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21 2018 8. November 2018 71. Jahrgang ZUR DISKUSSION GESTELLT ZUR DISKUSSION GESTELLT Nachtrag: Extremwetterlage und Dürreschäden: Scheitern der sozialen Sind staatliche Hilfen für die Landwirtschaft erforderlich? Wohnungspolitik: Julia Klöckner Wie bezahlbaren FORSCHUNGSERGEBNISSE Soziale Marktwirtschaft: Wohnraum schaffen? Exportschlager oder Friedrich Breyer, Nicole Hoffmeister-Kraut, Matthias Wrede, Auslaufmodell? Harald Simons, Lars Vandrei, Theresia Theurl, Ralph Henger, Clemens Fuest Konstantin Kholodilin und Sebastian Kohl Internationaler Steuerwettbe werb aus Unternehmenssicht Ann-Christin Rathje und Klaus Wohlrabe Mauer in den Köpfen? Die Einstellungen und Verhaltens weisen Ost- und Westdeutscher 28 Jahre nach der Wende Helmut Rainer, Clara Albrecht, Stefan Bauernschuster, Victoria Endl-Geyer, Anita Fichtl, Timo Hener und Joachim Ragnitz DATEN UND PROGNOSEN Sonderfrage im WES III/2018: Wie gut sind Volkswirtschaf ten gegen eine neue Finanz- krise gewappnet? Dorine Boumans IM BLICKPUNKT ifo Konjunkturumfragen Oktober 2018 Klaus Wohlrabe
ifo Schnelldienst ISSN 0018-974 X (Druckversion) ISSN 2199-4455 (elektronische Version) Herausgeber: ifo Institut, Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München, Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: ifo@ifo.de. Redaktion: Dr. Marga Jennewein. Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Annette Marquardt, Prof. Dr. Chang Woon Nam. Vertrieb: ifo Institut. Erscheinungsweise: zweimal monatlich. Bezugspreis jährlich: Institutionen EUR 225,– Einzelpersonen EUR 96,– Studenten EUR 48,– Preis des Einzelheftes: EUR 10,– jeweils zuzüglich Versandkosten. Layout: Kochan & Partner GmbH. Satz: ifo Institut. Druck: Majer & Finckh, Stockdorf. Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars. im Internet: http://www.cesifo-group.de
SCHNELLDIENST 21/2018 ZUR DISKUSSION GESTELLT Scheitern der sozialen Wohnungspolitik: Wie bezahlbaren Wohnraum schaffen? 3 Wohnen wird – zumindest in einigen Städten – zum Luxusgut, bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware. Die Woh- nungsbaupolitik muss drastisch verändert werden. Sollte der soziale Wohnungsbau ausgebaut, die Mietpreis- bremse verschärft werden oder – im Gegenteil – auf beides weitgehend verzichtet werden? Sollten stattdessen die Bauvorschriften gelockert und das Wohngeld reformiert und ausgebaut werden? Friedrich Breyer, Universität Kon- stanz, stellt das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur derzeit herrschenden Wohnungspolitik vor. Demnach sind die zuletzt beschlossenen Maßnahmen nicht geeignet, die diagnostizierte »Wohnungsnot« nachhaltig und sozial zu beseitigen. Sinnvoller wäre es, in Ballungsgebieten mehr Bauland auszuweisen und den Haushalten, denen es an Kaufkraft fehlt, durch ein Wohngeld zu ermögli- chen, sich eine Wohnung zur Marktmiete zu leisten. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg, fasst die Wohnungsbaupolitik des Landes Baden-Württemberg zusammen, die unter anderem aus der Förderung des sozialen Wohnraums und der Förderung des frei finanzier- ten Wohnungsbaus besteht. Matthias Wrede, Universität Erlangen-Nürnberg, sieht eine soziale Wohnungspoli- tik in einer Sicherung der Grundversorgung, einer effizienteren Nutzung der Flächen und einer Reduktion der Transaktionen. Hohe Mieten betreffen, nach Harald Simons, empirica, weniger als die Hälfte der regionalen Woh- nungsmärkte in Deutschland. Hohe Mieten an einem Ort seien Folge der niedrigen Mieten an anderen Orten und umgekehrt. Ursache davon sei das »Schwarmverhalten«. Die Differenz zwischen Schwarmstädten und ausbluten- den Regionen könnte vermindert werden, wenn es gelänge, die Abwanderung junger Menschen in die Schwarm- städte abzuschwächen. Nach Ansicht von Lars Vandrei, ifo Niederlassung Dresden, kann die Mietpreisbremse Preisanstiege zwar zumindest in der kurzen und mittleren Frist verringern. Damit werde aber kein bezahlbarer Wohnraum geschaffen, sondern lediglich vorhandener Wohnraum für einige Mieter bezahlbarer gemacht. Ohne eine tatsächliche Angebotsausweitung dürften von der Regelung vor allem relativ gutverdienende Nachfrager profitieren. Theresia Theurl, Universität Münster, unterstreicht die Bedeutung der Wohnungsgenossenschaften für die Beschaffung bezahlbaren Wohnraums. Ralph Henger, Institut der deutschen Wirtschaft, sieht die Lösung des Wohnungsnotproblems bei der Ausweitung des Angebots und dem richtigen Mix flankierender Maßnahmen. Vor allem die Städte und Gemeinden in den Ballungszentren müssten hierbei einen Politikwechsel vollziehen. Das zentrale Problem sei das fehlende Angebot an Flächen zur Bebauung in den wachsenden Städten und Gemein- den. Konstantin Kholodilin, DIW, Berlin, und Sebastian Kohl, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln, zeigen, dass Mietregulierungen nicht zwangsläufig zum Ende der Neubautätigkeit führen müssen und dass eine Deregulierung des Mietmarkts nicht unbedingt die Neubautätigkeit stimuliert. Nachtrag: Extremwetterlage und Dürreschäden: Sind staatliche Hilfen für die Landwirtschaft erforderlich? 31 Julia Klöckner Ergänzend zu den Beiträgen, die im ifo Schnelldienst Nr. 20/2018 zu den Finanzhilfen bei Dürreschäden veröffent- licht wurden, stellt Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, die Position der Bundes- regierung vor und erläutert, wann Hilfen für Landwirte richtig sind. FORSCHUNGSERGEBNISSE Soziale Marktwirtschaft: Exportschlager oder Auslaufmodell? 35 Clemens Fuest ifo-Präsident Clemens Fuest setzt sich in seiner Rede anlässlich der Preisverleihung »Impulsrede zur Sozialen Marktwirtschaft« durch den Wirtschaftspolitischen Club Deutschland mit der Idee der Sozialen Marktwirtschaft und ihrer Bedeutung in der Gegenwart auseinander.
Der internationale Steuerwettbewerb aus Unternehmenssicht 46 Ann-Christin Rathje und Klaus Wohlrabe Zur Untersuchung des internationalen Steuerwettbewerbs und dessen Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft befragte das ifo Institut im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen von April bis Juli 2018 mehr als 1 250 Fami- lien- und Nicht-Familienunternehmen aus Deutschland. Den Ergebnissen der Unternehmensbefragung zufolge wird der internationale Steuerwettbewerb von dem Großteil (59,2%) der Unternehmen als stark oder eher stark eingestuft. Von den im Zuge der Steuerreform in den USA reduzierten Steuersätzen können etwa 60% der befragten Unternehmen mit Betriebsstätten in den USA finanzielle Vorteile erzielen. Unter den ausschließlich in Deutschland tätigen Unternehmen geben lediglich 1,9% an, vom internationalen Steuerwettbewerb in Summe profitieren zu können. Eine erhebliche Steigerung der Investitionstätigkeiten in den USA infolge der Steuerreform wird unter den befragten Unternehmen insgesamt nicht verzeichnet. Von den Unternehmen mit Betriebsstätten in den USA planen jedoch knapp 27% den Ausbau und 14,2% die Neuerrichtung von US-Kapazitäten. Eine deut- liche Mehrheit der befragten Unternehmen vertritt die Ansicht, die deutsche Politik solle Maßnahmen ergreifen, um auf den internationalen Steuerwettbewerb zu reagieren. Den größten Reformbedarf sehen sie in der Reduk- tion von Bürokratie. Mauer in den Köpfen? Die Einstellungen und Verhaltensweisen Ost- und Westdeutscher 28 Jahre nach der Wende 56 Helmut Rainer, Clara Albrecht, Stefan Bauernschuster, Victoria Endl-Geyer, Anita Fichtl, Timo Hener und Joachim Ragnitz Wirken die über 40 Jahre bestehenden Systemunterschiede auch 28 Jahre nach der Wende noch nach? Die Ergeb- nisse einer neuen ifo-Studie zeigen, dass in vielen gesellschaftlichen Teilbereichen ein steter Annäherungsprozess im Gang ist und dass sich die Auffassungen in den beiden Landesteilen eher selten auseinander entwickeln. Häufig nähern sich die Einstellungen der Ostdeutschen an die der Westdeutschen an. In einigen Fällen, wie beispiels- weise im Hinblick auf die vorherrschenden geschlechtlichen Rollenbilder, orientieren sich die Westdeutschen an den Einstellungen der Ostdeutschen. DATEN UND PROGNOSEN Sonderfrage im World Economic Survey im dritten Quartal 2018 Wie gut wären Volkswirtschaften weltweit gegen eine neue Finanzkrise gewappnet? 62 Dorine Boumans Als Reaktion auf die Finanzkrise änderten viele Länder ihre Politik und die Regulierung ihres Finanzsektors. Um zu prüfen, ob diese Reformen zu einer höheren Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft dieser Länder führten, wurden im Rahmen des World Economic Survey (WES) III/2018 die an der Umfrage teilnehmenden Experten nach ihrer Einschätzung dazu befragt. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass, obwohl noch viel Raum für Verbesserung bleibt, die Mehrheit der Experten ihre nationale Volkswirtschaft besser auf eine Krise vorbereitet sieht. Die Frage, ob die Länder nun besser auf eine Finanzkrise reagieren könnten als vor 2007, bejahten 22,5% der Befragungsteil- nehmer, 38,7% sagten, sie seien inzwischen etwas besser gerüstet. 24,6% der Teilnehmer waren der Meinung, sie seien schlechter gewappnet. Innerhalb der einzelnen Länderaggregate gaben jeweils die meisten Experten an, die Wirtschaft sei einigermaßen gerüstet für eine erneute Finanzkrise. Es zeigt sich deutlich, dass die Länder, die besonders von der Krise oder den Nachwirkungen betroffen waren, weniger optimistisch sind. IM BLICKPUNKT ifo Konjunkturumfrage Oktober 2018 auf einen Blick: Die weltweiten Unsicherheiten bremsen die deutsche Wirtschaft aus 68 Klaus Wohlrabe Der ifo Geschäftsklimaindex ist im Oktober gefallen. Die Unternehmen waren mit ihrer aktuellen Geschäftslage weniger zufrieden. Auch der Optimismus mit Blick auf die kommenden Monate nahm ab. Die weltweiten Unsi- cherheiten bremsen die deutsche Wirtschaft aus. Die Stimmung in der deutschen Exportwirtschaft hat einen deutlichen Dämpfer erhalten. Die Exporterwartungen der Industrie sind im Oktober gefallen. Eine Stimmungs- eintrübung war im Maschinenbau, der Metallindustrie sowie der Nahrungsmittelindustrie zu beobachten.
ZUR DISKUSSION GESTELLT Scheitern der sozialen Wohnungs politik: Wie bezahlbaren Wohnraum schaffen? Die Wohnungsfrage ist zurückgekehrt. Die Diagnose ist eindeutig: Wohnen wird – zumindest in einigen Städten – zum Luxusgut, bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware. Die Wohnungs baupolitik muss drastisch verändert werden. Sollte der soziale Wohnungsbau ausgebaut, die Mietpreisbremse verschärft werden oder – im Gegenteil – auf beides weitgehend verzichtet werden, da sich beide Instrumente als unwirksam erwiesen haben? Sollten stattdessen die Bauvorschriften gelockert und das Wohngeld reformiert und ausgebaut werden? DIE THESEN DES BEIRATSGUTACHTENS Friedrich Breyer* Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeri- Das Wohnungsgutachten des ums für Wirtschaft und Energie (kurz: »Beirat«) hat Wissenschaftlichen Beirats diese Entwicklung zum Anlass genommen, die derzeit herrschende Wohnungspolitik kritisch unter die Lupe beim BMWi und seine zu nehmen und Alternativen vorzuschlagen (Wissen- Folgen1 schaftlicher Beirat beim BMWi 2018). Die Bewertung erfolgte im Hinblick auf die Eignung zur Lösung zweier Friedrich Breyer In Deutschland ist wieder von »Wohnungsnot« die Probleme, nämlich eines »Angebotsproblems« (effizi- Rede – und das in einem Land, in dem pro Kopf der ente Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Bevölkerung 46 qm Wohnfläche zur Verfügung ste- Wohnraum) und eines »Verteilungsproblems« (Vermei- hen (17% mehr als im Jahr 2000) und in dem 2 Mio. dung sozialer Härten für Geringverdiener, Alleinerzie- Wohnungen leer stehen. Nimmt man allerdings den hende und große Familien). Preis als Knappheitsindikator, so muss man fest- Das Gutachten beschäftigt sich im Hauptteil mit stellen, dass im Zeitraum 2010 bis 2017 die Mieten den drei wichtigsten Instrumenten staatlicher Woh- bei Neu- und Wiedervermietung in den 14 beliebtes- nungspolitik (Mietpreisbremse sozialer Wohnungsbau ten Großstädten – allerdings nach einer sechs Jahre und Wohngeld) und kommt zu folgenden Urteilen: währenden Stagnation – im Schnitt um 34% gestie- gen sind.2 Diese sich verschärfende Knappheit hat 1. Die gesetzliche Beschränkung der Mietanhebung viel mit gesellschaftlichen Trends wie der wachsen- bei Wiedervermietung (»Mietpreisbremse«) ist, den Akademisierung zu tun: Große Teile der jungen sofern sie überhaupt wirksam ist, kontraproduktiv, Generation verlassen das flache Land und ziehen in da sie das Angebot senkt und die Nachfrage erhöht die Großstädte sowie in weitere Hochschulstand- und somit die bestehende Knappheit verschärft. orte. Allein die Zahl der Studierenden in Deutschland Denn Eigentümer von Wohnungen in begehrten hat im vergangenen Jahrzehnt um eine Million zuge- Lagen werden sich überlegen, ob sie ihre Wohnung nommen, und Akademikerpaare haben in Ballungs- lieber als Ferienwohnungen für Touristen vermie- räumen viel bessere berufliche Perspektiven als ten, und Nachfrager werden bei niedrigeren Prei- andernorts. Es gibt insgesamt keinen absoluten sen mehr und größere Wohnungen nachfragen. Als Mangel an Wohnraum, sondern Angebot und Nach- Konsequenz wird sich die Zahl der Interessenten frage klaffen regional auseinander. frei werdender Wohnungen vervielfachen, was den Suchaufwand unnötig in die Höhe treibt und den * Prof. Dr. Friedrich Breyer ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaft- Spielraum der Vermieter bei der Auswahl ihnen und Sozialpolitik an der Universität Konstanz und Mitglied des Wis- »genehmer« Mieter erhöht. Damit ist letzten Endes senschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. niemandem geholfen außer dem einen Bewerber, 1 Für wertvolle Hinweise danke ich Christina Gathmann und Regina der schließlich zum Zuge kommt. Riphahn. 2 Quelle: BBSR-Wohnungsmarktbeobachtung, IDN ImmoDaten 2. Der soziale Wohnungsbau weist zwar den Vorteil GmbH. auf, dass er eine direkte Wirkung auf das Woh- ifo Schnelldienst 21 / 2018 71. Jahrgang 8. November 2018 3
ZUR DISKUSSION GESTELLT nungsangebot hat. Dem stehen aber eine Reihe plätzen und Wohnungsangebot verringert werden von Nachteilen gegenüber: So wird in den meisten kann. Insbesondere wurde Folgendes angeregt: Bundesländern die Berechtigung zum Bezug einer Sozialwohnung nur ein einziges Mal überprüft und –– die Umwandlung der (nach dem Urteil des Bun auf die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe nach desverfassungsgerichts ohnehin reformbedürf einem Anstieg des Haushaltseinkommens wegen tigen) Grundsteuer in eine reine Bodensteuer, um des Verwaltungsaufwands verzichtet.3 Noch gra- das Horten von unbebautem Bauland zu verteuern, vierender ist die Tatsache, dass es unmöglich ist, –– die teilweise Abschöpfung von planungsbeding- jedem einkommensschwachen Haushalt jeweils ten Bodenwertzuwächsen durch einen »Planungs- dort, wo er hinziehen will oder muss, rechtzeitig wertausgleich«, wie er in der Schweiz praktiziert eine Sozialwohnung zur Verfügung zu stellen. Die wird; dadurch würde den Kommunen ein größe- Suche nach einer Sozialwohnung bleibt daher wei- rer Anreiz geboten, Baugebiete an ihrer Peripherie terhin ein Lotteriespiel. auszuweisen, denn mit den abgeschöpften Mitteln 3. Demgegenüber hat das Instrument Wohngeld als könnte die Infrastruktur für die bereits ansässigen Subjektförderung den Vorteil, dass die Einkom- Bürger verbessert werden, menssituation jedes einzelnen Mieters berück- –– die Überprüfung von Bauvorschriften wie der Ener- sichtigt und der Bedarf zielgenau gedeckt wer- gieeinsparverordnung, die das Bauen im letzten den kann, denn dessen Höhe richtet sich neben Jahrzehnt überproportional verteuert haben, der Personenzahl nach dem Einkommen und der –– der Verzicht auf das verteilungspolitisch frag Miethöhe. Dabei gibt es Obergrenzen sowohl für würdige Baukindergeld und stattdessen die Rück- das Einkommen als auch für die Miethöhe, bis zu führung der in den letzten Jahren stark gestiegenen der der Zuschuss zunimmt (»berücksichtigungs Steuersätze bei der Grunderwerbsteuer durch die fähige Miete«), und diese Grenzen sind derzeit Bundesländer, sehr eng gesteckt. Zum Beispiel werden bei –– der Ausbau des Nahverkehrs, um Wohn- und einem vierköpfigen Haushalt nur die ersten Arbeitsstätten schneller miteinander zu verbin- 890 Euro Miete angerechnet, und der Transfer den, und schließlich fällt weg, wenn das Einkommen auf 2 100 Euro –– die Auslagerung von Dienststellen der Behörden steigt. Natürlich darf bei einer Subventionie- vom Zentrum in die Peripherie einer Großstadt. rung der Nachfrager die Gefahr der Überwälzung auf den Preis nicht außer Acht gelassen wer- REAKTIONEN AUS DER POLITIK UND DER den. Diese lässt sich jedoch vermeiden, wenn die ÖFFENTLICHKEIT berücksichtigungsfähige Miete noch unter der Marktmiete liegt, wenn also der letzte Euro der Selten hat ein Gutachten des Beirats so spontane und Miete nicht mehr zu einer Erhöhung des Transfers heftige Reaktionen von Politikern ausgelöst wie die- führt. Denn dann wirkt das Wohngeld wie ein Pau- ses. Insbesondere aus der SPD kam sehr harsche Kri- schaltransfer, der lediglich einen Einkommens-, tik, die von »verantwortungslos« (Katharina Barley) bis aber keinen Substitutionseffekt hat. Die oben zu »marktradikaler Unfug« (Thorsten Schäfer-Güm- genannten Zahlen zeigen, dass es gerade in den bel) reichte. Bemerkenswert war die Einlassung des teuren Wohnlagen noch einen erheblichen Spiel- Bundesfinanzministers Olaf Scholz, der das Gutach- raum der Erhöhung gibt, ohne dass die volle Markt- ten laut FAZ vom 27. August 2018 als »alles Quatsch« miete in die Berechnung des Wohngelds einfließt. und »großer Kokolores« kritisierte und dies wie folgt Schließlich ist ein Vergleich von Wohngeld und begründete: Eine Wohnung, mit der ein Investor sein sozialem Wohnungsbau nur dann fair, wenn man Geld wieder hereinbekommen wolle, müsse den Mie- in beiden Fällen von einer gleich hohen Auswei- ter kalt und netto 12 bis 13 Euro je Quadratmeter kos- sung neuen Baulands durch die Kommunen aus- ten. »Die meisten können sich das nicht leisten«, sagte geht. Eine Stärkung der Nachfrage durch Wohn- Scholz. Wenn dieser Missstand durch Wohngeld beho- geld vermittelt dann einen Anreiz für private Inves- ben werden solle, »dann müssten viele öffentliche Unter- toren, in genau den Qualitätsklassen Wohnungen stützung beziehen«, sagte Scholz. Er wolle deshalb, dass zu errichten, in denen eine unbefriedigte Nach- der Staat den sozialen Wohnungsbau auch über 2019 frage vorliegt. hinaus unterstützt. In dieser Argumentation fällt vor allem der Aus- Daneben enthält das Beiratsgutachten eine Vielzahl druck »die meisten« auf, mit dem wohl die Mehrheit der von Vorschlägen, wie das Angebot von Wohnraum aus- Bürger gemeint ist, die zumindest die Gruppe der »Nor- geweitet oder die regionale Kluft zwischen Arbeits malverdiener« in der Mitte der Einkommensverteilung umfasst. Im Klartext sagt der Minister also zweierlei: 3 Eine Ausnahme stellt der Freistaat Bayern dar, in dem jeder Mieter Erstens, wegen der hohen Baukosten muss der Staat in einer Sozialwohnung die volle Kostenmiete schuldet, aber einen auch Normalverdiener finanziell unterstützen, und einkommensabhängigen Mietzuschuss erhält, der alle drei Jahre überprüft wird. Hier ist de facto ein »Wohngeld« in den sozialen Woh- zweitens, da Subjektförderung in diesem Umfang zu nungsbau integriert. teuer wäre, muss diese Unterstützung wie bisher vor- 4 ifo Schnelldienst 21 / 2018 71. Jahrgang 8. November 2018
ZUR DISKUSSION GESTELLT rangig in Form von Objektförderung gewährt werden. Die Bundesregierung und die Regierungen der Bun- Insbesondere die erste Aussage klingt aus dem Mund desländer zeigen damit, dass sie unbeirrt an dem Ins- eines Bundesfinanzministers irritierend, der ja dafür trument »sozialer Wohnungsbau« festhalten wollen, verantwortlich ist, jede Ausgabe des Staates durch obwohl dies bisher ein Auseinanderklaffen von An Einnahmen zu decken: Wenn der Staat beginnt, bei der gebot und Nachfrage auf regionalen Wohnungsmärk- Erstellung eines Gutes, das einen großen Teil des Haus- ten nicht verhindert hat und die 100 000 Wohnungen haltsbudgets ausmacht, sogar die Normalverdiener ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Ob diese Woh- zu subventionieren, dann müssen die Mittel hierfür nungen tatsächlich »zusätzlich« entstehen werden, ist letztlich auch von dieser Gruppe aufgebracht wer- angesichts der hohen Auslastung der Bauwirtschaft zu den, d.h., das Geld, das der Staat diesen großzügig in bezweifeln. Auch die weiteren Maßnahmen sind frag- die linke Tasche steckt, entnimmt er ihnen gleichzei- würdig, und in welchem Ausmaß das Wohngeld eines tig aus der rechten. Aber auch die zweite Aussage ist Tages »verbessert« wird, bleibt unklar. fragwürdig: Denn warum soll – bei gleichem Zielerrei- chungsgrad – eine Subjektförderung teurer sein als FAZIT UND AUSBLICK eine Objektförderung, die, wie oben gezeigt, immer auch einen Anteil an Fehlsubventionierung beinhaltet? Politiker definieren die gegenwärtige Lage auf dem Wenn die Objektförderung weniger kostet, dann ist sie Wohnungsmarkt als einen »Mangel an bezahlbarem auch weniger wirksam! Wohnraum«, den sie mit homöopathischen Dosen an Ein weiterer Kritikpunkt, der mehrfach geäußert sozialem Wohnungsbau therapieren wollen. Sinnvol- wurde (u.a. von Schäfer-Gümbel und dem Mieter- ler wäre es, die Problemstellung in zwei aufzugliedern bund-Vorsitzenden Siebenkotten), lautete, die Vor- und jede einzelne mit geeigneten Instrumenten zu schläge des Beirats kämen »aus der Mottenkiste«. lösen: Es fehlt in Ballungsgebieten an Wohnraum; also Diese Beobachtung ist nicht einmal falsch, wenn man sollten z.B. die Kommunen dort mehr Bauland aus- sie so interpretiert, dass sie im Einzelnen nicht neu weisen, und es fehlt vielen Haushalten an Kaufkraft; seien. In der Tat finden sich nahezu gleich lautende also sollten diese durch Wohngeld in die Lage versetzt Vorschläge in diversen Gutachten zum Wohnungs- werden, sich eine Wohnung zur Marktmiete leisten zu markt, die 25 bis 50 Jahre alt sind (vgl. Expertenkom- können. Dies eine »rein marktwirtschaftliche Lösung« mission Wohnungspolitik 1994; Wissenschaftlicher zu nennen, ist irreführend, denn der Staat reguliert Beirat 1970; 1982). Das Problem ist vielmehr, dass sie nach wie vor die Flächennutzung und kann somit niemals umgesetzt wurden, so dass in regelmäßigen dafür sorgen, dass da gebaut wird, wo der Bedarf am Abständen in Deutschland die Existenz einer »Woh- größten ist. Auch Auflagen bezüglich der Qualitäts- nungsnot« konstatiert und weitere drastische Eingriffe standards sind denkbar, wenn befürchtet wird, dass in das Marktgeschehen vorgenommen wurden, die der sonst zu viele Luxuswohnungen entstehen würden. Nachfrageseite kurzfristig Erleichterung versprachen, Die zuletzt beschlossenen Maßnahmen sind hingegen aber langfristig zu noch stärkeren Missständen führ- nicht geeignet, die diagnostizierte »Wohnungsnot« ten. Die jüngsten wohnungspolitischen Beschlüsse nachhaltig und sozial zu beseitigen. der Regierung (s.u.) lassen nicht erkennen, dass die- ser Teufelskreis in naher Zukunft durchbrochen wird. LITERATUR Expertenkommission Wohnungspolitik (1994), Wohnungspolitik auf dem DIE WEITERE ENTWICKLUNG DER Prüfstand, Bonn. WOHNUNGSPOLITIK Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft (1970), Entwicklung der Wohnungsmieten und geplante Maßnahmen zur Begren- zung des Mietanstiegs, Gutachten vom 12. Dezember 1970. Mit Spannung wurde der »Wohngipfel« im Kanzleramt Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft (1982), am 21. September 2018 erwartet. Dort wurden u.a. fol- Probleme der Wohnungswirtschaft, Gutachten vom 23. Januar 1982, gende Beschlüsse gefasst:4 BMWA-Studienreihe Nr. 35. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und –– Aufstockung der Bundesmittel für den sozialen Energie (2018), Soziale Wohnungspolitik, Gutachten vom 17. Juli 2018, Berlin. Wohnungsbau für die Jahre 2018 bis 2021 auf ins- gesamt 5 Mrd. Euro, die für »über 100 000 zusätzli- che Wohnungen« reichen sollen. –– Bereitstellung von 2,7 Mrd. Euro für das geplante Baukindergeld, –– Ausweitung des Betrachtungszeitraums für die »ortsübliche Vergleichsmiete« von vier auf sechs Jahre, –– »Verbesserung« des Wohngelds zum 1. Januar 2020. 4 https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroef- fentlichungen/2018/ergebnisse-wohngipfel.pdf?__blob=publication- File&v=3. ifo Schnelldienst 21 / 2018 71. Jahrgang 8. November 2018 5
ZUR DISKUSSION GESTELLT Nicole Hoffmeister-Kraut* tierten Bauplanungstätigkeit bestärken. Außerdem müssen wir in den unterschiedlichsten Handlungs- Vorschriften entschlacken, feldern Anreize setzen, um das Bauen attraktiver zu sozialen Wohnungsbau machen. Expertinnen und Experten müssen mit sämtli- fördern, Flächenpotenziale chen Akteuren am Wohnungsmarkt an einem Tisch aktivieren – Baden-Württem- versammelt werden. So können Wissensdefizite überwunden und auch die letzten Hemmnisse besei- berg bekämpft den Wohn- tigt werden. Als eine meiner ersten Maßnahmen als raummangel Wirtschafts- und Wohnungsbauministerin habe ich deshalb die Wohnraum-Allianz Baden-Württemberg Bürgerinnen und Bürger zu angemessenen und trag- gegründet. Dieses Gremium versammelt alle sachver- baren Bedingungen mit Wohnraum versorgen – das ständigen Personen, die vom Thema Wohnungsbau ist eine der zentralen Aufgaben der Politik. Diese Her berührt sind. Die themenorientierten Arbeitsgruppen ausforderung können wir nur dann meistern, wenn der Wohnraum-Allianz tagen regelmäßig mit dem Ziel, Bund, Länder und Kommunen zusammenarbeiten. der Landesregierung Lösungsvorschläge zu unterbrei- ten. Von diesem Input konnten wir bereits in vielen WOHNUNGSANGEBOT UND -NACHFRAGE IM Fällen profitieren. UNGLEICHGEWICHT Nicole BESONDERS VOM WOHNRAUMMANGEL Hoffmeister-Kraut In Baden-Württemberg steigen seit mehreren Jah- BETROFFEN: HAUSHALTE MIT GERINGEN ren die Immobilien- und Mietpreise an. Besonders be- EINKOMMEN troffen sind von dieser Entwicklung die Ballungs- räume, Groß- und Universitätsstädte. Eine wesent- Gemeinsam mit dieser Expertenrunde haben wir liche Ursache für die Anspannung der Wohnungs- uns der Frage gewidmet, welche Personengrup- märkte ist das große Angebot an attraktiven Arbeits- pen vom Mangel an Wohnraum am stärksten be- plätzen in diesen Regionen, das eine starke Anzie- troffen sind. Und wir sind zu dem Ergebnis ge- hungskraft ausübt. Es führt zum Zuzug aus dem kommen, dass dies insbesondere die Haushalte sind, In- und Ausland und damit zu einer erhöhten Woh- die nur über ein geringes Einkommen verfügen. Sie nungsnachfrage. Das Wohnungsangebot kann mit die- können sich nicht angemessen mit Wohnraum ver- ser Nachfrage derzeit nicht mehr Schritt halten. Des- sorgen und sind deshalb auf staatliche Hilfe halb müssen wir dringend mehr bezahlbaren Wohn- angewiesen. raum schaffen. Hier greift unsere soziale Wohnraumförderung: Den Erfolg unserer Bemühungen dürfen wir nicht Mit dem Förderprogramm »Wohnungsbau BW« wol- allein an den aktuellen Baufertigstellungszahlen len wir den bestehenden Wohnungsmangel schnell festmachen. Für den Wohnraummangel gibt es viele und effektiv bekämpfen. Im Mittelpunkt unseres Gründe – eine begrenzte Neubautätigkeit ist nur einer Programms steht es, neue Mietwohnungen für ein- davon. Dementsprechend gibt es auch nicht nur eine kommensschwächere Haushalte zu schaffen. Da- Lösung, um dem Mangel abzuhelfen. Wohnungspoli- neben unterstützen wir aber auch die Begründung tik ist komplex. Sie muss vor allen Dingen nachhaltig von Wohneigentum – ebenfalls für Haushalte, für die sein und wirken. Einfache Antworten sind in diesem ein solcher Schritt ohne die Hilfestellung des Landes Politikfeld nicht zwingend die besten. Vielmehr ist es nicht möglich wäre. Über das Förderprogramm »Woh- unsere Aufgabe, mit dem Blick auf das Ganze an etli- nungsbau BW« stellt das Land dafür seit 2017 jähr- chen Stellschrauben zu drehen. lich 250 Mio. Euro zur Verfügung. Diese Förderung hat bereits Wirkung gezeigt: So wurden im Jahr 2017 BAUEN ERLEICHTERN, NICHT ERSCHWEREN Förderungen zur Errichtung von 1 725 Mietwohnun- gen beantragt. Einschließlich Modernisierung waren Um Hindernisse für den Wohnungsbau tatsächlich es sogar beantragte Förderungen für insgesamt mehr zu beseitigen, müssen wir alle einschlägigen Rege- als 8 000 Wohneinheiten. Eine solche Zahl von An- lungen, Vorschriften und Verfahrensweisen in den trägen für neue Sozialmietwohnungen wurde in Blick nehmen und gegebenenfalls überarbeiten. Baden-Württemberg zuletzt 1997 erreicht – also vor Schließlich müssen wir den Menschen das Bauen 20 Jahren. erleichtern, nicht erschweren. Dafür müssen wir uns Die Förderung sozialen Wohnraums ist aller- stark machen – sei es auf Landes- oder auf Bundese- dings nur ein Baustein in unserem Instrumenten- bene. Unsere Städte und Gemeinden verdienen Unter- kasten. Selbstverständlich können wir mit dieser stützung in ihrem Bemühen um mehr Wohnungsbau. zielgruppenorientierten Objektförderung nicht den Deshalb wollen wir sie besonders in einer zielorien- gesamten angespannten Wohnungsmarkt entlas- * Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL ist Ministerin für Wirtschaft, Ar- ten – auch, wenn eine solche Entlastung überall beit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg. nötig ist. 6 ifo Schnelldienst 21 / 2018 71. Jahrgang 8. November 2018
ZUR DISKUSSION GESTELLT STÄDTEBAUFÖRDERUNG ALS WEITERES darauf achten, dass die Wirtschaftlichkeit aus Ver- STANDBEIN DER FÖRDERSTRUKTUR mietersicht gewahrt bleibt. Die Absicht, Mieterinnen und Mieter zu schützen – die ich sehr begrüße –, darf Einen breiteren Ansatz wählt deshalb die Städte in der Praxis nicht dazu führen, dass private Inves- bauförderung als weiteres Standbein unserer Förder- torinnen und Investoren in den Mietwohnungsbau struktur. Hier greifen wir auf bewährte Konstrukte abgeschreckt werden und künftig auch notwendige zurück. So ist es eine zentrale Aufgabe der Städte Modernisierungsmaßnahmen nicht mehr durchge- bauförderung, bestehende Wohnungen zu moder führt werden. nisieren und sie dem konkreten Bedarf vor Ort anzu- passen. Brachliegende Flächen werden so vorberei- AUSREICHEND WOHNRAUM IST DER BESTE tet, dass dort nachverdichtet oder neu gebaut werden SCHUTZ VOR HOHEN MIETEN kann. Dabei steht im Vordergrund, städtebauliche und damit auch stadtgesellschaftliche Missstände zu Der beste Schutz vor hohen Mieten und schlechten beseitigen. Ziel der Städtebauförderung ist es, Inves- Wohnbedingungen ist und bleibt ein möglichst gro- titionen für Wohnbau- und Wohnumfeldprojekte ßes Angebot an Wohnraum. Hierzu müssen noch anzustoßen, um breite Bevölkerungsschichten mit mehr Investitionsanreize zum Bauen geschaffen wer- Wohnraum zu versorgen. So sollen diejenigen unter- den. Als solche Anreize hat die Bundesregierung das stützt werden, die bei den aktuellen Entwicklungen Baukindergeld bereits eingeführt und eine Sonder- auf dem Grundstücks- und Wohnungsmarkt nicht abschreibung für den Mietwohnungsneubau geplant. mehr adäquat wohnen und leben können. Die Städ- Das Maßnahmenpaket ist ausgewogen und geeig- tebauförderung unterstützt die Kommunen im Land net, um den Mieterschutz in der aktuellen Situation erheblich dabei, neuen Wohnraum zu schaffen. Wo der Wohnungsmärkte zu verbessern – ohne dabei die mit Hilfe der Fördermittel alte Gebäude abgerissen wirtschaftlichen Interessen von Investorinnen und und brachliegende Flächen erschlossen werden, kann Investoren aus dem Blick zu verlieren. Außerdem in der Folge bezahlbarer und geförderter Wohnraum plant die Bundesregierung, das Wohngeld anzupas- entstehen. Städtebauförderung und Wohnraumför- sen. Diese Maßnahme begrüße ich ausdrücklich. Denn derung ergänzen sich dabei sehr gut. auf diese Weise können auch einkommensschwache Mit der Schwerpunktsetzung in den Program- Haushalte in Zeiten steigender Mieten ihre Wohnkos- men der Stadterneuerung wird dies zunehmend ten bestreiten. unterstützt. Als bundesweit erstes Land fördert Baden-Württemberg in den Jahren 2018 und 2019 MANGEL AN BAULAND ALS GRÖSSTES PROBLEM Kooperationsprojekte mehrerer Gemeinden zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel. Diese sind ein Das größte Problem, das bewältigt werden muss, wichtiges Instrument für die Transparenz lokaler um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, ist jedoch Wohnungsmärkte. Mit unserer Förderung leisten die mangelnde Verfügbarkeit von Bauland. Unsere wir somit einen wertvollen Beitrag, um Konflikte Städte und Gemeinden sind im Rahmen ihrer kom- von Mieterinnen und Mietern mit ihren Vermieterin- munalen Planungshoheit die Träger der Bauleitpla- nen und Vermietern über die zulässige Miethöhe zu nung. Damit spielen sie bei der Bauflächenentwick- verringern. lung und der Schaffung von Baurecht eine wich- tige Rolle. Besonders, um preisgünstigen Wohn- RAHMENBEDINGUNGEN FÜR MEHR FREI raum zu schaffen, müssen die Bauplanungsverfah- FINANZIERTEN WOHNUNGSBAU ANPASSEN ren noch effizienter und zielorientierter durchgeführt werden. Vor allem wollen wir ein positiveres Klima für mehr Die Kommunen sind gefordert, alle vorhandenen frei finanzierten Wohnungsbau schaffen. Um dies zu bauleitplanerischen Instrumente einzusetzen. Um schaffen, müssen wir die Rahmenbedingungen ent- diese Möglichkeiten Gemeinderatsmitgliedern, Pla- sprechend anpassen. Wie wir das erreichen wollen? nerinnen und Planern sowie Interessierten wieder Indem wir die Landesbauordnung überarbeiten und bewusst zu machen und deren Qualitäten aufzuzei- Normen streichen, die Bauherren unnötig belasten. gen, hat das Wirtschaftsministerium die Informati- Indem wir den Inhalt von Vorschriften so fassen, dass onsbroschüre »Beschleunigter Wohnungsbau – Effi- sie ihren Zweck auch mit geringeren Belastungen zienz bei der Baulandgewinnung und in Planver- erreichen. Diese Erleichterungen haben wir bereits fahren« herausgegeben. Die große Nachfrage zeigt, auf den Weg gebracht. Sie sollen im Jahr 2019 wirk- dass dieses Angebot den Bedürfnissen der Planungs- sam werden. träger entspricht und eine gute Hilfestellung ist. Und auch der Bund setzt sich ein: So wurde eine Auch der Natur- und Artenschutz spielt bei der Auf- Reform des Mietrechts auf den Weg gebracht. Sie stellung von Bauleitplänen eine große Rolle. Des- soll den Mieterschutz im Bereich der Mietpreis- halb wollen wir im kommenden Jahr ebenfalls eine bremse und der Modernisierungsumlage verbes- Broschüre zum Umgang mit dem Artenschutz in der sern. Bei allen Bemühungen müssen wir allerdings Bauleitplanung und bei Bauvorhaben veröffentlichen. ifo Schnelldienst 21 / 2018 71. Jahrgang 8. November 2018 7
ZUR DISKUSSION GESTELLT FLÄCHEN- UND WOHNUNGSMANGEL KÖNNEN konkret entsteht: Nämlich vor Ort in den Städten und NICHT SEPARAT THEMATISIERT WERDEN Gemeinden. Bei allen Bemühungen, Vorhaben und Maßnahmen TROTZ ALLER BEMÜHUNGEN GEDULD müssen wir jedoch beachten: Die Ressource Fläche AUFBRINGEN ist knapp. Ihre effiziente und gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung gehört damit zu den größten Her- Die Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten stel- ausforderungen einer nachhaltigen Raum- und Sied- len uns vor enorme Herausforderungen. Der Wohn lungsentwicklung. Sie beeinflusst dauerhaft die Funk- raummangel ist inzwischen zu einem der drängends- tionalität und Lebensqualität unserer Städte und ten Probleme unserer Zeit geworden. Trotz aller Bemü- Gemeinden. Dabei kann man die Flächenfrage nicht hungen müssen wir Geduld aufbringen. Denn von diskutieren, ohne die Wohnungsfrage zu berühren – heute auf morgen können unsere Maßnahmen unmög- und anders herum. lich greifen. Doch wenn wir weiterhin dranbleiben, alle Auch und gerade angesichts des hohen Möglichkeiten für mehr und insbesondere bezahl Wohnraumbedarfs müssen wir die Potenziale baren Wohnraum erkennen und nutzen, dann werden der Innenentwicklung aktivieren und nutzen. Un- wir in unserem Bemühen nicht scheitern. ser Ziel muss eine bedarfsgerechte Flächenaus- weisung in den Kommunen sein. Die Innenentwick- lung hat dabei stets Vorrang. Die zur Verfügung ste- henden Flächen müssen möglichst effizient genutzt werden. Ein wichtiges Thema ist dabei das verdich- tete Bauen. Vor diesem Hintergrund unterstützt das Land Baden-Württemberg die Kommunen mit dem Förderprogramm »Flächen gewinnen durch Innen entwicklung«. Gefördert werden dabei innovative Konzepte und Planungen zur Innenentwicklung sowie begleitende Beteiligungs- und Partizipations- prozesse. Auch der Einsatz kommunaler Flächen- manager wird mit Erfolg unterstützt, um innerört- liche Flächenpotenziale für den Wohnungsbau zu aktivieren. Zudem stellt das Land den Kommunen kostenlos das Flächenmanagement-Tool FLOO zur Verfügung. Damit können die vorhandenen Innen entwicklungspotenziale auf einfache Art und Weise erfasst, bewertet und verwaltet werden. Der Flächen- recyclingpreis Baden-Württemberg – der im Februar 2019 erneut verliehen wird – gibt zudem gute Bei- spiele für die Innenentwicklung auf baulich vorge- nutzten Flächen. Nur, wenn ausreichend Flächen zur Bebauung – gerade auch im preisgünstigen Marktsegment – zur Verfügung stehen, können wir dem herrschenden Wohnraummangel gezielt entgegenwirken. Wir dür- fen den bestehenden Mangel nicht nur verwalten. Stattdessen müssen wir dafür sorgen, dass mehr Flä- chen aktiviert werden und so mehr Wohnungen ent- stehen können. Das kann uns nur gelingen, wenn wir die kommunalen Handlungsmöglichkeiten stärken. Ein Bestandteil unseres geplanten Kommunalfonds Wohnraumoffensive BW soll deshalb der Aufbau eines Grundstücksfonds sein. Er soll finanzschwachen Gemeinden ermöglichen, Wohnbauflächen zu erwer- ben, wozu sie sonst selbst nicht in der Lage sind. Dieser Fonds soll neben die traditionelle soziale Wohnraum- förderung treten und im Jahr 2019 starten. Außerdem soll der geplante Fonds gezielt lokale und regionale Wohnraum-Initiativen unterstützen. Damit wollen wir künftig noch stärker dort ansetzen, wo Wohnraum 8 ifo Schnelldienst 21 / 2018 71. Jahrgang 8. November 2018
ZUR DISKUSSION GESTELLT Matthias Wrede* politik in peripheren Regionen wird der Fokussie- rung halber nicht näher behandelt. Ausgehend von Soziale Wohnungspolitik: den Rahmenbedingungen und Zielsetzungen werden Grundversorgung sichern, anschließend Nebenwirkungen und Handlungsoptio- nen der Wohnungspolitik erörtert. Land effizienter nutzen und Transaktionskosten RAHMENBEDINGUNGEN reduzieren Im letzten Jahrzehnt ist insbesondere in den Groß- Matthias Wrede und Universitätsstädten die Wohnungsnachfrage Das Dilemma der sozialen Wohnungspolitik ist das deutlich gestiegen, ohne dass das Angebot bisher Zusammentreffen eines existenziellen menschlichen damit Schritt gehalten hat. Einige der Determinan- Bedürfnisses, komplexer wirtschaftlicher und sozi- ten dieser Entwicklung sind Ausdruck langfristiger aler Zusammenhänge, unvollkommener Märkte und Trends und konnten daher bei Prognosen berücksich- beträchtlicher gegensätzlicher finanzieller Interessen; tigt werden: das nachfragesenkende Geburtendefi- wie geschaffen für allseitige Unzufriedenheit, Lobby zit sowie die nachfragesteigernden Faktoren Rema- ismus und Wahlgeschenke. Weitgehend unstrittig ist, nenz, langfristiger Einkommensanstieg, Verkleine- dass der Staat als Sozialstaat Bedürftigen anbieten rung der Haushaltsgrößen, Anstieg der Studierquote, sollte, das Grundbedürfnis nach einer Unterkunft zu Zunahme von Doppelverdienerpaaren und produkti- befriedigen. Dies geschieht durch die Übernahme der vitätssteigernde Agglomerationseffekte. Andere Ent- Kosten für eine angemessene Unterkunft im Rahmen wicklungen waren nicht in dem realisierten Ausmaß der Mindestsicherungssysteme. Diese Leistung unter- vorherzusehen: Zuwanderung aus Teilen der Europä- liegt allerdings einer Bedarfsprüfung und erhalten die ischen Union nach Finanzkrise und EU-Erweiterung, meisten Betroffenen nur auf Antrag. Ähnlich verhält es Zuwanderung von Flüchtlingen und Schutzsuchen- sich mit dem Wohngeld, das vorrangig gewährt wird den, Niedrigzinspolitik, anhaltend gute Wirtschafts- – abhängig vom örtlichem Mietniveau, Haushalts lage, Auslandsnachfrage nach Wohnraum sowie kurz- einkommen und -größe – und die Inanspruchnahme fristige Vermietung von Unterkünften über internetba- von Grundsicherung vermeiden soll. Tatsächliche und sierte Marktplätze. Angesichts des demographischen vermutete Stigmatisierung, Unsicherheit und Erfül- Wandels, des Fachkräftemangels sowie der Notwen- lungskosten bringen die Instrumente der Subjekt digkeit, im internationalen Wettbewerb die produk- förderung in der Wohnungspolitik in Misskredit. Daher tivsten Standorte zu nutzen, sind viele dieser Ent- stieß die Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats wicklungen ökonomisch positiv zu bewerten. Eine beim BMWI (2018), vorrangig das Wohngeld zu stär- unvermeidbare Folge aber ist, dass das nicht vermehr- ken, auf wenig Zustimmung. Obwohl nur wenige wirt- bare Gut Land in den Metropolen wertvoller wird. Ein schaftlich starke Länder für die Subjektförderung im Preisanstieg ist notwendig, um eine effiziente Nut- Verhältnis zur Wirtschaftskraft mehr ausgeben als zung der wertvoller gewordenen Ressource zu errei- Deutschland und obwohl der Anteil der Haushalte chen. Höhere Wohnkostenquoten müssen in Kauf im untersten Fünftel der Einkommensverteilung, die genommen werden und sind angesichts der zuneh- mehr als 40% des verfügbaren Einkommens für Markt- menden Attraktivität der Städte auch gerechtfertigt. mieten ausgeben, in den meisten der OECD-Staaten Doch anders als die Landfläche kann die Wohnflä- deutlich höher ist als in Deutschland (vgl. OECD 2017), che auf Nachfragesteigerungen reagieren: Landnut- wird die deutsche Wohnungspolitik als unzureichend zungsart, Höhe und Dichte der Gebäude sowie Größe wahrgenommen. Das liegt zum einen an dem Bruch der Wohnungen können angepasst werden. Wohn- in der Preisentwicklung auf den Immobilienmärkten. raum in Städten beziehungsweise in deren unmittel- Deutschland hat in den 2000er Jahren keine Immo- barem Umland kann nur geschaffen werden, wenn bilienpreisblase erlebt; bis 2010 waren Immobilien- die bestehenden Flächen effizienter genutzt werden preise stabil und Mieten moderat steigend. Erst seit- und die Einwohnerdichte durch höhere und dichtere dem steigen die Preise räumlich differenziert stark an. Bebauung gesteigert wird. Ein Vergleich deutscher Zum anderen dreht sich die Diskussion in erster Linie Großstädte mit Städten in einigen anderen europäi- gar nicht um die Versorgung von Niedrigeinkommens- schen Ländern zeigt, dass Spielraum vorhanden ist. beziehern mit Wohnraum, sondern um die Situation Allerdings bedarf es dazu Änderungen der Erwartun- der Mittelschicht auf bestimmten räumlich begrenz- gen der Landbesitzer und Bauherren, komplexer Pla- ten Wohnungsmärkten. Die folgenden Ausführungen nungen bei den Behörden und Wohnungsbaugesell- beschäftigen sich mit den Zielen, Bedingungen und schaften sowie zeitraubender Genehmigungsverfah- Instrumenten der Wohnungspolitik in den boomen- ren und Bautätigkeiten. Allein um dem unerwarteten den Metropolen und Mittelstädten; die Wohnungs- Anstieg der Gesamtbevölkerung Deutschlands um etwa 2,5 Mio. Menschen durch Wohnungsbau gerecht * Prof. Dr. Matthias Wrede ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirt- schaftslehre, insbesondere Sozialpolitik, an der Universität Erlan- zu werden, wird mehr Zeit benötigt, als bisher verstri- gen-Nürnberg. chen ist. ifo Schnelldienst 21 / 2018 71. Jahrgang 8. November 2018 9
ZUR DISKUSSION GESTELLT ZIELSETZUNGEN schwendung bzw. haben unerwünschte Verteilungs- wirkungen. Der langfristige Schaden einer rigiden Wohnungspolitik beinhaltet mehr als Wohnungs Markt- und Preisregulierung kann den kurzfristigen bereitstellung per se; vielmehr soll Wohnraum an allen Nutzen um ein Vielfaches übersteigen. Regulierung mit räumlich eng definierten Standorten wie Städten und Augenmaß ist notwendig, um den im internationalen Stadtteilen verfügbar sein, so dass die Begünstigten Vergleich großen deutschen privaten Mietmarkt nicht nah am Arbeitsplatz oder Einrichtungen wie Schulen zu beinträchtigen. Die Umgehung von Regulierungen, leben können und bei einer Veränderung der Anfor- kürzlich erst demonstriert bei der Mietpreisbremse, derungen an die Wohnung ihr soziales Umfeld nicht ist im öffentlichen Bewusstsein verankert. Weniger ändern müssen. Ähnlich wie bei medizinischer Versor- berücksichtigt wird, dass Mengen- und Preiseffekte gung wird ein gutspezifischer Egalitarismus verfolgt: dazu führen, dass in der Regel die Adressaten von Geld- Unabhängig vom Einkommen sollen alle Personen leistungen nicht die tatsächlichen finanziellen Nutz- gleiche Zugangschancen zu Wohnraum in allen ent- nießer sind. Weil das Angebot von Bauland kurzfristig sprechend definierten Regionen haben. Diese Anfor- unelastisch ist, werden z.B. die Empfänger von Bau derung kann durch die hohen Transaktionskosten des kindergeld höhere Preise zahlen müssen und daher nur Standortwechsels und der Fahrten zu Arbeitsplatz wenig Geld einsparen. Das Geld fließt effektiv weitge- und Bildungseinrichtungen bzw. den damit verbun- hend an die Baulandeigentümer. Direkt negativ betrof- denen sozialen Kosten gerechtfertigt werden. Dar fen sind dann Nachfrager, die kein Baukindergeld über hinaus soll Wohnraum bezahlbar sein. Das wird erhalten, da sie ebenfalls die höheren Marktpreise zah- oft so operationalisiert, dass der Anteil der Ausgaben len müssen. Demselben Zusammenhang sind auf Miet- für Wohnen am verfügbaren Einkommen unter einem wohnungsmärkten die Bezieher von Wohngeld, die bestimmten Schwellenwert liegen soll (z.B. 30%). Aber anderen Mieter und die Besitzer von Mietwohnungen zum einen ist der konkrete Schwellenwert zwangsläu- ausgesetzt. Außerdem hat Wohnungspolitik aufgrund fig willkürlich, zum anderen trägt die Beschränkung der großen regionalen Unterschiede bei den Eigentü- auf die reinen Wohnkosten anderen räumlich variie- merquoten und den Nachfrageüberhängen auf Miet- renden wohnortbedingten Kosten wie insbesondere wohnungs- und Immobilienmärkten auch erhebliche den Kosten der Fahrten zum Arbeitsplatz nicht Rech- regionale Verteilungswirkungen. Eigentumsförderung nung. Schließlich konkurrieren die Ziele der Wohn- kommt weniger den größeren Städten zugute, Wohn- raumschaffung und der Bezahlbarkeit mit umwelt- geld fließt bei den aktuellen Konditionen eher in den und gesundheitspolitischen Zielsetzungen: Je mehr Osten, den Norden und in die Städte. Bedarf für sozia- Ausgleichsflächen geschaffen werden müssen, je mehr len Wohnungsbau besteht vor allem in den prosperie- Wärmedämmung verlangt wird und je höher die Anfor- renden Zentren in Süddeutschland und den Stadtstaa- derungen an den Brandschutz werden, desto weniger ten Hamburg und Berlin. Der Ruf nach einem stärke- bezahlbarer Wohnraum kann in den Städten erhalten ren Eingreifen des Bundes in der Wohnungspolitik auf bzw. geschaffen werden. Es ist an der Zeit, diesen Ziel- angespannten Wohnungsmärkten seitens einzelner konflikt anzuerkennen und die relative Gewichtung Bundesländer ist daher der Wunsch nach mehr Umver- dieser Ziele gesellschaftlich transparent festzulegen. teilung oft zugunsten prosperierender Regionen. NEBENWIRKUNGEN HANDLUNGSOPTIONEN Alle wohnungspolitischen Instrumente einschließ- Wohnungspolitik muss an vielen Stellen ansetzen, lich deren Finanzierung lösen Verhaltensänderungen da keine einzelne Maßnahme ausreicht, die komple- aus, ändern Verteilungspositionen der Akteure und xen Ziele der Wohnungspolitik zu erfüllen. Einige als wirken sich auf andere Märkte aus insbesondere auf wirksam erachtete Maßnahmen werden im Weiteren den Arbeitsmarkt z.B. durch Effekte auf das Arbeits- diskutiert. angebot. Diese Effekte sind im Vorhinein nicht sicher Grundsätzlich gilt es, Anreize zu verstärken, die abzuschätzen, müssen aber dennoch sorgfältig mit- knappe Ressource Land effizient zu nutzen. Die Bun- bedacht werden. Staatliche Eingriffe in das Markt- desländer haben es in der Hand, durch eine Senkung geschehen rufen auch Aktivitäten hervor, die ohne der Grunderwerbsteuer die Transaktionskosten des gesamtgesellschaftlichen Nutzen zu haben nur dem Grunderwerbs zu reduzieren (zu den damit verbunde- Abschöpfen ökonomischer Renten dienen. Wenn der nen Anforderungen an den Länderfinanzausgleich vgl. Preismechanismus daran gehindert wird, über die Ver- Büttner und Krause 2018). wendung knapper Ressourcen zu entscheiden, dann Die Wertsteigerung städtischen Landes ist nicht treten andere Mechanismen wie politisch bestimmte das Ergebnis der Anstrengungen des jeweiligen Land- Priorisierungen, Warteschlangen oder persönliche besitzers, sondern der öffentlichen Leistungen vor Beziehungen an dessen Stelle. Diese Verfahren ver- Ort sowie der Agglomerationsvorteile in Produktion schlingen Ressourcen, reagieren weniger flexibel als und privatem Konsum. Wenn die Grundsteuer in eine der Preismechanismus auf Änderungen der ökono- Bodenwertsteuer – auf der Basis von Bodenrichtwerten mischen und sozialen Verhältnisse, begünstigen Ver- mit niedrigeren Steuersätzen – umgewandelt werden 10 ifo Schnelldienst 21 / 2018 71. Jahrgang 8. November 2018
ZUR DISKUSSION GESTELLT würde, könnten diese »Windfall Profits« unabhängig Durch starke Zuwanderung wird das »Durchrei- von der Landnutzung teilweise abgeschöpft werden chen (Filtering)« von Wohnungen mit sinkender Qua- und den Landbesitzern damit Anreize zu einer effizi- lität ausgehebelt und auch das Segment des preis- enteren Landnutzung gegeben werden. Wird zudem günstigen Wohnraums verkleinert. Um das Angebot die Umlagefähigkeit der Grundsteuer ausgeschlossen, bezahlbaren Wohnraums zu stabilisieren, ist daher werden bei gesetzlich beschränkten Mieterhöhungen eine maßvolle direkte oder indirekte langfristig gesi- die Landbesitzer und nicht die Mieter Grundsteuerer- cherte objektorientierte Förderung sinnvoll. Beste- höhungen ökonomisch tragen (zur Traglast von Grund- hende Modelle, die Objekt- und Subjektförderung steuern bei administrierten Mieten vgl. Homburg 2015, verbinden und Fehlbelegungsprüfungen beinhalten, S. 110 f.). Um Vermieter finanziell nicht zu überfor- ermöglichen es, Fehler der Vergangenheit zu vermei- dern, könnte die Umlagefähigkeit schrittweise einge- den und größere soziale Durchmischung zu erreichen schränkt werden. Der Staat sollte aber darauf verzich- sowie hochwertigere und kleinere Quartiere entste- ten, mit einer speziellen Grundsteuer C ungenutztes hen zu lassen. Kommunen können zudem Land vor- Bauland stärker zu belasten, da der Verzicht auf sofor- ausschauend erwerben und Bauland nicht in einer ein- tige Bebauung in manchen Konstellationen ökono- fachen einstufigen Ausschreibung gegen Höchstgebot misch sinnvoll ist. abgeben, sondern im Rahmen von Konzeptausschrei- Aufgrund der großen Unterschiede zwischen bungen mit Auflagen an die Bereitstellung von sozi- Bestands- und Wieder- bzw. Neuvermietungen, die vor aler Infrastruktur und Anteilen preislich beschränk- allem durch die striktere Begrenzung von Mieterhöhun- ter Wohnungen verbinden. Sofern diese Auflagen gen bei Bestandsmieten hervorgerufen werden, sind Bestandteil der Leistungsbeschreibung sind, ist eine die Anreize für Mieter gering oder gar negativ, die Woh- effiziente diskriminierungsfreie Nutzung des Landes nungsgröße nach einem Auszug von Haushaltsmitglie- gewährleistet. Soziale Durchmischung wird erreicht, dern zu verkleinern. Kommunale Wohnungsgesellschaf- und Transaktionskosten und Ineffizienzen öffentli- ten mit großen Beständen bzw. die Kommunen selbst cher Bereitstellung sozialer Infrastruktur werden ver- können logistische und finanzielle Unterstützung bei mieden. Außerdem können Kommunen einen Teil der der Suche nach einer kleineren finanzierbaren Woh- verfügbaren Fläche für Genossenschaften und Bauge- nung leisten. Eine einmalige Befreiung von der Grund meinschaften reservieren. Diese weisen bei fehlender erwerbsteuer bei Renteneintritt könnte Anreize zu Gewinnerzielungsabsicht und größerem wechselseiti- einer Anpassung der Größe der selbstgenutzten Immo- gen Vertrauen der Bewohner und des Unternehmens bilie geben. Institutionen auf, die es ermöglichen, bezahlbaren Stellplatzverordnungen sollten so gelockert wer- Wohnraum zu relativ geringen Opportunitätskosten den, dass auf gleicher Landfläche mehr Wohnraum bereitzustellen. geschaffen werden kann und der ÖPNV gegenüber Die Instrumente der Subjektförderung sollten dem motorisierten Individualverkehr an Attraktivität zusätzlich gestärkt werden, da kein anderes Instru- gewinnt. ment zielgenauer Betroffene adressiert. Das Wohngeld Damit auf verfügbarem Land schneller Wohnraum würde vor allem gestärkt werden, wenn es – vergleich- entsteht, können Bund, Länder und Gemeinden wich- bar der gesetzlichen Rente – gesetzlich verankert regel- tige Beiträge leisten. Die Komplexität von Planungspro- gebunden im engem zeitlichen Abstand an allgemeine zessen muss reduziert werden, die Planungssicherheit Einkommens- und Mietpreisänderungen angepasst durch den Verzicht auf häufige Änderungen der Bau- werden würde. Dann würde es sich auch bei kleineren und Umweltauflagen sowie der Wohnungsbauförde- Beträgen für die Anspruchsberechtigten lohnen, diese rung erhöht werden. Planungssicherheit erleichtert es Leistung tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Handwerkern, Bauunternehmen und Wohnungsgesell- schaften, die Kapazitäten aufzubauen, die angesichts LITERATUR der Lage auf den Wohnungsmärkten auf absehbare Zeit Büttner, T. und M. Krause (2018), »Föderalismus im Wunderland: Zur Steu- erforderlich sind, die Nachfrage zu bedienen. Die politi- erautonomie bei der Grunderwerbsteuer«, Perspektiven der Wirtschaftspo- sche Umsetzung dieser Forderung gestaltet sich aller- litik 19(1), 32–41. dings schwierig, da Politiker gerade vor Wahlen starke Homburg, St. (2015), Allgemeine Steuerlehre, 7. Aufl., Verlag Vahlen, München. Anreize haben, bestehende Regeln zu ändern, um in OECD (2016), Affordable Housing Database, verfügbar unter:http://oe.cd/ den Medien und der Wählerschaft als Problemlöser ahd. wahrgenommen zu werden. Das Allgemeininteresse Wissenschaftlicher Beirat beim BMWI (2018), Soziale Wohnungspolitik, ver- an der Planungssicherheit rückt in konkreten Ausein- fügbar unter:. https://www.bmwi.de. andersetzungen in den Hintergrund. Schließlich soll- ten Kommunen in angespannten Wohnungsmärkten Prüfvorgänge, die bisher nacheinander abgearbeitet wurden, parallel bearbeiten, was jedoch bei negativem Prüfergebnis mit vergeblichem Verwaltungsaufwand und damit zusätzlichen Personalausgaben der Kom- munen verbunden ist. ifo Schnelldienst 21 / 2018 71. Jahrgang 8. November 2018 11
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