünftig wieder mehr weitere Beobachtung ein: Ich habe „Chemie macht schön“ in Bezug in den Fokus rücken. Wir wol- Umweltingenieurwesen in Cottbus auf Pflegeprodukte. Ab dem Punkt len und müssen den fossilen Koh- studiert. Dort spielte Chemie für aber, an dem auch betrachtet wur- lenstoff ersetzen und das geht am eine längere Zeit auch noch mal als de, welchen Einfluss die Chemie Ende nur mit einer gewandelten Fach im Grundstudium eine wich- auf die sie umgebende Umwelt Chemieindustrie. Viele Selbstver- tige Rolle. Und auch da haben sich hat, die Massenproduktion mit all ständlichkeiten lösen sich in die- extrem viele damit schwergetan. ihren Folgen entstand, hat sich das sem Transformationsprozess auf Das führte dazu, dass die Hälf- Bild gewandelt. Nun wurde Che- und müssen neu gedacht werden. te der Leute damals nur bestan- mie nicht mehr nur als Heilsbrin- In diesem Moment rückt Che- den hat, weil sie bei den Prüfungen ger für den Fortschritt betrach- mie wieder mehr in das Bewusst- ein wenig gemogelt hat. Gewusst tet, sondern die Schäden konn- sein. Der Wandel hin zu einer CO2- haben die allermeisten nicht, was ten nicht mehr übersehen werden. neutralen Kreislaufwirtschaft wird sie da aufgeschrieben haben, das Man hatte sich an die Errungen- nicht ohne sichtbare Auswirkun- ist mir aufgefallen. Das ist scha- schaften gewöhnt, die die Chemie gen vonstatten gehen. Ein kleines de, denn eigentlich ist Chemie ein mit sich brachte. Jetzt aber war es Beispiel: Wir haben uns alle dar- Thema, das extrem die Neugier- an der Zeit, über den Preis dafür an gewöhnt, unseren Innenausbau de weckt. Vielleicht muss man bei zu reden. Und das hat das Image mit Rigipsplatten durchzuführen. der Vermittlung mehr mit dem Ex- verändert. Aber ohne Kohlekraftwerke haben perimentieren anfangen, die Wow- M: Warum ist offenbar so weni- wir auch keinen Rigips mehr, dann Effekte in den Vordergrund stel- gen Menschen klar, was alles in muss Gips auf andere Art und Wei- len und die Theorie erst danach unserem Leben auf der Chemie se hergestellt werden. Es gilt, neue versuchen anzubringen. Wenn du fußt? Rohstoffwege und Rohstoffkreis- mit einer Aversion an etwas her- PH: Es ist ein Fakt, Chemie läufe zu finden. angehst, dann wird es ganz schwer. durchdringt alle Bereiche, und das M: Ist dieser Wandel auch eine Viele Dinge, die man in der Schu- fast schon unmerkbar. Wenn man Chance für die Chemie? AUSGABE 03 | 21 le nicht kann oder nicht mag, ha- in diesem ganz normalen Büro, in PH: Auf jeden Fall. Wir sind ben selten etwas damit zu tun, dass dem wir gerade zu unserem Ge- aufgefordert, für die Menschen man sie generell nicht kann, son- spräch sitzen, alles verschwinden Lösungen für eine → dern es ist oft der falsche Zeit- lassen würde, was mit der Che-
—Wir dürfen keine Angst haben— 8 Patrice Heine am Schienensystem des Chemieparkgeländes // Bild: Splitter / Michael Gueffroy → klimaneutrale Wirtschaft zu wohnbar sein, was die Menschen M: Was bedeuten diese Prozesse finden und das wird die Chemie dazu bringen wird, sich neuen Le- für Unternehmen? stark in den Fokus rücken. bensraum zu suchen. Und wenn PH: Konkrete Beispiele sind im- M: Können Sie verstehen, dass sich Millionen Menschen als Kli- mer eine gute Möglichkeit. Wenn die Menschen mit diesem bevor- maflüchtlinge auf den Weg ma- man von etwas überzeugt ist, soll- stehenden Wandel auch Ängste chen, scheint mir das aktuell ein te man sich auf den Weg machen verbinden? deutlich bedrohlicheres Szenario und diese Beispiele anderen vor- PH: Ja und Nein. Wandel gab und zu sein als die Tatsache, nicht mehr stellen. Die Industrie hat dies an gibt es immer. Was uns jetzt bevor- jeden Tag mit einem Benzinauto vielen Stellen nicht nur schon er- steht, wird signifikant sein, einver- fahren zu können und stattdessen kannt, sondern sich sogar schon standen, doch es ist eher etwas, wo- mal ein Elektro-Fahrrad oder die auf den Weg gemacht hin zu einer rauf man sich freuen kann. Es gibt Bahn zu nutzen. CO2-neutralen Kreislaufwirt- keine Alternative zur Klimaneut- M: Haben Sie das Gefühl, das schaft. Da findet hinter den Kulis- ralität, doch wir haben genug Wis- Thema Klima spielte im Bundes- sen bereits viel statt. Die Industrie sen und Technologien, um diesen tagswahlkampf die Rolle, die es ha- könnte aber noch weiter sein, zum Wandel erfolgreich zu gestalten. Je ben müsste? Motor des Ganzen werden, wenn weniger Angst wir haben, je mehr PH: Deutschland tut sich ver- die politischen Anreize dafür da es uns gelingt, nicht zu zögern, des- gleichsweise schwer, dem Thema wären. Die Wirtschaft neigt dazu, to eher werden wir auch die posi- den Raum einzuräumen, den es be- die alten Geschäftsmodelle so lan- tiven Effekte dieser Entwicklung nötigt. Das hat aber etwas mit der ge zu bedienen, wie sie sich noch spüren. Veränderungen erzeugen Art und Weise zu tun, wie Partei- lohnen. Wenn ich Veränderungen bei vielen erst einmal Angst, das en funktionieren und Mehrheiten will, muss ich den alten, klima- liegt ein Stück weit in der Natur in unserer Gesellschaft beschafft schädlichen Geschäftsmodellen des Menschen. Doch das Ergeb- werden. So lange die Mehrzahl der die Grundlage entziehen. Mache nis, das hier herauskommt, wird in Menschen Angst vor dem Unge- ich das nicht, wird der Wandel nur jedem Fall besser sein als die Situ- wissen in der Zukunft hat, so lan- sehr langsam vonstatten gehen. ation, in der wir uns jetzt befinden. ge ist es am einfachsten, Mehrhei- M: Noch einmal zurück zur Che- Ich wünsche mir Esprit und Mut, ten zu organisieren, wenn ich auf mie: Nehmen wir an, eine Werbe- es anzugehen. die Bremse trete. Dass tut unserer agentur bittet Sie um drei moderne M: Ist eine klimaneutrale Welt Gesellschaft und unseren Kindern Synonyme für das Wort Chemie, wirklich alternativlos? nicht gut, aber man muss die Rea- um den Begriff positiver zu bele- PH: Wenn wir es nicht tun, wer- litäten anerkennen. Also müssen gen. Was würden sie vorschlagen? den wir uns auf heftige soziale wir warten, bis die Mehrheit davon Konflikte einstellen müssen. Die überzeugt ist. Erde würde in weiten Teilen unbe- pexels.com/
9 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN PH: Chemie ist im eigentlichen barer Bestandteil von ihr. Des- PH: Sie sollen versuchen, ihre Sinne erst einmal Stoffumwand- halb ist deren Weiterentwicklung Neugierde in den Vordergrund zu lung. Aber das ist jetzt auch nicht uns so wichtig. Dafür muss man stellen, den spannenden Teil der gerade ein leichtes Wort. (lacht) Ich sich aber als Raum begreifen, den Chemie wichtiger nehmen als die würde das Wort Chemie aber gar man selbst gestalten kann. Wir Theorie. Es lohnt sich in diese Ma- nicht aus dem Gedächtnis radie- möchten Wirksamkeit über unse- terie abzutauchen, denn hier in der ren wollen. Die Chemie versucht re Grenzen hinaus entwickeln und Region warten gute Jobs in einer ja schon länger, sich ein neues tun das auch bereits, indem wir sehr zukunftsträchtigen Industrie. Image zu geben. Das aber bekom- uns für neue Ansiedlungen auch Und die Lehrer würde ich dazu me ich nicht allein durch Marke- außerhalb des Chemieparks stark auffordern, die Möglichkeiten hier tingaktivitäten, sondern durch das machen und uns gesellschaft- vor Ort mehr zu nutzen, sich an tägliche Tun. Wenn wir also Positi- lich in der Region engagieren. Es uns und die Unternehmen, an das ves tun, nicht mehr in nachgewie- geht uns um die Botschaft: Schaut Schülerlabor im TGZ zu wenden. senermaßen umwelt- bzw. klima- mal, hier existiert ein Biotop, das Es gibt ganz verschiedene Mög- lichkeiten, den Unter- »Sie sollen versuchen, richt interessant und für die Schüler herausfor- Neugierde dernd zu gestalten. Ge- ihre in den rade bei all dem, was in der Zukunft alles pas- Vordergrund zu stellen, sieren wird. Die Chemie wird bleiben. Und sie den spannenden Teil der braucht die Menschen, die sie leben. Chemie wichtiger nehmen als die Theorie. « Patrice Heine, Geschäftsführer der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH schädlichen Produkten verharren, durch ganz verschiedene Unter- stattdessen neue Wege aufzeigen, nehmen geprägt ist, unterschied- Lösungen für Probleme schaffen, liche Menschen aus vielen Natio- die Zukunft selbst gestalten, dann nen vereint, was uns Glück und werden wir auch anders betrachtet. Wohlstand bringt. Nicht Abgren- M: Chemie schafft Verbindungen zen und Abkapseln ist das Gebot – nicht zuletzt auch hier im Che- der Stunde, sondern sich öffnen miepark. Wie weit können diese und gemeinsam die Zukunft selbst Verbindungen zukünftig reichen? in die Hand zu nehmen. Das kann Auch über die Region hinaus? man am Ende auch auf die Region PH: Das wird die Zeit zeigen, ob übertragen. dies gelingt. Der Chemiepark ist M: Zum Schluss noch einmal zu- ein Sammelsurium: Große und rück in den Chemie-Unterricht. kleine Unternehmen, ganz ver- Wie lautet Ihre Botschaft an die schiedene Branchen, nicht nur aus heutigen Siebent- oder Achtkläss- der Chemie, internationale Unter- ler, die sich vielleicht gerade durch AUSGABE 03 | 21 nehmen. Wir sind ein kleines Ab- Formeln quälen? bild der globalen Welt. Gleichzei- tig aber sind wir sehr eng mit der Region verwurzelt, ein untrenn-
—Das Event-Duo— 10 Bilder: Splitter / Michael Gueffroy Das Event-Duo Am ersten Oktober-Wochenende steigen in der Region parallel zwei sportliche Großevents.Was auch eine Bitterfelder Familie vor besondere Herausforderungen stellt. A An den Abend Anfang Juni dieses Marathon und das Greppiner ein ständiger Begleiter.“ Jahres erinnert sich Lars Schindler Reit-Derby es ausgerechnet im Doch diese Unsicherheit ist zum noch genau. Gut gelaunt nahm er Jahr 2021 erneut geschafft haben, Glück längst dem Stress der Vor- auf der heimischen Couch Platz. wieder parallel stattzufinden, das bereitungen gewichen – die jeder Er wartete, bis seine Frau sich zu hat selbst das Ehepaar Schindler/ der beiden für „seine“ Veranstal- ihm gesellte und hatte ihr etwas zu Warczog überrascht. War aber am tung durchführt. Während Lars verkünden. „Wir haben nun end- Ende auch irgendwie Zufall. „Wir Schindler seit 2016 als Vorsitzen- lich einen Termin“, sagte Schind- sind ja erst einmal froh, dass bei- der des „Dachverband Goitzsche ler, „wir werden den Marathon de Events überhaupt ausgetragen Sport und Kultur e.V.“ agiert, am ersten Oktober-Wochenen- werden können“, erzählt Schind- unter dessen Verantwortung die de durchführen.“ Sabine Ausrichtung des Go- Für alle diese Menschen ist es der grösste Warczog schluckte kurz itzsche-Marathons am Lohn, dass der Event auch stattfindet. und lächelte dann: „Das Lars Schindler 3.10.2021 steht, ist ist auch unser Datum. Wir Warczog seit langer haben es heute festgelegt.“ ler, „in den vergangenen Mona- Zeit stellvertretende Vorsitzende Es wird nicht das erste Mal ten musste man sich ja von Co- beim Reitverein Greppin, der das sein, dass zwei der bekanntesten rona-Verordnung zu Verordnung „Derby“ vom 1. bis 3.10.2021 auf und traditionsreichsten Sportver- hangeln.“ Oft sei es frustrierend die Beine stellt. Während die bei- anstaltungen der Region am glei- gewesen, das Problem, keine Ent- den beruflich also in ihrem Bitter- chen Wochenende durchgeführt scheidung treffen zu können, habe felder Ingenieurbüro gemeinsam werden. Doch dass der Goitzsche- genervt. „Die Unsicherheit war agieren, sind beim Sport die In- pexels.com/
11 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN teressen unter- rathons ist für 9 Uhr geplant, der schiedlich ver- letzte Läufer des Tages sollte bis teilt. Auch und etwa 16 Uhr im Ziel sein. Dem speziell in der engeren Organisationsteam ge- letzten Woche hören 10 - 12 Personen an, am vor dem Event. Tag selbst werden daraus 25, ins- wünscht, was das Greppiner Der- „Wir verab- gesamt sind 100 Helfer im Einsatz. by bereits geschafft hat: Ein Event schieden uns meistens ein paar „Für alle diese Menschen ist es der für das gesamte Wochenende zu Tage vor den Veranstaltungen von- größte Lohn, dass der Event auch werden. „Wir würden gern den einander“, erzählt Warczog lä- stattfindet“, sagt Schindler, „man Samstag kulturell beleben und da- chelnd, „da sehen wir uns dann möchte ja einfach, dass all die Vor- für Partner finden.“ Sabine Warc- eine Weile wirklich nur ganz früh bereitungsarbeit einen Sinn hat.“ zog würde gern kommendes Jahr und spät abends.“ Teil- zurück zur ursprüngli- weise ging es sogar so W ir würden gern den S amstag kulturell bele - chen Art der Veranstal- weit, dass Lars Schind- ben und dafür Partner finden. tung mit Abend-Event. Sabine Warczog ler in seiner weiteren Auch weil der Verein im Funktion als Vorsitzender des Normalität als große Freude: Das Kampf um die Komplettsanierung Goitzsche-Ruderclubs Bitterfeld haben die vergangenen eineinhalb des Dressur-Vierecks und Erhal- am Veranstaltungswochenende pa- Jahre mit sich gebracht. tung der bestehenden Anlage drin- rallel noch an einer Regatta teil- Sabine Warczog empfindet das gend auf diese Einnahmen ange- nahm oder dafür den Transport ähnlich. Das Greppiner Derby wiesen ist. organisierte. Das aber ist diesmal stellte ja nicht nur einen Wettkampf zum Glück nicht der Fall, so dass dar, sondern bedeutet immer auch: sein Fokus diesmal ganz auf dem Vereinshöhepunkt, Familientreffen Lauf liegen kann. der Szene und ein wichtiger Bau- Knapp 600 Starter werden am stein der Finanzierung des Ver- 3. Oktober erwartet, deutlich we- eins. „Wir brauchen die Veranstal- niger als bei früheren Ausgaben. tung – aus ganz verschiedenen As- „Wir hätten mehr Läufer aufneh- pekten.“ Auch in Greppin wird es men können, aber mehr geht ak- diesmal nicht ganz so groß wie üb- tuell leider nicht. Und wir woll- lich ablaufen. Immerhin aber sind ten auch nicht das Risiko einge- von Freitag bis Sonntag in Dressur hen, Leuten zu- und dann wieder und Springreiten insgesamt etwa Lars Schindler übt bereits fleißig für den Goitzsche Marathon absagen zu müssen“, sagt Schind- 700 Starts geplant. Gut 300 Rei- Auf zwei Dinge legt das Duo ler. Einen Bambini-Lauf wird es ter haben zugesagt. Zwanzig ver- Schindler/Warczog aber noch ganz in diesem Jahr nicht geben, dafür schiedene Prüfungen stehen auf besonders Wert. „Wir sind un- einen Lauf über 2,1 km für jün- dem Programm. Maximal 1.000 heimlich glücklich, dass uns die gere Schüler. Der Start des Ma- Zuschauer können unter der 3G- Sponsoren weiter unterstützen.“ Regel zuschauen. Abstriche gibt Auch der Chemiepark zählt zu es zudem im Umfeld – eine gro- den Partnern beider Events. „Und ße Abendveranstaltung ist nicht am Ende sind es nicht wir zwei al- möglich. „Aber die Vorfreude ist lein, welche die Events vorbereiten trotzdem riesig“, sagt Warczog. und durchführen, sondern sie wer- Auf eines aber muss das Event- den von all den Vereinsmitgliedern Ehepaar wie gewohnt verzichten: und ganzen Familien gelebt.“ Lars Beim jeweils anderen Highlight Schindler und Sabine Warczog AUSGABE 03 | 21 vorbeizuschauen. „Am Sonn- sind ohne Zweifel eine davon. tag ist jeder bei seinem Event ge- fragt“, sagt Schindler, der sich für den Goitzsche-Marathon Sabine Warczog bei der Pflege der Pferde
—Ein Funke für die Region— 12 Ein Funke für die Region Bilder: Adobe Stock / Alexander Raths Die Stadt Bitterfeld-Wolfen hofft auf den Zuschlag für die Ausrichtung der Landesgartenschau 2027. Das Gelände des Chemieparks könnte dabei eine Schlüsselrolle einnehmen. W Wie sie beschaffen sein muss, die perfekte Pflanze in der wilden Na- tur? Steffen Geisthardt überlegt eine Weile. „Sie kommt gut ohne unser Zutun klar, ist angepasst Landesgartenschau kann genau so ein Funke für die Region sein.“ Im Herbst dieses Jahres will die zuständige Kommission der Lan- desregierung Sachsen-Anhalts ent- „Wir waren hocherfreut, dass sich die Stadt Bitterfeld-Wolfen für die Landesgartenschau 2027 bewerben will“, sagt Chemiepark- Geschäftsführer Patrice Heine, an das sich wandelnde Klima, scheiden, wer 2027 nach Zeitz, „uns war schnell klar, dass man bietet pollen- und nektarreiche Wernigerode, Aschersleben, Burg dafür ein besonderes Konzept mit Blüten für Insekten, hält für die und Bad Dürrenberg die sechs- einem Alleinstellungsmerkmal Tiere später Früchte bereit und te Stadt des Bundeslandes ist, benötigt, da man sich ja hier im trägt noch zur Ästhetik bei.“ Der die Gastgeber für die Gar- Wettbewerb befindet.“ Immer- Biologe hofft, eines dieser idea- tenbauausstellung sein wird. hin steht auch Wittenberg im len Exemplare unter den verschie- Bitterfeld-Wolfen hat sich mit dem Bewerbungsring. Die Luther- denen Arten, auf den von ihm Motto „Zusammenwachsen und stadt kann mit dem erfolgreichen verantworteten Freiflächen des zusammen wachsen“ beworben Reformationsjubiläum 2017 und Chemieparks zu finden. und möchte mit der Bewerbung traditionell guten Verbindungen Seit vier Jahren ist Geisthardt neben Aspekten wie Standort- nach Magdeburg punkten. „Aber als Betriebsgärtner im Chemie- entwicklung, Marketing, Touris- wir müssen uns mit unserem park beschäftigt. Als er zum ersten mus und Image genau Konzept nicht verstecken“, sagt Mal von der Idee hörte, die Stadt 20 Jahren nach der Fusion zur Patrice Heine, „der Chemie- Bitterfeld-Wolfen würde sich gemeinsamen Stadt auch ein park als verbindendes Element für die Ausrichtung der Landes- Zeichen für das weitere Zusam- zwischen den ehemals selbststän- gartenschau 2027 (Laga) bewer- menwachsen der ehemals selbst- digen Orten Bitterfeld, Greppin, ben, war er begeistert. „Nach- ständigen Ortsteile setzen. Eine Thalheim und Wolfen, das hat haltige Veränderungen beginnen Idee, die auch im Chemiepark gut Potenzial und gibt der Bewerbung immer mit einem Funken, einem ankam. eine besondere Note.“ Anstoß, einem Anreiz. Und die pexels.com/
13 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN Doch wie passen ein Indust- erklärt der Bitterfelder, „aber es nahmen bereits langfristig als riestandort und eine Landesgar- ist für die Natur und deren Ent- sogenannte Grünflächen der tenschau zusammen? „Ziemlich wicklung einfach besser, ihr Zeit natürlichen Entwicklung überlas- gut“, sagt Patrice Heine, „Chemie und Raum zur eigenen Entfaltung sen. Hier herrscht positives Chaos. ist Leben beziehunsgweise ohne zu geben.“ Ästhetik in der Natur „Hier darf die Natur machen, Chemie kein Leben, mensch- werde momentan neu definiert. was sie möchte“, sagt Geisthardt, liches Leben – Wohnen, Arbei- Für manche bedeute das ja zwei „mit maximalem Nutzen für die ten und Freizeit – sowie Natur Zentimeter hohen Rasen, für Pflanzen und Tiere.“ Und dann können auch auf sehr kleinem andere hingegen eine Wild- gibt es noch die Ecken und Raum, in unmittelbarer Nähe zu- blumenwiese mit Zirpen, Summen, kleinen Splittergebiete: Zu klein einander, gut funktionieren, das Schmetterlingen und Spinnen- für eine Ansiedlung, werden sie sehen wir rund um die Goitzsche netzen, welche eine ganze Vege- zukünftig durch uns in Koope- aber auch hier im Chemiepark tationssaison über immer etwas ration mit der Hochschule An- jeden Tag.“ Und das im Übri- Blühendes zeigt. „Eine Fläche halt naturschutzfachlich bewertet gen nicht erst seit der Bewer- gewinnt zunächst nicht durch ihr und im Sinne des Artenschutzes bung für die Laga. „Man hat hier geordnetes Aussehen, sondern weiterentwickelt. Kein Wunder bereits vor über einem Jahrzehnt durch ihre Beschaffenheit und den also, dass sich die Natur- und begonnen, das Zusammenspiel Nutzen für Pflanzen und Tiere.“ Pflanzenwelt im Chemiepark im Raum neu zu denken“, heimisch fühlt: Gesichtet wurden sagt auch Steffen Geisthardt, Eine Fläche gewinnt zunächst bereits Wildschweine, Rehe, die „es steckt viel mehr Natur im nicht durch ihr geordnetes Bauten von Dachsen, Bibern Chemiepark, als man denkt.“ Aussehen, sondern durch ihre und Füchsen, wilde Kaninchen, Verfolgt werden dabei paral- Beschaffenheit und den Nutzen sogar Raubvögel in der Luft. lel drei Ansätze. „Zum einen für Pflanzen und Tiere. „Wir verfügen hier mittler- Steffen Geisthardt, Biologe und Betriebsgärtner im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen versuchen wir bestehende Frei- weile über besondere Trocken- flächen und Grünanlagen neu Das gelte auch für die unbebau- rasen-Biotope – und das mitten im zu ordnen“, so Geisthardt. Im ten Flächen im Chemiepark – et- urbanen Raum“, sagt Patrice Dialog mit den Unternehmen was mehr als zehn Prozent der Heine. vor Ort werde der Fokus weg 1.200 Hektar Gesamtfläche stehen Genau diese Besonderheit von der reinen Ästhetik der Ord- noch für neue Ansiedlungen von könnte nun ein Trumpf für die nung – weg vom Golfrasen – mehr Industrieunternehmen zur Verfü- Laga-Bewerbung sein. „Der hin zur Natürlichkeit gelegt. „In gung. Knapp vier Prozent der Ge- Chemiepark soll nicht nur einem ersten Impuls möchte es samtfläche sind laut gültiger Be- verbinden, sondern auch Raum natürlich jeder vor der Tür erst bauungspläne oder im Rahmen von werden für Ausstellungen und einmal schick und gepflegt haben“, Ausgleichs- und Ersatzmaß- Erlebnisse. Wir wollen uns den Menschen zeigen und damit be- weisen, wie Unternehmen, die Natur und die Region verbun- den sind.“ Auch der histori- sche Kontext ist dabei spannend. „In der Vergangenheit wurde mit der Umwelt und Natur der Re- gion nicht gerade gut umgegan- gen“, sagt Steffen Geisthardt, „der Natur wurde durch den Tage- bau und der Industrie viel ge- AUSGABE 03 | 21 nommen. Dass wir jetzt etwas an sie zurückgeben, damit sie sich wieder regenerieren kann, → Bild: Die Nistkästen könnten ein Schlüsselelement für ein neues Erleb- nis in der LAGA sein // Foto: Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH
—Ein Funke für die Region— 14 → ist ein großes Zeichen, das Oasen für die Tiere, verteilt durch eine Landesgartenschau zwischen Goitzschesee und noch viel besser wahrgenommen Wolfen-Nord.“ werden würde.“ Ob die Laga am Ende wirk- Auch Geisthardt weiß: Die Aus- lich nach Bitterfeld-Wolfen richtung 2027 wäre eine große kommt, wird anderswo ent- Herausforderung. „Aber die Aus- schieden. Steffen Geisthardt aber sicht, mit solch einer Veranstal- hofft darauf – ebenso zahlreiche tung viele Flächen, ja sogar eine Unternehmen der Region, die sich gesamte Region nachhaltig zu ver- zur Bewerbung bekannt haben, ändern und zu prägen, ist jeden und viele Bewohner. Der lange Vor- Aufwand wert.“ Die Laga wäre lauf würde die Gelegenheit bieten, ein roter Faden vom Jetzt in das genau die Zeit zu haben, die Morgen. Kein Zirkus, der nach man auch benötigt. „Die der Vorstellung alles wieder ab- Natur zu gestalten und sie baut und mitnimmt. Sondern, sich entwickeln lassen, sind es würde etwas geschaffen, das Prozesse, die nicht von heute auf bleibt und die Region dauerhaft morgen gehen“, sagt der Experte, noch attraktiver macht. „da muss man in längeren „Das, was bleibt, Spannen denken.“ Am Ende wird dann auch dieser Entwicklung könnte der genutzt, dazu zählen Chemiepark dann seinen beiden einige neue Higlights und ein Namensteilen gleichermaßen für paar wiederhergestellte Attrak- sich alleingestellt gerecht werden: tionen. Das sind dann zum Bei- „Chemie“ und „Park“ zu sein. spiel mehrere neue kleine grüne Was für eine schöne Vorstellung. Bild: Adobe Stock / Joost pexels.com/
15 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN Foto Bitterfeld Zörbiger Überbau - Brauerei „Ich war mein Leben lang neugierig“ Es ist noch nicht lange her, da schaute Klaus Staeck in seiner alten Heimat vorbei. Den langjährigen Präsidenten der Akademie der Künste verbindet viel mit Bitterfeld.Was genau, hat Lena Mikolajczak herausgefunden. V Vor meinem Interview mit Herrn Staeck recherchierte ich über sein Leben. Wo kommt er her? Wo studierte und wirkte er? Was macht ihn aus?.. brachte Staeck seine ganze Jugend bis 1956, besuchte die Oberschu- le und nahm seine Umgebung sehr genau wahr. „Die Kraft, die ich später im Le- Seine Oma schrieb einst: „Dort wo der Dreck vom Himmel fällt, da ist Bitterfeld“. Mit 10 Jahren bekam Staeck seine erste Lungen- entzündung durch Umweltschä- Wie kann es sein, dass man ben brauchte, habe ich aus Bitter- den der Industriestadt. Staeck er- Designer, Karikaturist und Ju- feld bekommen, weil damals zu- zählte mir, dass seine Mutter kei- rist ist? Vor allem aber interessier- mindest alles sehr hart war durch ne Wäsche draußen aufhängen te es mich, was Bitterfeld-Wolfen die Umweltverschmutzung“, sagte konnte und Fenster hochgescho- damit zu tun hat und was seine er mir. Für Klaus Staeck ist ben wurden, wenn Züge durch Motivation im Leben ist. Bitterfeld nicht nur Heimat Bitterfeld fuhren, aufgrund der geblieben, sondern auch der am Luftverschmutzung. Aus diesem Ausruhen kann ich mich häufigsten besuchte Ort der e Grund nahm Staeck Bitterfeld als hemaligen DDR. Im Verlauf einen Ort mit wenig Idylle wahr - im Grabe... aber nicht unseres Interviews bemerkte ich, eher als eine Arbeitsstadt, in der es jetzt! dass es eine Verbindung zwischen die berühmte Mittelschicht kaum den in seinen Plakaten aufgegriffe- gab, sondern Arbeiter, die teilwei- AUSGABE 03 | 21 Klaus Staeck ist im Jahr 1938 bei nen Umweltproblemen und seiner se von den Dörfern kamen, Leh- Dresden geboren und in Bitter- Kindheit in Bitterfeld gibt. rer und Menschen mit sogenann- feld zusammen mit seinem Bruder ter technischer Intelligenz. → aufgewachsen. In Bitterfeld ver-
—Ich war mein Leben lang neugierig— 16 Baumpflanzaktion Park Binnengartenwiese 13.3.1990, Bild: Burkhard Maus Auflehnung in dieser Art nicht vorgesehen war und er durch unerwartete Verhaltensweisen »Wenn ich mehr erreichen könne. Doch woher kommt dieser Drang nach Individualität und irgendwo Freiheit? „Ich hatte eine engagierte, Ungerechtigkeit risikobereite und alleinerziehende Mutter, der es darauf ankam, uns wittere, will durchzubringen“, erzählte Sta- eck stolz. Seiner Mutter war es nicht nur wichtig, ihre Kundschaft ich etwas in ihrem Kunstgewerbegeschäft in der Walter-Rathenau-Straße dagegen tun.« zufrieden zu stellen, sondern sie war auch bemüht um jeden Menschen. In unserem Gespräch stellte sich heraus, dass bereits der junge Staeck handelte, wenn er Ungerechtigkeit wahrnahm. „Die unverschuldet Schwachen gegen den Übermut der Starken zu verteidigen, darum geht es mir nach wie vor. Wenn ich irgendwo Ungerechtigkeit wittere, will ich etwas dagegen tun.“ Besonders interessant fand ich, dass Klaus Staeck mehrere Visionen für seine Zukunft hatte und ihm trotz all dem nahezu alle → „Bitterfeld war immer eine Durch diese Neugier war verwehrt wurden - aufgrund seiner andere, eine harte Stadt von den Staeck bereits in der Oberschule politischen Beurteilung des FDJ- Lebensverhältnissen her. Die politisch aufmüpfig. Jedoch lernte Sekretärs aus Bitterfeld. Jedoch Leute kamen, um Geld zu verdie- er, die Geschehnisse um ihn ließ sich Klaus Staeck davon nen. Es war eine kleine Stadt, in der herum ironisch und knallhart aus- nicht unterkriegen, ging zu jeder es den kleinbürgerlichen Schmus zudrücken, um dadurch mit Mut Aufnahmeprüfung und erzählte nicht gab, hier ging es zur Sache.“ und Verstand zu handeln. Dies alles, was man nicht hätte sagen Um dieser tristen Umgebung zu zeigte sich als sein Schulleiter einst dürfen. „Ich war also wirklich frei entfliehen und in eine Schein- sagte: „Mit solchen Kanaillen wie zu reden, obwohl alle zur Lüge trai- welt einzutauchen, besuchte Klaus dem Staeck werden wir nie eine niert wurden“, verriet er mir. Als Staeck regelmäßig ein Kino in Volksarmee aufbauen können“ ihm nach mehreren Versuchen eine Bitterfeld. Zudem war Klaus - und Staeck daraufhin kurz vor Maurerlehre angeboten wurde, Staeck Mitglied im Briefmarken- seinem Abitur erwiderte: „Wenn floh er in den Westen, nach sammlerverein. „Ich wollte wissen, diese Meinung hier vorherrscht, Heidelberg. „Man stieg ein und wo diese Orte sind, weil ich mein möchte ich an eine andere Schule kam nicht wieder“. Leben lang neugierig war. Ich frag- versetzt werden“. Kurze Zeit te mich oft, wie es mit uns weiter- später wurde Staeck für gute Arbeit geht“, berichtete Staeck. an der Wandzeitung belobigt. Er zog für sich den Schluss , dass
17 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN List steht, neben dem Bestücken Grafiker und von drei Archiven, dass er selbst Rechtsanwalt, aber den Alltag nie vergisst und seine Werke weiterleben. vor allem Realist In Heidelberg begann Staeck, Worte an nach seinem wiederholten Abitur, Bitterfeld-Wolfen sein Jurastudium, welches er als Verlegenheitsstudium bezeichnet, Heute nimmt Staeck Bitterfeld- da ihm bewusst war, dass man von Wolfen als eine „ganz normale der Kunst schlecht leben kann. Stadt“ wahr. Sein Lieblingsort ist Und dennoch empfand Staeck Klaus Staeck Bild: Manfred Mayer die „Grüne Lunge“, weshalb er es als seine Aufgabe Gegenstän- dort mehr als 30 Bäume pflanzen de zu schaffen, die bleiben, etwas „Wenn sich nichts ändert, endet ließ. zu machen, woran man sich erin- es katastrophal. Das wissen in- Ich verstand, dass Klaus Sta- nert, wie er mir sagte. Bereits der zwischen immer mehr Menschen eck sich wünscht, dass das Enga- junge Staeck strebte nach größe- und handeln auch danach.“ gement der Bürgerinnen und Bür- rer Öffentlichkeit als dies vielleicht Fridays for Future ist für Sta- ger Bitterfeld-Wolfens nicht verlo- für einen Ölbildmaler erreichbar eck eine Bewegung gerichtet an ren gehen soll. Bitterfeld-Wolfen ist. „Ich wollte meine politischen andere - aber auch an die Jugend ist durch die Erbschaft der alten Ideen so weit wie möglich streu- selber, denn „Smartphones lau- Industriestadt eine starke Region en.“ Weiterhin erklärte er mir, dass fen auch nicht mit Buttermilch“! mit viel Kraft, die Dinge zu man nicht nur diese Einstellung, Und was folgt aus all dem? ändern. Dennoch appelliert Klaus sondern auch Kreativität erlernen Momentan nimmt Staeck es wahr, Staeck auch an Sie: „Stellen Sie könne, da dies Dinge seien, die als würden wir an einer ganz ge- Frieden mit der Natur her!“ sich einstellen. Diese Worte wirk- fährlichen Bruchkante leben, ten für mich nicht größenwahn- an der wir uns alle die Frage Für mehr Informationen sowie sinnig, sondern gaben mir den stellen: Wohin geht diese Welt? Plakate besuchen Sie gern: Eindruck, dass Klaus Staeck ein Laut Staeck wird der CO2- https://klaus-staeck.de Realist ist, welcher zu seiner Zeit Ausstoß nicht entscheidend wirken möchte. Diese Haltung half verringert und Kurzflüge ihm sicherlich, als er von 2006 bis verharmlost und Amazon als 2015 Präsident der Akademie der “Gangster der Neuzeit“ nicht Künste in Berlin war. erkannt. „Wir maßen künftigen Und doch findet sich Staeck Genrationen viel zu viel zu und auch in der Rolle des Juristen wie- entscheiden viel über Jugend- der, sodass er bereits 41 juristi- liche“, bemängelte Staeck. Doch sche Verfahren um seine Plakate Klaus Staeck will nicht taten- gewann. los zusehen, er möchte genau da- rauf aufmerksam machen, die Verzichten will Menschen mit Problemen auf seine eigene Art und Weise kon- Lena Mikolajczak trifft seit keiner... frontieren und kämpfen solange der Sommerausgabe 2021 „In zehn Jahren soll die Welt seine Kraft reicht. des Molekül unterschiedliche friedlich und ohne Krieg sein“, Ihm ist bewusst, dass er mit Persönlichkeiten der Region. wünscht sich Klaus Staeck. seinen Plakaten nicht die Welt Über den prägenden Charakter AUSGABE 03 | 21 Zusammenleben, Chancengleich- verändern kann, dennoch kann und die spannenden Geschich- heit und Gleichberechtigung er mit seinen Bildern die Men- ten, die hinter diesen stecken, sollen neben Frieden mit der schen erreichen - und im besten berichtet sie in jeder Ausgabe Natur an oberster Stelle stehen. Fall aufwecken. Auf seiner Bucket- des Molekül.
—Das freut nicht nur den Biber— 18 Das freut nicht nur den Biber Bild: Pexels.com / Henry & Co. Im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen gibt es eine getrennte Kanalisation – zum Wohle der Natur D Die Abwasserentsorgung am traditionsreichen Chemiestand- ort in Bitterfeld-Wolfen wird in enger Zusammenarbeit der CPG mit dem Gemeinschaftsklärwerk schweren und zudem aufgrund der Menge das Klärwerk schnell über- lasten. So hat es sich bewährt, Nie- derschlagswasser in einem Trenn- system unter stetiger Überwa- schlagswasser, gereinigte Abwäs- ser oder sauberes Grundwasser in das Reinwassernetz der CPG einleiten, ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. GKW gewährleistet. Damit das chung und stetiger Abstimmung Damit die Überwachung und auch weiterhin so bleibt, ist die mit den Umweltämtern dem Ge- die Weiterleitung des Abwassers CPG auf eine gute und lösungs- wässer zu übergeben. mit bestimmten Verantwortlichkei- orientierte Kommunikation mit Die doppelte Kanalisation in ten gesichert werden, gibt es eini- allen Indirekteinleitern und An- Schmutzwasser und Reinwasser ge gesetzliche Festlegungen für die siedlern angewiesen. Viele Beispie- wird „Trennsystem“ genannt, im entsprechenden Betreiber. Die- le hier am Standort haben gezeigt, Gegensatz zum „Mischsystem“, in se gilt es zu kennen und umzuset- wie gut das funktioniert. Kleinere dem verschmutztes und nicht ver- zen. Die Rahmengesetzte bilden Störungen konnten rechtzeitig ein- schmutztes Abwasser zusammen- hier die EU-Wasserrahmenricht- gegrenzt werden und eine größere geführt werden. Leider sind einige linie und das Wasserhaushaltsge- Auswirkung verhindert werden. Straßen oder auch manche Park- setz der BRD und des LSA. Ers- Wie auch bei der Abfalltren- oder Lagerfläche so stark durch teres bedurfte an vielen Stellen nung gilt gleichfalls beim Ab- Abfälle und Verkehrsstaub ver- aufgrund der hohen Belastung wasser eine frühzeitige Trennung schmutzt, dass dann das Regen- vieler Gewässer einer Verschär- nach Behandlungsgesichtspunk- wasser abschnittsweise umgeleitet fung im Sinne einer Anpassung ten als Grundlage einer sauberen und dennoch in die Kläranlage zur an die „Best-Verfügbare-Technik“ und effektiven Entsorgung. So ist Behandlung geleitet werden muss. (BVT-Schlussfolgerung). es Stand der Technik, im Chemie- Darüber freut sich nicht nur der Dabei wurden folgende nach- park das verschmutze Industrie- Biber im Schachtgaben, sondern gestellten Verordnungen des LSA abwasser und das belastete geho- auch das fragile und recht jun- angepasst und sind teilweise schon bene Grundwasser von sauberem ge Ökosystem zwischen Mulde – in Kraft getreten: Der Gesetzge- Niederschlagswasser zu trennen. Schachtgraben – Lober und Spit- ber sieht vor, den lange bewähr- Würde das Niederschlagswasser telwasser im Abstrom von Bitter- ten Überwachungsparameter CSB und das Schmutzwasser als Misch- feld-Wolfen. Dieses Gewässernetz aufgrund der langwierigen und wasser zum Klärwerk geleitet wer- als Grundlage des Ökosystems Sa- umweltschädlichen Bestimmung den, würden Verdünnungseffek- legaster Forst gilt es zu schützen, durch den schneller und schonen- te die Behandlung wesentlich er- indem alle Betreiber, die Nieder- der bestimmbaren TOC zu erset- pexels.com/
19 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN Wie sieht so ein Trennsystem in etwa aus? gehobenes Grundwasser zum Gebäudeschutz behandlungsbedürftige Abwässer: ∙Industrieabwasser ∙Sanitärabwasser Gemeinschaftsklärwerk Abwassernetz der CPG ∙Kontaminiertes Grundwasser Bitterfeld-Wolfen ∙ 40 km Rohrnetzlänge ∙ Automatische Probenahmegeräte zur Einleiterüberwachung Schmutz- abwasser Indirekteinleiter Übergabepunkte 360 Unternehmen ∙ 77 km Rohrnetzlänge Rein- ∙ Online Analysatoren an neuralgischen abwasser Punkten ∙ Prozessleitsystem zur kontinuierlichen Schachtgraben Überwachung 24 h / 7 Tage die Woche ∙ Rückhaltung in 13 Becken und nicht behandlungsbedürftige Abwässer: Abschiebemöglichkeiten ggf. auf ∙sauberes Nierderschlagswasser Schmutzwasser Spittelwasser ∙Kühlwasser ∙Kondensat ∙sauberes Grundwasser Salegaster Forst Mulde gehobenes Grundwasser Anstrom: CPG Sicherung zen. In einer Übergangsphase ist es mög- wassernetz gegenüber der unteren Wasser- lich, einen Umrechnungsfaktor anzusetzen, behörde regelt. der in der Regel zwischen eins und vier liegt. Des Weiteren ist seitens des BMU ge- Hier empfiehlt es sich, im Vorfeld aussage- plant, durch Verschärfung der Abwasserab- kräftige Messreihen für den Abwasserstrom gabe (AbwAG) neue finanzielle Stellschrau- aufzustellen. Diese Änderung als auch die ben durch eine Spurenstoffabgabe, Wegfall Umstellung von Nges auf TNb wurde als von Rabatten bei Erfüllen des Standes der erstes in der Abwasserverordnung (AbwV) Technik, Einführung einer Messlösung (Er- verankert. Diese gilt für alle Einleiter und satz für Bescheidlösung) und eine Gebühr Indirekteinleiter unmittelbar und ist gleich- für die Einleitung von Niederschlagswasser falls Grundlage für die behördliche Festle- einzuführen. Die tatsächliche Umsetzung gung der Überwachungsparameter. bleibt hier noch abzuwarten. Durch die Co- Damit wären wir auch schon bei der rona-Krise wurden die Entwürfe erst ein- Eigenüberwachungsverordnung (EigÜ- mal auf Eis gelegt. VO), welche die betrieblichen Aufgaben zur Im Großen und Ganzen ist der Chemie- Überwachung von Abwasseranlagen (Ka- park mit seinen Mitarbeitern des Netz- näle, Rückhaltebecken, Behandlungsanla- betriebes und der Abteilung Umwelt gut gen, Kleinkläranlagen) festlegt. Diese wird aufgestellt, um eine sichere Abwasserent- voraussichtlich im Laufe des Jahres 2022 in sorgung zwischen innovativen und umwelt- die neue Selbstüberwachungsverordnung bewussten Unternehmen am Standort als (SÜVO LSA) übergehen. Eine wesentliche auch den umweltrechtlichen Vorgaben in Veränderung ist neben der Umstellung auf Zukunft optimal fortzuführen. Gleichwohl TOC und TNb die Pflicht zur Meldung der bemerken wir einen deutlich höheren büro- Eigenüberwachungsergebnisse, Energie- kratischen Aufwand auf vielen Ebenen des verbrauch, Betriebsstörungen und die Er- Umweltrechts und der Betriebsführung. gänzung des Betriebstagebuches um einige Hier möchten wir die Unternehmen ermun- Daten wie etwa Messverfahren, Beauftragte tern, in den Austausch zu gehen und gern und vierteljährliche Gegenzeichnung. die Unterstützung bei Fragen zum Umwelt- AUSGABE 03 | 21 Weiterhin bestehen bleibt die Indirektein- recht und der Lösung bürokratischer Hür- leiterverordnung, welche die Pflichten zur den durch die CPG in Anspruch zu neh- Anzeige von Abwasseranlagen und Ände- men. rungen von Einleitungen Dritter in ein Ab-
—Endlich wieder Messe— 20 Endlich wieder Messe Impressionen der Standortmesse CHEMIEPARK-FORUM am 22.09.2021 Zur vierten Ausgabe der Standortmesse CHEMIEPARK-FORUM reisten wieder zahl- reiche Aussteller aus ganz Deutschland und darüber hinaus an. Die in diesem Jahr auf 70 Standplätze begrenzte Ausstellungsflä- che war schnell ausgebucht. Dienstleis- ter aus den verschiedensten Branchen stellten ihr Leistungsspektrum in den Bereichen Mess- und Regeltechnik, Ener- gie- und Elektrotechnik oder Maschinen-, Anlagen- und Rohrleitungsbau zur Schau. Alle drei Etagen des Bitterfelder Metall- Labors „Dr. Adolf Beck“ war mit Leben erfüllt und das Haus stellte einmal mehr seine Multifunktionalität unter Beweis. Bilder: Splitter / Mareike Schätz
21 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN Da auch diese Veranstaltung nur unter Auflagen stattfinden konnte, wurden im Eingangsbereich alle Gäste registriert und über die Einhaltung der 3G- Regelung informiert. Gia sequiatiur, to dem. Nam Leider konnte die Messe den Erwartungen nicht gerecht werden, so standen den zahlreichen moti- vierten Mitarbeitern der Ausstellerfirmen nur we- nige Gäste gegenüber. Das Resümee der Teilnehmer fiel daher sehr unterschiedlich aus. Während einige Unterneh- men sehr zufrieden mit der Zahl und Güte der Geschäftsanbahnungen waren, brachten andere ihre Enttäuschung zum Ausdruck. Zusammenfassend überwog jedoch die Freude über die Möglichkeit, sich wieder präsentieren und ins direkte Gespräch begeben zu können. Eine Messe unter Pandemiebedingun- gen? Gar kein Problem! Ausgabe 03 | 21
—Bodo, 149 Tiere und 300 Fische— 22 Bilder: Splitter / Michael Gueffroy Bodo, 149 Tiere und 300 Fische Das Bitterfelder Tiergehege ist ein Kleinod mitten in der Re- gion. Kommendes Jahr könnte es sogar zu einem Tierpark werden. W Warum er das alles tut, daraus macht Thomas Ehrlich kein Ge- heimnis. „Ich hatte als Kind einen Traum“, gibt der 60-Jähri- ge zu, „ich wollte Zoodirektor wer- übernahm der Verein PePe-ac- tiv, der durch den Bitterfelder Ge- schäftsführer eines Bildungsträ- gers und weiteren engagierten Personen der Region gegründet möglich. Ehrlichs Unternehmen hilft dabei Menschen bei der sinn- vollen Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt.“ Der Bauernhof war solch ein gutes Sprungbrett – den.“ Und auch wenn es fast ein wurde, das Gehege und rettete es und wurde irgendwann zu klein. halbes Jahrhundert gedauert hat damals vor der fast sicheren Auf- „Da haben wir überlegt: Was ma- — aus den Augen verloren hat gabe durch die Stadt. chen wir noch?“ Ehrlich seinen Traum nie. Ganz im Schon fünf Jahre zuvor hatte er Ehrlich erinnerte sich seiner Träu- Gegenteil: Er ist ihm mittlerweile auf dem Gelände seiner „Planen me – und wusste um die Pläne der näher gekommen als je zuvor. und Bauen GmbH“, die nur einen Stadt, das Tiergehege, welches da- Das Tiergehege in der Bitterfel- Steinwurf vom Tiergehege ent- mals nur noch wenige Tiere aufzu- der Parkstraße ist ein Kleinod. fernt liegt, einen Kinderbauernhof weisen hatte, eventuell nicht wei- Eingebettet in die grüne Lunge gegründet. „Wir wollten Kindern terbetreiben zu wollen. Die An- der Stadt beherbergt es auf knapp Landwirtschaft zeigen, wie sie frü- frage bei der Verwaltung, wie man einem Hektar Fläche gut 150 Tie- her funktioniert und sich bis heute die Anlage erhalten könnte, brach- re. „Und etwa 300 Fische“, grinst entwickelt hat.“ Der Betrieb wur- te eine klare Antwort: „Sie sag- Thomas Ehrlich, ohne den es die de immer auch mit den Möglich- ten uns, dass wir es übernehmen Anlage in dieser Form wohl nicht keiten des zweiten Arbeitsmark- müssen, der Zuschuss aber nicht mehr geben würde. Im Jahr 2012 tes mit geförderten Arbeitskräften erhöht würde.“ Der Verein „Pe- pexels.com/
23 MOLEKÜL – DAS CHEMIEPARKMAGAZIN turschutzbehörde. Dort muss ein umfangreicher Antrag gestellt wer- den, der mittlerweile fertig vorbe- reitet in der Schublade liegt – die Bedingungen sind erfüllt und auch der Bitterfelder Stadtrat hat einer Erhöhung der Förderung zuge- stimmt. Leicht war das nicht, denn es existieren in Reuden und Grep- pin noch zwei weitere Tiergehe- ge. Im Jahr 2022 kommen die ge- meinsam mit dem Bitterfelder wie- Das Team um Thomas Ehrlich pakt jeden Tag mit an. der auf den Prüfstand. Ob alle drei erhalten bleiben können, ist nicht Pe-activ“ übernahm das Gehe- sitzt – und den es nach acht Stun- klar. „Daher muss man sich abhe- ge und musste in den Folgejahren den im Büro oft zum Gehege zieht. ben von den anderen beiden. Nicht lernen, es wirtschaftlich zu betrei- „Ich sitze dann hier und denke da- nur in puncto Größe oder Beliebt- ben. „Wir haben es genutzt, um rüber nach, was man Neues ma- heit, sondern auch vom Status her. 1-Euro Jobber sinnvoll zu beschäf- chen könnte.“ Und das ist einiges. Tierpark zu sein, ist da einfach ein tigen und damit nicht nur für diese „Jedes Quartal muss eigentlich ein Menschen eine neue Perspektive neues Tier ran, um die Besucher Wir wollten Kindern eröffnet, sondern auch für die Re- zu überraschen.“ Landwirtschaft zeigen, wie gion diese Anlage erhalten.“ Von denen, die schon da sind, sie früher funktioniert und Aktuell arbeiten zwei Festan- gibt es für Ehrlich ein Lieblings- sich bis heute entwickelt hat. gestellte im Gehege, einer da- tier: Bodo, den Lama-Wallach. Thomas Ehrlich, der Leiter des Tiergeheges von über eine Vollförderung. Hin- „Den habe ich ins Herz geschlos- zu kommen täglich sieben, acht sen. Bodo kommt aus Sachsen dickes Plus“, gibt Ehrlich zu. weitere Personen auf Basis von und stand da mit einem anderen Und noch einen Vorteil hätte man 1-Euro-Jobs. „Unser Projekt wur- Tier unbeachtet in einem Land- mit dem neuen veränderten Status. de im Jobcenter gelobt. Ich den- schulheim. Wir haben sie versucht Als Tierpark ist man automatisch ke wir haben uns da einen guten freizukaufen und es geschafft. Ge- Mitglied in der Deutschen Tier- Ruf erarbeitet, was am Ende auch meinsam mit drei anderen Lamas parkgesellschaft, und damit Teil dazu führt, gutes und motiviertes aus der Region bilden sie zusam- eines riesigen internen Marktplat- Personal für dieses Herzensprojekt men eine tolle Gruppe.“ zes, auf dem untereinander Tiere zu bekommen“, sagt Ehrlich, der Es gibt noch viele Tiere, die Ehr- der Parks getauscht werden kön- auch als Abgeordneter im Kreistag lich gern nach Bitterfeld holen nen. „Wenn jemand Kaninchen möchte. „Ich hätte gern einen braucht, aber Alpakas anzubieten Emu hier. Die faszinieren mich. hat, dann geht das da schnell.“ Aber es hängt viel dran.“ Was sich nicht ändern würde, ist Zuvor aber haben sich Ehrlich und der freie Eintritt. „Dass der Zu- sein Team eine noch viel größere gang öffentlich für jeden bleibt, Aufgabe gestellt, die ihre gesamte ist auch unser Wunsch. Wir haben Kraft benötigt: Aus dem Tiergehe- pro Tag mindestens 200 Besucher. ge soll 2022 offiziell ein Tierpark Wenn diese plötzlich Eintritt be- werden. Doch um diesen Status zu zahlen müssten, wäre das schwie- erreichen, sind einige bürokrati- rig. Und man braucht dann auch AUSGABE 03 | 21 sche Hürden zu nehmen. Das Sie- mehr Personal und eine Struktur gel „Tierpark“ vergibt der Land- dafür.“ Denn die Tiere brauchen kreis in Form der unteren Na- ihre Besucher. → Bild: Thomas Ehrlich, der Leiter des Tiergeheges
—Bodo, 149 Tiere und 300 Fische— 24 Bilder: Es gibt auch Miniaturversionen unterschiedlichster Sehenswürdigkeiten aus der Region, liebevoll in Hand gearbeitet → Als vergangenes Jahr aufgrund der Co- Und auch wenn das momentan noch Zu- rona-Pandemie auch das Gehege nicht ge- kunftsmusik ist: Thomas Ehrlich möch- öffnet war, traf das die Bewohner hart. „Die te noch lange ein Teil dieser Zukunft sein. Tiere waren an die Menschen gewöhnt“, „Ich muss noch ein bisschen arbeiten. Aber sagt Ehrlich, „als die nicht mehr kamen, hat als Rentner irgendwann bin ich dann viel- sie das krank gemacht.“ leicht sogar rund um die Uhr hier.“ Dann Und natürlich schielt man im erhofften zu- ist er das, was er schon immer gern sein künftigen Tierpark auch auf die Bewerbung wollte: Ein richtiger Zoodirektor. zur Ausrichtung der Landesgartenschau 2027. „Wenn die kommt, liegen wir mitten- drin im Veranstaltungsgebiet, können etwas bieten und partizipieren hoffentlich auch davon.“ Dann ließe sich so vielleicht auch das Problem mit den bisher noch fehlenden Toiletten lösen. Zusätzliche Informationen Das Tiergehege in der Bitterfelder Parkstraße ist Montags bis Freitags von 7-17 Uhr und am Wochenende von 10-18 Uhr geöffnet. Die Minigolfanlage kann an Sonntagen von 14-18 Uhr bespielt werden. pexels.com/
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