Weißenburger Blätter Geschichte . Heimatkunde . Kultur - Mai 2018 - Weißenburg

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Weißenburger Blätter Geschichte . Heimatkunde . Kultur - Mai 2018 - Weißenburg
nostra 2/2018   Weißenburger Blätter
                Geschichte . Heimatkunde . Kultur
                                             Mai 2018
villa
Weißenburger Blätter Geschichte . Heimatkunde . Kultur - Mai 2018 - Weißenburg
villa nostra – Weißenburger Blätter                        Impressum:
     Geschichte . Heimatkunde . Kultur                     Herausgeber: Große Kreisstadt Weißenburg i. Bay.,
                   2/2018                                   Neues Rathaus, 91780 Weißenburg i. Bay.,
                                                            Tel.: 09141/907102, Fax: 09141/907138
                                                            (Büro des Oberbürgermeisters)
Inhalt:                                                     E-Mail: stadt@weissenburg.de
Gyula Pápay:                                                Internet: http://www.weissenburg.de
 Der Weißenburger Himmelsglobus im Kontext der             Erscheinungsweise: dreimal jährlich (Januar, Mai, September)
 Globuskartographie von Tilemann Stella, S. 5              Auflage: 3000
                                                           Schriftleitung v.i.S.d.P.: Dipl.-Archivar (FH) Reiner Kammerl,
Jürgen Hamel:
                                                             Stadtarchiv, Neues Rathaus, Tel.: 09141/907222,
  Der Himmelsglobus Tilemann Stellas im Weißen-              Fax: 09141/907227, E-Mail: stadtarchiv@weissenburg.de
  burger Reichsstadtmuseum, S. 29
                                                           Redaktion und Konzeption: Reiner Kammerl, Jürgen Schröppel

Titelbild: Der Weißenburger Himmelsglobus in seinem        Beiträge: Jürgen Hamel, Gyula Pápay
heutigen Zustand (Foto: ReichsstadtMuseum Weißenburg,      Fotos und Zeichnungen: Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden;
Aufnahme R. Kammerl).                                        Germanisches Nationalmuseum Nürnberg; Stadtarchiv Wei-
Zum Vergleich unten eine alte Aufnahme in unrestaurier-      ßenburg i. Bay.; Zentralbibliothek Zürich, Kartensammlung.
                                                             (Alle übrigen, nicht bezeichneten Aufnahmen: ReichsstadtMu-
tem Zustand 1968 (Foto: Stadtarchiv Weißenburg i. Bay.).
                                                             seum Weißenburg, Aufnahme R. Kammerl)

                                                           Satz und Druck: Buch- und Offsetdruckerei Braun & Elbel,
                                                             Weißenburg i. Bay.
                                                           Die „villa nostra – Weißenburger Blätter“ sind kostenlos erhält-
                                                           lich in den bekannten Verteilerstellen der Stadtverwaltung (u. a.
                                                           Neues Rathaus, Amt für Kultur und Touristik, Stadtbibliothek),
                                                           im Weißenburger Museumsshop, im Kundenzentrum der Stadt-
                                                           werke GmbH, in den Weißenburger Geschäftsstellen der Spar-
                                                           kasse sowie den örtlichen Buchhandlungen und Banken.
                                                           Bei Bedarf, soweit von Institutionen oder Gewerbebetrieben
                                                           Exemplare zur Auslage in Wartezimmern o. Ä. gewünscht, oder
                                                           auch falls frühere Ausgaben ganz oder teilweise benötigt werden,
                                                           wenden Sie sich bitte an das Stadtarchiv oder das OB-Büro.

                                                           © Stadt Weißenburg bzw. Verfasser der Beiträge.

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Weißenburger Blätter Geschichte . Heimatkunde . Kultur - Mai 2018 - Weißenburg
„... Sammlung und Aufstellung der auf die Vergangenheit bezüglichen und geschichtlich bedeutsamen Überreste
und Gegenstände ...“

Der Weißenburger Himmelsglobus wird, leider ohne Her-         Abteilung wieder ins Alte Rathaus zurückkehren, wurde
kunftsnachweis, wechselweise im Bestand des früheren          aber 1963 durch die beginnende langjährige Sanierung
Heimatmuseums oder der Ratsbibliothek geführt. Beides         des Alten Rathauses wieder vertrieben und eingemottet.
würde Sinn machen und beides schließt sich auch nicht         Die prähistorische Sammlung fand ab 1965 im heutigen
gegenseitig aus. Letztendlich ist es ohnehin egal, der Glo-   RömerMuseum (Martin-Luther-Platz 3) eine neue Bleibe.
bus befindet sich im Eigentum der Stadt Weißenburg und        Einer bürgerschaftlichen Initiative der „Freunde des Wei-
ist als wichtiges Exponat im ReichsstadtMuseum zu be-         ßenburger Heimatmuseums“ ist dann die Einrichtung
sichtigen. Es ist ein Glücksfall, dass wir mit Prof. Gyula    eines Heimatmuseums (1967) im gleichen Gebäude zu
Pápay und Jürgen Hamel zwei renommierte Astronomie-           verdanken. Es blieb wieder nur bei einer kurzen Episode.
historiker gewinnen konnten, die Ihnen „unseren“ Him-         Der Römische Schatzfund (1979) verdrängte Museum
melsglobus erstmals ausführlich vorstellen.                   und Stadtarchiv aus dem Gebäude. Während das Römer-
    Besucher der aktuellen Ausstellung der Museen Wei-        Museum nach kurzer Umbauzeit am 7. September 1983
ßenburg („Fibeln“), die noch bis zum 17. Juni im Reichs-      als Zweigmuseum der Prähistorischen Staatssammlung
stadtMuseum zu sehen ist, kommen auf dem Weg zum              seine Erfolgsgeschichte beginnen konnte, mussten die
Sonderausstellungsraum nahe an dem außergewöhnlichen          musealen Bestände bis zur Eröffnung des ReichsstadtMu-
Stück vorbei. Machen Sie einen Abstecher, es lohnt sich.      seums am 28. Februar 1998 im Depot bleiben.
    Die Anfänge der Weißenburger Museumsgeschichte               War es zu Beginn eher bürgerschaftliches Engagement,
beginnen mit dem 1889 gegründeten „Altertumsverein“.          so hat gerade in den letzten Jahrzehnten die Stadt Weißen-
Der hatte sich in seiner Satzung u. a. der „Sammlung und      burg ihre Anstrengungen auf dem Museumssektor nach-
Aufstellung der auf die Vergangenheit bezüglichen und ge-     haltig verstärkt. Stichpunktartig sei an die museale
schichtlich bedeutsamen Überreste und Gegenstände“            Einrichtung der 1977 entdeckten Römischen Thermen
verschrieben. Noch im ersten Vereinsjahr (1890) konnte        (1985), die Übernahme der „Kaadener Heimatstuben“ und
die heimatgeschichtliche Sammlung im alten „Fleisch-          deren Präsentation im „Haus Kaaden“ (2005) sowie die
haus“ an der Höllgasse (heute Teil des „Neuen Rathau-         erst jüngst erfolgreich abgeschlossene Sanierung und
ses“) und die prähistorisch-römische Sammlung im Pro-         Neukonzeption des RömerMuseums (Neueröffnung am
gymnasium (Nördliche Ringstraße 33) eröffnet werden.          15. März 2017) erinnert – und natürlich nicht zu vergessen
    Dem 1910 in „Verein für Heimatkunde von Weißenburg        unsere Aktivitäten auf der Wülzburg mit Infopoint, Brun-
i. B. und Umgegend“ umbenannten Verein gelang es, die         nenstube und der Rekonstruktion eines großes Festungs-
Stadtverwaltung zur Einrichtung eines Heimatmuseums           geschützes.
im 1. Obergeschoss des Alten Rathauses zu bewegen (Er-
öffnung im November 1925). Nach Auflösung des Hei-            Ihr
matkundevereins gingen die Museumsgegenstände in den
Besitz der Stadt Weißenburg über. Den Zweiten Weltkrieg
überstanden die Museumsobjekte gut verpackt und aus-          Jürgen Schröppel                    Reiner Kammerl
gelagert. Erst 1950 konnte zumindest die prähistorische       Oberbürgermeister                   Stadtarchivar

                                                                                                                      3
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Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella                          2/2018

                           Der Weißenburger Himmelsglobus
                 im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella
                                                   Gyula Pápay

Einleitende Bemerkungen
Himmelsgloben gab es bereits in der Antike. Als Erfin-        Abbildungen und die Himmelsscheibe von Nebra. In
der dafür gilt Anaximander (um 610-546 v. Chr.).1             der Antike wurden umfangreiche Sternkataloge, so
Möglicherweise fertigte auch Ptolemaios im 1. Jh. n.          z. B. von Ptolemäus erarbeitet, die auch noch im Mit-
Chr. einen Globus an. Darauf verweist jedoch nur eine         telalter nicht nur für die Erarbeitung von Himmelsglo-
Notiz eines arabischen Gelehrten aus dem 11. Jh. n.           ben, sondern auch für Himmelskarten dienten. Der
Chr. Der einzig erhaltene Himmelsglobus aus der An-           Vorteil der Himmelsgloben gegenüber den Himmels-
tike, der „Atlas Farnese“, eine römische Kopie des hel-       karten besteht darin, dass sie das scheinbare Himmels-
lenistischen Originals, die um die Mitte des 2. Jh. n.        gewölbe ohne räumliche Verzerrung wiedergeben. Ihr
Chr. angefertigt wurde, befindet sich in Neapel. Diese        Nachteil gegenüber den Karten wiederum besteht
Marmorskulptur ist jedoch eher als ein Kunstwerk als          darin, dass sie das scheinbare Himmelsgewölbe sozu-
ein echter Globus anzusehen.2 Die frühesten überlie-          sagen „von außen“ darstellen. Dieser Nachteil kann nur
ferten Himmelsgloben entstanden in der islamischen            durch sehr große, begehbare Globen beseitigt werden.
Welt 1275 und 1279.3 Der älteste überlieferte Erdglo-         Ein solcher Globus ist der Gottorfer Riesenglobus, der
bus wurde von Martin Behaim (1459-1507) 1492 an-              in der Mitte des 17. Jahrhunderts angefertigt wurde.
gefertigt. Nur ein Jahr später erarbeitete Johannes              Der Globus als besondere kartographische Darstel-
Stöffler (1452-1531) einen Himmelsglobus, der sich in         lungsform und als Bildungssymbol erlangte im Laufe
Stuttgart befindet. Die unmittelbaren Vorläufer des           des 16. Jahrhunderts immer größere Bedeutung. Meh-
Weißenburger Himmelsglobus sind u. a. die folgenden           rere bedeutende Kartographen dieser Zeit waren auch
Globen: der 1532 in Köln erstellte Globus von Caspar          als Globenmacher tätig. Neben den oben erwähnten ge-
Vopelius (1511-1561), die 1533/34 entstandenen und            hörten u. a. Martin Waldseemüller (1472/75-1520) und
in London und Weimar aufbewahrte Globen von Johan-            Philipp Apian (1531-1589) dazu. Ihre Globen wiesen
nes Schöner (1477-1547), der 1537 angefertigte, in            einen großen Bekanntheitsgrad auf. Ein völlig anderes
Greenwich vorhandene Globus von Gemma Frisius                 Schicksal wurde den Globen von Tilemann Stella
(1508-1555) und schließlich der in mehreren Exempla-          (1525-1589) zuteil. Nur ein einziger Globus ist über-
ren vorhandene Himmelsglobus von Gerhard Mercator
(1512-1594), der 1551 entstand.                            1 Vgl. Stückelberger, Alfred: Sterngloben und Sternkarten…, S. 71.
                                                           2 Vgl. ebenda, S. 74.
   Die Bestrebungen, Himmelserscheinungen flächen-         3 Der in London befindliche Himmelsglobus entstand um 1275. Vgl. Sumira,
haft, d. h. auf Karten darzustellen, reichen weit in der     Sylvia: Der Globus..., S. 13-15. Die Entstehungszeit des in Dresden vorhan-
Geschichte zurück, dazu gehören u. a. altägyptische          denen Himmelsglobus wird auf 1279 datiert. Vgl. Anmerkung 39.

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Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella                       2/2018

liefert, der zweifelsfrei Tilemann Stella zugeordnet          recht gut erhalten und ihr Zustand kann nach Restau-
werden kann: der Weißenburger Himmelsglobus (Abb.             rierung in der Bayerischen Staatsbibliothek im Jahre
Titelseite). Aber auch über diesen Globus erhielt die         1968 als voll befriedigend bezeichnet werden. Eine Ti-
Fachwelt nur geringe Kenntnisse. Erst durch eine 1973         telinschrift ist nicht vorhanden. Sie wird ersetzt durch
publizierte Studie von Alois Fauser (1906-1987) ist die-      die Widmung an den Kurfürsten August von Sachsen.
ser Globus näher bekannt geworden. Fauser war ein             Diese steht unter dem Südlichen Fisch (Piscis Notius)
hervorragender Kenner der Geschichte der Globen, da-          und lautet (durchlaufende Maiuskel nicht nachge-
rüber zeugen u. a. seine Werke zur Kulturgeschichte           ahmt):
der Globen.4 Auf den Weißenburger Himmelsglobus                  Illvstrissimo et//               Dem ehrwürdigen und
wurde Fauser, der zu Beginn der 1960er-Jahre einen               generosissimo prin-//                      edlen Fürsten
                                                                                                  und Herrn, Herrn Au-
Katalog von den älteren Erd- und Himmelsgloben in                cipi ac domino d: Avgvsto//
                                                                                                 gust Herzog von Sach-
Bayern erarbeitete, von einem seiner Kollegen in der             dvci Saxoniae. Sac: Rom://            sen, des Heiligen
Bayerischen Staatsbibliothek, Dr. Semrau, 1968 auf-              Imperii archimarschal-//             Römischen Reichs
merksam gemacht. In dem Katalog konnte dieser Glo-               co et electori. lant-//         Erzmarschall und Kur-
bus nicht berücksichtigt werden, da das Weißenburger             gravio Thvringiae. mar-//           fürst, Landgraf von
Archiv und die Bibliothek noch ausgelagert bzw. nicht            chioni Misniae et bvrg-//         Thüringen, Markgraf
                                                                                                 von Meißen und Burg-
benutzbar waren. Alois Fauser gab in der bisher einzi-           gravio Magdebvrgen-//
                                                                                                   graf von Magdeburg,
gen ausführlichen Studie zu dem Weißenburger Him-                si. domino svo clemen-//           meinem gnädigsten
melsglobus 1973 die folgende Beschreibung:                       tissimo dedicavit//               Herrn, gewidmet von
   „Der Globus hat einen Durchmesser von 27,5 cm.                Tilemannvs Stel-//                 Tilemann Stella aus
Er ist wie üblich gebaut: Über einer Pappschicht ist             la Sigenensis//1555“. 5                    Siegen 1555.
Gips/Kreidegrund aufgetragen. Die Beklebung besteht
aus 12 Holzschnittsegmenten, die zu den Ekliptikpolen         Neben der Widmung steht das kursächsische Wappen
laufen. Zur Erleichterung des Aufziehens wurden sie           (Abb. 1).
am Äquator geteilt, nicht, wie man erwarten sollte, an          Seit 1973 ist die Erforschung der kartographischen
der Ekliptik. Eingezeichnet sind Äquator, Wende- und          Tätigkeit Tilemann Stellas vorangeschritten. Es sind
Polarkreise, Ekliptik und Koluren. Der Äquator ist von        auch einige neue Quellen bekannt geworden, sogar in
Grad zu Grad in Schwarz und Gold abgesetzt, die               den letzten Jahren. Mit ihrer Hilfe lässt sich die Glo-
Wende- und Polarkreise sind rot und golden, die Eklip-        buskartographie Stellas umfassender beleuchten.
tik grün nachgezogen. Die Sternbilder sind koloriert,
die Sterne durch Goldpunkte hervorgehoben. Gestell
und Armierung fehlen. Die Kugel zeigte eine größere
Beschädigung mit Verlust an der Beklebung auf dem
Nordteil des 5. Segments vom Frühlingspunkt aus ge-        4 Fauser, Alois: Die Welt in Händen. Kurze Kulturgeschichte des Globus.
rechnet, im Grenzbereich Krebs/Löwe. Sonst war sie         5 Fauser, Alois: Ein Tilmann Stella-Himmelsglobus in Weißenburg…, S. 150.

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Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella                       2/2018

Die Bedeutung der kartographischen Tätigkeit von
Tilemann Stella
Tilemann Stella (1525-1589) war einer der bedeutends-
ten Kartographen des 16. Jahrhunderts. Seine Leistun-
gen auf dem Gebiet der Kartographie können mit den
Leistungen wesentlich namhafterer Kartographen, wie
z. B. Gerhard Mercator (1512-1594), Abraham Ortelius
(1527-1598) und Philipp Apian (1531-1589) als eben-
bürtig erachtet werden. Stellas geringerer Bekannt-
heitsgrad lässt sich damit erklären, dass von seinen
Werken nur ein kleiner Teil publiziert bzw. überliefert
wurde. Stellas Schaffen war erstaunlich breit gefächert.
Er erarbeitete großmaßstäbige Karten von hochwerti-
ger Qualität, er publizierte jedoch auch kleinmaßstä-
bige Karten mit allgemein-geographischem Inhalt. Auf                        Abb. 1: Ausschnitt aus dem Weißenburger Globus
dem Gebiet der Geschichtskartographie vollbrachte er                       mit der Widmung an Kurfürst August von Sachsen.
bahnbrechende Leistungen. Einen wichtigen Beitrag
lieferte er zur Modernisierung der kartographischen           lich, dass Stella eine modernere, abstraktere Karten-
Zeichensprache. Er befasste sich in mehreren Studien          sprache anstrebte als seine Zeitgenossen.
mit der Methodik der Kartenaufnahme.6                            Lediglich zwei weiteren Karten sind zu seinen Leb-
   Tilemann Stella wurde 1525 in Siegen, in der Graf-         zeiten erschienen. Die erste ist die 1552 in Rostock ge-
schaft Nassau, geboren. Er studierte in Wittenberg und        druckte Mecklenburgkarte, die jedoch nur als Kopie
Marburg. Eine maßgebliche Förderung erhielt er in             überliefert ist. Die zweite Karte ist „Die gemeine Land-
Wittenberg durch Philipp Melanchthon (1497-1560).             taffel des Deutschen Landes“, die 1560 in Wittenberg
Hier konzipierte Stella eine Geschichtskartenserie. Die       gedruckt wurde (Abb. 2). Von dieser Karte sind nur drei
erste Karte, auf der Palästina dargestellt wurde, er-         Exemplare erhalten geblieben.8 Die kreisförmige Karte
schien 1552.7 Der thematische Schwerpunkt der zwei-           ist auch aus der Sicht der Globuskartographie bemer-
ten Karte, die 1557 erschien, lag auf der Darstellung         kenswert, da sie eine konzeptionelle Ähnlichkeit mit
des Weges der Kinder Israels in das gelobte Land.             einigen Globen aus jener Zeit aufweist. Die Karte ist
Abraham Ortelius übernahm zwei Karten von Stella in
seinen Atlas „Theatrum Orbis Terrarum“, der ab 1570        6 Vgl. Pápay, Gyula: Tilemann Stella und die Kartographie des 16. Jahrhun-
erschienen ist: die Karte der Grafschaft Mansfeld und        derts…
die Karte des Heiligen Landes. Letztere Karte war in       7 Diese Karte ist verschollen. Ein Fragment dieser Karte wurde 1989 im Ar-
                                                             chiv der Stadt Plauen entdeckt. Vgl. Klemp, Egon…, S. 343.
dem Ortelius-Atlas die einzige, die eine Kartenlegende     8 Vgl. Oehme, Ruthardt/Zögner, Lothar: Tilemann Stella (1525-1589)…,
enthielt. Eine Zeichenerklärung war dadurch erforder-        S. 28.

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Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella                    2/2018

                                                           10 bis 30 Minuten eingeteilt. Die Konzeption zur kos-
                                                           mographischen „Einbettung“ der Karte stammte von
                                                           Sebastian Münster (1488-1552). Stella gab die Karte
                                                           Münsters „Eyn künstliche Landtafel Teutscher nation
                                                           mit einem ewig werenden Kalender“ (1525) in einer
                                                           Neubearbeitung heraus.9
                                                              In den 1550er-Jahren versuchte Stella eine Anstel-
                                                           lung bzw. finanzielle Unterstützung bei dem dänischen
                                                           König Christian III. (1503-1559), bei Herzog Johann
                                                           Albrecht I. von Mecklenburg (1525-1576) und bei Kur-
                                                           fürst August von Sachsen (1526-1586) zu erhalten
                                                           (Abb. 3). Mit seinen kartographischen Arbeiten in die-
                                                           ser Zeit verfolgte Stella eine solche Zielsetzung, darun-
                                                           ter auch mit dem Weißenburger Himmelsglobus. Stella
                                                           erhielt Empfehlungen für eine Einstellung von bedeu-
                                                           tenden Reformatoren, von Philipp Melanchthon (1497-
                                                           1560), von Johannes Bugenhagen (1485-1558) und von
                                                           David Chyträus (1539-1600). Ein Empfehlungsschrei-
                                                           ben an den dänischen König bekam Stella bereits 1552
                                                           von Melanchthon.10 Am 22. Januar 1556 schrieb Me-
                                                           lanchthon an Herzog Johann Albrecht I. von Mecklen-
                                                           burg über Tilemann Stella Folgendes: „Ein solcher
                                                           Mann ist sicher ein Segen für die Allgemeinheit und
                                                           würdig des Wohlwollens weiser Fürsten.“ 11 Stellas Be-
                                                           mühungen waren erst 1561 von Erfolg gekrönt, als er
                                                           eine Anstellung am Schweriner Hof erhielt. Seine erste
                                                           Aufgabe bestand in der Betreuung der herzoglichen
Abb. 2: Stellas Landkarte von Deutschland, 1560,           Bibliothek. Viele Bücher der Bibliothek Johann Al-
Holzschnitt, 36 x 53 cm
(Foto: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg).
                                                        9 Vgl. Meurer, Peter H.: Corpus der älteren Germania-Karten…Tafel 5-1 und
mit sechs Ringen umgeben. Sie enthalten Tagesbuch-         Tafel 2-10.
staben, Namen der Kalender-Heiligen, Namen der          10 Vgl. Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Melanchthons Briefwech-
                                                           sel (nachfolgend als MBW genannt), Regesten online, Regestnummer: 6493.
Monate, Tierkreiszeichen (Tierkreisskala), Bilder und   11 Zitiert nach G. Ernst: Von der Familie des Tilemanns Stella Sigenensis…
Namen des Tierkreises und geographische Breite, von        S. 55. Vgl. auch MBW, Regestnummer: 7697.

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Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella                2/2018

brechts, die sich heute in der Universitätsbibliothek Ro-   ficina Typographica Iacobi TRANSYLVANI.“ Hierin
stock befinden, tragen Sternzeichen. Mit dieser eigen-      beschrieb er seine Konzeption für das große Deutsch-
willigen Form der Katalogisierung präsentierte Stella       land-Kartenwerk, für das er zwar eine umfangreiche
seine besondere Vorliebe für die Astronomie. Auch der       Materialsammlung anlegte, aber welches er nicht voll-
Herzog teilte mit ihm dieses Interesse. Er                  enden konnte.
führte mit Stella zusammen astronomische Beobach-
tungen in Schwerin durch. Astronomische Kenntnisse
waren für Stella auch bezüglich seiner Kartierungsar-
beiten erforderlich. Den Breitengrad mehrerer Orte be-
stimmte er mit astronomischer Methode.
   Ab 1564 entfaltete Stella eine vielfältige kartogra-
phische Tätigkeit in Mecklenburg. Als herzoglicher Rat
war er zur Klärung von Grenzangelegenheiten heran-
gezogen. Durch diese Tätigkeit entstanden mehrere
Karten. Das große Kanalbauprojekt, das Stella als Plan-
macher und Dirigent leitete, war ebenfalls mit Karten-
aufnahmen verbunden. Im Zuge dieser Arbeiten und
bei der Erfüllung anderer Aufgaben entstanden mehrere
Detailkarten, die zu den Meisterwerken der Kartogra-
phie des 16. Jh. zählen. Der überwiegende Teil jener
großformatigen Karten befindet sich in dem Landes-
hauptarchiv Schwerin. Sie können seit Jahren nicht
eingesehen werden. Erst nach der Restaurierung, die
aus finanziellen Gründen noch nicht vorgesehen ist,
werden diese wertvollen Karten wieder der Nutzung
freigegeben. Die kartographische Tätigkeit Stellas in
Mecklenburg beschränkte sich nicht nur auf praktische
Arbeiten, er verfasste auch methodische Schriften. Sie
sind jedoch nicht im Druck erschienen, sodass sie
weitgehend unbekannt geblieben sind. Stella publi-
zierte in Mecklenburg nur ein kleines Werk mit karto-
                                                                                            Abb. 3: August von Sachsen.
graphischem Bezug, das in lateinischer Sprache in                            Gemälde von Lucas Cranach d. J., um 1550
Rostock 1566 erschien: „Tilemanni Stellae Sigenensis          (Foto: Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, Gal. Nr. 1947:
Methodus, quae in chorographica et his tori ca totius                                             Foto: Hans-Peter Klut).
Germanæ Descriptione observabitur. Rostochii, Ex Of-

                                                                                                                       9
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Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella                        2/2018

Nach dem Tod Johann Albrechts im Jahre 1576 ging             Nürnberg im Jahre 1524. Das geht aus seinem Brief an
der Kanalbau nur schleppend voran. 1582 verließ Stella       Hieronymus Baumgartner (1498-1565), der in Witten-
Mecklenburg. Er ging nach Zweibrücken, wo er etwa            berg studierte und später Bürgermeister von Nürnberg
zwanzig Jahre zuvor eine Landesaufnahme durchge-             wurde, hervor.15 Bei dem Globus konnte es sich nur um
führt hatte. 1589 unternahm Stella eine Reise nach Wit-      den Erdglobus von Schöner aus dem Jahre 1515 han-
tenberg oder nach Mecklenburg. Während dieser Reise          deln. Dieser hatte einen Durchmesser von 27 cm und
verstarb er. Als Sterbeort kommen neben Wittenberg           bestand aus zwölf kolorierten Holzschnittsegmenten.
Wittenburg und Schwerin in Frage. Mit der Übersied-          Er machte auf Stella sicherlich einen nachhaltigen Ein-
lung Stellas 1582 von Schwerin nach Zweibrücken ge-          druck, denn er gestaltete seinen Himmelsglobus 1555
langte seine Materialsammlung in einem Umfang von            in technischer Hinsicht sehr ähnlich zu diesem Globus.
32 handgeschriebenen Bänden nach Zweibrücken, wo             Mercator berichtete in einem Brief vom 23. August
sie 1676/77 vernichtet wurde. Wie seine Material-            1554 an Melanchthon, dass er von Kaiser Karl V.
sammlung angelegt war, kann aufgrund anderer Quel-           (1500-1558) beauftragt wurde, einen Erdglobus in
len nur unvollkommen rekonstruiert werden. Ein Teil          einen Himmelsglobus einzubauen.16 Direkte Kontakte
von Stellas Arbeiten, die in Mecklenburg verblieben          zwischen Mercator und Stella lassen sich quellenmäßig
sind, wurde von Herzog Ulrich III. (1527-1603), dem          nicht nachweisen. Es wird jedoch angenommen, dass
Bruder Johann Albrechts, verschenkt oder verkauft.12         Stella die Arbeiten Mercators kannte und von ihm be-
Ein besseres Schicksal erfuhr Stellas Landesaufname          einflusst wurde.17 Rheticus studierte ab 1531 in Witten-
von Pfalz-Zweibrücken (1564). Diese Karten sind              berg und hier war er ab 1537 als Professor für Mathe-
komplett überliefert. Sie lagen jahrhundertelang in der      matik und Astronomie tätig. Durch Unterstützung von
Stockholmer Königlichen Bibliothek. Dorthin sind sie         Melanchthon übernahm er Studienreisen nach Nürn-
durch die dynastische Verbindung zwischen Zweibrü-           berg zu Johannes Schöner und nach Tübingen zu
cken und Schweden gekommen. Sie wurden 1989 als              Johannes Stöffler.18 Stella erhielt Informationen über
Faksimile herausgegeben.13
                                                          12 Ein Beleg dafür ist die prächtige Ledermappe mit einer Widmung Stellas an
Globuskartographie Tilemann Stellas                          den Herzog Ulrich III. mit mehreren Manuskripten von Stella aus dem Jahre
                                                             1569. Vgl. Stewart, Alasdair M.: Tilemann Stella of Siegen…
Stella konnte während seiner Studienzeit Kenntnisse       13 Vgl. Stella, Tilemann: Landesaufnahme der Ämter Zweibrücken und Kir-
über mehrere Globen erhalten haben. Zumindest über           kel…
die Himmelsgloben und die Erdgloben von Johannes          14 Es ist bemerkenswert, dass der Erdglobus Schöners (1515) und der Him-
                                                             melsglobus Stöfflers (1493) denselben Durchmesser hatten wie der Weißen-
Schöner (1477-1547) und von Johannes Stöffler (1452-         burger Himmelsglobus.
1531) sowie von Gerhard Mercator (1512-1594) erhielt      15 Vgl. MBW…, Regestnummer: 308.
er direkt oder indirekt Informationen.14 Vermittler in-   16 Vgl. MBW …, Regestnummer: 7265 und Meurer, Peter H.: Ein Mercator-
                                                             Brief an Philipp Melanchthon…
direkter Informationen waren u. a. Philipp Melanch-       17 Vgl. Bartlett, John R.: Early printed Maps…, S. 191 und S. 197.
thon (1497-1560) und Georg Joachim Rheticus               18 Vgl. Rheticus, Georg Joachim: Orationes duae prima de astronomia …, Vor-
(1514-1574). Melanchthon erwarb einen Globus aus             wort.

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Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella            2/2018

diese Studien möglicherweise auch direkt von Rheti-
cus, aber ganz gewiss über Melanchthon. Außerdem
kannte Stella die Publikationen, die Rheticus zum Weg-
bereiter der Verbreitung der kopernikanischen Lehre
machten. In Leipzig publizierte 1550 Rethicus die
Ephemeriden für das Jahr 1551, die er auf der Grund-
lage der Lehre von Kopernikus erarbeitet hat. Selbst
Stella machte viele Reisen, so hatte er vielleicht die
Möglichkeit, sich mit Globenmachern in Verbindung
zu setzen bzw. ihre Arbeiten anzusehen. Dafür, also wo
er praktische Erfahrungen zur Anfertigung von Globen
erworben hatte, liegen keine Quellen vor. Man kann
lediglich Mutmaßungen anstellen. Es erscheint wahr-
scheinlich, dass Melanchthon auch ihn, wie vorher
Rheticus, nach Nürnberg, zu Johannes Schöner
schickte, mit dem sich Melanchthon bis zu seinem
Tode in Korrespondenz befand. Melanchthon hat in sei-
nen Briefen die astronomischen Publikationen Schö-
ners mehrmals lobend erwähnt. Ab 1547 verweilte
Stella nachweislich in der Wirkungsstätte eines weite-
ren Globenmachers, in Köln. Hier fertigte Caspar Vo-
pelius (1511-1561) Himmels- und Erdgloben an. Eine
direkte Verbindung zwischen ihm und Stella ist nicht
nachweisbar, da er nicht an der Universität lehrte, son-
dern am Gymnasium. Außerdem unternahm Vopelius
in dieser Zeit längere Reisen, um sich von den Religi-
onskonflikten fern zu halten. Vopelius war kein Anhän-
ger der Reformation und hatte zu Melanchthon                Abb. 4: Neben dem Sternbild des Krebs (CANCER) weist der
möglicherweise aus diesem Grund keine Kontakte. Ob            Weißenburger Himmelsglobus eine größere Fehlstelle auf.
Stella von Köln aus einen Besuch bei Mercator in
Löwen gemacht hat, ist nicht belegbar. Hier hätte er
auch noch Gemma Frisius (1508-1555), einen ebenfalls       Die einzige schriftliche Quelle über Stellas Globuskar-
bedeutenden Kartographen und Globenmacher, treffen         tographie, die selbst von Stella stammt, ist erst vor Kur-
können. Mercator erwarb bei Frisius in der Zeit von        zem bekannt geworden. Es handelt sich um einen Brief,
1534 bis 1537 Erfahrungen zur Erstellung von Globen.       den Stella in Rostock am 20. Januar 1553 in lateini-

                                                                                                                  11
Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella                              2/2018

scher Sprache an Melanchthon verfasste.19 Die Me-               Rostock als Professor wirkte, angeregt wurde. Diese
lanchthon-Forschungsstelle der Heidelberger Akade-              Annahme basiert auf einem Irrtum des Historikers
mie stellte den Inhalt des Briefes online zur Ver-              Johann Bernhard Krey (1771-1836), der 1818 einen
fügung.20 Diese Quelle besitzt für die Tilemann-Stella-         undatierten Brief von Chytraeus an den Herzog kom-
Forschung eine außerordentlich große Bedeutung. Mit             mentiert veröffentlichte. Durch Vergleich des Briefes
ihrer Hilfe lassen sich die Anfänge der globuskartogra-         mit jenem Brief, den der Sohn von Chytraeus 1614 he-
phischen Aktivitäten Stellas wesentlich konkreter               rausgegeben hat,24 stellte sich jedoch heraus, dass Krey
rekonstruieren, als das bis jetzt der Fall war. Bisher          den ursprünglichen Brief verkürzt wiedergab. Weiter-
wurde angenommen, dass Stella lediglich einen Him-              hin vermerkte Krey, dass Stella durch jene Empfehlung
melsglobus für Herzog Johann Albrecht I. angefertigt            die ersten Aufträge von Johann Albrecht erhielt: „So
hat, der ziemlich früh verloren gegangen ist.21 In Wirk-        ist wol Stella beim Herzoge eingeführt.“25 Aus dem
lichkeit arbeitete er an einem Himmelsglobus („cae-
lestem globum“) und einem Erdglobus („terrestrem
globum“). Ihre Entstehungszeit und auch der Entste-          19 Der Fundort dieses Briefes ist Paris, Bibliothèque Sainte-Geneviève (Paris
hungsort können jetzt bestimmt werden. Im Januar                BSG, Ms. 1458, f. 67v-69r). Der Originaltext ist noch nicht im Druck er-
1553 war die Hälfte jener Arbeit schon vollbracht. Man          schienen, er ist lediglich als Rohschrift vorhanden. Aus diesem Grund über-
                                                                nimmt die Melanchthon-Forschungsstelle für das folgende Zitat keine
könnte diese Anmerkung auch so deuten, dass ein Glo-            Garantie: „Sed primas debeo illustrissimo principi Ioanni Alberto, sub cuius
bus, wahrscheinlich der Himmelsglobus, bereits fertig           celsitudine quam laudabilis clementia et veneranda sit humilitas, dici non
war. Aus dem Brief Stellas lässt sich ableiten, dass er         potest. Pro munere dedit 25 Marckstuck (Sic vocant genus numismatis) quae-
für die Globuserstellung Anregungen von Melanchthon             libet bis est Ioachimici, et quia adornaturus est bibliothecam, egit mecum,
                                                                ut caelestem illi ac terrestrem globum, eosque iusta magnitudine conficiam.
erhielt. Dafür spricht schon allein die Tatsache, dass          Studio et clementia principis motus hunc laborem libenter suscepi, et fere
Stella über diese Arbeit Melanchthon berichtete. Noch           ad mediam partem perduxi.“ Für diese Information gilt ein besonderer Dank
konkreter ist diesbezüglich der Abschluss des Briefes,          der Leiterin der Melanchthon-Forschungsstelle, Christine Mundhenk.
                                                                Hier wird ausdrücklich erwähnt, dass die Städte und insbesondere Herzog
in dem Stella ankündigt, dass er die Planung seiner             Johann Albrecht von Mecklenburg Stella reich beschenkt haben. Einen Him-
weiteren Arbeiten mit Melanchthon in Wittenberg be-             mels- und einen Erdglobus für dessen Bibliothek hat Stella schon halb voll-
sprechen möchte. Das ist wahrscheinlich im Herbst               endet. Danach will er sich in Wittenberg von Melanchthon über weitere
                                                                Arbeiten beraten lassen.
1553 auch geschehen.22 Seine nächste Arbeit war dann         20 MBW…, Regestnummer: 6715.
der kleine Himmelsglobus, der im Jahr 1555 in Witten-        21 Vgl. u. a. Oehme, Ruthard/Zögner, Lothar: Tilemann Stella (1525-1589)…,
berg gedruckt wurde. Das Interesse Melanchthons an              S. 12.
                                                             22 Stella schrieb einen Brief aus Parchim am 16. November 1553 an den Herzog
der Astronomie bezeugt u. a. seine 1549 in Wittenberg           Johann Albrecht. Wahrscheinlich befand er sich auf der Durchreise von Ro-
erschienene Studie „Initia Doctrinae Physicae...“.23            stock nach Wittenberg. Vgl. Lisch, Georg Christian Friedrich: Die Ge-
In der Fachliteratur ist es eine weit verbreitete Ansicht,      schichte der Stadt Plau …, S. 181.
                                                             23 Dieses Werk, das man als eine „kosmographische Philosophie“ bezeichnen
dass die Erstellung eines Himmelsglobus für den Her-            könnte, übte auch auf Mercator einen großen Einfluss aus.
zog Johann Albrecht I. von David Chytraeus (1530-            24 Vgl. Davidis Chytraei Theologi Ac Historici Eminentissimi…, S. 486-487.
1600), der mit Stella befreundet war und seit 1551 in        25 Vgl. Krey, Johann Bernhard: Tilemann Stella…, S. 303.

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Abb. 5:
Der nördliche Himmelspol
mit dem Nordpolarkreis
(CIRCVLVS ARCTICVS).

Inhalt lässt sich feststellen, dass dieser Brief nicht      der Astronomie hatte, und weil sich Chytraeus eben-
1552, sondern einige Jahre später entstanden ist, spä-      falls dafür interessierte, wurde in diesem Empfehlungs-
testens 1557.26 Es handelt sich hier nämlich um die         schreiben besonders ausführlich auf den astronomi-
Empfehlung für eine Festeinstellung Stellas beim Her-       schen Globus Bezug genommen.27
zog, die dann erst 1561 erfolgte. In dem Brief werden    26 In der Empfehlung bezieht sich Chytraeus auf eine Rücksprache mit „Doc-
die Globen Stellas nicht im Zusammenhang mit einem          tori Bordingo“. Jacob Bording (1511-1560) war bis 1557 Professor in Ro-
                                                            stock, danach war er Rektor der Universität in Kopenhagen und Leibarzt des
Auftragsvorschlag aufgeführt, sondern es ging hier vor      dänischen Königs.
allem darum, dem Herzog die Vorzüge Stellas in Erin-     27 Für die Teilübersetzung des Empfehlungsschreibens gilt der Dank an Walter
nerung zu bringen. Da der Herzog großes Interesse an        Ludwig.

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Über die Globen Stellas, die in Rostock 1553-1554 fer-          licher Liebe verbunden“ war.30 Weitere Gratulanten
tig gestellt wurden, gibt es noch weitere Quellen. 1554         waren Melanchthon und Jacob Bording (1511-1560).
heiratete Stella Helena Rothermund, die Tochter von             Das hohe Ansehen Stellas zu dieser Zeit ist aus dem
Balthasar Rothermund, der in Schwerin Konsul war.               Grund bemerkenswert, weil bis 1554 von ihm lediglich
Aus diesem Anlass verfasste Petrus Vicentius (1519-             die Palästinakarte und die Karte Mecklenburg erschie-
1581) eine Hochzeitsode, die 1554 auch im Druck er-             nen sind. Daher kann man annehmen, dass zu seinem
schien.28 Vicentius war ein Schüler von Melanchthon             großen Ansehen die Globen in hohem Maße beitrugen.
wie Stella selbst. Er war zu dieser Zeit Rektor des             Daraus kann man wiederum ableiten, dass diese Glo-
Katharineums in Lübeck. Einige Jahre später wurde er            ben keineswegs kleinformatig gewesen sein dürften.
zum Professor in Wittenberg berufen. In der Hochzeits-          Von der hohen Reputation Stellas zeugt auch die um-
ode führt Vicentius aus, dass Stella gerade im Norden           fangreiche Hochzeitsrede von David Chytraeus, die in
kartierte, gemeint ist die Mecklenburgkarte von 1552,           Wittenberg 1555 im Druck erschienen ist,31 und das bei
als sein Mäzen, der Herzog Johann Albrecht ihn auf-             dieser Rede mitabgedruckte Hochzeitsgedicht von
forderte, einen Erd- und einen Himmelsglobus zu an-             Johannes Vuillebrochio.32 Johann Willenbrock (1531-
fertigen. Stella ging gleich mit „talentierter Hand“ ans        1606) war ein Schüler von Melanchthon. Er verfasste
Werk, wobei „die Hand wetteiferte mit dem Kopf“. Als            mehrere Gedichte zu Hochzeiten und Todesfällen. Me-
er gerade das Sternbild der Zwillinge (Abb. 6) malte,           lanchthon ließ sein Gedicht zur Hochzeit von David
kam der Vater von Helena zu ihm und gab seine Ein-              Chytraeus unter dem Namen von Vuillebrochio (Wil-
willigung zur Vermählung seiner Tochter mit Stella.             lenbrock) veröffentlichen. Daher kann man annehmen,
Der Erdglobus wird von Vicentius nur beiläufig er-              dass Melanchthon den Inhalt dieses Gedichtes billigte
wähnt. Im Zentrum seiner Erörterungen steht der Him-            oder sogar mitbestimmte. In dem Hochzeitsgedicht
melsglobus, wobei konkrete Informationen über seine             wird ausgeführt, dass Stella nicht nur ein schöner, son-
Beschaffenheit nicht gegeben werden. Die Gründe für             dern ein kluger Mann war, der solche Werke schuf, die
die Hervorhebung kann man in den oben erwähnten as-             seinen Tod überleben werden. Zunächst wurden seine
tronomischen Interessen seiner Gönner und Freunde               astronomischen Kenntnisse gelobt. Die Bemerkung,
sehen sowie darin, dass der Himmelsglobus Anspie-               dass er die Sterne misst und Klimazonen bestimmt,
lungsmöglichkeiten auf den Namen von Stella geboten             könnte man als indirekten Hinweis auf die Globen deu-
hat.                                                            ten. Die Palästinakarte wird nur an zweiter Stelle rüh-
   Wie groß das Ansehen Stellas schon in dieser Zeit            mend erwähnt.
war, ist auch daraus ersichtlich, dass der Brautwerber
der Herzog Johann Albrecht war. Das Hochzeitspaar          28   Vgl. Vicentius, Petrus: Clarissimo viro…(Nicht paginiert.)
wurde neben dem Herzog von folgenden, wohl anwe-           29   Ebenda, S. 7.
                                                           30   Ebenda, S. 11.
senden Personen beglückwünscht: von Andreas Mylius         31   Vgl. Chytraeus, David: Oratio De Coniugio...
(1527-1594), von dem Ehemann Helenas Schwester             32   Vgl. Vuillebroch, Johannes: Epithalamion Script Clarissimo viro Tilemanno
und von David Chytraeus, mit dem Stella „in brüder-             Stellae Siginensis…

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Als Anhang wurde hier ein kurzes Gedicht von Georg
Fabricius (1516-1571) beigefügt. Auch Fabricius stu-
dierte in Wittenberg, aber vor der Studienzeit von
Stella. Fabricius war ein bedeutender Dichter, den Kai-
ser Maximilian II. auf dem Reichstag zu Speyer 1570
zum „poeta laureatus“ krönte. Fabricius äußert sich in
seinem Gedicht sehr lobend über die kartographische
Arbeit Stellas. In der dritten und letzten Strophe heißt
es, dass Stella die Erde und die Meere, aber auch die
„heimischen Berge“ (damit ist wohl eher Gegend ge-
meint) gut beschrieben hat. Fabricius konnte Informa-
tionen über die Werke Stellas auch durch Mylius
erhalten haben, denn Mylius war bei der Gründung der
Fürstenschule in Schwerin 1553 maßgebend beteiligt.
Vorbild dafür war die Fürstenschule in Meißen, wo Fa-
bricius wirkte. Demnach ist auch möglich, dass Fabri-
cius auf den Erdglobus Bezug genommen hat und nicht
nur auf die Palästinakarte und die Mecklenburgkarte.
   In der Fachliteratur war bisher nicht bekannt, dass        Abb. 6: Das Sternbild Zwillinge (GEMINI) mit den beiden Zwil-
                                                             lingsbrüdern CASTOR (links) und POLLUX (rechts) aus der grie-
Stella zu der Globuskartographie auch eine theoretische                                               chischen Mythologie.
Schrift verfasste. Leider ist seine handschriftlich ver-
fasste Studie nicht überliefert: „Tilemanni Stella expli-      er an den großen Globen arbeitete, einen handgezeich-
catio, et canones globi coelestis, terrestrisq[ue], ac         neten Globus August von Sachsen (1526-1586) über-
viatorij. in fol[io] minori, sine operculo [= ohne De-         reichte.33 Ob dieser Globus ein Himmelsglobus war
ckel] zusammen geheft, Sub signo (abnehmender                  und ob er schon vor 1553 fertiggestellt war, ist nicht
Mond) 56.“ In dem handschriftlichen Katalog der Bi-            mehr zu ermitteln, da der Globus in Dresden verloren
bliothek von Johann Albrecht, der im Jahre 1573 von            gegangen ist.34 Man kann daher diesen Globus nur mit
Samuel Fabricius zusammengestellt wurde, war diese             Vorbehalt den Vorarbeiten für die großen Globen von
Studie verzeichnet. Eine Suchaktion nach dieser Studie         1552/53 zuordnen.
blieb bedauerlicherweise erfolglos.                               Stella suchte schon früher Kontakt zum Dresdner
   Es ist anzunehmen, dass Stella sich nicht ohne Vor-         Hof. Seine erste Palästinakarte, von 1552, widmete er
arbeiten an die Anfertigung von so bedeutenden Glo-
ben herangewagt hat. Dafür liegen jedoch keine              33 Es ist möglich, dass es zwischen Stella und August von Sachsen im Sommer
                                                               1553 zu einer persönlichen Begegnung kam, da August in dieser Zeit dem
Quellen vor. Als einzigen Hinweis dafür könnte man             dänischen König einen Besuch abstattete.
gelten lassen, dass Stella schon 1553, in der Zeit, als     34 Vgl. Brichzin, Hans: Tilemann Stellas Beziehungen zu Sachsen…, S. 29.

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Kurfürst Moritz (1521-1553), dem Bruder von August.
Die Karte enthält auch eine Erläuterung von Melanch-
thon. Daher kann man annehmen, dass die Widmung
an den Herzog auf Anregung Melanchthons erfolgte.
Die zweite Palästinakarte von 1557 wurde Kurfürst Au-
gust gewidmet. Beide Karten enthielten eine Zeichnung
des kursächsischen Wappens. In der Widmung führte
Stella aus, dass die Beschäftigung mit der Geographie
und Astronomie zu den Pflichten der Fürsten gehöre.
Die diesbezüglichen Vorlieben von Kaiser Karl V.
wurden als Beispiel erwähnt. Stella kannte den Brief
von Mercator an Melanchthon und wusste also, dass
Mercator im Auftrage des Kaisers einen „kosmogra-
phischen Globus“ erstellte.35 Außerdem erfuhr Stella
sicherlich auch, dass Karl V. an der Erwerbung von
Karten und Globen sowie Vermessungsgeräten interes-
siert war. Weiterhin war Stella bekannt, dass auch der
Kurfürst August große Beachtung der Kartographie
und der Vermessung schenkte.36
   Es ist anzunehmen, dass der Weißenburger Him-
melsglobus eine verkleinerte Kopie des größeren hand-
gezeichneten Himmelsglobus ist. Wo die Segmente des
Weißenburger Globus gedruckt wurden, ist an dem
Globus nicht angegeben. Die Widmung an Kurfürst
August und die Wiedergabe des kurfürstlichen Wap-
pens in derselben Form wie in der zweiten Palästina-
karte 1557, die bei Johannes Crato (vermutlich
1530-1578) in Wittenberg gedruckt wurde, lassen den
Schluss zu, dass die Segmente des Weißenburger Him-
melsglobus ebenfalls bei Crato in Wittenberg gedruckt    Abb. 7: In der Weißenburger Ratsbibliothek sind Schriften aus der
wurden. Dieser war in Wittenberg seit 1549 als Drucker   Druckerei von Hans Krafft erhalten, wie z. B. diese Ausgabe von
tätig. Er war der bedeutendste Drucker in Wittenberg     Luthers Werken von 1556. Der Titelholzschnitt zeigt Kurfürst
                                                         Johann Friedrich und Martin Luther unter dem Kreuz kniend
in der Reformationszeit (Abb. 7). In seiner Druckerei    (Foto: Stadtarchiv Weißenburg i. Bay.).
wurden u. a. Schriften von Melanchthon und David         35 Vgl. Anmerkung 16.
Chytraeus gedruckt. Auch die Deutschlandkarte Stellas    36 Vgl. Dolz, Wolfram: Kurfürst August als Geodät und Kartograph…

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und die dazugehörenden Erläuterungen wurden 1560               hörte. Ab 1536 war er Ratsmitglied und wiederholt
hier zum Druck gebracht.37 Crato verwendete bei den            Bürgermeister.41 Er konnte durchaus als Adressat für
lateinischsprachigen Publikationen die latinisierte            den Globus fungieren. Sein Sohn Christoph studierte
Namensform, in den deutschsprachigen Publikationen             zunächst in Leipzig und ab 1545 in Wittenberg, sodass
verwendete er seine ursprüngliche Namensform:                  er Stella bereits aus seiner Studienzeit kannte. Nach
Johannes Krafft. Es lässt sich nicht ermitteln, welcher        dem Studium ging er nach Nürnberg, wo auch Helling
Formschneider die Handzeichnung Stellas zu dem                 und Baumgartner lebten. Hier war er Kantor, dann ab
Himmelsglobus in Holz geschnitten hat, da die Globus-          1562 Gerichtsschreiber. Schließlich trat er in den
segmente kein Formschneidermonogramm bzw. -signe               Dienst des Deutschen Ordens an der Komturei Kapfen-
enthalten.                                                     burg; dazu war der Übertritt zum Katholizismus erfor-
   Dafür, wie der Himmelsglobus nach Weißenburg                derlich.42
kam, sind im Stadtarchiv Weißenburg keine Quellen                 Tilemann Stella plante, nicht nur den Himmelsglo-
vorhanden.38 Um dafür wenigstens Hypothesen aufstel-           bus, sondern auch eine verkleinerte Kopie des Erdglo-
len zu können, wurde nach möglichen Verbindungen               bus im Druck herauszubringen. Davon zeugt sein
zwischen Weißenburg und Wittenberg gesucht. Zu-                Privilegsantrag beim Kaiser. 1560 erhielt Stella ein kai-
nächst wurde eine Verbindung über den aus Weißen-              serliches Privileg vor allem für seine geplante große
burg stammenden Willibald Ramsbeck (†1580)                     Karte der deutschen Länder, aber auch für seine Glo-
vermutet, da dieser ab 1549 in Wittenberg studierte und        ben.43 Das Privileg wurde von Peter H. Meurer im la-
ein Schüler von Melanchthon war. Er publizierte meh-           teinischen Original und in deutscher Übersetzung
rere Bücher in Wittenberg, z. B. auch im Jahre 1555.           publiziert. Auszug aus der Übersetzung: „Unser und
Er war 1560-1567 Pfarrer in Cham und kehrte 1570               des Heiligen Römischen Reiches treuer Untertan, der
nach Weißenburg zurück. In einem Brief von Melanch-            Mathematicus Tilemann Stella aus Siegen, hat uns
thon vom 20. August 1554 an den Rat der Stadt wurde
Ramsbeck lobend erwähnt.39                                37 Vgl. Stella, Tilemann: Kurzer und klarer Bericht…
   Einen weiteren Hinweis konnte man in der Korres-       38 Auskunft von Reiner Kammerl, Stadtarchiv Weißenburg.
pondenz Melanchthons finden. In einem Brief an Me-        39 Vgl. MBW…, Regestnummer: 7264.
                                                          40 Vgl. MBW…, Regestnummer: 7789. Hier wird der Name „Burer“ genannt.
lanchthon vom 18. April 1556 sprach Moritz Helling           Nach der Mitteilung von Reiner Kammerl gab es in Weißenburg keine Fa-
(1522-1595), Superintendent in Nürnberg, eine Emp-           milie mit diesem Namen, aber es gab hier einen Ratsherrn mit dem Namen
fehlung für den Weißenburger Christoph Biner aus, der        „Biner/Biener“, der auch zeitweilig Bürgermeister war. Die Leiterin der
                                                             Melanchthon-Forschungsstelle, Christine Mundhenk, prüfte die Schreib-
Sohn eines Weißenburger Ratsherrn war.40 Es ist quel-        weise in dem Originalbrief von Helling an Melanchthon und sie konnte fest-
lenmäßig belegt, dass Stella seine Werke in mehreren         stellen, dass der fehlende i-Punkt zu einer falschem Lesung führte.
Fällen den Räten solcher Städte überreichte, von denen    41 Vgl. Wulz, Gustav: Wilhelm Biener…
                                                          42 Der Bekanntheitsgrad Christoph Biners resultiert daraus, dass er der Vater
er eine Belohnung erwarten konnte. Christoph Biner
                                                             des oberösterreichischen Hofkanzlers Wilhelm Biener (1590-1651) war.
war der Sohn von Leonhard Biner (†1568), der zu den       43 Österreichisches Staatsarchiv, Wien: Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Bestand
einflussreichsten Männern in der Stadt Weißenburg ge-        Reichshofrat, Impressorien Bd. 69. fol. 4.

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untertänigst angezeigt, zum Nutzen der wissenschaft-          Wegen anderer Verpflichtungen oder vielleicht auch
lich tätigen Menschen eine Karte des gesamten                 aus finanziellen Gründen konnte Stella seine diesbe-
Deutschland und ebenso seiner Teilregionen mit histo-         züglichen Pläne nicht verwirklichen. Er reiste 1560 in
rischen Erläuterungen, die die Karten erklären, zu ver-       Begleitung von Johann Albrecht nach Wien und nutzte
öffentlichen; weiterhin je einen Globus des Himmels           diese Angelegenheit zur Erlangung des Privilegs.
und der Erde und einige andere Werke, darunter einen             Zu jener Zeit war Stella noch nicht am Schweriner
Kirchenkalender, eine in kunstvolle Form gebrachte            Hof eingestellt. Die Vielfalt seines vorwiegend privat
Geographie, eine gewöhnliche und eine kosmographi-            finanzierten Publikationsvorhabens lässt sich somit er-
sche Arithmetik, ein zusammenfassendes Buch zur Geo-          klären. In seiner Tätigkeit kam es erst dann zu einer
metrie mit neuen Problemstellungen, ein Meteoroskop           Wendung, als er 1561 vom Herzog eine lebenslange
zur Beobachtung aller sich bewegenden und festen Ge-          Anstellung bekam. Aus dem Antrag zu seiner Anstel-
stirne, ein Handbuch über Sonnenuhren sowie ein Buch          lung, der zugleich als Vertrag fungierte, ist ersichtlich,
über verschiedene, vorher nicht bekannte Methoden             welche Aufgabenbereiche vom Herzog für Stella vor-
und Instrumente zur Bestimmung der Gefälle von Ge-            gesehen waren. Er sollte in erster Linie als Mathema-
wässern. Da aber zu befürchten sei, daß derartige             tiker und als Geograph und außerdem auch als
Werke nach ihrer Veröffentlichung durch ihn selbst –          Bibliothekar tätig sein. Die Astronomie und die Globen
von anderen Kartographen und Buchhändlern nachge-             spielten keine Rolle mehr.45
druckt und verbreitet würden und er selbst so um den             Stellas erste Frau verstarb 1561. Er heiratete 1569
ihm gerechterweise zustehenden Ertrag und Gewinn              seine zweite Frau Anna Hoffmann, die Tochter des
betrogen würde, bat er uns untertänigst, dass wir ihm         Schweriner Hofpredigers. Aus diesem Anlass verfasste
durch Privileg und unseren Erlaß gegen dieses Unrecht         Nathan Chytraeus (1543-1598), der Bruder von David
schützen wollen.“ 44                                          Chytraeus, ein umfangreiches Hochzeitsgedicht in la-
   Hier ist zu vermerken, dass sich in die Abschrift des      teinischer Sprache.46 Nathan begann seine Studien an
handschriftlichen lateinischen Originals ein bedauerli-       der Rostocker Universität, hierher kehrte er 1564 dem
cher Fehler eingeschlichen hat. Das Wort „Calcogra-           Ruf des Herzogs von Mecklenburg-Güstrow, Ulrich III.
phis“ wurde als „Cartographis“ transkribiert. Die             (1527-1603), folgend als Professor zurück. In dem
Übersetzung musste daher an dieser Stelle richtig wie         Hochzeitsgedicht wird die Tätigkeit Stellas ausführlich
folgt lauten: „…von anderen Kupferstechern und Buch-          aufgelistet. Seine Globen, die 1554 noch hochgelobt
händlern nachgedruckt…“. Aus jenem Vermerk lässt              wurden, werden hier nicht ausdrücklich erwähnt. Ein
sich ableiten, dass Stella die Vervielfältigung seiner        Grund dafür könnte sein, dass die Globen sich nicht
künftigen Globen im Kupferstich plante und nicht mehr
mit Holzschnitt, so wie das bei dem Weißenburger Glo-
                                                           44 Peter H. Meurer: Corpus der älteren Germania-Karten…, S. 330.
bus der Fall war. Stella erkannte sicherlich, dass der     45 Der von Stella selbst geschriebene Antrag vom 3. Februar 1561 ist im Lan-
Kupferstich zum Druck von Himmelsgloben wesent-               desarchiv Schwerin vorhanden (Mss. Meckl. B 357).
lich besser geeignet ist als das Holzschnittverfahren.     46 Vgl. Chytraeus, Nathanus: Nuptiis Tilemanni Stellae…1579.

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                        Abb. 8: Das Sternbild „ARGO“ im südlichen Sternenhimmel. Es nimmt Bezug auf jenes sagenhafte Schiff
                     der antiken griechischen Sage, mit dem Jason und die ihn begleitenden Argonauten das Goldene Vlies holten.

mehr in Mecklenburg befanden. Ein weiterer Beleg                 las, dass es ihm gelang, „das abgerundete Himmelsge-
dafür ist eine von Stella 1566 angefertigte Skizze der           wölbe mittels Zahlen zu berechnen, und die Sterne
Bibliothek im Schweriner Schloss, in der die Globen              durch den Radius zu trennen und die Flächen der Erde
nicht erscheinen.47 Nathan Chytraeus, der erst 1555              mittels bestimmter Zeichen zu beschreiben“. 48 Dieses
nach Rostock kam, kannte die Globen scheinbar ledig-             Gedicht wurde zuerst 1567 zusammen mit dem Hoch-
lich aus Beschreibungen.                                      47 Vgl. Sander-Berke, Antje: Die erste herzogliche Bibliothek …, S. 104.
   Das Hochzeitsgedicht enthält lediglich eine sehr all-      48 Chytraeus, Nathanus: Nuptiis Tilemanni Stellae…1579, S. 90. Übersetzung
gemeine Anspielung auf die Globuskartographie Stel-              von Heike Voelker und Clauda Rieck, Handschrift, 1987.

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Gyula Pápay – Der Weißenburger Himmelglobus im Kontext der Globuskartographie von Tilemann Stella                          2/2018

zeitsgedicht von Husanus publiziert. Henricus Husanus         Stella ausstellen, in der die Kanalbauten präsentiert
(1536-1587) studierte in Wittenberg, dann war er Pro-         wurden.531583 war Stella in Straßburg mit einem Weg-
fessor in Jena und Rat bei Kurfürst August von Sach-          messegerät unterwegs.54 1585 besuchte Stella mögli-
sen. Johann Albrecht ernannte ihn 1567 zum Kanzler.           cherweise Mercator in Duisburg. Nachweisbar ist
Er bezeichnete Stella nicht mehr als Mathematiker und         jedoch nur sein Aufenthalt in Düsseldorf, wo er Reiner
Astronom, sondern lediglich als Mathematiker.49 Stel-         Solenander (1524-1601), der ein Freund und Arzt Mer-
las astronomische Kenntnisse und seine Globen wur-            cators war, besuchte.55
den nicht mehr besonders hervorgehoben.                          Zu Beginn der 1990er-Jahre fand der Dresdner Ar-
   Sein kaiserliches Privileg ließ Stella 1569 verlän-        chivar Hans Brichzin mehrere Briefe in der Handschrif-
gern. Der Antrag wurde höchstwahrscheinlich von               tenabteilung der Sächsischen Landesbibliothek, auf
David Chytraeus in Wien eingereicht, als er aufgrund          deren Grundlage die Tätigkeit Stellas für den fraglichen
der Einladung des Kaisers nach Wien reiste. Von dem           Zeitraum beinahe lückenlos ermittelt werden kann.56
Privileg 1569 ist lediglich der Entwurf erhalten geblie-      1584 schrieb Stella an den Kurfürsten, dass die Über-
ben.50 Auch hier wurden die Globen erwähnt, gleich-           setzung einer lateinsprachigen Abhandlung, die er dem
lautend mit dem vorherigen Privileg: „…nencon                 Kurfürsten schon 1582 versprochen hatte, erst jetzt
globum tam coelestem quam terrestrem…“ 51                     fertig geworden ist.57 Er entschuldigte die verspätete
   Die Abschrift des Anschreibens von Herzog Johann           Zusendung damit, dass „vielfältige“ Reisen und
Albrecht zu der Verlängerung des Privilegs ist ebenfalls
erhalten geblieben. Sie ist im Landeshauptarchiv           49 Vgl. Husanus, Henricus: Epithalamion in Nuptias M. Tilemanni Stellae…
                                                           50 Österreichisches Staatsarchiv, Wien: Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Bestand
Schwerin vorhanden.52 Merkwürdigerweise sind die
                                                              Reichshofrat, Impressorien Bd. 69. fol. 1 und 7.
Globen in dem Antrag nicht erwähnt, obwohl anzuneh-        51 Peter H. Meurer: Corpus der älteren Germania-Karten…, S. 331.
men ist, dass die Formulierung des Antrags von Stella      52 Abgedruckt u. a. in: Peter H. Meurer: Corpus der älteren Germania-Karten…,
selbst vorgenommen wurde. Die Globuskartographie              S. 330-331.Vgl. auch Pápay, Gyula: Ein berühmter Kartograph des 16. Jahr-
                                                              hunderts…
hat Stella in dieser Zeit scheinbar längst aufgegeben,     53 Vgl. Glöckle, Albrecht Friedrich Wilhelm: Die Reichstags-Fahrt des Herzogs
er wollte sich auf sein Monumentalvorhaben konzen-            Ulrich von Meklenburg …, S. 187.
trieren, auf die Kartierung sämtlicher deutscher Länder.   54 Straßburger Ratsprotokoll, Handschrift XXI, Samstag den 2. Marty 1583.
                                                           55 Ein Exemplar von dem „Methodus quae in Chorographica et Historica to-
Seine dienstlichen Aufgaben ließen das jedoch zumin-          tius Germaniae descriptione observatibur“ enthält eine am 8. Mai 1585 ver-
dest bis 1582 nicht zu.                                       fasste Widmung von Stella an Solenander. Senden-Bösensell: Von und zur
   Es erhebt sich die Frage, ob sich Stella ab 1582 wie-      Mühlen’sche Bibliothek / Nünning. Signatur: PC 0110.
                                                           56 Vgl. Brichzin, Hans: Tilemann Stellas…1990 und Brichzin, Hans: Der Kar-
der der Globuskartographie zuwandte. Über die Tätig-          tograph Tilemann Stella…1993.
keit Stellas in der Zeit von 1582 bis 1589 lagen bis vor   57 Es handelt sich hier um die Studie Stellas „… von dem abwegen der höhen
wenigen Jahren lediglich fragmentarische Kenntnisse           und niederungen in gebirgen und wässern und dem gebrauch der triangulo-
                                                              rum“, 1584. Diese Studie, die als verschollen galt und daher in der Fach-
vor. Im Sommer 1582 reiste er zum Reichstag nach              literatur noch nicht ausgewertet wurde, befindet sich in der Sächsischen
Augsburg, wo er sich mehrere Wochen lang aufhielt.            Landesbibliothek. Vgl. Brichzin, Hans: Der Kartograph Tilemann Stella…
Herzog Ulrich ließ hier eine ihm gewidmete Karte von          1993, S. 224.

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