Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland

 
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Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland
Mitteilungen 2018

                                                  ISSN 1865-6749 | Heft 40 (25. Jahrgang)

im Fokus
Europäisches Kulturerbe stiftet Identität und Zusammenhalt

Museumsdefinition
ICOM-Ethikkodex bestimmt den Handlungsrahmen

In eigener Sache
Wechsel in der Geschäftsstelle von ICOM Deutschland
Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland
What’s your
storage challenge

Besuchen Sie uns auf dem
Internationalen Bodensee-
Symposium der
ICOM-Nationalkomitees von
Deutschland, Österreich und
der Schweiz vom
21. bis 23. Juni 2018
Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland
Editorial

                                                                                                                        Foto: ICOM
Liebe ICOM-Mitglieder,

für die diesjährige Ausgabe der Mitteilungen haben wir         nen. Es wäre schön, wenn wir Sie für unser Internationales
wieder eine Fülle an neuen Informationen und Beiträgen         Bodensee-Symposium einplanen dürften, um Erfahrungen
zusammengestellt und hoffen, dass wir Sie damit über die       auszutauschen und neue Strategien zu entwickeln. Melden
aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden halten und           Sie sich bitte rechtzeitig an und denken Sie an die Hotelre-
zudem noch einmal Revue passieren lassen, was auf den          servierung! Wir arbeiten parallel bereits an neuen Themen,
vergangenen Tagungen diskutiert wurde. Dies zusammen           die wir anpacken wollen. Einige davon werden wir schon
gibt Ihnen Gelegenheit, sich zumindest ausschnitthaft Ein-     bei den June Meetings in Paris mit unseren Partnern vor-
blicke über die vielfältigen Aktivitäten von ICOM Deutsch-     besprechen und planerisch vorbereiten. Wir halten Sie auf
land, aber auch der internationalen Komitees zu verschaffen.   dem Laufenden.
Neben den Mitteilungen und zahlreichen Informationen             Nach einer Vakanz von sechs Monaten ist die Position
auf unserer Homepage sowie den Social-Media-Kanälen            der Geschäftsführung durch Dr. Klaus Staubermann nun
ist es jedoch immer ganz besonders befruchtend und in-         auch wiederbesetzt. – Dieser Übergangssituation ist ge-
spirierend, wenn wir uns als Mitglieder der ICOM-Com-          schuldet, dass die diesjährige Ausgabe der Mitteilungen in
munity auf den Tagungen und Konferenzen begegnen und           die Zeit der Nachbereitung des 41. Internationalen Muse-
aktiv in den Dialog über Fachthemen einsteigen und eben-       umstages 2018 fällt. Wir hoffen, dass Sie am 13. Mai er-
so intensiv Verbindungen aufbauen und vertiefen. Im ver-       eignisreiche Veranstaltungen in Ihren Museen erlebt ha-
gangenen Jahr galt unsere Jahrestagung, die wir erstmals       ben. – Die gesamte Interimszeit hat Beate von Törne
als neues Modell der Kooperation mit fünf skandinavischen      kommissarisch die Geschäftsstelle geleitet, wofür wir ihr
Komitees ausrichteten, den difficult issues. Das Tagungs-      nachhaltig danken. Sie hat dies mit großem persönlichen
thema bot viel Stoff und die Chance, sehr disparate The-       Einsatz gemeistert und dabei den arbeitsintensiven Jahres-
men und Sujets vorzustellen und gemeinsam zu besprechen.       wechsel sowie Start ins Jahr 2018 bravourös überbrückt.
Hier wurde wieder einmal in besonderem Maß der typische          Mein Team in der Geschäftsstelle, der Vorstand und ich
ICOM-Spirit sichtbar, als selbst in den Pausen und bei Ex-     freuen uns, wenn wir uns begegnen. Bei ICOM oder ziel-
kursionen die Vortragsthemen munter weiter diskutiert          gerade im Museum,
wurden.
   Wir werden in diesem Jahr wieder am Bodensee sein und
bleiben – wie schon in Helsingborg – bei problematischen       herzlichst
Konditionen für Museen: „Museum: ausreichend – die
‚untere Grenze’ der Museumsarbeit“. Dies entspricht –
wie wir finden – in vielteiligen Facetten dem Museumsall-
tag zahlreicher Institutionen in unserem Lande, insbeson-
dere dann, wenn sie eher kleineres oder mittleres Format
repräsentieren. Oftmals im Museumsbetrieb nur hinter vor­      Beate Reifenscheid
gehaltener Hand offen zugegeben, werden die Referenten         Präsidentin ICOM Deutschland
einen Blick hinter die Kulissen und den scheinbaren Gla-
mour geben. Die Wirklichkeit ist vielfach gezeichnet von
Engpässen, fehlenden Budgets, mangelnden Fachstellen
und einem immer spitzer gedrehten Rotstift der Kommu-
Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland
Inhalt

                                                                                                                                                           Foto: Hunebedcentrum

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Foto: ICOM
Aktuelles                                                                                                                                                                         Internationale Komitees
Sharing Heritage: bunt, vielfältig – und doch verbunden                                                                                                                           Ohne Ethik nicht mehr zu denken
Das Europäische Kulturerbejahr in Deutschland. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 5                                                                                Herausforderungen im Kulturgutschutz und der Umgang
                                                                                                                                                                                  mit Fragen der Provenienz.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 25
Megalithic Routes – Megalithkultur verbindet
Archäologische Freilichtmuseen in Europa.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8                                                                        Drei Tage voller Begegnungen und Diskussionen
                                                                                                                                                                                  Juni-Treffen 2017 in Paris: Über globale und
Europäisches Kulturerbejahr:                                                                                                                                                      lokale Herausforderungen der Museumsarbeit. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30
Forschen und bewahren für die Zukunft
Mittels Forschung das Kulturerbe auf den Klimawandel                                                                                                                              Deutsche Mitglieder in offiziellen Positionen bei ICOM.  .  .  .  .  .  .  .  . 32
vorbereiten .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12
                                                                                                                                                                                  Tagungsberichte
Museum: ausreichend – die „untere Grenze“
der Museumsdefinition                                                                                                                                                             Relevance 2017: Are We Trying Hard Enough?
Internationales Bodensee-Symposium 2018. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 14                                                                                  CECA – International Committee for Education and
                                                                                                                                                                                  Cultural Action.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 35
Wechsel an der Spitze der Geschäftsstelle
von ICOM Deutschland .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 15                                             The Role of Curators in Museum Research and Exhibits
                                                                                                                                                                                  CIPEG – International Committee for Egyptology .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 36

Rückblick                                                                                                                                                                         The Guardians of Contemporary Collecting
                                                                                                                                                                                  and Collections
Difficult Issues – was wir gelernt haben                                                                                                                                          COMCOL – International Committee for Collecting. . . . . . . . . . . . . 37
Höhepunkte der Jahrestagung 2017 von ICOM Deutschland
in Schweden.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 17                   The Narrative Power of Clothes
                                                                                                                                                                                  COSTUME – International Committee for Museums and
Protokoll der Mitgliederversammlung 2017. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 22                                                                              Collections of Costume.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 38

                                                                                                                                                                                  Art Deco in Decorative Arts and Design
                                                                                                                                                                                  ICDAD – International Committee for Museums and
                                                                                                                                                                                  Collections of Decorative Arts and Design.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 39
                  www.facebook.com/icomdeutschland

                  https://twitter.com/icomdeutschland

2 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland
Foto: wikipedia.org, Ramblersen, CC-BY-SA-3.0

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Foto: SMB, MEK, Ute Franz-Scarciglia
                                                                                                                                                                                                      Umschau
Changing Rooms?! Permanent Displays and Their Storage                                                                                                                                                 NORDMUS – heißt Grenzen überwinden
ICFA – International Committee for Museums and                                                                                                                                                        Deutsch-dänischer Museumsverbund als Plattform
Collections of Fine Arts.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 40                                                        für die Zusammenarbeit. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 47

Migration, Home, and Belonging                                                                                                                                                                        daHEIM: Einsichten in flüchtige Leben
ICME – International Committee for Museums                                                                                                                                                            Das Museum Europäischer Kulturen zu Aspekten der
of Ethnography .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 41                                            (erzwungenen) Migration im europäischen Kontext.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 50

Memory Building: Engaging Society in Self-Relective                                                                                                                                                   Kulturgeschichte des Dichterhauses
Museums                                                                                                                                                                                               Ein Projektbericht.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 52
IC MEMO – International Committee of Memorial Museums
in Remembrance of the Victims of Public Crimes. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 42                                                                                                           Publikationen.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 54

Linking Past and Future                                                                                                                                                                               Veranstaltungen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 55
ICOM-CC – International Committee for Conservation. . . . . . . . . . 43
                                                                                                                                                                                                      Vorstand.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 56
Copyright Flexibilities
ICOM EUROPE – International Council of Museums                                                                                                                                                        Impressum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Europe Alliance .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 44

                                                                                                                                                                                                                                              ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018                                                                                      |3
Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland
Internationaler Museumstag
                               Weltweit jährlich seit: 1978
                             Beteiligte Staaten (2017): > 157
                      Beteiligte Museen weltweit (2017): 36.000
                    Beteiligte Museen in Deutschland (2017): 1.765
                        Termin 2018 in Deutschland: 13. Mai
                    Zentrale Auftaktveranstaltung 2018: in Berlin
   Motto 2018 – international: Hyperconnected museums: New approaches, new publics
          Motto 2018 – deutsch: Netzwerk Museum. Neue Wege, neue Besucher

                  Archäologische Freilichtmuseen
Anzahl weltweit: > 500 · Anzahl Europa: > 400 · Anzahl Deutschland: 70
         Anzahl der Besuche in Deutschland (2016): > 6.298.035

                       AKTuelles

                          Kulturrouten des Europarates
                                 Beteiligte Staaten: 26
                              Kulturrouten insgesamt: 31
                            Kulturrouten in Deutschland: 19
                                    Kandidaturen: 4

                   Europäisches Kulturerbejahr 2018
                                Beteiligte Staaten: 28
                              Institutionelle Partner: 32
                          Veranstaltungen insgesamt: 7.840
                 Veranstaltungen in Deutschland (erwartet): > 1.000

   4 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland
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Sharing Heritage:
bunt, vielfältig – und doch verbunden
Die Europäische Kommission hat das Jahr 2018 zum Europäischen Kulturerbejahr
erklärt. Die Idee: Den Menschen in Europa die Möglichkeit geben, ihren Kontinent
neu und anders zu entdecken – als ein Europa, das vielfältig und bunt ist und den-
noch mehr Verbindendes als Trennendes beheimatet. In Deutschland findet es un-
ter dem Motto „Sharing Heritage“ statt.

Uwe Koch, Björn Bernat

Man muss gar nicht weit schauen, um die verbindenden           Fünf Leithemen setzen thematische Schwerpunkte des
Linien und Netze in Europa zu erkennen. Ganz im Gegen-         Europäischen Kulturerbejahres in Deutschland:
teil: An jeder Ecke findet man Orte, Gebäude und Objekte,
die europäische Geschichte erzählen. Europa ist schließ-       ·   Das Leitthema Europa: Austausch und Bewegung be-
lich mehr als eine ökonomische Zweckgemeinschaft. Euro­            greift den Kontinent als dichtes Netz vielfältiger Bezie-
pa ist ein einzigartiger Kontinent mit einer reichen Ge-           hungen und Verwandtschaften, das seit jeher durch
schichte, die sich nicht ausschließlich entlang der heutigen       einen Austausch von Gütern, Waren aber auch kultu-
politischen Grenzen erzählen lässt. Europa ist auch: eine          reller Praktiken und (Wert-)Vorstellungen geprägt ist.
Kulturgemeinschaft.
   2018 ist ein Jahr zum Mitmachen, Dabeisein und Weiter-      ·   Europa: Grenz- und Begegnungsräume wirft einen be-
geben. Insbesondere junge Menschen werden als die „Kul­            sonderen Blick auf die verbindenden Aspekte von Gren­
tur­erben von morgen“ angesprochen. Das Aktive und Ak-             zen und Nachbarschaftsräumen.
tivierende steht im Mittelpunkt. So ist auch das Motto zu
verstehen, mit dem sich der deutsche Beitrag präsentiert:      ·   Die europäische Stadt, im Laufe von Jahrhunderten
Sharing Heritage.                                                  ge­wachsen und stets im Wandel begriffen, bildet den
                                                                   Ausgangspunkt für ein weiteres Leitthema. Sie ist als
Fünf thematische Schwerpunkte                                      kultureller Schmelztiegel, aber auch als Lebens- und
                                                                   Alltagsort, zentraler Baustein unseres Kulturerbes.
Das Europäische Kulturerbejahr 2018 wird zwar durch
die Europäische Union ausgerufen, verantwortlich für die       ·   Das Jahr 2018 steht auch im Zeichen europäischer Krie­
Umsetzung aber sind in erster Linie die einzelnen Mit-             ge und Friedensschlüsse. Europa: Erinnern und Auf­bruch
gliedstaaten (und die mitwirkenden Länder außerhalb der            will ins Gedächtnis rufen, dass die europäische Ge-
Europäischen Union).                                               schichte durch eine Kette vieler Konflikte sowie einen
  Im Auftrag von Bund, Ländern und Kommunen werden                 jahrhundertelangen Weg zu einem friedlichen Mitein­
die Beiträge hierzulande durch das Deutsche Nationalko-            an­der gekennzeichnet ist.
mitee für Denkmalschutz koordiniert. Die Schirmherr-
schaft hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über-       ·   Europa: Gelebtes Erbe befasst sich mit der Suche nach
nommen. Prominente Personen wie der Architekt Sir David            Europas Selbstverständnis sowie dem besonderen Zu-
Chipperfield und Schauspieler Daniel Brühl geben als Bot-          sammenspiel von materiellem und immateriellem Kul-
schafter dem Jahr eine öffentliche Stimme und Gesicht.             turerbe.

                                                                             ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018   |5
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                                                    WERDE TEIL
                                                    UND TEILE!
                                                    2018 IST EUROPÄISCHES KULTURERBEJAHR!

                                                    JETZT INFORMIEREN UND MITMACHEN AUF
                                                    WWW.SHARINGHERITAGE.DE

                                                                                            MOREPLATZ: EUROPA INSTALLATION, JAHRHUNDERTHALLE BOCHUM 2017 ©MOREPLATZ.

     FOLGEN SIE UNS UNTER #SHARINGHERITAGE, @KULTURERBEJAHR AUF

6 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland
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Spannende Ausstellungsprojekte                                  camps den prähistorischen Spuren europäischer Kulturge-
in ganz Deutschland                                             schichte nach (siehe auch S. 8 ff., insbesondere S. 10).

Die Museen in Deutschland spielten bei der Ausgestaltung        Mitmachen? Ganz einfach!
des deutschen Beitrags zum Europäischen Kulturerbejahr
früh im Prozess eine wichtige Rolle. Mitglieder im fach-        SHARING HERITAGE ist nicht von einigen wenigen
lich begleitenden Nationalen Programmbeirat sind unter          Großveranstaltungen, sondern von vielen und ganz unter-
anderem der Deutsche Museumsbund, die Stiftung Preu-            schiedlichen Aktivitäten geprägt. So haben sich bereits mehr
ßischer Kulturbesitz und die Schlösser und Gärten in            als 250 Projekte (Stand Mai) als offizielle Beträge zum Eu-
Deutschland. Es war schnell klar: Um die angestrebte            ropäischen Kulturerbejahr in Deutschland registriert.
Brei­tenwirksamkeit des Jahres zu erreichen, müssen Mu-            Ausstellungen, Schülerwettbewerbe, Musikfestivals: Al-
seen und Ausstellungsprojekte ein integraler Bestandteil        les ist dabei. So vielfältig, wie die Formate es sind, ist auch
der Umsetzung sein.                                             das Engagement hinter dem Kulturerbejahr. Das Jahr
   Nun, da das Europäische Kulturerbejahr auch offiziell        trägt sich zu einem erheblichen Teil über die breite Begei­s­
gestartet ist, lässt sich sagen: Dies ist gelungen! Unter den   terung für die Thematik. Eine große Zahl an Aktivitäten
Projekten finden sich gleich mehrere hochkarätige und in-       wird durch kleinere Kultureinrichtungen, die Zivilgesell-
novative Ausstellungsvorhaben. Am 28. April startet das         schaft und auch private Einrichtungen initiiert. Die aller-
Ausstellungsprojekt „Frieden. Von der Antike bis heute“         meisten dieser Veranstaltungen kommen dabei ohne eine
in verschiedenen Museen in Münster: im LWL-Museum               gesonderte staatliche Förderung aus. Europäische Union,
für Kunst und Kultur, im Kunstmuseum Pablo Picasso, im          Bund, Länder und Kommunen engagieren sich aber auch
Stadtmuseum und im Archäologischen Museum der Uni-              finanziell.
versität. Im Jahr 2018 jährt sich schließlich nicht nur der        Mitmachen geht ganz einfach: Projekte, die einen klaren
Dreißigjährige Krieg, sondern auch der Westfälische Friede.     Europabezug aufweisen und sich inhaltlich an den Leitthe­
Doch was bedeutet Frieden auf einem Kontinent, dessen           men orientieren, können sich auf sharingheritage.de re­
Geschichte eben auch von vielen Brüchen und Konflikten          gistrie­ren. Nach erfolgreicher Prüfung erfolgt dann die
geprägt ist? Dieser Frage gehen nicht nur die Münsteraner       Aufnahme auf die Online-Plattform und in den Veranstal-
Ausstellungen, sondern auch die zwei weiteren Module im         tungskalender wie auch in die zentrale Online-Kommuni-
Gesamtprojekt „Frieden.Europa“ nach: Im Rathaus in              kation. Außerdem dürfen die Projekte dann mit dem offizi-
Münster wird am historischen Ort der Friedensschluss neu        ellen Label „Ein Beitrag zum Europäischen Kulturerbejahr
digital aufgearbeitet und in Osnabrück wird eine interna-       2018 – SHARING HERITAGE“ werben.
tionale Jugendbegegnung („Labor Europa“) zum Thema                 Wir rufen alle Kommunen, Vereine und Kulturerbe-Insti-
durchgeführt.                                                   tutionen auf, selbst ein aktiver Teil des Kulturerbejahres zu
   Ab dem 10. Mai rückt das Hansemuseum Lübeck einen            werden. Lassen Sie uns diese große europäische Geschich-
bislang musealisch wenig beachteten Aspekt des europä-          te gemeinsam erzählen!
ischen Kulturerbes in den Mittelpunkt: den Konsens. Ein-
stimmigkeit ist heute ein wichtiges Prinzip der Entschei­       Das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz bei der Beauftrag-
dungs­fi ndung auf europäischer Ebene. Doch bereits die         ten der Bundesregierung für Kultur und Medien (DNK) koordiniert im
Hanse basierte als Institution auf diesem Grundsatz. Be-        Auftrag von Bund, Ländern und Kommunen den deutschen Beitrag
gleitet wird die Ausstellung durch ein umfangreiches Pro-       zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 – SHARING HERITAGE.
gramm, das sich vor allem an die Schulen der Region richtet.
   Schließlich eröffnet im September eine spektakuläre Schau    Dr. Uwe Koch ist Leiter der Geschäftsstelle des DNK. Björn Bernat ar-
im Berliner Gropiusbau. Unter dem Titel „Bewegte Zeiten.        beitet als Referent der Geschäftsstelle des DNK;
Archäologie in Deutschland“ zeigt das Museum für Vor-           Bjoern.Bernat@bkm.bund.de.
und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin in
Kooperation mit dem Verband der Landesarchäologen frü-          Weitere Informationen:
he Zeugnisse der umfangreichen, weit verzweigten Kon-           Sharing Heritage: www.sharingheritage.de
takte und Beziehungen unserer Vorfahren.                        Twitter: @Kulturerbejahr und #sharingheritage
   Ebenfalls beteiligen sich das Archäologische Landes-
museum Brandenburg („ARCHAEOMUSICA The Sounds
and Music of Ancient Europe – 40.000 Jahre Musikgeschich-
te Europas“), das Deutsche Architekturmuseum („märklin-
MODERNE. Vom Bau zum Bausatz und zurück“) und
das Emslandmuseum („Spurensuche im Bourtanger Moor“)
mit offiziellen Beiträgen zum Europäischen Kulturerbejahr.
   Doch es müssen nicht immer Ausstellungen sein. Ein
ganz anderer Ansatz zeigt sich zum Beispiel im Steinzeit-
park Dithmarschen. Dort werden die European Heritage
Volunteers eines ihrer insgesamt sieben Jugendfreiwil-
ligenprojekte im Europäischen Kulturerbejahr durchfüh-
ren. Fünfzehn junge Erwachsene aus ganz Europa gehen
hier im Juli 2018 im Rahmen eines zweiwöchigen Work-

                                                                               ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018          |7
Mitteilungen 2018 - ICOM Deutschland
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Megalithic Routes –
Megalithkultur verbindet
Aus den Anfängen im Jahre 2005 ist ein Projekt mit europaweiter Ausstrahlung ge-
worden. Nun sind weitere archäologische Freilichtmuseen eingeladen, das Bündnis
aus archäologischer Denkmalpflege, Naturparks und Tourismus zu stärken.
Ein Werdegang.
Bodo Zehm

Unter den vielen Möglichkeiten, die Effizienz von denk-       sener Wertschätzung zu verhelfen. Eine wichtige Rolle in-
malpflegerischen Maßnahmen zu steigern, nimmt eine            nerhalb dieser Ausstellungen spielen dabei die Exponate,
breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit einen besonders ho-     die aus der unübersehbaren Vielzahl an Ausgrabungen der
hen Rang ein. Im Vordergrund sollten dabei Bemühungen         letzten gut zweihundert Jahre stammen. Ihre Präsentation
stehen, Kulturdenkmale so darzustellen, dass sich daraus      war und ist notwendig, um die tradierten Vorstellungen
ein hohes Maß an regionaler Identität ergibt und damit        über die „Steinzeitmenschen“ zu konkretisieren, Sachbezü-
auf Seiten von lokalen Akteuren die Bereitschaft wächst,      ge zur Alltagskultur der verschiedenen vorgeschichtlichen
an der Übernahme von Verantwortung zum Erhalt von             Epochen im Vergleich zur rezenten Lebenssituation herzu-
kulturellem Erbe teilhaben zu wollen.                         stellen, das viel besprochene „Kultische“ an der Megalith-
  Nicht jedes Kulturdenkmal ist dafür geeignet. Vor allem     kultur zu präzisieren und über die soziokulturellen Rahmen­
bei vorgeschichtlichen archäologischen Denkmalen sind         bedingungen zu informieren, die den Anlass zu einer vor
diese Voraussetzungen erst dann gegeben, wenn es ein          über 5.000 Jahren erbrachten, „übermenschlich“ anmuten­
oberirdisch wahrnehmbares Erscheinungsbild gibt, das          den Bauleistung gegeben haben. Darüber hinaus dienen die-
eine aus sich selbst heraus wirksame Attraktivität besitzt.   se Ausstellungen auch dem Zweck, einen Eindruck von der
In derartigen Idealfällen können Denkmale Geschichte          inhaltlichen Bandbreite der Megalithkultur zu geben, nicht
nicht nur vermitteln und erlebbar machen, sondern besit-      zuletzt im Hinblick auf deren unterschiedliche Erscheinungs-
zen zugleich auratische Qualitäten, die in den vergange-      formen, ihrer Entstehungsgeschichte, ihren europäischen
nen Jahrhunderten zu einer von Generation zu Generation       Verbindungen und der Geschichte ihrer Erforschung.
weitergegebenen Oral History geführt haben.
  In Europa zählen die Megalithbauten zu den Paradebei-       Deutschland macht den Anfang
spielen einer solchen Denkmalkategorie. Seit Jahrhun-
derten nehmen sie unter den vorgeschichtlichen Monu-          Erst in jüngster Zeit kam es im Bereich der Vermittlungs-
menten eine Sonderstellung ein. Heute stehen sie häufig im    arbeit zu einer Initiative, das Thema Megalithkultur auch
Mittelpunkt von vielfältigen Bemühungen, auf den hohen        touristisch umfassend aufzuwerten und damit zu einer in-
Wert von Landschaft als kulturelles Erbe und als Archiv       tensiveren Verbreitung in allen Bevölkerungsschichten
der Menschheitsgeschichte aufmerksam zu machen. Da-           beizutragen. Dieses Projekt ging weder von den Museums-
rüber hinaus werden die Anlagen seit Jahrzehnten auf-         fachleuten noch den Archäologen aus, sondern von Touri-
grund ihrer eindrucksvollen baulichen Merkmale gerne          stikern. Im Dezember 2005 trafen sie sich zum ersten Mal
auch in den verschiedensten medialen Zusammenhängen           in Osnabrück, um über die Erarbeitung eines Konzeptes
als Imageträger genutzt – sowohl auf lokaler als auch auf     für eine touristische Ferienstraße zu sprechen, die „Straße
überregionaler Ebene, um die touristische Attraktivität       der Megalithkultur“ (SMK).
einer Region oder einer Kulturlandschaft öffentlichkeits-        2008 wurde das Projekt erstmals öffentlich vorgestellt.
wirksam darzustellen. Letztendlich stehen sie als Attrak-     Anlass war der 12. Tag der Niedersächsischen Denkmal-
tor auch im Vordergrund, wenn es darum gehen soll, die        pflege am 23. Mai in Helmstedt mit dem Schwerpunktthe-
besonderen Herausforderungen und die Leistungsfähig-          ma „Denkmalpflege und Tourismus“. Am 26. Juni 2008
keit archäologischer Forschungsprojekte darzustellen, wie     erfolgte in Papenburg bereits die erste grenzüberschreiten-
es zuletzt das Schwerpunktprogramm „Frühe Monumen-            de Präsentation innerhalb der im Ems-Dollart-Förderpro-
talität und soziale Differenzierung“ der Deutschen For-       gramm realisierten Projekte. Der dafür zuständige Vertre-
schungsgemeinschaft gezeigt hat.                              ter des Europarats zeigte vor allem an der SMK großes
                                                              Interesse und wünschte sich, „bald wieder von dem Pro-
Rückblick                                                     jekt zu hören“.

Seit dem 19. Jahrhundert existiert eine Vielzahl an Versu-    Erste europäische Nachbarn kommen hinzu
chen, die besondere Ausprägung dieser Monumente nicht
nur an ihrem angestammten Platz erlebbar zu machen,           Ende 2010 begannen die ersten konkreten Schritte in
sondern ihnen vor allem im musealen Raum zu angemes-          Richtung Ausweitung des Vorhabens auf die europäischen

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                                                                                                                                   Foto: Hunebedcentrum
Hunebedcentrum in Borger: Das Museum erzählt, wie die Menschen vor rund fünftausend Jahren gelebt, wie sie ihre massiven Gräber gebaut
und ihre Toten begraben haben.

Nachbarländer. Dabei sollte es nicht so sehr um die grenz-          stelle wurde der Verfasser. Am 27. August 2013 erfolgte
überscheitende Verlängerung der Routenführung gehen,                beim Megalithgrab Klekkendehøj im Westen der Insel Møn
sondern um den Aufbau eines internationalen Netzwerks               unter Beteiligung von Marianne Jelved, däni­sche Ministe-
von archäologischen und touristischen Facheinrichtungen             rin für Kultur, die offizielle Überreichung der Anerken-
mit einer besonderen Affinität zum Thema Megalithkultur.            nungsurkunde des Europarats. Noch im gleichen Jahr wur-
Am 18./19. Februar 2011 lud das dänische National­ins­ti­           de einer der Arbeitsschwerpunkte der neuen Cultural Routes
tut für Denkmalpflege Kulturstyrelsen nach Kopen­hagen              of the Council of Europe umgesetzt: die zeitgleiche Aus-
zu einer ersten Abstimmung über die Voraussetzungen ei-             richtung von eintägigen Publikumsveranstaltungen in je-
ner solchen Zusammenarbeit ein. Weitere Teilnehmer ka-              dem der vier Mitgliedsländer. Ab 2014 ist da­raus der europa­
men vom Hunebedcentrum in Borger (Niederlande) und                  weite Tag der Megalithkultur geworden. Er findet jeweils
dem Falbygdens Museum in Falköping (Schweden) – beides              am letzten Sonntag im April unter Berücksichtigung eines
museale Einrichtungen mit einem starken räumlichen und              zentral vorgegeben Schwerpunktthemas statt.
fachlichen Bezug zu nationalen Verbreitungsschwerpunk-
ten der Megalithkultur.                                             Das Bündnis wächst europaweit
   Dänemark stellte vor allem seine mit erheblichen natio-
nalen Mitteln finanzierten Maßnahmen zur wissenschaft-              Bis 2017 hat sich die Anzahl der Mitglieder von Megali-
lichen Erforschung, Restaurierung und öffentlichkeitswirk­          thic Routes stetig erhöht, darunter auch Einrichtungen
samen Erschließung der Megalithbauten auf der Insel Møn             aus Großbritannien, Spanien und Portugal. Sehr zu be-
in den Mittelpunkt seines Kooperationsbeitrags. Fazit war,          grüßen ist aber nicht nur die Quantität, sondern vor allem
dass die geplante Netzwerkgründung zum Ausbau der                   das breit gefächerte inhaltliche Spektrum der Mitglied-
touristischen Infrastruktur und der Anerkennung als eu-             schaften. Megalithic Routes weist heute eine große insti-
ropäische Kulturroute von allen Beteiligten begrüßt wurde.          tutionelle und fachliche Vielfalt auf, die vom ehrenamtlich
Die Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück übernahm die              geführten Archäologiemuseum über großflächige Natur-
Vorbereitung der Antragstellung und die Koordinierung               und Geoparks bis zu Tourismus-, Kultur- und Denkmal-
aller dafür erforderlichen Maßnahmen.                               pflegeeinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft führt.
                                                                    Ihnen allen gemeinsam ist die Begeisterung für ein The-
Anerkennung durch den Europarat                                     ma, das schon der Europarat als großen Attraktor für die
                                                                    Darstellung von kulturgeschichtlich bedeutenden, grenz­
Am 23. August 2012 wurde in Falköping der Verein Mega-              überschreitenden Gemeinsamkeiten der europäischen Län-
lithic Routes e. V unter der Schirmherrschaft von Hans-             der erkannt hat. Der Schirmherr von Megalithic Routes,
Gert Pöttering, ehemaliger Präsident des Europaparlaments,          Hans-Gert Pöttering, sieht in diesem Projekt „a reminder
gegründet. Erster Vorsitzender und Leiter der Geschäfts-            of our common European cultural heritage“.

                                                                                   ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018       |9
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                                                                                                                                         Foto: Steinzeitpark Dithmarschen
Wiederbelebte Geschichte im Steinzeitpark Dithmarschen: in Originalgröße rekonstruierte Bauten, die sich an archäologischen Vorbildern
orientieren.

Megalithic Routes: Vermittlungsstrategien                              kultur und zugehöriger Exponate in einer räumlichen Ein-
                                                                       heit oder wenigstens in räumlicher Nähe zueinander be-
Von Anfang an war ausschlaggebend, dass bei der Projekt­               finden.
arbeit Vermittlungsaufgaben im Vordergrund stehen soll­                   Nur wenige Freilichtmuseen in Europa erfüllen diese
ten. Wie anfangs erwähnt, spielen dabei traditionell die               Vor­aussetzung. Das Projekt „Megalithic Routes“ kann
musealen Einrichtungen eine hervorgehobene Rolle. Nicht                sich glücklich schätzen, einige dieser Einrichtungen zu sei-
immer ist es möglich und sinnvoll, ähnlich wie im Fall von             nen Mitgliedern zählen zu dürfen. Jedes dieser Museen
Welterbestätten wie Stonehenge in Südengland oder New-                 hat sein eigenes Profil in Bezug auf die beschriebenen Ver-
grange in Irland zu verfahren und diese Museen oder Be-                mittlungsaspekte.
sucherzentren in unmittelbarer Nachbarschaft zu Me­                       Beispiel Hunebedcentrum: Eine nahezu ideale Konstel-
galithbauten zu errichten. Die Regel ist, dass sich die                lation finden wir beim Hunebedcentrum in Borger in der
Ausstellungsgebäude in größerer Entfernung zu den Mo-                  niederländischen Provinz Drenthe. Ursprünglich als reines
numenten befinden, der Besucher also, um ein umfassendes               Ausstellungsgebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zum
und nachhaltiges Bild vom Ausstellungsthema zu bekom-                  größten Megalithgrab (Hunebed) der Niederlande gedacht,
men, wenigstens zwei, meistens aber mehrere Standorte                  bereichert heute ein rund fünf Hektar großer „Urzeitpark“
weit außerhalb der Ausstellungsgebäude aufsuchen muss.                 mit Originalnachbauten von vorgeschichtlichen Hofanla-
Auf diesem Wege ist es nicht möglich zu verdeutlichen, in              gen sowie einem großen Findlingsgarten mit mehr als hun-
welcher Weise die an den jeweiligen Standorten themati-                dert Einzelsteinen ein umfassendes Bild von der Jungstein-
sierten Einzelaspekte inhaltlich einen in sich geschlossenen           zeit. Wegen seiner zentralen Lage im Geopark Hondsrug,
Raum bilden. So fallen kognitive Rezeption, wie sie die                dem Verbreitungsschwerpunkt der Megalithkultur in den
Museumsausstellung ermöglicht, und sinnliches Erleben,                 Niederlanden, bietet es für alle Besucher über das reine
wie es die Steinarchitektur in der Landschaft vermittelt,              Museumserlebnis hinaus zahlreiche Exkursionsmöglich-
auseinander. Archäologische Freilichtmuseen haben dage-                keiten und Anknüpfungspunkte an geologische und land-
gen den großen Vorteil, dass sie in dieser Hinsicht inte-              schaftsgeschichtliche Themen.
grativ wirken können. Zusätzlich bieten sie dem Besucher                  Beispiel Steinzeitpark Dithmarschen: Ähnliches gilt für
durch ihre erlebnisorientierte Vermittlungsstrategie die               das Open-Air-Museum Steinzeitpark Dithmarschen in
Möglichkeit, auch die zu den Megalithbauten gehörige                   Albersdorf/Schleswig Holstein, zumindest was das archä-
Alltagskultur auf anschaulichem Wege kennenzulernen.                   ologische Fachangebot betrifft. Zwar ist die räumliche
Voraussetzung für ein Gelingen dieser Integrationsleistung             Konstellation der Bereiche Museum und Park nicht ganz
ist allerdings, dass sich sowohl das Erleben der Original­             so ideal wie im Hunebedcentrum, dafür ist hier der Open-
architektur in einer natürlich anmutenden Umgebung als                 Air-Bereich mit einer Größe von vierzig Hektar um ein
auch die Präsentation der zeitlich entsprechenden Alltags-             Vielfaches größer als in Borger. Darüber hinaus ist in Al-

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                                                                                                                                      Foto: Freilichtmuseum Ekehagen
Freilichtmuseum Ekehagen: Entlang eines naturnahen Weges findet man rekonstruierte Siedlungsplätze, die verschiedene Aspekte aus der
Stein-, der Bronze- und der Eisenzeit widerspiegeln.

bersdorf das landschaftliche Umfeld des Museumsgeländes            derlich sein, die Arbeitsfähigkeit der Geschäftsstelle in Os-
stärker in die Gesamtkonzeption integriert, indem es zahl-         nabrück weiter auszubauen. Vorstand und Mitglieder von
reiche vom Museum ausgehende Rundwanderwegen entlang               Megalithic Routes e. V. würden es sehr begrüßen, weitere
gut erhaltener Megalithbauten und anderer vorgeschicht-            Freilichtmuseen zu seinen Mitgliedern zählen zu dürfen.
licher Denkmale gibt. Auf diese Weise ist hier eine Einheit
entstanden, die „Archäologie zum Anfassen“ innerhalb               Bodo Zehm ist Geschäftsführer des in Osnabrück ansässigen Vereins
und außerhalb der kostenpflichtigen Bereiche anbietet.             Megalithic Routes e. V. Zuvor war er viele Jahre Leiter des Fachdiens-
   Beispiel Falbygden Museum: Besonders erfreulich ist             tes Archäologische Denkmalpflege der Stadt Osnabrück;
auch die Mitgliedschaft des Falbygden Museums in Fal-              info@megalithicroutes.eu.
köping/Schweden und dem damit verbundenen Freilicht-
museum Ekehagen. Der Nachteil, dass beide etwa zwan-               Weitere Informationen:
zig Kilometer voneinander entfernt sind, wird ansatzweise          Megalithic Routes: www.megalithicroutes.eu
dadurch ausgeglichen, dass sie als Teil eines großräumig           Die Megalithic Routes sind Teil der Cultural Routes of the Council of
konzipierten sogenannten Ecomuseums auftreten und in               Europe, die anhand verschiedener Themen von Europas Gedächtnis,
der Öffentlichkeitsarbeit entsprechend beworben werden,            Geschichte und Erbe erzählen und zum Verständnis der Vielfalt
zusammen mit anderen kultur- oder landschaftsgeschicht-            Europas beitragen. Das Projekt wird gefördert durch:
lich bedeutenden Orten. Damit gehört dieses archäologische
Freilichtmuseum in Schweden zu einem kulturtouristischen
Verbundsystem, bei dem die Idee der ganzheitlichen Ver-
mittlung der Mensch-Zeit-Raum-Beziehungen im Vorder-
grund steht.

Ausblick

Alles in allem bleibt festzuhalten, dass es mit der Mit-
gliedschaft von Freilichtmuseen gelungen ist, aus den vor-
sichtigen Anfängen im Jahre 2005 heraus ein Projekt mit
vielgestaltiger, europaweiter Ausstrahlung zu entwickeln –
sehr zum Nutzen einer denkmalpflegerischen Aufwertung
und Würdigung der ältesten baulichen Zeugnisse der eu-
ropäischen Geschichte. Aufgrund der damit verbundenen
Vielfalt der Anforderungen wird es für die Zukunft erfor-

                                                                                 ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018          | 11
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Europäisches Kulturerbejahr:
Forschen und bewahren für die Zukunft
Im Dezember 2017 wurde das Europäische Jahr des Kulturerbes eröffnet und im
Januar 2018 fand die deutsche Auftaktveranstaltung statt. Das Kulturerbe steht da-
mit prominent im Mittelpunkt – eine Chance für mehr Forschung und Nachhaltig-
keit zum Erhalt des kulturellen Erbes in Zeiten des Klimawandels.

Johanna Leissner, Constanze Fuhrmann

Nach zwei Weltkriegen leben wir Europäer seit mehr als        präventiven Konservierung. Doch zu berücksichtigen ist
siebzig Jahren in Frieden und Wohlstand. Diese Erfolgsge-     auch die ökologische Optimierung interner Abläufe, die von
schichte manifestiert sich in unserem Kulturerbe – dazu       grünem Ausstellungsdesign über umweltfreundliches Ma-
zählen die historisch gewachsenen Städte mit ihren Denk-      nagement, von Kunsttransport, Besucheranbindung oder
malen ebenso wie unser technisches Kulturerbe, das Zeug-      Café- und Museumshops bis hin zur Reduzierung von Ab-
nis ablegt von den Innovationen und dem Erfindungsreich-      fall reichen. Erste Schritte in diese Richtung wurden be-
tum unserer Vorfahren. Das sich darin materialisierte         reits in der angelsächsischen Museumswelt umgesetzt.
Wissen scheint angesichts der Bedrohung durch den Klima­         Gesellschaft und Kultur: Zum Thema Nachhaltigkeit im
wandel von existentieller Bedeutung. Die Frage lautet da-     Museumsbetrieb gehört auch die Bedeutung von Museen
her: Wie können wir unser Kulturerbe so effizient und nach-   für die Gesellschaft sowie der Arbeitssituation des Personals.
haltig wie möglich erhalten? Inwieweit wird Kulturerbe        Mitarbeitermanagement, Arbeitsschutz oder angemessene
selbst von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen        Arbeitsbedingungen spielen dabei ebenso eine Rolle wie der
sein? Diese Herkulesaufgabe werden wir ohne multidiszi-       museale Bildungsauftrag, die stärkere Integration von Kin-
plinäre Forschung und Innovation nicht meistern können.       dern, Älteren und Bürgern mit besonderen Bedürfnissen
Doch gibt es seit 1997 in Deutschland kein nationales For-    oder Migrationshintergrund sowie die Sicherung des Pub­
schungsprogramm zur Erhaltung unseres Kulturerbes mehr,       likums von morgen. Auch bezieht sich die gesellschaftliche
mit dem nachhaltige, klimagerechte Lösungen für unsere        und kulturelle Dimension auf Fragen des Sammlungsma-
Kulturgüter erarbeitet werden. So müssen wir gerade im        nagements sowie auf präventive Konservierungsmaßnah­
Europäischen Jahr des Kulturerbes diese Fragen diskutieren,   men.
denn es geht darum, in welcher Welt, in welchem Europa           Ökonomie: In Zeiten reduzierter Museumsbudgets be-
wir leben wollen.                                             treffen die inner- und außerbetrieblichen Zusammenhänge
                                                              von Nachhaltigkeit auch das Wirtschaften. Ein nachhal-
Nachhaltiges Museum – mehr als nur going green                tiges Museumsmanagement muss über Kostenreduzierung
                                                              und innovative Strategien zur Mittelbeschaffung nachden-
Das Thema Nachhaltigkeit stellt auch Kulturerbeeinrich-       ken.
tungen vor eine große Herausforderung. Denn ihre Aufga-
be, die Kunst- und Kulturgüter für gegenwärtige und zu-       Stand in Deutschland
künftige Generationen aufzuarbeiten und zu bewahren, ist
untrennbar mit dem Begriff der Nachhaltigkeit verbunden.      Im deutschsprachigen Raum verfügen Museen über den
Vor dem Hintergrund sich verändernder Rahmenbedingun­         traditionellen Ansatz hinaus über ein erweitertes Selbst-
gen wie Klimawandel oder prekäre Finanzsituation sind         verständnis ihrer Aufgaben und Funktionen. Jedoch wird
auch Kultureinrichtungen mit der Frage konfrontiert, was      die Ausarbeitung eines ganzheitlichen Ansatzes zur Nach-
sie zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen und wie       haltigkeit bisher wenig beachtet. Demzufolge wird bei
sie für eine nachhaltige Zukunft gestaltet werden können.     ICOM Deutschland der Begriff Nachhaltigkeit nur im Zu-
Denn auch die Prozesse innerhalb eines Museums ver-           sammenhang mit dem Bildungsauftrag von Museen er-
brauchen Ressourcen und verlaufen in sozialer Hinsicht        wähnt. Der Deutsche Museumsbund definiert für die Mu-
nicht immer problemlos. Nachhaltigkeit im Museumskon-         seumsarbeit relevante Themenbereiche zur Klassifizierung,
text bedeutet daher mehr, als nur grün zu sein, und muss      Organisation, Vermittlung und zum Schutz und Erhalt
drei Dimensionen in einem ganzheitlichen Ansatz vereinen.     von Objekten, ohne diese jedoch mit den Nachhaltigkeits-
   Ökologie und Umwelt: Die klimatischen Veränderungen        kriterien in Beziehung zu setzen. Anders ist das Bewusst-
erfordern neue Ansätze für das Gebäude- und Sammlungs-        sein hingegen in Australien, Großbritannien oder den USA.
management. Wie Verbrauch und Kosten von Energie re-          So führte die Museums Association mit Sitz in London im
duziert und gleichzeitig das Innenraumklima kontrolliert      Jahre 2008 eine Kampagne durch, um nachhaltige Prozesse
werden kann, um für Sammlungen und Besucher ideale            auf Museumsebene zu etablieren und diese in den Muse-
Umgebungsparameter zu schaffen, sind zentrale Fragen der      umsalltag zu verankern.

12 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
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   Energieeffizienz, Klimaadaptation, Folgen des Klima-
wandels – um das Thema Nachhaltigkeit auch in Deutsch-
land stärker in den Museumsdiskurs zu bringen, sind in
den vergangenen Jahren einige Aktivitäten initiiert worden,
so etwa die Vortragsreihe „Das grüne Museum – Effizienz
und Nachhaltigkeit in Museen“, die von der Forschungs-
allianz Kulturerbe in Zusammenarbeit mit der Deutschen

                                                                                                                                                    Foto: Mattes, wikimedia, public domain
Kongress GmbH seit 2010/2011 durchgeführt wird.1 Auch
die 2013 im Rahmen der Forschungsallianz Kulturerbe
organisierte Konferenz „Konservierungswissenschaft und
nachhaltige Entwicklung für die Erhaltung von Kunst- und
Kulturgut“ betrachtete die drei wichtigen Bereiche der
Nachhaltigkeit aus konservierungswissenschaftlicher Per-
spektive. Thematischer Schwerpunkt war das Materialver-
halten von Objekten unter bestimmten Umgebungsparame-
tern wie Klima, Temperatur oder Feuchte.
   Trotz mancher Einzelinitiativen steht im deutschspra-                          Mittels Forschung das Kulturerbe auf den Klimawandel vorberei-
chigen Raum eine umfassende Auseinandersetzung mit der                            ten: Im Rubenssaal der Alten Pinakothek in München könnten stei-
Relevanz von Nachhaltigkeit für den gesamten Kulturer-                            gende Temperaturen und Luftfeuchtigkeit mit einer ausgetüf-
bebereich noch immer aus. Es gibt keine Sammlungsein-                             telten Klimatisierung kompensiert werden.
richtung, die in ihrem Leitbild das Konzept der Nachhal-
tigkeit verbindlich verankert hat.

Ausblick                                                                          zugehen und sie für nachfolgende Generationen zu erhal-
                                                                                  ten. Nutzen wir das Europäische Jahr des Kulturerbes, um
Die Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt seit Jahrzehnten                           Nachhaltigkeit, Klimawandel und Digitalisierung anzu-
neue Methoden für eine nachhaltige präventive Konservie-                          packen und die Forschungsaktivitäten der vergangenen
rung und trägt damit zur Umsetzung des Konzeptes Nach-                            Jahrzehnte verstärkt weiterzuführen! Denn Kultur ist es,
haltigkeit im Kultursektor bei. Im Jahre 2007 hat sie sich                        was uns Menschen ausmacht, Nachhaltigkeit erfordert von
auf den Weg gemacht, auch in der eigenen Organisation                             uns Anpassungen und Forschungsergebnisse geben uns die
Nachhaltigkeit umzusetzen. Mitarbeiter und Mitarbeite-                            Instrumente in die Hand.
rinnen haben dazu ein Netzwerk gegründet, an dessen Ak-
tivitäten der Vorstand im Jahre 2010 mit seinem internen                          Dr. Johanna Leissner ist wissenschaftliche Repräsentantin der
Projekt „Strategie Nachhaltigkeit“ angeknüpft hat. Es zielt                       Fraunhofer-Gesellschaft bei der Europäischen Union in Brüssel und
darauf, durch Partizipation, Kommunikation und Inter-                             Mitbegründerin der Forschungsallianz Kulturerbe und des Fraun­
disziplinarität eine für die gesamte Fraunhofer-Gesellschaft                      hofer-Netzwerks Nachhaltigkeit; johanna.leissner@zv.fraunhofer.de.
gültige Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten.
   Eine ähnliche Vorgehensweise könnte auch im Museums-                           Constanze Fuhrmann M.A., M.Sc. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin
und Kulturerbesektor die Implementierung von Nachhal-                             im Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung im Com-
tigkeit in Gang bringen. Die Umsetzung in die Praxis und                          petence Center for Cultural Heritage Digitization;
Geschäftsprozesse ist nicht kurzfristig zu erreichen und                          constanze.fuhrmann@igd.fraunhofer.de.
muss als Chefsache angesehen werden.
   Ein erster Schritt ist ein Leitfaden für eine Nachhaltig-                      Weitere Informationen:
keitsstrategie. Basierend auf Nachhaltigkeitsindikatoren                          Die abgedruckte Textfassung wurde stark gekürzt. Vollständige Fassung
dient er der Planungs- und Entscheidungsfindung für mehr                          des Beitrags unter www.icom-deutschland.de/publikationen.php
Nachhaltigkeit im Museumsmanagement und soll Museen
darin unterstützen, eine Bilanz über die aktuelle Situation                       Zur Thematik Nachhaltigkeit siehe auch Kelm, Rüdiger: Bildung für
zu ziehen sowie klare Akzente für zukünftige Nachhaltig-                          nachhaltige Entwicklung. In: Von der Weltausstellung zum Science
keitsziele zu setzen.                                                             Lab. Handel – Industrie – Museum. Hrsg. von ICOM Deutschland,
   Museen sind Orte von besonderer Bedeutung, um das                              2017, S. 145 f.
Konzept der Nachhaltigkeit voranzutreiben – sie haben
die Verantwortung, die Menschen darüber zu informieren,
wie wir auch im Kulturerbebereich unseren Beitrag leisten
können, ressourcenschonend mit unserer Geschichte um-

1 Die Forschungsallianz Kulturerbe wurde 2008 durch die Fraunhofer-Gesell-
  schaft, Leibniz-Gemeinschaft und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ge-
  gründet und 2014 mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der
  Sächsischen Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek erweitert, um die ge-
  meinsamen natur-, geistes- und kulturwissenschaftlichen Kompetenzen im
  Bereich des Kulturgüterschutzes zu bündeln und den Wissenstransfer zwi-
  schen Forschung und Restaurierungspraxis national und international zu in-
  tensivieren.

                                                                                               ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018          | 13
Ak tue lles

Museum: ausreichend – die
„untere Grenze“ der Museumsdefinition
Die nationalen ICOM-Komitees aus Deutschland, Österreich und der Schweiz la-
den zum Internationalen Bodensee-Symposium 2018 ein. Vom 21. bis 23. Juni
werden in Friedrichshafen rund zweihundert Museumsexperten erwartet, die das
Thema Museumsdefinition sowie damit verbundene Handlungsspielräume und
Entwicklungsmöglichkeiten von Museen diskutieren.

                                                                                                                          sondern als Problem, Mindestmaße zu
                                                                                                                          benennen, mit denen Definitionsbe-
                                                                                                                          standteile von allen Museen zu erfül-
                                                                                                                          len sind. ICOM als Weltverband der
                                                                                                                          Museumsfachleute schließt immer
                                                                                                                          Meinungsvielfalt und verschiedene

                                                                               Foto: Xocolatl, wikimedia, public domain
                                                                                                                          Traditionslinien ein. Das Internatio-
                                                                                                                          nale Bodensee-Symposium ermöglicht
                                                                                                                          den Meinungsaustausch in einem ge-
                                                                                                                          meinsamen Sprachraum: Haben die
                                                                                                                          Schweiz, Österreich und Deutschland
                                                                                                                          dieselbe Vorstellung vom Mindestmaß
                                                                                                                          der Museumsarbeiten? Wo liegen hier
                                                                                                                          besondere Chancen und Gemeinsam-
                                                                                                                          keiten?
Das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen                                                                                       Die „untere Grenze“ der Museums-
                                                                                                                          definition geht alle Museen an, weil
                                                                                                                          sie nicht nur von museumsähnlichen
                                                                                                                          Institutionen abgrenzt, sondern auch
Sowohl in den Massenmedien als auch       seen alles möglich, was gefällt und                                             Handlungsspielräume und Entwick-
in den Selbstdarstellungen von Museen     finanziert wird, oder nicht? Gibt es                                            lungsmöglichkeiten aufzeigt – worauf
überwiegen Berichte, die das beson-       Wis­sensbestände und Leistungen, die                                            verzichtet werden könnte, worauf
ders gut Gelungene, das Spektakuläre      man von jedem Museum erwarten                                                   nicht, welche Verzichtforderung un­
herausstellen: ein Aufsehen erregen­der   darf – ganz gleich, wer der Eigentümer                                          ethisch wäre; in welchen Aspekten
Neubau, eine sensationelle Neuerwer­      ist, welche Aufgaben das Museum er-                                             Schwächen liegen, die ausgeglichen
bung, lange Warteschlangen vor einer      füllt, wie viel Kapital und Personal zur                                        werden müssen; welche Leistungen
innovativen Wechselausstellung. Aus­      Verfügung stehen?                                                               deutlich über dem Mindestmaß liegen
zeichnungen und Gütesiegel haben             Viele Museen klagen über man­geln­                                           und wie man diese Stellung ausnutzt.
dieselbe Tendenz, Spitzenleistungen       de Ressourcen und über steigende An­                                               Wir laden Sie herzlich zum Interna-
und „Best Practice“ bekanntzuma-          sprüche des Publikums wie auch der                                              tionalen Bodensee-Symposium 2018
chen. Gespräche unter Museumsfach­        Rechtsträger. Nur wenige Museen kön­                                            ein. In diesem Rahmen wird auch die
leuten kreisen oftmals um das genaue      nen die Spitze des Machbaren errei-                                             Mitgliederversammlung von ICOM
Gegenteil: Kernthemen sind hier zum       chen; viel wichtiger ist der Konsens,                                           Deutschland stattfinden. Wir freuen
Beispiel die politische Fürsprache für    was auf welchem minimalen Niveau                                                uns auf die Begegnung und den Mei-
Museen ohne Sammlungen, katastro-         von allen Museen erwartet werden                                                nungsaustausch mit Ihnen!
phale konservatorische Bedingungen        kann: Wie viele Dinge muss eine
in einem teuren Neubau, Museums-          Sammlung mindestens haben? Was ist                                              Vorstand von ICOM Deutschland
inhalte ohne jeden Ansatzpunkt für        der in allen Museen erreichbare Min-
Forschung, multimediale Daueraus-         deststandard präventiver Konservie-
stellungen, die weder Musealien noch      rung? Was bedeutet Forschung im                                                 Weitere Informationen:
irgendein Vermittlungsangebot zu be­      Mindestmaß? Gibt es eine von allen                                              Tagungsort: Zeppelin-Museum,
nötigen scheinen.                         Museen zu fordernde Ausprägung von                                              Seestraße 22, Friedrichshafen
  Das Internationale Bodensee-Sym-        „Kommunikation / Vermittlung“?                                                  Anmeldung und Programm:
posium 2018 stellt Fragen, die sich          Im Kern ist die Museumsdefinition                                            www.icom-deutschland.de/tagung
zwischen diesen Extrempolen von Ju-       Tagungsthema, aber nicht als eine Lis­                                          Hinweise zu Reisebeihilfen:
bel und Jammer bewegen: Ist in Mu-        te möglicher Merkmale von Museen,                                               www.icom-deutschland.de

14 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Ak tue lles

Wechsel an der Spitze der
Geschäftsstelle von ICOM Deutschland
Am 1. April 2018 hat Dr. Klaus Staubermann die Geschäftsführung von ICOM
Deutschland übernommen. Er wird nicht nur das Team in Berlin verstärken und
dazu beitragen, dass sich organisatorische Abläufe schneller und effektiver gestal-
ten, sondern er wird auch maßgeblich an der Positionierung von ICOM Deutsch-
land mitwirken.

                                                                                                                                           Foto: ICOM Deutschland
                                                          Foto: ICOM Deutschland

                                                                                   Mit Herrn Dr. Klaus Staubermann konnten wir einen Wis-
                                                                                   senschaftler gewinnen, der in den vergangenen zehn Jah-
                                                                                   ren am National Museum of Scotland als leitender Kura-
                                                                                   tor für Wissenschaft und Technik verantwortlich war.
                                                                                   Zuvor waren seine beruflichen Stationen die Alexander-
                                                                                   von-Humboldt-Stiftung in Bonn, die Universität Utrecht
                                                                                   und das Deutsche Technikmuseum Berlin. Als Gründungs-
Er löst damit Johanna Westphal ab, die nahezu achtzehn                             mitglied des europäischen Netzwerks Universeum war er
Jahre die Geschäftsstelle geleitet hat. Sie kann dabei auf                         unter anderem von der Königlichen Akademie der Wissen-
eine erfolgreiche Zeit zurückblicken, da sie an der Seite des                      schaften in Schweden eingeladen, um an dem Konzept des
damalig amtierenden Präsidenten von ICOM Deutsch­land,                             neuen Museumsviertels in Stockholm mitzuwirken. Als
Professor Hans-Martin Hinz, die Geschäftsstelle mit auf-                           Wissenschaftler steht er für Nachhaltigkeit und befasste
gebaut hat. In ihrer Zeit als Geschäftsführerin entwickelte                        sich bereits in zahlreichen Projekten und Veröffentlichun­
sich ICOM Deutschland zu einem wichtigem Partner für                               gen mit dem kulturellen Erbe. Dies sind wichtige Voraus-
das Museumsnetzwerk nicht nur in Deutschland, sondern                              setzungen und bringen für ICOM Deutschland ein neues
auch weltweit. Johanna Westphal begleitete und unter-                              Potenzial der wissenschaftlichen Vernetzung.
stützte von 1999 bis zu ihrem Weggang Ende Oktober                                    Bei ICOM Deutschland wird er maßgeblich an der Ent-
2017 fünf verschiedene Präsidenten von ICOM Deutsch-                               wicklung von Inhalten und Projekten mitwirken und diese
land und sorgte für die Kontinuität der Arbeit des Ver-                            entsprechend nach außen hin vertreten. Wir sind uns sicher,
bandes. Für viele im ICOM-Kreis war sie die Ansprech-                              mit ihm einen kollegialen Partner gefunden zu haben, dem
partnerin über Jahre und damit Identifikationsfigur. In                            auch nicht die notwendige Portion an Humor und Gelas-
den Jahren ihres Wirkens als Geschäftsführerin ist die Mit-                        senheit fehlt. Mag sein, dass britischer Humor sich bereits
gliederzahl auf nahezu sechstausend angewachsen und                                während seiner Schottlandjahre eingeschlichen hat. Auch
ICOM Deutschland somit zum mitgliederstärksten Natio-                              verriet er uns nach seiner Berufung im Dezember 2017, dass
nalkomitee innerhalb des Weltverbands geworden. Sie hat                            er den Jahreswechsel mit Freunden verbringen wolle, um
ICOM Deutschland verlassen, um sich nun neuen Aufga-                               am dunkelsten Ort in Deutschland Sterne zu beobachten.
ben zu widmen. Wir danken Johanna Westphal für die                                 Wir sind gespannt, welche Sterne er für uns am Museums-
geleistete wertvolle Arbeit in der Geschäftsstelle.                                himmel entdecken wird.

                                                                                              ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018   | 15
Besuchermagnet Museum
                                       Durchschnittlicher Anteil der Bevölkerung
                                     der Europäischen Union über 16 Jahren, die im
                                       Jahre 2015 ein Museum /Ausstellungsareal
                                                     besucht haben
                                                         43,4 %

davon höchster Anteil                                                 davon niedrigster Anteil
in Schweden 67,2 %                                                     in Bulgarien 14,6 %

                        Rückblick
            Jahrestagung 2017 von ICOM Deutschland
                 Anzahl der Tagungsteilnehmer insgesamt: 291
                           Anzahl der Referenten: 27
                Anzahl der beteiligten ICOM-Nationalkomitees: 6

Öffentliche Kulturausgaben
in Deutschland für Museen,
     Sammlungen und
   Ausstellungen (2013):
1,9 Milliarden Euro
                                             Anzahl der Museen in
                                             Deutschland insgesamt:
                                                    6.710
                                                                      Anzahl der Beschäftigten
                                                                       in Museumsberufen in
                                                                        Deutschland (2015):
                                                                             15.000
    16 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018
Rückblick

Difficult Issues – was wir gelernt haben
Wie können Museen mit umstrittenen Themen und Objekten umgehen, welche
Strategien unterstützen sie in ihrer Aufgabe, das kulturelle Erbe verschiedener
Gemeinschaften zu präsentieren? Anhand zahlreicher Beispiele haben rund zwei-
hundert Museumsexperten vom 21. bis 23. September 2017 auf der Jahrestagung
von ICOM Deutschland vertraute Praktiken und neue Konzepte diskutiert. Fazit:
An einem ehrlichen Dialog mit allen Beteiligten über die Frage, was und wie erin-
nert werden soll, kommen Museen nicht vorbei, wenn sie für die Gesellschaft re-
levant sein wollen.
Ursula Röper

Ein zauberhafter, ein etwas verträum-    aus den ICOM-Komitees von Island,         Managing the „Other“
ter Ort am blauen Wasser des Öre-        Norwegen, Schweden, Finnland, Dä-         Terje Anepaio, Kristel Rattus
sund: Das ist das weiß getünchte Hel-    nemark und Deutschland waren zu
singborger Dunkers Kulturhus, der        dieser internationalen Konferenz 2017     Last October, the Estonian National
Ort, an dem ICOM Deutschland mit         zusammengekommen.                         Museum (ENM) opened its new building
fünf ICOM-Nationalkomitees aus                                                     and new core exhibitions. With the core
Nordeuropa seine Jahrestagung 2017       „Problemzonen“ des                        ex­hibition about Estonian culture, the
abgehalten hat. Die Segelboote am Kai    musealen Alltags                          “Encounters”, the ENM has introduced seve-
schaukeln vor der Außentribüne im                                                  ral new topics as well as novel approaches,
sonnigen kühlen Wind. Durch deren        Doch was verstehen wir unter difficult    which highlight the points of contact bet-
Masten hindurch schimmert am ge­         issues in der heutigen musealen Ar-       ween different social groups, and stresses
gen­überliegenden dänischen Ufer das     beit? Von über achtzig internationalen    the importance of tolerance and equality.
stolze Schloss Kronborg, vor allem be-   Einsendungen wurden 24 verschiede­           The largest minority in Estonia is the
kannt durch Shakespeares Tragödie        ne Fallbeispiele in acht Sektionen vor-   Russian-speaking community. Amazingly,
„Hamlet“. Die schwedischen Herren        gestellt: Sie handelten von ethischen     it has not been common to exhibit the
von Helsingborg wiederum hatten          Herausforderungen im Sammeln und          culture of Russian-speaking minority in
einstmals dem dänischen Schloss in       Ausstellen von komplizierten Objek­ten    Estonian museums. In the Estonian media,
Helsingør die Festung Kärnan gegen-      (Kathrin Papst, Vest-Agder-Museum,        the tendency has rather been to contrast
übergesetzt, von der heute noch der      Kristiansand), von sensiblen his­to­ri­   the two communities. “Encounters”,
Turm stolz über die Stadt hinwegragt.    schen, bisher verschwiegenen Kon­         however, aimed to create a dialogue.
Fähren verbinden inzwischen in kur­      flikt­themen der NS-Zeit, zum Beispiel       The paper addresses some challenges,
zen Abständen diese engste Stelle des    von deutschen Soldaten in Finn­land       which occurred in the communication with
Öresund. Es scheint so, als ob diese     (Mirkka Hekkurainen, Universität Hel-     the Russian-speaking community during the
Idylle nie anders gewesen wäre. Die      sinki), oder dem Umgang mit Minder-       preparation of the exhibition. Firstly, for the
Abschlussexkursion der Konferenz         heiten, beispielsweise den Sami in den    Estonian National Museum, the communi-
nutzte die Seeverbindung, um sowohl      skandinavischen Ländern (Aile Aikio,      cation turned out to be more difficult than
das Schloss als auch das Maritim-Mu-     Sami Museum Siida, Anar/Inari).           expected, since the Russian-speaking
seum Dänemarks mit seiner neuen Ar-      Difficult issues wurden auch deutlich     community did not have acknowledged
chitektur zu besichtigen.                erkennbar, wenn sich kommunale oder       leaders and was not accustomed to
   Dunkers Kulturhus beherbergt Aus-     regionale Museen für aktuelle sozial-     communicate with the public as a group.
stellungen zur Stadtgeschichte, Räume    relevante Themen öffnen, wie denen        Secondly, exposing one‘s everyday culture
für Theater- und Kinderkulturarbeit,     von traumatisierten Flüchtlingen oder     in a museum was sometimes considered
eine Bibliothek, ein Restaurant und      Migranten (Diana Chafik, Sörmlands-       improper by the Russian-speakers.
einen großen Konzertsaal, der als Ta-    Museum, Nyköping) oder Menschen
gungsort ausgewählt worden war. Ku-      mit Behinderungen (Ellen Lange, Na-
ratoren und Konservatoren vor allem      tional Medical Museum, Oslo) oder

                                                                          ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2018          | 17
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