Walter De Maria. The 2000 Sculpture Die Sammlung Bührle: Wir sind bereit! - Earth Talks
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MAGAZIN 3 · JULI 2021 CHF 8.– Walter De Maria. The 2000 Sculpture Seite 10 Earth Talks Seite 16 Die Sammlung Bührle: Wir sind bereit! Seite 20
Wir freuen uns auf Ihre Einlieferungen für unseren kommenden Auktionen. Blick in die Ausstellung der Juni-Auktion 2021. Koller Auktionen · Hardturmstrasse 102 · 8031 Zürich Tel. +41 44 445 63 63 · office@kollerauktionen.ch www.kollerauktionen.ch
EDITORIAL 3 Liebe Mitglieder der Zürcher Kunstgesellschaft Auch im Kunsthaus freuen wir uns auf die neue Präsidentin Anne Keller Dubach und gratulieren zu ihrer Wahl bei der erstmals schriftlich durchgeführten Generalversamm- lung: In diesem Magazin stellt sie sich Ihnen vor. An dieser Stelle mein Dank an die vielen Personen, die im und für das Kunsthaus diese organisatorische Hürde genommen haben, und Ihnen, dass Sie unseren Anliegen wohlwollend zugestimmt haben! Unser und mein herzlicher Dank gilt unserem langjährigen Präsidenten Walter B. Kielholz für seine ausgezeichnete ehrenamtliche Tätigkeit und für sein grossartiges und durchaus zeitaufwendiges Engagement, nicht zuletzt bei der Realisierung der Kunsthaus-Erweite- rung. Wir bringen für Sie einen Rückblick auf die zwei Jahrzehnte von Walter B. Kielholz an unserer Seite im nächsten Magazin. Liebe Mitglieder: Wir haben uns gefreut, dass der Chipperfield-Bau von so vielen Menschen in kurzer Zeit besucht und besichtigt wurde und dass die Reaktionen so positiv sind. Auch für uns war die gelungene Preview mit der eindrucksvollen Klanginstallation von William Forsythe ein wichtiger Moment, bevor wir das Gebäude nun gleichsam vollenden, indem die Kunst Einzug hält und wir das Ganze mit Ihnen zusammen im Herbst eröffnen. Alles läuft nach Plan, und obwohl wir alle Hände voll zu tun haben, ist das Kunsthaus vom Elan getragen, den Sie uns in den letzten Wochen mit auf den Weg gege- ben haben. Nicht nur hunderte Kunstwerke werden dann präsentiert, auch die vielen Informationsmöglichkeiten werden vorbereitet – die Wandtexte, der umfassende Audio guide, ein Digitorial, das Digital-Lab und die wichtigen Dokumentationen – auch jene zur Sammlung Emil Bührle. Und natürlich laufen die Vorbereitungen in der Kunsthaus-Bar und dem neuen Shop ebenfalls auf Hochtouren und im Zeitplan. Wir sind nun tatsächlich drauf und dran, das Kunsthaus als Ganzes neu zu präsentieren und zu positionieren, und vielleicht nutzen Sie schon jetzt die Gelegenheit, sich die vielen neuen und überra- schenden Säle im bestehenden Haus anzusehen. Der Garten der Kunst wird mit ersten Veranstal tungen im Sommer eingeweiht und mit ihm die spezielle Gartenarchitektur: Das «Rondell» ist ein Geschenk der neuen Präsidentin. Last but not least freuen wir uns, dass der Vorstand der Kunstgesellschaft Christoph Stuehn, seit Mai 2018 Mitglied unserer Geschäftsleitung, zum Vizedirektor des Kunsthauses ernannt hat. Seien Sie, auch im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kunsthauses, herzlich gegrüsst. Ihr Christoph Becker Foto © Juliet Haller, Amt für Städtebau, Zürich
4 ANZEIGEN WIR PFLEGEN NOCH DIE KUNST DER DISKRETEN UND KOMPETENTEN OBJEKTVERMITTLUNG. www.fsp.immo 044 915 46 00 FEINE SCHWEIZER IMMOBILIEN Featured Artists: Peter Bauhuis Featured Featured Artist: Artist: Nicole Nicole Schuste Schuste www.foc.ch
GALERIE KORNFELD • BERN KENNERSCHAFT UND TRADITION SEIT 1864 © 2021, ProLitteris, Zurich GEORGES BRAQUE Verre et Bouteille (FOURRURES). 1913 Kohle, Holzmaserpapier und Zeitung, collagiert. 48 × 62 cm Romilly 193. La Roche 47. Auktion September 2021 AUKTIONEN 16. UND 17. SEPTEMBER 2021 KUNST DES 19. BIS 20. JAHRHUNDERTS GRAPHIK ALTER MEISTER Galerie Kornfeld Auktionen AG Laupenstrasse 41 AUKTIONSAUSSTELLUNGEN Postfach ZÜRICH Ausgewählte Werke, 31. August bis 2. September, täglich 12–19 Uhr CH-3001 Bern BERN Sämtliche Werke, 9. bis 15. September, täglich 10–18 Uhr Tel. +41 (0)31 381 46 73 galerie@kornfeld.ch Kataloge online und auf Bestellung ab Mitte August erhältlich www.kornfeld.ch
6 GUT ZU WISSEN SHOP 70 Meisterwerke Wir sind schon alle gespannt auf die Eröffnung der Erweiterung und die Kunst, die darin zu sehen sein wird. Mehr als bloss ein kleiner Vorgeschmack bietet das soeben erschienene Buch «Die Sammlung Emil Bührle – 70 Meisterwerke». Sie gewinnen damit einen Überblick der schönsten und bedeutendsten Werke der Sammlung, die schon bald im Kunsthaus beheimatet sein wird. Wenn Sie es lieber etwas ausführlicher haben, empfehlen wir Ihnen den umfangreicheren Band «Die Sammlung Emil Bührle – Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke». «Die Sammlung Emil Bührle – 70 Meister EDIT ION Foto © Florian Kalotay SPE ZIA L- werke»; CHF 29.– / Mitglieder CHF 26.– / Werk: Marc Chagall, Le coucher du soleil, 1974 N U R F ÜR Mitglieder PLUS und Kunstfreunde CHF 23.– DER © 2021, ProLitteris, Zurich MITGL IE «Die Sammlung Emil Bührle – Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke»; MITGLIEDER CHF 58.– / Mitglieder CHF 52.– / Mitglieder PLUS Auf den Spuren und Kunstfreunde CHF 47.– von Marc Chagall MITGLIEDER Preview Eröffnung Vom Fraumünster – übers Kunsthaus – in die Kronenhalle Lernen Sie an diesem 90-minütigen Rundgang mit Kerstin Bitar die Chipperfield-Bau faszinierende Kunst von Marc Chagall (1887–1985) kennen. Der Do 8. Oktober 2021, von 12 bis 20 Uhr Rundgang beginnt im Fraumünster und endet, als Spezial-Edition, Erleben Sie bei dieser exklusiven mit einer kulinarischen Erfrischung an einem Ort, an dem sich Vorbesichtigung den neuen Chipper- field-Bau erstmals in seiner ganzen Marc Chagall in seiner Zeit in Zürich besonders gerne aufhielt: in Fülle: mit den Sammlungen (Emil der Kronenhalle. Im Fraumünster wird Ihnen die Leuchtkraft der Bührle, Merzbacher, Looser und Farben in Chagalls Glasfenstern nähergebracht. In der Sammlung Kunsthaus) und der ersten Wechsel- des Kunsthauses erleben Sie seine ausdrucksstarken Bilder im ausstellung «Earth Beats». Auch Museum. In der Kronenhalle treffen Sie auf vier weitere Meister- die neue Kunsthaus-Bar, der Shop und werke von Marc Chagall in aussergewöhnlichem Ambiente. der Garten laden unsere Mitglieder an diesem Tag erstmals zum Flanieren Daten: Do 7.10. / Sa 16.10. / So 24.10.2021; Dauer: 14.30 bis ca. 17 Uhr. Beginn im und Entdecken ein. Fraumünster – Ende in der Kronenhalle; Treffpunkt: Haupteingang Fraumünster (Seite Paradeplatz); Kosten: CHF 45.–, inkl. Kaffee / Tee mit Kuchen bzw. Mousse au Weitere Informationen ab August Chocolat oder 1 Glas Champagner mit Mandeln (bezahlbar in der Kronenhalle); S AV E auf www.kunsthaus.ch E! Anmeldung unter: info@kunsthaus.ch. T HE DAT sowie im September-Magazin. KULTURNEWS Foto © Juliet Haller, Amt für Städtebau, Zürich Miteinander für die Chipperfield-Bar Anfang Mai hat die Stiftung Zürcher Kunsthaus ein bekanntes und erfolgreiches Gastro-Kollektiv aus Zürich als Betreiberin für die Kunsthaus-Bar gewählt. Aus der Ausschreibung und dem Evaluationsprozess ging die Miteinander GmbH als Siegerin hervor. Projekte umfassen u. a. Frau Gerolds Garten, den Weihnachtsmarkt auf dem Sechseläuten-Platz, das Seebad Enge und die Restaurants Gartenhof, Maison Manesse und Smith & Smith. Wir gratulieren und wünschen viel Erfolg.
GUT ZU WISSEN 7 KULTURNEWS Der Kunsthaus- Maskenball 1921 führte die Zürcher Kunst gesellschaft erstmals einen Gerhard Richter, Acht Lernschwestern, 1966 Öl auf Leinwand, 8-teilig, Bild je 95 × 70 cm, Werkverzeichnis 130 Maskenball durch, der sich in Kunsthaus Zürich, Dauerleihgabe der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde. Geschenkt von den folgenden Jahren zu einem Hans B. Wyss und Brigitte Wyss-Sponagel, © 2021 Gerhard Richter Höhepunkt der Zürcher Ball saison entwickelte. Nun erscheint im Verlag Hier und Jetzt eine Publikation dazu. Autorin Regula Schmid hat sich auf Spurensuche OBJEKT DER BEGIERDE begeben und Plakate, Menü Acht Lernschwestern karten, Fotos und vieles mehr ausgegraben. Auf eine kurze Einführung folgt ein ausführlicher Bildteil mit Erklärungen, die Mit grosser Freude durfte die Vereinigung Zürcher Kunstfreunde ein durch die vielfältigen Dokumente Hauptwerk von Gerhard Richter als Geschenk von Hans B. Wyss zum Ball führen. Ein spannendes Stück Gesellschaftsgeschichte und Brigitte Wyss-Sponagel entgegennehmen. Das mehrteilige Gemälde zum 100-Jahr-Jubiläum. Und «Acht Lernschwestern» (1966) wird ab Oktober 2021 in die Erweiterung in der Zwischenzeit freuen wir des Kunsthaus Zürich einziehen. uns auf unseren nächsten Ball im Acht Frauengesichter, alle ungefähr gleich alt, ähnlich frisiert, Kunsthaus, voraussichtlich lächelnd. Die Bildquelle verweist auf ein alles andere als erfreuliches Anfang 2022. Ereignis, den Zeitungsbericht über einen Serienkiller-Fall von 1966 in www.hierundjetzt.ch Chicago, der es bis in die deutschsprachige Presse schaffte. Das Gemälde ist Zeugnis und Kommentar zu einem Paradigmenwechsel in der Medienlandschaft der 1960er, wo auch ein Krieg (Vietnam) erstmals live im Wohnzimmer verfolgt werden konnte und Sensationsgeschichten rund um gewöhnliche Menschen mehr und mehr die Boulevardzeitungen füllten. «Acht Lernschwestern» ist ein bedeutendes frühes Werk von Gerhard Richter, eines der ganz wenigen, die überhaupt noch für ein Museum erreichbar sind. Umso dankbarer ist das Kunsthaus für die grosszügige Geste von Hans B. Wyss und Brigitte Wyss-Sponagel: Mit ihrer Schenkung erfüllt sich ein jahrzehntelanger Wunsch des Kunsthauses, ein grosses Werk von Gerhard Richter in die Sammlung aufnehmen zu können und damit endlich eine Lücke zu schliessen. Die Kunsthaus-Erweiterung, die ihren Schwerpunkt auf die Kunst ab 1960 legt, ist dafür wie geschaffen. Carl Moos, Plakat für den Kunsthaus- Maskenball im Baur au Lac, 1922
8 Ins_KhM_89x122_09022021 Seite 1 ANZEIGEN 7 . B I E N N A L E K u LT u R O R T W E I E R TA L VORÜBER_GEHEND IDyllE uND KÜNstlIcHKEIt 27. Mai - 12. September 2021 · Do - Sa 14 - 18h, So 11 - 17h Jenseits aller Regeln – Das Phänomen Aussenseiterkunst Bis 19. Dezember 2021 Visualisierung Andrea G. Corciulo Judith Albert, Remo Albert Alig & Marionna Fontana Kunstmuseum Thurgau Selina Baumann, Reto Boller, Alex Dorici, Marianne Engel Sonja Feldmeier, Andrea Giuseppe Corciulo Kartause Ittingen Katharina Henking, huber.huber, Isabelle Krieg www.kunstmuseum.ch Pascal Kohtz, Carmen Müller, Zilla Leutenegger 1. Mai bis 30. September Roman Signer, Sandro Steudler, Olga Titus, Not Vital täglich 11–18 Uhr 1. Oktober bis 30. April Montag bis Freitag 14 –17 Uhr Kurator Luciano Fasciati · www.skulpturen-biennale.ch Samstag, Sonntag und allgemeine Feiertage 11–17 Uhr Kulturort Weiertal · Rumstalstr. 55, 8408 Winterthur Ein echter Baur baurmetallbau.ch
PRELÚDIO MIRELA CABRAL NEUEROFFNUNG GALERIA KOGAN AMARO RAMISTRASSE, 35 CH-8001 ZURICH 17. SEPTEMBER 2021 Vernissage 16:00-21:00 Uhr Dachterrasse Apéro 18:00-21:00 Uhr NKENDA AFROINDÍGENA JOSAFÁ NEVES
11 27. August – 20. Februar 2022 KURATORIN Mirjam Varadinis WALTER DE MARIA The 2000 Sculpture Walter De Marias «The 2000 Sculpture» ist eine der grössten Bodenskulpturen im Innenraum. Sie entstand 1992 auf Einladung von Harald Szeemann für den grossen Ausstellungssaal im Kunsthaus Zürich. Nach über 20 Jahren wird sie wieder ausgestellt.
12 AUSSTELLUNGEN Auch wenn schon 1992 vereinbart wurde, dass die mit den spezifischen Raum- und Lichtverhältnissen Arbeit erneut von Ende 1999 bis ins Jahr 2000 gezeigt vor Ort auseinandergesetzt. Was heute als völlig würde, leitet sich der Titel nicht von der Jahreszahl normal gilt, war damals ungewöhnlich. Harald Szee- 2000 ab – wie das vielleicht einige vermuten. Die mann beschrieb dies als eine «neue Qualität heutiger Arbeit heisst vielmehr so, weil sie aus insgesamt Skulptur (. . .), die nicht mehr Objekt sein soll, son- 2000 weissen Gipsbarren von je 50 cm Länge und dern den Umraum prägendes, erfüllendes Subjekt». 18 cm Höhe besteht. Die einzelnen Elemente sind Es sind aber nicht nur räumliche Verhältnisse, die trotz ihrer einheitlichen Grösse verschieden und das Werk und den Künstler mit dem Kunsthaus ver- weisen fünf, sieben oder neun Seiten auf. Sie werden binden. Der künstlerische Entstehungsprozess da- auf einer Fläche von 500 Quadratmetern ausgelegt, mals wäre nicht möglich gewesen ohne die Unter- in insgesamt 20 Reihen à 100 Barren. Die Anordnung stützung durch die Kunstsammler Thomas und folgt einem spezifischen Rhythmus: 5–7–9–7–5–5–7– Cristina Bechtler, den damaligen Direktor Felix Bau- 9–7–5. So ergibt sich eine Art Fischgrätenmuster, und mann und natürlich den Kurator Harald Szeemann. je nachdem wo sich die Besucher befinden, scheinen 2001 schliesslich erhielt Walter De Maria als Erster sich die Barren auf sie zu oder von ihnen wegzube- den Roswitha Haftmann-Preis für sein Lebenswerk. wegen. Überhaupt ist die Bewegung der Betrachte- Wir freuen uns daher sehr, nach über 20 Jahren rinnen und Betrachter grundlegend für die Erfahrung «The 2000 Sculpture» erstmals wieder zeigen zu des Werkes. Denn was auf den ersten Blick geschlos- können. Die Präsentation findet parallel zur Eröff- sen und monumental wirkt, entwickelt mit der nung des Erweiterungsbaus von David Chipperfield Bewegung im Raum eine Fülle von visuellen Eindrü- statt und bietet eine Oase der Ruhe, Stille und Schön- cken. Es entsteht eine Dynamik zwischen Zickzack- heit – etwas, das gerade in unseren hektischen Zeiten linie und Diagonale sowie eine Spannung zwischen guttut. durchschaubarer, mathematischer Gesetzmässigkeit und der individuellen Wahrnehmung der Betrachte- Unterstützt von Albers & Co AG und der Boston rinnen und Betrachter. Consulting Group. LICHT, RAUM UND MUSIK «The 2000 Sculpture» vereint vieles, was schon in früheren Arbeiten von Walter De Maria grundlegend war: Die Auseinandersetzung mit mathematischen Grundformen, dem Licht, der Weite und dem Raum. Gerade das Licht spielt in «The 2000 Sculpture» eine ganz entscheidende Rolle. Je nach Wetter oder Tageszeit verändert sich das Werk, und es entstehen endlose Variationen von Weissschattierungen, Bre- chungen und Linien. Ursprünglich wurde das Werk auch ganz ohne Kunstlicht, nur bis zum Eindunkeln gezeigt. «The 2000 Sculpture» hat aber auch viel mit Rhythmus zu tun. In der 1999 zur Ausstellung er- schienenen Publikation wurde die Skulptur als «rie- sengrosse Partitur mit sichtbaren ‹Takten›» be- schrieben. Musik spielte in Walter De Marias Werk und Leben denn auch eine wichtige Rolle. Lange war er sich nicht klar, ob er Musiker oder Künstler wer- den sollte. Als klassisch ausgebildeter Drummer spielte er in der legendären Band «The Velvet Under- ground» um Lou Reed und komponierte «The Cricket Music» (1964) und «The Ocean Music» (1968). Schliesslich verband er beides in seiner Arbeit als Künstler. FÜR DAS KUNSTHAUS ERSCHAFFEN Ein wichtiger Aspekt von «The 2000 Sculpture» ist ihre Ortsspezifität. Das Werk ist für das Kunsthaus entstanden, und der Künstler hat sich dafür intensiv
AUSSTELLUNGEN 13 Walter De Maria, The 2000 Sculpture, 1992 Gips und Hydrocal Walter A. Bechtler Stiftung, Fotos: Nic Tenwiggenhorn, Düsseldorf, © Estate of Walter De Maria
14 ANZEIGEN atelier-pol.ch 10.7.2021 – 16.1.2022 20.03.2021 – 29.08.2021 GROUPS AND SPOTS ZEITGENÖSSISCHE KUNST BEI DER BALOISE VERLÄNGERT – 29.08.2021 FRANZ GERTSCH GRÄSER INTERIEUR – EXTERIEUR DIE KWS-SAMMLUNG ZU GAST Museum Franz Gertsch Sara Cwynar, «Tracy (Cézanne)» Platanenstrasse 3, CH - 3400 Burgdorf [Detail], 2017 Thermodruck auf T + 41 (0)34 421 40 20 Aluminium auf Dibond / Dye sublima- tion print on aluminium mounted on Di – Fr 10 –18 Uhr | Sa / So 10 –17 Uhr Dibond, 109.2 ×137.2 cm, Sammlung www. museum - franzgertsch.ch Baloise Group © Sara Cwynar Hermann Scherer, 1893 – 1927, Der Maler (Detail), um 1925, Privatbesitz 12.6. – 26. 9. 2021 Schweizer Skulptur seit 1945 *Aargauer Kunsthaus Aargauerplatz CH–5001 Aarau Di – So 10 –17 Uhr Do 10 – 20 Uhr www.aargauerkunsthaus.ch Jean Tinguely, Niki de Saint Phalle Le Cyclop – La Tête, 1970 Museum Tinguely, Basel. Ein Kulturengagement von Roche. Donation Niki de Saint Phalle © Niki Charitable Art Foundation / 2021, ProLitteris, Zürich Foto: Christian Baur
ANZEIGEN 15 a n t i q u a r i a t peter petrej an- und verkauf von seltenen büchern, gemälden, plakaten und ganzen bibliotheken. regelmässig versenden wir einen ERINNERUNGEN newsletter mit den neueingängen. 17. - 19. September 2021 sonneggstrasse 29, 8006 zürich Küsnacht tel. 044 251 36 08 oder 079 422 81 11 www.buch-antiquariat.ch info@buch-antiquariat.ch www.klassikfestival.ch HIER KÖNNTE IHR INSERAT STEHEN! Schon ab CHF 510.– Kontakt: kunsthaus@fachmedien.ch www.fachmedien.ch Bettwäsche & Keramik Schöne und Estelle Gassmann Atelier & Werkstattladen seltene Bücher Neugasse 145b 8005 Zürich 076 423 98 63 essen@esteller.ch Do/Fr 11–19 h www.estellegassmann.ch Oberdorfstrasse 10, 8001 Zürich, www.finebooks.ch, 043 222 4 888 Dienstag bis Freitag 11.30–18 h, Samstag 11–16 h 210413_KHZ_Fine Books.indd 1 13.04.21 16:44
16 VERANSTALTUNGEN sches Plädoyer zum Schutz der Erde und ihrer Ressourcen für zukünftige Genera- tionen zu verstehen. An einer aussergewöhnlichen Location unter freiem Himmel – dem neuen Garten EARTH der Kunst – bieten die «Earth Talks» die Möglichkeit, über dringende ökologische Fragen mit Neugier, Mut und Lust auf die Zukunft in ungewohnten Konstellationen zu debattieren – das schafft neue Formen TALKS des Wissens! Zudem bietet das Programm eine Verzahnung von Kunst und gesell- schaftlich relevanter Themen. PODIUMSGESPRÄCHE Die eine Hälfte der Veranstaltungen ist als Panel-Format angelegt. Expertinnen und Experten eines Gebiets treffen auf solche eines anderen Feldes; Personen, die sich im normalen Tagesgeschäft eher weniger begegnen würden. Den Auftakt der Reihe macht ein Podiumsgespräch, das den Blick auf globale Zusammenhänge wirft. Die eingeladenen Gäste von «Was auf dem Veranstaltungsreihe Spiel steht» diskutieren über Fragen wie: Können wissenschaftliche Erkenntnisse über Umweltfragen zur Umsetzung ökologischer Massnah- men auf politischer Ebene führen? Wo liegen erfolgsversprechende Innovatio- nen? Welche Bedeutung spielt die interna- 19. August – 23. September 2021 tionale Vernetzung, und wie lassen sich KURATORINNEN Sandra Gianfreda und Cathérine Hug Prozesse angesichts der Dringlichkeit be- schleunigen? Mit dabei ist Bestseller-Autor Philipp Blom aus Wien sowie Grundlagen- forscher, politische Vertreter und eine junge Klimaschutzaktivistin. Das zweite Panel fokussiert auf die klei- «Earth Talks» ist ein interdisziplinäres nen Dinge des Alltags. So gut wie alle Be- Veranstaltungsprogramm, das im Vorfeld reiche des täglichen Lebens sind direkt der Ausstellung «Earth Beats – Naturbild oder indirekt für Umweltschäden verant- im Wandel» (ab 9. Oktober) stattfindet. wortlich. Die Bekleidungsindustrie etwa Beide zeichnen die Auseinandersetzung verursacht mehr Emissionen als Flüge und mit der Natur vor dem Hintergrund des Schifffahrt zusammen. Und die Produk- Bewusstseins für ihre Schönheit und Fra- tion von einem Kilogramm Rindfleisch gilität und ihrer Bedrohung durch die belastet das Klima so stark wie 250 Kilo- Menschen nach. Mit dem in der Natur meter Autofahrt. Aber es gibt inzwischen genauso wie im urbanen Raum ablesbaren viele innovative, alternative Konsumgüter, Klimawandel wird ein hochaktuelles die im Aufwind sind, da ein Umdenken Thema aufgegriffen, das sich bestens als sowohl bei Produzenten wie auch Abneh- anregendes Publikumsereignis anlässlich mer Einzug hält. Das Gespräch «Green der Eröffnung des Erweiterungsbaus eig- Living» soll zeigen, dass jede und jeder viel net. In dessen Planung und Realisierung für eine bessere Klimabilanz beitragen sind die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft kann. eingeflossen. Genauso wie die Ausstellung Dem Thema der intelligenten Natur ist das Rahmenprogramm als künstleri- und des indigenen Wissens widmet sich
17 1 2 1 Green Living, 2021 Foto © Kunsthaus Zürich, Franca Candrian 2 William Anders, Erster von Menschen gesehener Erdaufgang, Apollo 8, Dezember 1968 Chromogener Vintage-Druck auf faserbasiertem Kodak-Papier, 20,3 × 25,4 cm © William Anders, NASA AS8-14-2383 3 Zwei Mitarbeiter des American Stock Exchange tragen volle Coronavirus-Schutzkleidung, 17. April 2020, © PatSaza 3
18 ein weiterer unserer «Earth Talks». Bäume, Pflanzen, Pilze, Insekten und Tiere – sie alle kommunizieren miteinan- der und haben im Laufe der Evolution gelernt, symbiotisch miteinander zu leben. Indigene Völker haben dieses Wissen nie vernachlässigt, im Gegensatz zu den Menschen der Industrieländer. Die Podiumsteilnehmerinnen und -teilneh- mer, darunter Andreas Weber, Autor von «Indigenialität» (2018), tauschen sich über das Potenzial dieses wiederentdeck- ten Erfahrungsschatzes aus. Die vierte Podiumsveranstaltung fo- kussiert auf ökonomische Zusammen- hänge. Wirtschaftskrisen ziehen wieder- kehrend unsere global vernetzte Welt in Mitleidenschaft: 1929, 1973, 2008 und jüngst 2020 sind Jahre, die wir mit Krisen assoziieren. Statt über düstere Szenarien diskutieren hier Aymo Brunetti, Walter Kielholz, Christin Severin und Maximilian Stern über konkrete Erfahrungen und Lösungsansätze. KLIMA-QUARTETT 4 Zu einem eigenen Gespräch eingeladen ist die norwegische Bestsellerautorin Maja Lunde. Mit ihrem ersten Roman «Die Ge- schichte der Bienen» (2015) sorgte sie weltweit für Furore. Er war von Anfang an als Teil von vier Büchern zum Thema Um- ESSBARE STADT welt konzipiert. Im Gespräch mit Gesa Der Koch-Event «Essbare Stadt» von Schneider, Leiterin des Literaturhauses Maurice Maggi sensibilisiert uns für die Zürich, wird Lunde über die Hinter- und wildwachsende Natur in der Stadt. Maggi, Beweggründe ihres «Klima-Quartetts» der seit 1984 mit wilden Saaten über- sprechen. Passagen aus ihren Romanen raschend das Stadtbild von Zürich verän- werden auf Deutsch vorgelesen. dert und Autor mehrerer Kochbücher ist, nimmt uns mit auf eine Entdeckungstour EXPERIMENTELLE KLANGWELTEN rund ums Kunsthaus, um wilde und ess- Die unter anderem von Barbara Bleisch bare Pflanzen zu sammeln. Ein temporä- und Stefan Zweifel moderierte Gesprächs- rer «Naschgarten» wurde eigens von ihm reihe wird aufgelockert durch sinnliche im Miró-Innenhof angelegt. Nach dem Veranstaltungen. «Oszilot» ist eine Mi- Stadtspaziergang wird das gesammelte schung aus Soundinstallation und Musik- Gut zu einem schmackhaften Abendessen Performance, welche «oszillierende» und zubereitet. pendelnde Alltagsgegenstände und Natur- objekte zum Erklingen bringt. Diese Wel- Weitere Veranstaltungen sowie Details ten von Luc Gut und Rolf Hellat bauen unter www.kunsthaus.ch/besuch-planen/ sich langsam und dennoch mit grosser ausstellungen/earthbeats. Spannung auf, ihr Spektrum reicht von uns bekannten Naturgeräuschen bis zu Mit Unterstützung der D&K Dubach noch nie dagewesenen synthetischen Keller-Stiftung sowie der Dr. Georg und Klängen. Josi Guggenheim-Stiftung. 6
VERANSTALTUNGEN 19 4 Maurice Maggi mit seinem «Naschgarten» im Miró-Innenhof, Kunsthaus Zürich, 2021 Foto © Sandra Gianfreda Werk: Joan Miró, Oiseaux qui s’envolent, 1971/72, © Successió Miró / 2021, ProLitteris, Zurich 5 Garten der Kunst, Foto © Kunsthaus Zürich, Franca Candrian 6 Videostill aus Ursula Biemanns «The Forest as a Field of Mind», 2021 Video, Farbe, Ton, 16 : 9 Courtesy the artist, © Ursula Biemann 5
Wir sind bereit! Noch vor den Sommerferien hat die Sammlung Emil Bührle ihre Räume in der Kunsthaus-Erweiterung bezogen. Nebst der Präsentation von über 170 Meisterwerken lebt mit ihr die Erinne- rungskultur am Heimplatz auf. Lukas Gloor, Konservator der Sammlung Emil Bührle, und Kunsthaus-Direktor Christoph Becker beantworten Fragen rund um diese vielbeachtete Kooperation. DIE FRAGEN STELLTE Björn Quellenberg
ERWEITERUNG 21 GLOOR Emil Bührle war die treibende Kraft hin- ter dem Bau eines Ausstellungstrakts (des oft nach den Architekten benannten Pfister-Baus), der lange geplant, aber zunächst aus Geldmangel und – wäh- rend und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg – aus Mangel an Baumaterial nicht realisiert wurde. Später finanzierte Bührle das Gebäude in mehreren Schritten, erlebte aber die Eröffnung 1958 nicht mehr. Doch wurde der Trakt mit einer Ausstellung seiner Sammlung eröffnet. Ein zweites Mal wurde die Sammlung dort 2010 gezeigt, im Hinblick auf die Warum ist die Sammlung Emil Bührle Volksabstimmung zur Kunsthaus-Erweiterung. jetzt im Kunsthaus? BECKER Die Sammlung Emil Bührle ist eine der War von Emil Bührle erworbene Kunst weltweit wichtigsten Kunstsammlungen aus dem bereits im Kunsthaus? 20. Jahrhundert. Ihr Schwerpunkt liegt auf dem GLOOR Ja, seit Jahrzehnten. Bührle hat das Höl- französischen Impressionismus (Cézanne, Monet, lentor von Auguste Rodin und zwei grosse Seerosen- Gauguin, van Gogh) und der Klassischen Moderne bilder von Claude Monet dem Kunsthaus geschenkt. (Braque, Picasso). Diese Kunst stand am Anfang der Er war auch oft Leihgeber für Ausstellungen, die im modernen Malerei und findet noch immer das Inte- Kunsthaus stattfanden. resse eines breiten Publikums. Das Kunsthaus erhält mit der Sammlung Emil Bührle im internationalen Warum ist der Leihvertrag zwischen dem Vergleich eine neue Stellung. Kunsthaus und der Sammlung Emil Bührle GLOOR Die Sammlung umfasst 203 Werke. Das nicht öffentlich? ist ein Drittel der von Emil Bührle (1890 –1956) hin- BECKER Solche Verträge sind immer vertrau- terlassenen Werke. Bei der Gründung der Stiftung lich. Das gilt auch für andere (Dauer-)Leihgaben Sammlung E.G. Bührle sind die übrigen Werke in ans Kunsthaus, wie die privaten Sammlungen von Privatbesitz verblieben. Werner Merzbacher und Hubert Looser oder die Sammlung der Alberto Giacometti-Stiftung. Warum hat Emil Bührle die Stiftung Für das Kunsthaus wurde der Vertrag von der gegründet? Zürcher Kunstgesellschaft geschlossen. In ihrem GLOOR Die Stiftung wurde nicht von ihm, son- Vorstand haben Stadt und Kanton Zürich Einsitz. dern erst 1960, vier Jahre nach seinem Tod, von der Deren Vertreter haben sichergestellt, dass die Inte- Witwe und den beiden Kindern gegründet. Ihr Zweck ressen der Öffentlichkeit gewahrt werden. ist es, die ihr aus dem Nachlass von Emil Bührle Die wichtigsten Vertragspunkte sind der Öffent- übertragenen Kunstwerke zu bewahren und der lichkeit vor der Volksabstimmung über den städti- Öffentlichkeit zugänglich zu machen. schen Beitrag an den Erweiterungsbau 2012 bekannt gegeben worden: Inhalt und Umfang sowie Zugäng- Können die Kunstwerke der Stiftung lichkeit der Sammlung, Dauer der Leihgabe. Sammlung E.G. Bührle verkauft werden? GLOOR Nein, diese Werke sind unveräusserli- Kostet die Sammlung Emil Bührle ches Eigentum der Stiftung. Im Fall von deren Auf- das Kunsthaus mehr, als sie einbringt? lösung müssten sie einer öffentlichen Sammlung GLOOR Nein. Das Kunsthaus bezahlt keine Leih- übertragen werden. gebühren. Es trägt aber die Kosten für Sicherheit, Unterhalt und inhaltliche Vermittlung der Werke Bestanden schon früher Beziehungen nach dem gleichen Standard, der für die Werke der zwischen Emil Bührle und dem Kunsthaus eigenen Sammlung gilt. Zürich? Fotos © Kunsthaus Zürich, Franca Candrian BECKER Ja. Emil Bührle trat 1927 als einfaches Mitglied der Zürcher Kunstgesellschaft bei. 1940 wurde er Mitglied der Sammlungskommission, da er mit ersten Kunstkäufen auf sich aufmerksam ge- macht hatte. 1944 wurde er Mitglied im Vorstand, 1953 wurde er zum Vizepräsidenten gewählt.
22 ERWEITERUNG Als Publikumsmagnet wird die Sammlung Emil Bührle dem Kunsthaus Einnahmen aus Eintritten und aus dem Verkauf von Waren mit Motiven der Sammlung bringen. Hat sich das Kunsthaus Zürich durch Beiträge von Bührle-Seite an die Erweite- rung kaufen lassen? BECKER Das Kunsthaus hat sich mit Blick auf die Qualität der Sammlung dazu entschlossen, ihr Raum im Erweiterungsbau zur Verfügung zu stellen. Dass sich die Nachkommen Emil Bührles (nicht die Stiftung, die über keine eigenen Mittel verfügt) bereit erklärt haben, im Kreis der 130 Donatorinnen und Donatoren einen namhaften Beitrag an die Bau- kosten der Kunsthaus-Erweiterung zu stiften, war ein von der Überlassung der Sammlung unabhängi- ger Entscheid und ein Geschenk ans Kunsthaus. Der Beitrag zog keinerlei Sonderbehandlung oder Zu- satzvereinbarung zugunsten der Stifter nach sich. Kann die Sammlung Emil Bührle das Kunsthaus wieder verlassen? GLOOR Nicht ohne Weiteres. Der Vertrag von 2012 ist auf Dauer angelegt; eine Trennung wäre frühestens 2034 möglich. Der Vertrag verlängert sich dann automatisch, wenn nicht eine Kündigung er- folgt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Jahre. BECKER Verträge müssen aus juristischen Gründen grundsätzlich befristet sein, sonst verstos- sen sie gegen das Gebot der übermässigen Bindung. Der Vertrag zwischen der Sammlung Emil Bührle und dem Kunsthaus Zürich ist aber auch aus einem andren Grund befristet: Museen sind «gebaute Generationenverträge» (W. Grasskamp). Wir kön- nen unmöglich wissen, welche Kunst für kommende Generationen wichtig ist und welche nicht. Das Kunsthaus muss also davor geschützt werden, Kunstwerke auf ewig zeigen zu müssen. Wer ist zukünftiger Kurator der Sammlung Emil Bührle? GLOOR Im Kunsthaus unterliegt die Sammlung der Zuständigkeit des Sammlungskurators, der seine Aufgabe in Absprache mit der Bührle-Stiftung wahr- nimmt. Wie sieht das Beziehungsgeflecht zwischen Kunstgesellschaft und Bührle-Stiftung aus? GLOOR Die beiden Institutionen sind jeweils im Vorstand bzw. im Stiftungsrat der anderen vertreten. Diese Verbindung liegt im beiderseitigen Interesse.
Sollte sich das Kunsthaus von Bührle Die Entstehung der Sammlung Bührle im distanzieren? historischen Kontext» (2020) von Professor BECKER Nein. Emil Bührle gehörte in der Matthieu Leimgruber? schwierigen Zeit des Zweiten Weltkriegs und im BECKER Der Expertenbericht stellt eine will- anschliessenden Kalten Krieg zur Geschichte der kommene Untersuchung und Quelle für Informa- Schweiz und der Stadt Zürich. Er war ein Repräsen- tionen zu Emil Bührle als Unternehmer und Samm- tant der damaligen Wirtschaftselite. Diese Ge- ler sowie über seine unternehmerische Tätigkeit und schichte und ihre Widersprüche zu verdrängen, in- seine gesellschaftliche Stellung in der Stadt Zürich dem man sich von einem wichtigen Akteur distan- dar. Aus dieser Quelle sowie aus Archiven der Stif- ziert, ist unehrlich und letztlich auch unmöglich. tung E.G. Bührle und des Kunsthauses schöpft das Der Fokus des Kunsthauses liegt auf der Kunst. Kunsthaus, wenn es die Dokumentation und Hinter- Darum soll die von Emil Bührle hinterlassene Samm- grundinformationen zur Sammlung und zu Emil lung gerade hier auch gezeigt werden. Die Sammlung Bührle als Unternehmer und als Persönlichkeit des wegzuschliessen, hiesse Erinnerung zu unterdrü- öffentlichen Lebens im 2. Obergeschoss der Kunst- cken. haus-Erweiterung präsentiert. Indem das Kunsthaus die Ausstellung der Samm- lung Emil Bührle auch dazu nutzt, an die histori- Wie sieht die Dokumentation zur schen Umstände ihrer Entstehung zu erinnern, leis- Bührle-Kontextualisierung in der Kunst- tet es einen aktiven Beitrag zur Erinnerungskultur. haus-Erweiterung aus? Das Kunsthaus steht auch dazu, dem Unternehmer GLOOR Die Dokumentation ist Teil eines kura- und Mäzen Emil Bührle viel zu verdanken – die heu- torischen Konzepts. Sie wird von Kunsthaus-Direk- tige Identität des Kunsthaus Zürich wäre ohne die tor Christoph Becker verantwortet und von einem unzähligen Ausstellungen nicht denkbar, die seit Team um Sammlungskonservator Philippe Büttner über sechzig Jahren in dem von Bührle gestifteten umgesetzt. Saalgebäude stattgefunden haben. BECKER Redaktionell sind die Direktion, in- terne Mitarbeitende aus den Bereichen Kommuni Wie steht das Kunsthaus zum Forschungs kation, Provenienzforschung, Sammlung und Aus- bericht «Krieg, Kapital und Kunsthaus. stellungen sowie externe Fachleute (Medienprofis,
24 ERWEITERUNG Juristen, Historiker) als informelles Soundingboard Publikationen wie der Bergier-Bericht von 2001, involviert – darunter der Leiter der jüngsten histori- das 2015 erschienene «Schwarzbuch Bührle», der schen Studie, Prof. Matthieu Leimgruber, auf dessen Forschungsbericht von Prof. Leimgruber sowie die Ergebnisse sich die Dokumentation weitgehend Geschichte der Sammlung Emil Bührle, die von Lukas stützt. Gloor verfasst und vom Schweizerischen Institut Die Dokumentation wird in einem zentralen für Kunstwissenschaft SIK-ISEA im Juni herausge- Raum von rund 90 m2 vorgestellt. Sie wird überdies geben worden ist, werden ebenso beigezogen wie die auf weitere Medien und Vermittlungsformen hinwei- zahlreichen Artikel, Aufsätze, Kataloge und weitere sen, darunter ein Digitorial, das online auch von Publikationen, die in den vergangenen Jahrzehnten zuhause aus konsultiert werden kann, und einen zum Thema erschienen sind. Audioguide zu Werken der Sammlung Bührle. Er greift beispielhaft Fälle von Raubkunst und Restitu- Stehen Werke der Sammlung Emil Bührle tion heraus, behandelt aber auch andere Aspekte der unter «Fluchtgut»-Verdacht? Provenienzgeschichte und verlängert die Dokumen- GLOOR Es gibt Werke in der Sammlung, die nach tation in die Ausstellung hinein. Ausserdem werden der NS-Machtübernahme in Deutschland 1933 von regelmässig Führungen mit wechselnden Schwer- ihren Eigentümern in der Emigration verkauft wur- punkten zur Entstehung der Sammlung Bührle an- den. Naheliegenderweise war gerade die Schweiz für geboten. Nicht zuletzt kann auch auf die Website der viele Emigranten die erste Anlaufstelle, umso mehr Stiftung mit ausführlichen Angaben zur Provenienz als es hier keine staatlich angeordnete oder sanktio- der einzelnen Werke hingewiesen werden. nierte Beraubung jüdischer Flüchtlinge gab. Die Frage wurde gründlich geprüft, wobei sich die Wie objektiv wird die Bührle-Kontextuali- Bührle-Stiftung auf die Definition gestützt hat, die sierung in der Kunsthaus-Erweiterung sein? im Bergier-Bericht erstmals formuliert wurde. Ihr BECKER Die Dokumentation wird den Stan- entsprechen nach heutigem Wissen vier Werke im dards von wissenschaftlicher Unabhängigkeit und Bestand der Sammlung Emil Bührle. Bührle hat sie Unvoreingenommenheit entsprechen. während des Krieges nicht von den Vorbesitzern
ERWEITERUNG 25 nisse dieser Forschung sind seit Jahren vollständig auf der Website der Stiftung öffentlich zugänglich und werden laufend aktualisiert. Die 13 am Ende des Zweiten Weltkriegs bei Emil Bührle identifizierten Raubkunstwerke wurden 1948 alle restituiert, neun davon wurden nach der Resti- tution bis 1951 von Emil Bührle wieder zurückge- kauft. Nach heutigem Stand des Wissens besteht bei keinem der Werke in der Sammlung Emil Bührle Verdacht auf eine problematische Provenienz. erworben, sondern im Schweizer Kunsthandel. Es gibt keine Hinweise, dass die Verkäufe zum Nachteil Dann werden auch Leihgaben aus der Vorbesitzer erfolgten. der Sammlung Bührle weiter hinaus in die Bei einer Anzahl weiterer Werke, die vor Mai 1945 Welt gehen? gekauft wurden, kann entweder ausgeschlossen wer- GLOOR Ja, bis zu zehn Prozent der Werke aus der den, dass sie «Fluchtgut» waren, oder es erlaubt der Sammlung Emil Bührle können an Dritte ausgeliehen heutige Kenntnisstand nicht festzustellen, ob sie in werden. Mit dieser Beschränkung soll sichergestellt die «Fluchtgut»-Kategorie gemäss Bergier fallen. werden, dass Besucherinnen und Besucher, die für Sollten sich in Zukunft zusätzliche Erkenntnisse die Sammlung ins Kunsthaus kommen, das ganze ergeben, wird die Situation neu zu beurteilen sein. Spektrum von den Meisterwerken des Impressionis- mus, der Alten Meister und der Klassischen Moderne Wer ist zukünftig für weitere Provenienz immer nahezu vollständig vorfinden und geniessen forschung der Sammlung Emil Bührle können. zuständig? BECKER In Fachkreisen ist bereits bekannt, dass BECKER Der Beauftragte für Provenienzfor- das Kunsthaus nach Paris nun die grösste Samm- schung im Kunsthaus Zürich, Joachim Sieber, wird lung Französischer Malerei und Impressionismus in die Verantwortung für das Archiv der Stiftung Samm- Europa beherbergt. Entsprechend viele Leihgesuche lung E.G. Bührle übernehmen. Er wird auch Fragen gehen bei uns ein. Im Tausch können wir herausra- im Zusammenhang mit Provenienzen von Werken gende Werke aus anderen Museen ausleihen und der Sammlung Emil Bührle beantworten. damit die Qualität unserer wechselnden Ausstellun- gen weiter erhöhen. Die Kooperation zwischen der Wird das Archiv der Sammlung Emil Bührle Stiftung Sammlung Emil Bührle und dem Kunsthaus der Forschung zugänglich gemacht? ist für alle Beteiligten in Zürich und das internatio- GLOOR Das Bührle-Archiv wird ab Oktober 2021 nale Publikum ein grosser Gewinn. in der Kunsthaus-Bibliothek genauso zugänglich sein wie das Archiv der Zürcher Kunstgesellschaft. Wird das Kunsthaus Werke der Sammlung Emil Bührle restituieren? BECKER Nein, darüber entscheidet allein die Stiftung, der die Werke weiterhin gehören. Ansprü- che dieser Art müssten direkt mit der Stiftung ver- handelt werden. Wird die Bührle-Stiftung Werke der Sammlung Emil Bührle restituieren, wenn sich herausstellt, dass sie im Zweiten Weltkrieg aus jüdischem Besitz entwendet wurden? GLOOR Der Entscheid liegt bei der Stiftung, und er wird von Fall zu Fall aufgrund der konkreten Um- stände beurteilt werden. Die Sammlung Emil Bührle ist weltweit eine der besterforschten Sammlungen ihrer Art. Die Ergeb-
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28 INTERN Die etwas andere Wahl! Das Wichtigste in Kürze TEXT Björn Quellenberg Gestützt auf Art. 27 Abs. 1 lit. a der Covid-19-Verord- nung 3 fand die für den 31. Mai 2021 angesetzte 126. Generalversammlung der Zürcher Kunstgesellschaft (ZKG) auf schriftlichem Weg statt. Stimmberechtigt waren alle Mitglieder, deren Jahresbeitrag bis zum 19. April auf dem Konto der ZKG eingegangen war. Gesamthaft wurden 20 522 Stimmzettel verschickt. Die Stimmbeteiligung lag bei hohen 31 Prozent, denn die Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers von Walter B. Kielholz hatte viele Mitglieder zur Teilnahme motiviert. Bis Freitag, 28. Mai, dem Ende der Rücklauffrist, gingen 4906 Couverts ein. Sie wur- den registriert und geprüft. Die am Auszählungspro- zess teilnehmenden Personen hatten vorher eine Geheimhaltungsverpflichtung unterzeichnet. Das Total der gültigen Stimmzettel betrug 6362. Gemäss Statuten fasst die Generalversammlung ihre Be- Anne Keller Dubach schlüsse mit einfachem Mehr. Dieses lag folglich bei 3182 Stimmen. Auf Anne Keller Dubach entfielen 4308 Stimmen (67,7 %), auf Florian Schmidt-Gabain 1648 (25,9 %). Somit ist Anne Keller Dubach die erste Präsidentin Die Präsidentin skizziert in der über 200-jährigen Geschichte der Zürcher Kunstgesellschaft. erste Ideen Mit überwältigender Mehrheit wurden der Jahres- bericht und die Jahresrechnung 2020 genehmigt. Deutliche Zustimmung mit genau 5200 Stimmen gab Was für ein Privileg, dass ich das Kunsthaus als Prä- es auch für eine Erhöhung der Mitgliederbeiträge ab sidentin der Kunstgesellschaft in eine neue Ära füh- dem Jahr 2022. Mit einem ähnlich grossen Ja-Anteil ren darf – gemeinsam mit dem Team, der Direktion, der Stimmen wurde Ben Weinberg erneut in den dem Vorstand und Ihnen, liebe Mitglieder. Herzli- Vorstand gewählt und der scheidende Präsident chen Dank für Ihr Vertrauen. Ich freue mich sehr. Walter B. Kielholz mit der Ehrenmitgliedschaft aus- gezeichnet. MEHR ALS EIN MUSEUM Nachdem der unabhängige Stimmenzähler Dr. Im Mai haben wir einen Vorgeschmack bekommen, Christoph Reinhardt das Ergebnis der Auszählung als der Erweiterungsbau seine Türen für vier Wochen am 31. Mai übermittelt hat, konnte der Vorstand öffnete und die beeindruckende Intervention des diesen Beschluss am selben Abend einstimmig fest- Choreografen William Forsythe eine neue Epoche stellen. Die anwesenden Revisorinnen bestätigten einläutete. Man konnte ahnen, was für ein enormes die Richtigkeit. Am 1. Juli hat Anne Keller Dubach das Potenzial in dem heute schon bedeutenden Museum Amt von Walter B. Kielholz übernommen. steckt. In Zukunft wird das Kunsthaus Zürich mehr
INTERN 29 sein als ein Museum – ein lebendiger öffentlicher Wir wollen inspirieren dank Kooperationen, Inter- Raum, der eine Kultur des Dialogs fördert; aber auch ventionen und spannenden Formaten und zum ein Ort der Begegnung, des Genusses und der Inspi- Treffpunkt werden, an dem Gastfreundschaft gelebt ration. Das Kunsthaus Zürich wird die grösste Kunst- wird. Im Fokus bleiben Kunst und Kultur, Bildung institution der Schweiz sein – und Zürich definitiv und Vermittlung, die in der Wissensgesellschaft des noch attraktiver machen. 21. Jahrhunderts partizipativ, inklusiv und digital gestaltet werden müssen. Aber vor allem soll sich das KUNSTHAUS-ERWEITERUNG ERFORDERT Kunsthaus Zürich durch Relevanz, Haltung und Mei- NEUPOSITIONIERUNG nung auszeichnen, als differenzierte und eigenstän- Die Zürcher Kunstgesellschaft ist mit bald 23 000 dige Stimme mitten in der Gesellschaft. Mitgliedern nach der Tate in London der grösste Kunstverein Europas. Schon das verdeutlicht die mögliche Dynamik eines neuen Kunsthaus Zürich; neu in puncto Dimension und doch seiner Tradition verbunden. Denn alles was wir anpacken, baut auf der Historie der Kunstgesellschaft seit 1787 auf. Und insbesondere auf den enormen Leistungen der letz- ten zehn Jahre, die eine Neupositionierung des Kunsthaus Zürich überhaupt erst ermöglichen, ja, einfordern. Ein Bauprojekt dieser Grössenordnung – neben dem laufenden Museumsbetrieb – umzuset- zen, verdient höchsten Respekt. Und grossen Dank für viel Courage, Energie und Stamina. VORSTAND UND DIREKTION IM TEAM Die Voraussetzungen sind also geschaffen, die Hülle ist da, die Pläne skizziert. Jetzt zieht endlich Kunst ein, die Räume finden ihre Bestimmung, die Vor- freude ist gross. Und wir haben die einmalige Chance, die Persönlichkeit des neuen Kunsthaus Zürich zu prägen, und – als eine der Hauptaufgaben des Präsi- diums und des Vorstandes – die strategische Ausrich- tung festzulegen in Zusammenarbeit mit den Teams und der Direktion. Apropos Direktion: Bereits 2019 hatte die Zürcher Kunstgesellschaft kommuniziert, mit der Eröffnung des Erweiterungsbaus des Kunst- hauses einen Führungswechsel vornehmen und das Anne Keller verfügt über breite internationale Museum einer neuen Direktion anvertrauen zu wol- Führungserfahrung und Kompetenz in den Bereichen len. Und ich bin optimistisch, dass wir eine hochqua- Kunst, Kultur und Kommunikation. Sie ist seit dreissig Jahren in renommierten Unternehmen sowie lifizierte und inspirierende Persönlichkeit gewinnen kulturellen Institutionen engagiert und hat deren können, die frische Impulse und spannende Perspek- Positionierung nachhaltig geprägt, u. a. war sie tiven einbringen wird. 2000 – 2020 Leiterin Kunst- und Kultur-Engagement, Swiss Re EIGENSTÄNDIGE STIMME 2009 – 2020 Mitglied/Vizepräsidentin IN DER MITTE DER GESELLSCHAFT des Verwaltungsrates Schauspielhaus Zürich Per 1. Juli habe ich das Präsidium übernommen und 2006 – 2020 Präsidentin Schweizerisches zunächst geht es vor allem ums Zuhören, Verstehen Institut für Kunstwissenschaft und Einordnen, um Visionen und Ideen im Dialog zu 2006 – 2015 Mitglied Stiftungsrat Fotomuseum Winterthur konkretisieren. Das Kunsthaus ist mehr als ein Mu- Foto © Florian Kalotay / 13 Photo 1995 – 2000 Managerin Kunst- und seum und bleibt doch ein Haus der Kunst. In diesem Kultur-Engagement, Credit Suisse Sinne wollen wir das Profil stärken, das Programm noch strategischer ausrichten und eine inhaltliche Anne Keller studierte Allgemeine Geschichte und Literatur an der Universität Zürich und absolvierte Themenführerschaft übernehmen, die den Diskurs ein Executive Management Training an der Stanford zu relevanten, gesellschaftspolitischen Fragen sucht. University.
30 BIBLIOTHEK wenn persönliche Besuche und Telefonge- spräche, die manchmal erwähnt werden, die Vollständigkeit der Überlieferung ein- schränken, so waren doch Telegramme, Briefe und Postkarten die hauptsächlichen Kommunikationsmittel. Die kontinuier liche Dokumentation der gesamten Kor- respondenz ermöglicht es, einzelne Vor- gänge wie zum Beispiel Ausstellungs projekte, Verkäufe aus Ausstellungen, Kaufangebote und Ankäufe für die Samm- lung, Deposita von Sammlern und vieles mehr von Anfang bis Ende nachzuvollzie- hen. Da die Korrespondenzpartner (meis- Eine authentische tens Männer) zu den bedeutendsten Künstlern, Händlern, Sammlern und Kunsthistorikern dieser Zeit zählen, sind und vollständige die in den Briefkopienbüchern überliefer- ten Informationen nicht nur für das Kunsthaus, sondern für die Erforschung des gesamten Kunstbetriebs jener Zeit Chronik relevant, insbesondere für die Länder Deutschland, Frankreich, Österreich und die Schweiz. Für die Provenienzforschung besonders relevant ist die Korrespondenz Digitalisierung und Publikation der aus der Zeit von 1933 bis 1945, der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in Briefkopienbücher im Archiv des Kunst- Deutschland und des Zweiten Weltkriegs, hauses aus der Zeit von 1933 bis 1945 in der viele Schreiben an Exilanten und verfolgte Personen zu finden sind. als Quelle für die Provenienzforschung. Kopienbücher oder «letterpress copy- books» waren in der Zeit zwischen 1850 TEXT Thomas Rosemann und 1950 in allen Unternehmen das nor- male Werkzeug, um Kopien der Geschäfts- korrespondenz anzufertigen und zu bewahren. Sie bestehen aus jeweils 500 dünnen Blättern durchscheinenden, saug- fähigen Spezialpapiers, ergänzt um Blätter mit einem Alphabet und dazwischenlie- genden Löschblättern. Die zu kopieren- den Briefe und Postkarten, die sowohl Wilhelm Wartmann (1882–1970), der erste hand- als auch maschinengeschrieben Direktor des Kunsthauses, war von 1909 vorliegen konnten, mussten mit einer Spe- bis 1949 im Amt. Dank seiner sorgfältigen zialtinte angefertigt werden, die lange und strukturierten Aktenablage sind die feucht blieb. Nur so war es möglich, die schriftlichen Dokumente aus seiner Amts- fertigen Schriftstücke in das Kopienbuch zeit fast vollständig überliefert. Die Brief- einzulegen und durch Druck und Feuch- kopienbücher, in denen alle ausgehenden tigkeit auf die dünnen Blätter im Buch zu Schreiben des Kunsthauses komplett ent- übertragen. Der Abdruck im Kopienbuch halten sind, bieten mit ihren handge- ist spiegelverkehrt, lesbar werden die ko- schriebenen Empfängerregistern einen pierten Dokumente auf der Rückseite vorzüglichen Zugang zum gesamten Ar- dank des durchscheinenden Papiers. In chiv während dieser Zeit und machen alle das Alphabet im Anhang wurde abschlies- Vorgänge relativ leicht auffindbar. Auch send von Hand das Empfängerregister für
BIBLIOTHEK 31 den vollen Band eingetragen. Da die losen 1 Einband Briefkopierbuch Ausstellungen, Band 54 (09.12.1932 – 21.04.1933); Archiv ZKG/KHZ Briefblätter und anderen Dokumente nach und nach chronologisch in einen gebun- 2 Handgeschriebenes Empfängerregister Brief kopierbuch, Band 54, Buchstabe «K»; Archiv ZKG/KHZ denen Band übertragen wurden, konnten sie nicht mehr verloren gehen und auch 3 Kopie eines Briefs von Wilhelm Wartmann an Max Kaganovitch, 27.1.1933; Archiv ZKG/KHZ nicht ohne Spuren entnommen werden. Kopienbücher sind daher eine vollstän- dige, authentische Quelle. Die leeren Bände konnten als gebrauchsfertiges In- dustrieprodukt gekauft werden. In einem vom Bundesamt für Kultur geförderten Projekt werden bis Ende 2022 die Bände aus der Zeit von 1933 bis 1954 gescannt und langzeitarchiviert. Kopien der Originaldateien werden in Adobe Lightroom so bearbeitet, dass die oft stark verblichenen Schriftstücke wie- der lesbar werden. Die handgeschriebe- nen Empfängerregister werden für die Recherche transkribiert. Dabei werden Abkürzungen aufgelöst und Schreibfeh- ler korrigiert. Alle 63 Bände werden bis Projektende sukzessive auf «digital. kunsthaus.ch» veröffentlicht. 1 2 3
32 RESTAURIERUNG Wiedergewonnene Ursprünglichkeit TEXT Tobias Haupt beiden Gemälden das Ziel der Restaurie- rung klar – nämlich im Idealfall die speckig glänzenden Firnisschichten gänzlich zu entfernen. Begonnen wurde mit Gauguins «Opfergabe», wobei sich schnell heraus- stellte, dass bis zur vollständigen Firnisab- nahme noch einige Hürden aus dem Weg zu räumen waren. DIE GROSSE ÜBERRASCHUNG: FÜR DEN VERKAUF GESCHMINKT Bei den ersten vorsichtigen Tests zur Fir- nisabnahme wurde an einer Stelle auch rote Farbe mit angelöst. Da es sich um eine originale Farbschicht hätte handeln kön- nen, wurden die Versuche zur Firnisab- nahme unterbrochen, um zunächst eine sorgfältige technologische Untersuchung am Gemälde durchzuführen. Unter dem Mikroskop zeigte sich, dass an vielen Stellen als letzter Farbakzent eine rote, gelegentlich auch gelbe Lasur aufgetragen worden war. Davon betroffen waren vor allem die Hautpartien der bei- 1 den dargestellten Tahitianerinnen. Eben- falls gut unter dem Mikroskop erkennbar war, dass die rötlichen Lasuren erst zu einem viel späteren Zeitpunkt aufgetragen Seit Herbst 2018 wurden – finanziert van Gogh ins Restaurierungsatelier des worden waren. Bedenkt man, dass das durch die Stiftung Bührle – vier wichtige Kunsthauses. Gemälde nach dem Tod des Künstlers 53 Werke der Sammlung Emil Bührle im Jahre lang unverkauft im Kunsthandel ver- Kunsthaus restauriert, um sie im Erweite- GLÄNZENDE PATIENTEN blieb, bis Emil Bührle es 1956 erwarb, rungsbau von ihrer besten Seite zeigen zu Beide Gemälde waren von dicken, stark scheint die Vermutung naheliegend, dass können. Nach dem «Herrenbildnis» von glänzenden und vergilbten Firnisschich- der Auftrag von etwas «Rouge» auf die Frans Hals und dem Bildnis von Ingres’ ten überzogen, die das Erscheinungsbild Haut der beiden Südsee-Schönheiten den Gattin kamen Ende 2019 «Die Opfergabe» stark beeinträchtigten, denn sowohl Gau- Appeal des Bildes für den Verkauf steigern (1902) von Paul Gauguin und «Die Seine- guin als auch van Gogh haben ihre Bilder sollte. Gestützt wird diese Annahme durch Brücken bei Asnières» (1887) von Vincent in der Regel nicht gefirnisst. Somit war bei ein Dokument im Archiv eines Kunsthänd-
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