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T E S T S TA N D L A U T S P R E C H E R

     Welt-
formel
         gefunden
           Roland Gauder ist Physiker und Mathematik seine
         Leidenschaft – weil sie ihm hilft, seine Lautsprecher
         zu perfektionieren. Das jüngste Beispiel, die Arcona
          100 MK2, soll durch einen neuen mathematischen
                Ansatz in der Frequenzweiche weit über ihre
                                  Preisklasse hinaus spielen...

                                                       Michael Lang

                         D
                                  ie HiFi-Welt kennt viele Ingenieure
                                  und einige Autodidakten, ein Dok-
                                  tortitel bei den Firmenchefs oder
                          Entwicklungsabteilungen ist allerdings eher
                          die Ausnahme. Kein Wunder also, dass Dr.
                          Roland Gauder, Gründer, Inhaber und Ent-
                          wicklungsleiter bei Gauder Akustik in Per-
                          sonalunion, in der Branche respektvoll „Der
                          Doktor“ genannt wird.
                             Seit rund 30 Jahren entwickelt der
                          Rechenkünstler nun Lautsprecher, Konst-
                          ruktionen wie die berühmte Isophon Vertigo
                          brachten ihm internationale Reputation.
                             Doch seinen frühen Schöpfungen haftet
                          der Ruf an, Verstärker an den Rand ihrer
                          Leistungsfähigkeit oder auch darüber hin-
                          aus zu treiben. Eine (Un)-Tugend, mit der
                          die in den vergangenen Jahren entstandenen
                          Lautsprecher rein gar nichts mehr zu tun
                          haben, denn diese sind sowohl vom Wir-
                          kungsgrad als auch ihrem Impedanzverlauf

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nach unkritisch und verstärkerfreundlich.       der AMT-Tweeter, aber, so der Entwickler,
Blickt man auf die Arcona, kommt man            in messtechnischer und musikalischer Hin-
nicht umhin, auch die Wohnraumfreund-           sicht so eindeutig überlegen, dass man sich
lichkeit der aktuellen Kreation in ihrem        entschloss, das Thema AMT zu beenden
schlanken, sich nach hinten verjüngenden        und selbst im kleinsten Arcona-Modell, der
und wahlweise in weißem oder schwarzem          Kompaktbox Arcona 40, die mit 3000 Euro
Klavierlack glänzenden Gehäuse lobend zu        Paarpreis zu Buche schlägt, den kostspieli-
erwähnen – erst recht, wenn man einen Blick     gen, völlig neu entwickelten Accuton-Treiber
auf die damalige Optik wirft. Dass bei der      einzusetzen. Damit dürfte es Gauder gelun-
tropfenförmigen Gestaltung die Steifigkeit      gen sein, diese Technik preislich so günstig
des Gehäuses nicht leiden darf, versteht sich   wie niemand sonst serienmäßig einzusetzen.
von selbst. Auch hier hat die Arcona MK2        Die drei anderen Chassis sind von Gauder
gegenüber dem Vorgänger nochmals zuge-          entwickelte Alu-Chassis mit Kunststoffbe-
legt und darf sich zu den resonanzärmsten       schichtung. Der Mitteltöner mit besonders
Boxen des Marktes mit MDF-Gehäusen zäh-         kräftigem Antrieb und einem extrem guten       KRAFTVOLL
len, mit getrennten Kammern für Bass, Mit-      Verhältnis von Masse zu Steifigkeit, wäh-      Reichlich Neody-
ten und Hochtöner und selektiv eingesetzten     rend die beiden 17er-Bässe etwas steifer,      mium treibt die
                                                                                               Membran des Mit-
Versteifungen.                                  aber auch schwerer sind und durch eine nach    teltöners kraftvoll zur
                                                unten abstrahlende Reflexöffnung unterstützt   Höchstleistung an.
Eine Weiche wie keine andere                    werden.
Die Frequenzweichen, drei an der Zahl und
damit für jeden Frequenzbereich getrennt,       Keramik bezahlbar gemacht
sind dem Blick normalerweise entzogen,          Die Weiche arbeitet mit der bei Gauder mitt-
stellen aber die materialisierten Ergebnisse    lerweile üblichen, extremen Flankensteilheit
gauderscher Rechenkunst dar – und damit         von rund 50 dB, was zu exzellenter Impuls-
letztlich das Herz einer klanglichen Abstim-    verarbeitung und einer Schallabstrahlung
mung, die in ihrer Homogenität, ihren dyna-     führt, die einer Punktschallquelle sehr nahe
mischen Fähigkeiten und ihrer körperhaften      kommt, da die Chassis sich in ihren Arbeits-
plastischen Abbildung für staunende Gesich-     bereichen nur noch im Bereich von ca. 1/8
ter in der Redaktion während der ersten         Oktave überschneiden, statt der bei üblichen
Stunden der Beschäftigung mit dieser Box        Weichenkonstruktionen normalen drei Okta-
sorgten, wie wir später noch ausführlich        ven. Auch etwaig verbliebene Resonanzen
sehen werden.                                                                                  Die Arcona
   Ein beliebter Diskussionspunkt bei Ent-
wicklern wie Hörern ist immer wieder die                                                       zeigt sich als
Frage, wie sich ein Klangbild aufbaut. Aus
Großbritannien stammt die These, dass man
                                                                                               Könner auf
mit den Mitten anfängt und dann nach oben                                                      allen Ebenen
und unten ergänzt, während es in Amerika
mehrheitlich den Ansatz gibt, ein Klangbild
aus den Tiefen heraus aufzubauen. Gauders
Erfahrungen sind andere, und konsequenter-
weise ist an diesem Punkt auch die klarste
optische Unterscheidbarkeit der Arcona
MK2 zur ersten Serie zu entdecken.
   Hatten bisherige Arconas einen Air
Motion Transformer für die Wiedergabe
hoher und höchster Frequenzen an Bord,
entschloss sich Gauder, dem Nachfolger
konsequent den nach seiner Überzeugung
besten, aber eigentlich fast unbezahlbaren
Hochtöner zu spendieren: die Accuton-Kera-      Edles WBT-Nextgen-Single-Wiring-Terminal und
mik-Inverskalotte. Dramatisch teurer als        die Steckbrücke der Bass-Extension

                                                                                                           4/2020 51
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                             der Chassis würden so effektiv beseitigt, wie   der Bursche hat reichlich Leistung, und auch
                             der Schwabe erklärt. Deren symmetrischer,       das Thema Kontrolle des Lautsprechers darf
                             steilflankiger Aufbau macht den Verstärkern     man mit ihm getrost als gelöst betrachten.
                             das Leben übrigens auch leichter als klas-      Leichter, aber keinesfalls flacher Jazz war
                             sische Weichenkonzepte. Getrennt werden         geboten, als Charly Byrd mit seinem Trio im
                             die Arbeitsbereiche bei 130 und 3400 Hertz,     Mai 1963 zu Gast im Village Gate in New
                             verdrahtet ist das Ganze mit hochwertigen,      York war. So knackig und anspringend, wie
                             neu entwickelten Kabeln von Clearwater,         die Künstler ihren Vortrag hier präsentier-
                             die Weichenbauteile stammen von IT und          ten, bekommt man ihn nur ganz selten zu
                             Mundorf. Damit auch Verstärker, die wenig       hören. Das war eine Darbeitung, die man
                             Strom liefern können, wie z. B. Röhrenver-      auch in ungemütlicheren Preisklassen so
    DAMIT HABEN              stärker, mit den Gauders harmonieren, gibt      nur selten erlebt: Byrds Gitarrenklang ext-
     WIR GEHÖRT              es eine Steckbrücke, die den Bass früher        rem dynamisch, dabei völlig schlackefrei,
              Nirvana:       langsam nach unten hin auslaufen lässt, die     durchtrainiert, mit faszinierender Leichtig-
            Unplugged        Impedanz nahezu verdoppelt und so dafür         keit und doch in jedem Augenblick kontrol-
                             sorgt, dass der Bedarf an die Stromliefer-      liert geführt – die Bühnenabbildung eine
                             fähigkeit des Verstärkers deutlich reduziert    leichte Fingerübung, der präzise Fokus auf
                             wird.                                           jedes Instrument ein lässig erledigter Neben-
                                Die Voraussetzungen zur Erfüllung            job. Bis es so weit war, waren wir allerdings
                             für die von Dr. Gauder an seine neue Box        froh, über eine großzügige Auswahl unter-
                             gestellten Anforderungen – tonale Neutrali-     schiedlicher Kabel verfügen zu können, denn
                             tät, sauberes Impulsverhalten und damit ein-    dieses Präzisionswerkzeug aus Gauders Ent-
           Voller Energie    hergehend eine sehr echte räumliche Darstel-    wicklungszentrum mit seiner Präzision und
     spielen Kurt Cobain
     und seine Band hier
                             lung, Detailtreue sowie große dynamische        seinem famosen Gespür für das musikali-
       immer noch maß-       Fähigkeiten – scheinen damit erfüllt zu sein,   sche Ganze entlarvte Klangtendenzen bei
            stabsetzend.     was die Vorfreude auf ausgedehnte Hörsit-       diversen Drähten ziemlich unbarmherzig –
                             zungen mit der wohlproporti-                         ebenso wie die Schlüssigkeit der Darbie-
               Puccini:
                             onierten und prefekt verarbei-                                 tung sich unmittelbar einstellte,
            La Bohème
                             teten Schönheit steigen lässt.                                   als wir mit NF-Kabeln von
                                                                                              Cardas, Lautsprecherseitigen
                             Wieselflink                                                      HMS - und netzseitig Audio-
                             Das Feuerwerk, das die                                           quest-Kabeln das Klangbild
                             Arcona in ihrer aktuellen                                        unmittelbar einrasten hören
                             Entwicklungsstufe dann in                                        konnten.
                             unserem Hörraum abfeuerte,
    Stimmwunder Moffo        stand der optischen Erschei-                                    Ehrliche Haut
           und der berau-    nung wie unserer Erwartungs-                                    Im nächsten Durchgang wid-
     schende Sound von       haltung dann auch nicht im                                      meten wir uns der legendären
       Living Stereo – ein
    Genuss, nicht nur für
                             Geringsten nach. Allerdings,                                    „Unplugged“-Einspielung von
               Opernfans.    das sei nicht verschwiegen,                                     Nirvana. Als es „Come As
                             erwies sich die schöne Schwä-                                   You Are“ hieß, ließ sich die
                             bin ganz gewiss nicht als                                       Arcona nicht lange bitten –
                             Kostverächterin. Sie freute                                     und wie sie „da“ war. Schlag-
                             sich nicht nur über ein sorg-                                   zeug und Bass treibend, eine
                             fältig zusammengestelltes                                       Energie, die tatsächlich einen
                             Umfeld, sondern zeigte sich                                     glaubhaften Eindruck vom
                             auch im Labor bei der Mes-                                      damaligen Geschehen und
                             sung des Leistungsbedarfs
                             eine Ecke weniger genüg-
                             sam als versprochen. Was                                        Die Zeichnung des
                             mit dem von uns letztlich als                                   Schnittmodells zeigt die
                             Spielpartner ausgewählten                                       Aufteilung der Weichen und die
                             Audionet-WATT-Vollverstär-                                      Verstrebungen an kritischen
                             ker kein Problem war, denn                                      Gehäusestellen.

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der Faszination des Publikums zu vermit-            Gauder Akustik
teln verstand. Das war atmosphärisch ext-           Arcona 100 MK2
rem dicht, hatte auch tonal einen bruchlo-          Preis: ab 8000 € (in Hochglanz schwarz oder
sen und dadurch packenden musikalischen             weiss erhältlich; Spike Extender: 400€/Paar)
Fluss, dass es nur mit Mühe und kurzfristig         Maße: 31 x116 x41 cm (BxHxT)
gelang, die Füße stillzuhalten. Die Aufnah-         Garantie: 10 Jahre
mesituation mit dem neugierigen, dann aber          Kontakt: Gauder Akustik
                                                    Tel.: +49 (0)7159-920161
im Handumdrehen faszinierten Auditorium             www.gauderakustik.com
ließ sich spektakulär gut nachvollziehen,
Cobains stimmliche Eigenheiten wurden voll          Unfassbar dynamisch, feinauflösend, aber
                                                    trotzdem kein audiophiler Erbsenzähler, begeis-
zur Geltung gebracht. Stimmen: In Puccinis
                                                    tert die Arcona bei allen Arten von Musik. Ein
„La Bohème“ singt Anna Moffo als Mimi in            Highlight nicht nur in ihrer Preisklasse.
der hinreißenden Living-Stereo-Aufnahme
                                                    Messergebnisse
von 1961 derart hinreißend und leidenschaft-
lich, dass es einem das Herz zerreißen kann.
Darüber hinaus bietet die Aufnahme eine
unfassbar echt wirkende Bühnenabbildung
und dynamische Wechsel, die auch heute
noch staunen machen. Die Bewegungen der
Akteure auf der Bühne, der Schmelz der
Darbietung, die Leichtigkeit selbst bei tiefen
Tönen und in komplexen Passagen – mitrei-
ßend. Wenn man auf der Suche nach Schwä-
chen ist, muss man sehr tiefe Frequenzen                                                                    TEST-GERÄTE
mit sehr hohen Pegeln fahren, um den Bass                                                                   Plattenspieler:
aufweichen zu lassen und die Membranen                                                                      MoFi UltraDeck+M;
mechanisch in ihren Grenzbereich zu brin-                                                                   Transrotor Rondino
                                                                                                            CD-Spieler:
gen. Ansonsten glänzt die Box durch ihre
                                                                                                            T+A MP 3100
souveräne Art der Wiedergabe, ihr Gefühl                                                                    Vollverstärker:
für subtilste Feinheiten und ihr Gespür,                                                                    Soulution 330;
tonal geringe Unterschiede unzweifelhaft                                                                    Audionet Watt
                                                    DC-Widerstand                                 4 Ohm    Lautsprecher:
darzustellen und in der Links-rechts- wie
                                                    Minimale Impedanz                   3 Ohm bei 40 Hz    Vienna Beethoven
Vorn-hinten-Ortung dicht beieinander posi-                                                                  Baby Grand; Dali
                                                    Maximale Impedanz                11 Ohm bei 3000 Hz
tionierte Musiker und Instrumente klar zu                                                                   Epicon 6
                                                    Kennschalldruck (2,83 V/m)                81 dBSPL
trennen. Weltformel gefunden? Noch nicht                                                                    Kabel:
                                                    Leistung für 94 dBSPL                          28 W    Cardas; HMS;
ganz, aber ganz dicht dran.■                        Untere Grenzfrequenz (-3dBSPL)                 30 Hz   Audioquest
                                                    Klirrfaktor bei 63/3k/10k Hz         0,6/0,1/0,06 %
                                                    Labor-Kommentar
                                                    Mäßige Impulsantwort, sehr niedrige Verzer-
                                                    rungen; noch ausgewogener Frequenzgang,
                                                    der sehr tief hinabreicht; Wirkungsgrad
                                                    mäßig; Impedanz in Standardeinstellung im
                                                    Bassbereich niedrig
                                                    Ausstattung
                                                    3-Wege Bassreflex; WBT-Nextgen-Single
                                                    Wiring-Anschlussbuchsen; Bass Extension
                                                    steckbar; Bespannungen auf Wunsch ohne
                                                    Aufpreis lieferbar; Spikes und Unterlegschei-
                                                    ben; Ausleger gegen 400 € Aufpreis lieferbar

                                                      KLANG-NIVEAU                              91%
                                                                  PREIS/LEISTUNG
Für jeden Frequenzbereich hat die Gauder eine
eigene Weiche. Trotz extrem steilflankiger Filter                ★★★★★
reichen wenige Bauteile bester Qualität.                             ÜBERRAGEND

                                                                                                                      4/2020 53
                      ü
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