Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland
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Mitteilungen 2018 ISSN 1865-6749 | Heft 40 (25. Jahrgang) im Fokus Europäisches Kulturerbe stiftet Identität und Zusammenhalt Museumsdefinition ICOM-Ethikkodex bestimmt den Handlungsrahmen In eigener Sache Wechsel in der Geschäftsstelle von ICOM Deutschland
What’s your storage challenge Besuchen Sie uns auf dem Internationalen Bodensee- Symposium der ICOM-Nationalkomitees von Deutschland, Österreich und der Schweiz vom 21. bis 23. Juni 2018
Editorial Foto: ICOM Liebe ICOM-Mitglieder, für die diesjährige Ausgabe der Mitteilungen haben wir nen. Es wäre schön, wenn wir Sie für unser Internationales wieder eine Fülle an neuen Informationen und Beiträgen Bodensee-Symposium einplanen dürften, um Erfahrungen zusammengestellt und hoffen, dass wir Sie damit über die auszutauschen und neue Strategien zu entwickeln. Melden aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden halten und Sie sich bitte rechtzeitig an und denken Sie an die Hotelre- zudem noch einmal Revue passieren lassen, was auf den servierung! Wir arbeiten parallel bereits an neuen Themen, vergangenen Tagungen diskutiert wurde. Dies zusammen die wir anpacken wollen. Einige davon werden wir schon gibt Ihnen Gelegenheit, sich zumindest ausschnitthaft Ein- bei den June Meetings in Paris mit unseren Partnern vor- blicke über die vielfältigen Aktivitäten von ICOM Deutsch- besprechen und planerisch vorbereiten. Wir halten Sie auf land, aber auch der internationalen Komitees zu verschaffen. dem Laufenden. Neben den Mitteilungen und zahlreichen Informationen Nach einer Vakanz von sechs Monaten ist die Position auf unserer Homepage sowie den Social-Media-Kanälen der Geschäftsführung durch Dr. Klaus Staubermann nun ist es jedoch immer ganz besonders befruchtend und in- auch wiederbesetzt. – Dieser Übergangssituation ist ge- spirierend, wenn wir uns als Mitglieder der ICOM-Com- schuldet, dass die diesjährige Ausgabe der Mitteilungen in munity auf den Tagungen und Konferenzen begegnen und die Zeit der Nachbereitung des 41. Internationalen Muse- aktiv in den Dialog über Fachthemen einsteigen und eben- umstages 2018 fällt. Wir hoffen, dass Sie am 13. Mai er- so intensiv Verbindungen aufbauen und vertiefen. Im ver- eignisreiche Veranstaltungen in Ihren Museen erlebt ha- gangenen Jahr galt unsere Jahrestagung, die wir erstmals ben. – Die gesamte Interimszeit hat Beate von Törne als neues Modell der Kooperation mit fünf skandinavischen kommissarisch die Geschäftsstelle geleitet, wofür wir ihr Komitees ausrichteten, den difficult issues. Das Tagungs- nachhaltig danken. Sie hat dies mit großem persönlichen thema bot viel Stoff und die Chance, sehr disparate The- Einsatz gemeistert und dabei den arbeitsintensiven Jahres- men und Sujets vorzustellen und gemeinsam zu besprechen. wechsel sowie Start ins Jahr 2018 bravourös überbrückt. Hier wurde wieder einmal in besonderem Maß der typische Mein Team in der Geschäftsstelle, der Vorstand und ich ICOM-Spirit sichtbar, als selbst in den Pausen und bei Ex- freuen uns, wenn wir uns begegnen. Bei ICOM oder ziel- kursionen die Vortragsthemen munter weiter diskutiert gerade im Museum, wurden. Wir werden in diesem Jahr wieder am Bodensee sein und bleiben – wie schon in Helsingborg – bei problematischen herzlichst Konditionen für Museen: „Museum: ausreichend – die ‚untere Grenze’ der Museumsarbeit“. Dies entspricht – wie wir finden – in vielteiligen Facetten dem Museumsall- tag zahlreicher Institutionen in unserem Lande, insbeson- dere dann, wenn sie eher kleineres oder mittleres Format repräsentieren. Oftmals im Museumsbetrieb nur hinter vor Beate Reifenscheid gehaltener Hand offen zugegeben, werden die Referenten Präsidentin ICOM Deutschland einen Blick hinter die Kulissen und den scheinbaren Gla- mour geben. Die Wirklichkeit ist vielfach gezeichnet von Engpässen, fehlenden Budgets, mangelnden Fachstellen und einem immer spitzer gedrehten Rotstift der Kommu-
Inhalt Foto: Hunebedcentrum Foto: ICOM Aktuelles Internationale Komitees Sharing Heritage: bunt, vielfältig – und doch verbunden Ohne Ethik nicht mehr zu denken Das Europäische Kulturerbejahr in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Herausforderungen im Kulturgutschutz und der Umgang mit Fragen der Provenienz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Megalithic Routes – Megalithkultur verbindet Archäologische Freilichtmuseen in Europa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Drei Tage voller Begegnungen und Diskussionen Juni-Treffen 2017 in Paris: Über globale und Europäisches Kulturerbejahr: lokale Herausforderungen der Museumsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Forschen und bewahren für die Zukunft Mittels Forschung das Kulturerbe auf den Klimawandel Deutsche Mitglieder in offiziellen Positionen bei ICOM. . . . . . . . . 32 vorbereiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Tagungsberichte Museum: ausreichend – die „untere Grenze“ der Museumsdefinition Relevance 2017: Are We Trying Hard Enough? Internationales Bodensee-Symposium 2018. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 CECA – International Committee for Education and Cultural Action. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Wechsel an der Spitze der Geschäftsstelle von ICOM Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 The Role of Curators in Museum Research and Exhibits CIPEG – International Committee for Egyptology . . . . . . . . . . . . . . 36 Rückblick The Guardians of Contemporary Collecting and Collections Difficult Issues – was wir gelernt haben COMCOL – International Committee for Collecting. . . . . . . . . . . . . 37 Höhepunkte der Jahrestagung 2017 von ICOM Deutschland in Schweden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 The Narrative Power of Clothes COSTUME – International Committee for Museums and Protokoll der Mitgliederversammlung 2017. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Collections of Costume. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Art Deco in Decorative Arts and Design ICDAD – International Committee for Museums and Collections of Decorative Arts and Design. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 www.facebook.com/icomdeutschland https://twitter.com/icomdeutschland 2 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Foto: wikipedia.org, Ramblersen, CC-BY-SA-3.0 Foto: SMB, MEK, Ute Franz-Scarciglia Umschau Changing Rooms?! Permanent Displays and Their Storage NORDMUS – heißt Grenzen überwinden ICFA – International Committee for Museums and Deutsch-dänischer Museumsverbund als Plattform Collections of Fine Arts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 für die Zusammenarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Migration, Home, and Belonging daHEIM: Einsichten in flüchtige Leben ICME – International Committee for Museums Das Museum Europäischer Kulturen zu Aspekten der of Ethnography . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (erzwungenen) Migration im europäischen Kontext. . . . . . . . . . . . . 50 Memory Building: Engaging Society in Self-Relective Kulturgeschichte des Dichterhauses Museums Ein Projektbericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 IC MEMO – International Committee of Memorial Museums in Remembrance of the Victims of Public Crimes. . . . . . . . . . . . . . . 42 Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Linking Past and Future Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 ICOM-CC – International Committee for Conservation. . . . . . . . . . 43 Vorstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Copyright Flexibilities ICOM EUROPE – International Council of Museums Impressum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Europe Alliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018 |3
Internationaler Museumstag Weltweit jährlich seit: 1978 Beteiligte Staaten (2017): > 157 Beteiligte Museen weltweit (2017): 36.000 Beteiligte Museen in Deutschland (2017): 1.765 Termin 2018 in Deutschland: 13. Mai Zentrale Auftaktveranstaltung 2018: in Berlin Motto 2018 – international: Hyperconnected museums: New approaches, new publics Motto 2018 – deutsch: Netzwerk Museum. Neue Wege, neue Besucher Archäologische Freilichtmuseen Anzahl weltweit: > 500 · Anzahl Europa: > 400 · Anzahl Deutschland: 70 Anzahl der Besuche in Deutschland (2016): > 6.298.035 AKTuelles Kulturrouten des Europarates Beteiligte Staaten: 26 Kulturrouten insgesamt: 31 Kulturrouten in Deutschland: 19 Kandidaturen: 4 Europäisches Kulturerbejahr 2018 Beteiligte Staaten: 28 Institutionelle Partner: 32 Veranstaltungen insgesamt: 7.840 Veranstaltungen in Deutschland (erwartet): > 1.000 4 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Ak tue lles Sharing Heritage: bunt, vielfältig – und doch verbunden Die Europäische Kommission hat das Jahr 2018 zum Europäischen Kulturerbejahr erklärt. Die Idee: Den Menschen in Europa die Möglichkeit geben, ihren Kontinent neu und anders zu entdecken – als ein Europa, das vielfältig und bunt ist und den- noch mehr Verbindendes als Trennendes beheimatet. In Deutschland findet es un- ter dem Motto „Sharing Heritage“ statt. Uwe Koch, Björn Bernat Man muss gar nicht weit schauen, um die verbindenden Fünf Leithemen setzen thematische Schwerpunkte des Linien und Netze in Europa zu erkennen. Ganz im Gegen- Europäischen Kulturerbejahres in Deutschland: teil: An jeder Ecke findet man Orte, Gebäude und Objekte, die europäische Geschichte erzählen. Europa ist schließ- · Das Leitthema Europa: Austausch und Bewegung be- lich mehr als eine ökonomische Zweckgemeinschaft. Euro greift den Kontinent als dichtes Netz vielfältiger Bezie- pa ist ein einzigartiger Kontinent mit einer reichen Ge- hungen und Verwandtschaften, das seit jeher durch schichte, die sich nicht ausschließlich entlang der heutigen einen Austausch von Gütern, Waren aber auch kultu- politischen Grenzen erzählen lässt. Europa ist auch: eine reller Praktiken und (Wert-)Vorstellungen geprägt ist. Kulturgemeinschaft. 2018 ist ein Jahr zum Mitmachen, Dabeisein und Weiter- · Europa: Grenz- und Begegnungsräume wirft einen be- geben. Insbesondere junge Menschen werden als die „Kul sonderen Blick auf die verbindenden Aspekte von Gren turerben von morgen“ angesprochen. Das Aktive und Ak- zen und Nachbarschaftsräumen. tivierende steht im Mittelpunkt. So ist auch das Motto zu verstehen, mit dem sich der deutsche Beitrag präsentiert: · Die europäische Stadt, im Laufe von Jahrhunderten Sharing Heritage. gewachsen und stets im Wandel begriffen, bildet den Ausgangspunkt für ein weiteres Leitthema. Sie ist als Fünf thematische Schwerpunkte kultureller Schmelztiegel, aber auch als Lebens- und Alltagsort, zentraler Baustein unseres Kulturerbes. Das Europäische Kulturerbejahr 2018 wird zwar durch die Europäische Union ausgerufen, verantwortlich für die · Das Jahr 2018 steht auch im Zeichen europäischer Krie Umsetzung aber sind in erster Linie die einzelnen Mit- ge und Friedensschlüsse. Europa: Erinnern und Aufbruch gliedstaaten (und die mitwirkenden Länder außerhalb der will ins Gedächtnis rufen, dass die europäische Ge- Europäischen Union). schichte durch eine Kette vieler Konflikte sowie einen Im Auftrag von Bund, Ländern und Kommunen werden jahrhundertelangen Weg zu einem friedlichen Mitein die Beiträge hierzulande durch das Deutsche Nationalko- ander gekennzeichnet ist. mitee für Denkmalschutz koordiniert. Die Schirmherr- schaft hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über- · Europa: Gelebtes Erbe befasst sich mit der Suche nach nommen. Prominente Personen wie der Architekt Sir David Europas Selbstverständnis sowie dem besonderen Zu- Chipperfield und Schauspieler Daniel Brühl geben als Bot- sammenspiel von materiellem und immateriellem Kul- schafter dem Jahr eine öffentliche Stimme und Gesicht. turerbe. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018 |5
Ak tue lles WERDE TEIL UND TEILE! 2018 IST EUROPÄISCHES KULTURERBEJAHR! JETZT INFORMIEREN UND MITMACHEN AUF WWW.SHARINGHERITAGE.DE MOREPLATZ: EUROPA INSTALLATION, JAHRHUNDERTHALLE BOCHUM 2017 ©MOREPLATZ. FOLGEN SIE UNS UNTER #SHARINGHERITAGE, @KULTURERBEJAHR AUF 6 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Ak tue lles Spannende Ausstellungsprojekte camps den prähistorischen Spuren europäischer Kulturge- in ganz Deutschland schichte nach (siehe auch S. 8 ff., insbesondere S. 10). Die Museen in Deutschland spielten bei der Ausgestaltung Mitmachen? Ganz einfach! des deutschen Beitrags zum Europäischen Kulturerbejahr früh im Prozess eine wichtige Rolle. Mitglieder im fach- SHARING HERITAGE ist nicht von einigen wenigen lich begleitenden Nationalen Programmbeirat sind unter Großveranstaltungen, sondern von vielen und ganz unter- anderem der Deutsche Museumsbund, die Stiftung Preu- schiedlichen Aktivitäten geprägt. So haben sich bereits mehr ßischer Kulturbesitz und die Schlösser und Gärten in als 250 Projekte (Stand Mai) als offizielle Beträge zum Eu- Deutschland. Es war schnell klar: Um die angestrebte ropäischen Kulturerbejahr in Deutschland registriert. Breitenwirksamkeit des Jahres zu erreichen, müssen Mu- Ausstellungen, Schülerwettbewerbe, Musikfestivals: Al- seen und Ausstellungsprojekte ein integraler Bestandteil les ist dabei. So vielfältig, wie die Formate es sind, ist auch der Umsetzung sein. das Engagement hinter dem Kulturerbejahr. Das Jahr Nun, da das Europäische Kulturerbejahr auch offiziell trägt sich zu einem erheblichen Teil über die breite Begeis gestartet ist, lässt sich sagen: Dies ist gelungen! Unter den terung für die Thematik. Eine große Zahl an Aktivitäten Projekten finden sich gleich mehrere hochkarätige und in- wird durch kleinere Kultureinrichtungen, die Zivilgesell- novative Ausstellungsvorhaben. Am 28. April startet das schaft und auch private Einrichtungen initiiert. Die aller- Ausstellungsprojekt „Frieden. Von der Antike bis heute“ meisten dieser Veranstaltungen kommen dabei ohne eine in verschiedenen Museen in Münster: im LWL-Museum gesonderte staatliche Förderung aus. Europäische Union, für Kunst und Kultur, im Kunstmuseum Pablo Picasso, im Bund, Länder und Kommunen engagieren sich aber auch Stadtmuseum und im Archäologischen Museum der Uni- finanziell. versität. Im Jahr 2018 jährt sich schließlich nicht nur der Mitmachen geht ganz einfach: Projekte, die einen klaren Dreißigjährige Krieg, sondern auch der Westfälische Friede. Europabezug aufweisen und sich inhaltlich an den Leitthe Doch was bedeutet Frieden auf einem Kontinent, dessen men orientieren, können sich auf sharingheritage.de re Geschichte eben auch von vielen Brüchen und Konflikten gistrieren. Nach erfolgreicher Prüfung erfolgt dann die geprägt ist? Dieser Frage gehen nicht nur die Münsteraner Aufnahme auf die Online-Plattform und in den Veranstal- Ausstellungen, sondern auch die zwei weiteren Module im tungskalender wie auch in die zentrale Online-Kommuni- Gesamtprojekt „Frieden.Europa“ nach: Im Rathaus in kation. Außerdem dürfen die Projekte dann mit dem offizi- Münster wird am historischen Ort der Friedensschluss neu ellen Label „Ein Beitrag zum Europäischen Kulturerbejahr digital aufgearbeitet und in Osnabrück wird eine interna- 2018 – SHARING HERITAGE“ werben. tionale Jugendbegegnung („Labor Europa“) zum Thema Wir rufen alle Kommunen, Vereine und Kulturerbe-Insti- durchgeführt. tutionen auf, selbst ein aktiver Teil des Kulturerbejahres zu Ab dem 10. Mai rückt das Hansemuseum Lübeck einen werden. Lassen Sie uns diese große europäische Geschich- bislang musealisch wenig beachteten Aspekt des europä- te gemeinsam erzählen! ischen Kulturerbes in den Mittelpunkt: den Konsens. Ein- stimmigkeit ist heute ein wichtiges Prinzip der Entschei Das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz bei der Beauftrag- dungsfi ndung auf europäischer Ebene. Doch bereits die ten der Bundesregierung für Kultur und Medien (DNK) koordiniert im Hanse basierte als Institution auf diesem Grundsatz. Be- Auftrag von Bund, Ländern und Kommunen den deutschen Beitrag gleitet wird die Ausstellung durch ein umfangreiches Pro- zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 – SHARING HERITAGE. gramm, das sich vor allem an die Schulen der Region richtet. Schließlich eröffnet im September eine spektakuläre Schau Dr. Uwe Koch ist Leiter der Geschäftsstelle des DNK. Björn Bernat ar- im Berliner Gropiusbau. Unter dem Titel „Bewegte Zeiten. beitet als Referent der Geschäftsstelle des DNK; Archäologie in Deutschland“ zeigt das Museum für Vor- Bjoern.Bernat@bkm.bund.de. und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit dem Verband der Landesarchäologen frü- Weitere Informationen: he Zeugnisse der umfangreichen, weit verzweigten Kon- Sharing Heritage: www.sharingheritage.de takte und Beziehungen unserer Vorfahren. Twitter: @Kulturerbejahr und #sharingheritage Ebenfalls beteiligen sich das Archäologische Landes- museum Brandenburg („ARCHAEOMUSICA The Sounds and Music of Ancient Europe – 40.000 Jahre Musikgeschich- te Europas“), das Deutsche Architekturmuseum („märklin- MODERNE. Vom Bau zum Bausatz und zurück“) und das Emslandmuseum („Spurensuche im Bourtanger Moor“) mit offiziellen Beiträgen zum Europäischen Kulturerbejahr. Doch es müssen nicht immer Ausstellungen sein. Ein ganz anderer Ansatz zeigt sich zum Beispiel im Steinzeit- park Dithmarschen. Dort werden die European Heritage Volunteers eines ihrer insgesamt sieben Jugendfreiwil- ligenprojekte im Europäischen Kulturerbejahr durchfüh- ren. Fünfzehn junge Erwachsene aus ganz Europa gehen hier im Juli 2018 im Rahmen eines zweiwöchigen Work- ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018 |7
Ak tue lles Megalithic Routes – Megalithkultur verbindet Aus den Anfängen im Jahre 2005 ist ein Projekt mit europaweiter Ausstrahlung ge- worden. Nun sind weitere archäologische Freilichtmuseen eingeladen, das Bündnis aus archäologischer Denkmalpflege, Naturparks und Tourismus zu stärken. Ein Werdegang. Bodo Zehm Unter den vielen Möglichkeiten, die Effizienz von denk- sener Wertschätzung zu verhelfen. Eine wichtige Rolle in- malpflegerischen Maßnahmen zu steigern, nimmt eine nerhalb dieser Ausstellungen spielen dabei die Exponate, breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit einen besonders ho- die aus der unübersehbaren Vielzahl an Ausgrabungen der hen Rang ein. Im Vordergrund sollten dabei Bemühungen letzten gut zweihundert Jahre stammen. Ihre Präsentation stehen, Kulturdenkmale so darzustellen, dass sich daraus war und ist notwendig, um die tradierten Vorstellungen ein hohes Maß an regionaler Identität ergibt und damit über die „Steinzeitmenschen“ zu konkretisieren, Sachbezü- auf Seiten von lokalen Akteuren die Bereitschaft wächst, ge zur Alltagskultur der verschiedenen vorgeschichtlichen an der Übernahme von Verantwortung zum Erhalt von Epochen im Vergleich zur rezenten Lebenssituation herzu- kulturellem Erbe teilhaben zu wollen. stellen, das viel besprochene „Kultische“ an der Megalith- Nicht jedes Kulturdenkmal ist dafür geeignet. Vor allem kultur zu präzisieren und über die soziokulturellen Rahmen bei vorgeschichtlichen archäologischen Denkmalen sind bedingungen zu informieren, die den Anlass zu einer vor diese Voraussetzungen erst dann gegeben, wenn es ein über 5.000 Jahren erbrachten, „übermenschlich“ anmuten oberirdisch wahrnehmbares Erscheinungsbild gibt, das den Bauleistung gegeben haben. Darüber hinaus dienen die- eine aus sich selbst heraus wirksame Attraktivität besitzt. se Ausstellungen auch dem Zweck, einen Eindruck von der In derartigen Idealfällen können Denkmale Geschichte inhaltlichen Bandbreite der Megalithkultur zu geben, nicht nicht nur vermitteln und erlebbar machen, sondern besit- zuletzt im Hinblick auf deren unterschiedliche Erscheinungs- zen zugleich auratische Qualitäten, die in den vergange- formen, ihrer Entstehungsgeschichte, ihren europäischen nen Jahrhunderten zu einer von Generation zu Generation Verbindungen und der Geschichte ihrer Erforschung. weitergegebenen Oral History geführt haben. In Europa zählen die Megalithbauten zu den Paradebei- Deutschland macht den Anfang spielen einer solchen Denkmalkategorie. Seit Jahrhun- derten nehmen sie unter den vorgeschichtlichen Monu- Erst in jüngster Zeit kam es im Bereich der Vermittlungs- menten eine Sonderstellung ein. Heute stehen sie häufig im arbeit zu einer Initiative, das Thema Megalithkultur auch Mittelpunkt von vielfältigen Bemühungen, auf den hohen touristisch umfassend aufzuwerten und damit zu einer in- Wert von Landschaft als kulturelles Erbe und als Archiv tensiveren Verbreitung in allen Bevölkerungsschichten der Menschheitsgeschichte aufmerksam zu machen. Da- beizutragen. Dieses Projekt ging weder von den Museums- rüber hinaus werden die Anlagen seit Jahrzehnten auf- fachleuten noch den Archäologen aus, sondern von Touri- grund ihrer eindrucksvollen baulichen Merkmale gerne stikern. Im Dezember 2005 trafen sie sich zum ersten Mal auch in den verschiedensten medialen Zusammenhängen in Osnabrück, um über die Erarbeitung eines Konzeptes als Imageträger genutzt – sowohl auf lokaler als auch auf für eine touristische Ferienstraße zu sprechen, die „Straße überregionaler Ebene, um die touristische Attraktivität der Megalithkultur“ (SMK). einer Region oder einer Kulturlandschaft öffentlichkeits- 2008 wurde das Projekt erstmals öffentlich vorgestellt. wirksam darzustellen. Letztendlich stehen sie als Attrak- Anlass war der 12. Tag der Niedersächsischen Denkmal- tor auch im Vordergrund, wenn es darum gehen soll, die pflege am 23. Mai in Helmstedt mit dem Schwerpunktthe- besonderen Herausforderungen und die Leistungsfähig- ma „Denkmalpflege und Tourismus“. Am 26. Juni 2008 keit archäologischer Forschungsprojekte darzustellen, wie erfolgte in Papenburg bereits die erste grenzüberschreiten- es zuletzt das Schwerpunktprogramm „Frühe Monumen- de Präsentation innerhalb der im Ems-Dollart-Förderpro- talität und soziale Differenzierung“ der Deutschen For- gramm realisierten Projekte. Der dafür zuständige Vertre- schungsgemeinschaft gezeigt hat. ter des Europarats zeigte vor allem an der SMK großes Interesse und wünschte sich, „bald wieder von dem Pro- Rückblick jekt zu hören“. Seit dem 19. Jahrhundert existiert eine Vielzahl an Versu- Erste europäische Nachbarn kommen hinzu chen, die besondere Ausprägung dieser Monumente nicht nur an ihrem angestammten Platz erlebbar zu machen, Ende 2010 begannen die ersten konkreten Schritte in sondern ihnen vor allem im musealen Raum zu angemes- Richtung Ausweitung des Vorhabens auf die europäischen 8 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Ak tue lles Foto: Hunebedcentrum Hunebedcentrum in Borger: Das Museum erzählt, wie die Menschen vor rund fünftausend Jahren gelebt, wie sie ihre massiven Gräber gebaut und ihre Toten begraben haben. Nachbarländer. Dabei sollte es nicht so sehr um die grenz- stelle wurde der Verfasser. Am 27. August 2013 erfolgte überscheitende Verlängerung der Routenführung gehen, beim Megalithgrab Klekkendehøj im Westen der Insel Møn sondern um den Aufbau eines internationalen Netzwerks unter Beteiligung von Marianne Jelved, dänische Ministe- von archäologischen und touristischen Facheinrichtungen rin für Kultur, die offizielle Überreichung der Anerken- mit einer besonderen Affinität zum Thema Megalithkultur. nungsurkunde des Europarats. Noch im gleichen Jahr wur- Am 18./19. Februar 2011 lud das dänische Nationalinsti de einer der Arbeitsschwerpunkte der neuen Cultural Routes tut für Denkmalpflege Kulturstyrelsen nach Kopenhagen of the Council of Europe umgesetzt: die zeitgleiche Aus- zu einer ersten Abstimmung über die Voraussetzungen ei- richtung von eintägigen Publikumsveranstaltungen in je- ner solchen Zusammenarbeit ein. Weitere Teilnehmer ka- dem der vier Mitgliedsländer. Ab 2014 ist daraus der europa men vom Hunebedcentrum in Borger (Niederlande) und weite Tag der Megalithkultur geworden. Er findet jeweils dem Falbygdens Museum in Falköping (Schweden) – beides am letzten Sonntag im April unter Berücksichtigung eines museale Einrichtungen mit einem starken räumlichen und zentral vorgegeben Schwerpunktthemas statt. fachlichen Bezug zu nationalen Verbreitungsschwerpunk- ten der Megalithkultur. Das Bündnis wächst europaweit Dänemark stellte vor allem seine mit erheblichen natio- nalen Mitteln finanzierten Maßnahmen zur wissenschaft- Bis 2017 hat sich die Anzahl der Mitglieder von Megali- lichen Erforschung, Restaurierung und öffentlichkeitswirk thic Routes stetig erhöht, darunter auch Einrichtungen samen Erschließung der Megalithbauten auf der Insel Møn aus Großbritannien, Spanien und Portugal. Sehr zu be- in den Mittelpunkt seines Kooperationsbeitrags. Fazit war, grüßen ist aber nicht nur die Quantität, sondern vor allem dass die geplante Netzwerkgründung zum Ausbau der das breit gefächerte inhaltliche Spektrum der Mitglied- touristischen Infrastruktur und der Anerkennung als eu- schaften. Megalithic Routes weist heute eine große insti- ropäische Kulturroute von allen Beteiligten begrüßt wurde. tutionelle und fachliche Vielfalt auf, die vom ehrenamtlich Die Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück übernahm die geführten Archäologiemuseum über großflächige Natur- Vorbereitung der Antragstellung und die Koordinierung und Geoparks bis zu Tourismus-, Kultur- und Denkmal- aller dafür erforderlichen Maßnahmen. pflegeeinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft führt. Ihnen allen gemeinsam ist die Begeisterung für ein The- Anerkennung durch den Europarat ma, das schon der Europarat als großen Attraktor für die Darstellung von kulturgeschichtlich bedeutenden, grenz Am 23. August 2012 wurde in Falköping der Verein Mega- überschreitenden Gemeinsamkeiten der europäischen Län- lithic Routes e. V unter der Schirmherrschaft von Hans- der erkannt hat. Der Schirmherr von Megalithic Routes, Gert Pöttering, ehemaliger Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering, sieht in diesem Projekt „a reminder gegründet. Erster Vorsitzender und Leiter der Geschäfts- of our common European cultural heritage“. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018 |9
Ak tue lles Foto: Steinzeitpark Dithmarschen Wiederbelebte Geschichte im Steinzeitpark Dithmarschen: in Originalgröße rekonstruierte Bauten, die sich an archäologischen Vorbildern orientieren. Megalithic Routes: Vermittlungsstrategien kultur und zugehöriger Exponate in einer räumlichen Ein- heit oder wenigstens in räumlicher Nähe zueinander be- Von Anfang an war ausschlaggebend, dass bei der Projekt finden. arbeit Vermittlungsaufgaben im Vordergrund stehen soll Nur wenige Freilichtmuseen in Europa erfüllen diese ten. Wie anfangs erwähnt, spielen dabei traditionell die Voraussetzung. Das Projekt „Megalithic Routes“ kann musealen Einrichtungen eine hervorgehobene Rolle. Nicht sich glücklich schätzen, einige dieser Einrichtungen zu sei- immer ist es möglich und sinnvoll, ähnlich wie im Fall von nen Mitgliedern zählen zu dürfen. Jedes dieser Museen Welterbestätten wie Stonehenge in Südengland oder New- hat sein eigenes Profil in Bezug auf die beschriebenen Ver- grange in Irland zu verfahren und diese Museen oder Be- mittlungsaspekte. sucherzentren in unmittelbarer Nachbarschaft zu Me Beispiel Hunebedcentrum: Eine nahezu ideale Konstel- galithbauten zu errichten. Die Regel ist, dass sich die lation finden wir beim Hunebedcentrum in Borger in der Ausstellungsgebäude in größerer Entfernung zu den Mo- niederländischen Provinz Drenthe. Ursprünglich als reines numenten befinden, der Besucher also, um ein umfassendes Ausstellungsgebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zum und nachhaltiges Bild vom Ausstellungsthema zu bekom- größten Megalithgrab (Hunebed) der Niederlande gedacht, men, wenigstens zwei, meistens aber mehrere Standorte bereichert heute ein rund fünf Hektar großer „Urzeitpark“ weit außerhalb der Ausstellungsgebäude aufsuchen muss. mit Originalnachbauten von vorgeschichtlichen Hofanla- Auf diesem Wege ist es nicht möglich zu verdeutlichen, in gen sowie einem großen Findlingsgarten mit mehr als hun- welcher Weise die an den jeweiligen Standorten themati- dert Einzelsteinen ein umfassendes Bild von der Jungstein- sierten Einzelaspekte inhaltlich einen in sich geschlossenen zeit. Wegen seiner zentralen Lage im Geopark Hondsrug, Raum bilden. So fallen kognitive Rezeption, wie sie die dem Verbreitungsschwerpunkt der Megalithkultur in den Museumsausstellung ermöglicht, und sinnliches Erleben, Niederlanden, bietet es für alle Besucher über das reine wie es die Steinarchitektur in der Landschaft vermittelt, Museumserlebnis hinaus zahlreiche Exkursionsmöglich- auseinander. Archäologische Freilichtmuseen haben dage- keiten und Anknüpfungspunkte an geologische und land- gen den großen Vorteil, dass sie in dieser Hinsicht inte- schaftsgeschichtliche Themen. grativ wirken können. Zusätzlich bieten sie dem Besucher Beispiel Steinzeitpark Dithmarschen: Ähnliches gilt für durch ihre erlebnisorientierte Vermittlungsstrategie die das Open-Air-Museum Steinzeitpark Dithmarschen in Möglichkeit, auch die zu den Megalithbauten gehörige Albersdorf/Schleswig Holstein, zumindest was das archä- Alltagskultur auf anschaulichem Wege kennenzulernen. ologische Fachangebot betrifft. Zwar ist die räumliche Voraussetzung für ein Gelingen dieser Integrationsleistung Konstellation der Bereiche Museum und Park nicht ganz ist allerdings, dass sich sowohl das Erleben der Original so ideal wie im Hunebedcentrum, dafür ist hier der Open- architektur in einer natürlich anmutenden Umgebung als Air-Bereich mit einer Größe von vierzig Hektar um ein auch die Präsentation der zeitlich entsprechenden Alltags- Vielfaches größer als in Borger. Darüber hinaus ist in Al- 10 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Ak tue lles Foto: Freilichtmuseum Ekehagen Freilichtmuseum Ekehagen: Entlang eines naturnahen Weges findet man rekonstruierte Siedlungsplätze, die verschiedene Aspekte aus der Stein-, der Bronze- und der Eisenzeit widerspiegeln. bersdorf das landschaftliche Umfeld des Museumsgeländes derlich sein, die Arbeitsfähigkeit der Geschäftsstelle in Os- stärker in die Gesamtkonzeption integriert, indem es zahl- nabrück weiter auszubauen. Vorstand und Mitglieder von reiche vom Museum ausgehende Rundwanderwegen entlang Megalithic Routes e. V. würden es sehr begrüßen, weitere gut erhaltener Megalithbauten und anderer vorgeschicht- Freilichtmuseen zu seinen Mitgliedern zählen zu dürfen. licher Denkmale gibt. Auf diese Weise ist hier eine Einheit entstanden, die „Archäologie zum Anfassen“ innerhalb Bodo Zehm ist Geschäftsführer des in Osnabrück ansässigen Vereins und außerhalb der kostenpflichtigen Bereiche anbietet. Megalithic Routes e. V. Zuvor war er viele Jahre Leiter des Fachdiens- Beispiel Falbygden Museum: Besonders erfreulich ist tes Archäologische Denkmalpflege der Stadt Osnabrück; auch die Mitgliedschaft des Falbygden Museums in Fal- info@megalithicroutes.eu. köping/Schweden und dem damit verbundenen Freilicht- museum Ekehagen. Der Nachteil, dass beide etwa zwan- Weitere Informationen: zig Kilometer voneinander entfernt sind, wird ansatzweise Megalithic Routes: www.megalithicroutes.eu dadurch ausgeglichen, dass sie als Teil eines großräumig Die Megalithic Routes sind Teil der Cultural Routes of the Council of konzipierten sogenannten Ecomuseums auftreten und in Europe, die anhand verschiedener Themen von Europas Gedächtnis, der Öffentlichkeitsarbeit entsprechend beworben werden, Geschichte und Erbe erzählen und zum Verständnis der Vielfalt zusammen mit anderen kultur- oder landschaftsgeschicht- Europas beitragen. Das Projekt wird gefördert durch: lich bedeutenden Orten. Damit gehört dieses archäologische Freilichtmuseum in Schweden zu einem kulturtouristischen Verbundsystem, bei dem die Idee der ganzheitlichen Ver- mittlung der Mensch-Zeit-Raum-Beziehungen im Vorder- grund steht. Ausblick Alles in allem bleibt festzuhalten, dass es mit der Mit- gliedschaft von Freilichtmuseen gelungen ist, aus den vor- sichtigen Anfängen im Jahre 2005 heraus ein Projekt mit vielgestaltiger, europaweiter Ausstrahlung zu entwickeln – sehr zum Nutzen einer denkmalpflegerischen Aufwertung und Würdigung der ältesten baulichen Zeugnisse der eu- ropäischen Geschichte. Aufgrund der damit verbundenen Vielfalt der Anforderungen wird es für die Zukunft erfor- ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018 | 11
Ak tue lles Europäisches Kulturerbejahr: Forschen und bewahren für die Zukunft Im Dezember 2017 wurde das Europäische Jahr des Kulturerbes eröffnet und im Januar 2018 fand die deutsche Auftaktveranstaltung statt. Das Kulturerbe steht da- mit prominent im Mittelpunkt – eine Chance für mehr Forschung und Nachhaltig- keit zum Erhalt des kulturellen Erbes in Zeiten des Klimawandels. Johanna Leissner, Constanze Fuhrmann Nach zwei Weltkriegen leben wir Europäer seit mehr als präventiven Konservierung. Doch zu berücksichtigen ist siebzig Jahren in Frieden und Wohlstand. Diese Erfolgsge- auch die ökologische Optimierung interner Abläufe, die von schichte manifestiert sich in unserem Kulturerbe – dazu grünem Ausstellungsdesign über umweltfreundliches Ma- zählen die historisch gewachsenen Städte mit ihren Denk- nagement, von Kunsttransport, Besucheranbindung oder malen ebenso wie unser technisches Kulturerbe, das Zeug- Café- und Museumshops bis hin zur Reduzierung von Ab- nis ablegt von den Innovationen und dem Erfindungsreich- fall reichen. Erste Schritte in diese Richtung wurden be- tum unserer Vorfahren. Das sich darin materialisierte reits in der angelsächsischen Museumswelt umgesetzt. Wissen scheint angesichts der Bedrohung durch den Klima Gesellschaft und Kultur: Zum Thema Nachhaltigkeit im wandel von existentieller Bedeutung. Die Frage lautet da- Museumsbetrieb gehört auch die Bedeutung von Museen her: Wie können wir unser Kulturerbe so effizient und nach- für die Gesellschaft sowie der Arbeitssituation des Personals. haltig wie möglich erhalten? Inwieweit wird Kulturerbe Mitarbeitermanagement, Arbeitsschutz oder angemessene selbst von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen Arbeitsbedingungen spielen dabei ebenso eine Rolle wie der sein? Diese Herkulesaufgabe werden wir ohne multidiszi- museale Bildungsauftrag, die stärkere Integration von Kin- plinäre Forschung und Innovation nicht meistern können. dern, Älteren und Bürgern mit besonderen Bedürfnissen Doch gibt es seit 1997 in Deutschland kein nationales For- oder Migrationshintergrund sowie die Sicherung des Pub schungsprogramm zur Erhaltung unseres Kulturerbes mehr, likums von morgen. Auch bezieht sich die gesellschaftliche mit dem nachhaltige, klimagerechte Lösungen für unsere und kulturelle Dimension auf Fragen des Sammlungsma- Kulturgüter erarbeitet werden. So müssen wir gerade im nagements sowie auf präventive Konservierungsmaßnah Europäischen Jahr des Kulturerbes diese Fragen diskutieren, men. denn es geht darum, in welcher Welt, in welchem Europa Ökonomie: In Zeiten reduzierter Museumsbudgets be- wir leben wollen. treffen die inner- und außerbetrieblichen Zusammenhänge von Nachhaltigkeit auch das Wirtschaften. Ein nachhal- Nachhaltiges Museum – mehr als nur going green tiges Museumsmanagement muss über Kostenreduzierung und innovative Strategien zur Mittelbeschaffung nachden- Das Thema Nachhaltigkeit stellt auch Kulturerbeeinrich- ken. tungen vor eine große Herausforderung. Denn ihre Aufga- be, die Kunst- und Kulturgüter für gegenwärtige und zu- Stand in Deutschland künftige Generationen aufzuarbeiten und zu bewahren, ist untrennbar mit dem Begriff der Nachhaltigkeit verbunden. Im deutschsprachigen Raum verfügen Museen über den Vor dem Hintergrund sich verändernder Rahmenbedingun traditionellen Ansatz hinaus über ein erweitertes Selbst- gen wie Klimawandel oder prekäre Finanzsituation sind verständnis ihrer Aufgaben und Funktionen. Jedoch wird auch Kultureinrichtungen mit der Frage konfrontiert, was die Ausarbeitung eines ganzheitlichen Ansatzes zur Nach- sie zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen und wie haltigkeit bisher wenig beachtet. Demzufolge wird bei sie für eine nachhaltige Zukunft gestaltet werden können. ICOM Deutschland der Begriff Nachhaltigkeit nur im Zu- Denn auch die Prozesse innerhalb eines Museums ver- sammenhang mit dem Bildungsauftrag von Museen er- brauchen Ressourcen und verlaufen in sozialer Hinsicht wähnt. Der Deutsche Museumsbund definiert für die Mu- nicht immer problemlos. Nachhaltigkeit im Museumskon- seumsarbeit relevante Themenbereiche zur Klassifizierung, text bedeutet daher mehr, als nur grün zu sein, und muss Organisation, Vermittlung und zum Schutz und Erhalt drei Dimensionen in einem ganzheitlichen Ansatz vereinen. von Objekten, ohne diese jedoch mit den Nachhaltigkeits- Ökologie und Umwelt: Die klimatischen Veränderungen kriterien in Beziehung zu setzen. Anders ist das Bewusst- erfordern neue Ansätze für das Gebäude- und Sammlungs- sein hingegen in Australien, Großbritannien oder den USA. management. Wie Verbrauch und Kosten von Energie re- So führte die Museums Association mit Sitz in London im duziert und gleichzeitig das Innenraumklima kontrolliert Jahre 2008 eine Kampagne durch, um nachhaltige Prozesse werden kann, um für Sammlungen und Besucher ideale auf Museumsebene zu etablieren und diese in den Muse- Umgebungsparameter zu schaffen, sind zentrale Fragen der umsalltag zu verankern. 12 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Ak tue lles Energieeffizienz, Klimaadaptation, Folgen des Klima- wandels – um das Thema Nachhaltigkeit auch in Deutsch- land stärker in den Museumsdiskurs zu bringen, sind in den vergangenen Jahren einige Aktivitäten initiiert worden, so etwa die Vortragsreihe „Das grüne Museum – Effizienz und Nachhaltigkeit in Museen“, die von der Forschungs- allianz Kulturerbe in Zusammenarbeit mit der Deutschen Foto: Mattes, wikimedia, public domain Kongress GmbH seit 2010/2011 durchgeführt wird.1 Auch die 2013 im Rahmen der Forschungsallianz Kulturerbe organisierte Konferenz „Konservierungswissenschaft und nachhaltige Entwicklung für die Erhaltung von Kunst- und Kulturgut“ betrachtete die drei wichtigen Bereiche der Nachhaltigkeit aus konservierungswissenschaftlicher Per- spektive. Thematischer Schwerpunkt war das Materialver- halten von Objekten unter bestimmten Umgebungsparame- tern wie Klima, Temperatur oder Feuchte. Trotz mancher Einzelinitiativen steht im deutschspra- Mittels Forschung das Kulturerbe auf den Klimawandel vorberei- chigen Raum eine umfassende Auseinandersetzung mit der ten: Im Rubenssaal der Alten Pinakothek in München könnten stei- Relevanz von Nachhaltigkeit für den gesamten Kulturer- gende Temperaturen und Luftfeuchtigkeit mit einer ausgetüf- bebereich noch immer aus. Es gibt keine Sammlungsein- telten Klimatisierung kompensiert werden. richtung, die in ihrem Leitbild das Konzept der Nachhal- tigkeit verbindlich verankert hat. Ausblick zugehen und sie für nachfolgende Generationen zu erhal- ten. Nutzen wir das Europäische Jahr des Kulturerbes, um Die Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt seit Jahrzehnten Nachhaltigkeit, Klimawandel und Digitalisierung anzu- neue Methoden für eine nachhaltige präventive Konservie- packen und die Forschungsaktivitäten der vergangenen rung und trägt damit zur Umsetzung des Konzeptes Nach- Jahrzehnte verstärkt weiterzuführen! Denn Kultur ist es, haltigkeit im Kultursektor bei. Im Jahre 2007 hat sie sich was uns Menschen ausmacht, Nachhaltigkeit erfordert von auf den Weg gemacht, auch in der eigenen Organisation uns Anpassungen und Forschungsergebnisse geben uns die Nachhaltigkeit umzusetzen. Mitarbeiter und Mitarbeite- Instrumente in die Hand. rinnen haben dazu ein Netzwerk gegründet, an dessen Ak- tivitäten der Vorstand im Jahre 2010 mit seinem internen Dr. Johanna Leissner ist wissenschaftliche Repräsentantin der Projekt „Strategie Nachhaltigkeit“ angeknüpft hat. Es zielt Fraunhofer-Gesellschaft bei der Europäischen Union in Brüssel und darauf, durch Partizipation, Kommunikation und Inter- Mitbegründerin der Forschungsallianz Kulturerbe und des Fraun disziplinarität eine für die gesamte Fraunhofer-Gesellschaft hofer-Netzwerks Nachhaltigkeit; johanna.leissner@zv.fraunhofer.de. gültige Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten. Eine ähnliche Vorgehensweise könnte auch im Museums- Constanze Fuhrmann M.A., M.Sc. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kulturerbesektor die Implementierung von Nachhal- im Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung im Com- tigkeit in Gang bringen. Die Umsetzung in die Praxis und petence Center for Cultural Heritage Digitization; Geschäftsprozesse ist nicht kurzfristig zu erreichen und constanze.fuhrmann@igd.fraunhofer.de. muss als Chefsache angesehen werden. Ein erster Schritt ist ein Leitfaden für eine Nachhaltig- Weitere Informationen: keitsstrategie. Basierend auf Nachhaltigkeitsindikatoren Die abgedruckte Textfassung wurde stark gekürzt. Vollständige Fassung dient er der Planungs- und Entscheidungsfindung für mehr des Beitrags unter www.icom-deutschland.de/publikationen.php Nachhaltigkeit im Museumsmanagement und soll Museen darin unterstützen, eine Bilanz über die aktuelle Situation Zur Thematik Nachhaltigkeit siehe auch Kelm, Rüdiger: Bildung für zu ziehen sowie klare Akzente für zukünftige Nachhaltig- nachhaltige Entwicklung. In: Von der Weltausstellung zum Science keitsziele zu setzen. Lab. Handel – Industrie – Museum. Hrsg. von ICOM Deutschland, Museen sind Orte von besonderer Bedeutung, um das 2017, S. 145 f. Konzept der Nachhaltigkeit voranzutreiben – sie haben die Verantwortung, die Menschen darüber zu informieren, wie wir auch im Kulturerbebereich unseren Beitrag leisten können, ressourcenschonend mit unserer Geschichte um- 1 Die Forschungsallianz Kulturerbe wurde 2008 durch die Fraunhofer-Gesell- schaft, Leibniz-Gemeinschaft und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ge- gründet und 2014 mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Sächsischen Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek erweitert, um die ge- meinsamen natur-, geistes- und kulturwissenschaftlichen Kompetenzen im Bereich des Kulturgüterschutzes zu bündeln und den Wissenstransfer zwi- schen Forschung und Restaurierungspraxis national und international zu in- tensivieren. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018 | 13
Ak tue lles Museum: ausreichend – die „untere Grenze“ der Museumsdefinition Die nationalen ICOM-Komitees aus Deutschland, Österreich und der Schweiz la- den zum Internationalen Bodensee-Symposium 2018 ein. Vom 21. bis 23. Juni werden in Friedrichshafen rund zweihundert Museumsexperten erwartet, die das Thema Museumsdefinition sowie damit verbundene Handlungsspielräume und Entwicklungsmöglichkeiten von Museen diskutieren. sondern als Problem, Mindestmaße zu benennen, mit denen Definitionsbe- standteile von allen Museen zu erfül- len sind. ICOM als Weltverband der Museumsfachleute schließt immer Meinungsvielfalt und verschiedene Foto: Xocolatl, wikimedia, public domain Traditionslinien ein. Das Internatio- nale Bodensee-Symposium ermöglicht den Meinungsaustausch in einem ge- meinsamen Sprachraum: Haben die Schweiz, Österreich und Deutschland dieselbe Vorstellung vom Mindestmaß der Museumsarbeiten? Wo liegen hier besondere Chancen und Gemeinsam- keiten? Das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen Die „untere Grenze“ der Museums- definition geht alle Museen an, weil sie nicht nur von museumsähnlichen Institutionen abgrenzt, sondern auch Sowohl in den Massenmedien als auch seen alles möglich, was gefällt und Handlungsspielräume und Entwick- in den Selbstdarstellungen von Museen finanziert wird, oder nicht? Gibt es lungsmöglichkeiten aufzeigt – worauf überwiegen Berichte, die das beson- Wissensbestände und Leistungen, die verzichtet werden könnte, worauf ders gut Gelungene, das Spektakuläre man von jedem Museum erwarten nicht, welche Verzichtforderung un herausstellen: ein Aufsehen erregender darf – ganz gleich, wer der Eigentümer ethisch wäre; in welchen Aspekten Neubau, eine sensationelle Neuerwer ist, welche Aufgaben das Museum er- Schwächen liegen, die ausgeglichen bung, lange Warteschlangen vor einer füllt, wie viel Kapital und Personal zur werden müssen; welche Leistungen innovativen Wechselausstellung. Aus Verfügung stehen? deutlich über dem Mindestmaß liegen zeichnungen und Gütesiegel haben Viele Museen klagen über mangeln und wie man diese Stellung ausnutzt. dieselbe Tendenz, Spitzenleistungen de Ressourcen und über steigende An Wir laden Sie herzlich zum Interna- und „Best Practice“ bekanntzuma- sprüche des Publikums wie auch der tionalen Bodensee-Symposium 2018 chen. Gespräche unter Museumsfach Rechtsträger. Nur wenige Museen kön ein. In diesem Rahmen wird auch die leuten kreisen oftmals um das genaue nen die Spitze des Machbaren errei- Mitgliederversammlung von ICOM Gegenteil: Kernthemen sind hier zum chen; viel wichtiger ist der Konsens, Deutschland stattfinden. Wir freuen Beispiel die politische Fürsprache für was auf welchem minimalen Niveau uns auf die Begegnung und den Mei- Museen ohne Sammlungen, katastro- von allen Museen erwartet werden nungsaustausch mit Ihnen! phale konservatorische Bedingungen kann: Wie viele Dinge muss eine in einem teuren Neubau, Museums- Sammlung mindestens haben? Was ist Vorstand von ICOM Deutschland inhalte ohne jeden Ansatzpunkt für der in allen Museen erreichbare Min- Forschung, multimediale Daueraus- deststandard präventiver Konservie- stellungen, die weder Musealien noch rung? Was bedeutet Forschung im Weitere Informationen: irgendein Vermittlungsangebot zu be Mindestmaß? Gibt es eine von allen Tagungsort: Zeppelin-Museum, nötigen scheinen. Museen zu fordernde Ausprägung von Seestraße 22, Friedrichshafen Das Internationale Bodensee-Sym- „Kommunikation / Vermittlung“? Anmeldung und Programm: posium 2018 stellt Fragen, die sich Im Kern ist die Museumsdefinition www.icom-deutschland.de/tagung zwischen diesen Extrempolen von Ju- Tagungsthema, aber nicht als eine Lis Hinweise zu Reisebeihilfen: bel und Jammer bewegen: Ist in Mu- te möglicher Merkmale von Museen, www.icom-deutschland.de 14 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Ak tue lles Wechsel an der Spitze der Geschäftsstelle von ICOM Deutschland Am 1. April 2018 hat Dr. Klaus Staubermann die Geschäftsführung von ICOM Deutschland übernommen. Er wird nicht nur das Team in Berlin verstärken und dazu beitragen, dass sich organisatorische Abläufe schneller und effektiver gestal- ten, sondern er wird auch maßgeblich an der Positionierung von ICOM Deutsch- land mitwirken. Foto: ICOM Deutschland Foto: ICOM Deutschland Mit Herrn Dr. Klaus Staubermann konnten wir einen Wis- senschaftler gewinnen, der in den vergangenen zehn Jah- ren am National Museum of Scotland als leitender Kura- tor für Wissenschaft und Technik verantwortlich war. Zuvor waren seine beruflichen Stationen die Alexander- von-Humboldt-Stiftung in Bonn, die Universität Utrecht und das Deutsche Technikmuseum Berlin. Als Gründungs- Er löst damit Johanna Westphal ab, die nahezu achtzehn mitglied des europäischen Netzwerks Universeum war er Jahre die Geschäftsstelle geleitet hat. Sie kann dabei auf unter anderem von der Königlichen Akademie der Wissen- eine erfolgreiche Zeit zurückblicken, da sie an der Seite des schaften in Schweden eingeladen, um an dem Konzept des damalig amtierenden Präsidenten von ICOM Deutschland, neuen Museumsviertels in Stockholm mitzuwirken. Als Professor Hans-Martin Hinz, die Geschäftsstelle mit auf- Wissenschaftler steht er für Nachhaltigkeit und befasste gebaut hat. In ihrer Zeit als Geschäftsführerin entwickelte sich bereits in zahlreichen Projekten und Veröffentlichun sich ICOM Deutschland zu einem wichtigem Partner für gen mit dem kulturellen Erbe. Dies sind wichtige Voraus- das Museumsnetzwerk nicht nur in Deutschland, sondern setzungen und bringen für ICOM Deutschland ein neues auch weltweit. Johanna Westphal begleitete und unter- Potenzial der wissenschaftlichen Vernetzung. stützte von 1999 bis zu ihrem Weggang Ende Oktober Bei ICOM Deutschland wird er maßgeblich an der Ent- 2017 fünf verschiedene Präsidenten von ICOM Deutsch- wicklung von Inhalten und Projekten mitwirken und diese land und sorgte für die Kontinuität der Arbeit des Ver- entsprechend nach außen hin vertreten. Wir sind uns sicher, bandes. Für viele im ICOM-Kreis war sie die Ansprech- mit ihm einen kollegialen Partner gefunden zu haben, dem partnerin über Jahre und damit Identifikationsfigur. In auch nicht die notwendige Portion an Humor und Gelas- den Jahren ihres Wirkens als Geschäftsführerin ist die Mit- senheit fehlt. Mag sein, dass britischer Humor sich bereits gliederzahl auf nahezu sechstausend angewachsen und während seiner Schottlandjahre eingeschlichen hat. Auch ICOM Deutschland somit zum mitgliederstärksten Natio- verriet er uns nach seiner Berufung im Dezember 2017, dass nalkomitee innerhalb des Weltverbands geworden. Sie hat er den Jahreswechsel mit Freunden verbringen wolle, um ICOM Deutschland verlassen, um sich nun neuen Aufga- am dunkelsten Ort in Deutschland Sterne zu beobachten. ben zu widmen. Wir danken Johanna Westphal für die Wir sind gespannt, welche Sterne er für uns am Museums- geleistete wertvolle Arbeit in der Geschäftsstelle. himmel entdecken wird. ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018 | 15
Besuchermagnet Museum Durchschnittlicher Anteil der Bevölkerung der Europäischen Union über 16 Jahren, die im Jahre 2015 ein Museum /Ausstellungsareal besucht haben 43,4 % davon höchster Anteil davon niedrigster Anteil in Schweden 67,2 % in Bulgarien 14,6 % Rückblick Jahrestagung 2017 von ICOM Deutschland Anzahl der Tagungsteilnehmer insgesamt: 291 Anzahl der Referenten: 27 Anzahl der beteiligten ICOM-Nationalkomitees: 6 Öffentliche Kulturausgaben in Deutschland für Museen, Sammlungen und Ausstellungen (2013): 1,9 Milliarden Euro Anzahl der Museen in Deutschland insgesamt: 6.710 Anzahl der Beschäftigten in Museumsberufen in Deutschland (2015): 15.000 16 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Rückblick Difficult Issues – was wir gelernt haben Wie können Museen mit umstrittenen Themen und Objekten umgehen, welche Strategien unterstützen sie in ihrer Aufgabe, das kulturelle Erbe verschiedener Gemeinschaften zu präsentieren? Anhand zahlreicher Beispiele haben rund zwei- hundert Museumsexperten vom 21. bis 23. September 2017 auf der Jahrestagung von ICOM Deutschland vertraute Praktiken und neue Konzepte diskutiert. Fazit: An einem ehrlichen Dialog mit allen Beteiligten über die Frage, was und wie erin- nert werden soll, kommen Museen nicht vorbei, wenn sie für die Gesellschaft re- levant sein wollen. Ursula Röper Ein zauberhafter, ein etwas verträum- aus den ICOM-Komitees von Island, Managing the „Other“ ter Ort am blauen Wasser des Öre- Norwegen, Schweden, Finnland, Dä- Terje Anepaio, Kristel Rattus sund: Das ist das weiß getünchte Hel- nemark und Deutschland waren zu singborger Dunkers Kulturhus, der dieser internationalen Konferenz 2017 Last October, the Estonian National Ort, an dem ICOM Deutschland mit zusammengekommen. Museum (ENM) opened its new building fünf ICOM-Nationalkomitees aus and new core exhibitions. With the core Nordeuropa seine Jahrestagung 2017 „Problemzonen“ des exhibition about Estonian culture, the abgehalten hat. Die Segelboote am Kai musealen Alltags “Encounters”, the ENM has introduced seve- schaukeln vor der Außentribüne im ral new topics as well as novel approaches, sonnigen kühlen Wind. Durch deren Doch was verstehen wir unter difficult which highlight the points of contact bet- Masten hindurch schimmert am ge issues in der heutigen musealen Ar- ween different social groups, and stresses genüberliegenden dänischen Ufer das beit? Von über achtzig internationalen the importance of tolerance and equality. stolze Schloss Kronborg, vor allem be- Einsendungen wurden 24 verschiede The largest minority in Estonia is the kannt durch Shakespeares Tragödie ne Fallbeispiele in acht Sektionen vor- Russian-speaking community. Amazingly, „Hamlet“. Die schwedischen Herren gestellt: Sie handelten von ethischen it has not been common to exhibit the von Helsingborg wiederum hatten Herausforderungen im Sammeln und culture of Russian-speaking minority in einstmals dem dänischen Schloss in Ausstellen von komplizierten Objekten Estonian museums. In the Estonian media, Helsingør die Festung Kärnan gegen- (Kathrin Papst, Vest-Agder-Museum, the tendency has rather been to contrast übergesetzt, von der heute noch der Kristiansand), von sensiblen histori the two communities. “Encounters”, Turm stolz über die Stadt hinwegragt. schen, bisher verschwiegenen Kon however, aimed to create a dialogue. Fähren verbinden inzwischen in kur fliktthemen der NS-Zeit, zum Beispiel The paper addresses some challenges, zen Abständen diese engste Stelle des von deutschen Soldaten in Finnland which occurred in the communication with Öresund. Es scheint so, als ob diese (Mirkka Hekkurainen, Universität Hel- the Russian-speaking community during the Idylle nie anders gewesen wäre. Die sinki), oder dem Umgang mit Minder- preparation of the exhibition. Firstly, for the Abschlussexkursion der Konferenz heiten, beispielsweise den Sami in den Estonian National Museum, the communi- nutzte die Seeverbindung, um sowohl skandinavischen Ländern (Aile Aikio, cation turned out to be more difficult than das Schloss als auch das Maritim-Mu- Sami Museum Siida, Anar/Inari). expected, since the Russian-speaking seum Dänemarks mit seiner neuen Ar- Difficult issues wurden auch deutlich community did not have acknowledged chitektur zu besichtigen. erkennbar, wenn sich kommunale oder leaders and was not accustomed to Dunkers Kulturhus beherbergt Aus- regionale Museen für aktuelle sozial- communicate with the public as a group. stellungen zur Stadtgeschichte, Räume relevante Themen öffnen, wie denen Secondly, exposing one‘s everyday culture für Theater- und Kinderkulturarbeit, von traumatisierten Flüchtlingen oder in a museum was sometimes considered eine Bibliothek, ein Restaurant und Migranten (Diana Chafik, Sörmlands- improper by the Russian-speakers. einen großen Konzertsaal, der als Ta- Museum, Nyköping) oder Menschen gungsort ausgewählt worden war. Ku- mit Behinderungen (Ellen Lange, Na- ratoren und Konservatoren vor allem tional Medical Museum, Oslo) oder ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018 | 17
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