Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW

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Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW
Neueröffnung
nach Umbau
Konzepte zum Umbau
von Warenhäusern
und Einkaufscentern

             Rolf Junker, Nicole Pöppelmann,
             Holger Pump-Uhlmann
Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW
Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW
Inhalt
NEUERÖFFNUNG NACH UMBAU

                          Vorwort: Hartwig Schultheiß                                                                       04

                          1. Aufgabenstellung / Einordnung                                                                  05

                          2. Warenhäuser
                          Allgemeine Einordnung                                                                             07

                          Leer stehende Warenhäuser und ihre Revitalisierung                                                14

                          3. Umbau und Umnutzung von Warenhäusern – Best-Practice-Beispiele                                 17

                          3.1 Siegen | ehemaliger Kaufhof | KrönchenCenter                                                  18

                          3.2 Neuss | ehemaliger Horten | Rheinisches Landestheater und Verwaltungssitz Rhein-Kreis Neuss   21

                          3.3 Lünen | ehemaliger Hertie | Wohn- und Geschäftshaus                                           25

                          3.4 Gelsenkirchen-Buer | ehemaliger Hertie | Lindenkarree                                         28

                          3.5 Detmold | ehemaliger Hertie | großflächiger Einzelhandel                                      31

                          3.6 Hamm | ehemaliger Horten | Heinrich-von-Kleist-Forum und Platz der Deutschen Einheit          34

                          4. Strategien zum Umgang mit leer stehenden oder prolembehafteten großen Warenhäusern
                          Gesamtstädtische Bedeutung versus Eingriffsmöglichkeiten                                          39

                          Umnutzungsoptionen und -bedingungen                                                               41

                          Erhalt oder Abriss und Neubau?                                                                    43

                          5. Innerstädtische Einkaufscenter
                          Allgemeine Einordnung                                                                             45

                          Revitalisierungsbedarf bei Einkaufscentern                                                        49

                          6. Umbau- und Umnutzungspotenziale von Einkaufscentern – Fallstudien                              51

                          6.1 Gummersbach | Bergischer Hof                                                                  53

                          6.2 Dorsten-Barkenberg | Wulfener Markt                                                           55

                          6.3 Bochum | City-Point und Drehscheibe                                                           58

                          6.4 Wuppertal | Rathaus-Galerie                                                                   61

                          6.5 Solingen | Clemens-Galerien                                                                   65

                          7. Strategien zum Umgang mit leer stehenden oder problembehafteten Einkaufscentern
31.05.2015

                          Grundsätzliche Einordnung                                                                         69

                          Indizien für die Revitalisierung von Einkaufscentern                                              71
–

                          Funktionale und baustrukturelle Aspekte der Umnutzung                                             72
SBK #10

                          8. Resümee                                                                                        76

                          Literatur                                                                                         78

                          Über die Autoren                                                                                  81

                          Impressum                                                                                         82

                                                                                                                  03
Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW
Wiederkehrende Herausforderungen sind die

Vorwort
                                                    Diskussion um den zentrenrelevanten Handel
                                                    an den Stadträndern, der Kampf um Lagegunst,
                                                    die Kannibalisierung des Einzelhandels, der
                                                    Umgang mit leerstehenden Handelsimmobilien usw.
                                                            In Zeiten exponentiell steigender Online-
HARTWIG SCHULTHEISS, ARCHITEKT                      Umsätze und eines stetig wachsenden Verdrän-
VORSTANDSVORSITZENDER STADTBAUKULTUR                gungswettbewerbs ist die Kooperation von
NRW E. V., STADTDIREKTOR DER STADT MÜNSTER          Stadt und Handel notwendiger denn je. Städte
                                                    müssen wieder zu Marktplätzen werden – zu
                                                    identitätsstiftenden Orten der Begegnung und
                                                    der Kommunikation. Die Zukunft der Stadt muss
                                                    somit zunehmend im öffentlichen Raum spielen.
                                                    Das Internet kann nicht nur Showroom für den
                                                    stationären Handel sein, sondern auch Lockstoff
                                                    für die Innenstädte werden: für Erlebnisräume
                                                    und multifunktionale Orte realen Begegnens.
Städte sind Spiegelbilder ihrer Gesellschaft.               Noch sind jedoch vielerorts die Probleme
Die Kluft zwischen starken Wirtschaftsregionen      des stationären Handels, die Umsatzeinbrüche
und wachsenden Städten einerseits und wirt-         durch verändertes Kaufverhalten spürbar. Zahl-
schaftlich kritischen, schrumpfenden Städten        reiche – auch traditionelle – Warenhäuser stehen
andererseits nimmt zu. Stadt und Handel sind        bereits leer oder sind akut von Leerstand bedroht.
seit jeher eng mit diesen Prozessen verbunden.      An diesen Gebäuden, einst die „Kathedralen“

                                                                                                          STUDIE
        Der Handel bildete die wirtschaftliche      der westlichen Wohlstandsgesellschaft, sind die
Grundlage für die Entstehung städtischer Ansied-    Veränderungen im Handel – und auch die Aus-
lungen. Im Gegenzug boten die Städte die ideale     wirkungen auf den städtischen Raum – am deut-
räumliche Grundlage, um Handel zu treiben. Viele    lichsten abzulesen. Eine ähnliche Entwicklung droht
stadtbildprägende Architekturen und Stadträume      langfristig auch vielen Einkaufscentern, sollte es
sind über die Jahrhunderte aus dem Zusammen-        nicht gelingen, diese Strukturen an die sich än-
spiel zwischen Stadt und Handel hervorgegangen:     dernden Bedingungen im Einzelhandel anzupassen.
Straßen, Wege, Plätze, Märkte und Passagen,                 Dass diese Veränderungen nicht immer
Einkaufsstraßen, Geschäftshäuser, Kaufhäuser        zum Nachteil der Städte sein müssen oder sogar
und Einkaufscenter. Heute wird der öffentliche      als Chance erkannt werden können, zeigen die
Raum unserer Innenstädte signifikant durch          Beispiele von erfolgreich umgenutzten und um-
den angrenzenden Handel geprägt.                    gebauten Warenhäusern, die in dieser Publikation
        An dem symbiotischen Verhältnis zwischen    vorgestellt werden. Sie zeigen auch, dass ein
Stadt und Handel hat sich bis heute nichts          Erhalt dieser Gebäude nicht nur eine wirtschaft-
geändert. Im Gegenteil: Ohne Handel sind keine      liche Alternative darstellt, sondern auch einen
attraktiven und vitalen Innenstädte denkbar, er     Beitrag zu einer nachhaltigen und geschichts-
bestimmt zu einem erheblichen Teil die Qualität     bewussten Stadtentwicklung leisten kann.
unserer Städte. Aber der permanente gesell-                 StadtBauKultur NRW richtet mit diesen
schaftliche und wirtschaftliche Veränderungs-       Beispielen auch einen Appell an Kommunen,
prozess, dem Stadt und Handel unterworfen sind,     Handel und Unternehmen, weitsichtig zu „handeln“
erfordert eine große Anpassungsfähigkeit.           und eng zusammenzuarbeiten.
        Kommunen und Unternehmen stehen hier
gemeinsam in der Verantwortung. Sie müssen
dafür Sorge tragen, dass sich Stadt und Handel im
Sinne einer zukunftsfähigen Entwicklung ergänzen.

04
Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW
1. Aufgabenstellung/
                          Einordnung
NEUERÖFFNUNG NACH UMBAU

                          Der Einzelhandel in Deutschland sieht sich ins-        In den vergangenen 20 Jahren war das inner-
                          besondere seit den 1970er Jahren gravierenden          städtische Einkaufscenter das Erfolgsmodell
                          Veränderungen ausgesetzt. Im Wesentlichen              der Immobilien- und Einzelhandelswirtschaft.
                          sind hierfür ein erhebliches Flächenwachstum,          Entsprechend viele Center sind in dieser Zeit
                          veränderte Standortanforderungen in verschie-          gebaut worden. Relativ neu ist die Tatsache, dass
                          denen Betriebsformen und ein sich stetig               aktuell nicht mehr alle innerstädtischen Einkaufs-
                          wandelndes Kundenverhalten verantwortlich.¹            center befriedigend bewirtschaftet werden
                          Aufgrund der Bedeutung des Einzelhandels               können. Infolge des immer schärfer werdenden
                          für die Entwicklung der (Innen-)Städte waren           Wettbewerbs, ausgelöst vor allem durch ein
                          damit auch große städtebauliche Veränderungen          stetiges Wachstum an Einzelhandelsflächen,
                          verbunden. Hier sind bezogen auf die großen            sind inzwischen auch bei ihnen Probleme nicht
                          Betriebstypen aktuell zwei Veränderungen beson-        mehr zu übersehen.
                          ders prägend: erstens die Aufgabe einer großen                Für die Zukunft ist – auch wegen der starken
                          Zahl von Warenhäusern und zweitens der enorme          Zuwachsraten im Internethandel – zu erwarten,
                          Erfolg und – damit verbunden – die deutliche           dass nicht nur weitere Warenhäuser, sondern
                          Zunahme von zentral gesteuerten Einkaufscentern.       auch Einkaufscenter in eine Vitalitätskrise geraten,
                          Diese „zentralistischen Handelsformen stellen          dass ihre Umnutzung ansteht oder gar ein Abriss
                          den größten Eingriff in die Stadtstruktur seit         ins Auge gefasst werden muss. Vor diesem
                          der Großstadtwerdung Ende des 19. Jahrhunderts         Hintergrund will die Landesinitiative StadtBauKultur
                          dar“.² Sie haben in den Städten zu erheblichen         NRW 2020 im Rahmen ihres Themenschwer-
                          Umwälzungen geführt und umfangreiche Über-             punktes UmBauKultur den Fragen des Umbau-
                          legungen notwendig gemacht, wie mit diesen             und Umnutzungspotenzials von Warenhäusern und
                          Entwicklungen umzugehen ist.³                          Einkaufscentern nachgehen. Im Einzelnen geht es
31.05.2015

                                 Seit bald drei Jahrzehnten ist die tief         dabei um folgende Fragen:
                          greifende Krise der Betriebsform Warenhaus
–

                          spürbar, die lange Zeit die Innenstädte geprägt hat.         Welche Möglichkeiten gibt es, großflächige
SBK #10

                          Inzwischen wurden viele Warenhäuser aufgegeben.               Einzelhandelsbauten zukünftig sinnvoll und
                          Eine ganze Reihe von Standorten ist bereits                   nachhaltig von den städtebaulichen und
                          wieder einer neuen Nutzung zugeführt worden.                  architektonischen Fehlern der Vergangen-
                          Daher liegen für diesen Betriebstyp umfangreiche              heit zu befreien?
                          Erfahrungen mit erfolgreich verlaufenen Umnut-               Können sie sinnvoll weitergenutzt werden –
                          zungen vor, von denen einige in dieser Publikation            und wenn ja, wie?
                          exemplarisch dokumentiert werden.

                                                                                                                      05
Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW
      Wie können die betroffenen Standorte            wir auch den an diesen Projekten beteiligten
       wieder zu einem Nukleus der inner-              Architekten, Projektentwicklern und Center-
       städtischen Revitalisierung werden?             managern für ihre Gesprächsbereitschaft und
                                                       für die Versorgung mit Foto- und Planmaterial.
In jeweils eigenen Einführungskapiteln zu den          Ohne ihre Hilfestellungen wäre die Publikation
Gebäudetypen Warenhaus und innerstädtisches            nicht möglich geworden.
Einkaufscenter werden in diesem Heft die maß-                  Insbesondere danken möchten wir dem
geblichen Bestimmungsfaktoren und Perspektiven         Vorstand und der Geschäftsführung der Landes-
der beiden betroffenen Betriebsformen kurz             initiative StadtBauKultur NRW 2020 für ihre uner-
erläutert (vgl. Kapitel 2 und 5). Dabei werden neben   müdlich fördernde Unterstützung des Projekts.
architektonischen und städtebaulichen Aspekten         Ihre kritisch-konstruktive Begleitung und die
auch räumlich-funktionale sowie ökonomische            damit verbundenen intensiven Diskussionen waren
Parameter angesprochen, um der Komplexität des         hilfreich und wichtig für die Durchführung
Themas gerecht zu werden. Darauf aufbauend             des Projekts.
erfolgt im Fall der Warenhäuser eine beispielhafte
Darstellung bereits erfolgreich durchgeführter
Umbauten. Für Not leidende innerstädtische Ein-
kaufscenter unterschiedlichen Typs werden die
Bestandssituation sowie – daraus abgeleitet –
Handlungsoptionen aufgezeigt. Konkrete Umbau-
konzepte können für diesen Betriebstyp (noch)
nicht vorgelegt werden, da sich die bei Centern
durchgeführten Umbauten bisher nur auf ihre

                                                                                                                           STUDIE
innere Struktur bezogen. Bei ihnen erfolgte in der
Regel lediglich eine Art „Facelifting“. Den jeweili-
gen Centertypen werden typische Schwachstel-
len aus städtebaulicher Sicht zugeordnet und
für einige Fälle erste Umbau- und Umnutzungs-
optionen diskutiert.
       Das Heft will Anregungen geben, wie in
Zukunft mit Umbauten von Großimmobilien des
Einzelhandels umzugehen ist. Letztlich wird auch
die Frage diskutiert, ob sich Städte vor dem
Hintergrund der Vollversorgung weitere mono-
funktionale, teilweise städtebauliche Strukturen
auflösende Gebäude überhaupt noch leisten
können. Und wenn ja, wie diese im Sinne einer
nachhaltigen Stadtentwicklung auf zukünftige
Umnutzungen vorbereitet werden können.
       Die Autoren bedanken sich an dieser Stelle
ausdrücklich bei den an der Erstellung dieser Un-      1   Ausführlich hierzu: Reink 2014: 11–20
tersuchung beteiligten Städten Bochum, Detmold,        2   Guratzsch 2013
Dorsten, Gelsenkirchen, Gummersbach, Hamm,             3   Dabei resultiert das kommunale Interesse an diesen
                                                           Prozessen im Wesentlichen aus zwei Aspekten: Einmal
Lünen, Neuss, Siegen, Solingen und Wuppertal               waren die Objekte der Einkaufsort der Stadt, ein Verlust
für die freundliche Unterstützung, insbesondere            dieser Einrichtung ist meist ein wichtiges gesellschaftliches
bei den dortigen für Stadtplanung zuständigen              Thema in der Stadt. Daneben führt ein Verwaisen dieser
                                                           meist in zentralen Lagen befindlichen, großen Objekte zu
Dezernaten und Geschäftsbereichen. Für die                 erheblichen negativen Ausstrahlungseffekten auf das städ-
Untersuchung der Warenhaus-Fallbeispiele danken            tebauliche Umfeld.

06
Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW
2. Warenhäuser
NEUERÖFFNUNG NACH UMBAU

                          Allgemeine
                                                                                ungeheures Warenangebot zur Schau gestellt.
                                                                                Einkaufen sollte mehr als pure Zweckerfüllung

                          Einordnung¹
                                                                                sein. Shoppen wurde zu einem Erlebnis und zum
                                                                                gesellschaftlichen Ereignis. Die Gebäude unter-
                                                                                strichen ihren Anspruch nach außen durch präch-
                                                                                tige und repräsentative Fassaden. Es entstanden
                                                                                Prunkstücke der Architektur, die insbesondere
                                                                                nachts durch die Beleuchtung eine märchenhafte
                                                                                Aura erhielten.
                                                                                        Als erstes echtes Warenhaus gilt der
                                                                                „Bon Marché“ in Paris,³ der 1838 eröffnet wurde.
                                                                                In Deutschland eröffneten die ersten Warenhäuser
                                                                                einige Jahre später und verbreiteten sich dank
                                                                                ihres Erfolgs rasch: 1876 übernahm Georg Wertheim
                                                                                in Stralsund das Textilgeschäft seiner Eltern,
                          Warenhäuser stehen seit einigen Jahrzehnten           1881 eröffnete Rudolf Karstadt sein „Manufactur-,
                          unter einem erheblichen Wettbewerbsdruck.             Confections- und Tuchgeschäft“ in Wismar und
                          Ihre Anteile am Einzelhandelsumsatz sinken konti-     ein Jahr später Hermann Tietz einen „Laden für
                          nuierlich; dementsprechend mussten viele Häuser       Garn-, Knopf-, Posamentier-, Weiß- und Wollwaren“
                          schließen und sogar einige Konzerne aufgeben.         in Gera.⁴ Die Liste lässt sich mit Namen wie
                          Wegen der großen Bedeutung für die Entwicklung        Theodor Althoff in Dülmen und Simon Schocken
                          der städtischen Zentren war und ist diese Pro-        in Zwickau leicht erweitern. So sprossen vom
                          blematik auch stets Gegenstand politischer und        ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ersten
                          planerischer Diskussionen.                            Weltkrieg in deutschen Städten überall monumen-
                                  Die Geschichte der Warenhäuser beginnt        tale Warenhäuser aus dem Boden – wenngleich
                          etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Diese neue           auch wesentlich später als in Frankreich oder den
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                          Angebotsform zielte mit ihrem Warensortiment –        USA. Das Prinzip „Alles unter einem Dach“ wurde
                          im Gegensatz zu ihrem Vorläufer, der Passage –        zu ihrem Erfolgskonzept, weil es die Idee einer
–

                          auf eine breitere Käuferschicht, die mit dem          uralten urbanen Einrichtung konsequent fortsetzte:
SBK #10

                          erstmals zur Verfügung stehenden Massenangebot        Kaufhäuser waren im Grunde nichts anderes
                          der industriellen Warenproduktion angesprochen        als überdachte Marktplätze, die in die Vertikale
                          werden sollte. Neue Verkaufsprinzipien waren          wuchsen. Dabei waren die Warenhäuser aber
                          vor allem ein breites Angebot auf Vorrat, ein hoher   nicht nur Orte des Konsums, sondern ebenso
                          Umsatz sowie kleine und dabei feste Preise.²          urbane Treffpunkte. Als Gebäude für den Handel,
                          In großen, lichtdurchfluteten Räumen wurde ein        die durch ihre Marktfunktion ein ganz wesentliches

                                                                                                                   07
Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW
Abb. 1: Paris, Grands Magasins du Printemps, 1865 eröffnet,   Abb. 2: Berlin, Warenhaus Karstadt, 1929 eröffnet,
Architekt: Paul Sédille                                       Architekt: Philipp Schaefer

Element für unser Verständnis von Stadt in sich               Stahlbetonbau nicht länger ein tragendes Bau-
tragen, erlangten sie sehr schnell eine herausra-             element sein musste, wurde zunehmend zu einem
gende Anziehungskraft in den Städten. Sie wurden              Werbeträger. Natürlich kamen der Fassade immer
Impulsgeber für den Einzelhandel, Architektur-                noch traditionelle funktionale Aufgaben zu, wie
ikonen und Touristenattraktionen. Die erste Krise             die Belichtung der Innenräume und die Aussicht
erlebte der Betriebstyp durch den Ersten Welt-                von innen nach außen. Jedoch wurde auf den
krieg. Er schnitt Deutschland von Warenlieferun-              repräsentativen Aspekt des äußeren Gewandes in

                                                                                                                   STUDIE
gen aus dem Ausland ab, führte zu sinkenden                   Anlehnung an die klassische Architektursprache
Bevölkerungszahlen und mündete letztlich in einer             immer weniger Wert gelegt. Von derartigen Zwän-
Weltwirtschaftskrise.                                         gen befreit, konnte die Fassade nun zu einem
        Im Gegensatz zu den Warenhauspalästen                 eigenen Markenzeichen werden, das vielerorts als
des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die Émile                Variation eines und desselben Themas in Erschei-
Zola als das Paradies der Damen (Au Bonheur                   nung trat. Nachts effektvoll beleuchtet, konnte
des Dames, 1884) beschrieb, wurde die Architek-               es auf den Betreiber hinweisen, ohne dabei den
tur der Warenhäuser in den 1920er Jahren von                  jeweiligen städtebaulichen Kontext zu ignorieren.
einer ästhetischen Versachlichung bestimmt.                   Die Warenhäuser sollten weiterhin einen beson-
Das Warenhaus entwickelte sich vom komplexen                  deren Blickpunkt innerhalb ihres urbanen Umfelds
Raum des Sinnesrausches zum optimal genutz-                   darstellen. Insbesondere der Karstadt-Konzern
ten department store. Innere Organisation und                 und die Firma Schocken machten sich dieses
Gestaltung wurden ökonomisiert. Die Grundrisse                Gestaltungsprinzip zu eigen. Bei letzterem Kauf-
waren von einer ökonomischen Wegeführung                      hausbetreiber denkt man unwillkürlich an den
geprägt. Wegen der Übereinanderstapelung der                  Architekten Erich Mendelsohn, der wohl wie kein
Verkaufsflächen erlangten Treppen, Fahrstühle                 anderer eine Synthese aus Corporate Design und
und die neuartigen Rolltreppen besondere Be-                  einer dynamisch-expressiven Großstadtarchi-
deutung. Eine Formenberuhigung der Architektur                tektur kreierte und damit diese Bauaufgabe zu
rückte die Waren in den Vordergrund.                          seiner Zeit eindrucksvoll auf ein neues Niveau
        Auf das äußere Erscheinungsbild wurde                 anhob (Kaufhäuser Schocken in Stuttgart 1926–
zwar weiterhin erheblicher Wert gelegt, dennoch               1928 und in Chemnitz 1927–1930).
trat hier eine entscheidende Veränderung ein,                         Massive Umwälzungen in der Eigentums-
die die Identitätsbildung des Bautypus „Waren-                situation waren dann infolge der Machtübernahme
haus“ ganz wesentlich prägen sollte: Die Fassade,             durch die Nationalsozialisten festzumachen. Da
die aufgrund der bautechnischen Entwicklung im                „jüdische Kaufleute und Unternehmer im Handel

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Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW
NEUERÖFFNUNG NACH UMBAU

                          Abb. 3: Chemnitz, Warenhaus Schocken, 1930 eröffnet,   Abb. 4: Frankfurt am Main: Warenhaus Kaufhof, 1950
                          Architekt: Erich Mendelsohn                            als zweigeschossiger Bau eröffnet, 1954 aufgestockt,
                                                                                 Architekt: Peter Grund

                          eine gewichtige Rolle spielten, konnten aus dieser     als charakteristisch erkannt werden sollte, bedurf-
                          Tatsache heraus leicht Generalisierungen formu-        te es einer simplifizierten Formensprache, die
                          liert werden: Das Warenhaus selbst wurde zur           sich vom architektonischen Umfeld als Blickfang
                          jüdischen Einrichtung“⁵ – und die Unternehmen          abhob und zugleich über Merkmale verfügte, die
                          wurden nach und nach „arisiert“⁶.                      auch andernorts eine Wiedererkennung zuließen.
                                  Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es dann         Ein weiteres mit der zunehmenden Mobilität
                          zu einer neuen Blütezeit der Warenhäuser.⁷ Im          einhergehendes Phänomen war die planerische
                          Spannungsfeld zwischen Wiederaufbau und städte-        Einbeziehung von Parkhäusern. Die Schaffung
                          baulichem Neubeginn im Sinne einer funktional          von Parkmöglichkeiten für die Kunden wurde zu
                          gegliederten und aufgelockerten sowie autoge-          einem elementaren Aufgabenbereich innerhalb
                          rechten Stadt bildeten die Warenhäuser wichtige        des Bauens von Warenhäusern. Viele Parkhäuser
                          Fixpunkte in der City. An zentralen Stellen der        entstanden darum als architektonische Einheit mit
                          Stadt sollten die Warenhäuser als Anziehungs-          den Warenhäusern: als Parkdeck auf dem Dach,
                          punkte wirken, um vorhandene Einkaufsgegenden          in Form eines eigenständigen Parkhauses oder als
                          zu stärken oder zu verlagern. Die Warenhaus-           Tiefgarage.
                          ketten versuchten sich mit großen Investitionen die           Nicht zuletzt um das breite Warenangebot,
                          besten Plätze zu sichern und arbeiteten zuneh-         welches das „Wirtschaftswunder“ der Nach-
                          mend mit festen Architekturbüros zusammen, um          kriegszeit für jedermann erlebbar machte, besser
                          in den verschiedenen Städten ein einheitliches         räumlich unterbringen zu können und in den
                          Aussehen der Gebäude zu gewährleisten.                 Mittelpunkt der räumlichen Inszenierung zu
                                  Die individuelle Mobilität prägte in dieser    stellen, setzten die Warenhäuser baulich auf
                          Zeit zunehmend das Alltagsleben und das Gesicht        demonstrative Geschlossenheit, Schlichtheit
                          der autogerechten Städte. Mit dem Pkw gelangte         und Funktionalität bei den Fassaden, die als
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                          man nun direkt in das Schlaraffenland der 1950er       Markenzeichen des jeweiligen Konzerns gestaltet
                          und 1960er Jahre – in die Warenhäuser. Aus der         wurden. Die Fassaden der einfachen Baukörper
–

                          wachsenden Mobilität resultierten auch Verände-        wurden je nach Konzernzugehörigkeit in ein relativ
SBK #10

                          rungen des äußeren Erscheinungsbilds. Die              einheitliches Gewand gekleidet, das primär als
                          mit der Automobilisierung einhergehende höhere         Werbeträger und Erkennungszeichen der jeweili-
                          Geschwindigkeit, mit der man sich durch den            gen Kaufhauskette diente. Zu den Pionieren dieser
                          öffentlichen Straßenraum bewegte, veränderte           Entwicklung gehörte neben Harald Loebermann
                          auch die räumliche Wahrnehmung der Menschen.           und Helmut Rhode (Merkur Duisburg, 1958) vor
                          Da die Fassadengestaltung schon im Vorbeifahren        allem Egon Eiermann (Horten Heidelberg, 1961 mit

                                                                                                                             09
Neueröffnung nach Umbau - Konzepte zum Umbau von Warenhäusern und Einkaufs centern - StadtBauKultur NRW
Robert Hilgers). Dessen Gitterwerkfassade für die
Horten-Warenhäuser wurde zum unübersehbaren
Zeichen, das die Identität mit der Marke herstellte.
Einerseits verhalf diese Art der Fassadengestal-
tung den Warenhäusern zu weiter Verbreitung und
Popularität, andererseits jedoch beschwor sie
eine heftige Kritik an diesen offensichtlich selbst-
genügsamen Bauformen herauf.
        Demgegenüber wurde auf die Ausgestal-
tung der Erdgeschossfassade, also des Kontaktbe-
reichs zwischen Fußgängerweg und Verkaufsraum,
besonderer Wert gelegt. Eingänge und Schaufens-
ter wurden so gestaltet, dass sie die Passanten
quasi in die Verkaufsräume hineinzogen. Aufgrund
der Geschlossenheit bedurfte es nun eines durch-
dachten klimatechnischen Konzepts, um eine
starke Aufheizung der Innenräume zu vermeiden.
Im Inneren der Gebäude zielte die Warenpräsen-
tation auf eine klare, technisch perfekte Ästhetik.
So bildete sich ein Repertoire einfacher Formen
und großflächiger Raumbegrenzungen heraus.
Außer der Forderung nach großen zusammenhän-           Abb. 5: Stuttgart, Warenhaus Merkur, 1967 eröffnet,
genden Verkaufsflächen gab es für die Architekten      Architekt: Egon Eiermann

                                                                                                             STUDIE
kaum weitere bindende Vorgaben zu beachten.
Das schon zu Weimarer Zeit bestehende Raum-            „gegliederten und aufgelockerten“ sowie der
programm wurde um Restaurants bzw. Schnell-            „autogerechten Stadt“ richtete. Die Wahrneh-
restaurants erweitert. Den Verkehrselementen –         mung dieser Warenhäuser im öffentlichen
Fahrstuhl, Treppe, Rolltreppe – wurde zunehmend        Straßenraum beschwor Unmut herauf. Pauschal
mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Mit dem Zusam-          lautete der Vorwurf, die Nachkriegswarenhäuser
menschluss der Elemente Treppe und Rolltreppe          seien „durchrationalisierte Waren- und Verkaufs-
in zentraler und den Kundenaufzügen in dezent-         schachteln, abgeschlossen nach außen, Illusions-
raler Lage wurde der künftige Erschließungskanon       fabriken im Inneren.“⁸
entwickelt. Eine leichtere und transparentere                 Ihren Bedeutungszenit überschritten die
Konstruktion von Rolltreppen und Kundenaufzü-          Warenhäuser Anfang der 1970er Jahre, als es in
gen erleichterte die Orientierung und minimierte       Westdeutschland noch 1.150 Kauf- und Waren-
Sichtbehinderungen.                                    häuser gab, die einen Anteil von 10 Prozent des
        Gegen die zunehmend introvertierter            gesamten Einzelhandelsumsatzes auf sich ver-
angelegte Architektur erhob sich immer häufiger        einten.⁹ Seitdem sank der Umsatzanteil stetig:
Kritik. Die Vereinfachung der Gestalt und die          Lag er 1990 noch bei 4,6 Prozent, waren es 2010
Abschirmung der Innenwelt der Warenhäuser vom          nur noch 2 Prozent.¹⁰ Mitverantwortlich hierfür
Außenraum führten vielerorts zu einer empfindli-       war neben der allgemeinen Steigerung der Ver-
chen Störung des Stadtbilds. Die planerische           kaufsflächen und einem sich ständig ändernden
Schwerpunktsetzung auf die Wahrnehmung der             Kundenverhalten das Vordringen zweier neuer
Marke, die Erreichbarkeit mit dem Auto und die         Betriebstypen: des Verbrauchermarkts und des
räumliche Ökonomisierung führte zu solitären           Einkaufscenters, beide zunächst vornehmlich
Großbauten, gegen die sich ab den 1970er Jahren        auf der „grünen Wiese“ errichtet. Als die Einkaufs-
zunehmend die Kritik an den Auswüchsen des             center in den 1990er Jahren mehr und mehr in
Nachkriegsstädtebaus unter den Leitbildern der         die Innenstädte vordrangen, wurden sie zu einer

10
unmittelbaren räumlich benachbarten Konkurrenz                           450
                                                                                                                                                                         14
                          der Warenhäuser.                                                         400
                                  Die Kunden verabschiedeten sich vor die-                                                                                               12

                                                                                                                                                                              UMSATZ (MRD. EURO)
                                                                              ANZAHL WARENHÄUSER
                                                                                                   350
                          sem Hintergrund verstärkt vom Motto „Alles unter                         300                                                                   10
                          einem Dach“ und bevorzugten die spezialisier-                            250                                                                    8
                          ten Angebote des „Shop-in-Shop-Prinzips“ der
NEUERÖFFNUNG NACH UMBAU

                                                                                                   200
                                                                                                                                                                          6
                          Einkaufscenter. Zudem mieden sie immer häu-                              150
                                                                                                                                                                          4
                          figer die Obergeschosse, weil der Wunsch nach                            100
                          Bequemlichkeit wuchs und die Warenhäuser zu                               50                                                                    2

                          wenig Aufforderungscharakter zum Weitergehen                               0                                                                    0
                          in die oberen Verkaufsgeschosse entwickelten.

                                                                                                         1990

                                                                                                                1993

                                                                                                                       1996

                                                                                                                              1999

                                                                                                                                     2002

                                                                                                                                            2005

                                                                                                                                                   2008

                                                                                                                                                           2011

                                                                                                                                                                  2012
                          Gleichzeitig wurde auf der Angebotsseite deut-
                          lich, dass bei einigen Warenhäusern die Stand-                            Anzahl                       Umsatz
                          ortbedingungen suboptimal waren. In den Boom-
                          jahren der Nachkriegszeit schien jeder Standort          Abb. 6: Entwicklung der Warenhäuser (Karstadt, Kaufhof,
                          rentierlich zu sein; durch die neue Konkurrenz           Hertie, Horten) 1990–2012¹¹

                          und die veränderten Kundenwünsche war das nun
                          nicht mehr so.
                                  Deutlich wird die Warenhauskrise beson-          zu können als en bloc unter Zugeständnis einer
                          ders am Beispiel des ehemals größten deutschen           Mietsenkung (Gewinnmaximierungsprinzip), und
                          Handelsunternehmens Karstadt, zu dem ab 1994             wollte sich damit selbst sanieren. Als dies miss-
                          auch die Hertie-Warenhäuser gehörten, die nach           lang, beschloss die Gläubigerversammlung im
                          und nach in Karstadt umbenannt oder geschlossen          Mai 2009, die 54 noch unter dem Namen Hertie
                          wurden. Nach der Fusion mit dem Versandhaus              betriebenen Kaufhäuser zu schließen. So schlos-
                          Quelle 1999 geriet der nun als KarstadtQuelle AG         sen im Laufe des Jahres auch die Warenhäuser in
                          firmierende Konzern um 2004 in eine finanzielle          Lünen, Gelsenkirchen-Buer und Detmold, deren
                          Schieflage, in deren Folge er im August 2005 74          Umbau- und Umnutzungskonzepte in Kapitel 3
                          Filialen („Karstadt Kompakt“, mit Verkaufsflächen        beschrieben werden.
                          von weniger als 8.000 Quadratmetern) an den                      Wie sich diese Entwicklungen auf Anzahl
                          britischen Finanzinvestor Dawnay Day verkaufte.          und Umsatz der Warenhäuser niedergeschlagen
                          Dieser führte 2007 den Namen Hertie wieder ein.          haben, verdeutlicht Abbildung 6. Danach ist die
                          Die Finanzmarktkrise zerschlug jedoch die erhoff-        Anzahl der ehemals vier großen Warenhausketten
                          ten Renditeerwartungen. Im Juli 2008 musste              (Karstadt, Kaufhof, Hertie, Horten) von rund 330
                          Hertie Insolvenz anmelden. Die Schließung der            Häusern im Jahr 1990 bis 2012 um fast ein Drittel
                          kompletten Warenhauskette war nach Einschät-             gesunken und der Umsatz im gleichen Zeitraum
                          zung des Insolvenzverwalters unvermeidbar, wenn          sogar um fast zwei Drittel zurückgegangen. Neben
                          sich der Hertie-Gesellschafter und Eigentümer            den Horten- und Hertie-Häusern – die seit den
                          Dawnay Day nicht zu drastischen Senkungen der            1990er Jahren umbenannt, verkauft oder ge-
                          weit über dem Marktwert liegenden Mieten bereit          schlossen wurden – waren von den Schließungen
31.05.2015

                          erklärte. In Nordrhein-Westfalen, wo mit 34 die          vor allem Warenhäuser in Städten unter 100.000
                          überwiegende Zahl der verbliebenen Filialen lag,         Einwohnern, in Regionen mit hohem Flächen-
–

                          bot das Landeswirtschaftsministerium an, das             besatz und solche abseits der 1A-Lagen betroffen.
SBK #10

                          Unternehmen mit einer Bürgschaft bei der Su-
                          che nach einem neuen Investor zu unterstützen,
                          wenn es zu diesem Mietsenkungen bereit sei. Dies
                          hätte den Warenhäusern gute Überlebenschancen
                          eröffnet. Der Konzern glaubte jedoch, die Miet-
                          flächen einzeln zu weit höheren Preisen vermieten

                                                                                                                                                          13
Eine zögerliche Bereitschaft zu Vermietung

Leer stehende
                                                         bzw. Verkauf wirkt hierbei zusätzlich negativ.
                                                         Die Einsicht, dass es besser wäre, sich von

Warenhäuser und
                                                         zu hohen Buchwerten¹⁵ zu lösen, braucht
                                                         Zeit und macht deshalb die Verhandlungen

ihre Revitalisierung
                                                         nicht einfach. Gerade in den letzten Jahren
                                                         haben die Aktivitäten der Städte jedoch dafür
                                                         gesorgt, dass sich die Immobilienwerte zu-
                                                         nehmend an die tatsächlichen Marktgegeben-
                                                         heiten anpassen.
                                                      2. Einige Objekte befinden sich baulich in einem
                                                         schlechten Zustand und sind zudem mono-
                                                         funktional auf eine Warenhausnutzung
                                                         ausgelegt, sodass bei einer Wiedernutzung
                                                         oder Umstrukturierung nicht unbeträchtliche
                                                         Investitionskosten entstehen. In Zusammen-
                                                         hang mit dem zuvor genannten Punkt der
                                                         überhöhten Kaufpreisvorstellungen ergeben
Die Öffentlichkeit stufte die Schließungen der           sich daraus weitere erschwerende Rahmen-
Warenhäuser gemeinhin als großen Verlust ein,            bedingungen.
zumal negative Ausstrahlungseffekte nicht lange       3. Ein vielerorts festzustellendes Überangebot
auf sich warten ließen. Sie waren zuvor meist            an Einzelhandelsflächen bei gleichbleibenden
der zentrale Einkaufsort gewesen, vielfach sogar         Umsatzerwartungen führt zur Investitions-

                                                                                                            STUDIE
Identifikationspunkt der Stadt bzw. Innenstadt,          zurückhaltung.
dies vor allem in Klein- und Mittelstädten. Die
Wiederinwertsetzung dieser Objekte stand und          In naher Zukunft dürften die Zeiten für die noch
steht daher in allen Städten ganz oben auf der        existierenden Warenhäuser nicht ruhiger werden.
Tagesordnung. Hinsichtlich der Umsetzung wird         Die Schlagzeilen aktueller Meldungen in Fach-
vor allem der Standort des Warenhauses in             und Tageszeitungen verdeutlichen, dass die
der Regel als günstig für eine neue Nutzung ein-      Eigentümer nur noch begrenzte Freude an der
geschätzt;¹² aber auch die Größe der Objekte          Betriebsform haben und mal leiser, mal lauter
eröffnet viele Spielräume. Diese relativ günstigen    über Verkäufe nachdenken. Auch die Option eines
Bedingungen spiegeln sich auch darin wider,           Zusammengehens von Karstadt und Kaufhof macht
dass nach einer Untersuchung der HafenCity            wieder die Runde.¹⁶ Neuere wissenschaftliche
Universität Hamburg 90 Prozent der untersuchten       Studien bestätigen diese kritische Markt- und
Standorte nachgenutzt werden. Dabei zieht sich        Wettbewerbsposition für die Betriebsform
der Ansiedlungsprozess in den meisten Fällen          Warenhaus:¹⁷ Vor allem in Städten unter 100.000
(40 Prozent) jedoch über mehr als fünf Jahre hin.¹³   Einwohnern hätten Warenhäuser kaum eine
        Für diese relativ langen Entwicklungszeiten   Zukunftsperspektive. In diese Klasse fallen 27 noch
sind neben der wirtschaftsstrukturellen Situa-        existierende Karstadt- und 22 Kaufhof-Häuser
tion der jeweiligen Stadt vor allem drei Aspekte      in Deutschland. Und auch bei einem Zusammen-
verantwortlich:                                       gehen der Warenhäuser wird hier über die
                                                      Schließung von rund 50 Häusern spekuliert.¹⁸
1.   Teilweise führen durch Insolvenzen entstan-              Die Umnutzungsaufgabe wird also weiter
     dene, komplizierte, auch durch internationales   aktuell bleiben und nicht nur die Handelskonzerne
     Recht tangierte Eigentumsverhältnisse und        oder Immobilieneigentümer beschäftigen, son-
     hohe Kaufpreisvorstellungen zwangsläufig zu      dern auch die Kommunen. Vielleicht können die
     langwierigen, zähen Verhandlungen zwischen       folgenden Best-Practice-Beispiele Anregungen
     Immobilieneigentümern und Entwicklern.¹⁴         für Lösungsansätze bieten.

14
NEUERÖFFNUNG NACH UMBAU

                          Abb. 7: Herne, ehemaliges Warenhaus Hertie, seit 2009 leerstehend

                          1  Zentrale Teile der Darstellung beruhen auf den                   13 Hangebruch 2014: S. 52
                             folgenden Veröffentlichungen:                                    14 Meyer (2011) führt aus, dass im Fall von Hertie vor allem
                             Imorde/Junker 2014: S. 49–54; Pump-Uhlmann 2011:                    mit regionalen Projektentwicklern verhandelt wurde;
                             S. 9–21                                                             überregional agierten nur Kaufland und ECE.
                          2 Dörhöfer 2008: S. 27 f.                                           15 Der Buchwert wird in der Bilanz des Eigentümers geführt,
                          3 Ulrich 2013                                                          er liegt im Fall vieler Warenhäuser deutlich über dem
                          4 Esslinger 2009                                                       Verkehrswert.
                          5 Strohmeyer 1980: S. 155                                           16 Zum Beispiel: Weber, Stefan: „Und er tut es doch.
                          6 Ausführlich hierzu: Ladwig-Winters 1997                              Anders als er es beteuert hat, verkauft Nicolas Berggruen
                          7 Schwanenflug 4/2013                                                  nun Einzelteile von Karstadt. Die Signa-Gruppe übernimmt
                          8 Ullmann 1973: S. 46                                                  die Mehrheit an den Premium- und Sporthäusern.
                          9 Frei 1997: S. 160                                                    Verdi spricht von einer Zerschlagung des Unternehmens“.
31.05.2015

                          10 Hessert 2013                                                        In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 215 vom 17.9.2013; o. V.:
                          11 Quelle: eigene Darstellung nach: Handel aktuell 1991, 1994,         „Metro will Kaufhof jetzt doch verkaufen. Pläne des
                             1997, 2000, 2003, 2006/07, 2009/10, EHI Retail Institut,            Handelskonzerns heizen die Spekulationen um Warenhaus
–

                             Köln und http://www.handelsdaten.de/statistik/daten/                AG an“. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Nr. 228 vom
SBK #10

                             studie/205841/umfrage/warenhaeuser---umsatz-der-                    30.9.2013
                             fuehrenden-warenhausunternehmen-in-deutschland-im-               17 Schwanenflug 2012
                             jahr-2010/http://www.handelsdaten.de/statistik/daten/            18 Bialdiga, Kirsten/Giesen, Christoph/Hägler, Max:
                             studie/205852/umfrage/zahl-der-warenhaeuser-der-                    ,,Aus der Not geboren. Karstadt plus Kaufhof:
                             groessten-warenhausunternehmen-in-deutschland-im-                   Die Eigentümer verhandeln über einen Zusammenschluss,
                             jahr-2010/                                                          doch es gibt noch einen Interessenten“. In: Süddeutsche
                          12 Er liegt oft mitten in der Innenstadt bzw. im                       Zeitung, Nr 115 vom 21.5.2015
                             Stadtteilzentrum und zentral im Kundenlauf (Meyer 2011).

                                                                                                                                         15
STUDIE

Abb. 8: Lünen, ehemaliges Warenhaus Hertie während des Umbaus

16
3. Umbau und Umnutzung
                          von Warenhäusern
NEUERÖFFNUNG NACH UMBAU

                          BEST-PRACTICE-BEISPIELE

                          In den vergangenen fast drei Jahrzehnten ist          weitestgehend von öffentlichen Einrichtungen
                          eine Vielzahl von Warenhäusern leer gezogen –         genutzt. Mit Blick auf die Nutzungen ist das
                          und der Großteil von ihnen ist wieder neu- oder       Fallbeispiel Hamm somit den Umbauten der
                          nachgenutzt worden. Dementsprechend viele             Warenhäuser Siegen und Neuss zuzuordnen.
                          Umnutzungsbeispiele sind inzwischen bekannt.
                          Für diese Publikation wurden sechs Warenhäuser
                          ausgewählt, die baulich neue Maßstäbe setzen
                          und für unterschiedliche Formen der Umnutzung
                          stehen.
                                  Zunächst werden Fälle vorgestellt, in denen
                          die Gebäude (weitestgehend) durch eine öffent-
                          liche Einrichtung nachgenutzt werden. Hier war
                          entweder eine privatwirtschaftliche Lösung nicht
                          möglich und/oder die öffentliche Interessenlage
                          passte unmittelbar zum leer gefallenen Gebäude-
                          angebot. Ausgewählt wurden die Warenhäuser
                          Kaufhof Siegen und Horten Neuss.
                                  Die zweite Gruppe stellt Beispiele vor, bei
                          denen eine hybride Nachnutzung gefunden wurde,
                          meist Einzelhandel im Erdgeschoss und Dienst-
                          leistungen oder Wohnen in den Obergeschossen.
                          Ausgewählt wurden hier die Warenhäuser Hertie
                          Lünen und Karstadt Gelsenkirchen-Buer.
31.05.2015

                                  Schließlich wird auf ein Beispiel einge-
                          gangen, für das in vorbildlicher Weise wieder eine
–

                          Einzelhandelsnutzung gefunden werden konnte.
SBK #10

                          Ausgewählt wurde das Warenhaus Hertie Detmold.
                                  Abschließend wird der Umgang mit der
                          Horten-Immobilie in Hamm dargestellt. Dieses
                          Projekt ist ein Beispiel für einen Gebäudeabriss
                          mit anschließendem Neubau. Der Neubau wird

                                                                                                                  17
Zudem verschärfte sich die Trennung der Siegener Innenstadt
                                                                 in Unter- und Oberstadt. Die Etablierung einer „Neuen Mitte“
3.1 Siegen                                                       an der Peripherie des Stadtkerns nahm dem alten Zentrum
                                                                 erwartungsgemäß seine Bedeutung als Ort des Handels.
‰ ehemaliger Kaufhof                                             Dieser Funktionswandel beeinträchtigte die Altstadt stark und
                                                                 zog die Schließung vieler dort ansässiger alteingesessener
Š KrönchenCenter                                                 Einzelhändler und Gastronomen sowie die Entleerung des
                                                                 Wochenmarkts nach sich. Die Standortverlagerung der
                                                                 Filialisten in die Unterstadt führte zu einer Funktionsänderung
                                                                 der Oberstadt und damit zu einem Bedeutungsverlust des
                                                                 ehemals wichtigsten Einzelhandelsstandortes. Nach Schließung
                                                                 des Kerber-Kaufhauses 1999 setzte sich die Erkenntnis durch,
                                                                 dass großflächiger Einzelhandel an diesem Mikrostandort nicht
§    Langjähriger Leerstand                                      mehr anzusiedeln und ein Shop-in-Shop-System für die zu
§    kommunales Engagement                                       akquirierenden „kleinen“ Einzelhändler nicht finanzierbar sei.
§    kommunale Kultureinrichtungen und Einzelhandel                   Um die im Zweitablauf zunehmende Leerstandsquote
                                                                 in der Oberstadt zu senken, musste die Stadt erhebliche
                                                                 Anstrengungen unternehmen. Der Einzug von marginalen
                                                                 Dienstleistern, Gastronomen und Konsumangeboten in
Standort: Markt 25, Siegen                                       die leeren Ladenlokale konnte den Qualitätsverlust zwar nicht
                                                                 beseitigen, jedoch etwas lindern. Von besonderer Bedeutung
Umbau:                                                           für die Stabilisierung der Oberstadt war die Wiederbelebung
                                                                 des ehemaligen Kaufhof-Warenhauses mit der auch ein
Bauherr/Eigentümer: Stadt Siegen (heute)                         Funktionswandel weg vom Einzelhandel verbunden war.
Bauzeit: 2006–2007
Neue Nutzung: Kommunikations- und Kulturzentrum,
Nahversorgungsmarkt                                              2. Planungsprozess
Architekt: Architektur-Atelier Jürgen Christ
(Eltville-Martinsthal)                                           Die Wiederbelebung des 1928 erbauten und 1953 mit einem

                                                                                                                                   STUDIE
Oberirdische Geschosse: 3 zzgl. Dachgeschoss                     Erweiterungsbau versehenen Warenhausgebäudes hatte
Nutzfläche: ca. 10.000 m²                                        aufgrund seiner Bedeutung für die Oberstadt höchste Priorität
Parkplätze: 346 im benachbarten Parkhaus Rathaus/Markt           innerhalb der Stadtentwicklung. Städtische Investitionen
Umbaukosten: ca. 5 Mio. Euro inkl. Grunderwerbskosten            erschienen aber zunächst ausgeschlossen, da sich das
                                                                 Gebäude zum Zeitpunkt seiner Schließung nicht in kommuna-
                                                                 lem Eigentum befand. Nachdem jedoch die Akquisitions-
Bauliches Original:                                              bemühungen der Eigentümerin Deka Immobilien Investment
                                                                 GmbH um neue Mieter ergebnislos geblieben waren, bestand
Bauherr/Eigentümer: Leonhard Tietz AG Köln,                      Verkaufsbereitschaft. Die fünfjährigen Anstrengungen der
ab 1933 Westdeutsche Kaufhof AG                                  städtischen Projektgruppe „Reaktivierung Kaufhof“ wurden
Baujahr: 1928 bzw. 1953 (Erweiterung)                            belohnt: Am 22. Dezember 2004 erwarben die Projektgesell-
Architekt: Wilhelm Kreis (Dresden)                               schaft Heidenberg (inzwischen: „Projekte für Siegen“) und die
                                                                 Stadt Siegen die Immobilie gemeinsam in Teileigentum. Der
                                                                 nächste Schritt war die Entwicklung eines Nutzungskonzepts
1. Ausgangssituation¹                                            durch die neuen Eigentümer. Dieses Konzept sah vor, das
                                                                 ehemalige Traditionskaufhaus in ein Kulturzentrum (Krönchen-
Die Innenstadt Siegens (103.000 Einwohner) ist durch die         Center) mit ergänzender Einzelhandelsfunktion umzuwandeln.²
Bereiche Unter- und Oberstadt geprägt, die durch eine
Hauptverkehrsstraße voneinander getrennt sind. Seit 1928
war das Kaufhof-Warenhaus in der Oberstadt ein namhafter         3. Darstellung der baulichen und funktionalen Neuordnung³
Kundenmagnet mit großer Strahlkraft und diente zugleich
als Endpunkt der bis dahin gemäß dem „Knochenprinzip“            Das Konzept beinhaltete die übergeordnete Idee, die bisher
funktional angelegten Innenstadt. Die Immobilie umfasste         im Stadtgebiet verteilten städtischen Kultureinrichtungen
ca. 10.000 Quadratmeter Mietfläche bzw. ca. 8.000 Quadrat-       wie Stadtbibliothek, Volkshochschule, Stadtarchiv, aber auch
meter Verkaufsfläche. Ab 1994 nutzte die Kaufhaus Kerber         die wissenschaftliche Bibliothek des Siegerlandmuseums sowie
GmbH, eine Tochter der Kaufhof Warenhaus AG, mit flächen-        die Brüder-Busch-Gedenkstätte (Archiv der international
reduziertem Konzept einen Teil der Immobilie. Mit der            bekannten Siegener Musikerfamilie) zu einem kommunalen
Realisierung der City-Galerie als Einkaufscenter in der Unter-   Kommunikations- und Bildungszentrum zusammenzufassen.
stadt entstand 1998 eine neue Einzelhandelskonkurrenz –          Von dieser Zusammenlegung zu einem „Treffpunkt der Kultur
mit der Folge, dass das Betreibermodell des Kaufhauses Kerber    und Medien“ sollten alle genannten Kultureinrichtungen durch
nicht mehr die frequenzerzeugende Anziehungskraft des            Synergieeffekte profitieren. Alle Einrichtungen hatten zuvor
Kaufhofs erreichen konnte.                                       mit einer unzulänglichen Unterbringung zu kämpfen, was die

18
ße
                                                                                                                                                                                                                                    ra
                                                                                                                                                                                                                                 st
                                                                                                                                                                                                                              er

                                                                                                                                                              e
                                                                                                                                                            aß
                                                                                                                                                                                                                             t
                                                                                                                                                                                                                         Hin

                                                                                                                                                          tr
                                                                                                                                                        -S
                                                                                                                    Ba

                                                                                                                                                      ch
                                                                                                                    hn

                                                                                                                                                    us
                                                                                                                     ho
                                                                                                                                                                                                                                           t

                                                                                                                                                  -B
                                                                                                                                  4                                                                                                     rk
NEUERÖFFNUNG NACH UMBAU

                                                                                                                         fs
                                                                                                                                                                                                                                    Ma

                                                                                                                                                er
                                                                                                                                                                                                                     1

                                                                                                                         tr

                                                                                                                                              üd
                                                                                                                          aß
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                                                                                                                                            Br
                                                                                           ho

                                                                                                                              e
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                                                                                       hn
                                                                                       Ba
                                                                                                                                                                                         Kölner
                                                                                                                                                                                                  Straße
                                                               5                                                                                                  3

                                                                                      Am
                                                                                                                                                                                                                                   Ko
                                                                                                                                                                                                                                      rn
                                                                                                                                                                                                                                         ma
                                                                                                                                                                                     2                                                         rk
                                                                                                                                                                                                                                                 t
                                                                                                               ße
                                                                                                          stra
                                                                                                      ley
                                                                                                 Mor
                                                                                                                                                                                                    Alte            ße
                                                                                                                                                                                                             ststra

                                                                                                                                            r
                                                                                                                                                                                                           Po

                                                                                                                                           To
                                                                                                                                       er
                                                                                                                                      ln
                                                                                                                                      Kö
                                                                Berliner Straß

                                                                                                                                                                      Ob
                                                                                                                                                                        er
                                                                                                                                                                           gr
                                                                                                                                                                             ab
                                                                                                                                                                                en

                                                                                                                                                                                                    1       KrönchenCenter
                                                                     e

                                                                                                                                                                                                    2       Karstadt
                                                                                                                                                                                                    3       H&M
                                                                                                                                                                                                    4       C&A
                                                                                                                                                                                                    5       City-Galerie

                                                      e
                                                    ss
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                                                                                  Ma
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                                                                                                   N
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                                          e

                          EG vor dem Umbau
                                                                                                                                                                           Stadtbibliothek
                                                     se
                                                 as
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                                 Hi
                                                                    Sp
                                                                          ut
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                                                                                  we
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                                                                                      e

                                                                                           t
                                                                                       rk

                                                                                                                                                                                                                                                           N
                                                                                      Ma

                                                                                                                                                                                                     0m                                              25m
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                                           e

                          EG nach dem Umbau                                                                    1. OG nach dem Umbau                                                                                Einzelhandel, Gastronomie
31.05.2015

                                                                                                                                                                                                                   Kultur, Bildung
                                                                                                                                                                                                                   Lufträume, Erschließung
–
SBK #10

                          Abb. 9: Siegen, ehemaliger Kaufhof/KrönchenCenter

                                                                                                                                                                                                                                      19
Abb. 10: Siegen, KrönchenCenter                                   Abb. 11: Siegen, KrönchenCenter

Mitarbeiter wie auch die Besucher zunehmend belastete.            4. Bewertung
Insbesondere der Stadtbibliothek und dem Stadtarchiv
mangelte es an Raum für eine dringend notwendige Ausdeh-          Das Beispiel des KrönchenCenters macht sehr anschaulich,
nung. Auch für die räumlich verteilte Volkshochschule be-         welche Kraftanstrengungen eine Kommune unternehmen
deutet die Unterbringung von Geschäftsstelle und Unterrichts-     muss, um Leerstände zu beseitigen und erhaltenswerte Bauten
räumen an einem Standort eine erhebliche Aufwertung.              einer sinnvollen und die Innenstadt belebenden Nutzung
     Ein Nahversorgungsmarkt und gastronomische Einrich-          zuzuführen. Allerdings zeigt der Fall auch, wie infolge einer
tungen im Erdgeschoss und im Basement des Gebäudes                verfehlten Einzelhandelsentwicklung eine Innenstadt in Not
sollten das Konzept abrunden, um so das Versorgungsdefizit        geraten kann. Die dadurch verursachten Folgekosten fallen in
in der Oberstadt im Bereich Lebensmittel auszugleichen.           aller Regel auf die Kommune zurück.
Der Nahversorger bezog bereits im November 2006 die neuen              Das Projekt verdeutlicht außerdem, dass eine Kommune
Räumlichkeiten.                                                   einen langen Atem braucht, weil es oftmals lange dauern kann,
     Ins 1. bis 3. Obergeschoss zogen dann 2007 auf insgesamt     bis ein Immobilieneigentümer bereit ist, seine Immobilie zu

                                                                                                                                   STUDIE
rund 6.000 Quadratmeter Fläche die Stadtbibliothek, die           einem angemessenen Preis an eine Kommune zu veräußern.
Volkshochschule, das Stadtarchiv und das städtische Kultur-       Bis dann noch ein entsprechendes Nutzungskonzept maß-
institut KulturSiegen sowie die Brüder-Busch-Gedenkstätte.        geschneidert und baulich umgesetzt ist, können schnell viele
Ein großer Veranstaltungsraum bietet allen Kultureinrichtungen    Jahre – in diesem Beispiel acht – vergehen. Das Siegener
des nun in KrönchenCenter umbenannten Bauwerks die                Beispiel zeigt, wie es gelingen kann, mit sehr geringen Umbau-
Möglichkeit, dort Events aller Art wie Vorträge, Lesungen, Tag-   kosten ein identitätsstiftendes Gebäude zu erhalten. Eingriffe
ungen und Konferenzen, aber auch Konzerte stattfinden zu          im Inneren waren vergleichsweise einfach zu realisieren, die
lassen. Die zentrale Unterbringung bietet den Einrichtungen       Fassade zum Markt erfuhr sogar eine Aufwertung.
so noch einen zusätzlichen synergetischen Nutzen.
     Im Rahmen des Umbaus konnte die vorhandene Tragstruk-
tur des Bauwerks der 1920er Jahre und des Erweiterungsbaus
aus den 1950er Jahren vollständig erhalten bleiben. Lediglich
die Vertikalerschließung (Rolltreppen und Treppenanlagen)
und der Innenausbau mussten komplett entfernt und erneuert
werden. Ebenso erfuhren die Fassaden zum Markt hin in den
großen Schaufensterzonen des Erdgeschosses einige Verände-
rungen, die dem Erscheinungsbild beider historischer Fassaden –
sowohl der denkmalgeschützten, mit einer reichen Orna-
mentik zwischen Jugendstil und Expressionismus versehenen
Sandsteinfassade der 1920er Jahre als auch der Rasterfassade
der frühen 1950er Jahre – guttaten. Geschickt wurde
durch eine Rückstaffelung der Fassade im Erdgeschoss ein
offener, überdachter, laubenähnlicher Eingangsbereich zu
den kommunalen Kultureinrichtungen geschaffen. Ansonsten
blieben die Fassaden zum Markt weitestgehend unangetastet.
In der östlichen Seitenfassade wurden neue Fensteröffnungen
hinzugefügt.                                                      1   S. hierzu: Peppel 2006; Junker et al. 2008: S. 169–181
                                                                  2   Homepage der Stadt Siegen zum KrönchenCenter
                                                                      (http://www.siegen.de/standard/page.sys/433.htm)
                                                                  3   S. ebd.

20
3.2 Neuss
                          ‰ ehemaliger Horten
                          Š Rheinisches
NEUERÖFFNUNG NACH UMBAU

                              Landestheater und                                           Abb. 12: Neuss, ehemaliges Merkur-Warenhaus, später Horten,

                              Verwaltungssitz des                                         um 1963

                              Rhein-Kreises Neuss
                                                                                          Horten-Konzern übernommen. Der Konzentrationsprozess
                                                                                          im Einzelhandel, im Zuge dessen der Kaufhof-Konzern die
                                                                                          Horten-Warenhäuser übernahm, führte 1999 zur Schließung
                                                                                          des großflächigen Gebäudekomplexes mit seinem bekannten,
                          §   Frühzeitige Planung der Nachnutzung                         allerorten gleichen Fassadenbild.
                          §   Rückbau bis auf Tragwerk
                          §   Kultur- und Dienstleistungszentrum
                                                                                          2. Planungsprozess

                                                                                          Da der Betreiber seine Absicht, das Horten-Warenhaus aufzuge-
                          Standort: Oberstraße 95, Neuss                                  ben, der Stadt Neuss frühzeitig mitgeteilt hatte, konnten
                                                                                          grundsätzliche Überlegungen und Planungen zur Umnutzung
                          Umbau:                                                          des Gebäudes noch während der Betriebsphase erfolgen.
                                                                                          Im kommunalpolitischen Abwägungs- und Diskussionsprozess
                          Bauherr/Eigentümer: Neusser Bauverein AG                        wurde eine Vielzahl von Nutzungsalternativen erörtert. Diese
                          (Theater, Kino und Passage) und Rhein-Kreis Neuss (Kreishaus)   schwankten zwischen der Wiederbelebung des Einzelhandels-
                          Bauzeit: 1999–2000                                              angebotes im Bestand und dem Totalabriss mit Errichtung
                          Neue Nutzung: Landestheater, Kreishaus, Programmkino,           kleinteiliger Ersatzneubauten für das innerstädtische Wohnen.
                          Ladenpassage mit Einzelhandel                                   Konsens gab es lediglich in dem Punkt, dass ein längerer
                          Architekten: Ingenhoven & Ingenhoven (Neuss)                    Leerstand das Neusser Stadtzentrum belasten würde und
                          Oberirdische Geschosse: 3                                       daher in jedem Fall zu vermeiden war. In dieser Situation machte
                          Bruttogeschossfläche: 22.850 m²                                 das Architekturbüro Ingenhoven & Ingenhoven, unterstützt
                          Nutzfläche: knapp 21.000 m²                                     durch die Neusser Bauverein AG, den Vorschlag zum Umbau
                          Parkplätze: ca. 450 (im benachbarten Parkhaus Tranktor)         des Gebäudekomplexes in ein Kultur- und Dienstleistungs-
                          Umbaukosten: ca. 43,5 Mio. Euro                                 zentrum mit ergänzenden Einzelhandelsflächen für die Nahver-
                                                                                          sorgung. Zum Zeitpunkt der Auflösung der Horten-Filiale
                                                                                          suchte das Rheinische Landestheater bereits seit Jahrzehnten
                          Bauliches Original:                                             neue, angemessene Spielstätten, außerdem benötigte auch
                                                                                          die Kreisverwaltung ein neues Verwaltungsgebäude als zentrale
                          Bauherr/Eigentümer: Helmut Horten GmbH                          Dienststelle zur Verbesserung der inneren Abläufe und des
                          Baujahr: 1961–1962                                              Kundenverkehrs. Das bestehende, räumlich getrennte und
                          Architekten: Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg              ehemals von den Warenhauskunden genutzte Parkhaus wurde
                          (Düsseldorf)                                                    als für die Funktionsfähigkeit der Immobilie wesentliches
31.05.2015

                                                                                          Element in die Planungen mit einbezogen.
                                                                                               Die Entscheidungsgremien der Stadt und des Kreises griffen
                          1. Ausgangssituation                                            den Vorschlag auf. Sie erkannten die Chance, die Kulturmeile
–

                                                                                          des Neusser Obertor-Viertels um neue Angebote zu ergänzen
SBK #10

                          Die Innenstadt von Neuss (151.000 Einwohner) ist durch einen    und gleichzeitig die Bedeutung der Stadt Neuss als Verwaltungs-
                          etwa 700 Meter langen Haupteinkaufsbereich von der Hafen-       standort eines der wirtschaftsstärksten Kreise in Nordrhein-
                          straße bis zur Zollstraße geprägt. An einem exponierten         Westfalen zu stärken. Der Rat der Stadt Neuss fasste im Jahr
                          Standort an der Oberstraße/Ecke Zollstraße in unmittelbarer     1998 einen entsprechenden Beschluss zum Umbau des Gebäu-
                          Nachbarschaft zum Busbahnhof bildete ein 1962 eröffnetes        des. Ab 1999 erfolgte daraufhin in nur 21-monatiger Bauzeit die
                          Merkur-Warenhaus das südöstliche Ende des innenstädtischen      Umwandlung des Warenhauses in ein multifunktionales Kultur-
                          Einkaufs- und Geschäftszentrums. Es wurde später vom            und Verwaltungszentrum.

                                                                                                                                       21
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                                                                                                                                                                              en
                                                                                                                                                               Ke
                                                                                                                            ll

                                                                                                                                                                                  to
                                                                                                                          Ka

                                                                                                                                                          Am

                                                                                                                                                                                      rd
 1    C&A

                                                                                                                                                                                      am
                                                                                                                                                                                       m
 2    Galeria Kaufhof                                                                                                                                                    4
 3    H&M                                                                                                                                            ße
                                                                                                                                                 a
 4    Rheinisches Landestheater/                                                                                                             str
                                                                                                                                        ll
                                                                                                                                      Zo
      Kreishaus

                                                                                                                                                                                       1
                          rm
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                                                                                                                                                                                  2
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                                               0m                     25m

                                                                                                                                                           4
EG vor dem Umbau
                                                                                                                                                 5                                6

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                                                                                               2      Bühne
                                                                                               3      Restaurant
     Ob

                                                                                               4      Foyer
      er

                                                              e
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          ra

                                      s se
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                                                                                                                                                                                           0m    25m
                                               0m                     25m
                                                                                 N
                                                                                                      Rhein-Kreis Neuss

EG nach dem Umbau                                                                             1. OG nach dem Umbau                                                                Einzelhandel, Gastronomie
                                                                                                                                                                                  Kultur
                                                                                                                                                                                  Büro, Verwaltung
                                                                                                                                                                                  Lufträume, Erschließung

Abb. 13: Neuss, ehemaliger Horten/Rheinisches Landestheater und Kreishaus

22
NEUERÖFFNUNG NACH UMBAU

                          Abb. 14: Neuss, Rheinisches Landestheater und Kreishaus

                          3. Darstellung der baulichen und funktionalen Neuordnung¹        Nutzungen weitgehend erhalten. Dieser nachhaltige Umgang mit
                                                                                           vorhandener Gebäudesubstanz erzielte erhebliche Kosten-
                          Das ehemalige Warenhaus beherbergt nun den Sitz der              vorteile gegenüber einer Neubaulösung. Außerdem konnte der
                          Kreisverwaltung auf 10.867 Quadratmetern, den neuen Spielort     Nachweis über die notwendigen Pkw-Stellplätze im erhalten
                          des Rheinischen Landestheaters (RLT) mit einer Haupt- und        gebliebenen, benachbarten Tranktor-Parkhaus erbracht werden.
                          einer Studiobühne (mit 450 bzw. 99 Plätzen), ein Programm-            Alle Zugänge zur Kreisverwaltung in der der Innenstadt
                          kino (mit 90 Plätzen), Gastronomie sowie eine Ladenpassage       abgewandten Gebäudehälfte führen unmittelbar in eine
                          mit kleinteiligem Einzelhandelsangebot. Die Gesamtnutzfläche     zentrale, von Glas überdachte, multifunktionale Halle, um die
                          des neuen Konzeptes beträgt fast 21.000 Quadratmeter.            sich die jeweiligen Amtsbereiche gruppieren und organisie-
                              Um großflächigen Einrichtungen der beiden neuen              ren. Dieser neu entstandene große Hof spendet den umliegen-
                          Hauptnutzer – Landestheater und Kreisverwaltung – funktional     den Büroflächen von drei Seiten Licht. Publikumsorientierte
                          störungsfrei unterzubringen, wurden sie räumlich getrennt.       Ämter wie das Gesundheitsamt und das Straßenverkehrsamt
                          Hierfür bediente sich der Architekt eines Kniffs: Er durch-      sind im Erdgeschoss, die übrigen Amtsbereiche, wie zum
                          schnitt das Gebäudevolumen in zwei eigenständige Hälften,        Beispiel die Verwaltungsleitung und die Besprechungsräume,
                          in deren Mitte er eine Passage anordnete. An der Oberstraße      im zweiten Obergeschoss untergebracht.
                          wurde das Gebäude in der Breite einer Konstruktionsachse              Eine 70 Meter lange Passage (Tranktorpassage) teilt und
                          zurückgebaut. Durch diesen Rückbau der Warenhausfront im         verbindet gleichzeitig die beiden Gebäudeteile. Hier waren
                          Kreuzungsbereich von Oberstraße und der Straße Am Kehlturm       zunächst vor allem Einzelhandelsbetriebe angesiedelt. Nach-
                          entstand vor dem Rheinischen Landestheater und der               dem das Einzelhandelskonzept mit kleinteiligem Handel von
31.05.2015

                          Theatergastronomie ein großzügiger Vorplatz. Die durch den       hochwertigen Gütern nicht aufgegangen war und sich schon
                          Rückbau entfallene Nutzfläche wurde für das Theater in einem     nach kurzer Zeit auf die Nahversorgung und einige Dienstleister
                          rückwärtigen Gebäudetrakt am Europadamm neu ergänzt.             neu ausgerichtet hatte, wurde dieser Bereich restrukturiert.
–

                          Auf diese Weise wurde ein stark gegliederter und differenzier-   2007 zog der bis dato im Untergeschoss ansässige Aldi-Markt
SBK #10

                          ter Baukörper geschaffen, der sich wohltuend im Neusser          als innenstadtnaher Lebensmitteldiscounter auf eine größere
                          Stadtbild als ein Bauwerk aus zwei gegeneinander verschobe-      Fläche von 820 Quadratmetern im Erdgeschoss. Einige kleinere
                          nen Gebäudehälften präsentiert.                                  Geschäfte und Dienstleister blieben, andere zogen aus.
                              Das alte Horten-Warenhaus wurde nahezu vollständig bis       Die Passagenlösung wurde aufgegeben. Die Räume im Unterge-
                          auf das Traggerüst zurückgebaut. Decken wurden aus- und          schoss werden nun als Lager für den Lebensmittel-Discounter
                          räumlich neu zugeschnitten, großflächige Fenster eingeschnit-    und vom Bauverein Neuss genutzt.
                          ten und Stützen eingesetzt; das Stahlbetonskelett des Waren-
                          hauses blieb jedoch als tragende Konstruktion für die neuen

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