Weißenburger Blätter Geschichte . Heimatkunde . Kultur - Mai 2018 - Weißenburg
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villa nostra – Weißenburger Blätter Impressum: Geschichte . Heimatkunde . Kultur Herausgeber: Große Kreisstadt Weißenburg i. Bay., 2/2018 Neues Rathaus, 91780 Weißenburg i. Bay., Tel.: 09141/907102, Fax: 09141/907138 (Büro des Oberbürgermeisters) Inhalt: E-Mail: stadt@weissenburg.de Gyula Pápay: Internet: http://www.weissenburg.de Der Weißenburger Himmelsglobus im Kontext der Erscheinungsweise: dreimal jährlich (Januar, Mai, September) Globuskartographie von Tilemann Stella, S. 5 Auflage: 3000 Schriftleitung v.i.S.d.P.: Dipl.-Archivar (FH) Reiner Kammerl, Jürgen Hamel: Stadtarchiv, Neues Rathaus, Tel.: 09141/907222, Der Himmelsglobus Tilemann Stellas im Weißen- Fax: 09141/907227, E-Mail: stadtarchiv@weissenburg.de burger Reichsstadtmuseum, S. 29 Redaktion und Konzeption: Reiner Kammerl, Jürgen Schröppel Titelbild: Der Weißenburger Himmelsglobus in seinem Beiträge: Jürgen Hamel, Gyula Pápay heutigen Zustand (Foto: ReichsstadtMuseum Weißenburg, Fotos und Zeichnungen: Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden; Aufnahme R. Kammerl). Germanisches Nationalmuseum Nürnberg; Stadtarchiv Wei- Zum Vergleich unten eine alte Aufnahme in unrestaurier- ßenburg i. Bay.; Zentralbibliothek Zürich, Kartensammlung. (Alle übrigen, nicht bezeichneten Aufnahmen: ReichsstadtMu- tem Zustand 1968 (Foto: Stadtarchiv Weißenburg i. Bay.). seum Weißenburg, Aufnahme R. Kammerl) Satz und Druck: Buch- und Offsetdruckerei Braun & Elbel, Weißenburg i. Bay. Die „villa nostra – Weißenburger Blätter“ sind kostenlos erhält- lich in den bekannten Verteilerstellen der Stadtverwaltung (u. a. Neues Rathaus, Amt für Kultur und Touristik, Stadtbibliothek), im Weißenburger Museumsshop, im Kundenzentrum der Stadt- werke GmbH, in den Weißenburger Geschäftsstellen der Spar- kasse sowie den örtlichen Buchhandlungen und Banken. Bei Bedarf, soweit von Institutionen oder Gewerbebetrieben Exemplare zur Auslage in Wartezimmern o. Ä. gewünscht, oder auch falls frühere Ausgaben ganz oder teilweise benötigt werden, wenden Sie sich bitte an das Stadtarchiv oder das OB-Büro. © Stadt Weißenburg bzw. Verfasser der Beiträge. 2
„... Sammlung und Aufstellung der auf die Vergangenheit bezüglichen und geschichtlich bedeutsamen Überreste und Gegenstände ...“ Der Weißenburger Himmelsglobus wird, leider ohne Her- Abteilung wieder ins Alte Rathaus zurückkehren, wurde kunftsnachweis, wechselweise im Bestand des früheren aber 1963 durch die beginnende langjährige Sanierung Heimatmuseums oder der Ratsbibliothek geführt. Beides des Alten Rathauses wieder vertrieben und eingemottet. würde Sinn machen und beides schließt sich auch nicht Die prähistorische Sammlung fand ab 1965 im heutigen gegenseitig aus. Letztendlich ist es ohnehin egal, der Glo- RömerMuseum (Martin-Luther-Platz 3) eine neue Bleibe. bus befindet sich im Eigentum der Stadt Weißenburg und Einer bürgerschaftlichen Initiative der „Freunde des Wei- ist als wichtiges Exponat im ReichsstadtMuseum zu be- ßenburger Heimatmuseums“ ist dann die Einrichtung sichtigen. Es ist ein Glücksfall, dass wir mit Prof. Gyula eines Heimatmuseums (1967) im gleichen Gebäude zu Pápay und Jürgen Hamel zwei renommierte Astronomie- verdanken. Es blieb wieder nur bei einer kurzen Episode. historiker gewinnen konnten, die Ihnen „unseren“ Him- Der Römische Schatzfund (1979) verdrängte Museum melsglobus erstmals ausführlich vorstellen. und Stadtarchiv aus dem Gebäude. Während das Römer- Besucher der aktuellen Ausstellung der Museen Wei- Museum nach kurzer Umbauzeit am 7. September 1983 ßenburg („Fibeln“), die noch bis zum 17. Juni im Reichs- als Zweigmuseum der Prähistorischen Staatssammlung stadtMuseum zu sehen ist, kommen auf dem Weg zum seine Erfolgsgeschichte beginnen konnte, mussten die Sonderausstellungsraum nahe an dem außergewöhnlichen musealen Bestände bis zur Eröffnung des ReichsstadtMu- Stück vorbei. Machen Sie einen Abstecher, es lohnt sich. seums am 28. Februar 1998 im Depot bleiben. Die Anfänge der Weißenburger Museumsgeschichte War es zu Beginn eher bürgerschaftliches Engagement, beginnen mit dem 1889 gegründeten „Altertumsverein“. so hat gerade in den letzten Jahrzehnten die Stadt Weißen- Der hatte sich in seiner Satzung u. a. der „Sammlung und burg ihre Anstrengungen auf dem Museumssektor nach- Aufstellung der auf die Vergangenheit bezüglichen und ge- haltig verstärkt. Stichpunktartig sei an die museale schichtlich bedeutsamen Überreste und Gegenstände“ Einrichtung der 1977 entdeckten Römischen Thermen verschrieben. Noch im ersten Vereinsjahr (1890) konnte (1985), die Übernahme der „Kaadener Heimatstuben“ und die heimatgeschichtliche Sammlung im alten „Fleisch- deren Präsentation im „Haus Kaaden“ (2005) sowie die haus“ an der Höllgasse (heute Teil des „Neuen Rathau- erst jüngst erfolgreich abgeschlossene Sanierung und ses“) und die prähistorisch-römische Sammlung im Pro- Neukonzeption des RömerMuseums (Neueröffnung am gymnasium (Nördliche Ringstraße 33) eröffnet werden. 15. März 2017) erinnert – und natürlich nicht zu vergessen Dem 1910 in „Verein für Heimatkunde von Weißenburg unsere Aktivitäten auf der Wülzburg mit Infopoint, Brun- i. B. und Umgegend“ umbenannten Verein gelang es, die nenstube und der Rekonstruktion eines großes Festungs- Stadtverwaltung zur Einrichtung eines Heimatmuseums geschützes. im 1. Obergeschoss des Alten Rathauses zu bewegen (Er- öffnung im November 1925). Nach Auflösung des Hei- Ihr matkundevereins gingen die Museumsgegenstände in den Besitz der Stadt Weißenburg über. Den Zweiten Weltkrieg überstanden die Museumsobjekte gut verpackt und aus- Jürgen Schröppel Reiner Kammerl gelagert. Erst 1950 konnte zumindest die prähistorische Oberbürgermeister Stadtarchivar 3
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 Der Weißenburger Himmelsglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella Gyula Pápay Einleitende Bemerkungen Himmelsgloben gab es bereits in der Antike. Als Erfin- Abbildungen und die Himmelsscheibe von Nebra. In der dafür gilt Anaximander (um 610-546 v. Chr.).1 der Antike wurden umfangreiche Sternkataloge, so Möglicherweise fertigte auch Ptolemaios im 1. Jh. n. z. B. von Ptolemäus erarbeitet, die auch noch im Mit- Chr. einen Globus an. Darauf verweist jedoch nur eine telalter nicht nur für die Erarbeitung von Himmelsglo- Notiz eines arabischen Gelehrten aus dem 11. Jh. n. ben, sondern auch für Himmelskarten dienten. Der Chr. Der einzig erhaltene Himmelsglobus aus der An- Vorteil der Himmelsgloben gegenüber den Himmels- tike, der „Atlas Farnese“, eine römische Kopie des hel- karten besteht darin, dass sie das scheinbare Himmels- lenistischen Originals, die um die Mitte des 2. Jh. n. gewölbe ohne räumliche Verzerrung wiedergeben. Ihr Chr. angefertigt wurde, befindet sich in Neapel. Diese Nachteil gegenüber den Karten wiederum besteht Marmorskulptur ist jedoch eher als ein Kunstwerk als darin, dass sie das scheinbare Himmelsgewölbe sozu- ein echter Globus anzusehen.2 Die frühesten überlie- sagen „von außen“ darstellen. Dieser Nachteil kann nur ferten Himmelsgloben entstanden in der islamischen durch sehr große, begehbare Globen beseitigt werden. Welt 1275 und 1279.3 Der älteste überlieferte Erdglo- Ein solcher Globus ist der Gottorfer Riesenglobus, der bus wurde von Martin Behaim (1459-1507) 1492 an- in der Mitte des 17. Jahrhunderts angefertigt wurde. gefertigt. Nur ein Jahr später erarbeitete Johannes Der Globus als besondere kartographische Darstel- Stöffler (1452-1531) einen Himmelsglobus, der sich in lungsform und als Bildungssymbol erlangte im Laufe Stuttgart befindet. Die unmittelbaren Vorläufer des des 16. Jahrhunderts immer größere Bedeutung. Meh- Weißenburger Himmelsglobus sind u. a. die folgenden rere bedeutende Kartographen dieser Zeit waren auch Globen: der 1532 in Köln erstellte Globus von Caspar als Globenmacher tätig. Neben den oben erwähnten ge- Vopelius (1511-1561), die 1533/34 entstandenen und hörten u. a. Martin Waldseemüller (1472/75-1520) und in London und Weimar aufbewahrte Globen von Johan- Philipp Apian (1531-1589) dazu. Ihre Globen wiesen nes Schöner (1477-1547), der 1537 angefertigte, in einen großen Bekanntheitsgrad auf. Ein völlig anderes Greenwich vorhandene Globus von Gemma Frisius Schicksal wurde den Globen von Tilemann Stella (1508-1555) und schließlich der in mehreren Exempla- (1525-1589) zuteil. Nur ein einziger Globus ist über- ren vorhandene Himmelsglobus von Gerhard Mercator (1512-1594), der 1551 entstand. 1 Vgl. Stückelberger, Alfred: Sterngloben und Sternkarten…, S. 71. 2 Vgl. ebenda, S. 74. Die Bestrebungen, Himmelserscheinungen flächen- 3 Der in London befindliche Himmelsglobus entstand um 1275. Vgl. Sumira, haft, d. h. auf Karten darzustellen, reichen weit in der Sylvia: Der Globus..., S. 13-15. Die Entstehungszeit des in Dresden vorhan- Geschichte zurück, dazu gehören u. a. altägyptische denen Himmelsglobus wird auf 1279 datiert. Vgl. Anmerkung 39. 5
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 liefert, der zweifelsfrei Tilemann Stella zugeordnet recht gut erhalten und ihr Zustand kann nach Restau- werden kann: der Weißenburger Himmelsglobus (Abb. rierung in der Bayerischen Staatsbibliothek im Jahre Titelseite). Aber auch über diesen Globus erhielt die 1968 als voll befriedigend bezeichnet werden. Eine Ti- Fachwelt nur geringe Kenntnisse. Erst durch eine 1973 telinschrift ist nicht vorhanden. Sie wird ersetzt durch publizierte Studie von Alois Fauser (1906-1987) ist die- die Widmung an den Kurfürsten August von Sachsen. ser Globus näher bekannt geworden. Fauser war ein Diese steht unter dem Südlichen Fisch (Piscis Notius) hervorragender Kenner der Geschichte der Globen, da- und lautet (durchlaufende Maiuskel nicht nachge- rüber zeugen u. a. seine Werke zur Kulturgeschichte ahmt): der Globen.4 Auf den Weißenburger Himmelsglobus Illvstrissimo et// Dem ehrwürdigen und wurde Fauser, der zu Beginn der 1960er-Jahre einen generosissimo prin-// edlen Fürsten und Herrn, Herrn Au- Katalog von den älteren Erd- und Himmelsgloben in cipi ac domino d: Avgvsto// gust Herzog von Sach- Bayern erarbeitete, von einem seiner Kollegen in der dvci Saxoniae. Sac: Rom:// sen, des Heiligen Bayerischen Staatsbibliothek, Dr. Semrau, 1968 auf- Imperii archimarschal-// Römischen Reichs merksam gemacht. In dem Katalog konnte dieser Glo- co et electori. lant-// Erzmarschall und Kur- bus nicht berücksichtigt werden, da das Weißenburger gravio Thvringiae. mar-// fürst, Landgraf von Archiv und die Bibliothek noch ausgelagert bzw. nicht chioni Misniae et bvrg-// Thüringen, Markgraf von Meißen und Burg- benutzbar waren. Alois Fauser gab in der bisher einzi- gravio Magdebvrgen-// graf von Magdeburg, gen ausführlichen Studie zu dem Weißenburger Him- si. domino svo clemen-// meinem gnädigsten melsglobus 1973 die folgende Beschreibung: tissimo dedicavit// Herrn, gewidmet von „Der Globus hat einen Durchmesser von 27,5 cm. Tilemannvs Stel-// Tilemann Stella aus Er ist wie üblich gebaut: Über einer Pappschicht ist la Sigenensis//1555“. 5 Siegen 1555. Gips/Kreidegrund aufgetragen. Die Beklebung besteht aus 12 Holzschnittsegmenten, die zu den Ekliptikpolen Neben der Widmung steht das kursächsische Wappen laufen. Zur Erleichterung des Aufziehens wurden sie (Abb. 1). am Äquator geteilt, nicht, wie man erwarten sollte, an Seit 1973 ist die Erforschung der kartographischen der Ekliptik. Eingezeichnet sind Äquator, Wende- und Tätigkeit Tilemann Stellas vorangeschritten. Es sind Polarkreise, Ekliptik und Koluren. Der Äquator ist von auch einige neue Quellen bekannt geworden, sogar in Grad zu Grad in Schwarz und Gold abgesetzt, die den letzten Jahren. Mit ihrer Hilfe lässt sich die Glo- Wende- und Polarkreise sind rot und golden, die Eklip- buskartographie Stellas umfassender beleuchten. tik grün nachgezogen. Die Sternbilder sind koloriert, die Sterne durch Goldpunkte hervorgehoben. Gestell und Armierung fehlen. Die Kugel zeigte eine größere Beschädigung mit Verlust an der Beklebung auf dem Nordteil des 5. Segments vom Frühlingspunkt aus ge- 4 Fauser, Alois: Die Welt in Händen. Kurze Kulturgeschichte des Globus. rechnet, im Grenzbereich Krebs/Löwe. Sonst war sie 5 Fauser, Alois: Ein Tilmann Stella-Himmelsglobus in Weißenburg…, S. 150. 6
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 Die Bedeutung der kartographischen Tätigkeit von Tilemann Stella Tilemann Stella (1525-1589) war einer der bedeutends- ten Kartographen des 16. Jahrhunderts. Seine Leistun- gen auf dem Gebiet der Kartographie können mit den Leistungen wesentlich namhafterer Kartographen, wie z. B. Gerhard Mercator (1512-1594), Abraham Ortelius (1527-1598) und Philipp Apian (1531-1589) als eben- bürtig erachtet werden. Stellas geringerer Bekannt- heitsgrad lässt sich damit erklären, dass von seinen Werken nur ein kleiner Teil publiziert bzw. überliefert wurde. Stellas Schaffen war erstaunlich breit gefächert. Er erarbeitete großmaßstäbige Karten von hochwerti- ger Qualität, er publizierte jedoch auch kleinmaßstä- bige Karten mit allgemein-geographischem Inhalt. Auf Abb. 1: Ausschnitt aus dem Weißenburger Globus dem Gebiet der Geschichtskartographie vollbrachte er mit der Widmung an Kurfürst August von Sachsen. bahnbrechende Leistungen. Einen wichtigen Beitrag lieferte er zur Modernisierung der kartographischen lich, dass Stella eine modernere, abstraktere Karten- Zeichensprache. Er befasste sich in mehreren Studien sprache anstrebte als seine Zeitgenossen. mit der Methodik der Kartenaufnahme.6 Lediglich zwei weiteren Karten sind zu seinen Leb- Tilemann Stella wurde 1525 in Siegen, in der Graf- zeiten erschienen. Die erste ist die 1552 in Rostock ge- schaft Nassau, geboren. Er studierte in Wittenberg und druckte Mecklenburgkarte, die jedoch nur als Kopie Marburg. Eine maßgebliche Förderung erhielt er in überliefert ist. Die zweite Karte ist „Die gemeine Land- Wittenberg durch Philipp Melanchthon (1497-1560). taffel des Deutschen Landes“, die 1560 in Wittenberg Hier konzipierte Stella eine Geschichtskartenserie. Die gedruckt wurde (Abb. 2). Von dieser Karte sind nur drei erste Karte, auf der Palästina dargestellt wurde, er- Exemplare erhalten geblieben.8 Die kreisförmige Karte schien 1552.7 Der thematische Schwerpunkt der zwei- ist auch aus der Sicht der Globuskartographie bemer- ten Karte, die 1557 erschien, lag auf der Darstellung kenswert, da sie eine konzeptionelle Ähnlichkeit mit des Weges der Kinder Israels in das gelobte Land. einigen Globen aus jener Zeit aufweist. Die Karte ist Abraham Ortelius übernahm zwei Karten von Stella in seinen Atlas „Theatrum Orbis Terrarum“, der ab 1570 6 Vgl. Pápay, Gyula: Tilemann Stella und die Kartographie des 16. Jahrhun- erschienen ist: die Karte der Grafschaft Mansfeld und derts… die Karte des Heiligen Landes. Letztere Karte war in 7 Diese Karte ist verschollen. Ein Fragment dieser Karte wurde 1989 im Ar- chiv der Stadt Plauen entdeckt. Vgl. Klemp, Egon…, S. 343. dem Ortelius-Atlas die einzige, die eine Kartenlegende 8 Vgl. Oehme, Ruthardt/Zögner, Lothar: Tilemann Stella (1525-1589)…, enthielt. Eine Zeichenerklärung war dadurch erforder- S. 28. 7
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 10 bis 30 Minuten eingeteilt. Die Konzeption zur kos- mographischen „Einbettung“ der Karte stammte von Sebastian Münster (1488-1552). Stella gab die Karte Münsters „Eyn künstliche Landtafel Teutscher nation mit einem ewig werenden Kalender“ (1525) in einer Neubearbeitung heraus.9 In den 1550er-Jahren versuchte Stella eine Anstel- lung bzw. finanzielle Unterstützung bei dem dänischen König Christian III. (1503-1559), bei Herzog Johann Albrecht I. von Mecklenburg (1525-1576) und bei Kur- fürst August von Sachsen (1526-1586) zu erhalten (Abb. 3). Mit seinen kartographischen Arbeiten in die- ser Zeit verfolgte Stella eine solche Zielsetzung, darun- ter auch mit dem Weißenburger Himmelsglobus. Stella erhielt Empfehlungen für eine Einstellung von bedeu- tenden Reformatoren, von Philipp Melanchthon (1497- 1560), von Johannes Bugenhagen (1485-1558) und von David Chyträus (1539-1600). Ein Empfehlungsschrei- ben an den dänischen König bekam Stella bereits 1552 von Melanchthon.10 Am 22. Januar 1556 schrieb Me- lanchthon an Herzog Johann Albrecht I. von Mecklen- burg über Tilemann Stella Folgendes: „Ein solcher Mann ist sicher ein Segen für die Allgemeinheit und würdig des Wohlwollens weiser Fürsten.“ 11 Stellas Be- mühungen waren erst 1561 von Erfolg gekrönt, als er eine Anstellung am Schweriner Hof erhielt. Seine erste Aufgabe bestand in der Betreuung der herzoglichen Abb. 2: Stellas Landkarte von Deutschland, 1560, Bibliothek. Viele Bücher der Bibliothek Johann Al- Holzschnitt, 36 x 53 cm (Foto: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg). 9 Vgl. Meurer, Peter H.: Corpus der älteren Germania-Karten…Tafel 5-1 und mit sechs Ringen umgeben. Sie enthalten Tagesbuch- Tafel 2-10. staben, Namen der Kalender-Heiligen, Namen der 10 Vgl. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Melanchthons Briefwech- sel (nachfolgend als MBW genannt), Regesten online, Regestnummer: 6493. Monate, Tierkreiszeichen (Tierkreisskala), Bilder und 11 Zitiert nach G. Ernst: Von der Familie des Tilemanns Stella Sigenensis… Namen des Tierkreises und geographische Breite, von S. 55. Vgl. auch MBW, Regestnummer: 7697. 8
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 brechts, die sich heute in der Universitätsbibliothek Ro- ficina Typographica Iacobi TRANSYLVANI.“ Hierin stock befinden, tragen Sternzeichen. Mit dieser eigen- beschrieb er seine Konzeption für das große Deutsch- willigen Form der Katalogisierung präsentierte Stella land-Kartenwerk, für das er zwar eine umfangreiche seine besondere Vorliebe für die Astronomie. Auch der Materialsammlung anlegte, aber welches er nicht voll- Herzog teilte mit ihm dieses Interesse. Er enden konnte. führte mit Stella zusammen astronomische Beobach- tungen in Schwerin durch. Astronomische Kenntnisse waren für Stella auch bezüglich seiner Kartierungsar- beiten erforderlich. Den Breitengrad mehrerer Orte be- stimmte er mit astronomischer Methode. Ab 1564 entfaltete Stella eine vielfältige kartogra- phische Tätigkeit in Mecklenburg. Als herzoglicher Rat war er zur Klärung von Grenzangelegenheiten heran- gezogen. Durch diese Tätigkeit entstanden mehrere Karten. Das große Kanalbauprojekt, das Stella als Plan- macher und Dirigent leitete, war ebenfalls mit Karten- aufnahmen verbunden. Im Zuge dieser Arbeiten und bei der Erfüllung anderer Aufgaben entstanden mehrere Detailkarten, die zu den Meisterwerken der Kartogra- phie des 16. Jh. zählen. Der überwiegende Teil jener großformatigen Karten befindet sich in dem Landes- hauptarchiv Schwerin. Sie können seit Jahren nicht eingesehen werden. Erst nach der Restaurierung, die aus finanziellen Gründen noch nicht vorgesehen ist, werden diese wertvollen Karten wieder der Nutzung freigegeben. Die kartographische Tätigkeit Stellas in Mecklenburg beschränkte sich nicht nur auf praktische Arbeiten, er verfasste auch methodische Schriften. Sie sind jedoch nicht im Druck erschienen, sodass sie weitgehend unbekannt geblieben sind. Stella publi- zierte in Mecklenburg nur ein kleines Werk mit karto- Abb. 3: August von Sachsen. graphischem Bezug, das in lateinischer Sprache in Gemälde von Lucas Cranach d. J., um 1550 Rostock 1566 erschien: „Tilemanni Stellae Sigenensis (Foto: Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, Gal. Nr. 1947: Methodus, quae in chorographica et his tori ca totius Foto: Hans-Peter Klut). Germanæ Descriptione observabitur. Rostochii, Ex Of- 9
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 Nach dem Tod Johann Albrechts im Jahre 1576 ging Nürnberg im Jahre 1524. Das geht aus seinem Brief an der Kanalbau nur schleppend voran. 1582 verließ Stella Hieronymus Baumgartner (1498-1565), der in Witten- Mecklenburg. Er ging nach Zweibrücken, wo er etwa berg studierte und später Bürgermeister von Nürnberg zwanzig Jahre zuvor eine Landesaufnahme durchge- wurde, hervor.15 Bei dem Globus konnte es sich nur um führt hatte. 1589 unternahm Stella eine Reise nach Wit- den Erdglobus von Schöner aus dem Jahre 1515 han- tenberg oder nach Mecklenburg. Während dieser Reise deln. Dieser hatte einen Durchmesser von 27 cm und verstarb er. Als Sterbeort kommen neben Wittenberg bestand aus zwölf kolorierten Holzschnittsegmenten. Wittenburg und Schwerin in Frage. Mit der Übersied- Er machte auf Stella sicherlich einen nachhaltigen Ein- lung Stellas 1582 von Schwerin nach Zweibrücken ge- druck, denn er gestaltete seinen Himmelsglobus 1555 langte seine Materialsammlung in einem Umfang von in technischer Hinsicht sehr ähnlich zu diesem Globus. 32 handgeschriebenen Bänden nach Zweibrücken, wo Mercator berichtete in einem Brief vom 23. August sie 1676/77 vernichtet wurde. Wie seine Material- 1554 an Melanchthon, dass er von Kaiser Karl V. sammlung angelegt war, kann aufgrund anderer Quel- (1500-1558) beauftragt wurde, einen Erdglobus in len nur unvollkommen rekonstruiert werden. Ein Teil einen Himmelsglobus einzubauen.16 Direkte Kontakte von Stellas Arbeiten, die in Mecklenburg verblieben zwischen Mercator und Stella lassen sich quellenmäßig sind, wurde von Herzog Ulrich III. (1527-1603), dem nicht nachweisen. Es wird jedoch angenommen, dass Bruder Johann Albrechts, verschenkt oder verkauft.12 Stella die Arbeiten Mercators kannte und von ihm be- Ein besseres Schicksal erfuhr Stellas Landesaufname einflusst wurde.17 Rheticus studierte ab 1531 in Witten- von Pfalz-Zweibrücken (1564). Diese Karten sind berg und hier war er ab 1537 als Professor für Mathe- komplett überliefert. Sie lagen jahrhundertelang in der matik und Astronomie tätig. Durch Unterstützung von Stockholmer Königlichen Bibliothek. Dorthin sind sie Melanchthon übernahm er Studienreisen nach Nürn- durch die dynastische Verbindung zwischen Zweibrü- berg zu Johannes Schöner und nach Tübingen zu cken und Schweden gekommen. Sie wurden 1989 als Johannes Stöffler.18 Stella erhielt Informationen über Faksimile herausgegeben.13 12 Ein Beleg dafür ist die prächtige Ledermappe mit einer Widmung Stellas an Globuskartographie Tilemann Stellas den Herzog Ulrich III. mit mehreren Manuskripten von Stella aus dem Jahre 1569. Vgl. Stewart, Alasdair M.: Tilemann Stella of Siegen… Stella konnte während seiner Studienzeit Kenntnisse 13 Vgl. Stella, Tilemann: Landesaufnahme der Ämter Zweibrücken und Kir- über mehrere Globen erhalten haben. Zumindest über kel… die Himmelsgloben und die Erdgloben von Johannes 14 Es ist bemerkenswert, dass der Erdglobus Schöners (1515) und der Him- melsglobus Stöfflers (1493) denselben Durchmesser hatten wie der Weißen- Schöner (1477-1547) und von Johannes Stöffler (1452- burger Himmelsglobus. 1531) sowie von Gerhard Mercator (1512-1594) erhielt 15 Vgl. MBW…, Regestnummer: 308. er direkt oder indirekt Informationen.14 Vermittler in- 16 Vgl. MBW …, Regestnummer: 7265 und Meurer, Peter H.: Ein Mercator- Brief an Philipp Melanchthon… direkter Informationen waren u. a. Philipp Melanch- 17 Vgl. Bartlett, John R.: Early printed Maps…, S. 191 und S. 197. thon (1497-1560) und Georg Joachim Rheticus 18 Vgl. Rheticus, Georg Joachim: Orationes duae prima de astronomia …, Vor- (1514-1574). Melanchthon erwarb einen Globus aus wort. 10
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 diese Studien möglicherweise auch direkt von Rheti- cus, aber ganz gewiss über Melanchthon. Außerdem kannte Stella die Publikationen, die Rheticus zum Weg- bereiter der Verbreitung der kopernikanischen Lehre machten. In Leipzig publizierte 1550 Rethicus die Ephemeriden für das Jahr 1551, die er auf der Grund- lage der Lehre von Kopernikus erarbeitet hat. Selbst Stella machte viele Reisen, so hatte er vielleicht die Möglichkeit, sich mit Globenmachern in Verbindung zu setzen bzw. ihre Arbeiten anzusehen. Dafür, also wo er praktische Erfahrungen zur Anfertigung von Globen erworben hatte, liegen keine Quellen vor. Man kann lediglich Mutmaßungen anstellen. Es erscheint wahr- scheinlich, dass Melanchthon auch ihn, wie vorher Rheticus, nach Nürnberg, zu Johannes Schöner schickte, mit dem sich Melanchthon bis zu seinem Tode in Korrespondenz befand. Melanchthon hat in sei- nen Briefen die astronomischen Publikationen Schö- ners mehrmals lobend erwähnt. Ab 1547 verweilte Stella nachweislich in der Wirkungsstätte eines weite- ren Globenmachers, in Köln. Hier fertigte Caspar Vo- pelius (1511-1561) Himmels- und Erdgloben an. Eine direkte Verbindung zwischen ihm und Stella ist nicht nachweisbar, da er nicht an der Universität lehrte, son- dern am Gymnasium. Außerdem unternahm Vopelius in dieser Zeit längere Reisen, um sich von den Religi- onskonflikten fern zu halten. Vopelius war kein Anhän- ger der Reformation und hatte zu Melanchthon Abb. 4: Neben dem Sternbild des Krebs (CANCER) weist der möglicherweise aus diesem Grund keine Kontakte. Ob Weißenburger Himmelsglobus eine größere Fehlstelle auf. Stella von Köln aus einen Besuch bei Mercator in Löwen gemacht hat, ist nicht belegbar. Hier hätte er auch noch Gemma Frisius (1508-1555), einen ebenfalls Die einzige schriftliche Quelle über Stellas Globuskar- bedeutenden Kartographen und Globenmacher, treffen tographie, die selbst von Stella stammt, ist erst vor Kur- können. Mercator erwarb bei Frisius in der Zeit von zem bekannt geworden. Es handelt sich um einen Brief, 1534 bis 1537 Erfahrungen zur Erstellung von Globen. den Stella in Rostock am 20. Januar 1553 in lateini- 11
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 scher Sprache an Melanchthon verfasste.19 Die Me- Rostock als Professor wirkte, angeregt wurde. Diese lanchthon-Forschungsstelle der Heidelberger Akade- Annahme basiert auf einem Irrtum des Historikers mie stellte den Inhalt des Briefes online zur Ver- Johann Bernhard Krey (1771-1836), der 1818 einen fügung.20 Diese Quelle besitzt für die Tilemann-Stella- undatierten Brief von Chytraeus an den Herzog kom- Forschung eine außerordentlich große Bedeutung. Mit mentiert veröffentlichte. Durch Vergleich des Briefes ihrer Hilfe lassen sich die Anfänge der globuskartogra- mit jenem Brief, den der Sohn von Chytraeus 1614 he- phischen Aktivitäten Stellas wesentlich konkreter rausgegeben hat,24 stellte sich jedoch heraus, dass Krey rekonstruieren, als das bis jetzt der Fall war. Bisher den ursprünglichen Brief verkürzt wiedergab. Weiter- wurde angenommen, dass Stella lediglich einen Him- hin vermerkte Krey, dass Stella durch jene Empfehlung melsglobus für Herzog Johann Albrecht I. angefertigt die ersten Aufträge von Johann Albrecht erhielt: „So hat, der ziemlich früh verloren gegangen ist.21 In Wirk- ist wol Stella beim Herzoge eingeführt.“25 Aus dem lichkeit arbeitete er an einem Himmelsglobus („cae- lestem globum“) und einem Erdglobus („terrestrem globum“). Ihre Entstehungszeit und auch der Entste- 19 Der Fundort dieses Briefes ist Paris, Bibliothèque Sainte-Geneviève (Paris hungsort können jetzt bestimmt werden. Im Januar BSG, Ms. 1458, f. 67v-69r). Der Originaltext ist noch nicht im Druck er- 1553 war die Hälfte jener Arbeit schon vollbracht. Man schienen, er ist lediglich als Rohschrift vorhanden. Aus diesem Grund über- nimmt die Melanchthon-Forschungsstelle für das folgende Zitat keine könnte diese Anmerkung auch so deuten, dass ein Glo- Garantie: „Sed primas debeo illustrissimo principi Ioanni Alberto, sub cuius bus, wahrscheinlich der Himmelsglobus, bereits fertig celsitudine quam laudabilis clementia et veneranda sit humilitas, dici non war. Aus dem Brief Stellas lässt sich ableiten, dass er potest. Pro munere dedit 25 Marckstuck (Sic vocant genus numismatis) quae- für die Globuserstellung Anregungen von Melanchthon libet bis est Ioachimici, et quia adornaturus est bibliothecam, egit mecum, ut caelestem illi ac terrestrem globum, eosque iusta magnitudine conficiam. erhielt. Dafür spricht schon allein die Tatsache, dass Studio et clementia principis motus hunc laborem libenter suscepi, et fere Stella über diese Arbeit Melanchthon berichtete. Noch ad mediam partem perduxi.“ Für diese Information gilt ein besonderer Dank konkreter ist diesbezüglich der Abschluss des Briefes, der Leiterin der Melanchthon-Forschungsstelle, Christine Mundhenk. Hier wird ausdrücklich erwähnt, dass die Städte und insbesondere Herzog in dem Stella ankündigt, dass er die Planung seiner Johann Albrecht von Mecklenburg Stella reich beschenkt haben. Einen Him- weiteren Arbeiten mit Melanchthon in Wittenberg be- mels- und einen Erdglobus für dessen Bibliothek hat Stella schon halb voll- sprechen möchte. Das ist wahrscheinlich im Herbst endet. Danach will er sich in Wittenberg von Melanchthon über weitere Arbeiten beraten lassen. 1553 auch geschehen.22 Seine nächste Arbeit war dann 20 MBW…, Regestnummer: 6715. der kleine Himmelsglobus, der im Jahr 1555 in Witten- 21 Vgl. u. a. Oehme, Ruthard/Zögner, Lothar: Tilemann Stella (1525-1589)…, berg gedruckt wurde. Das Interesse Melanchthons an S. 12. 22 Stella schrieb einen Brief aus Parchim am 16. November 1553 an den Herzog der Astronomie bezeugt u. a. seine 1549 in Wittenberg Johann Albrecht. Wahrscheinlich befand er sich auf der Durchreise von Ro- erschienene Studie „Initia Doctrinae Physicae...“.23 stock nach Wittenberg. Vgl. Lisch, Georg Christian Friedrich: Die Ge- In der Fachliteratur ist es eine weit verbreitete Ansicht, schichte der Stadt Plau …, S. 181. 23 Dieses Werk, das man als eine „kosmographische Philosophie“ bezeichnen dass die Erstellung eines Himmelsglobus für den Her- könnte, übte auch auf Mercator einen großen Einfluss aus. zog Johann Albrecht I. von David Chytraeus (1530- 24 Vgl. Davidis Chytraei Theologi Ac Historici Eminentissimi…, S. 486-487. 1600), der mit Stella befreundet war und seit 1551 in 25 Vgl. Krey, Johann Bernhard: Tilemann Stella…, S. 303. 12
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 Abb. 5: Der nördliche Himmelspol mit dem Nordpolarkreis (CIRCVLVS ARCTICVS). Inhalt lässt sich feststellen, dass dieser Brief nicht der Astronomie hatte, und weil sich Chytraeus eben- 1552, sondern einige Jahre später entstanden ist, spä- falls dafür interessierte, wurde in diesem Empfehlungs- testens 1557.26 Es handelt sich hier nämlich um die schreiben besonders ausführlich auf den astronomi- Empfehlung für eine Festeinstellung Stellas beim Her- schen Globus Bezug genommen.27 zog, die dann erst 1561 erfolgte. In dem Brief werden 26 In der Empfehlung bezieht sich Chytraeus auf eine Rücksprache mit „Doc- die Globen Stellas nicht im Zusammenhang mit einem tori Bordingo“. Jacob Bording (1511-1560) war bis 1557 Professor in Ro- stock, danach war er Rektor der Universität in Kopenhagen und Leibarzt des Auftragsvorschlag aufgeführt, sondern es ging hier vor dänischen Königs. allem darum, dem Herzog die Vorzüge Stellas in Erin- 27 Für die Teilübersetzung des Empfehlungsschreibens gilt der Dank an Walter nerung zu bringen. Da der Herzog großes Interesse an Ludwig. 13
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 Über die Globen Stellas, die in Rostock 1553-1554 fer- licher Liebe verbunden“ war.30 Weitere Gratulanten tig gestellt wurden, gibt es noch weitere Quellen. 1554 waren Melanchthon und Jacob Bording (1511-1560). heiratete Stella Helena Rothermund, die Tochter von Das hohe Ansehen Stellas zu dieser Zeit ist aus dem Balthasar Rothermund, der in Schwerin Konsul war. Grund bemerkenswert, weil bis 1554 von ihm lediglich Aus diesem Anlass verfasste Petrus Vicentius (1519- die Palästinakarte und die Karte Mecklenburg erschie- 1581) eine Hochzeitsode, die 1554 auch im Druck er- nen sind. Daher kann man annehmen, dass zu seinem schien.28 Vicentius war ein Schüler von Melanchthon großen Ansehen die Globen in hohem Maße beitrugen. wie Stella selbst. Er war zu dieser Zeit Rektor des Daraus kann man wiederum ableiten, dass diese Glo- Katharineums in Lübeck. Einige Jahre später wurde er ben keineswegs kleinformatig gewesen sein dürften. zum Professor in Wittenberg berufen. In der Hochzeits- Von der hohen Reputation Stellas zeugt auch die um- ode führt Vicentius aus, dass Stella gerade im Norden fangreiche Hochzeitsrede von David Chytraeus, die in kartierte, gemeint ist die Mecklenburgkarte von 1552, Wittenberg 1555 im Druck erschienen ist,31 und das bei als sein Mäzen, der Herzog Johann Albrecht ihn auf- dieser Rede mitabgedruckte Hochzeitsgedicht von forderte, einen Erd- und einen Himmelsglobus zu an- Johannes Vuillebrochio.32 Johann Willenbrock (1531- fertigen. Stella ging gleich mit „talentierter Hand“ ans 1606) war ein Schüler von Melanchthon. Er verfasste Werk, wobei „die Hand wetteiferte mit dem Kopf“. Als mehrere Gedichte zu Hochzeiten und Todesfällen. Me- er gerade das Sternbild der Zwillinge (Abb. 6) malte, lanchthon ließ sein Gedicht zur Hochzeit von David kam der Vater von Helena zu ihm und gab seine Ein- Chytraeus unter dem Namen von Vuillebrochio (Wil- willigung zur Vermählung seiner Tochter mit Stella. lenbrock) veröffentlichen. Daher kann man annehmen, Der Erdglobus wird von Vicentius nur beiläufig er- dass Melanchthon den Inhalt dieses Gedichtes billigte wähnt. Im Zentrum seiner Erörterungen steht der Him- oder sogar mitbestimmte. In dem Hochzeitsgedicht melsglobus, wobei konkrete Informationen über seine wird ausgeführt, dass Stella nicht nur ein schöner, son- Beschaffenheit nicht gegeben werden. Die Gründe für dern ein kluger Mann war, der solche Werke schuf, die die Hervorhebung kann man in den oben erwähnten as- seinen Tod überleben werden. Zunächst wurden seine tronomischen Interessen seiner Gönner und Freunde astronomischen Kenntnisse gelobt. Die Bemerkung, sehen sowie darin, dass der Himmelsglobus Anspie- dass er die Sterne misst und Klimazonen bestimmt, lungsmöglichkeiten auf den Namen von Stella geboten könnte man als indirekten Hinweis auf die Globen deu- hat. ten. Die Palästinakarte wird nur an zweiter Stelle rüh- Wie groß das Ansehen Stellas schon in dieser Zeit mend erwähnt. war, ist auch daraus ersichtlich, dass der Brautwerber der Herzog Johann Albrecht war. Das Hochzeitspaar 28 Vgl. Vicentius, Petrus: Clarissimo viro…(Nicht paginiert.) wurde neben dem Herzog von folgenden, wohl anwe- 29 Ebenda, S. 7. 30 Ebenda, S. 11. senden Personen beglückwünscht: von Andreas Mylius 31 Vgl. Chytraeus, David: Oratio De Coniugio... (1527-1594), von dem Ehemann Helenas Schwester 32 Vgl. Vuillebroch, Johannes: Epithalamion Script Clarissimo viro Tilemanno und von David Chytraeus, mit dem Stella „in brüder- Stellae Siginensis… 14
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 Als Anhang wurde hier ein kurzes Gedicht von Georg Fabricius (1516-1571) beigefügt. Auch Fabricius stu- dierte in Wittenberg, aber vor der Studienzeit von Stella. Fabricius war ein bedeutender Dichter, den Kai- ser Maximilian II. auf dem Reichstag zu Speyer 1570 zum „poeta laureatus“ krönte. Fabricius äußert sich in seinem Gedicht sehr lobend über die kartographische Arbeit Stellas. In der dritten und letzten Strophe heißt es, dass Stella die Erde und die Meere, aber auch die „heimischen Berge“ (damit ist wohl eher Gegend ge- meint) gut beschrieben hat. Fabricius konnte Informa- tionen über die Werke Stellas auch durch Mylius erhalten haben, denn Mylius war bei der Gründung der Fürstenschule in Schwerin 1553 maßgebend beteiligt. Vorbild dafür war die Fürstenschule in Meißen, wo Fa- bricius wirkte. Demnach ist auch möglich, dass Fabri- cius auf den Erdglobus Bezug genommen hat und nicht nur auf die Palästinakarte und die Mecklenburgkarte. In der Fachliteratur war bisher nicht bekannt, dass Abb. 6: Das Sternbild Zwillinge (GEMINI) mit den beiden Zwil- lingsbrüdern CASTOR (links) und POLLUX (rechts) aus der grie- Stella zu der Globuskartographie auch eine theoretische chischen Mythologie. Schrift verfasste. Leider ist seine handschriftlich ver- fasste Studie nicht überliefert: „Tilemanni Stella expli- er an den großen Globen arbeitete, einen handgezeich- catio, et canones globi coelestis, terrestrisq[ue], ac neten Globus August von Sachsen (1526-1586) über- viatorij. in fol[io] minori, sine operculo [= ohne De- reichte.33 Ob dieser Globus ein Himmelsglobus war ckel] zusammen geheft, Sub signo (abnehmender und ob er schon vor 1553 fertiggestellt war, ist nicht Mond) 56.“ In dem handschriftlichen Katalog der Bi- mehr zu ermitteln, da der Globus in Dresden verloren bliothek von Johann Albrecht, der im Jahre 1573 von gegangen ist.34 Man kann daher diesen Globus nur mit Samuel Fabricius zusammengestellt wurde, war diese Vorbehalt den Vorarbeiten für die großen Globen von Studie verzeichnet. Eine Suchaktion nach dieser Studie 1552/53 zuordnen. blieb bedauerlicherweise erfolglos. Stella suchte schon früher Kontakt zum Dresdner Es ist anzunehmen, dass Stella sich nicht ohne Vor- Hof. Seine erste Palästinakarte, von 1552, widmete er arbeiten an die Anfertigung von so bedeutenden Glo- ben herangewagt hat. Dafür liegen jedoch keine 33 Es ist möglich, dass es zwischen Stella und August von Sachsen im Sommer 1553 zu einer persönlichen Begegnung kam, da August in dieser Zeit dem Quellen vor. Als einzigen Hinweis dafür könnte man dänischen König einen Besuch abstattete. gelten lassen, dass Stella schon 1553, in der Zeit, als 34 Vgl. Brichzin, Hans: Tilemann Stellas Beziehungen zu Sachsen…, S. 29. 15
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 Kurfürst Moritz (1521-1553), dem Bruder von August. Die Karte enthält auch eine Erläuterung von Melanch- thon. Daher kann man annehmen, dass die Widmung an den Herzog auf Anregung Melanchthons erfolgte. Die zweite Palästinakarte von 1557 wurde Kurfürst Au- gust gewidmet. Beide Karten enthielten eine Zeichnung des kursächsischen Wappens. In der Widmung führte Stella aus, dass die Beschäftigung mit der Geographie und Astronomie zu den Pflichten der Fürsten gehöre. Die diesbezüglichen Vorlieben von Kaiser Karl V. wurden als Beispiel erwähnt. Stella kannte den Brief von Mercator an Melanchthon und wusste also, dass Mercator im Auftrage des Kaisers einen „kosmogra- phischen Globus“ erstellte.35 Außerdem erfuhr Stella sicherlich auch, dass Karl V. an der Erwerbung von Karten und Globen sowie Vermessungsgeräten interes- siert war. Weiterhin war Stella bekannt, dass auch der Kurfürst August große Beachtung der Kartographie und der Vermessung schenkte.36 Es ist anzunehmen, dass der Weißenburger Him- melsglobus eine verkleinerte Kopie des größeren hand- gezeichneten Himmelsglobus ist. Wo die Segmente des Weißenburger Globus gedruckt wurden, ist an dem Globus nicht angegeben. Die Widmung an Kurfürst August und die Wiedergabe des kurfürstlichen Wap- pens in derselben Form wie in der zweiten Palästina- karte 1557, die bei Johannes Crato (vermutlich 1530-1578) in Wittenberg gedruckt wurde, lassen den Schluss zu, dass die Segmente des Weißenburger Him- melsglobus ebenfalls bei Crato in Wittenberg gedruckt Abb. 7: In der Weißenburger Ratsbibliothek sind Schriften aus der wurden. Dieser war in Wittenberg seit 1549 als Drucker Druckerei von Hans Krafft erhalten, wie z. B. diese Ausgabe von tätig. Er war der bedeutendste Drucker in Wittenberg Luthers Werken von 1556. Der Titelholzschnitt zeigt Kurfürst Johann Friedrich und Martin Luther unter dem Kreuz kniend in der Reformationszeit (Abb. 7). In seiner Druckerei (Foto: Stadtarchiv Weißenburg i. Bay.). wurden u. a. Schriften von Melanchthon und David 35 Vgl. Anmerkung 16. Chytraeus gedruckt. Auch die Deutschlandkarte Stellas 36 Vgl. Dolz, Wolfram: Kurfürst August als Geodät und Kartograph… 16
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 und die dazugehörenden Erläuterungen wurden 1560 hörte. Ab 1536 war er Ratsmitglied und wiederholt hier zum Druck gebracht.37 Crato verwendete bei den Bürgermeister.41 Er konnte durchaus als Adressat für lateinischsprachigen Publikationen die latinisierte den Globus fungieren. Sein Sohn Christoph studierte Namensform, in den deutschsprachigen Publikationen zunächst in Leipzig und ab 1545 in Wittenberg, sodass verwendete er seine ursprüngliche Namensform: er Stella bereits aus seiner Studienzeit kannte. Nach Johannes Krafft. Es lässt sich nicht ermitteln, welcher dem Studium ging er nach Nürnberg, wo auch Helling Formschneider die Handzeichnung Stellas zu dem und Baumgartner lebten. Hier war er Kantor, dann ab Himmelsglobus in Holz geschnitten hat, da die Globus- 1562 Gerichtsschreiber. Schließlich trat er in den segmente kein Formschneidermonogramm bzw. -signe Dienst des Deutschen Ordens an der Komturei Kapfen- enthalten. burg; dazu war der Übertritt zum Katholizismus erfor- Dafür, wie der Himmelsglobus nach Weißenburg derlich.42 kam, sind im Stadtarchiv Weißenburg keine Quellen Tilemann Stella plante, nicht nur den Himmelsglo- vorhanden.38 Um dafür wenigstens Hypothesen aufstel- bus, sondern auch eine verkleinerte Kopie des Erdglo- len zu können, wurde nach möglichen Verbindungen bus im Druck herauszubringen. Davon zeugt sein zwischen Weißenburg und Wittenberg gesucht. Zu- Privilegsantrag beim Kaiser. 1560 erhielt Stella ein kai- nächst wurde eine Verbindung über den aus Weißen- serliches Privileg vor allem für seine geplante große burg stammenden Willibald Ramsbeck (†1580) Karte der deutschen Länder, aber auch für seine Glo- vermutet, da dieser ab 1549 in Wittenberg studierte und ben.43 Das Privileg wurde von Peter H. Meurer im la- ein Schüler von Melanchthon war. Er publizierte meh- teinischen Original und in deutscher Übersetzung rere Bücher in Wittenberg, z. B. auch im Jahre 1555. publiziert. Auszug aus der Übersetzung: „Unser und Er war 1560-1567 Pfarrer in Cham und kehrte 1570 des Heiligen Römischen Reiches treuer Untertan, der nach Weißenburg zurück. In einem Brief von Melanch- Mathematicus Tilemann Stella aus Siegen, hat uns thon vom 20. August 1554 an den Rat der Stadt wurde Ramsbeck lobend erwähnt.39 37 Vgl. Stella, Tilemann: Kurzer und klarer Bericht… Einen weiteren Hinweis konnte man in der Korres- 38 Auskunft von Reiner Kammerl, Stadtarchiv Weißenburg. pondenz Melanchthons finden. In einem Brief an Me- 39 Vgl. MBW…, Regestnummer: 7264. 40 Vgl. MBW…, Regestnummer: 7789. Hier wird der Name „Burer“ genannt. lanchthon vom 18. April 1556 sprach Moritz Helling Nach der Mitteilung von Reiner Kammerl gab es in Weißenburg keine Fa- (1522-1595), Superintendent in Nürnberg, eine Emp- milie mit diesem Namen, aber es gab hier einen Ratsherrn mit dem Namen fehlung für den Weißenburger Christoph Biner aus, der „Biner/Biener“, der auch zeitweilig Bürgermeister war. Die Leiterin der Melanchthon-Forschungsstelle, Christine Mundhenk, prüfte die Schreib- Sohn eines Weißenburger Ratsherrn war.40 Es ist quel- weise in dem Originalbrief von Helling an Melanchthon und sie konnte fest- lenmäßig belegt, dass Stella seine Werke in mehreren stellen, dass der fehlende i-Punkt zu einer falschem Lesung führte. Fällen den Räten solcher Städte überreichte, von denen 41 Vgl. Wulz, Gustav: Wilhelm Biener… 42 Der Bekanntheitsgrad Christoph Biners resultiert daraus, dass er der Vater er eine Belohnung erwarten konnte. Christoph Biner des oberösterreichischen Hofkanzlers Wilhelm Biener (1590-1651) war. war der Sohn von Leonhard Biner (†1568), der zu den 43 Österreichisches Staatsarchiv, Wien: Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Bestand einflussreichsten Männern in der Stadt Weißenburg ge- Reichshofrat, Impressorien Bd. 69. fol. 4. 17
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 untertänigst angezeigt, zum Nutzen der wissenschaft- Wegen anderer Verpflichtungen oder vielleicht auch lich tätigen Menschen eine Karte des gesamten aus finanziellen Gründen konnte Stella seine diesbe- Deutschland und ebenso seiner Teilregionen mit histo- züglichen Pläne nicht verwirklichen. Er reiste 1560 in rischen Erläuterungen, die die Karten erklären, zu ver- Begleitung von Johann Albrecht nach Wien und nutzte öffentlichen; weiterhin je einen Globus des Himmels diese Angelegenheit zur Erlangung des Privilegs. und der Erde und einige andere Werke, darunter einen Zu jener Zeit war Stella noch nicht am Schweriner Kirchenkalender, eine in kunstvolle Form gebrachte Hof eingestellt. Die Vielfalt seines vorwiegend privat Geographie, eine gewöhnliche und eine kosmographi- finanzierten Publikationsvorhabens lässt sich somit er- sche Arithmetik, ein zusammenfassendes Buch zur Geo- klären. In seiner Tätigkeit kam es erst dann zu einer metrie mit neuen Problemstellungen, ein Meteoroskop Wendung, als er 1561 vom Herzog eine lebenslange zur Beobachtung aller sich bewegenden und festen Ge- Anstellung bekam. Aus dem Antrag zu seiner Anstel- stirne, ein Handbuch über Sonnenuhren sowie ein Buch lung, der zugleich als Vertrag fungierte, ist ersichtlich, über verschiedene, vorher nicht bekannte Methoden welche Aufgabenbereiche vom Herzog für Stella vor- und Instrumente zur Bestimmung der Gefälle von Ge- gesehen waren. Er sollte in erster Linie als Mathema- wässern. Da aber zu befürchten sei, daß derartige tiker und als Geograph und außerdem auch als Werke nach ihrer Veröffentlichung durch ihn selbst – Bibliothekar tätig sein. Die Astronomie und die Globen von anderen Kartographen und Buchhändlern nachge- spielten keine Rolle mehr.45 druckt und verbreitet würden und er selbst so um den Stellas erste Frau verstarb 1561. Er heiratete 1569 ihm gerechterweise zustehenden Ertrag und Gewinn seine zweite Frau Anna Hoffmann, die Tochter des betrogen würde, bat er uns untertänigst, dass wir ihm Schweriner Hofpredigers. Aus diesem Anlass verfasste durch Privileg und unseren Erlaß gegen dieses Unrecht Nathan Chytraeus (1543-1598), der Bruder von David schützen wollen.“ 44 Chytraeus, ein umfangreiches Hochzeitsgedicht in la- Hier ist zu vermerken, dass sich in die Abschrift des teinischer Sprache.46 Nathan begann seine Studien an handschriftlichen lateinischen Originals ein bedauerli- der Rostocker Universität, hierher kehrte er 1564 dem cher Fehler eingeschlichen hat. Das Wort „Calcogra- Ruf des Herzogs von Mecklenburg-Güstrow, Ulrich III. phis“ wurde als „Cartographis“ transkribiert. Die (1527-1603), folgend als Professor zurück. In dem Übersetzung musste daher an dieser Stelle richtig wie Hochzeitsgedicht wird die Tätigkeit Stellas ausführlich folgt lauten: „…von anderen Kupferstechern und Buch- aufgelistet. Seine Globen, die 1554 noch hochgelobt händlern nachgedruckt…“. Aus jenem Vermerk lässt wurden, werden hier nicht ausdrücklich erwähnt. Ein sich ableiten, dass Stella die Vervielfältigung seiner Grund dafür könnte sein, dass die Globen sich nicht künftigen Globen im Kupferstich plante und nicht mehr mit Holzschnitt, so wie das bei dem Weißenburger Glo- 44 Peter H. Meurer: Corpus der älteren Germania-Karten…, S. 330. bus der Fall war. Stella erkannte sicherlich, dass der 45 Der von Stella selbst geschriebene Antrag vom 3. Februar 1561 ist im Lan- Kupferstich zum Druck von Himmelsgloben wesent- desarchiv Schwerin vorhanden (Mss. Meckl. B 357). lich besser geeignet ist als das Holzschnittverfahren. 46 Vgl. Chytraeus, Nathanus: Nuptiis Tilemanni Stellae…1579. 18
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 Abb. 8: Das Sternbild „ARGO“ im südlichen Sternenhimmel. Es nimmt Bezug auf jenes sagenhafte Schiff der antiken griechischen Sage, mit dem Jason und die ihn begleitenden Argonauten das Goldene Vlies holten. mehr in Mecklenburg befanden. Ein weiterer Beleg las, dass es ihm gelang, „das abgerundete Himmelsge- dafür ist eine von Stella 1566 angefertigte Skizze der wölbe mittels Zahlen zu berechnen, und die Sterne Bibliothek im Schweriner Schloss, in der die Globen durch den Radius zu trennen und die Flächen der Erde nicht erscheinen.47 Nathan Chytraeus, der erst 1555 mittels bestimmter Zeichen zu beschreiben“. 48 Dieses nach Rostock kam, kannte die Globen scheinbar ledig- Gedicht wurde zuerst 1567 zusammen mit dem Hoch- lich aus Beschreibungen. 47 Vgl. Sander-Berke, Antje: Die erste herzogliche Bibliothek …, S. 104. Das Hochzeitsgedicht enthält lediglich eine sehr all- 48 Chytraeus, Nathanus: Nuptiis Tilemanni Stellae…1579, S. 90. Übersetzung gemeine Anspielung auf die Globuskartographie Stel- von Heike Voelker und Clauda Rieck, Handschrift, 1987. 19
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella 2/2018 zeitsgedicht von Husanus publiziert. Henricus Husanus Stella ausstellen, in der die Kanalbauten präsentiert (1536-1587) studierte in Wittenberg, dann war er Pro- wurden.531583 war Stella in Straßburg mit einem Weg- fessor in Jena und Rat bei Kurfürst August von Sach- messegerät unterwegs.54 1585 besuchte Stella mögli- sen. Johann Albrecht ernannte ihn 1567 zum Kanzler. cherweise Mercator in Duisburg. Nachweisbar ist Er bezeichnete Stella nicht mehr als Mathematiker und jedoch nur sein Aufenthalt in Düsseldorf, wo er Reiner Astronom, sondern lediglich als Mathematiker.49 Stel- Solenander (1524-1601), der ein Freund und Arzt Mer- las astronomische Kenntnisse und seine Globen wur- cators war, besuchte.55 den nicht mehr besonders hervorgehoben. Zu Beginn der 1990er-Jahre fand der Dresdner Ar- Sein kaiserliches Privileg ließ Stella 1569 verlän- chivar Hans Brichzin mehrere Briefe in der Handschrif- gern. Der Antrag wurde höchstwahrscheinlich von tenabteilung der Sächsischen Landesbibliothek, auf David Chytraeus in Wien eingereicht, als er aufgrund deren Grundlage die Tätigkeit Stellas für den fraglichen der Einladung des Kaisers nach Wien reiste. Von dem Zeitraum beinahe lückenlos ermittelt werden kann.56 Privileg 1569 ist lediglich der Entwurf erhalten geblie- 1584 schrieb Stella an den Kurfürsten, dass die Über- ben.50 Auch hier wurden die Globen erwähnt, gleich- setzung einer lateinsprachigen Abhandlung, die er dem lautend mit dem vorherigen Privileg: „…nencon Kurfürsten schon 1582 versprochen hatte, erst jetzt globum tam coelestem quam terrestrem…“ 51 fertig geworden ist.57 Er entschuldigte die verspätete Die Abschrift des Anschreibens von Herzog Johann Zusendung damit, dass „vielfältige“ Reisen und Albrecht zu der Verlängerung des Privilegs ist ebenfalls erhalten geblieben. Sie ist im Landeshauptarchiv 49 Vgl. Husanus, Henricus: Epithalamion in Nuptias M. Tilemanni Stellae… 50 Österreichisches Staatsarchiv, Wien: Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Bestand Schwerin vorhanden.52 Merkwürdigerweise sind die Reichshofrat, Impressorien Bd. 69. fol. 1 und 7. Globen in dem Antrag nicht erwähnt, obwohl anzuneh- 51 Peter H. Meurer: Corpus der älteren Germania-Karten…, S. 331. men ist, dass die Formulierung des Antrags von Stella 52 Abgedruckt u. a. in: Peter H. Meurer: Corpus der älteren Germania-Karten…, selbst vorgenommen wurde. Die Globuskartographie S. 330-331.Vgl. auch Pápay, Gyula: Ein berühmter Kartograph des 16. Jahr- hunderts… hat Stella in dieser Zeit scheinbar längst aufgegeben, 53 Vgl. Glöckle, Albrecht Friedrich Wilhelm: Die Reichstags-Fahrt des Herzogs er wollte sich auf sein Monumentalvorhaben konzen- Ulrich von Meklenburg …, S. 187. trieren, auf die Kartierung sämtlicher deutscher Länder. 54 Straßburger Ratsprotokoll, Handschrift XXI, Samstag den 2. Marty 1583. 55 Ein Exemplar von dem „Methodus quae in Chorographica et Historica to- Seine dienstlichen Aufgaben ließen das jedoch zumin- tius Germaniae descriptione observatibur“ enthält eine am 8. Mai 1585 ver- dest bis 1582 nicht zu. fasste Widmung von Stella an Solenander. Senden-Bösensell: Von und zur Es erhebt sich die Frage, ob sich Stella ab 1582 wie- Mühlen’sche Bibliothek / Nünning. Signatur: PC 0110. 56 Vgl. Brichzin, Hans: Tilemann Stellas…1990 und Brichzin, Hans: Der Kar- der der Globuskartographie zuwandte. Über die Tätig- tograph Tilemann Stella…1993. keit Stellas in der Zeit von 1582 bis 1589 lagen bis vor 57 Es handelt sich hier um die Studie Stellas „… von dem abwegen der höhen wenigen Jahren lediglich fragmentarische Kenntnisse und niederungen in gebirgen und wässern und dem gebrauch der triangulo- rum“, 1584. Diese Studie, die als verschollen galt und daher in der Fach- vor. Im Sommer 1582 reiste er zum Reichstag nach literatur noch nicht ausgewertet wurde, befindet sich in der Sächsischen Augsburg, wo er sich mehrere Wochen lang aufhielt. Landesbibliothek. Vgl. Brichzin, Hans: Der Kartograph Tilemann Stella… Herzog Ulrich ließ hier eine ihm gewidmete Karte von 1993, S. 224. 20
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