Zeit um... Zeitschrift der Föderation Vinzentinischer Frauengemeinschaften
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Nr. 1 Januar | Februar | März 2019 Zeitschrift der Föderation Vinzentinischer Frauengemeinschaften Z eit um...
Inhalt Inhalt 3 VORWORT 4 GEISTLICHES WORT Zum Titelbild FÖDERATION: 6 Gebetspatenschaft aller Gemeinschaften der Föderation 7 Impressionen aus den USA (5) 9 Bericht von der Konferenz der Vinzentinischen Obdachlosen-Allianz 13 MEDITATION: Wie eine Konferenz mit dem hl. Vinzenz von Paul heute ablaufen könnte 17 MEDITATION: Elisabeth Anna Seton – eine zweite heilige Luise? 18 BILDMEDITATION: Eine Botschaft von Bestand 22 AUS UNSERER GESCHICHTE: Zeit zum … Was uns Mutter Vinzenz Sultzer für heute mit auf den Weg gibt Die Turmuhr des Schlosses in Rappers- wil (Schweiz) zeigt gerade 11:20 Uhr. 28 FREIBURG: Eine Million Sterne für Diese Zeit, die aus vier Himmelsrich- eine gerechtere Welt tungen festzustellen ist, weckt bei 28 FULDA: Vinzenz-von-Paul-Stiftung Menschen verschiedenste Gedanken. gegründet Eines ist sicher: Es geht langsam auf den Mittag zu, auf die Zeit zum Essen HILDESHEIM: und um Pause zu machen. 30 Postkarte Jede Uhr erinnert mit ihrem Zeiger- 31 Vor 100 Jahren: Als die Schwestern stand an meine Gegenwart, die ich zum ersten Mal wählen durften gestalten kann. Alles, was einmal war, und das, was noch kommen wird, ent- 32 PADERBORN: Erfahrungsaustausch ziehen sich meines Einflusses! Das Ver- und Beten auf Malayalam gangene kann ich nicht mehr verän- 33 STRASSBURG/UNTERMARCHTAL: dern und das Zukünftige liegt noch in Exerzitienangebote Gottes Hand. Nur das Hier und Jetzt ist die Zeit, die Gott mir schenkt für mein 33 WIEN: Umbau und Renovierung des Leben und Handeln und Gestalten, Mutterhauses in Wien Gumpendorf und das von Minute zu Minute. 35 LITERATURTIPP: Gott, ihr Drei ... Text: Sr. Ursula Bittner 35 IMPRESSUM Foto: Heidi Bittner 36 DIE LETZTE SEITE: Jede Minute 2
Vorwort Liebe Leserinnen und Leser! S ie haben das erste heute des Jahres 2019 aufgeschlagen und werden merken, dass es Im nächsten Heft soll eine Zeitzeugin ausführlich über die Anfänge und Weiterent- 36 Seiten geworden sind. Ein wicklung zu Wort kommen. großes DANKE allen, die uns Kehren wir wieder zum Beiträge gesendet haben. aktuellen heute-Heft zurück. 2019 ist ein Jubiläumsjahr Die Themen sind wieder bunt Sr. M. Elisabeth für das heute. Vor 50 Jahren, gemischt. Mit dem Titelbild 1969, hat es sich aus dem werden wir an die Wichtig- „Rundbrief “ entwickelt. Es keit erinnert, ganz im Hier erschien damals zweimonat- und Jetzt zu leben und zu lich. Ich hatte die Gelegenheit, handeln. Die Bildmeditation die ersten sechs Hefte des in der Mitte des Heftes führt Jahres 1969 durchzublättern. uns die Evangelisten vor Ich war sehr erstaunt, welche Augen, die die Worte und aktuelle Themen aufgegriffen Taten Jesu Christi die Zeiten wurden. Es war beispielsweise hindurch lebendig halten. Im zu lesen von: Wandlungspro- „Geistlichen Wort“ gibt uns Wolfgang Dausch zessen in Kirche und Welt, Generaloberin Sr. Katharina Eucharistie und Einheit der Mock das wichtige Wort der vinzentinischen Föderati- Christen, Tradition auf dem Jesu „Was ihr von anderen on in Hildesheim eingerichtet Prüfstand, die Frau in der Kir- erwartet, das tut auch ihnen“ wurde. So kann die Verbun- che, Toleranz und christlicher mit auf den Weg. Das schöne denheit in der gesamten Föde- Lebensstil, Mut zur Zukunft, Gebet von Alois Albrecht ration gestärkt und gefördert der Missionsauftrag der „Dass unser Leben mehr werden. In diesem Jahr lässt Kirche, die Jugend von heute werde als…“ bringt unser uns Sr. M. Karin Weber Selige oder der moderne Mensch. aller Sehnen zum Ausdruck. und Heilige betrachten, die In den Berichten über die unseren heiligen Stiftern in 50 Jahre aktuelle Themen Obdachlosen-Konferenz in ihrer Spiritualität ähnlich Auch eine „spirituelle Fort- Rom, die „Vinzenzkonferenz sind. Mit der hl. Elisabeth bildung“ zu den einzelnen heute“, die Stiftungsgründung Anna Seton lernen wir eine Evangelisten und ihren in Fulda, das Treffen der indi- „zweite hl. Luise“ kennen. Schriften wurde angeboten. schen Schwestern bis hin zum Wir wünschen ihnen viel Außerdem wurden prakti- Umbau des Mutterhauses Freude beim Lesen. Mögen sche Themen behandelt: Wien können wir teilnehmen Sie immer wieder Zeit fin- Übung im Gespräch, eine am vinzentinischen Gesche- den für die schönen Dinge „Fremdwörterseite“, zwi- hen heute. Sehr ans Herz des Lebens. schenmenschliche Bezie- legen möchten wir Ihnen die hungen oder Spannungen Gebetspatenschaft, die auf Sr. M. Elisabeth Auberger innerhalb der Gemeinschaft. Initiative der Jahreskonferenz und Wolfgang Dausch 3
Geistliches Wort Liebe Schwestern, liebe interessierte der goldenen Regel formu- liert ist, als eine anspruchs- Leserinnen und Leser! volle Herausforderung an mich. Meine Erwartungen an vielmehr meistens bestim- andere sind ja dann auch men unsere Erwartungen an Erwartungen an mich selbst. die anderen unsere zwischen- Und ganz selbstverständlich menschlichen Beziehungen erwarte ich von den ande- und führen immer dann zu ren, dass sie barmherzig und Konflikten, wenn diese un- gerecht handeln. ausgesprochenen Erwartun- Darüber hinaus erwarte gen an die oder den anderen ich von meinen Mitmen- nicht erfüllt werden. Wie schen, dass sie geduldig, aber soll ein anderer wissen, verschwiegen, wahrhaftig, was ich von ihm erwarte, verbindlich, einsatzbereit, wenn ich nicht darüber verfügbar, wertschätzend, spreche? freundlich, höflich, zuvor- Jesus gibt darauf die kommend, tolerant, ver- Schwester Katharina Mock, Antwort: „Was ihr von an- ständnisvoll, uneigennützig Generaloberin in Paderborn deren erwartet, das tut auch und noch vieles mehr sind, ihnen.“ damit wir ein gutes Mitein- Jeder Mensch würde ander leben können. D ie Heilige Schrift ist seit meinen Kindertagen ein Buch, das mich nicht wahrscheinlich Jesus darin zustimmen, dass dies eine Möglichkeit ist, die zwischen- Ich denke, dass es mir nicht allein so ergeht. In ganz vielen Fällen gibt loslässt. Eine Stelle hat es menschlichen Beziehungen es Menschen, die große mir besonders angetan: Die zum Guten hin zu verän- Erwartungen an andere sogenannte goldene Regel. dern. Aber so möchte ich haben, an die Politiker, an Im Matthäusevangelium fin- den wir sie mit dem folgen- den Wortlaut: „Was ihr also »Was ihr von anderen von anderen erwartet, das erwartet, das tut tut auch ihnen.“ (Mt 7,12) Im Lukasevangelium finden ebenso auch ihnen.« wir fast die gleichen Worte. Dort ist zu lesen: „Was ihr (Lk 6,31) von anderen erwartet, das anfügen, nur so lange es die Wirtschaftsbosse, an die tut ebenso auch ihnen.“ (Lk mich nicht selbst betrifft. Vorgesetzten, an die Obern 6,31) Denn, wenn ich mir meine usw.. Es gibt dabei auch Wir Menschen haben Erwartungen an die Mit- manchmal nicht erfüllbare ausgesprochene oder unaus- menschen ins Bewusstsein Erwartungen. Meistens sind gesprochene Erwartungen rufe, dann empfinde ich die sich Menschen mit hohen an andere. Manchmal oder Aufforderung Jesu, wie sie in Erwartungen an andere 4
Geistliches Wort nicht bewusst, dass Jesus seinen Jüngern aufgetragen DASS UNSER LEBEN MEHR WERDE hat, die Erwartungen, die sie an andere haben, in gleicher Weise für die anderen zu Herr, erfüllen. dass unser Leben mehr werde als ein hektischer Vielfach werden Erwar- Ablauf von Stunden, Tagen, Jahren und Jahrzehnten, tungen an „die da oben“ in folgenden Sätzen formuliert: danach sehnen wir uns: nach Sinn und Erfülltsein. „Man müsste doch…“ oder „Könnte man nicht…“ Herr, Hinter solchen Sätzen dass unser Leben mehr werde als ein kann ich mich als einzelne ungeordneter Haufen von Gedanken, gut verstecken. Denn „man“ Wünschen, Begierden und Erwartungen, bin ja nicht ich. Das Wort danach sehnen wir uns: nach Sinn und Ziel. „müsste“ ist ja auch nur eine Aufforderung an den oder Herr, die andere, dass „etwas“ dass unser Leben mehr werde als eine zufällige (das ich längst erkannt habe) vom anderen getan werden Reihe von Handlungen, Taten, Werken und Leiden, muss. Dabei kann ich mich danach sehnen wir uns: nach Sinn und Gelingen. ganz vergnüglich zurückleh- nen, weil dieses „müsste“ ja Herr, dem anderen gilt, aber ganz dass unser Leben mehr werde als ein verworrenes bestimmt nicht mir. Knäuel von Beziehungen, Sympathie, Miteinander Ich glaube, wenn es ge- und Gegeneinander, länge, dass jeder seine Er- danach sehnen wir uns: nach Sinn und Liebe. wartungen, die er offen ausgesprochen oder still und Herr, heimlich an andere hat, im dass unser Leben mehr werde, eigenen Leben, auch nur ansatzweise, für andere ver- die Erfahrung von Sinn darin sei, wirklicht, dann hießen die danach sehnen wir uns, darum bitten wir. erwartungsvollen Sätze nicht mehr: „Man müsste doch…“ Amen. oder „Könnte man nicht…“, sondern: „Ich tue dies oder jenes, weil ich erwarte…“. Ganz sicher würde es aber Unsere Erwartungen größtenteils Sehnsüchte in Gesellschaften, Einrich- haben meistens damit zu nach gelingendem Leben. tungen, Gemeinschaften, tun, dass wir mit dem, was In einem Gebet von Alois Familien beobachtbare Ver- wir sind und haben, nicht Albrecht heißt es: änderungen im Miteinander zufrieden sind. Unsere Dass unser Leben mehr geben. Erwartungen sind somit werde. 5
Föderation Eine großartige Idee Eine gute Idee war auch die Anregung, Nachbar- Gebetspatenschaft aller Gemeinschaften der Föderation schaftsbesuche zu machen. So können wir uns gegen- seitig kennenlernen und B ei der Jahreskonferenz der vinzentinischen Föderati- on in Hildesheim vom 3. bis vent sichtbar sind. So wer- den alle Schwestern immer wieder daran erinnert. Eini- bereichern. Auch die vielen Angebote der Föderation (Tagungen, Urlaube, Exerzi- 7. Oktober 2018 wurde die ge andere Gemeinschaften tien und Sabbatzeiten) sind Idee einer Gebetspatenschaft beten an einem bestimmten eine gute Gelegenheit zum geboren. Eine sehr schöne Tag eine Fürbitte. Eine ande- gegenseitigen Kennenlernen. und großartige Idee. re Gemeinschaft fertigt ein Die Zeitschrift heute ist Diese Patenschaft soll das Plakat an mit einem Foto des ein gutes Medium, sehr viele Zusammengehörigkeitsge- Mutterhauses und des Ge- Schwestern daran Anteil fühl stärken und uns helfen, neral- bzw. des Provinzrates nehmen zu lassen. aneinander zu denken und und hängt dieses ersichtlich So möchte ich bitten und füreinander zu beten. Es für die Schwestern aus. Zu ermutigen, mir über die zu- wurde eine Liste erstellt, die Beginn eines Monats nimmt ständige Korrespondentin ersichtlich macht, wann für eine Gemeinschaft mit der ihrer Gemeinschaft Berich- welche Gemeinschaft gebetet anderen Kontakt per E-Mail te darüber zukommen zu wird. In welcher Form das auf und sendet ein Foto lassen. Auch das Erzählen geschieht, ist den jeweiligen ihrer Gemeinschaft mit. Eine der eigenen Berufungsge- Gemeinschaften überlassen. gute Möglichkeit wäre auch, schichte oder Tätigkeit, aber Ich habe einige Rückmel- wenn die Gemeinschaft, für auch andere Berichte sind dungen erhalten. die gebetet wird, ihre Gebets- so wertvoll, dass es viele Eine Gemeinschaft anliegen an Föderations- erfahren sollten – nach dem schreibt den Namen der je- referentin Sr. M. Karin Weber Motto: „Das Licht nicht unter weiligen Gemeinschaft, für sendet. Sie kann dann diese den Scheffel, sondern auf den die in diesem Monat gebetet Anliegen den anderen Ge- Leuchter stellen, dass es viele wird, unter die Gebetsanlie- meinschaften zur Verfügung sehen und sich freuen!“ gen des Papstes, die im Kon- stellen. Sr. M. Elisabeth Auberger, Wien Gebetspatenschaften innerhalb der Föderation und ihrer Gäste Febr März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez Jan Febr März April Mai Juni 2019 2019 2019 2019 2019 2019 2019 2019 2019 2019 2019 2020 2020 2020 2020 2020 2020 Mutterhaus Mananthavady Mutterhaus Untermarchtal Mutterhaus Heppenheim Regionalhaus Lima, Peru Regionalhaus Nekemte, Mutterhaus Hildesheim Mutterhaus Paderborn Regionalhaus Mbinga, Mutterhaus Straßburg Provinzhaus Mitundu, Mutterhaus Innsbruck Mutterhaus München Mutterhaus Suwon Mutterhaus Zams Provinzhaus Graz Mutterhaus Wien Provinzhaus Köln Äthiopien Tansania Tansania 6
Vinzentinische Familie Impressionen aus den USA (5) Glaubenszeugnisse – Eindrücke aus der katholischen Studentenseelsorge E s begann mit einer ein- fachen Frage: Willst du die Exerzitien der Studenten der USA ist es zu dieser Zeit nicht unüblich, dass die ersten Schneeschauer zu wunderschön und es schnei- te zum ersten Mal. Die Stu- denten bauten die Zelte auf begleiten? Ich hatte nicht erwarten sind. und der hauptamtliche Mit- viel darüber nachgedacht Ich kam aus der Geschich- arbeiter der Studentenseel- und spontan zugesagt. Erst te aber nicht mehr heraus: sorge, ein weiterer Student einige Tage später hatte ich Ein Mann ein Wort; das gilt und ich bezogen die Hütte. mich genauer erkundigt und auch für einen Vinzentiner. Mit genügend Proviant für dann erfahren, dass es sich Glücklicherweise gab es mindestens drei Wochen um „Camping-Exerzitien“ die Möglichkeit, in Zelten machten sich die Studenten handelte. Es handelte sich zu schlafen oder in einer ans Werk und bereiteten um eine Gruppe von 15 Stu- Campinghütte. Dankbar über dem zuvor entzündeten denten im Alter von 19 bis hatte ich die Alternative zum Lagerfeuer mit Pfannen und 25 Jahren. Der Ort war an Zelt angenommen. Als es Töpfen ein typisch amerika- nisches Frühstück. Für mich »Alles war wunderschön und es waren die drei Tage sehr entspannend, weil ich nichts schneite zum ersten Mal.« vorzubereiten hatte, sondern nur für Gespräche mit den einem wunderschönen See dann so weit war, starteten Studenten und für die Eu- mit angrenzendem Cam- wir am frühen Freitagmor- charistiefeier zur Verfügung pingplatz gelegen. Alles sah gen und kämpften uns mit stehen sollte. gut aus und hörte sich auch zwei VW-Bussen und einem Was sich zunächst herausfordernd an, wenn es Auto durch den Berufsver- einfach und unspektakulär nicht Mitte Oktober gewesen kehr von Chicago. Auf dem anhörte, entwickelte sich wäre. Im Mittleren Westen Gelände angelangt, war alles zu einer der intensivsten 7
Vinzentinische Familie Glaubenserfahrungen, die hat mich dabei das Zeugnis nehmer ein Glaubenszeugnis ich in den letzten Jahren eines Studenten, der sagte, abzugeben. Die Aufgabe machen durfte. Bereits beim er lasse sich seinen Glauben bestand darin, eine Schrift- Mittagessen kam die Frage nicht von Bischöfen und stelle auszusuchen, die dem nach den Beichtzeiten auf, Priestern kaputt machen, die jeweiligen Teilnehmer etwas was mich bei so jungen sich nicht korrekt verhalten bedeutet, und dann 10 bis 15 Männern, von denen keiner haben bzw. kriminell gewor- Minuten vor der Gruppe da- Theologie studiert, doch den sind und Schutzbefoh- rüber zu sprechen. Danach sehr wunderte. Es sollte lene missbraucht haben. Ein bestand die Möglichkeit zu Rückfragen, Diskussionen oder eigenen Gedanken. Neben den persönlichen Erfahrungen in den Beicht- gesprächen waren diese Einheiten ein zutiefst berüh- rendes Erlebnis für mich. Wo lebst du? Kommt und seht! Die Erfahrungen mit den Studenten und ihrer offenen Art, mit religiösen und welt- lichen Fragen umzugehen, haben mir gezeigt, wie wich- tig es heute ist, dass gerade „Camping-Exerzitien“ amerikanischer Studenten junge Menschen die Mög- lichkeit haben sollten, mit sich herausstellen, dass alle anderer antwortete darauf, Menschen in der Nachfolge 15 Teilnehmer zur Beichte dass es auf Christus und die Jesu Christi in Kontakt zu kamen und dies für mich ein Eucharistie ankomme und kommen. Ich glaube, dass es eindrucksvolles Erlebnis war. nicht auf einzelne Personen. für alle Beteiligten hilfreich Es zeigte sich, dass es für Er würde auch nicht auf die ist, wenn dabei Grenzen die Studenten sehr wichtig Idee kommen, aus den USA und Barrieren institutionel- war, einen Vinzentiner bzw. auszuwandern, nur weil es im ler Art abgebaut werden. Priester außerhalb der Litur- Augenblick einen schreck- Bereits Jesus sagte den ersten gie und ohne standesbeding- lichen Präsidenten gäbe. Jüngern auf die Frage „Wo te Barrieren zu erleben. Es Genauso wäre die Kirche lebst du?“: Kommt und seht. entwickelten sich Gespräche auch immer mehr als ihre Die überkommenen Modelle über Politik, Deutschland geweihten Vertreter. Dieses in unseren Gemeinschaften und Europa, Berufswün- reflektierte Zeugnis von jun- müssen überdacht und geän- sche und vor allem über die gen Menschen hat mich tief dert werden. Es reicht nicht Situation der Kirche in den berührt und ermutigt. aus, die Menschen in unsere Vereinigten Staaten und in In den nächsten zwei Häuser einzuladen und Deutschland. Tief berührt Tagen hatte jeder der Teil- ihnen einen Einblick in un- 8
Vinzentinische Familie ser Gemeinschaftsleben zu geben. Ich bin der Meinung, dass auch wir viel offener und gezielter auf Menschen zugehen müssen, sie in ihren Lebensgewohnheiten und an ihren Lebensorten ernst nehmen müssen, und so per- sönliche Kontakte aufbauen. Der ungewöhnliche Ort der „Camping-Exerzitien“ hat gezeigt, dass es für die Be- gegnung mit Jesus Christus keine ungeeigneten Orte gibt, sondern dass ER tatsächlich dort ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz kamen aus 35 Ländern. sind. Der Mut, sich auf die Wünsche der Studenten ein- zulassen, ihnen zu erlauben, den Ort auszusuchen, und Damit jeder einen Ort hat, den ihnen zuzutrauen, dass sie selbst spirituelle Erfahrun- er seine Heimat nennen kann gen einbringen können, war Bericht von der Konferenz der eine wirklich bereichernde Vinzentinischen Obdachlosen-Allianz Erfahrung. I Neues Feuer entfachen m Frühsommer vergange- meinschaften für die Flücht- Es könnte für uns als vin- nen Jahres bekam ich eine linge engagieren. Die Ant- zentinische Gemeinschaften Einladung von FAMVIN zur worten, die ich bekommen eine Chance sein, neues Internationalen Konferenz habe, arbeitete ich in meine Feuer zu entfachen. Wir (26.–28. November 2018) Vorbereitungen ein. Da der müssen uns nur trauen, die in Rom, wo ich in einem Workshop auf Englisch sein alten Pfade zu verlassen. Workshop über unsere sollte, galt es noch alles zu Wenn wir dabei Jesus Chris- Flüchtlingsarbeit berichten übersetzen. Die offiziellen tus und seine Botschaft im sollte. Da ich nicht nur vom Sprachen bei der Konferenz Blick behalten, können auch Engagement unserer Ge- waren Englisch, Französisch wir bereichernde Glaubens- meinschaft berichten wollte, und Spanisch. erfahrungen an ungewöhn- sondern auch aufzeigen Die Konferenz fand in lichen Orten machen. wollte, was in der Föderation einem Haus der Filles de Trauen wir IHM und insgesamt geschieht, startete la Charité, dem Casa Ma- trauen wir vor allen Dingen ich eine Rundmail mit der ria Immaculata, statt. Es den Menschen etwas zu! Bitte, mir kurz zu schreiben, waren gut 100 Teilnehmerin- P. Andreas Müller CM wie sich die einzelnen Ge- nen und Teilnehmer aus 9
Vinzentinische Familie 35 Ländern und von 18 noch viel an Netzwerkarbeit Unter den vielen Infor- verschiedenen Zweigen der geleistet werden! Durch die mationen möchte ich zwei Vinzentinischen Familie. moderne Technik und die auswählen und daran teil- Aus dem deutschen Sprach- Sozialen Medien ist Unter- haben lassen: ein Stimmungs- gebiet waren nur Sr. Anna- stützung und Hilfe über bild im 2. Newsletter der Luisa und ich anwesend. Bei Kontinente hinweg möglich FHA vom Dezember 2018 der Konferenz ging es um und sollte noch mehr ge- und ein Vortrag, der mich die Vision der Vinzentini- nutzt werden um der Armen sehr berührt hat. schen Obdachlosen Allianz willen, denen unser Dienst (FHA): „Dass jeder einen gilt! Sr. M. Karin Weber, Untermarchtal Ort hat, den er seine Hei- mat nennen kann und zu einer Gemeinschaft gehört“. »Die Konferenz war ein Geistliche Impulse, Vorträ- ge, Gruppenarbeiten und eindrückliches Erlebnis Workshops wechselten ab, so dass die Teilnehmer viel einer weltweiten miteinander ins Gespräch Vinzentinischen Familie.« kamen. Viele Projekte zu diesem Thema aus aller Welt wurden vorgestellt. Durch das Vorstellen dieser Pro- Draußen-Sein – jekte wurde bewusst, wieviel eine spirituelle Erfahrung Not, Elend und Leid es auf unserer Welt gibt; aber auch wie groß das Engagement und die Hilfsbereitschaft L azarus, komm heraus!“ rief Je- sus laut (Joh 11,43). Was bedeu- tet es jedoch, „draußen zu sein“? sind. Draußen zu sein, erklärt Bischof Für mich war die Kon- Duffé, Sekretär des Dikasteriums ferenz ein eindrückliches für die Integrale Menschliche Ent- Erlebnis einer weltweiten wicklung, ist, nackt vor anderen zu Vinzentinischen Familie, die Mgr. Bruno Marie Duffé sein, am Kreuz unserer Misserfolge sich trotz unterschiedlicher und Enttäuschungen gekreuzigt zu Sprachen verständigen kann werden und den großen Sturm des Misstrauens zu spüren. und die getragen wird von Draußen zu sein bedeutet, in den heftigen Winden der Unge- einem Charisma, das alle wissheit zu sein, in der Kaltfront der eigenen Grenzen, in der verbindet und einen guten Willkür des Regens, des Windes und des Hungers. Es ist die und fruchtbaren Grund Angst, nicht zu wissen, ob es möglich ist, in dieser Welt ein für unseren gemeinsamen wenig Vertrauen zu finden. Dienst bietet. Die Vernet- Draußen zu sein bedeutet, auf der Straße zu sein, einem zung untereinander hat mich Ort der Anonymität und Ignoranz. Gleichwohl kann dieses sehr beeindruckt. Da muss „Draußen-Sein“ auch und „paradoxerweise“ ein Raum für in der deutschsprachigen eine „unerwartete und lichtvolle Begegnung“ sein, ein Raum, Vinzentinischen Familie in dem eine spirituelle Erfahrung erlebt werden kann: eine 10
Vinzentinische Familie „spirituelle Bekehrung, einander willkommen zu heißen“. Diese „spirituelle Be- V or gut einem Jahr, am 14. Okto- ber 2017, wurde in Rom die Vin- zentinische Allianz für die Obdach- gegnung mit unseren ob- dachlosen Brüdern und losen (FHA) in Gegenwart von 10.000 Schwestern“ ist, so Monsig- Vinzentinern und Vinzentinerinnen nore Duffé, auf drei wich- aus aller Welt gegründet. Die erste Konferenz der Allianz tigen Säulen aufgebaut: auf im November 2018 war eine einzigartige Gelegenheit für dem Blick, der Gegenwart/ die Vinzentinische Familie, sowohl den Umfang der Heraus- Präsenz und dem Wort. forderungen der Obdachlosigkeit zu verstehen, als auch zu Diese Erfahrung auf dem sehen, dass die Vinzentinische Familie gut aufgestellt ist, um Weg beginnt mit dem Blick, auf die Größe dieser Herausforderung zu antworten durch einem „ruhigen und anteil- wirksame Zusammenarbeit und den systemischen Wandel. nehmenden Blick“. Der Blick Die Teilnehmer verstanden besser, wie die Arbeit mit den ist eine Tür zwischen dem obdachlosen Menschen eingebettet ist in ihre Vinzentinische physischen, dem spirituellen Spiritualität, in die Tradition der Familie und dass es unerläss- und dem gemeinschaftlichen lich ist, Konzepte und Innovationen sowohl vor Ort als auch Leben, in dem jeder bei sei- weltweit zu integrieren, um das Problem zu lösen. nem Namen genannt wird. Die Konferenz fühlte sich an, als ob sie der Ausgangs- Angeschaut zu werden be- punkt und wirkliche Anfang der FHA ist. Obwohl die Allianz deutet, erkannt zu werden, beim Namen genannt zu eine weltweite Bewegung ist, die Unterstützung leisten werden, Ansehen zu bekom- kann, müssen die Maßnahmen lokal sein, um wirksam zu men; es ist ein Wiedererken- werden. Obwohl wir einen Projektplan haben, bleiben wir nen, es bedeutet „für jeman- im Dienst der Vinzentinischen Familie und bereit, uns an den in der Menge Mensch zu ihre Bedürfnisse anzupassen. Obgleich wir in einem kleinen sein“. Es ist eine Erfahrung Team arbeiten, glauben wir an die Stärke des weitreichenden eines Exodus, die es uns Vinzentinischen Netzwerks. ermöglicht, eine Begegnung Wir werden im Laufe des Jahres 2019 an verschiedenen in Wahrheit zu leben. Aktivitäten arbeiten: an der Darstellung der Vinzentinischen In der Begegnung ent- Dienste auf einer Karte, an der Netzwerkbildung, an den decken wir uns selbst „arm Stipendiaten-Programmen, an der 13-Häuser-Kampagne, an und reich zugleich“, wir der Ausbildung und anderen. Aber die wirklichen Verände- entdecken, dass „derjenige, rungen werden an der Basis stattfinden und die Träume und der draußen ist, ein schönes Projekte der Obdachlosen auf der Straße, der Flüchtlinge Gesicht hat und dass der oder der Slum-Bewohner nähren. Mögen unsere Präsenz einzige Reichtum der des und Freundschaft, unsere Aktionen und unser Mühen bei Austauschs ist“. ihnen die Hoffnung aufrechterhalten auf eine Welt, in der Dieser Austausch, dieser Dialog, dieser Exodus von jeder Mensch einen Ort hat, den er seine Heimat nennen uns selbst beginnt mit dem kann und einen Platz in einer Gemeinschaft. Wort, denn das geistliche Yasmine Cajuste, FHA Projekt-Entwicklungs-Managerin Leben – in den Spuren 11
Vinzentinische Familie Christi, des Dieners und des Unter Bezugnahme auf ders oder der obdachlosen Gesandten – drückt sich in das Apostolische Schreiben Schwester“, „die uns dazu den Worten unseres mensch- von Papst Franziskus, Gau- anleitet, Christus in diesem lichen Wesens aus, in den dete et Exsultat (2018), er- anderen zu empfangen, den Augen, die sich begegnen, wähnt Bischof Duffé drei wir nie darauf reduzieren und in den Lebenswegen, in Komponenten jeder „Begeg- können, was er ist oder was denen sich die Bedürfnisse nung in Wahrheit“: er geworden ist“. der Menschen offenbaren. So evangelisieren wir Aber für die meisten Ob- 1 Demut oder Sanftmut: und werden von anderen dachlosen ist die Straße oft Ein Weg „von Jesus vorge- evangelisiert: er und sie, still. Diese Menschen verlie- geben“, der „durch Demut die uns einen Blick schen- ren das Wort, das bedeutet geht“. In der Bibel werden ken, der uns aufrichtet; er die Teilhabe am Gespräch. Sanftmütige und Arme mit und sie, die im Moment dem gleichen Ausdruck der Dankbarkeit für uns das »Ihnen das bezeichnet. Die Demütigen Wort aussprechen, das uns sind also unsere Meister. Die herausruft (aus unseren Wort zu geben, Spiritualität der Nähe zu den Sicherheiten und unserem bedeutet, Ärmsten ist eine Spiritualität Wohlbehagen), um von der der Verbundenheit in Demut Angst zur Liebe, vom Tod Ihnen die Würde und Sanftmut. zum Leben zu gelangen. zu geben.« 2 Leidenschaft oder Eine Herausforderung für Wagemut: die Vinzentinische Familie Ihnen „das Wort“ zu geben, Das heißt, „das zu leben, Am letzten Morgen unter- bedeutet, ihnen die „Würde“ was wir zutiefst glauben, in strich Mons. Duffé die tiefe zu geben, die jeden von uns einer großen Verfügbarkeit Hoffnungslosigkeit, die die zu einem Wesen macht, das für die Erleuchtung durch Obdachlosigkeit mit sich fähig ist zu empfangen und den Heiligen Geist und in bringt. „Wie ist es mög- zu geben. In der Tat geht es einem großen Hören auf den lich“, fragte er, „zu glauben, um eine Präsenz: Es geht Nächsten“. immer wieder zu glauben, darum, dort zu sein, präsent wenn man draußen sitzt für den anderen, manch- 3 Aufmerksamkeit für oder liegt und versucht, mal in einem gemeinsamen Kleinigkeiten: vor dem Wind, vor Blicken Schweigen, wo einer dem Das bedeutet, auf die ein- und manchmal von Gott anderen nahe ist, um ihn zu fachen Dinge des täglichen selbst verschont zu bleiben? hören. Sprechen bedeutet, da Lebens zu achten. Es ist Und wie können wir auf zu sein; es ist eine Präsenz. Jesus, der uns alle eindring- diese Weise nicht nur ein Dieser Austausch auf der lich dazu auffordert, auf die Zuhause schaffen, sondern Straße mit den Obdachlosen Details, die kleinen Dinge, auch den inneren Frieden, verpflichtet uns „weiter zu die andere bewegen, und auf die innere Freude wieder- gehen als geplant…“ Der ihr Glück zu achten. Es geht herstellen? Eine Herausfor- wohlwollende Umgang „mit um „die Betrachtung des derung, aber eine, für die dem anderen“ wird zum brü- Antlitzes Christi im Ange- die Vinzentinische Familie derlichen Umgang „mit dir“. sicht des obdachlosen Bru- gut gerüstet ist. 12
Meditation Zu echten Dienerinnen gehört die Innerlichkeit Wie eine Konferenz mit dem heiligen Vinzenz von Paul heute ablaufen könnte U nser Zwischenzeit-Doku- ment (ZZD; Dokument der Töchter der christlichen lichen Liebe im 21. Jahr- hundert zu sein, wagen wir es, unsere Innerlichkeit noch Liebe für die Zeit zwischen mehr zu pflegen.“ den Generalversammlungen) Davon ausgehend haben stellt uns die Frage: „Was die Schwestern des Provinz- würden uns der heilige Vin- hauses in Graz nachgedacht, zenz und die heilige Luise nachgelesen und Aussprüche heute in einer neuen Konfe- des heiligen Vinzenz, auch renz vorschlagen, um im Schriftworte, zusammenge- 21. Jahrhundert echtere Die- tragen, die das ausdrücken, bindenden Worten, die Herr nerinnen zu sein?“ Im glei- was Vinzenz zum Thema Portail sprechen könnte, chen Dokument kann man „Innerlichkeit“ sagen, ja ergeben sie ein lebendiges diese Antwort lesen: „Um unterstreichen würde. Ein Gespräch mit „Herrn Vin- wahre Töchter der christ- wenig geordnet und mit ver- zenz heute“: Meine lieben Schwestern! Beginnen wir IN NOMINE DOMINI! Mit großer Freude bin ich heute mit Herrn Vinzenz bei Ihnen, um Ihnen Dazu möchte Herr Vinzenz selbst gleich dieses hervorheben: „Die zu helfen, sich an Worte unseres guten Vaters Innerlichkeit, meine Schwestern, ist eine zu erinnern, die Ihre Mitschwestern vor mehr Haltung des Hingewendet-Seins zu Gott, zu als 350 Jahren auch schon gehört und Ihnen allem, was sein Reich angeht, staunende in den Konferenzen und Briefen überliefert Freude über seine Größe, seine Barmherzig- haben. In diesen Worten ist Herr Vinzenz sel- keit mit den Menschen; daraus fließt die Liebe ber unter uns, er schaut uns an und freut sich zum Nächsten aus Liebe zu Gott.“ über jedes Wort, das uns seine Anwesenheit lebendig werden lässt. Wir wollen über die Innerlichkeit sprechen, Das schreibt auch der hl. Paulus an die Korinther: „Die Liebe Christi denn sie ist die wichtigste Voraussetzung, die drängt uns, … Denn er ist für alle gestorben, Basis für wahre Dienerinnen im 21. Jahrhun- damit die Lebenden nicht mehr für sich dert. leben.“ (2 Kor 5,14 + 15) 13
Meditation Das innere Leben ist notwendig. Wenn das Und zwei Schwestern wissen zu sagen: Das Gebet lag unserem Vater Vinzenz fehlt, fehlt alles.“ (SV XII, 130) ganz besonders am Herzen. Er sagte uns: „Das innerliche Gebet, meine Töchter, ist eine Ich denke, dass es Herrn Vinzenz ganz Erhebung des Herzens und des Geistes zu Gott, recht ist, wenn wir auch auf einige Gefah- mit der sich die Seele wie von sich selbst löst, ren – selbst wenn es viele gibt – zu sprechen um Gott in ihr zu suchen. Es ist ein Gespräch kommen. Bitte, Schwestern! der Seele mit Gott, eine gegenseitige Kommu- nikation, bei der Gott innerlich der Seele sagt, was sie nach seinem Willen wissen und tun Ja,Geistalsder Sie, Herr Vinzenz, über den Welt sprachen, sagten Sie: soll, und bei der die Seele sagt, was sie nach „Sehen Sie, liebe Schwestern, solange der Sinn dem, was er ihr kundtut, erbitten soll.“ einer Barmherzigen Schwester von den Eitelkei- ten der Welt in Anspruch genommen ist, ist sie auch geneigt, ihm Folge zu leisten. Nun aber ist deEineWorte: andere Schwester bringt folgen- „Die affektive Liebe ent- es ein untrüglicher Grundsatz Jesu Christi, dass springt dem Herzen. Der liebende Mensch ist niemand zwei Herren dienen kann. Wer also voller Sehnsucht und Zartheit, sieht nur den vom Geiste der Welt beherrscht ist, der muss gegenwärtigen Gott … Er fühlt sich von dieser überzeugt sein, dass er am Geiste Gottes nicht göttlichen Liebe umfangen und findet keinen teilhaben kann.“ (25.8.1648) „Hütet euch vor Geschmack an anderen Gedanken… Wenn dem Einfluss des Weltgeistes. Vergesst nicht die man für Gott arbeitet…, so ist das die effektive Abtötung, besonders die Beherrschung der Liebe, die Liebe der Tat.“ (19.9.1649) Sinne. Betet, dass ihr nicht in die Versuchung der Lauheit fallt. Seid ehrlich miteinander, helft einander, kleine Fehler abzulegen.“ Über diese beiden Formen der Liebe wissen wir noch mehr: „Nichts ent- spricht dem Evangelium mehr als einerseits in Schwester meinte dann: „Mein der Betrachtung, in der Lesung und in der Eine Vater, die Versuchungen können uns Einsamkeit Licht und Kraft für die Seele zu dazu verleiten, den Gott gemachten Ver- sammeln, und andererseits zu den Menschen sprechungen untreu zu werden. Das scheint zu gehen und sie an dieser geistlichen Nahrung mir das erste Unheil zu sein.“ (24.8.1654) teilhaben zu lassen. Das heißt, handeln, wie unser Herr getan hat und nach ihm seine Apostel; das heißt den Dienst der Martha mit Wieder eine andere erinnerte sich, dass Herr Vinzenz gesagt hatte: „Meine dem der Maria verbinden.“ (SV XI, 40-41) Schwestern, wie leicht führt doch die Zwietracht … an den Rand des Verderbens! Mein Leib bildet mit allen seinen Gliedern eine Einheit. Ginge Und jetzt dazu ein sehr eindringlicher Aufruf von Vater Vinzenz: „[Gebt jemand hin und verletzte mir meine Hand durch acht!] ER ist es, der [im Gebet zu uns] spricht; einen tiefen Einschnitt ins Fleisch, so würde der wir müssen aufmerksam hinhören und uns Schmerz meinen ganzen Leib in Mitleidenschaft Gott hingeben, um sein Wort in die Tat ziehen. Ebenso verhält es sich mit einer religiösen umzusetzen. Es heißt: Sucht das Reich Gottes! Gemeinde. Herrscht bei einigen Zwietracht, so … Sucht Gott in euch! Sucht das innere Leben. müssen es alle büßen.“ (24.8.1654) 14
Meditation eine andere: „Das ist ein unver- er sagte auch: „Meine lieben Und brüchlicher Grundsatz: Wer vom Geist Und Schwestern, sooft Sie das Vaterunser unseres Herrn beseelt ist, handelt milde und beten, achten Sie besonders auf das Wort sanft. Unfreundlich und hart wird dagegen ‚und führe uns nicht in Versuchung‘, um von vorgehen, wer sich von den Trieben und vom unserem Herrn die Gnade zu erbitten, doch ja bösen Geist drängen lässt.“ (SV IV, 577) nicht in der Versuchung zu unterliegen. Allen, die Gott liebt, bleiben Heimsuchungen nicht Dazu meinte eine weitere Schwester: erspart.“ (24.8.1654) „Heute bedarf diese Innerlichkeit großer Anstrengung und Beharrlichkeit. Der Wohl- Viele Schwestern erinnerten sich auch stand und die verschiedenen Medien haben daran, dass die Einigkeit ein wichtiges auch bei uns Einzug gehalten und sind Mittel ist, das das innerliche Leben unter- Ursache von Ablenkung und Zerstreuung. stützt: „Mein Herr, ein mächtiger Beweg- Mehr denn je sollen wir mit der Schöpfung, grund ist der Gedanke, dass Gott immer da mit den Mitschwestern achtsam umgehen; ist, wo der Friede herrscht, weil die Einigkeit Sanftmut, Hingabe, Herzlichkeit, Freude, ihn erfreut und zufriedenstellt.“ (26.4.1643) Offenheit, Bereitschaft, Liebe, Begeisterung tragen viel zu einer leidenschaftlichen Liebe „Die Einigkeit ist das Abbild der Allerheiligs- für Gott und für die Armen bei. Freilich ten Dreifaltigkeit, die aus drei durch die Liebe lauern auch Gefahren auf diesem Weg: geeinten Personen besteht.“ (26.4.1643) Resignation, auch Verzweiflung, Gleichgültig- keit oder wenig Freude an Gott und gött- Jesus selbst hat um die Einigkeit lichen Dingen; zu viel Beschäftigung mit sich gebetet, als er sprach: „Für sie bitte ich; selber…“ … sie sind in der Welt, … Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, Hier können wir vielleicht einige Mittel damit sie eins sind wie wir.“ (Joh 17, 9 f.) anfügen, die in uns die Innerlichkeit stärken: „Meine Töchter“, meinte darauf Herr Vinzenz , „ich flehe Gott von ganzem „Ein Mittel, dem Weltgeist zu ent- gehen, besteht darin, dass wir Gott Herzen an, er möge Ihnen die Gnade ver- leihen, die so notwendige Einigkeit stets im demütig und inständig bitten, uns dessen Auge zu behalten.“ (26.4.1643). Verwerflichkeit erkennen zu lassen, damit wir einen großen Widerwillen gegen ihn fassen.“ (25.8.1648) Auch die Bedeutung der Hoch- achtung wurde von mehreren unter- strichen: „Nichts darf die Hochachtung „Als Heilmittel dagegen“ – meinte schmälern, die wir unseren Mitschwestern Herr Vinzenz – „empfehle ich Ihnen, schulden. Man muss immer alles gut auslegen. meine Töchter, lieben Sie die kleinen Demüti- So wie der Bischof von Genf zu sagen pflegte: gungen, die die Vorsehung Ihnen zusendet ‚Hat eine Sache 100 Gesichter, so muss man oder die sie dort finden, wo Sie beschäftigt immer das Schönste davon betrachten.‘“ sind.“ (25.8.1648) (19.8.1646) 15
Meditation „Gewöhne dich daran, Dinge und Menschen Ein weiteres Mittel, das die Innerlichkeit immer und in jedem Falle nach ihrer guten fördert, ist gewiss die Liebe zu Gott und zum Seite hin zu beurteilen.“ (Gedrängt von Nächsten. Auch dazu haben sie etwas zu Erbarmen, S. 67, 16) sagen, nicht wahr! „Solange herzliche Hochachtung unter euch Darauf einige Schwestern: „Die herrscht, ist euer Haus ein Paradies. Lasst ihr Bereitschaft, unseren Willen mit dem es daran fehlen und kommt ihr euch nicht Willen Gottes in Einklang zu bringen, ruft in gegenseitig in Liebe zuvor, wird euer Haus wie uns eine tiefe innere Ruhe hervor, aus der die eine kleine Hölle sein.“ (SV IX, 27) Kraft zu Taten der Nächstenliebe erwächst.“ „Bemüht euch, einander stets mit herzlicher „Lieben wir Gott, aber mit der Kraft unserer Hochachtung zu begegnen, die sich durch ein Arme und im Schweiße unseres Angesichtes.“ frohes Gesicht kundtut… Die Hauptsache (Gedrängt von Erbarmen, S. 96, 12.) ist, dass ihr ein frohes Gesicht zeigt… Wollte jemand seinen albernen Gefühlen freien Lauf lassen, dann könntet ihr etwas Schönes er- Da meldete sich Herr Vinzenz zu Wort. Er sagte: „Denkt wohl daran, leben. Selbstbeherrschung! Darauf kommt meine Schwestern, die Armen sind unsere es an.“ (SV IX, 158) Herren und Meister! Das habe ich schon oft gesagt! Es genügt nicht, dass ich Gott liebe, wenn mein Nächster ihn nicht liebt! Ich bitte euch auch vielmals, eure festgefahrenen »Denkt wohl daran, meine Gewohnheiten aufzugeben, loszulassen, Schwestern, die Armen sind und mit Vertrauen, Hochherzigkeit und Begeisterung authentische DIENERINNEN unsere Herren und Meister!« für die Armen jeder Art von heute zu sein.“ Kommen wir noch auf eine andere wichtige Da es wirklich spät geworden ist, bitten wir Herrn Vinzenz um Haltung zu sprechen, nämlich die Tugend seinen Segen: „Ich bitte unseren Herrn, dass der Demut. Bitte, Schwestern! er Sie segne…, damit Sie weiterhin in seinem Geiste leben… Meine Töchter, zur Erlangung „In dem Maße, als wir leer werden von unserem Ich, wird Gott selbst uns dieser Gnade nehmen wir unsere Zuflucht zur Mutter der Barmherzigkeit, … Ihrer ausfüllen, denn ER mag die Leere nicht.“ großen Schutzherrin… Stellen wir uns unter (Gedrängt von Erbarmen, S. 124, 4.) ihre Führung, … damit sie die Führerin der Genossenschaft und jeder einzelnen Schwester „Die Demut, die Christus … uns so oft emp- sei. Benedictio Domini descendat super vos fiehlt, ist das Fundament der gesamten Voll- et maneat semper. Amen.“ (8.12.1658; SV X, kommenheit im Sinne des Evangeliums. Sie ist 623) die Klammer, die das ganze geistliche Leben zu- sammenhält.“ (Gedrängt von Erbarmen, S. 62) Sr. Christa Bauer, Graz-Paris 16
Meditation Elisabeth Anna Seton – eine zweite heilige Luise? In diesem Jahr will ich für meine Meditationen zur vinzentinischen Spiritualität kanerin. Wir alle sagen dies mit besonderer Freude und mit der Absicht, das Land verschiedene vinzentinische und die Nation zu ehren, aus Heilige und Selige vorstellen, der sie als erste Blume im Ka- die bei uns nicht so bekannt lender der Heiligen hervor- sind. Dabei lasse ich mich ging. Elizabeth Ann Seton war von dem Gedanken leiten, völlig amerikanisch! Freue wie sie im Geist des hl. Vin- dich auf deine ruhmvolle zenz und der hl. Luise ge- Tochter. Sei stolz auf sie. Und Die hl. Elisabeth Anna Seton wirkt haben. wisse, wie man sein frucht- lebte nach der Spiritualität des hl. Vinzenz von Paul Als ich eine Beschreibung bares Erbe bewahren kann.“ des Lebens und Wirkens der Dies sagte Papst Paul VI bei hl. Elisabeth Anna Seton der Heiligsprechung von Eli- che in New York getauft. Im gelesen habe, hat mich dies zabeth Ann Seton am 14. Sep- Alter von drei Jahren verlor spontan an das Leben und tember 1975. Wer war Eliza- sie ihre Mutter. Der Vater Wirken der hl. Luise erin- beth Ann Seton? heiratete ein zweites Mal, nert. Da die Gemeinschaft, aber die Stiefmutter brachte die von der hl. Elisabeth Kindheit den Kindern aus der ers- Anna Seton gegründet wurde, Elizabeth Ann Bayley wurde ten Ehe ihres Mannes nur nach der Spiritualität des am 28. August 1774 als Ablehnung und Kühle entge- hl. Vinzenz lebt und sie zweites Kind von Dr. Richard gen. Da ihr Vater viel auf damit zur Vinzentinischen Bayley und Catherine Charl- Geschäftsreisen war, wurde Familie gehört, will ich ton in New York geboren. Elizabeth Ann ein einsames Ihnen gerne diese vinzenti- Ihr Vater, Dr. Richard Bay- Kind, das sich immer mehr nach innen zurückzog. »Sie las gerne in der Bibel und Elizabeth las gerne in der Bibel und versenkte sich in versenkte sich in die Welt Gottes.« die Welt Gottes, die sie auch in der Natur als wunder- nische Heilige vorstellen. ley, war ein berühmter Arzt bares Schauspiel der Liebe Die Gemeinschaft der „Barm- und gesuchter Spezialist auf und Schöpferkraft Gottes herzigen Schwestern vom dem Gebiet der Bekämpfung verstand. hl. Josef “, die sie gründete, des tückischen Gelbfiebers; Die Schwierigkeiten mit hat sich später dem Mutter- ihre Mutter Catherine war ihrer Stiefmutter nahmen haus in Paris angeschlossen. die Tochter eines tiefgläubi- mit zunehmendem Alter zu, „Elizabeth Ann Seton ist gen Geistlichen der Episko- was ihrem Vater sehr leid tat. eine Heilige. St. Elizabeth palkirche. Elizabeth Ann Ann Seton ist eine Ameri- wurde in der Episkopalkir- k Weiter auf Seite 20 17
Bildmeditation EINE Botschaft VON BESTAND A n der Kanzel der Dorf- kirche in Hirschberg/ Ostwestfalen sind die vier Vorgestern geschrieben, vor über 2000 Jahren; in einer Zeit, wo das Schreiben Evangelisten dargestellt. Wie etwas ganz Besonderes war, gut, dass sie damals das Leben um Inhalte für die Zukunft Jesu, seine Worte und Hand- zu bewahren… lungen aufgeschrieben haben. Für heute richtungs- weisend, da die vier Evange- »Immer wieder Gegenstand listen Grundhaltungen im Glaubensleben verkünden, der täglichen Besinnung.« die für die Lebensgestaltung jederzeit hilfreich sind… Für uns Christen sind sie auch Mit Ewigkeitswert, der heute immer noch wichtig auf dem Weg in die Zukunft für die Lebensgestaltung im die Hoffnung stärkt, auf Glauben und daher immer dem Weg zu bleiben, um wieder Gegenstand der täg- einmal im Reich Gottes an- lichen Besinnung. zukommen… Text: Sr. Ursula Bittner Foto: Heidi Bittner 18
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Meditation Mann zurück zu Gott und findet bei IHM Kraft und Trost in seiner fortschrei- tenden Krankheit. Elizabeth bringt dies einmal so ins Wort: „Mir kommt es vor, seit Wills Herz näher bei Gott ist, ist es auch näher bei mir.“ Ihr Mann stirbt in Italien Elizabeth begleitete ihren Mann William auf einer Ge- schäftsreise nach Italien, von der er nicht mehr zurückkeh- Statue der hl. Elisabeth Anna Seton ren sollte. Er starb in Italien am 29. Dezember 1803, nach- Er versuchte, mit Elizabeth bekam ihr Mann das Gelb- dem er noch seine Geschäfts- im Briefkontakt zu bleiben, fieber und auch die beiden freunde besucht hatte. Eliza- wenn er auf Geschäftsreisen älteren Kinder erkrankten beth ist am Boden zerstört war, was aber nicht verhin- daran. Die Sorgen Elizabeths und weiß nicht mehr, wo sie dern konnte, dass Elizabeth waren groß. Einer Freundin sich hinwenden soll. Gerade in der eigenen Familie gegenüber sagte sie in dieser in dieser schweren Zeit lernt immer mehr vereinsamte. Zeit: „Ich opfere Gegenwart sie die Geschäftsfreunde ihres Von daher ist es vielleicht und Zukunft IHM auf, der Mannes als treue und hilfs- verständlich, dass sie schon Schöpfer und Hüter von bereite Freunde kennen und mit 19 Jahren, am 24. Januar beiden ist.“ lieben. Diese italienischen 1794, William Magee Seton Am 17. August 1801 Freunde waren katholisch heiratete, den ältesten Sohn stirbt ihr geliebter Vater, Dr. und nahmen Elizabeth mit in eines der reichsten Importeu- Bayley, am Gelbfieber, das die Gottesdienste, dort lernte re von New York. William er zeitlebens bei anderen sie die Eucharistiefeier ken- war hochgebildet, hatte ein erfolgreich bekämpft hat. Als nen und immer mehr lieben. heiteres Wesen und war ein rechtschaffener Mann. Wie sich später herausstellte, litt »Ich opfere Gegenwart ihr Mann damals schon an und Zukunft IHM auf.« Tuberkulose. Dieser Ehe wur- den fünf Kinder geschenkt. ihre jüngste Tochter zur Welt Sie wuchs immer mehr in der Als 1798 ihr Schwiegervater kommt, ist die Krankheit Überzeugung, dass Jesus im starb, musste Elizabeths ihres Mannes nicht mehr zu Sakrament des Altares real Mann die Geschäfte seines übersehen. Elizabeth betet gegenwärtig ist. Einer der Vaters übernehmen. Bei der viel für ihren Mann, auch um Geschäftsfreunde fuhr mit Geburt des dritten Kindes Sorge für sein Seelenheil, und ihr zurück nach Amerika. wäre Elizabeth fast gestor- bittet auch andere, für ihn zu Auf dieser langen Schiffsreise ben. Etwa zur gleichen Zeit beten. Tatsächlich findet ihr erfuhr Elizabeth von ihm 20
Meditation/Gebete viel über den katholischen 1809 legten diese drei Frauen starb im 47. Lebensjahr am Glauben. für ein Jahr die Gelübde der 04.01.1821. Ihre tiefe Fröm- Zurück in New York will Armut, der Keuschheit und migkeit war stets auf Gott Elizabeth zur katholischen des Gehorsams ab. ausgerichtet und darauf, sei- Kirche konvertieren, worüber Diese neue Gemeinschaft nen Willen zu erfüllen durch ihre Angehörigen empört ließ sich von der Spiritualität alles Ringen und Leiden sind. Doch am 14.03.1805 des hl. Vinzenz inspirieren hindurch. Sie hatte ein war- tritt Elizabeth zur katholi- und verinnerlichte diese mes, mütterliches Herz und schen Kirche über und ist auch im Blick auf ihre Werke, war sehr praktisch veranlagt. überglücklich. Sie schreibt in denen sie sich benachteilig- Sie war es, die die jungen darüber: „Endlich ist Gott bei ten Kindern und Jugendlichen Schwestern prägte und form- mir und ich bin in IHM. Jetzt und Armen aller Schattierun- te in ihrem geistlichen Leben kann alles gut weitergehen, gen widmete. Deshalb wird und in ihrem Dienst bei den ich gehöre ganz IHM.“ die hl. Elizabeth Ann Seton Armen und benachteiligten Elizabeth geht nun ihren gern mit Kindern abgebildet. Kindern. Weg mit Gott. Die tägliche Durch das heiligmäßige Le- Elizabeth Ann Seton Hl. Messe ist ihr ein Herzens- ben von Elizabeth und ihren wurde am 17. März 1963 anliegen und mit Erlaubnis ersten Gefährtinnen wuchs selig- und am 14. September ihres Seelenführers darf sie die Gemeinschaft sehr rasch, 1975 als erste Amerikanerin auch täglich kommunizieren. so dass sie noch zu ihren heiliggesprochen. Sie liest und betrachtet viel Lebzeiten 1.100 Mitglieder Sr. M. Karin Weber, Untermarchtal in der Bibel. In Baltimore zählte. Mutter Elizabeth Ann Text-/Bildquelle: https://setonshrine.org/ eröffnet sie eine katholische Seton, wie sie genannt wurde, elizabeth-ann-seton Schule, weil sie die Bildung und Erziehung im katholi- schen Glauben als Basis Tischgebete mit Worten des hl. Vinzenz für die Kinder unerlässlich findet. Ihre drei Töchter sind Vor dem Mittagessen mit ihr dabei. Am 8. Dezem- Wieder haben wir uns um den Tisch versammelt, um gemein- ber 1808 schließen sich ihr sam das Mittagessen einzunehmen, um verbrauchte Kräfte zu zwei Frauen an, die ihr im erneuern und uns für Kommendes zu stärken. Wir tun es immer Schuldienst helfen wollen. wieder – seit Tagen, Wochen, Monaten, Jahren. Das ist ganz im Sinn des hl. Vinzenz, der sagte: „Welch ein Glück ist es, an dem Erste Gründung Platz auszuharren, an den uns Gott gestellt hat!“ Auf die Für- sprache unseres Heiligen segne uns und diese Gaben der gute Elizabeth spürt immer mehr Gott: „Im Namen des Vaters...“ in sich die Berufung zum Ordensleben. So gründet sie Nach dem Mittagessen mit dieser kleinen Gemein- Gott, durch diese Gaben haben wir uns wieder für Kommen- schaft die „Schwestern der des gestärkt. Mach uns offen und bereit für all das, was noch an Barmherzigkeit vom heiligen diesem Tag sein wird, denn „was sich ohne unser Zutun und Josef “, die erste religiöse Ge- Wünschen ereignet, zeigt am besten Gottes Willen an.“ Diese Fest- meinschaft für Frauen, die in stellung des hl. Vinzenz stärke unser Vertrauen auf Gott und seine den Vereinigten Staaten ge- Wegbegleitung durch diesen Tag. Amen! Sr. Ursula Bittner gründet wurde. Am 25. März 21
Aus unserer Geschichte einen Punkt zusammenlau- fen: Wie können wir unsere Berufung als Barmherzige Schwester jetzt und hier glaubwürdig und erfüllt leben? Blitzlichter auf die spirituelle Prägung Wie wir gesehen haben, fällt die Lebenszeit von Sr. Vin- zenz Sultzer in eine bewegte Epoche: In dieser Zeit war – wenn wir die Spiritualitäts- geschichte betrachten – nicht viel Raum für große Ge- danken und neue Impulse. „Nach den Zerstörungen der Revolution und nach den napoleonischen Kriegen war Zum 150. Todestag (4) der Wiederaufbau vordring- liche Aufgabe; die karita- tiven, sozialen und gesell- Bleibendes Erbe – schaftlichen Aktivitäten der Vinzentinische Werte Christen hatten eindeutig Priorität vor dem geistlichen Was uns Mutter Vinzenz Sultzer Schrifttum.“ Es kann uns für heute mit auf den Weg gibt also nicht wundern, eine sehr tatkräftige und aktive Frau vor uns zu sehen. A m 22. September 2018 fand in Straßburg ein Symposium anlässlich des kaum aus einem rein auf die Vergangenheit gerichteten Interesse. Wir fragen diese Dennoch finden wir in ihren Briefen eindeutige Hinweise, dass es für die 150. Todestages der Straß- Gründermutter unserer Ge- Vitalität und Tatkraft einen burger Generaloberin Mut- meinschaften doch eher nach soliden Boden, eine haltge- ter Vinzenz Sultzer statt. Mit dem, was sie uns für heute bende Verwurzelung in der dem Symposiumsvortrag mit auf den Weg gibt – was ausdrücklich vinzentinischen „Bleibendes Erbe – Vinzen- wir von ihr lernen können, Spiritualität gibt. Wir bewe- tinische Werte“ beenden wie wir, von ihr inspiriert, gen uns damit auf bekannte- wir die heute-Serie über die Antworten auf die Fragen rem Terrain, das nach dem Gründermutter. unserer Zeit finden – die auf „Liebe sei Tat“ des heiligen Wenn wir uns mit dieser den ersten Blick vielleicht Vinzenz klingt. Wir können historischen Persönlichkeit ganz andere sein mögen, im zudem feststellen, dass die befassen, tun wir das ja wohl Kern aber immer auf den Spiritualität der Nachrevolu- 22
Aus unserer Geschichte tionszeit stark auf den Fun- nene – „Schuldigkeit Dazu kommt, ebenfalls damenten der Französischen Büchel“, das bereits im Jahr ausdrücklich genannt, das Schule aufbaut, in der so- 1789 in Hagenau publiziert „Unterweissungs-Buch“, wohl Vinzenz als „Schüler“ wurde. Dieses Werk bietet herausgegeben 1821. Dieses des hier prägenden Bérulle den Schwestern 12 Betrach- ist bei Weitem umfangreicher als auch Luise beheimatet tungen an, die ihnen helfen als das Schuldigkeitsbüchel waren. Wir kommen also auf sollen, den Geist ihres und lässt deutlich erkennen, diesem Weg auch dem Grün- Dienstes tiefer zu erfassen. dass die Gemeinschaft in dungscharisma sehr nahe. Das Leben als Barmherzige den Jahren nach der Revo- lution eine feste Struktur als geistliche Gemeinschaft »Suche sie alles auf Gott zu richten.« bekommen hat und das Hauptaugenmerk nun auf Das Gebetsleben, das die Schwester und ihr Dienst ist der Gestaltung des geistli- französische Schule pflegt, vor allem Teil eines liebevol- chen Lebens liegt. War beim verbindet kontemplative len Dialogs, eine Antwort Schuldigkeitsbüchel der Elemente mit dem Aufruf der Dankbarkeit: „O grund- Dreh-und Angelpunkt die zum Handeln. Zudem ist die gütiger Gott! wie mildherzig Dankbarkeit für die Erfah- Hinwendung zu Christus ein und geschwind hast du mei- rung der Barmherzigkeit Kernthema. ne Fehler und Uibelthaten von Gott her, aus der die Die optimistische Auf- vergessen! mein Leib, meine eigene Dienstbereitschaft bruchstimmung, die die Seele, mein ganzes Leben als Antwort reift, klingt die Französische Schule des sollen dir zu einem schul- Sprache hier strenger. Das „Grand Siècle“ kennzeichnet, digen Dankopfer gewidmet Ordensleben, das durchge- bleibt nicht in Vollform seyn.“ hend als ein Leben der Abtö- wirksam. Als Antwort auf Der Blick auf Jesus Chris- tung geschildert wird, als die aufkommenden aufklä- tus wird vertieft mit dem Weg der Nachfolge, der sich rerischen Tendenzen und die Werk „Nachfolge Christi“, maßgeblich am Aufnehmen Sehnsucht nach einer klaren das Schwester Vinzenz ihren des eigenen Kreuzes fest- Ordnung als Gegenbild zu Anvertrauten immer wieder macht, hat das Ziel, die Voll- den Wirren der Revolution zur Betrachtung empfiehlt. kommt es zu Bewegungen der Restauration. Diese Span- nung lässt sich auch in den Titelseite des spirituellen Quellen, die Sr. Schuldigkeitsbüchels Vinzenz Sultzer genutzt hat, nachvollziehen. Wir wissen Gottselige Erwägungen über aus ihren Briefen, aus wel- die Fürtrefflichkeit des Standes chen geistlichen Werken sie und die Schuldigkeit der vornehmlich geschöpft hat. Personen, welche sich aus Liebe Gottes und des Nächsten zum Die spirituellen Quellen Dienste der Armen und Kranken in Da ist zunächst das – noch Spitälern gewidmet haben vor der Revolution erschie- 23
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