WEGE AUS DER KLIMAKRISE - ENERGIEWENDE, RESTORATION, PROFORESTATION - NR.50 04/2021 - Österreichische Bundesforste ...
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NR. 50 04/2021 MANAGERINNEN FAC H J O U R N A L N AT U R R A U M DAS DER WEGE AUS DER KLIMAKRISE E N E R G I EW E N D E , R E STO RATI O N , P RO F O R E STATI O N W O D I E N AT U R Z U H A U S E I ST
Gastartikel Energiesektors N AT U R R A U M M A N A G E M E N T grün zu sein!“ „Es ist nicht leicht, Schnell, aber behutsam! Moore und Klimawandel Inhalt Restoration und Proforestation Diskussion über den Umbau des österreichischen Intakte Moore schützen, degradierte revitalisieren Ökosysteme wiederherstellen und mehr CO2 speichern 3 4 8 10 Medieninhaber (Verleger) und Herausgeber: Österreichische Bundesforste AG | Naturraummanagement Pummergasse 10–12 | 3002 Purkersdorf Tel.: +43 2231 600-3110 | E-Mail: naturraummanagement@bundesforste.at Redaktion: Mag.a Andrea Kaltenegger, Mag.a Christina Laßnig-Wlad Texte: Karin Astelbauer-Unger, Univ.-Prof. Dipl.-Geogr. Dr. Stephan Glatzel, Mag.a Christina Laßnig-Wlad, Christian Schröck Lektorat: Dr. Wolfgang Astelbauer Coverfoto: Waldwunder „Moorwald“ im Stubachtal, Nationalpark Hohe Tauern (Salzburg), ÖBf-Archiv/Franz Pritz Design: Roland Radschopf/Vienna, rolandradschopf.com Reinzeichnung: Breiner&Breiner, office@breiner-grafik.com Druck: Druckerei Berger, Horn Verlags-, Herstellungs- und Erscheinungsort: Purkersdorf Impressum Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz: bundesforste.at/naturraummanagement > ÖBf-Fachjournal Natur.Raum.Management Foto: ÖBf-Archiv/G. Moser
AUSGABE 04/2021 – NR. 50 „Es ist nicht leicht, grün zu sein!“ Diese von Kermit, dem Frosch der „Muppet Show“, stammende und dem Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) erstellte Einschätzung wollte Boris Johnson bei der UN-Vollversammlung CareforParis-Studie, bestätigen, dass der österreichische Wald in am 23. September 2021 nicht unwidersprochen lassen. „Ich möchte, den nächsten 30 bis 100 Jahren noch eine CO2-Senke sein wird. dass Sie wissen, dass Kermit falsch lag … es ist richtig, grün zu Damit der Wald mit seinen Produkten und Leistungen seinen sein!“, beschwor er die Dringlichkeit einer Klimawende. wertvollen Facettenreichtum voll zur Geltung bringen kann, braucht es allerdings mehrere Stoßrichtungen. Priorität im Vorgehen gegen den Klimawandel haben zweifelsohne die Reduktion des menschlich verursachten CO2-Ausstoßes und der Naturräume können in puncto Klimafitness und Artenvielfalt damit verbundene Umbau des Wirtschaftssystems in eine nicht- (weiter) verbessert werden. Mit dem Konzept der „nature-based erdölbasierte Ökonomie. Auch der im Sommer 2021 erschienene solutions“ und dem Restaurationsschwerpunkt gemäß der sechste IPCC-Bericht unterstreicht: Die Treibhausgas-Emissionen UN-Dekade für die Wiederherstellung von Ökosystemen können müssen sofort und drastisch gesenkt werden, sonst ist die ange- Naturraumanagementprojekte in Angriff genommen werden, die peilte 1,5-Grad-Begrenzung der globalen Erwärmung unerreichbar. nicht nur als reine Arten- und Naturschutzinitiativen zu sehen sind, Die 26. UN-Klimakonferenz wird im November in Glasgow stattfin- sondern wesentliche Ökosystemleistungen maßgeblich verbessern. den – zu erwarten sind viele Ankündigungen, passend zu den in Restaurierungsprojekte an Flüssen und in Mooren, Initiativen zur den letzten Wochen verlautbarten Klimaschutzzielen für das Jahr Förderung klimafitter Wälder sowie regionale Lebensraumvernet- 2030. Im Vorfeld gab es aufrüttelnde Worte des UN-Generalsekre- zungsmaßnahmen wie Heckenpflanzungen führen zu Verbesserun- tärs António Guterres: „Die Menschheit befindet sich am Abgrund gen in Sachen Hochwasser- und Erosionsschutz, CO2-Speicherkapa- und bewegt sich in die falsche Richtung.“ In Österreich werden zität, Landschaftsästhetik und nachhaltige Rohstoffproduktion. Das relevante Gesetze novelliert, eine ökosoziale Steuerreform wurde Forschungsprojekt der Österreichischen Bundesforste „Werte der verkündet; der Fuß wird aber nur langsam vom Gaspedal genom- Natur – Bewertung der Ökosystemleistungen der ÖBf“ verdeutlicht men, wie man eine klimaneutrale Gesellschaft schaffen möchte, die Vielfältigkeit der Ökosystemleistungen – vor allem im Wald – bleibt ein Mysterium. und bestätigt den Ansatz der ÖBf, Ökologie und Ökonomie als Leitsatz für das Flächenmanagement heranzuziehen. Eines steht fest: Der Wald ist Teil der Lösung. Allerdings für welches Problem? Jede Sparte bringt ihre eigenen Erwartungen ein: Wälder Für die Finanzierung zukünftiger Restaurierungsprojekte sind neue liefern den Rohstoff Holz für die Bauwirtschaft, für die Holzindust- Partnerschaften erforderlich. Private Investoren und Sponsoren, rie, für Biomassekraftwerke, Wälder – vom Kronen- bis zum aber auch Crowdfunding-Initiativen werden immer wichtiger Wurzelraum – sind Kohlenstoffsenken für den Klimaschutz, Wälder werden. Naturraummanager*innen, Flächenbewirtschafter*innen, beherbergen Artenvielfalt. Der Wald muss also ein Multitalent sein. Wissenschaftler*innen sowie Verantwortliche von Behörden und Damit sich dieses Multitalent entfalten kann, setzen die ÖBf auf ein NGOs könnten gemeinsam regionale Angebote maßschneidern Sowohl-als-auch. Sie wollen den Ausbau der Bioökonomie mit dem und mit „Naturschutzinvestoren“ realisieren. Auch das ÖBf-Natur- Rohstoff Holz unterstützen, die Senkenfunktion des Waldes als raummanagement hat vor, interessante Angebote zu entwickeln. wesentliche Ökosystemleistung nutzen, artenreiche Wälder ermöglichen und diese widerstandsfähig gegenüber den Auswir- Mag.a Christina Laßnig-Wlad, Leiterin Naturraummanagement und kungen des Klimawandels machen. Studien, wie die von der Naturschutz der Österreichischen Bundesforste, Universität für Bodenkultur, dem Umweltbundesamt, Wood K plus christina.lassnig-wlad@bundesforste.at Illustration: Studio Nu 3
der Pretulalpe in rund 1600 m Seehöhe Der Windpark Pretul der ÖBf auf Schnell, aber behutsam! Naturverträgliche Energiewende gefragt Im Mai 2021 erreichte die CO2-Konzentration in der erreicht werden soll. CO2-Emissionen sollen einen Atmosphäre den höchsten Wert seit Beginn der Preis bekommen, Neuwagen dürfen ab 2035 kein CO2 Aufzeichnungen. Jährlich fügt die Menschheit der mehr ausstoßen. Diesem Programm müssen Atmosphäre an die 40 Mrd. Tonnen CO2 hinzu. Trotz allerdings noch alle Mitgliedstaaten zustimmen, was des Pariser Abkommens wird dauern kann. Österreich ist jedenfalls mehr denn je Am 28. Juli 2021 fand in der Unter Jahr für Jahr mehr CO2 gefordert: Während in der EU die Treibhausgasemis- emittiert. Um einen katastro- sionen seit 1990 um rund ein Viertel reduziert nehmensleitung der ÖBf in Purkers phalen Klimawandel zu wurden, sind sie in Österreich sogar leicht gestiegen. dorf eine Gesprächsrunde statt, in vermeiden, muss es daher der mit großem Engagement über oberstes Ziel sein, die Innerhalb weniger Jahre müssen alle bisher verwende- CO2-Belastung zum frühest- ten fossilen Energieträger vollständig durch erneuer- den Umbau des österreichischen möglichen Zeitpunkt auf null bare Energieträger bzw. durch aus regenerativ Energiesektors diskutiert wurde. zu reduzieren. erzeugtem Strom produzierte Quellen ersetzt werden, Dass die Zeit drängt, ist nun zum Beispiel durch Wasserstoff für die Stahlherstel- sogar der Internationalen Energieagentur (IEA) klar, lung. Im Juli 2021 wurde das Erneuerbaren-Ausbau- also jener Gruppe, die in den frühen 1970er-Jahren Gesetz (EAG) beschlossen. Das Ziel: 2030 soll Öster- gegründet wurde, um die Ölversorgung zu gewähr- reich 100 Prozent des im Land verbrauchten Stroms leisten. In ihrem neuen Bericht „Net Zero by 2050“ aus erneuerbaren Energiequellen produzieren. Die fordert sie erstmals einen radikalen Ausstieg aus der gegenwärtige Produktion von Strom aus erneuerbaren Nutzung fossiler Energieträger bis zum Jahr 2050. Energieträgern muss um 27 Terawattstunden (TWh) Die Vorschläge der IEA lauten: ab sofort Stopp neuer erhöht, also um rund 50 Prozent gesteigert werden. Öl-, Gas- und Kohleprojekte, starker Ausbau erneuer- Wie dieses Ziel erreicht werden kann und was sonst barer Energiequellen, thermische Sanierung des noch für eine erfolgreiche Energiewende erforderlich weltweiten Gebäudebestands, wo nötig CO2-Abschei- ist, haben am 28. Juli 2021 DIin Dr.in Hildegard dung und -Speicherung zur Reduktion von Emissio- Aichberger, Vorstandsmitglied der Ökostrom AG, nen in die Atmosphäre durch die technische Abspal- Mag.a Christina Laßnig-Wlad, Leiterin des Natur- tung an den Kraftwerken und dauerhafte raummanagements der ÖBf, Katharina Rogenhofer, Einlagerung in unterirdische Lagerstätten und – lei- Mitbegründerin von „Fridays for Future“ und seit der auch – eine Verdoppelung des Atomkraftanteils 2019 Sprecherin des Klimavolksbegehrens, und Mag. am Energieaufkommen auf 11 Prozent. Regierungen Georg Schöppl, ÖBf-Vorstand für Finanzen und sollen gemeinsam agieren, der Forschung und Immobilien, im Rahmen eines Gesprächs ausgelotet. Entwicklung komme bei der Erreichung der Klima- Im Folgenden eine Zusammenfassung. Foto: Hannes Leitner/planum neutralität eine entscheidende Rolle zu. Das EAG bietet erstmals die Möglichkeit, dass sich Die EU hat im Juli das Programm „Fit for 55“ ins Leben Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Stromerzeu- gerufen, mit dem bis 2030 eine Nettotreibhausgasre- gung beteiligen können. Was bedeutet das für die 4 duktion von 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 Bevölkerung?
AUSGABE 04/2021 – NR. 50 Aichberger: Die Intention des EAG ist jedenfalls, die Energielandschaft zu regionalisieren und die Menschen mit einzubinden. Früher gab es ein paar Großkraftwerke und große Knotenpunkte, und die Energie wurde im Wesentlichen über Öl- und Gasimporte ins Land geholt. Mit dezentralen Anlagen, von denen jede einzelne wenig produziert, aber in Summe eine Art Schwarmenergieversorgung sicherstellt, kommt die Energie näher zu den „Die Politik wird nur etwas im positiven Sinne weiter Menschen. Die Energiegemeinschaften sind aus bringen, wenn sie den Willen und den Druck von unten meiner Sicht eine extrem mutige Struktur, weil jeder spürt. Wenn viele Leute auf die Straße gehen, wird die Energieerzeuger sein, jeder eine Bilanzgruppe Politik nervös. Wir können etwas bewegen – das haben gründen und sich von den Konzernen unabhängig die letzten Jahre gezeigt. Meine große Hoffnung ist, machen kann. Das ist die Energiewende, um die es dass die Klimabewegung wieder so stark wird, dass ein geht. Wir von der Ökostrom AG glauben, dass sie nur Umfallen in die falsche Richtung für die Politik nicht funktionieren wird, wenn viele Menschen sich mehr möglich sein wird.“ beteiligen und das System demokratischer wird. Katharina Rogenhofer, Katharina Rogenhofer und Wirtschaft muss anders, muss partizipativer werden, Mitbegründerin von „Fridays for Future“ und Florian Schlederer, muss die Menschen mehr mit reinholen und mehr Sprecherin des Klimavolksbegehrens „Ändert sich nichts, an die jeweilige Region zurückgeben. ändert sich alles. Warum wir jetzt für Rogenhofer: Neben der Energie sind in allen Berei- Wird Photovoltaik eher akzeptiert? unseren Planeten kämpfen chen, auch in der Mobilität, neue Geschäftsmodelle müssen“, Paul Zsolnay nötig. Unser Problem sind nicht nur die Emissionen, Schöppl: Photovoltaik auf Dächern wird sehr Verlag, Wien 2021 sondern auch die extreme Ressourcenübernutzung. akzeptiert. Das umstrittene Thema wird eher Wir müssen Produkte produzieren, die wiederver- Photovoltaik auf Freiflächen werden. Um 1 GWh In diesem sehr persönlich wendbar, lange haltbar und reparierbar sind und erst Strom aus Photovoltaik zu produzieren, ist ca. 1 ha geschriebenen Buch finden im letzten Lebenszyklus recycelt werden. Wir müssen Fläche nötig. Man braucht also vergleichsweise viel sich sowohl viele Fakten von einer Besitzwirtschaft, von einer Produkt- und Fläche. Ich halte es für sinnvoll, Dächer sowie Flächen über die Klimakrise als auch Konsumgesellschaft hin zu einer Servicegesellschaft auf Einkaufszentren oder ehemaligen Deponien zu „eine mutige Vision kommen. Das wird eine Riesenumstellung! verbauen, wo der ästhetische Gesamteindruck nicht zwischen zwei Fachbuch verschlimmert wird bzw. wo keine Flächen für die deckeln“. Die große Frage: Schöppl: Ich sehe es positiv, dass wir mit dem EAG Nahrungsmittelproduktion verloren gehen. Wenn die In welcher Zukunft wollen jetzt eine rechtliche Grundlage haben. Die ÖBf haben Bundesforste Photovoltaikprojekte auf Freiflächen wir leben? in den letzten Jahren ein intensives Ausbaupro- realisieren, errichten sie sogenannte Agro-PV-Anla- gramm umgesetzt. Als ich vor 15 Jahren zu den gen: Man stellt die Paneele so auf, dass dazwischen Bundesforsten kam, produzierten wir mit Wasser und Landwirtschaft betrieben werden kann. Wind 1 GWh. Letztes Jahr waren es fast 180 GWh. Inklusive des Biomasseheizkraftwerks Wien-Sim- mering, an dem wir zu einem Drittel beteiligt sind, haben wir 2020 über 300 GWh erzeugt. Wir haben fixe Pläne für weitere 100 GWh in den nächsten fünf Jahren. Wir wollen also weiter ausbauen. Wir sehen aber auch: Die eine Seite ist der rechtliche Rahmen, andererseits müssen auch die Entscheidungsträger und die Behörden in den Regionen bereit sein mitzumachen. Da beobachte ich je nach Region „Wir brauchen einen gesunden Realismus und große Unterschiede. Knapp 80 Prozent der Bevölke- Eigenverantwortung. Man sollte sich weniger darauf rung sagen, dass sie erneuerbare Energien wollen. Ich konzentrieren, was die anderen tun sollen, sondern bin aber trotzdem unsicher, ob sich in zehn Jahren in darauf, was man selbst tun kann, im eigenen Unter Fotos: ÖBf/Frank Helmrich Tirol oder in Vorarlberg ein Windrad drehen wird. nehmen. In allen Bereichen sollte es als im Mainstream Gerade bei Wind und Photovoltaik auf Freiflächen und cool gelten, nachhaltig zu leben und zu arbeiten.“ erlebe ich die Diskussion als sehr emotional. Finde ich Mag. Georg Schöppl, solche Anlagen schön oder nicht? Diese Frage ist oft ÖBfVorstand für Finanzen und Immobilien viel wichtiger als alles andere. 5
N AT U R R A U M M A N A G E M E N T nur irgendwo geht, alle Flächen nutzen. Die ÖBf sind der größte Flächenbesitzer Österreichs. 400 GWh sind natürlich super, aber im Vergleich zu 27 TWh kein Riesenbeitrag. Wie gedenken die ÖBf diesen Beitrag zu erhöhen? Schöppl: Wir planen keine Luftschlösser. Für die geplanten 100 GWh haben wir konkrete Projekte, für die wir bereits eine Genehmigung haben bezie- hungsweise zuversichtlich sind, eine zu bekommen. Natürlich wären grundsätzlich deutlich mehr als 100 GWh zusätzlich möglich. Wir haben aber sehr genau analysiert, was machbar ist. In der Wasserkraft ist auf ÖBf-Flächen aus ökologischen Gründen unter den Wassererfassung beim ÖBf-Kleinwasserkraftwerk Schallau bei Reichraming derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen nicht mehr viel möglich. Im Bereich Wind sieht das anders Aichberger: Ein Plus von 27 TWh bedeutet einen aus. Hier fehlt aber zum Teil noch die Bereitschaft der Ausbau der Energieproduktion um 50 Prozent; bei der jeweiligen Landesregierungen, Potenzialflächen als Photovoltaik bedeutet das siebenmal so viele sogenannte Vorrangzonen – das sind Flächen, auf Anlagen, wie wir im Moment errichten, bei der denen eine Umsetzung dann rechtlich möglich ist – Windkraft doppelt so viele Windräder, wie jetzt auszuweisen. Wo immer wir die Möglichkeit haben, gebaut werden. Das ist sehr viel. Wir werden uns werden wir jedenfalls weitere Projekte umsetzen. manchmal die Fragen „Klimaschutz oder Natur- schutz?“ oder „Klimaschutz oder Landschaftsschutz?“ Laßnig-Wlad: Die Flächen der Bundesforste liegen zu stellen müssen. Wir sollten extrem behutsam einem Großteil im Gebirge, in sensiblen Bereichen vorgehen, denn es ist natürlich nicht sinnvoll, in wie den Alpen. In solchen Gebieten sind Erneuerba- Schutzgebieten oder bei Vogelzugsrouten Windanla- re-Energie-Projekte auch aus technischer Sicht gen in großem Rahmen aufzustellen. Wichtig ist, schwer umsetzbar und kaum rentabel. Aus der dass der Ausbauprozess gut gemanagt wird. Wie Naturschutz- und NGO-Sicht gibt es ganz klare transparent geht dieser Prozess jetzt vor sich? Wie Vorgaben, wo Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer klar sind Zonierungen, wo darf man Windräder Energien sinnvoll sind und wo nicht. Ja, man wird hinstellen und wo nicht? Jedes Bundesland hat hier Kompromisse schließen müssen, aber es muss auch andere Bestimmungen. Wir werden die Ausbauziele No-go-Flächen geben. nur erreichen, wenn wir massiv ausbauen und, wo es Die Österreichischen Rogenhofer: Es gibt noch sehr viele Flächen, auf Bundesforste stehen für denen man etwas machen kann, und es gibt eine nachhaltige und No-go-Flächen. Denn auch der Biodiversitätsverlust sinnvolle Nutzung ist eine Riesenkrise. Wir müssen schon extrem gut natürlicher Ressourcen. aufpassen, welche Flächen wir wofür nutzen. Daher Sie bekennen sich zur muss es einen guten Dialog geben. Bei der Energie- Energiewende und wende ist es wichtig, einen großen Schritt voranzu- unterstützen die gehen, und gleichzeitig müssen wir uns überlegen, Gewinnung von wie wir Energie sparen und Energie klug nutzen erneuerbarer Energie. „Die Rahmenbedingungen für eine Energiewende können – das ist der nächste große Brocken. Fotos: ÖBf/Frank Helmrich, ÖBf-Archiv/Wolfgang Simlinger Die ÖBf engagieren sich waren noch nie so gut wie heute. Es ist nicht mehr derzeit in den Bereichen wirtschaftlich, nicht klimafreundlich zu sein. Obwohl Das Umweltbundesamt weist darauf hin, dass der Kleinwasserkraft, wir die Umwelteffekte noch nicht eingepreist haben, Ausbau erneuerbarer Energieträger möglichst Windkraft und Waldbio- obwohl wir die Umweltzerstörung den Firmen noch biodiversitätsschonend erfolgen sollte. Auf jeden Fall masse und leisten damit nicht umhängen, ist es bereits billiger, erneuerbar sollte man den Flächenverbrauch so niedrig wie einen wichtigen Beitrag und klimafreundlich zu produzieren. Das wird die möglich halten und vor jedem Vorhaben analysieren, zur Ökologisierung der Wirtschaft antreiben, und das gibt mir Hoffnung. ob man dadurch das Biodiversitätsproblem ver- Energieversorgung. Letztlich wird der Markt vieles regeln.“ schärft. Was ist zu beachten? Mehr darüber: bundes- DI Dr. Hildegard Aichberger, in in forste.at > Leistungen Vorstandsmitglied der Ökostrom AG Laßnig-Wlad: In Österreich gibt es beispielhafte > Erneuerbare Energie Wasserkraftprojekte, in denen Energiebetreiber
AUSGABE 04/2021 – NR. 50 vorwiegend im Rahmen von LIFE-Projekten mit dem Naturschutz zusammengearbeitet haben. In den letzten Jahren hat man für die Tierwelt die Durch- gängigkeit an Flüssen wiederhergestellt. Man hat gemeinsam dafür gesorgt, dass die Energiegewin- nung funktioniert, die Naturschutzbelange berück- sichtigt werden und Fischereiberechtigte oder -verbände auch noch etwas davon haben. Das wäre auch für die Windkraft und Photovoltaik ein Vorbild: „Die heutige Diskussion hat gezeigt, dass man am besten von Beginn an den Austausch zu suchen keineswegs auf die Politik warten muss. Dass die und eine starke, konstruktive Kooperation einzuge- Politik einen Rahmen vorgibt, ist gut und wichtig. hen. Auf diese Weise entstehen vielleicht weniger Aber es braucht auch gute Beispiele, die gezeigt und Widerstände in der Region. Ausgleichsmaßnahmen diskutiert werden. Im Sinn des Biodiversitätsschut werden teilweise vorgeschrieben, aber auch freiwilli- zes ist es wesentlich, bei Energieprojekten so früh ge und geförderte Naturschutzprojekte können eine wie möglich Kooperationen mit dem Naturschutz Rolle spielen. Muss man Flächen für ein Erneuerba- bereich zu suchen, um nicht ins Hintertreffen re-Energie-Projekt versiegeln, entsiegelt man dafür zu geraten.“ Flächen woanders. Mag.a Christina Laßnig-Wlad, Leiterin des Naturraummanagements der ÖBf Schöppl: Ein gutes Beispiel ist unser Windpark Pretul, der 2016 in Betrieb ging. Hier haben wir als Aus- gleichsmaßnahmen unter anderem das dortige Moor einzahlen müssen. Diese Gelder sollen in Klima- saniert und ein Projekt zur Verbesserung der schutzmaßnahmen oder in den Ausbau der Erneuer- Lebensräume des Birkwildes umgesetzt. Wir haben baren investiert werden. Bei Überschreitung des auch darauf geachtet, dass die Bevölkerung profitiert, CO2-Budgets müssen außerdem Sofortmaßnahmen- und auf der Pretul eine Mountainbikestrecke, programme beschlossen werden, die es möglich Wanderwege und touristische Einrichtungen gebaut. machen, die CO2-Lücke des Vorjahrs zu schließen. Das Bei einer Windanlage ist die Flächenbilanz im ist essenziell. Wenn Klimaziele verfehlt werden, Vergleich zur Photovoltaik auf Freiflächen besser. Auf brauchen wir sofort Sanktionen und zusätzliche der Fläche eines halben Fußballfeldes kann man sehr Maßnahmen. Die nächsten sieben Jahre sind viel Energie – 6 bis 8 GWh – gewinnen. Für die gleiche entscheidend, und das bedeutet, dass wir heute Energieausbeute braucht man bei Photovoltaikan anfangen müssen und nicht erst, wenn uns die lagen 6 bis 8 ha. Strafzahlungen der EU bevorstehen. Die Novellierung des Klimaschutzgesetzes ist noch Um die Klimakrise zu bewältigen, braucht man ausständig. Was soll das Klimaschutzgesetz beinhal- neben EAG und Klimaschutzgesetz noch andere ten? Gesetze: Das Bundes-Energieeffizienzgesetz (EEffG) befindet sich Ministerin Gewessler zufolge in Rogenhofer: Wir haben seit Anfang des Jahres keine fachlicher Prüfung, für 2022 ist die ökosoziale gültigen sektoralen Klimaziele. Man will bis 2040 Steuerreform angekündigt. klimaneutral sein und hat derzeit keine gesetzliche In der Diskussion wurde Grundlage! Ich sehe das Klimaschutzgesetz als Dach Rogenhofer: Wichtig ist auch das Erneuerbaren-Wär- auch thematisiert, ob über allen anderen Gesetzen – EAG, Erneuerba- megesetz, in dem stehen soll, wann Österreich aus und in welchen Berei- ren-Wärmegesetz, Energieeffizienzgesetz. Diese der Gas- und Ölnutzung aussteigt. Dieses Gesetz ist chen der Einsatz von müssten im Klimaschutzgesetz einen Rahmen noch nicht einmal in Verhandlung. Optimistisch Wasserstoff ein Game- bekommen. Was heißt das? Es muss festgeschrieben gesehen geht das Klimaschutzgesetz im Herbst in changer sein kann. Die werden, in welchen Bereichen pro Jahr wie viele Begutachtung. Die ökosoziale Steuerreform, die ausführliche Zusam- CO2-Emissionen einzusparen sind. Planungssicherheit bringen soll, wird wahrscheinlich menfassung der erst im dritten Quartal 2022 kommen. Wir sind also Diskussion steht als Zusätzlich müsste ein entsprechendes Maßnahmen- mit vielen Gesetzesprojekten stark im Verzug. Hier ist kostenloser Download Foto: ÖBf/Frank Helmrich paket geschnürt werden. Der geleakte Gesetzes die Regierung gefordert, endlich vom Reden ins Tun auf bundesforste.at > entwurf sieht einen Zukunftsinvestitionsfonds vor, in zu kommen. Leistungen > Natur- den bei Überschreitung der jährlichen Treibhaus- raummanagement > gas-Emissionsgrenzen auch alle Bundesländer, die Moderation: Mag.a Christina Laßnig-Wlad und Karin Fachdialoge > ihre Ziele verfehlen, mindestens 100 Euro pro Tonne Astelbauer-Unger NRM-Journal.
derzeit Europas Proforestation- Im Rahmen einer Studie wird Potenzial untersucht. Restoration und Proforestation Ökosysteme wiederherstellen und mehr CO2 speichern Die UN-Teilorganisationen FAO (Food and Agriculture Restoration sein.“ Im Zuge der Restoration sollen auch Organization of the United Nations) und UNEP alle Bereiche berücksichtigt werden, die in keiner (United Nations Environment Programme) haben Rahmenrichtlinie der EU stehen. heuer die „Dekade der Die Europäische Kommission unterscheidet ökologischen Restauration zwischen aktiver und passiver Restoration. Hasler: Klima- und Biodiversitätskrise gehen 2021–2030“ ausgerufen. Ihre „Wenn man nichts tut, kann sich ein Gebiet auch Hand in Hand. Restoration und Pro diesbezüglichen Aktivitäten erholen. Das trifft zum Beispiel auf Moore, Wälder forestation bieten Lösungsansätze. stehen, wie es Ass.-Prof. Dr. und marine Gebiete zu. Zur aktiven Restoration zählt Thomas Wrbka vom etwa die Renaturierung.“ Department für Botanik und Biodiversitätsforschung Bis Ende des Jahres müssen alle EU-Mitgliedstaa- der Universität Wien formuliert, unter dem Motto ten ihre Nature Restoration Targets vorlegen, die von „10 Jahre, um den Planeten zu heilen“ und sollen den EU-Gremien geprüft werden. Danach sollte jedes weltweit vom Menschen geschädigte Ökosysteme, Mitgliedsland ein dementsprechendes Gesetz Landschaften und Lebensräume wiederherstellen. verabschieden. Der oben genannten Studie zufolge wird die „Wir haben schon vor Jahren in weiser Voraussicht, Umsetzung von Restaurationsmaßnahmen für dass uns dieses Thema einholen wird, die Studie sämtliche Ökosysteme und Ökosystemgruppen in ,Strategischer Rahmen für die Restauration von Österreich zur Erreichung des 15-Prozent-Ziels an die Ökosystemen‘ in Auftrag gegeben, die heuer auf der 10,7 Milliarden Euro kosten; urbane und siedlungsge- Homepage des Umweltbundesamts veröffentlicht prägte Ökosysteme sind in dieser Berechnung nicht wurde“, erläutert MRin Mag.a Viktoria Hasler, Abtei- enthalten. Für Restoration, die auch in der Österrei- lung V/10 – Nationalparks, Natur- und Artenschutz chischen Biodiversitätsstrategie 2030 eine Rolle des BMK. Bereits in der Biodiversitätsstrategie 2020+ spielen wird, gibt es allerdings keine eigene Finanzie- wurde gefordert, mindestens 15 Prozent der degra- rungsschiene; die Maßnahmen sollen über bereits dierten Ökosysteme bis 2020 wiederherzustellen. bestehende Kanäle wie LIFE oder Ländliche Entwick- Nun strebt man die Erreichung des 15-Prozent-Ziels lung sowie über anreizorientierte marktwirtschaftli- bis 2050 an. Die verbindlichen Nature Restoration che Instrumente wie Lenkungsabgaben (z. B. Targets sind auf EU-Ebene noch in Diskussion. Hasler: CO2-Abgabe für fossile Brennstoffe) und Mengenbe- „Der in der Studie beschriebene Rahmen gibt bereits grenzung (z. B. Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten) vor, in welchen Regionen Handlungsbedarf besteht. finanziert werden. Laut EU-Biodiversitätsstrategie gehören Feuchtgebie- Foto: ÖBf-Archiv/Herbert Köppel te und Moore mit zu den am meisten degradierten Lebensräumen, was auch für Österreich zutreffend ist. Im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten der EU D E N Ü B E R G A N G G E S TA LT E N haben wir eine gute Ausgangsbasis und auch Geld: Im nächsten Jahr wird der Biodiversitätsfonds Entwickelt wurde der Proforestation-Ansatz 2019 von 8 aufgestockt, und das Schwerpunktthema wird William R. Moomaw, Prof. emer. für internationale
AUSGABE 04/2021 – NR. 50 Umweltpolitik und Mitbegründer des Global Develop- nicht verkaufen, was für viele keine Handlungsoption ment and Environment Institute an der Tufts ist. Die Handlungsoption „Ich mache ein Schutzge- University. Bei Proforestation geht es darum, den biet und lasse mir das von der öffentlichen Hand Holzvorrat im Wald zu erhöhen, indem man die entgelten“ ist eine sehr limitierte, da diese Ressour- Holzernte um 10 bis 20 Prozent reduziert sowie eine cen nur sehr beschränkt zur Verfügung stehen. „Für ausgewogene, naturnahe Baumartenkombination das Ökosystem Wald wäre in diesem Bereich der und Strukturreichtum fördert, um die Stabilität der erfolgversprechendste Mechanismus der Handel mit Wälder im Klimawandel zu erhöhen und den Wald als CO2-Zertifikaten“, meint Kirchmeir. „Er könnte sowohl wichtigen positiven Motor zum Abbau des Kohlen- zur Proforestation als auch zur Restoration einen stoffgehalts der Atmosphäre zu nutzen. „Über diesen aktiven Beitrag leisten. Für Grundbesitzer*innen wäre Vorratsaufbau ist es möglich, 10 Prozent der nötigen er jedenfalls ein sehr attraktives Modell. Der Preis pro Treibhausgasreduktion zu erreichen“, erklärt Dr. Tonne CO2 liegt derzeit bei 28 Euro, in Deutschland Hanns Kirchmeir, Geschäftsführer des E.C.O.-Instituts redet man von 60 Euro CO2-Steuer pro Tonne.“ Eine für Ökologie. „In Österreich ernten wir derzeit 20 Mio. Tonne CO2 im Wald bedeutet viel mehr als die Tonnen CO2, 4 Mio. bleiben stehen. Wir nutzen also 88 Baumstämme, die man ernten könnte. In den Kronen Prozent des Zuwachses. Erntet man um 10 bis 20 und Ästen sind zusätzlich 30 bis 40 Prozent CO2 Prozent weniger, belässt man 8 Mio. Tonnen CO2 im gebunden. Besitzer*innen von naturnahen Wäldern Wald, was 10 Prozent der 80 Mio. Tonnen Treibhausga- und Flächen in Schutzgebieten könnten nicht nur se entspricht, die Österreich pro Jahr ausstößt. Das Kohlenstoff-, sondern auch teurere Biodiversitätszer- erreicht man im Verkehrsbereich oder in den anderen tifikate anbieten. Bereichen wie Gebäudeisolierung nicht so schnell. In den nächsten 30 Jahren spielt daher der Wald eine Für den Handel mit solchen CO2- und Biodiversitäts- große Rolle. Photosynthese funktioniert auf Millionen zertifikaten müssten in Österreich und in der EU erst Hektar Wald jeden Tag, wenn die Sonne scheint. Jede entsprechende Mechanismen entwickelt werden. technische Entwicklung müssen wir hingegen zuerst Um ein Zertifikat auf die Beine zu stellen, braucht erfinden und produktionsreif machen; wir brauchen man eine Fläche von mindestens 10.000 ha Größe. eine Industrie, die diese Technologie baut und Kirchmeir: „Die Bundesforste könnten bei der umsetzt, wir müssen sie verkaufen usw. Sobald wir Proforestation Vorreiter sein und vielleicht auf einer unsere Technologien umgestellt haben, könnte der Teilfläche ein CO2-Zertifikat ausprobieren. Dann Vorratsaufbau genutzt werden.“ sehen die anderen Forstbetriebe, ob bzw. wie das funktioniert.“ Proforestation ist effektiver als die weltweit viel diskutierte (Wieder-)Aufforstung mit Milliarden von Bäumen. Pflanzt man heute einen Baum, ist er in zehn, zwanzig Jahren noch immer ein kleiner Baum, P R O F O R E S TAT I O N P OT E N Z I A L der wenig Photosynthese betreiben kann. Kirchmeir: AUSLOTEN „Ein großer Baum mit einer großen Krone leistet viel Photosynthese, und je länger man ihn stehen lässt, Im Zuge des EU-LIFE-Preparatory-Projekts „LIFE desto länger tut er das. (Wieder-)Aufforstung schafft PROGNOSES – Protection of Old Growth Forests in vielleicht 20 Prozent des Waldbeitrags zur Klimare- Europe“ (Laufzeit 2021–2024) werden Vorrats- und duktion, Proforestation 80 Prozent. Proforestation Strukturausstattung unterschiedlicher europäischer wird also der große Hebel sein, (Wieder-)Aufforstung Buchennaturwälder von Belgien bis Italien und von (Fagus sylvatica) der kleinere.“ Österreich bis Bulgarien untersucht. Man will u. a. herausfinden, wie viel Kohlenstoff in Buchen- Rotbuche waldökosystemen maximal aufgenommen werden kann und wie schnell Proforestation auf die Treib- C O 2 Z E R T I F I K AT E A L S hausgasemissionen einwirkt. Es soll eine systemati- E R S AT Z E I N N A H M E sche Grundlage geschaffen werden, mit der man das Proforestation-Potenzial für Europa abschätzen kann. Für Proforestation braucht man an und für sich „Proforestation ist eine wesentliche Komponente auf keinen politischen Rahmen. Als Waldbesitzer*in dem Weg zu einem klimaneutralen Wirtschaften“, Illustration: Studio Nu überlegt man sich, wie viel man ans Sägewerk betont Kirchmeir. „Weitere Klimawandelschäden zu verkaufen und wie viel Kohlenstoff man speichern vermeiden müsste Waldbesitzerinnen und -besitzern möchte. Derzeit gibt es aber diese Alternative nicht: ein inhärentes Anliegen sein. Schließlich wollen sie ja Man kann entweder an ein Sägewerk verkaufen oder ihren Produktionsstandort erhalten.“
Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde. Moore speichern fast doppelt so viel Moore und Klimawandel Intakte Moore schützen, degradierte revitalisieren Moore sind erdgeschichtlich junge Naturkörper. Sie Klimaerwärmung, genannt Strahlungsantrieb, wird können entstehen, wenn über längere Zeiträume in CO2-Äquivalenten ausgedrückt. Selbst naturnahe lokaler Wasserüberschuss auftritt und sich torfbil- Moore sind trotz ihrer Kohlenstoffspeicherung oft dende Pflanzen ansiedeln, deren Biomasse aufgrund klimaneutral, weil sie etwas Methan freisetzen, das der Nässe nur teilweise von Mikroorganismen in seiner Klimawirkung mit dem Kohlendioxid abgebaut wird. Diese Bedingungen existieren an verrechnet wird. bestimmten Orten in den meisten Ländern der Erde, und auch in Trockengebieten, beispielsweise in Flusstälern, können sich G E FA H R D U R C H TR O C K E N H E I T Moore sind wichtige Kohlenstoffsen Moore bilden. Viele große Moore liegen in kalten Wenn sich die Umweltbedingungen ändern, können ken. Doch rund die Hälfte aller Moo Gebieten, wie in Kanada, sich Moore von Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoff- re in Europa befinden sich nicht Skandinavien und Russland. quellen entwickeln, die gespeicherten Kohlenstoff an mehr in ihrem natürlichen Zustand, Diese Moore haben sich, wie die Atmosphäre abgeben. Das kann unterschiedliche in Österreich auch, seit dem Ursachen haben. So werden gegenwärtig durch den in Österreich wurden mehr als 90 Ende der letzten Kaltzeit Klimawandel viele Moore in Europa von Kohlenstoff- Prozent der Moore entwässert. Auch gebildet. Sie haben große senken zu Kohlenstoffquellen, da die für die Auf- die globale Erwärmung setzt den Mengen Torf akkumuliert, rechterhaltung eines hohen Wasserspiegels notwen- und sie tun das bis heute, digen Niederschläge nicht mehr fallen. An vielen Mooren zu. sofern sie ungestört bleiben. Orten kommt es im Sommer durch die hohen Ungestörte Moore speichern über längere Zeiträume Temperaturen, verbunden mit Trockenheit, und in Kohlenstoff und sind daher Kohlenstoffspeicher. Da manchen Fällen auch durch die Unachtsamkeit von sie im Klimasystem der Atmosphäre langfristig Menschen zu Moorbränden. Derartige Feuer Kohlendioxid entziehen, sind sie Kohlenstoffsenken entwickeln sich als Schwelbrände, die sich in die Tiefe und binden auf 3 Prozent der Festlandsfläche der des Torfs ausbreiten und schwer zu löschen sind. Erde große Mengen Kohlenstoff – die genaue Höhe ist noch unbekannt. Fotos: ÖBf-Archiv/Wolfgang Simlinger, Stephan Glatzel ENTWÄSSERU NG ZERSTÖRT Für das Klimasystem der Erde sind neben Kohlendio- xid zwei weitere in Mooren relevante Treibhausgase Wo viele Menschen leben, wurden mehr Moore für wichtig: Methan wirkt im Vergleich zum Kohlendio- die Nutzung verändert oder zerstört als in abgelege- xid viel stärker und ist ein Produkt des mikrobiellen nen Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte wie Abbaus unter Sauerstoffabschluss. Lachgas ist ein in Sibirien oder Nordkanada. In Mitteleuropa – auch Stickstoffoxid und ein noch viel stärkeres Treibhaus- in Österreich – wurden die meisten Moore vom gas, das besonders stark bei der Torfzersetzung an Menschen verändert oder zerstört. Diese veränderten mit Stickstoff gedüngten Standorten freigesetzt Standorte wurden zu – teilweise sehr starken – Koh- 10 wird. Die gemeinsame Rolle dieser drei Gase für die lenstoffquellen. Die Stärke dieser Quellen hängt von
AUSGABE 04/2021 – NR. 50 der der Form der Landnutzung ab. Bei der Überbau- Der zweite globale Schwerpunkt der Kohlenstofffrei- ung von Mooren können, je nach Umgang mit dem setzung aus entwässerten Mooren ist Mitteleuropa, Torf, große Mengen Kohlenstoff in kurzer Zeit also auch Österreich. Ackerbau und Grünlandwirt- freigesetzt werden. Bei Abtorfung wird nicht nur das schaft auf Moorböden gehören in Mitteleuropa zu Moor zerstört, sondern auch der entnommene Torf den größten CO2- und Treibhausgasquellen. In innerhalb weniger Jahre zu Kohlendioxid und Deutschland setzen solche Standorte 6,7 Prozent der Mineralstoffen abgebaut. Treibhausgase frei. Weltweit sind es in „normalen“ Jahren, in denen die Moorböden Südostasiens nicht Die bei Weitem wichtigste menschliche Beeinträchti- brennen, 5 Prozent. Für Österreich ist noch kein Gastautor Univ.-Prof. gung oder Zerstörung der Moore erfolgt durch entsprechender Wert bekannt, doch man kann davon Dipl.-Geogr. Entwässerung für Land- und Forstwirtschaft. Die ausgehen, dass auch hier die Nutzung von Moorbö- Dr. Stephan Glatzel, Institut Höhe der CO2-Freisetzung solcher Moore variiert den zu den wichtigsten Kohlenstoffquellen gehört. für Geographie und entsprechend der unterschiedlichen Intensität dieser Regionalforschung, Nutzung markant. Bei extensiver Nutzung, wie sie Universität Wien bisweilen in Streuwiesen praktiziert wird, und MOORE WIEDERVERNÄSSEN UND Verzicht auf Drainage können Moore Kohlenstoffsen- NASS NUTZEN ken bleiben. Bei intensiver Nutzung und tiefer Drainage können sowohl Acker- als auch Grünland- Aus Klimaschutzsicht ist es daher weltweit wie auch kulturen bis zu 70 Tonnen CO2-Äquivalente pro in Österreich notwendig, bei Mooren die Nutzungs Hektar und Jahr freisetzen. Die CO2-Freisetzung von intensität und Drainagetiefe zu verringern und forstwirtschaftlich genutzten Moorböden ist genutzte Moorböden wiederzuvernässen. Die aus geringer. Forstlich genutzte Anbausysteme auf Naturschutzsicht zu bevorzugende Nutzung Moorböden können Kohlenstoffsenken sein, selbst derartiger Standorte wäre deren Revitalisierung. wenn Torf abgebaut wird, weil der Holzaufwuchs als Die nasse Nutzung von Mooren im Rahmen von Kohlenstoffspeicher dient. sogenannten Paludikulturen ist eine zu entwickelnde Mehr zum Thema in der Alternative, welche die fortgesetzte Nutzung und Broschüre der Natur- Die größten Kohlenstoffquellen aus genutzten Wertschöpfung in den betroffenen Regionen hält freunde Internationale Mooren finden sich gegenwärtig in Indonesien und und die Emission von CO2 und anderen Treibhausga- und der ÖBf „Wasser: Malaysia, wo große Moorwälder für die Nutzung als sen aus Mooren minimiert. In Österreich gibt es Lebens:Räume. Moore Plantagen für Ölpalmen und andere Kulturen hierfür gute Beispiele: Der Schilfschnitt am Neusied- und Moorwälder“: zerstört werden. In trockenen Jahren kommt es auch ler See und Streuwiesennutzungen ohne Drainage bundesforste.at > hier zu Schwelbränden, die dann zu einer der sind traditionelle, seit langer Zeit betriebene Die Bundesforste > weltweit größten CO2-Quellen werden. Nutzungen von Moorböden, die diese nicht zerstören. Naturschutz Äcker, Intensivgrünland oder Forste bewirtschaf- MOORSCHUTZ BEI DEN ÖBf ÖSTERREICHISCHE tet werden. Um diese starken CO2-Quellen M O O R ST R AT E G I E 2 0 3 0 + abzuschwächen, sind eine Anhebung des Rund 15 Prozent der österreichischen Moorle- Wasserspiegels und eine Umstellung auf eine bensräume sind heute Teil von Schutzgebieten, Gegenwärtig wird von den Ländern gemein- nachhaltige Bewirtschaftung anzustreben. etwa des EU-weiten Schutzgebietsnetzwerks sam mit dem Bund die erste österreichische Die Moorstrategie richtet sich nicht nur an Natura 2000. Manche wurden gemäß der 1975 Moorstrategie erstellt. Sämtliche Akteurinnen Verwaltungen, Naturschutz, Bewirtschaftende, in Kraft getretenen Ramsar-Konvention als und Akteure werden in die Erarbeitung des Wasserwirtschaft etc., sondern auch an die international besonders bedeutsame Feucht- Programms einbezogen. Es gilt, naturnahe breite Öffentlichkeit. Die Verknüpfung der gebiete ausgezeichnet. Moore zu schützen, degradierte Moore strategischen Zielsetzungen mit der Umset- Die ÖBf haben bereits 1993 anlässlich des wiederzuvernässen und die einzigartige zung in den einzelnen Bundesländern in Form „Jahres der Feuchtgebiete“ alle ihre Moore Biodiversität in Mooren zu sichern. von Aktionsplänen stellt den entscheidenden unter Schutz gestellt. Den ÖBf ist es ein großes Intakte Moore regulieren den Landschaftswasser- Schritt von der Theorie in die Praxis sicher. Anliegen, intakte Moore zu erhalten und haushalt und entziehen dem Wasser Schad- und Offiziell vorgestellt wird die Moorstrategie am degradierte Moore wiederherzustellen. Im Nährstoffe. Als CO2-Senken leisten sie auch einen Weltfeuchtgebietstag am 2. Februar 2022. Rahmen zahlreicher Projekte wurden von den wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz. Aus (Text über die Österreichische Moorstrategie von ÖBf bis dato rund 50 Moore erfolgreich diesem Grund behandelt die Moorstrategie auch Stephan Glatzel und Christian Schröck, OÖ Landes- renaturiert. Torfböden, also ehemalige Moore, die heute als Kultur GmbH, Standort Biologiezentrum) 11
Das nächste NRM-Journal erscheint im Februar 2022 zum Thema „Forschung“. Der Kontakt mit unseren Leserinnen und Lesern ist uns wichtig. Wir freuen uns über Hinweise, Vorschläge oder Kritik. Leserbriefe bitte an naturraummanagement@bundesforste.at Alle Informationen zur Datenschutzerklärung finden Sie auf bundesforste.at > Leistungen > Naturraum management > Fachdialoge > NRM-Journal > Downloads. Bei weiteren Fragen steht Ihnen unser Datenschutzbeauftragter (datenschutzbeauftragter@bundesforste.at) gerne zur Verfügung. Wenn Sie das NRM-Journal nicht mehr erhalten wollen, geben Sie uns dies bitte telefonisch (0 22 31/600-3110) oder per E-Mail (naturraummanagement@bundesforste.at) bekannt. bundesforste.at/naturraummanagement
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