WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?! - Diversity Management & Internationalität - Charta der Vielfalt

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WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?! - Diversity Management & Internationalität - Charta der Vielfalt
WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?!
 Diversity Management & Internationalität
WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?! - Diversity Management & Internationalität - Charta der Vielfalt
Impressum

Herausgeber
Charta der Vielfalt e. V., Albrechtstraße 22, 10117 Berlin
www.charta-der-vielfalt.de

Das Online-Dossier wurde veröffentlicht auf www.charta-der-vielfalt.de
im September 2013.

Konzept und externe Redaktion
Andreas Merx
Das Dossier wurde von Andreas Merx konzipiert und bearbeitet. Andreas
Merx ist Politik- und Organisationsberater mit den Themenschwerpunkten
Diversity, Chancengleichheit und Integration. Seit 2005 ist er Inhaber des
Berliner Beratungsunternehmens pro diversity.

Redaktionelle Mitarbeit und Textkorrektur
Sibel Kara (pro diversity, Berlin)

Redaktion Charta der Vielfalt e. V.
Kerstin Tote

V.i.S.d.P.
Kerstin Tote, Referentin in der Geschäftsstelle des Charta der Vielfalt e. V.

Layout/Satz/Titelbild
www.bernauer-design.de, Düsseldorf

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WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?! - Diversity Management & Internationalität - Charta der Vielfalt
Editorial
       Aletta Gräfin von Hardenberg                                                            Seite 5

A     Stand und Perspektiven                                                                   Seite 7

    1. Dr. Jan Schneider und Martin Weinmann
       Internationalisierung durch Migration. Entwicklungen und Perspektiven
       für den Arbeitsmarkt in der deutschen Einwanderungsgesellschaft                         Seite 8

    2. Prof. Dr. Maria Böhmer
       Internationalität und Vielfalt, als Chance für Wirtschaft und Gesellschaft             Seite 17

    3. Dr. Hans Dietrich von Loeffelholz
       Wirtschaftliche Chancen und Erfordernisse der Internationalisierung des
       Arbeitsmarkts durch Migration und Integration ausländischer Fach- und Führungskräfte   Seite 19

    4. Dr. Thomas Liebig
       Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte nach Deutschland –
       Bestandsaufnahme und Reformbedarf                                                      Seite 23

    5. Prof. Dr. Marion Festing
       Die Entwicklung von interkultureller Kompetenz und Global Leadership
       durch Internationales Personalmanagement                                               Seite 28

B     Internationalität und Vielfalt in der Unternehmenspraxis                                Seite 33

    1. Danja Frech
       Internationalität und Diversity Management innerhalb der adidas Gruppe                 Seite 34

    2. Ursula Schwarzenbart
       Internationales Personalrecruiting bei Daimler                                         Seite 38

    3. Angela Josephs
       Internationales Personalmanagement und Diversity bei einem Weltmarktführer             Seite 42

    4. Kai Teckentrup
       Diversity Management im Mittelstand – am Beispiel der Teckentrup GmbH & Co. KG, Verl   Seite 45

    5. Silvia Necker
       Internationale Fachkräfte erfolgreich betrieblich integrieren                          Seite 48

    6. Dr. Dieter Hundt
       „Wir brauchen einen Mentalitätswechsel und müssen für internationale
       Fachkräfte noch wesentlich attraktiver werden“                                         Seite 52

                                                                                                    3
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C     Internationalität und Vielfalt im öffentlichen
      und Pflegebereich                                                                                           Seite 55

    1. Hartmut Stiffel
       Diversity Management als Aufgabe und Chance innerhalb der Bundeswehr                                       Seite 56

    2. Dr. Nargess Eskandari-Grünberg
       Stadt der Vielfalt. Internationalität und Diversity Management in der Stadt Frankfurt am Main              Seite 58

    3. Fernando Angel Cubillos
       Pflege in einer internationalen und transkulturellen Gesellschaft                                          Seite 62

D     Instrumente und Angebote                                                                                    Seite 65

    1. Prof. Dr. Swetlana Franken
       Möglichkeiten der betrieblichen Nutzung und Gestaltung der Potenziale internationaler Mitarbeiter/-innen   Seite 66

    2. Patrick Großheim, Marlies Kuchenbecker und Dr. Mandy Pastohr
       Interkulturelle Qualifizierung für international tätiges Fach- und Führungspersonal                        Seite 70

    3. Falk Arians, Ariane Baderschneider und Dr. Ottmar Döring
       Das Potenzial von Fachkräften mit ausländischen Qualifikationen nutzen –
       Neue Möglichkeiten durch das Anerkennungsgesetz                                                            Seite 74

    4. Yvonne Szukitsch
       Willkommens- und Anerkennungskultur. Hintergrund, Ansatzpunkte und
       Informationsmaterialien für Unternehmen                                                                    Seite 80

    5. Otto Kentzler
       „Wir sind schon gut aufgestellt, jetzt müssen wir bewusst für eine neue Willkommenskultur eintreten“       Seite 84

                                                                                                                        4
WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?! - Diversity Management & Internationalität - Charta der Vielfalt
Liebe Leserinnen und Leser,

Deutschland ist eine vielfältige, „bunte“ und internationale Re-
publik geworden. Dieser Trend zur Internationalität und Diver-
sity in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen
wird sich noch weiter verstärken. Das ist bedingt durch die glo-       Aletta Gräfin
balen Entwicklungen, die zunehmende weltwirtschaftliche Ver-           von Hardenberg
flechtung, den gewachsenen EU-Binnenmarkt, demografische
Veränderungen, Arbeitsmigration und den zunehmenden An-                Geschäftsführerin des Vereins „Charta der Vielfalt e. V.“
teil von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund. Im
21. Jahrhundert wird das Handeln von Unternehmen und Insti-
tutionen daher nach außen wie nach innen von einer Zunahme
internationaler und interkultureller Kontakte, der Zusammenar-
beit in interkulturellen Kontexten sowie immer stärker interna-      dringend benötigten Fachkräfte aus dem Ausland für sich zu ge-
tionalisierten Zusammenhängen geprägt sein. Das betrifft nicht       winnen. Weiterhin kommen verhältnismäßig wenige Fachkräfte
nur Konzerne, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen,          aus Nicht-EU-Ländern. Deutschland gilt hier weiterhin als we-
öffentliche Verwaltungen und Einrichtungen sowie Vereine,            nig attraktiv, eine echte Willkommens- und Anerkennungskultur
Verbände und Stiftungen. Aber gehen wir mit den Chancen              muss erst noch entwickelt werden. Während die meisten Groß-
und Herausforderungen durch Internationalität und Vielfalt für       unternehmen und viele innovative KMU erfolgreich ein inter-
Wirtschaft und Gesellschaft heute schon zukunftsfähig um?            nationales Personalmanagement betreiben, sich interkulturell
                                                                     öffnen und die interkulturelle Kompetenzen ihrer Beschäftigten
Lassen Sie mich die Dimensionen „ethnische Herkunft und              fördern, tun sich andere noch schwer, mit neuen Personalstra-
Nationalität“ kurz beleuchten: Für Deutschland wäre nach Be-         tegien gezielt auf Arbeitnehmer/-innen mit Migrationshinter-
rechnungen der Arbeitsmarktforscher/-innen des Instituts für         grund oder aus dem Ausland zuzugehen.
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) eine jährliche Net-
tozuwanderung von 400.000 Personen notwendig, um das Er-             Wer zukünftig nicht erfolgreich mit Vielfalt und Internationa-
werbspersonenpotential annähernd konstant zu halten. Gleich-         lität umgehen kann, wird selbst nicht mehr zukunftsfähig sein,
zeitig gilt es, die stetig wachsende Anzahl an Arbeitnehmern         davon bin ich überzeugt! Hier liegen viele wirtschaftliche und
und Arbeitnehmerinnen mit Migrationshintergrund deutlich             gesellschaftliche Chancen für Unternehmen und Institutionen,
besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren als bisher. Hier liegen    die es zu nutzen gilt. Ein internationales und interkulturelles
viele Potentiale, die in der Vergangenheit zu wenig gefördert,       Personalmanagement erhöht nicht nur die Attraktivität als
erschlossen und genutzt wurden.                                      Arbeitgeber. Angesichts zunehmend internationalisierter und
                                                                     interkultureller Absatzmärkte sowie Kundinnen und Kunden
Auf der politisch-rechtlichen Ebene hat es in den letzten Jah-       können internationale und interkulturelle Teams zu einer
ren viele positive Veränderungen gegeben. Es hat ein grund-          Erhöhung von Kreativität und Innovationsfähigkeit bei Pro-
legender Paradigmenwechsel in der Einwanderungs- und In-             blemlösungen oder Produktentwicklungen beitragen und so
tegrationspolitik stattgefunden: weg von einer überholten            die Kundenorientierung verbessern. Der kompetente interne
Abschottungskultur und Problemorientierung, hin zu einer po-         Umgang mit einer Vielfalt an Sprachen, Kulturen, Werten und
tentialorientierten vorausschauenden Einwanderungs- und In-          Arbeitsstilen ist oft die wichtigste Voraussetzung, um auch
tegrationspolitik, die in Vielfalt und Internationalität vor allem   nach außen sicher und erfolgreich in länderübergreifenden
gesellschaftliche und wirtschaftliche Chancen sieht. Insbeson-       Kooperationen handeln zu können. Zahlreiche Studien belegen
dere im Bereich der Arbeitsmigration wurden viele rechtliche         weiterhin, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen
Schritte der Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für inter-          hohen Innovations- und Wachstumsraten und kreativen, Wirt-
nationale Arbeits- und Fachkräfte umgesetzt, etwa durch die          schaftsstandorten gibt, die von Chancengleichheit, Internatio-
Blaue Karte EU oder das Anerkennungsgesetz. Die OECD be-             nalität und Weltoffenheit geprägt sind.
scheinigt Deutschland mittlerweile sogar eine der offensten
und einfachsten Einwanderungsregelungen zu haben. In den             Die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt, als öffentliche
letzten drei Jahren konnten auch erstmals seit längerer Zeit         Selbstverpflichtung zur Wertschätzung und Förderung von
wieder Einwanderungsgewinne vor allem aus osteuropäischen            Chancengleichheit und Vielfalt kann ein wichtiger Schritt sein,
und südlichen EU-Ländern erzielt werden.                             Internationalität und Vielfalt in der eigenen Organisation weiter
                                                                     voranzubringen. Mit unserem Leitfaden „Vielfalt zeigen“ für Un-
In vielen Unternehmen der traditionell sehr exportorientierten       terzeichner/-innen, unseren Tagungen, Workshops, Publikationen
deutschen Wirtschaft sind Vielfalt und Internationalität schon       und vielen weiteren Aktivitäten und Angeboten, möchten wir Sie
lange Zeit Normalität. Viele, insbesondere aus dem Bereich der       weiterhin auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Gestaltung von
KMU, sind allerdings noch zögerlich, wenn es darum geht, die         Internationalität und Vielfalt begleiten und unterstützen.

                                                                                                                                    5
WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?! - Diversity Management & Internationalität - Charta der Vielfalt
Das Dossier „Weltoffen = Zukunftsfähig?! Diversity Manage-        Mein herzlicher Dank gilt insbesondere den Autorinnen und Au-
ment und Internationalität“ ist ein weiterer Beitrag dazu. Mit    toren sowie Interviewpartnern, die ihr Wissen, Erfahrung und
einer breiten Palette unterschiedlicher Beiträge von Autorinnen   viel Zeit eingebracht haben, um dieses Dossier zu ermöglichen
und Autoren aus Wirtschaft, Unternehmen, Politik, Verwaltung,     und zu einer für Sie hoffentlich wertvollen Quelle mit vielen
Wissenschaft, Verbänden und Beratung werden aus verschiede-       Impulsen für den eigenen Alltag zu machen.
nen Blickwinkeln Chancen und Herausforderungen der gewach-
senen Internationalität und Vielfalt in Deutschland betrachtet.
Mit zahlreichen ausgewählten Beispielen guter und erfolgrei-      Eine informative und anregende Lektüre wünscht Ihnen
cher Praxis in Unternehmen, öffentlichem und Pflegebereich        Ihre
und in einem Servicekapitel werden eine ganze Bandbreite
nützlicher Informationen und praxiserprobter Instrumente und
Strategien zur je eigenen positiven Gestaltung vorgestellt.

                                                                                                                             6
WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?! - Diversity Management & Internationalität - Charta der Vielfalt
WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?!
 Diversity Management & Internationalität

                 Stand und Perspektiven

                 Die Belegschaften in vielen Unternehmen und Institutionen so-
                 wie der Arbeitsmarkt insgesamt sind in den letzten Jahren sicht-
                 bar „bunter“ und internationaler geworden. Dazu haben vor
                 allem die Globalisierung, europäische Integration, Einwande-
                 rungs- und Integrationsprozesse, der demografische Wandel und
                 gesellschaftliche Veränderungen beigetragen. Nicht zuletzt aber
                 auch die vielen politischen und rechtlichen Schritte, die wichtige
                 Voraussetzungen und Treiber einer weiteren Öffnung und Inter-
                 nationalisierung des Arbeitsmarkts und der Gesellschaft gewor-
                 den sind. Die damit verbundenen Chancen werden zunehmend
                 erkannt und erschlossen, viele Arbeitgeber/-innen sehen inter-
                 kulturelle Kompetenz und ein sicheres Agieren in internationa-
                 lisierten Zusammenhängen inzwischen als Kernqualifikationen
                 ihrer Beschäftigten. Die in diesem Kapitel versammelten Beiträ-
                 ge beleuchten und analysieren diesen Wandel zu mehr Interna-
                 tionalität und Vielfalt aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Sie
                 wurden von Autorinnen und Autoren des Sachverständigenrats
                 deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), des
                 Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), der Orga-
                 nisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
                 (OECD), der ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin sowie
                 der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge
                 und Integration, Prof. Dr. Maria Böhmer, verfasst.

                                                                                 7
WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?! - Diversity Management & Internationalität - Charta der Vielfalt
Dr. Jan Schneider                                                    Martin Weinmann

   Dr. Jan Schneider leitet den Forschungsbereich beim                  Martin Weinmann ist Politikwissenschaftler und wissen-
   Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integrati-              schaftlicher Mitarbeiter der Stabsstelle Jahresgutach-
   on und Migration (SVR). Er promovierte am Institut für               ten des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für
   Politikwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen             Integration und Migration (SVR). Zuvor war er als wis-
   über Beratungsprozesse in der deutschen Migrationspo-                senschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe des
   litik und arbeitete zuvor u.a. für die Bundeszentrale für            Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) tätig.
   politische Bildung, das Hamburgische WeltWirtschaftsIn-              Seine Forschungsschwerpunkte sind Einbürgerung und
   stitut (HWWI), das Kulturwissenschaftliche Institut Essen            Optionspflicht sowie politische Partizipation in der Ein-
   sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundes-                wanderungsgesellschaft.
   amt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Dr. Jan Schneider und Martin Weinmann                                 vor. Im zweiten Teil werden aktuelle Szenarien zum Fachkräf-
                                                                      tebedarf sowie zentrale Herausforderungen des internationa-
Internationalisierung durch                                           lisierten Arbeitsmarktes skizziert.
Migration. Entwicklungen
und Perspektiven für den                                              Das liberalisierte deutsche Zuwanderungsrecht

Arbeitsmarkt in der deutschen                                         Die Steuerung und Gestaltung der Zuwanderung wird bereits
Einwanderungsgesellschaft                                             seit einigen Jahren als eine der wichtigsten gesellschaftlichen
                                                                      Herausforderungen Deutschlands anerkannt. Eine Migrations-
                                                                      politik, die eine gezielte Öffnung für bestimmte Personengrup-
                                                                      pen zur mittel- oder langfristigen Zuwanderung in den Arbeits-
Der Arbeitsmarkt in Deutschland hat sich in den letzten Jah-          markt (Erwerbsmigration) vorsieht, wurde mit dem 2005 in
ren stark verändert. Durch die Umwandlung von Vollzeit- in            Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz eingeleitet und danach
Teilzeitstellen, mehr erwerbstätige Frauen und Ältere sowie           schrittweise fortgeführt. Sie ist an den Bedürfnissen des Wirt-
das verstärkte Auftreten atypischer Beschäftigungsformen sind         schaftsstandortes Deutschland ausgerichtet und berücksichtigt
„breitere“ und „buntere“ Arbeitsmärkte entstanden, die sich re-       die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt. Verschiedene Reformen
gional – insbesondere im Ost-West-Gegensatz – teilweise sehr          haben die Zuwanderungsmöglichkeiten für Studierende, für
deutlich unterscheiden (Statistische Ämter 2012). Ein maßgeb-         Hochqualifizierte, für Selbständige und für qualifizierte Be-
licher Beitrag zur Vielfalt ist jedoch auf verstärkte Mobilität und   schäftigte in bestimmten Berufen verbessert. Insbesondere mit
Zuwanderung zurückzuführen, nicht zuletzt im Zuge der fort-           der Umsetzung der so genannten EU-Blue-Card-Richtlinie zum
schreitenden europäischen Integration: Deutschlands Arbeits-          1. August 2012 gingen verschiedene Erleichterungen einher:
markt ist in einem bislang nicht dagewesenen Maße interna-
tionalisiert – eine Entwicklung, die sich vor dem Hintergrund         • Drittstaatsangehörige mit einem akademischen Abschluss,
demografischer Entwicklungen und absehbarem zusätzlichem                die über ein konkretes Arbeitsplatzangebot mit einem Min-
Bedarf an Arbeitskräften in bestimmten Sektoren bzw. Regio-             destbruttogehalt verfügen (2013: 46.400 Euro; bei ausge-
nen, der u. a. durch Zuwanderung gedeckt werden könnte, in              wählten Mangelberufen 36.192 Euro), erhalten die Blaue
den nächsten Jahren voraussichtlich fortsetzen wird.                    Karte EU. Diese ist auf höchstens vier Jahre befristet; nach
                                                                        spätestens 33 Monaten wird eine Niederlassungserlaubnis
Dieser Beitrag gibt einen Überblick zu den wichtigsten rechtli-         erteilt. Ehegatten von Blue-Card-Inhaberinnen und Inhabern
chen Veränderungen im Bereich der Erwerbsmigration und stellt           erhalten sofort uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang
anschließend Eckdaten zur Erwerbsmigration und zum dadurch              (§§ 19a, 29 Abs. 5 AufenthG).
diversifizierten Arbeitsmarkt in Deutschland sowie zum Poten-         • Auch ohne ein konkretes Job-Angebot können Drittstaats-
zial internationaler Studierender an deutschen Hochschulen              angehörige mit Hochschulabschluss zur Arbeitssuche nach

                                                                                                                                    8
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Deutschland kommen. Wenn der Lebensunterhalt gesichert            Lediglich Staatsangehörige Rumäniens und Bulgariens (bis
  ist, können sie bis sechs Monate lang vor Ort nach einer an-      31.12.2013) sowie Kroatiens (zunächst bis 30.06.2015) sind
  gemessenen Stelle suchen (§ 18c AufenthG).                        noch von Übergangsregelungen betroffen, d. h. sie benötigen
• Studierende aus Drittstaaten können nach erfolgreichem            vorab eine Arbeitserlaubnis, um in Deutschland eine Beschäf-
  Abschluss ihres Studiums bis zu 18 Monate in Deutschland          tigung ausüben zu dürfen. Folgerichtig sind deutlich mehr als
  bleiben, um eine angemessene Beschäftigung zu finden.             die Hälfte der Zuwandernden Unionsbürger/-innen.
  Während dieser Suche dürfen sie unbegrenzt arbeiten. Auch
  während des Studiums können sie pro Jahr bis zu 120 Tage          Die Entwicklung der Zuwanderung
  (oder 240 halbe Tage) arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu
  verdienen (§ 16 Abs. 3 und 4 AufenthG).                           Wie viele Zuwandernde kommen pro Jahr, wie viele ziehen
• Außerdem können auch Studieninteressierte einen Aufent-           wieder fort und wie viele Personen mit Migrationshintergrund
  haltstitel erhalten, mit dem sie bis zu neun Monate in            leben eigentlich in Deutschland? Mit Veröffentlichung der
  Deutschland nach einem Studienplatz suchen können                 Zensusergebnisse (Statistisches Bundesamt 2013a) Ende Mai
  (§ 16 Abs. 1a AufenthG).                                          2013 nahm nicht nur die Gesamtbevölkerung Deutschlands
                                                                    scheinbar von einem Tag auf den anderen von 81,8 Mio. auf
Eine deutliche Liberalisierung des Arbeitsmarktes für Zuwan-        80,3 Mio. ab (-1,9%). Vor allem wurde deutlich, dass im Bun-
derung bedeutet zudem die am 1. Juli 2013 in Kraft getrete-         desgebiet wesentlich weniger Zuwanderer/-innen leben, als
ne neue Beschäftigungsverordnung: Sie enthält eine Liste von        dies aufgrund der Bevölkerungsfortschreibung errechnet wor-
(nicht-akademischen) Ausbildungsberufen, für die Absolven-          den war: So musste die Zahl der Ausländer/-innen von 7,4 Mio.
tinnen und Absolventen aus Drittstaaten ohne die bislang            auf 6,3 Mio. (und damit um rund 15%) nach unten korrigiert
obligatorische Vorrangprüfung freien Zugang zum deutschen           werden; auch hatten im Mai 2011 „nur“ rund 15 Mio. (statt wie
Arbeitsmarkt erhalten. Auf dieser so genannten Positivliste ste-    bisher angenommen knapp 16 Mio.) Personen einen Migrati-
hen u. a. Berufe in der Mechatronik, in der Elektrik und Elektro-   onshintergrund (Statistisches Bundesamt 2012a). Dennoch hat
technik, in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, im Eisen-     damit fast jede/-r Fünfte eine Zuwanderungsgeschichte – ist
bahnverkehr sowie in der Alten- und Krankenpflege. Allerdings       also entweder Ausländer/-in, oder nach Deutschland zugewan-
werden bei den Pflegeberufen keine Drittstaatsangehörigen           dert oder verfügt über mindestens ein zugewandertes Elternteil.
zugelassen, in deren Herkunftsländern nach Feststellung der
World Health Organisation (WHO) ein Mangel an Gesundheits-          Die Gesellschaft und damit auch der Arbeitsmarkt haben sich
fachkräften besteht.                                                seit der so genannten Gastarbeiterära stark internationalisiert,
                                                                    wobei sich gerade im zurückliegenden Jahrzehnt das Migrations-
Durch diese Reformen ist Deutschland nach Ansicht der               geschehen mehrfach gewandelt hat. Ausgehend von deutlichen
OECD mittlerweile eines der Länder mit den geringsten Be-           Wanderungsgewinnen zu Beginn der 2000er Jahre haben sich die
schränkungen für die beschäftigungsorientierte Zuwande-             Volumina der Zu- und Fortzüge immer stärker angeglichen. Nach
rung von hochqualifizierten Fachkräften (vgl. dazu OECD             einem zeitweise negativen Gesamtwanderungssaldo lassen sich
2013 sowie den Beitrag von Liebig in diesem Dossier). Von           mittlerweile wieder deutliche Wanderungsgewinne verzeichnen.
den arbeitsmarktpolitischen Zugangsregelungen des Aufent-           Betrachtet man die Entwicklung der Zuzüge nach Deutschland
haltsrechts sind jedoch nur Drittstaatsangehörige betroffen;        innerhalb der letzten 20 Jahre (Abbildung 1), so fallen ein deut-
Ausländer/-innen aus EU-Staaten genießen volle Freizügigkeit –      licher Rückgang seit Anfang/Mitte der 1990er Jahre und ein er-
bis auf wenige Ausnahmen auch als Arbeitnehmer/-innen.              neuter, aber leichter Anstieg seit Mitte der 2000er Jahre auf.

       Abbildung 1

       Zu- und Fortzüge mit Wanderungssalden 1991-2012.

                                                                               Anmerkung: Zahlen für 2012: vorläufige Wanderungs-
                                                                               ergebnisse.
                                                                               Quelle: BMI/BAMF 2013: 15; Statistisches Bundesamt
                                                                               2013b; eigene Darstellung.

                                                                                                                                    9
WELTOFFEN = ZUKUNFTSFÄHIG?! - Diversity Management & Internationalität - Charta der Vielfalt
Die Ursachen für die Entwicklung Anfang bzw. Mitte der 1990er      den sogenannten EU-Krisenstaaten Griechenland, Spanien, Itali-
Jahre waren:                                                       en und Portugal (+112% zwischen 2009 und 2012). Insgesamt
• der erhöhte Zuzug von Spät-/Aussiedlerinnen und Spät-/           betrug der Anteil der Zuzüge aus EU-Staaten an allen Zuzügen
   Aussiedlern,                                                    2012 64%, 2009 waren es noch 57%.
• die bis 1992 gestiegene Zahl von Asylsuchenden (die seitdem
   jedoch wieder auf ein niedrigeres Niveau gesunken ist),         In absoluten Zahlen liegen ebenfalls die EU-2-Staaten sowie Po-
• der Zuzug der seit 1991/92 aus dem ehemaligem Jugoslawien        len und Ungarn vorne: Im Jahr 2012 betrug der positive Wande-
   geflohenen Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen (von denen      rungssaldo aus diesen vier Staaten +165.015 Personen. Damit
   die meisten mittlerweile wieder in ihre Heimat zurückgekehrt    machten sie rund 43% des gesamten Wanderungsgewinns unter
   sind) und                                                       den Ausländerinnen und Ausländern aus (+387.149). Weitere
• eine „gestiegene, aber zeitlich begrenzte Arbeitsmigration aus   wichtige Herkunftsstaaten von Zuwandernden waren Italien,
   Nicht-EU-Staaten“ (BMI/BAMF 2013: 14).                          Griechenland und Spanien; bei den Drittstaaten waren die Verei-
                                                                   nigten Staaten, die Russische Föderation, China und Indien quan-
Mitverantwortlich für den aktuellen, seit 2010 beobachtbaren       titativ besonders bedeutsam (Tabelle 1). Aus der Türkei wurden
Trend sind vor allem steigende Zuzüge aus EU-Staaten, insbe-       zwar 25.414 Zuzüge von Ausländerinnen und Ausländern regis-
sondere aus den 2007 beigetretenen Staaten Rumänien und Bul-       triert, gleichzeitig aber auch 27.329 Fortzüge, was eine Netto-
garien (EU-2; +106% zwischen 2009 und 2012), aber auch aus         Abwanderung bedeutet.

       Tabelle 1

       Zu- und Fortzüge von Ausländerinnen und Ausländern, nach den 20 wichtigsten Herkunfts- und Zielstaaten, 2012.

       Anmerkung: vorläufige Wanderungsergebnisse.
       Quelle: Statistisches Bundesamt 2013b.

                                                                                                                                10
Neben der Arbeitsmigration aus Drittstaaten und der EU-Bin-        Die differenzierte Betrachtung verdeutlicht, dass der Großteil
nenmigration sind bei der Betrachtung der Gesamtwande-             der zur Arbeitsaufnahme neu eingereisten Drittstaatsange-
rungsstatistik vor allem die Flüchtlingsmigration und der Fami-    hörigen zur Gruppe der nicht qualifizierten und qualifizier-
liennachzug als wichtige Zuwanderungskategorien zu nennen          ten Beschäftigen gehört (Tabelle 2). Das sind beispielsweise
(vgl. dazu umfassend BMI/BAMF 2013). Dabei hat sich in den         IT-Fachkräfte, Pflegekräfte und leitende Angestellte, aber auch
letzten Jahrzehnten nicht nur die Zusammensetzung der Her-         Haushaltshilfen oder Köchinnen und Köche. Mehr als die Hälfte
kunftsländer verändert, sondern auch das Qualifikationsniveau      der Drittstaatsangehörigen, die 2012 zur Ausübung einer Be-
der Neuzuwandernden, was mit Blick auf die Arbeitsmarktin-         schäftigung, die keine bzw. eine qualifizierte Berufsausbildung
tegration besonders bedeutsam ist. So hat sich nach aktuellen      nach § 18 AufenthG voraussetzt, eingereist sind, kamen aus In-
Mikrozensus-Analysen des Bundesinstituts für Bevölkerungs-         dien, Kroatien, den Vereinigten Staaten, Bosnien-Herzegowina
forschung zwischen 1996/97 und 2010/11 beispielsweise un-          und China. Insgesamt ergibt sich jedoch ein Bild, das im Hinblick
ter Neuzuwandernden der Anteil von Frauen mit einem hohen          auf die Herkunftsländer von starker Heterogenität geprägt ist
(d. h. tertiären, in der Regel akademischen) Bildungsabschluss     (Abbildung 2).
von 19,6% auf 42,4% mehr als verdoppelt; bei den Männern
stieg der Anteil von 22,6% auf 39,6% (Ette et al. 2013).
                                                                          Abbildung 2

Der internationalisierte Arbeitsmarkt:
Fachkräftezuwanderung

Im Folgenden soll ein Überblick über den quantitativen Umfang
der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt nach dem deutschen
Aufenthaltsrecht gegeben werden. Seit dem Inkrafttreten des
Zuwanderungsgesetzes werden im Ausländerzentralregister
(AZR) die Rechtsgrundlagen für Einreise und Aufenthalt von
Drittstaatsangehörigen, also Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bür-
gern, in Deutschland erfasst. Registriert werden nur Personen,
die sich nicht nur vorübergehend (d. h. in der Regel länger als
drei Monate) in Deutschland aufhalten, weshalb eine Differenz
zur Wanderungsstatistik des Statistischen Bundesamtes besteht.
Die Erfassung im AZR ermöglicht eine Betrachtung der Zuwan-               Zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 18 AufenthG
derung von Drittstaatsangehörigen nach ihrem Aufenthalts-                 eingereiste Drittstaatsangehörige, wichtigste Staatsange-
zweck. Unionsbürger/-innen, die Freizügigkeit genießen, benöti-           hörigkeiten, 2012.
gen keinen Aufenthaltstitel und müssen daher bei der Einreise             Quelle: BAMF 2013: 79.
keinen Grund für ihren Aufenthalt in Deutschland angeben.

Wie die Zuwanderung insgesamt ist auch die Zuwanderung zum
Zweck der Erwerbstätigkeit angestiegen. Im Jahr 2012 sind fast
39.000 Drittstaatsangehörige zu Erwerbszwecken nach Deutsch-       Zwei Drittel (67,0%) der 2012 eingereisten nicht qualifizierten
land eingereist, dies entspricht einem Anstieg gegenüber dem       und qualifizierten Beschäftigen wurde eine Aufenthaltserlaub-
Vorjahr von 3,4%. Somit ist Erwerbsmigration neben Zuwan-          nis zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt, die eine qualifizier-
derung aus familiären Gründen (17,9%) und Zuwanderung zum          te Berufsausbildung erfordert (§ 18 Abs. 4 AufenthG; Tabelle 2).
Studium (12,7%) mit einem Anteil von 12,6% einer der zentra-       Der leichte Rückgang im Bereich des § 18 AufenthG kann u.
len Zuwanderungszwecke (BAMF 2013: 74 f.). Erwerbszuwande-         a. darauf zurückgeführt werden, dass Zuwandernde, denen
rung umfasst sowohl die Zuwanderung von Personen, denen ein        früher eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifi-
Aufenthaltstitel zum Zweck der Beschäftigung (§ 18 AufenthG)       zierten Beschäftigung erteilt worden wäre, seit 1. August 2012
erteilt wurde, als auch Personen, die eine Blaue Karte EU (§ 19a   eine Blaue Karte EU erhalten können. Dies ist auch für den
AufenthG) besitzen oder die als Forscher/-innen (§ 20 AufenthG)    deutlichen Rückgang der Zuwanderung von Hochqualifizier-
oder Selbständige (§ 21 AufenthG) nach Deutschland gekom-          ten nach § 19 AufenthG ursächlich (BAMF 2013: 77 ff.). In den
men sind. Hinzu kommen Hochqualifizierte (§ 19 AufenthG),          letzten Jahren ist eine positive Entwicklung der Zuwanderung
z. B. Wissenschaftler/-innen mit besonderen fachlichen Kennt-      von hoch qualifizierten Personen, inklusive Forscherinnen und
nissen oder Inhaber/-innen von Lehrstühlen. Ihnen kann in be-      Forschern sowie Akademikerinnen und Akademikern zu beob-
sonderen Fällen von Anfang an eine Niederlassungserlaubnis         achten (BAMF 2013: 80 ff.). Durch die Einführung der Blauen
erteilt werden, wenn davon auszugehen ist, dass die Integration    Karte EU im Rahmen der Umsetzung der EU-Hochqualifizier-
in die Lebensverhältnisse und die eigenständige Sicherung des      ten-Richtlinie ist zu erwarten, dass sich dieser Trend fortset-
Lebensunterhalts gewährleistet ist.                                zen wird. Bereits innerhalb der ersten vier Monate, in denen
                                                                   diese Regelung in Kraft war, wurde 2.190 hochqualifizierten

                                                                                                                                      11
Tabelle 2

      Zuwanderung zum Zweck der Erwerbstätigkeit differenziert nach Aufenthaltstiteln, Jahr 2012.
      Quelle: BAMF 2013: 80 ff.

Drittstaatsangehörigen bei der Einreise nach Deutschland                       Hamburg bis 7,7% in Sachsen-Anhalt und ca. 8% in Mecklen-
eine Blaue Karte erteilt. Über ein Drittel (36,7%) erhielt die                 burg-Vorpommern, Thüringen und Brandenburg (Bundesagen-
Blaue Karte für die Beschäftigung in einem Beruf, für den in                   tur für Arbeit 2013a).
Deutschland ein besonderer Bedarf besteht (sog. Mangelbe-
ruf); die Mehrheit erhielt die Blaue Karte zur Beschäftigung in                Als Indikatoren einer ge- oder misslingenden Integration in
einem Regelberuf (63,3%; BAMF 2013: 81).                                       den Arbeitsmarkt werden in der Regel die Erwerbsbeteiligung
                                                                               und die Erwerbslosenquote herangezogen. Die Erwerbsbetei-
Der internationalisierte Arbeitsmarkt: strukturelle Integra-                   ligung, also der Anteil von Erwerbspersonen an der Gesamt-
tion der Bestandsbevölkerung                                                   bevölkerung, ist bei zugewanderten Personen mit Migrations-
                                                                               hintergrund (ohne Spät-/Aussiedler/-innen) geringer (72,2%)
Ein Überblick über den internationalisierten Arbeitsmarkt in                   als bei Personen ohne Migrationshintergrund (83,3%), wobei
der Bundesrepublik Deutschland erfordert nicht nur eine Ana-                   zugewanderte Personen mit einem EU-Migrationshintergrund
lyse der Neuzuwandernden, sondern auch eine Betrachtung                        eine höhere Erwerbsbeteiligung aufweisen als Zugewanderte
der bereits hier lebenden Bevölkerung mit Migrationshinter-                    aus einem Drittstaat (Tabelle 3). Umgekehrt ist die Erwerbslo-
grund im Hinblick auf Beschäftigung und Erwerbstätigkeit.                      senquote, also der Anteil der Erwerbslosen an allen Erwerbs-
Seit Dezember 2012 kann in der Statistik der Bundesagentur                     personen, bei Zugewanderten mit Migrationshintergrund rund
für Arbeit auch der Migrationshintergrund auf Grundlage ei-                    doppelt so hoch wie bei Personen ohne Migrationshintergrund
ner freiwilligen Vollerhebung ausgewiesen werden. Zu die-                      (10,5% ggü. 4,9%). Bei Zuwandernden aus EU-Staaten liegt
sem Zeitpunkt hatten ca. 35% der Arbeitslosen (arbeitslose                     die Erwerbslosenquote unter der Erwerbslosenquote von Zu-
Arbeitsuchende) einen Migrationshintergrund. Unter den                         wandernden aus einem Drittstaat. Unterschiede zwischen
Arbeitslosengeldempfängerinnen und -empfängern lag der                         Personen mit Migrationshintergrund eines Dritt- und eines
Anteil der Personen mit Migrationshintergrund bei 27,2%; bei                   EU-Staats werden auch in anderen Bereichen deutlich: Bei
den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in der Grundsiche-                    Personen mit EU-Migrationshintergrund wird der Lebensun-
rung („Hartz IV“) liegt er bei 42,4%. Die Anteile liegen somit                 terhalt deutlich häufiger aus einer Erwerbs-/Berufstätigkeit
über dem Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in                      bestritten als bei denjenigen mit Migrationshintergrund eines
der Gesamtbevölkerung. Es bestehen jedoch regional deutliche                   Nicht-EU-Staats. Personen mit Migrationshintergrund eines
Unterschiede: Ähnlich wie bei der Bevölkerung ohne Migrati-                    Drittstaats sind demgegenüber deutlich häufiger auf Leistun-
onshintergrund macht sich ein deutliches West-Ost-Gefälle                      gen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) angewiesen
bemerkbar. Die Anteile an den Arbeitslosen reichen von 51,3%                   als diejenigen mit EU-Migrationshintergrund sowie Personen
in Baden-Württemberg und 49,5 bzw. 49,4% in Hessen und                         ohne Migrationshintergrund.

                                                                                                                                          12
Tabelle 3

       Arbeitsmarktindikatoren bei Zugewanderten mit Migrationshintergrund eines EU- bzw. Drittstaats sowie Personen
       ohne Migrationshintergrund, 201.
       Quelle: SVR 2013: 104 ff.; Statistisches Bundesamt 2012b; eigene Zusammenstellung (gerundete Werte)

Der internationalisierte Arbeitsmarkt: Studierende aus Dritt-                 sie streben einen akademischen Bildungsabschluss an einer
staaten als Potenzial                                                         deutschen Hochschule an, der nicht erst geprüft bzw. aner-
                                                                              kannt werden muss. Darüber hinaus sind sie bei Abschluss
Besonderes Augenmerk gilt seit einigen Jahren der Zuwan-                      ihres Studiums in der Regel gut vernetzt und haben erste Er-
derung von so genannten Bildungsausländerinnen und -aus-                      fahrungen am Arbeitsmarkt gesammelt.
ländern – Personen, die ihre Hochschulzugangsberechtigung
im Ausland erworben haben – für ein Studium in Deutsch-                       In den letzten 15 Jahren hat sich die Anzahl der ausländischen
land. Rund jede/-r zehnte eingeschriebene Student/-in hat                     Studierenden an deutschen Hochschulen mehr als verdop-
nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Die meisten davon                     pelt, wobei die größten Steigerungsraten in den 1990er und
sind Bildungsausländer/-innen, haben also ihre Hochschul-                     frühen 2000er Jahren zu verzeichnen waren. Ab 2003/2004
zugangsberechtigung nicht in Deutschland erworben. Da-                        kam es jedoch zu einer Stagnation bei den Neueinschreibun-
mit liegt Deutschland nach den Vereinigten Staaten, Groß-                     gen, die in der Folge zeitweilig zu einem Rückgang auch bei
britannien und Australien auf Rang vier der – gemessen an                     den Gesamtstudierendenzahlen führte; seit 2008 ist jedoch
der absoluten Zahl international mobiler Studierenden – am                    wieder ein stabiler Aufwärtstrend zu beobachten (Abbil-
stärksten internationalisierten Hochschulmärkte (DAAD/                        dung 3). Zuletzt waren im Wintersemester 2012/2013 über
HIS 2013: 43). Ausländische Studierende gelten in mehrerlei                   280.000 ausländische Studierende an deutschen Hochschu-
Hinsicht als „Idealzuwandernde“: Sie sind jung, verfügen über                 len eingeschrieben, davon knapp drei Viertel Bildungsauslän-
eine gute Schulbildung, die zum Studium berechtigt, und                       der/-innen.

                                                                                                                                         13
Abbildung 3

       Nicht-Deutsche Studierende insgesamt sowie Studienanfänger/-innen an deutschen Hochschulen, 1993 bis 2013.
       * Lesehilfe: Die Zahl der Studierenden des Jahres 2012 bezeichnet die im Wintersemester 2011/2012 eingeschriebenen Studierenden
       (analog für alle anderen Jahre).
       ** Lesehilfe: Die Zahl der Studienanfänger/-innen im Studienjahr 2011 bezeichnet alle Studienanfänger/-innen im Sommersemester 2011
       und im Wintersemester 2011/2012 (analog für alle anderen Jahre).
       Quelle: Statistisches Bundesamt, FS 11 Reihe 4.1 (verschiedene Jahrgänge); HIS; eigene Zusammenstellung
       (Zahlen für 2012 und 2013 z. T. nicht verfügbar bzw. vorläufig)

Wichtigstes Herkunftsland internationaler Studierender ist                   Deutschland nicht dauerhaft willkommen zu fühlen oder sogar
mit Abstand die Volksrepublik China (23.883 Studierende im                   diskriminiert worden zu sein (vgl. SVR-Forschungsbereich 2012).
Jahr 2012). Weitere quantitativ bedeutsame Herkunftsstaaten
sind die Russische Föderation, Österreich, Bulgarien, Polen, die             Fachkräftebedarf und Engpässe: Ist-Situation und mögliche
Türkei, die Ukraine und Indien (vgl. hierzu und im Folgenden                 Entwicklungen
DAAD/HIS 2013). Dabei sind bei den indischen Studierenden
die höchsten Zuwächse zu beobachten: Nach jeweils zweistel-                  Der durch den demografischen Wandel bedingte Rückgang der
ligem Wachstum in den letzten drei Jahren studierten im Jahr                 erwerbsfähigen Bevölkerung hat bereits zu einem feststellba-
2012 über 5.700 Zuwandernde mit indischer Staatsange-                        ren Fachkräftemangel in bestimmten Branchen geführt. Diesem
hörigkeit an deutschen Hochschulen. Daneben gab es einen                     Mangel kann nicht nur durch eine Steigerung bei den Absolven-
deutlichen Anstieg bei den spanischen Studienanfängerinnen                   tinnen und Absolventen deutscher Studien- und Ausbildungs-
und -anfängern; auch der Iran und die Vereinigten Staaten ver-               gänge begegnet werden; auch die direkte Zuwanderung von
zeichneten zuletzt als Herkunftsländer internationaler Studie-               qualifizierten Arbeitnehmenden kann dazu beitragen, Lücken
render hohe Wachstumsraten.                                                  im Fachkräfteangebot zu schließen und Entlastung auf ange-
                                                                             spannten Arbeitsmärkten bringen. Sie bietet sich deshalb als
Die Studierenden von heute gelten als die Fachkräfte von mor-                arbeitsmarktpolitische Ergänzung an. Im März 2013 bestand
gen, weswegen es sich bildungspolitische Akteurinnen und Ak-                 etwa im MINT-Bereich (Mathematik-Informatik-Naturwis-
teure zum Ziel gesetzt haben, einerseits die Zahl der internati-             senschaft-Technik) eine Arbeitskräftelücke von 123.000 nicht
onalen Studierenden weiter zu steigern – mit einer durch den                 besetzbaren Vakanzen. Davon entfiel die Hälfte (64.000) auf
DAAD formulierten und äußerst ambitionierten Zielgröße von                   den Bereich der hochkomplexen Expertentätigkeiten. Auf sol-
mindestens 350.000 ausländischen Studierenden im Jahr 2020 –                 che Stellen passen in der Regel weder die dem Arbeitsmarkt
und andererseits die Bleiberaten von ausländischen Studienab-                zur Verfügung stehenden arbeitsuchenden Ingenieurinnen und
solventinnen und -absolventen zu erhöhen. Denn obwohl bis zu                 Ingenieure, noch können sie in absehbarer Zeit durch Nach-
80% der internationalen Master-Studierenden eine Bleibeab-                   qualifizierungsmaßnahmen besetzt werden (IW Köln 2013:
sicht für die Zeit nach dem Studium äußern, realisiert nur ein               7, 54). In Zukunft wird der Bedarf an qualifizierten Fachkräften
Bruchteil dieses Vorhaben; Gründe sind vor allem mangelnde In-               sogar noch steigen. Prognosen verschiedener Institute bewegen
formation über die Bleibemöglichkeiten sowie das Gefühl, sich in             sich zwischen zwei und fünf Millionen fehlenden Fachkräften

                                                                                                                                             14
bis zum Jahr 2020 bzw. 2030 (Prognos AG 2011, Mc Kinsey                tion und des Zusammenlebens von Zuwandernden und Mehr-
2011, IW Köln 2013). Schätzungen zufolge wäre bis 2020 je              heitsbevölkerung, also das allgemeine „Integrationsklima“ in
nach Altersstruktur der Zuwandernden eine Nettozuwanderung             der unmittelbaren Nachbarschaft, von Bedeutung; diese As-
nach Deutschland von bis zu einer halben Million Personen pro          pekte können jedoch an dieser Stelle nicht vertieft werden
Jahr notwendig – allein um die derzeitige Zahl der Personen im         (vgl. dazu u. a. die Gutachten mit den Integrationsbarometern
erwerbsfähigen Alter konstant zu halten (UN 2001). Mit einem           des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration
Wanderungssaldo von 369.000 Personen 2012 ist somit erst-              und Migration; SVR 2010, 2012).
mals seit Jahren ein Zuzug in einer Größenordnung erreicht, der
den demografischen Wandel abfedern kann.                               Aktuell gehen wirtschaftswissenschaftliche Analysen von ei-
                                                                       nem umfassend positiven Beitrag der Zuwanderung auf den
Der Bedarf an Arbeitskräften unterscheidet sich sowohl regio-          Arbeitsmarkt, den Sozialstaat und die fiskalische Gesamtbi-
nal, als auch bezüglich der Unternehmensgröße sowie einzelner          lanz Deutschlands aus (vgl. z. B. Brücker 2013); der interna-
Wirtschaftsbereiche: Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufs-         tionalisierte Arbeitsmarkt und die daran gekoppelte Volks-
forschung (IAB) ermittelte in seiner regelmäßig durchgeführten         wirtschaft sind aus der 2008/2009 einsetzenden Finanz- und
Arbeitgeberbefragung im ersten Quartal 2013 949.900 offene             Wirtschaftskrise relativ unbeschadet hervorgegangen und
Stellen; 71% der Stellen waren sofort zu besetzen, die meisten         gelten als robust bis expansiv (siehe dazu auch den Beitrag
offenen Stellen gab es in Westdeutschland (85%), 41% waren in          von von Loeffelholz in diesem Dossier). Allerdings bleiben ei-
kleinen Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten zu beset-         nige Baustellen: Trotz des eingangs beschriebenen Wandels
zen. Bezogen auf einzelne Wirtschaftsbereiche war die Entwick-         der Rechtsgrundlagen gilt Deutschland im internationalen
lung der Arbeitskräftenachfrage sehr unterschiedlich: Während          Rahmen weiterhin nicht als offenes Einwanderungsland, sind
im Bereich Metalle/Metallerzeugnisse die offenen Stellen um            die liberalen Zugangsregeln für qualifizierte und hochqualifi-
ein Viertel niedriger als im Vorjahresquartal lagen, sind sie in an-   zierte Zuwandernde zu wenig bekannt. Kontraproduktiv sind
deren Bereichen deutlich angestiegen, beispielsweise im Gast-          Signale wie zuletzt das bekannt gewordene Versagen der Si-
gewerbe (+38%), im Bereich Handel/Reparatur (+36%) sowie               cherheitsorgane im Falle der NSU-Mordserie oder teilweise
im Bereich Erziehung und Unterricht (+32%; IAB 2013). Den-             ausbeuterische Lebens- und Arbeitsbedingungen von Werk-
noch besteht derzeit kein flächendeckender Fachkräftemangel.           vertragsarbeitnehmenden oder Leiharbeiterinnen und -ar-
Eher lassen sich in der Engpassanalyse der Bundesagentur für           beitern. Im Hinblick auf die ausbildungs-, arbeitsmarkt- und
Arbeit vom Juli 2013 Anzeichen einer Entspannung erkennen.             wohnraumbezogene Integration der so genannten Bestands-
Sie wird auf eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung in            zuwanderer/-innen gibt es verschiedentlich Hinweise auf eth-
den Vormonaten zurückgeführt. Die Anzahl der Mangelberufe              nische Diskriminierung; so scheint es etwa eine strukturelle
hat im Vergleich zur Analyse von Ende 2012 leicht abgenom-             Benachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
men und selbst in IT-Berufen ist kein genereller Mangel festzu-        beim Übergang von der Schule in die Berufsausbildung zu ge-
stellen. Allenfalls in den Spezialbereichen Informatik und Soft-       ben (Beicht/Granato 2010).
wareentwicklung mangelt es bundesweit an Expertinnen und
Experten; in Westdeutschland ferner vor allem in technischen           Eine weitere Herausforderung stellt die Anerkennung oder Teil-
Berufsfeldern, beispielsweise in der Elektrotechnik oder Me-           anerkennung von im Ausland erworbenen Bildungsabschlüssen
chatronik (Bundesagentur für Arbeit 2013b: 3). Darüber hinaus          dar: Ein wichtiger Schritt zur besseren Nutzung des Erwerbs-
fehlen im Bereich nichtakademischer Fachkräfte besonders in            personenpotenzials von Neu- wie Bestandszuwandernden war
den alten Bundesländern Spezialistinnen und Spezialisten, z. B.        das Inkrafttreten des Anerkennungsgesetzes im April 2012. Es
in der Automatisierungs- oder Energietechnik. In Gesundheits-          umfasst einen Rechtsanspruch auf eine individuelle Gleich-
und Pflegeberufen, bei Humanmedizinerinnen und -medizinern             wertigkeitsprüfung bei Berufen im Zuständigkeitsbereich
(ausgenommen Berlin und Sachsen) und bei examinierten Pfle-            des Bundes. Seitdem traten und treten in fast allen Bundes-
gefachkräften ist nahezu bundesweit ein Mangel an Fachkräften          ländern Anerkennungsgesetze für die auf Länderebene gere-
zu verzeichnen (Bundesagentur für Arbeit 2013b: 12 ff.).               gelten Berufe in Kraft, zuletzt in Bayern am 1. August 2013.
                                                                       Auch wenn die Zahl der Berufsanerkennungen noch weit von
Herausforderungen: Willkommenskultur, berufliche Aner-                 dem geschätzten Potenzial von 300.000 entfernt ist, zeigen
kennung und interkulturelle Öffnung                                    Zwischenbilanzen, dass die Reformen maßgeblich dazu bei-
                                                                       tragen werden, Zuwanderinnen und Zuwanderern bessere Ar-
Die Bedarfslagen des Arbeitsmarktes in Deutschland stehen              beitsmarktchancen in Deutschland zu eröffnen. So wurden in
bei der Diskussion um Migration und eine stärkere Interna-             Rheinland-Pfalz 89% aller Anträge positiv beschieden.
tionalisierung häufig im Vordergrund. Mit der Zuwanderung,
die – wie eingangs erwähnt – bei weitem nicht nur zu Erwerb-           Vor allem im praktischen alltäglichen Umgang mit Vielfalt
szwecken erfolgt, ergeben sich jedoch vielfältige Herausforde-         können Unternehmen und Kammern, die Arbeitsverwaltung
rungen für die Einwanderungsgesellschaft. Neben der Einglie-           und die Hochschulen, aber auch die deutschen Auslandsver-
derung in strukturelle Systeme wie Arbeitsmarkt, Bildung und           tretungen und die kommunalen Ausländerbehörden noch
soziale Sicherung sind Fragen der identifikatorischen Integra-         einiges dazulernen: Diversity Management und Prozesse der

                                                                                                                                  15
interkulturellen Öffnung lassen sich letztlich auf alle Bereiche   Die Verfasser arbeiten in der Geschäftsstelle des Sachver-
der Einwanderungsgesellschaft übertragen. Mit den nötigen          ständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und
Anpassungen hin zu einer umfassenden Willkommens- und              Migration (SVR). Der Beitrag gibt ihre persönliche Auffassung
Anerkennungskultur in Deutschland, die auf potenzielle Zu-         wieder. Dank gilt Julia Tran und Stephan Liebscher für ihre
wandernde entsprechend attraktiv wirkt und im Sinne einer          hilfreichen Recherchen und Zusammenstellungen.
interkulturellen Öffnung auch die Bestandsbevölkerung mit
Migrationshintergrund „mitnimmt“, könnte der Ertrag der In-        Website des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen
ternationalisierung nochmals erheblich gesteigert werden.          für Integration und Migration:
                                                                   www.svr-migration.de

Literatur:

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und Integration. Nürnberg.                                         Deutschland. Paris.

Beicht, Ursula/Granato, Mona (2010): Ausbildungsplatzsuche:        Prognos AG (2011): Studie – Arbeitslandschaft 2030. Im Auftrag
Geringere Chancen für junge Frauen und Männer mit Migrations-      der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. München.
hintergrund. BIBB-Report 15/10. Bonn.
                                                                   Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2012):
BMI/BAMF (2013): Migrationsbericht des Bundesamtes für             Arbeitsmärkte im Wandel. Wiesbaden.
Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Bundesregierung.
Migrationsbericht 2011. Nürnberg.                                  Statistisches Bundesamt (2012a): Bevölkerung und Erwerbs-
                                                                   tätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund, Ergebnisse des
Brücker, Herbert (2013): Auswirkungen der Einwanderung auf         Mikrozensus 2011. Wiesbaden.
Arbeitsmarkt und Sozialstaat: Neue Erkenntnisse und Schlussfol-
gerungen für die Einwanderungspolitik. Gütersloh.                  Statistisches Bundesamt (2012b): Sonderauswertung des Mi-
                                                                   krozensus 2011 für den SVR. Wiesbaden.
Bundesagentur für Arbeit (2013a): Arbeitsmarkt in Zahlen.
Migrationshintergrund nach § 281 Abs. 2 SGB III. Deutschland.      Statistisches Bundesamt (2013a): Bevölkerung und Erwerbs-
Dezember 2012. Nürnberg.                                           tätigkeit. Vorläufige Ergebnisse der Bevölkerungsfortschreibung
                                                                   auf Grundlage des Zensus 2011. Wiesbaden.
Bundesagentur für Arbeit (2013b): Fachkräfteengpassanalyse
Juni 2013. Nürnberg.                                               Statistisches Bundesamt (2013b): Bevölkerung und Erwerbstä-
                                                                   tigkeit. Vorläufige Wanderungsergebnisse 2012. Wiesbaden.
DAAD/HIS-Institut für Hochschulforschung (2013): Wissen-
schaft weltoffen 2013. Daten und Fakten zur Internationalität      SVR (2010): Einwanderungsgesellschaft 2010. Jahresgutachten
von Studium und Forschung in Deutschland. Bielefeld.               2010 mit Integrationsbarometer. Berlin.

Ette, Andreas/Mundil-Schwarz, Rabea/Sauer, Lenore/Sulak,           SVR (2012): Integration im föderalen System: Bund, Länder und
Harun (2013): Ein neues Bild der Migration: Sozioökonomische       die Rolle der Kommunen. Jahresgutachten 2012 mit Integrations-
Struktur und Arbeitsmarktintegration von Neuzuwanderern            barometer. Berlin.
aus Drittstaaten in Deutschland, in: Bevölkerungsforschung 34,
März 2013, S. 2–11.                                                SVR (2013): Erfolgsfall Europa? Folgen und Herausforderungen
                                                                   der EU-Freizügigkeit für Deutschland. Jahresgutachten 2013 mit
IAB (2013): Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Stellenan-      Migrationsbarometer. Berlin.
gebots im ersten Quartal 2013. Nürnberg.
                                                                   SVR-Forschungsbereich (2012): Mobile Talente? Ein Vergleich
IW Köln (2013): MINT-Frühjahrsreport 2013 Innovationskraft,        der Bleibeabsichten internationaler Studierender in fünf Staaten
Aufstiegschance und demografische Herausforderung. Gutach-         der Europäischen Union. Berlin.
ten für BDA, BDI, MINT Zukunft schaffen und Gesamtmetall. Köln.
                                                                   UN (2001): Replacement Migration: Is It a Solution to Declining
McKinsey Deutschland (2011): Wettbewerbsfaktor Fachkräfte.         and Ageing Populations? New York.
Strategien für Deutschlands Unternehmen. Berlin.

                                                                                                                                16
Prof. Dr. Maria Böhmer
Internationalität und Vielfalt
als Chance für Wirtschaft und
Gesellschaft

                                                                      Prof. Dr. Maria Böhmer
Deutschland ist vielfältig. Unser Reichtum besteht aus unseren
Menschen mit ihren Ideen und Fähigkeiten, ihrer Kreativität           Prof. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin bei der Bundes-
und ihrer Unterschiedlichkeit. Es geht um Frauen und Männer,          kanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migra-
um Mütter und Väter, um Junge und Ältere. Um behinderte               tion, Flüchtlinge und Integration seit November 2005.
Menschen, um Migrantinnen und Migranten, die zu uns gekom-            Studium der Mathematik, Physik, Politikwissenschaft und
men sind. Wir müssen auf die Vielfalt in unserem Land setzen.         Pädagogik an der Universität Mainz; Habilitation in Päd-
Denn die demografische Entwicklung ist ganz klar: Wir werden          agogik an der Universität Mainz. Mitglied des Deutschen
älter und wir werden weniger. Damit sind wir in immer höhe-           Bundestages seit 1990.
rem Maße auf die Talente aller angewiesen. Wir brauchen eine
stärkere Beteiligung von Frauen, Älteren und Migrantinnen und
Migranten am Erwerbsleben.

Der aktuelle Zensus ergab: 15 Millionen Menschen mit Migrati-       Damit Deutschland weiterhin wettbewerbsfähig bleibt, reichen
onshintergrund leben bei uns. Das ist knapp ein Fünftel der 80,2    eine höhere Erwerbsbeteiligung des vorhandenen Potenzials
Millionen Einwohner/-innen. Rund 6,2 Millionen Bürger/-innen        und vergleichsweise ausgezeichnete wirtschaftliche Rahmen-
besitzen eine ausländische Staatsangehörigkeit.                     bedingungen nicht aus. Parallel zur Erschließung und Förderung
                                                                    des inländischen Potenzials ist auch eine an den Bedürfnissen
Unter den vielen Migrantinnen und Migranten sind 700.000            der Arbeitsmärkte orientierte und gesteuerte Zuwanderung
Selbständige. Sie tragen als Unternehmer/-innen und Freiberuf-      qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland notwendig.
ler/-innen zur wirtschaftlichen Stabilität bei: Sie schaffen Wer-
te, sie investieren, bilden aus und schaffen Arbeitsplätze.         Wir brauchen aber auch eine ausgeprägte Willkommenskultur,
                                                                    die nicht nur die Unterschiede in Kultur und Sprache, sondern
Über eine Million Menschen sind 2012 nach Deutschland ge-           auch die Unterschiede in den Kompetenzprofilen und Bildungs-
kommen. Das ist die höchste Zuwanderungsrate seit 1995. Die         abschlüssen anerkennt.
meisten Zuwandernden – über 600.000 Menschen – kamen aus
Ländern der EU. Zieht man diejenigen ab, die 2012 aus Deutsch-      Vielfalt ist eine Chance! Für die Zukunfts- und Wettbewerbs-
land fortgezogen sind, dann beträgt die Nettozuwanderung            fähigkeit unseres Landes. Aber auch für den Zusammenhalt
immer noch über 360.000 Menschen.                                   unserer Gesellschaft. Oder wie es der Vorstandsvorsitzende der
                                                                    Metro Group, Olaf Koch, beim 6. Integrationsgipfel mit der Bun-
Wir wissen, dass Deutschland sich in den kommenden Jahren           deskanzlerin Ende Mai 2013 ausgedrückt hat: „Vielfalt ist ein
noch stärker als andere Länder einer massiven Alterung der Bevöl-   Motor des Erfolgs!“.
kerung ausgesetzt sieht. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter
wird bis zum Jahr 2030 um acht Millionen Personen abnehmen.         Paradigmenwechsel: Von der nachholenden zur vorausschau-
                                                                    enden Integrationspolitik
Fachleute rechnen damit, dass das Angebot an Arbeitskräften
bereits bis zum Jahr 2025 um 6,5 Millionen Personen zurück-         Die Bundesregierung hat umgesteuert. Die Fehler der Vergan-
geht. Selbst wenn man eine höhere Erwerbsbeteiligung von            genheit dürfen sich angesichts der Herausforderungen, vor
Frauen, eine längere Lebensarbeitszeit und eine moderate Net-       denen wir heute stehen, nicht wiederholen.
tozuwanderung einrechnet, wird der Rückgang nur auf 3,5 Mil-
lionen Personen abgeschwächt. Bereits heute sind in einzelnen       Zuwanderung und Integration werden von Anfang an gemein-
Branchen und Berufen Fachkräftelücken deutlich erkennbar. In        sam gedacht. Wir können deshalb in Deutschland heute von
den Gesundheitsberufen, in den Pflegeberufen, in den Erzie-         einer Integrationspolitik mit erkennbarer Strategie und erkenn-
hungsberufen, aber auch bei Ingenieurinnen und Ingenieuren,         baren Strukturen sprechen. Das ist ein Paradigmenwechsel: von
Informatikerinnen und Informatikern und in den naturwissen-         der nachholenden zur vorausschauenden Integrationspolitik.
schaftlichen Berufen werden die Suchprozesse deutlich länger.
Das ist derzeit noch regional und branchenspezifisch sehr unter-    Mit dem Nationalen Aktionsplan Integration legt die Bundesre-
schiedlich ausgeprägt. Fachkräfteengpässe wird es in den kom-       gierung einen strategischen Schwerpunkt auf die Beschäftigung
menden Jahren aber immer deutlicher geben.                          von Menschen mit Migrationshintergrund.

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Mit dem Fachkräftekonzept verfolgt die Bundesregierung ein           Arbeitsmarkt besser zu nutzen und eine qualifikationsnahe Be-
langfristig angelegtes Konzept zur Sicherung der Fachkräftebasis.    schäftigung zu ermöglichen. Wir haben damit international eine
                                                                     Vorreiterfunktion eingenommen!
Entscheidende Voraussetzung und ein Schlüssel für eine nach-
haltige Integration sind gute Sprachkenntnisse und eine solide       Mehr Verbindlichkeit in der Integration
berufliche Qualifikation. Daher ist die Förderung von jungen
Migrantinnen und Migranten ein Schwerpunkt des Nationalen            Mehr Verbindlichkeit und eine verbesserte Willkommens- und
Ausbildungspaktes von Politik und Wirtschaft, dessen Feder-          Anerkennungskultur erreichen wir auch durch die interkultu-
führung ich gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz und            relle Öffnung des öffentlichen Dienstes und die Erweiterung
der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände im           der interkulturellen Kompetenzen der Beschäftigten, aber vor
letzten Jahr übernommen habe.                                        allem auch durch innovative Projekte: Mein bundesweites Mo-
                                                                     dellprojekt der individuellen Integrationsvereinbarungen hat den
Seit Mitte letzten Jahres sind die Hürden für den Zugang aus-        Praxistest bestanden: In einem Zeitraum von eineinhalb Jahren
ländischer Akademiker/-innen aus Drittstaaten und deren Fami-        wurden in 18 Kommunen und insgesamt 87 Migrationsbera-
lien gesenkt worden. Möglich macht das die „Blaue Karte EU“,         tungsstellen mehr als 4.000 Integrationsvereinbarungen mit
die jede/-r ausländische Akademiker/-in, die/der ein Brutto-Jah-     Migrantinnen und Migranten abgeschlossen. In den Vereinba-
resverdienst von 46.400 Euro nachweisen kann, erhält.                rungen wird individuell festgehalten, mit welchen Vorausset-
                                                                     zungen Zuwandernde nach Deutschland kommen und welche
Eine weitere Erleichterung ist die Vereinfachung der Beschäftig-     Hilfen sie beispielsweise bei Spracherwerb, Ausbildung, Kinder-
tenverordnung, die Arbeitsmärkte für Fachkräfte aus Drittstaa-       betreuung oder bei der Anerkennung ihres Berufsabschlusses
ten mit mittlerer Qualifikation öffnet.                              benötigen. Umgekehrt werden den Zuwandernden nach einer
                                                                     ausführlichen Beratung passgenaue Angebote gemacht. Es
Willkommen und Anerkennung. Zuwanderung ist Triebfeder               kommt jetzt darauf an, die Integrationsvereinbarungen in die
für die Wirtschaft                                                   Fläche zu bringen. Deshalb appelliere ich an alle Kommunen und
                                                                     Migrationsberatungsstellen, dieses Instrument für eine höhere
Viele Unternehmen haben die Vorteile einer vielfältigen, un-         Verbindlichkeit einzusetzen und den bereitgestellten Hand-
terschiedliche kulturelle und sprachliche Hintergründe verbin-       lungsleitfaden zu nutzen.
denden Belegschaft erkannt und die „Charta der Vielfalt“ unter-
zeichnet. Sie verpflichtet Unternehmen und Institutionen dazu,       Die Integrationsvereinbarungen stehen für unseren Paradig-
allen Talenten in einem wertschätzenden und vorurteilsfreien         menwechsel von der nachholenden zur vorausschauenden
Umfeld optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die Charta           Integration. Und sie sind Ausdruck einer Willkommens- und
der Vielfalt ist Ausdruck dieser Erkenntnis. Mit mehr als 6,5 Mil-   Anerkennungskultur. Die zentrale Erkenntnis ist: Eine gute Ver-
lionen Beschäftigten in über 1.600 Organisationen ist die Char-      netzung und Zusammenarbeit aller beteiligten Akteurinnen und
ta mittlerweile eines der größten sozialen Unternehmensnetz-         Akteure vor Ort ist entscheidend, damit Ratsuchende rasch und
werke. Bei dem von der Charta initiierten ersten „Diversity-Tag“     zielgenau an Angebote gelangen.
am 11. Juni 2013 haben bundesweit über 240 Unternehmen
und Institutionen in rund 350 Aktionen sichtbar gemacht, dass        Es gibt nicht „die“ Migrantinnen und Migranten als eine ho-
sie bereits jetzt erfolgreich auf vielfältige Teams setzen.          mogene Gruppe. Sie unterscheiden sich nicht nur durch das
                                                                     Herkunftsland und ihren Rechtsstatus, sondern auch durch
Übereinstimmend stellen die OECD in ihrer jüngsten Studie und        Alter, Familienstand, Bildungsgrad und soziale Verhältnisse.
der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen im Jahresgutach-        Integrationspolitik steht künftig verstärkt vor der Aufgabe,
ten 2013 fest: Deutschland entwickelt sich zum Magneten für          für diese unterschiedlichen Zielgruppen passgenaue und spe-
qualifizierte und hoch qualifizierte Unionsbürger/-innen und         zifische Integrationsangebote zu schaffen. Zuwanderung und
Drittstaatsangehörige. Im europäischen Vergleich hat Deutsch-        Integration müssen stets zusammengedacht werden und eine
land eine der liberalsten Zuwanderungsregelungen. Deutschland        höhere Verbindlichkeit der Integration erleichtert allen die Ak-
profitiert wirtschaftlich von der derzeitigen Einwanderungswel-      zeptanz der Vielfalt.
le. Ich will einen weiteren Punkt anfügen, der für eine Verbes-
serung der Willkommens- und Anerkennungskultur in unserem
Land steht. Es geht um die beruflichen Perspektiven von Zu-          Website der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und
wanderern und ihre Integration in den Arbeitmarkt. Mit dem           Integration hier.
„Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im
Ausland erworbener Berufsqualifikationen“, dem sogenannten
Anerkennungsgesetz, wurden die Grundlagen geschaffen, im
Ausland erworbene Berufsqualifikationen für den deutschen

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