21 2018 CESifo Group Munich

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                                                                                 8. November 2018
                                                                                      71. Jahrgang

ZUR DISKUSSION GESTELLT              ZUR DISKUSSION GESTELLT

Nachtrag: Extremwetterlage und
Dürreschäden:
                                     Scheitern der sozialen
Sind staatliche Hilfen für die
Landwirtschaft erforderlich?         Wohnungspolitik:
Julia Klöckner
                                     Wie bezahlbaren
FORSCHUNGSERGEBNISSE

Soziale Marktwirtschaft:
                                     Wohnraum schaffen?
Exportschlager oder                  Friedrich Breyer, Nicole Hoffmeister-Kraut, Matthias Wrede,
Auslaufmodell?                       Harald Simons, Lars Vandrei, Theresia Theurl, Ralph Henger,
Clemens Fuest                        Konstantin Kholodilin und Sebastian Kohl
Internationaler Steuerwettbe­
werb aus Unternehmenssicht
Ann-Christin Rathje und
Klaus Wohlrabe
Mauer in den Köpfen?
Die Einstellungen und Verhaltens­
weisen Ost- und Westdeutscher
28 Jahre nach der Wende
Helmut Rainer, Clara Albrecht,
Stefan Bauernschuster,
Victoria Endl-Geyer, Anita Fichtl,
Timo Hener und Joachim Ragnitz

DATEN UND PROGNOSEN

Sonderfrage im WES III/2018:
Wie gut sind Volkswirtschaf­
ten gegen eine neue Finanz-
krise gewappnet?
Dorine Boumans

IM BLICKPUNKT

ifo Konjunkturumfragen
Oktober 2018
Klaus Wohlrabe
ifo Schnelldienst
ISSN 0018-974 X (Druckversion)
ISSN 2199-4455 (elektronische Version)

Herausgeber: ifo Institut, Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München,
Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: ifo@ifo.de.
Redaktion: Dr. Marga Jennewein.
Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Annette Marquardt, Prof. Dr. Chang Woon Nam.
Vertrieb: ifo Institut.
Erscheinungsweise: zweimal monatlich.
Bezugspreis jährlich:
Institutionen EUR 225,–
Einzelpersonen EUR 96,–
Studenten EUR 48,–
Preis des Einzelheftes: EUR 10,–
jeweils zuzüglich Versandkosten.
Layout: Kochan & Partner GmbH.
Satz: ifo Institut.
Druck: Majer & Finckh, Stockdorf.
Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise):
nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars.

im Internet:
http://www.cesifo-group.de
SCHNELLDIENST                                                                                  21/2018

ZUR DISKUSSION GESTELLT

Scheitern der sozialen Wohnungspolitik: Wie bezahlbaren Wohnraum schaffen?                                     3

Wohnen wird – zumindest in einigen Städten – zum Luxusgut, bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware. Die Woh-
nungsbaupolitik muss drastisch verändert werden. Sollte der soziale Wohnungsbau ausgebaut, die Mietpreis-
bremse verschärft werden oder – im Gegenteil – auf beides weitgehend verzichtet werden? Sollten stattdessen die
Bauvorschriften gelockert und das Wohngeld reformiert und ausgebaut werden? Friedrich Breyer, Universität Kon-
stanz, stellt das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur
derzeit herrschenden Wohnungspolitik vor. Demnach sind die zuletzt beschlossenen Maßnahmen nicht geeignet,
die diagnostizierte »Wohnungsnot« nachhaltig und sozial zu beseitigen. Sinnvoller wäre es, in Ballungsgebieten
mehr Bauland auszuweisen und den Haushalten, denen es an Kaufkraft fehlt, durch ein Wohngeld zu ermögli-
chen, sich eine Wohnung zur Marktmiete zu leisten. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und
Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg, fasst die Wohnungsbaupolitik des Landes Baden-Württemberg
zusammen, die unter anderem aus der Förderung des sozialen Wohnraums und der Förderung des frei finanzier-
ten Wohnungsbaus besteht. Matthias Wrede, Universität Erlangen-Nürnberg, sieht eine soziale Wohnungspoli-
tik in einer Sicherung der Grundversorgung, einer effizienteren Nutzung der Flächen und einer Reduktion der
Transaktionen. Hohe Mieten betreffen, nach Harald Simons, empirica, weniger als die Hälfte der regionalen Woh-
nungsmärkte in Deutschland. Hohe Mieten an einem Ort seien Folge der niedrigen Mieten an anderen Orten und
umgekehrt. Ursache davon sei das »Schwarmverhalten«. Die Differenz zwischen Schwarmstädten und ausbluten-
den Regionen könnte vermindert werden, wenn es gelänge, die Abwanderung junger Menschen in die Schwarm-
städte abzuschwächen. Nach Ansicht von Lars Vandrei, ifo Niederlassung Dresden, kann die Mietpreisbremse
Preisanstiege zwar zumindest in der kurzen und mittleren Frist verringern. Damit werde aber kein bezahlbarer
Wohnraum geschaffen, sondern lediglich vorhandener Wohnraum für einige Mieter bezahlbarer gemacht. Ohne
eine tatsächliche Angebotsausweitung dürften von der Regelung vor allem relativ gutverdienende Nachfrager
profitieren. Theresia Theurl, Universität Münster, unterstreicht die Bedeutung der Wohnungsgenossenschaften
für die Beschaffung bezahlbaren Wohnraums. Ralph Henger, Institut der deutschen Wirtschaft, sieht die Lösung
des Wohnungsnotproblems bei der Ausweitung des Angebots und dem richtigen Mix flankierender Maßnahmen.
Vor allem die Städte und Gemeinden in den Ballungszentren müssten hierbei einen Politikwechsel vollziehen. Das
zentrale Problem sei das fehlende Angebot an Flächen zur Bebauung in den wachsenden Städten und Gemein-
den. Konstantin Kholodilin, DIW, Berlin, und Sebastian Kohl, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln,
zeigen, dass Mietregulierungen nicht zwangsläufig zum Ende der Neubautätigkeit führen müssen und dass eine
Deregulierung des Mietmarkts nicht unbedingt die Neubautätigkeit stimuliert.

Nachtrag: Extremwetterlage und Dürreschäden:
Sind staatliche Hilfen für die Landwirtschaft erforderlich?                                                   31
Julia Klöckner

Ergänzend zu den Beiträgen, die im ifo Schnelldienst Nr. 20/2018 zu den Finanzhilfen bei Dürreschäden veröffent-
licht wurden, stellt Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, die Position der Bundes-
regierung vor und erläutert, wann Hilfen für Landwirte richtig sind.

FORSCHUNGSERGEBNISSE

Soziale Marktwirtschaft: Exportschlager oder Auslaufmodell?                                                   35
Clemens Fuest

ifo-Präsident Clemens Fuest setzt sich in seiner Rede anlässlich der Preisverleihung »Impulsrede zur Sozialen
Marktwirtschaft« durch den Wirtschaftspolitischen Club Deutschland mit der Idee der Sozialen Marktwirtschaft
und ihrer Bedeutung in der Gegenwart auseinander.
Der internationale Steuerwettbewerb aus Unternehmenssicht                                                       46
Ann-Christin Rathje und Klaus Wohlrabe

Zur Untersuchung des internationalen Steuerwettbewerbs und dessen Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft
befragte das ifo Institut im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen von April bis Juli 2018 mehr als 1 250 Fami-
lien- und Nicht-Familienunternehmen aus Deutschland. Den Ergebnissen der Unternehmensbefragung zufolge
wird der internationale Steuerwettbewerb von dem Großteil (59,2%) der Unternehmen als stark oder eher
stark eingestuft. Von den im Zuge der Steuerreform in den USA reduzierten Steuersätzen können etwa 60% der
befragten Unternehmen mit Betriebsstätten in den USA finanzielle Vorteile erzielen. Unter den ausschließlich in
Deutschland tätigen Unternehmen geben lediglich 1,9% an, vom internationalen Steuerwettbewerb in Summe
profitieren zu können. Eine erhebliche Steigerung der Investitionstätigkeiten in den USA infolge der Steuerreform
wird unter den befragten Unternehmen insgesamt nicht verzeichnet. Von den Unternehmen mit Betriebsstätten
in den USA planen jedoch knapp 27% den Ausbau und 14,2% die Neuerrichtung von US-Kapazitäten. Eine deut-
liche Mehrheit der befragten Unternehmen vertritt die Ansicht, die deutsche Politik solle Maßnahmen ergreifen,
um auf den internationalen Steuerwettbewerb zu reagieren. Den größten Reformbedarf sehen sie in der Reduk-
tion von Bürokratie.

Mauer in den Köpfen?
Die Einstellungen und Verhaltensweisen Ost- und Westdeutscher 28 Jahre nach der Wende                           56
Helmut Rainer, Clara Albrecht, Stefan Bauernschuster, Victoria Endl-Geyer, Anita Fichtl, Timo Hener und
Joachim Ragnitz

Wirken die über 40 Jahre bestehenden Systemunterschiede auch 28 Jahre nach der Wende noch nach? Die Ergeb-
nisse einer neuen ifo-Studie zeigen, dass in vielen gesellschaftlichen Teilbereichen ein steter Annäherungsprozess
im Gang ist und dass sich die Auffassungen in den beiden Landesteilen eher selten auseinander entwickeln. Häufig
nähern sich die Einstellungen der Ostdeutschen an die der Westdeutschen an. In einigen Fällen, wie beispiels-
weise im Hinblick auf die vorherrschenden geschlechtlichen Rollenbilder, orientieren sich die Westdeutschen an
den Einstellungen der Ostdeutschen.

DATEN UND PROGNOSEN

Sonderfrage im World Economic Survey im dritten Quartal 2018
Wie gut wären Volkswirtschaften weltweit gegen eine neue Finanzkrise gewappnet?                                 62
Dorine Boumans

Als Reaktion auf die Finanzkrise änderten viele Länder ihre Politik und die Regulierung ihres Finanzsektors. Um zu
prüfen, ob diese Reformen zu einer höheren Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft dieser Länder führten, wurden
im Rahmen des World Economic Survey (WES) III/2018 die an der Umfrage teilnehmenden Experten nach ihrer
Einschätzung dazu befragt. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass, obwohl noch viel Raum für Verbesserung
bleibt, die Mehrheit der Experten ihre nationale Volkswirtschaft besser auf eine Krise vorbereitet sieht. Die Frage,
ob die Länder nun besser auf eine Finanzkrise reagieren könnten als vor 2007, bejahten 22,5% der Befragungsteil-
nehmer, 38,7% sagten, sie seien inzwischen etwas besser gerüstet. 24,6% der Teilnehmer waren der Meinung, sie
seien schlechter gewappnet. Innerhalb der einzelnen Länderaggregate gaben jeweils die meisten Experten an,
die Wirtschaft sei einigermaßen gerüstet für eine erneute Finanzkrise. Es zeigt sich deutlich, dass die Länder, die
besonders von der Krise oder den Nachwirkungen betroffen waren, weniger optimistisch sind.

IM BLICKPUNKT

ifo Konjunkturumfrage Oktober 2018 auf einen Blick:
Die weltweiten Unsicherheiten bremsen die deutsche Wirtschaft aus                                               68
Klaus Wohlrabe

Der ifo Geschäftsklimaindex ist im Oktober gefallen. Die Unternehmen waren mit ihrer aktuellen Geschäftslage
weniger zufrieden. Auch der Optimismus mit Blick auf die kommenden Monate nahm ab. Die weltweiten Unsi-
cherheiten bremsen die deutsche Wirtschaft aus. Die Stimmung in der deutschen Exportwirtschaft hat einen
deutlichen Dämpfer erhalten. Die Exporterwartungen der Industrie sind im Oktober gefallen. Eine Stimmungs-
eintrübung war im Maschinenbau, der Metallindustrie sowie der Nahrungsmittelindustrie zu beobachten.
ZUR DISKUSSION GESTELLT

Scheitern der sozialen Wohnungs­
politik: Wie bezahlbaren Wohnraum
schaffen?

Die Wohnungsfrage ist zurückgekehrt. Die Diagnose ist eindeutig: Wohnen wird – zumindest
in einigen Städten – zum Luxusgut, bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware. Die Wohnungs­
baupolitik muss drastisch verändert werden. Sollte der soziale Wohnungsbau ausgebaut, die
Mietpreisbremse verschärft werden oder – im Gegenteil – auf beides weitgehend verzichtet
werden, da sich beide Instrumente als unwirksam erwiesen haben? Sollten stattdessen die
Bauvorschriften gelockert und das Wohngeld reformiert und ausgebaut werden?

                                                                           DIE THESEN DES BEIRATSGUTACHTENS
Friedrich Breyer*
                                                                           Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeri-
Das Wohnungsgutachten des                                                  ums für Wirtschaft und Energie (kurz: »Beirat«) hat
Wissenschaftlichen Beirats                                                 diese Entwicklung zum Anlass genommen, die derzeit
                                                                           herrschende Wohnungspolitik kritisch unter die Lupe
beim BMWi und seine                                                        zu nehmen und Alternativen vorzuschlagen (Wissen-
Folgen1                                                                    schaftlicher Beirat beim BMWi 2018). Die Bewertung
                                                                           erfolgte im Hinblick auf die Eignung zur Lösung zweier                          Friedrich Breyer

In Deutschland ist wieder von »Wohnungsnot« die                            Probleme, nämlich eines »Angebotsproblems« (effizi-
Rede – und das in einem Land, in dem pro Kopf der                          ente Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem
Bevölkerung 46 qm Wohnfläche zur Verfügung ste-                            Wohnraum) und eines »Verteilungsproblems« (Vermei-
hen (17% mehr als im Jahr 2000) und in dem 2 Mio.                          dung sozialer Härten für Geringverdiener, Alleinerzie-
Wohnungen leer stehen. Nimmt man allerdings den                            hende und große Familien).
Preis als Knappheitsindikator, so muss man fest-                                Das Gutachten beschäftigt sich im Hauptteil mit
stellen, dass im Zeitraum 2010 bis 2017 die Mieten                         den drei wichtigsten Instrumenten staatlicher Woh-
bei Neu- und Wiedervermietung in den 14 beliebtes-                         nungspolitik (Mietpreisbremse sozialer Wohnungsbau
ten Großstädten – allerdings nach einer sechs Jahre                        und Wohngeld) und kommt zu folgenden Urteilen:
währenden Stagnation – im Schnitt um 34% gestie-
gen sind.2 Diese sich verschärfende Knappheit hat                          1.   Die gesetzliche Beschränkung der Mietanhebung
viel mit gesellschaftlichen Trends wie der wachsen-                             bei Wiedervermietung (»Mietpreisbremse«) ist,
den Akademisierung zu tun: Große Teile der jungen                               sofern sie überhaupt wirksam ist, kontraproduktiv,
Generation verlassen das flache Land und ziehen in                              da sie das Angebot senkt und die Nachfrage erhöht
die Großstädte sowie in weitere Hochschulstand-                                 und somit die bestehende Knappheit verschärft.
orte. Allein die Zahl der Studierenden in Deutschland                           Denn Eigentümer von Wohnungen in begehrten
hat im vergangenen Jahrzehnt um eine Million zuge-                              Lagen werden sich überlegen, ob sie ihre Wohnung
nommen, und Akademikerpaare haben in Ballungs-                                  lieber als Ferienwohnungen für Touristen vermie-
räumen viel bessere berufliche Perspektiven als                                 ten, und Nachfrager werden bei niedrigeren Prei-
andernorts. Es gibt insgesamt keinen absoluten                                  sen mehr und größere Wohnungen nachfragen. Als
Mangel an Wohnraum, sondern Angebot und Nach-                                   Konsequenz wird sich die Zahl der Interessenten
frage klaffen regional auseinander.                                             frei werdender Wohnungen vervielfachen, was den
                                                                                Suchaufwand unnötig in die Höhe treibt und den
*
   Prof. Dr. Friedrich Breyer ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaft-
                                                                                Spielraum der Vermieter bei der Auswahl ihnen
und Sozialpolitik an der Universität Konstanz und Mitglied des Wis-             »genehmer« Mieter erhöht. Damit ist letzten Endes
senschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie.
                                                                                niemandem geholfen außer dem einen Bewerber,
1
   Für wertvolle Hinweise danke ich Christina Gathmann und Regina               der schließlich zum Zuge kommt.
Riphahn.
2
   Quelle: BBSR-Wohnungsmarktbeobachtung, IDN ImmoDaten
                                                                           2.   Der soziale Wohnungsbau weist zwar den Vorteil
GmbH.                                                                           auf, dass er eine direkte Wirkung auf das Woh-

                                                                                     ifo Schnelldienst   21 / 2018   71. Jahrgang   8. November 2018   3
ZUR DISKUSSION GESTELLT

          nungsangebot hat. Dem stehen aber eine Reihe                      plätzen und Wohnungsangebot verringert werden
          von Nachteilen gegenüber: So wird in den meisten                  kann. Insbesondere wurde Folgendes angeregt:
          Bundesländern die Berechtigung zum Bezug einer
          Sozialwohnung nur ein einziges Mal überprüft und                  ––   die Umwandlung der (nach dem Urteil des Bun­
          auf die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe nach                        desverfassungsgerichts ohnehin reformbedürf­
          einem Anstieg des Haushaltseinkommens wegen                            tigen) Grundsteuer in eine reine Bodensteuer, um
          des Verwaltungsaufwands verzichtet.3 Noch gra-                         das Horten von unbebautem Bauland zu verteuern,
          vierender ist die Tatsache, dass es unmöglich ist,                ––   die teilweise Abschöpfung von planungsbeding-
          jedem einkommensschwachen Haushalt jeweils                             ten Bodenwertzuwächsen durch einen »Planungs-
          dort, wo er hinziehen will oder muss, rechtzeitig                      wertausgleich«, wie er in der Schweiz praktiziert
          eine Sozialwohnung zur Verfügung zu stellen. Die                       wird; dadurch würde den Kommunen ein größe-
          Suche nach einer Sozialwohnung bleibt daher wei-                       rer Anreiz geboten, Baugebiete an ihrer Peripherie
          terhin ein Lotteriespiel.                                              auszuweisen, denn mit den abgeschöpften Mitteln
    3.    Demgegenüber hat das Instrument Wohngeld als                           könnte die Infrastruktur für die bereits ansässigen
          Subjektförderung den Vorteil, dass die Einkom-                         Bürger verbessert werden,
          menssituation jedes einzelnen Mieters berück-                     ––   die Überprüfung von Bauvorschriften wie der Ener-
          sichtigt und der Bedarf zielgenau gedeckt wer-                         gieeinsparverordnung, die das Bauen im letzten
          den kann, denn dessen Höhe richtet sich neben                          Jahrzehnt überproportional verteuert haben,
          der Personenzahl nach dem Einkommen und der                       ––   der Verzicht auf das verteilungspolitisch frag­
          Miethöhe. Dabei gibt es Obergrenzen sowohl für                         würdige Baukindergeld und stattdessen die Rück-
          das Einkommen als auch für die Miethöhe, bis zu                        führung der in den letzten Jahren stark gestiegenen
          der der Zuschuss zunimmt (»berücksichtigungs­                          Steuersätze bei der Grunderwerbsteuer durch die
          fähige Miete«), und diese Grenzen sind derzeit                         Bundesländer,
          sehr eng gesteckt. Zum Beispiel werden bei                        ––   der Ausbau des Nahverkehrs, um Wohn- und
          einem vierköpfigen Haushalt nur die ersten                             Arbeitsstätten schneller miteinander zu verbin-
          890 Euro Miete angerechnet, und der Transfer                           den, und schließlich
          fällt weg, wenn das Einkommen auf 2 100 Euro                      ––   die Auslagerung von Dienststellen der Behörden
          steigt. Natürlich darf bei einer Subventionie-                         vom Zentrum in die Peripherie einer Großstadt.
          rung der Nachfrager die Gefahr der Überwälzung
          auf den Preis nicht außer Acht gelassen wer-                      REAKTIONEN AUS DER POLITIK UND DER
          den. Diese lässt sich jedoch vermeiden, wenn die                  ÖFFENTLICHKEIT
          berücksichtigungsfähige Miete noch unter der
          Marktmiete liegt, wenn also der letzte Euro der                   Selten hat ein Gutachten des Beirats so spontane und
          Miete nicht mehr zu einer Erhöhung des Transfers                  heftige Reaktionen von Politikern ausgelöst wie die-
          führt. Denn dann wirkt das Wohngeld wie ein Pau-                  ses. Insbesondere aus der SPD kam sehr harsche Kri-
          schaltransfer, der lediglich einen Einkommens-,                   tik, die von »verantwortungslos« (Katharina Barley) bis
          aber keinen Substitutionseffekt hat. Die oben                     zu »marktradikaler Unfug« (Thorsten Schäfer-Güm-
          genannten Zahlen zeigen, dass es gerade in den                    bel) reichte. Bemerkenswert war die Einlassung des
          teuren Wohnlagen noch einen erheblichen Spiel-                    Bundesfinanzministers Olaf Scholz, der das Gutach-
          raum der Erhöhung gibt, ohne dass die volle Markt-                ten laut FAZ vom 27. August 2018 als »alles Quatsch«
          miete in die Berechnung des Wohngelds einfließt.                  und »großer Kokolores« kritisierte und dies wie folgt
          Schließlich ist ein Vergleich von Wohngeld und                    be­gründete: Eine Wohnung, mit der ein Investor sein
          sozialem Wohnungsbau nur dann fair, wenn man                      Geld wieder hereinbekommen wolle, müsse den Mie-
          in beiden Fällen von einer gleich hohen Auswei-                   ter kalt und netto 12 bis 13 Euro je Quadratmeter kos-
          sung neuen Baulands durch die Kommunen aus-                       ten. »Die meisten können sich das nicht leisten«, sagte
          geht. Eine Stärkung der Nachfrage durch Wohn-                     Scholz. Wenn dieser Missstand durch Wohngeld beho-
          geld vermittelt dann einen Anreiz für private Inves-              ben werden solle, »dann müssten viele öffentliche Unter-
          toren, in genau den Qualitätsklassen Wohnungen                    stützung beziehen«, sagte Scholz. Er wolle deshalb, dass
          zu errichten, in denen eine unbefriedigte Nach-                   der Staat den sozialen Wohnungsbau auch über 2019
          frage vorliegt.                                                   hinaus unterstützt.
                                                                                  In dieser Argumentation fällt vor allem der Aus-
    Daneben enthält das Beiratsgutachten eine Vielzahl                      druck »die meisten« auf, mit dem wohl die Mehrheit der
    von Vorschlägen, wie das Angebot von Wohnraum aus-                      Bürger gemeint ist, die zumindest die Gruppe der »Nor-
    geweitet oder die regionale Kluft zwischen Arbeits­                     malverdiener« in der Mitte der Einkommensverteilung
                                                                            umfasst. Im Klartext sagt der Minister also zweierlei:
    3
       Eine Ausnahme stellt der Freistaat Bayern dar, in dem jeder Mieter
                                                                            Erstens, wegen der hohen Baukosten muss der Staat
    in einer Sozialwohnung die volle Kostenmiete schuldet, aber einen       auch Normalverdiener finanziell unterstützen, und
    einkommensabhängigen Mietzuschuss erhält, der alle drei Jahre
    überprüft wird. Hier ist de facto ein »Wohngeld« in den sozialen Woh-
                                                                            zweitens, da Subjektförderung in diesem Umfang zu
    nungsbau integriert.                                                    teuer wäre, muss diese Unterstützung wie bisher vor-

4   ifo Schnelldienst   21 / 2018   71. Jahrgang   8. November 2018
ZUR DISKUSSION GESTELLT

rangig in Form von Objektförderung gewährt werden.                 Die Bundesregierung und die Regierungen der Bun-
Insbesondere die erste Aussage klingt aus dem Mund                 desländer zeigen damit, dass sie unbeirrt an dem Ins-
eines Bundesfinanzministers irritierend, der ja dafür              trument »sozialer Wohnungsbau« festhalten wollen,
verantwortlich ist, jede Ausgabe des Staates durch                 obwohl dies bisher ein Auseinanderklaffen von An­­
Einnahmen zu decken: Wenn der Staat beginnt, bei der               gebot und Nachfrage auf regionalen Wohnungsmärk-
Erstellung eines Gutes, das einen großen Teil des Haus-            ten nicht verhindert hat und die 100 000 Wohnungen
haltsbudgets ausmacht, sogar die Normalverdiener                   ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Ob diese Woh-
zu subventionieren, dann müssen die Mittel hierfür                 nungen tatsächlich »zusätzlich« entstehen werden, ist
letztlich auch von dieser Gruppe aufgebracht wer-                  angesichts der hohen Auslastung der Bauwirtschaft zu
den, d.h., das Geld, das der Staat diesen großzügig in             bezweifeln. Auch die weiteren Maßnahmen sind frag-
die linke Tasche steckt, entnimmt er ihnen gleichzei-              würdig, und in welchem Ausmaß das Wohngeld eines
tig aus der rechten. Aber auch die zweite Aussage ist              Tages »verbessert« wird, bleibt unklar.
fragwürdig: Denn warum soll – bei gleichem Zielerrei-
chungsgrad – eine Subjektförderung teurer sein als                 FAZIT UND AUSBLICK
eine Objektförderung, die, wie oben gezeigt, immer
auch einen Anteil an Fehlsubventionierung beinhaltet?              Politiker definieren die gegenwärtige Lage auf dem
Wenn die Objektförderung weniger kostet, dann ist sie              Wohnungsmarkt als einen »Mangel an bezahlbarem
auch weniger wirksam!                                              Wohnraum«, den sie mit homöopathischen Dosen an
     Ein weiterer Kritikpunkt, der mehrfach geäußert               sozialem Wohnungsbau therapieren wollen. Sinnvol-
wurde (u.a. von Schäfer-Gümbel und dem Mieter-                     ler wäre es, die Problemstellung in zwei aufzugliedern
bund-Vorsitzenden Siebenkotten), lautete, die Vor-                 und jede einzelne mit geeigneten Instrumenten zu
schläge des Beirats kämen »aus der Mottenkiste«.                   lösen: Es fehlt in Ballungsgebieten an Wohnraum; also
Diese Beobachtung ist nicht einmal falsch, wenn man                sollten z.B. die Kommunen dort mehr Bauland aus-
sie so interpretiert, dass sie im Einzelnen nicht neu              weisen, und es fehlt vielen Haushalten an Kaufkraft;
seien. In der Tat finden sich nahezu gleich lautende               also sollten diese durch Wohngeld in die Lage versetzt
Vorschläge in diversen Gutachten zum Wohnungs-                     werden, sich eine Wohnung zur Marktmiete leisten zu
markt, die 25 bis 50 Jahre alt sind (vgl. Expertenkom-             können. Dies eine »rein marktwirtschaftliche Lösung«
mission Wohnungspolitik 1994; Wissenschaftlicher                   zu nennen, ist irreführend, denn der Staat reguliert
Beirat 1970; 1982). Das Problem ist vielmehr, dass sie             nach wie vor die Flächennutzung und kann somit
niemals umgesetzt wurden, so dass in regelmäßigen                  dafür sorgen, dass da gebaut wird, wo der Bedarf am
Abständen in Deutschland die Existenz einer »Woh-                  größten ist. Auch Auflagen bezüglich der Qualitäts-
nungsnot« konstatiert und weitere drastische Eingriffe             standards sind denkbar, wenn befürchtet wird, dass
in das Marktgeschehen vorgenommen wurden, die der                  sonst zu viele Luxuswohnungen entstehen würden.
Nachfrageseite kurzfristig Erleichterung versprachen,              Die zuletzt beschlossenen Maßnahmen sind hingegen
aber langfristig zu noch stärkeren Missständen führ-               nicht geeignet, die diagnostizierte »Wohnungsnot«
ten. Die jüngsten wohnungspolitischen Beschlüsse                   nachhaltig und sozial zu beseitigen.
der Regierung (s.u.) lassen nicht erkennen, dass die-
ser Teufelskreis in naher Zukunft durchbrochen wird.               LITERATUR

                                                                   Expertenkommission Wohnungspolitik (1994), Wohnungspolitik auf dem
DIE WEITERE ENTWICKLUNG DER                                        Prüfstand, Bonn.
WOHNUNGSPOLITIK                                                    Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft (1970),
                                                                   Entwicklung der Wohnungsmieten und geplante Maßnahmen zur Begren-
                                                                   zung des Mietanstiegs, Gutachten vom 12. Dezember 1970.
Mit Spannung wurde der »Wohngipfel« im Kanzleramt
                                                                   Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft (1982),
am 21. September 2018 erwartet. Dort wurden u.a. fol-
                                                                   Probleme der Wohnungswirtschaft, Gutachten vom 23. Januar 1982,
gende Beschlüsse gefasst:4                                         BMWA-Studienreihe Nr. 35.
                                                                   Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und
––   Aufstockung der Bundesmittel für den sozialen                 Energie (2018), Soziale Wohnungspolitik, Gutachten vom 17. Juli 2018,
                                                                   Berlin.
     Wohnungsbau für die Jahre 2018 bis 2021 auf ins-
     gesamt 5 Mrd. Euro, die für »über 100 000 zusätzli-
     che Wohnungen« reichen sollen.
––   Bereitstellung von 2,7 Mrd. Euro für das geplante
     Baukindergeld,
––   Ausweitung des Betrachtungszeitraums für die
     »ortsübliche Vergleichsmiete« von vier auf sechs
     Jahre,
––   »Verbesserung« des Wohngelds zum 1. Januar 2020.
4
   https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroef-
fentlichungen/2018/ergebnisse-wohngipfel.pdf?__blob=publication-
File&v=3.

                                                                                ifo Schnelldienst   21 / 2018   71. Jahrgang   8. November 2018   5
ZUR DISKUSSION GESTELLT

                        Nicole Hoffmeister-Kraut*                                                tierten Bauplanungs­tätigkeit bestärken. Außerdem
                                                                                                 müssen wir in den unterschiedlichsten Handlungs-
                        Vorschriften entschlacken,                                               feldern Anreize setzen, um das Bauen attraktiver zu
                        sozialen Wohnungsbau                                                     machen.
                                                                                                      Expertinnen und Experten müssen mit sämtli-
                        fördern, Flächenpotenziale                                               chen Akteuren am Wohnungsmarkt an einem Tisch
                        aktivieren – Baden-Württem-                                              versammelt werden. So können Wissensdefizite
                                                                                                 überwunden und auch die letzten Hemmnisse besei-
                        berg bekämpft den Wohn-                                                  tigt werden. Als eine meiner ersten Maßnahmen als
                        raummangel                                                               Wirtschafts- und Wohnungsbauministerin habe ich
                                                                                                 deshalb die Wohnraum-Allianz Baden-Württemberg
                        Bürgerinnen und Bürger zu angemessenen und trag-                         gegründet. Dieses Gremium versammelt alle sachver-
                        baren Bedingungen mit Wohnraum versorgen – das                           ständigen Personen, die vom Thema Wohnungsbau
                        ist eine der zentralen Aufgaben der Politik. Diese Her­                  berührt sind. Die themenorientierten Arbeitsgruppen
                        ausforderung können wir nur dann meistern, wenn                          der Wohnraum-Allianz tagen regelmäßig mit dem Ziel,
                        Bund, Länder und Kommunen zusammenarbeiten.                              der Landesregierung Lösungsvorschläge zu unterbrei-
                                                                                                 ten. Von diesem Input konnten wir bereits in vielen
                        WOHNUNGSANGEBOT UND -NACHFRAGE IM                                        Fällen profitieren.
                        UNGLEICHGEWICHT
Nicole
                                                                                                 BESONDERS VOM WOHNRAUMMANGEL
Hoffmeister-Kraut
                        In Baden-Württemberg steigen seit mehreren Jah-                          BETROFFEN: HAUSHALTE MIT GERINGEN
                        ren die Immobilien- und Mietpreise an. Besonders be-                     EINKOMMEN
                        troffen sind von dieser Entwicklung die Ballungs-
                        räume, Groß- und Universitätsstädte. Eine wesent-                        Gemeinsam mit dieser Expertenrunde haben wir
                        liche Ursache für die Anspannung der Wohnungs-                           uns der Frage gewidmet, welche Personengrup-
                        märkte ist das große Angebot an attraktiven Arbeits-                     pen vom Mangel an Wohnraum am stärksten be-
                        plätzen in diesen Regionen, das eine starke Anzie-                       troffen sind. Und wir sind zu dem Ergebnis ge-
                        hungskraft ausübt. Es führt zum Zuzug aus dem                            kommen, dass dies insbesondere die Haushalte sind,
                        In- und Ausland und damit zu einer erhöhten Woh-                         die nur über ein geringes Einkommen verfügen. Sie
                        nungsnachfrage. Das Wohnungsangebot kann mit die-                        können sich nicht angemessen mit Wohnraum ver-
                        ser Nachfrage derzeit nicht mehr Schritt halten. Des-                    sorgen und sind deshalb auf staatliche Hilfe
                        halb müssen wir dringend mehr bezahlbaren Wohn-                          angewiesen.
                        raum schaffen.                                                                Hier greift unsere soziale Wohnraumförderung:
                              Den Erfolg unserer Bemühungen dürfen wir nicht                     Mit dem Förderprogramm »Wohnungsbau BW« wol-
                        allein an den aktuellen Baufertigstellungszahlen                         len wir den bestehenden Wohnungsmangel schnell
                        festmachen. Für den Wohnraummangel gibt es viele                         und effektiv bekämpfen. Im Mittelpunkt unseres
                        Gründe – eine begrenzte Neubautätigkeit ist nur einer                    Programms steht es, neue Mietwohnungen für ein-
                        davon. Dementsprechend gibt es auch nicht nur eine                       kommensschwächere Haushalte zu schaffen. Da-
                        Lösung, um dem Mangel abzuhelfen. Wohnungspoli-                          neben unterstützen wir aber auch die Begründung
                        tik ist komplex. Sie muss vor allen Dingen nachhaltig                    von Wohneigentum – ebenfalls für Haushalte, für die
                        sein und wirken. Einfache Antworten sind in diesem                       ein solcher Schritt ohne die Hilfestellung des Landes
                        Poli­tikfeld nicht zwingend die besten. Vielmehr ist es                  nicht möglich wäre. Über das Förderprogramm »Woh-
                        unsere Aufgabe, mit dem Blick auf das Ganze an etli-                     nungsbau BW« stellt das Land dafür seit 2017 jähr-
                        chen Stellschrauben zu drehen.                                           lich 250 Mio. Euro zur Verfügung. Diese Förderung
                                                                                                 hat bereits Wirkung gezeigt: So wurden im Jahr 2017
                        BAUEN ERLEICHTERN, NICHT ERSCHWEREN                                      Förderungen zur Errichtung von 1 725 Mietwohnun-
                                                                                                 gen beantragt. Einschließlich Modernisierung waren
                        Um Hindernisse für den Wohnungsbau tatsächlich                           es sogar beantragte Förderungen für insgesamt mehr
                        zu beseitigen, müssen wir alle einschlägigen Rege-                       als 8 000 Wohneinheiten. Eine solche Zahl von An-
                        lungen, Vorschriften und Verfahrensweisen in den                         trägen für neue Sozialmietwohnungen wurde in
                        Blick nehmen und gegebenenfalls überarbeiten.                            Baden-Württemberg zuletzt 1997 erreicht – also vor
                        Schließlich müssen wir den Menschen das Bauen                            20 Jahren.
                        erleichtern, nicht erschweren. Dafür müssen wir uns                           Die Förderung sozialen Wohnraums ist aller-
                        stark machen – sei es auf Landes- oder auf Bundese-                      dings nur ein Baustein in unserem Instrumenten-
                        bene. Unsere Städte und Gemeinden verdienen Unter-                       kasten. Selbstverständlich können wir mit dieser
                        stützung in ihrem Bemühen um mehr Wohnungsbau.                           zielgruppenorientierten Objektförderung nicht den
                        Deshalb wollen wir sie besonders in einer zielorien-                     gesamten angespannten Wohnungsmarkt entlas-
                        *
                           Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL ist Ministerin für Wirtschaft, Ar-
                                                                                                 ten – auch, wenn eine solche Entlastung überall
                        beit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg.                       nötig ist.

                    6   ifo Schnelldienst   21 / 2018   71. Jahrgang   8. November 2018
ZUR DISKUSSION GESTELLT

STÄDTEBAUFÖRDERUNG ALS WEITERES                          darauf achten, dass die Wirtschaftlichkeit aus Ver-
STANDBEIN DER FÖRDERSTRUKTUR                             mietersicht gewahrt bleibt. Die Absicht, Mieterinnen
                                                         und Mieter zu schützen – die ich sehr begrüße –, darf
Einen breiteren Ansatz wählt deshalb die Städte­         in der Praxis nicht dazu führen, dass private Inves-
bauförderung als weiteres Standbein unserer Förder-      torinnen und Investoren in den Mietwohnungsbau
struktur. Hier greifen wir auf bewährte Konstrukte       abgeschreckt werden und künftig auch notwendige
zurück. So ist es eine zentrale Aufgabe der Städte­      Modernisierungsmaßnahmen nicht mehr durchge-
bauförderung, bestehende Wohnungen zu moder­             führt werden.
nisieren und sie dem konkreten Bedarf vor Ort anzu-
passen. Brachliegende Flächen werden so vorberei-        AUSREICHEND WOHNRAUM IST DER BESTE
tet, dass dort nachverdichtet oder neu gebaut werden     SCHUTZ VOR HOHEN MIETEN
kann. Dabei steht im Vordergrund, städtebauliche
und damit auch stadtgesellschaftliche Missstände zu      Der beste Schutz vor hohen Mieten und schlechten
beseitigen. Ziel der Städtebauförderung ist es, Inves-   Wohnbedingungen ist und bleibt ein möglichst gro-
titionen für Wohnbau- und Wohnum­feldprojekte            ßes Angebot an Wohnraum. Hierzu müssen noch
anzustoßen, um breite Bevölkerungsschichten mit          mehr Investitionsanreize zum Bauen geschaffen wer-
Wohnraum zu versorgen. So sollen diejenigen unter-       den. Als solche Anreize hat die Bundesregierung das
stützt werden, die bei den aktuellen Entwicklungen       Baukindergeld bereits eingeführt und eine Sonder-
auf dem Grundstücks- und Wohnungsmarkt nicht             abschreibung für den Mietwohnungsneubau geplant.
mehr adäquat wohnen und leben können. Die Städ-          Das Maßnahmenpaket ist ausgewogen und geeig-
tebauförderung unterstützt die Kommunen im Land          net, um den Mieterschutz in der aktuellen Situation
erheblich dabei, neuen Wohnraum zu schaffen. Wo          der Wohnungsmärkte zu verbessern – ohne dabei die
mit Hilfe der Fördermittel alte Gebäude abgerissen       wirtschaftlichen Interessen von Investorinnen und
und brachliegende Flächen erschlossen werden, kann       Investoren aus dem Blick zu verlieren. Außerdem
in der Folge bezahlbarer und geförderter Wohnraum        plant die Bundesregierung, das Wohngeld anzupas-
entstehen. Städtebauförderung und Wohnraumför-           sen. Diese Maßnahme begrüße ich ausdrücklich. Denn
derung ergänzen sich dabei sehr gut.                     auf diese Weise können auch einkommensschwache
     Mit der Schwerpunktsetzung in den Program-          Haushalte in Zeiten steigender Mieten ihre Wohnkos-
men der Stadterneuerung wird dies zunehmend              ten bestreiten.
unterstützt. Als bundesweit erstes Land fördert
Baden-Württemberg in den Jahren 2018 und 2019            MANGEL AN BAULAND ALS GRÖSSTES PROBLEM
Kooperationsprojekte mehrerer Gemeinden zur
Erstellung qualifizierter Mietspiegel. Diese sind ein    Das größte Problem, das bewältigt werden muss,
wichtiges Instrument für die Transparenz lokaler         um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, ist jedoch
Wohnungsmärkte. Mit unserer Förderung leisten            die mangelnde Verfügbarkeit von Bauland. Unsere
wir somit einen wertvollen Beitrag, um Konflikte         Städte und Gemeinden sind im Rahmen ihrer kom-
von Mieterinnen und Mietern mit ihren Vermieterin-       munalen Planungshoheit die Träger der Bauleitpla-
nen und Vermietern über die zulässige Miethöhe zu        nung. Damit spielen sie bei der Bauflächenentwick-
verringern.                                              lung und der Schaffung von Baurecht eine wich-
                                                         tige Rolle. Besonders, um preisgünstigen Wohn-
RAHMENBEDINGUNGEN FÜR MEHR FREI                          raum zu schaffen, müssen die Bauplanungsverfah-
FINANZIERTEN WOHNUNGSBAU ANPASSEN                        ren noch effizienter und zielorientierter durchgeführt
                                                         werden.
Vor allem wollen wir ein positiveres Klima für mehr           Die Kommunen sind gefordert, alle vorhan­denen
frei finanzierten Wohnungsbau schaffen. Um dies zu       bauleitplanerischen Instrumente einzusetzen. Um
schaffen, müssen wir die Rahmenbedingungen ent-          diese Möglichkeiten Gemeinderatsmitgliedern, Pla-
sprechend anpassen. Wie wir das erreichen wollen?        nerinnen und Planern sowie Interessierten wieder
Indem wir die Landesbauordnung überarbeiten und          bewusst zu machen und deren Qualitäten aufzuzei-
Normen streichen, die Bauherren unnötig belasten.        gen, hat das Wirtschaftsministerium die Informati-
Indem wir den Inhalt von Vorschriften so fassen, dass    onsbroschüre »Beschleunigter Wohnungsbau – Effi-
sie ihren Zweck auch mit geringeren Belastungen          zienz bei der Baulandgewinnung und in Planver-
erreichen. Diese Erleichterungen haben wir bereits       fahren« herausgegeben. Die große Nachfrage zeigt,
auf den Weg gebracht. Sie sollen im Jahr 2019 wirk-      dass dieses Angebot den Bedürfnissen der Planungs-
sam werden.                                              träger entspricht und eine gute Hilfestellung ist.
     Und auch der Bund setzt sich ein: So wurde eine     Auch der Natur- und Artenschutz spielt bei der Auf-
Reform des Mietrechts auf den Weg gebracht. Sie          stellung von Bauleitplänen eine große Rolle. Des-
soll den Mieterschutz im Bereich der Mietpreis-          halb wollen wir im kommenden Jahr ebenfalls eine
bremse und der Modernisierungsumlage verbes-             Broschüre zum Umgang mit dem Artenschutz in der
sern. Bei allen Bemühungen müssen wir allerdings         Bauleitplanung und bei Bauvorhaben veröffentlichen.

                                                                   ifo Schnelldienst   21 / 2018   71. Jahrgang   8. November 2018   7
ZUR DISKUSSION GESTELLT

    FLÄCHEN- UND WOHNUNGSMANGEL KÖNNEN                                konkret entsteht: Nämlich vor Ort in den Städten und
    NICHT SEPARAT THEMATISIERT WERDEN                                 Gemeinden.

    Bei allen Bemühungen, Vorhaben und Maßnahmen                      TROTZ ALLER BEMÜHUNGEN GEDULD
    müssen wir jedoch beachten: Die Ressource Fläche                  AUFBRINGEN
    ist knapp. Ihre effiziente und gemeinwohlorientierte
    Bewirtschaftung gehört damit zu den größten Her-                  Die Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten stel-
    ausforderungen einer nachhaltigen Raum- und Sied-                 len uns vor enorme Herausforderungen. Der Wohn­
    lungsentwicklung. Sie beeinflusst dauerhaft die Funk-             raummangel ist inzwischen zu einem der drängends-
    tionalität und Lebensqualität unserer Städte und                  ten Probleme unserer Zeit geworden. Trotz aller Bemü-
    Gemeinden. Dabei kann man die Flächenfrage nicht                  hungen müssen wir Geduld aufbringen. Denn von
    diskutieren, ohne die Wohnungsfrage zu berühren –                 heute auf morgen können unsere Maßnahmen unmög-
    und anders herum.                                                 lich greifen. Doch wenn wir weiterhin dranbleiben, alle
         Auch und gerade angesichts des hohen                         Möglichkeiten für mehr und insbesondere bezahl­
    Wohnraumbedarfs müssen wir die Potenziale                         baren Wohnraum erkennen und nutzen, dann werden
    der Innenentwicklung aktivieren und nutzen. Un-                   wir in unserem Bemühen nicht scheitern.
    ser Ziel muss eine bedarfsgerechte Flächenaus-
    weisung in den Kommunen sein. Die Innenentwick-
    lung hat dabei stets Vorrang. Die zur Verfügung ste-
    henden Flächen müssen möglichst effizient genutzt
    werden.
         Ein wichtiges Thema ist dabei das verdich-
    tete Bauen. Vor diesem Hintergrund unterstützt das
    Land Baden-Württemberg die Kommunen mit dem
    För­derprogramm »Flächen gewinnen durch Innen­
    entwicklung«. Gefördert werden dabei innovative
    Konzepte und Planungen zur Innenentwicklung
    sowie begleitende Beteiligungs- und Partizipations-
    prozesse. Auch der Einsatz kommunaler Flächen-
    manager wird mit Erfolg unterstützt, um innerört-
    liche Flächenpotenziale für den Wohnungsbau zu
    akti­vieren. Zudem stellt das Land den Kommunen
    kostenlos das Flächenmanagement-Tool FLOO zur
    Verfügung. Damit können die vorhandenen Innen­
    entwicklungspotenziale auf einfache Art und Weise
    erfasst, be­­wertet und verwaltet werden. Der Flächen-
    recyclingpreis Baden-Württemberg – der im Februar
    2019 erneut verliehen wird – gibt zudem gute Bei-
    spiele für die Innenentwicklung auf baulich vorge-
    nutzten Flächen.
         Nur, wenn ausreichend Flächen zur Bebauung –
    gerade auch im preisgünstigen Marktsegment – zur
    Verfügung stehen, können wir dem herrschenden
    Wohnraummangel gezielt entgegenwirken. Wir dür-
    fen den bestehenden Mangel nicht nur verwalten.
    Stattdessen müssen wir dafür sorgen, dass mehr Flä-
    chen aktiviert werden und so mehr Wohnungen ent-
    stehen können. Das kann uns nur gelingen, wenn wir
    die kommunalen Handlungsmöglichkeiten stärken.
    Ein Bestandteil unseres geplanten Kommunalfonds
    Wohnraumoffensive BW soll deshalb der Aufbau eines
    Grundstücksfonds sein. Er soll finanzschwachen
    Gemeinden ermöglichen, Wohnbauflächen zu erwer-
    ben, wozu sie sonst selbst nicht in der Lage sind. Dieser
    Fonds soll neben die traditionelle soziale Wohnraum-
    förderung treten und im Jahr 2019 starten. Außerdem
    soll der geplante Fonds gezielt lokale und regionale
    Wohnraum-Initiativen unterstützen. Damit wollen wir
    künftig noch stärker dort ansetzen, wo Wohnraum

8   ifo Schnelldienst   21 / 2018   71. Jahrgang   8. November 2018
ZUR DISKUSSION GESTELLT

Matthias Wrede*                                                         politik in peripheren Regionen wird der Fokussie-
                                                                        rung halber nicht näher behandelt. Ausgehend von
Soziale Wohnungspolitik:                                                den Rahmenbedingungen und Zielsetzungen werden
Grundversorgung sichern,                                                anschließend Nebenwirkungen und Handlungsoptio-
                                                                        nen der Wohnungspolitik erörtert.
Land effizienter nutzen
und Transaktionskosten                                                  RAHMENBEDINGUNGEN

reduzieren                                                              Im letzten Jahrzehnt ist insbesondere in den Groß-                              Matthias Wrede

                                                                        und Universitätsstädten die Wohnungsnachfrage
Das Dilemma der sozialen Wohnungspolitik ist das                        deutlich gestiegen, ohne dass das Angebot bisher
Zusammentreffen eines existenziellen menschlichen                       damit Schritt gehalten hat. Einige der Determinan-
Bedürfnisses, komplexer wirtschaftlicher und sozi-                      ten dieser Entwicklung sind Ausdruck langfristiger
aler Zusammenhänge, unvollkommener Märkte und                           Trends und konnten daher bei Prognosen berücksich-
beträchtlicher gegensätzlicher finanzieller Interessen;                 tigt werden: das nachfragesenkende Geburtendefi-
wie geschaffen für allseitige Unzufriedenheit, Lobby­                   zit sowie die nachfragesteigernden Faktoren Rema-
ismus und Wahlgeschenke. Weitgehend unstrittig ist,                     nenz, langfristiger Einkommensanstieg, Verkleine-
dass der Staat als Sozialstaat Bedürftigen anbieten                     rung der Haushaltsgrößen, Anstieg der Studierquote,
sollte, das Grundbedürfnis nach einer Unterkunft zu                     Zunahme von Doppelverdienerpaaren und produkti-
befriedigen. Dies geschieht durch die Übernahme der                     vitätssteigernde Agglomerationseffekte. Andere Ent-
Kosten für eine angemessene Unterkunft im Rahmen                        wicklungen waren nicht in dem realisierten Ausmaß
der Mindestsicherungssysteme. Diese Leistung unter-                     vorherzusehen: Zuwanderung aus Teilen der Europä-
liegt allerdings einer Bedarfsprüfung und erhalten die                  ischen Union nach Finanzkrise und EU-Erweiterung,
meisten Betroffenen nur auf Antrag. Ähnlich verhält es                  Zuwanderung von Flüchtlingen und Schutzsuchen-
sich mit dem Wohngeld, das vorrangig gewährt wird                       den, Niedrigzinspolitik, anhaltend gute Wirtschafts-
– abhängig vom örtlichem Mietniveau, Haushalts­                         lage, Auslandsnachfrage nach Wohnraum sowie kurz-
einkommen und -größe – und die Inanspruchnahme                          fristige Vermietung von Unterkünften über internetba-
von Grundsicherung vermeiden soll. Tatsächliche und                     sierte Marktplätze. Angesichts des demographischen
vermutete Stigmatisierung, Unsicherheit und Erfül-                      Wandels, des Fachkräftemangels sowie der Notwen-
lungskosten bringen die Instrumente der Subjekt­                        digkeit, im internationalen Wettbewerb die produk-
förderung in der Wohnungspolitik in Misskredit. Daher                   tivsten Standorte zu nutzen, sind viele dieser Ent-
stieß die Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats                     wicklungen ökonomisch positiv zu bewerten. Eine
beim BMWI (2018), vorrangig das Wohngeld zu stär-                       unvermeidbare Folge aber ist, dass das nicht vermehr-
ken, auf wenig Zustimmung. Obwohl nur wenige wirt-                      bare Gut Land in den Metropolen wertvoller wird. Ein
schaftlich starke Länder für die Subjektförderung im                    Preisanstieg ist notwendig, um eine effiziente Nut-
Verhältnis zur Wirtschaftskraft mehr ausgeben als                       zung der wertvoller gewordenen Ressource zu errei-
Deutschland und obwohl der Anteil der Haushalte                         chen. Höhere Wohnkostenquoten müssen in Kauf
im untersten Fünftel der Einkommensverteilung, die                      genommen werden und sind angesichts der zuneh-
mehr als 40% des verfügbaren Einkommens für Markt-                      menden Attraktivität der Städte auch gerechtfertigt.
mieten ausgeben, in den meisten der OECD-Staaten                        Doch anders als die Landfläche kann die Wohnflä-
deutlich höher ist als in Deutschland (vgl. OECD 2017),                 che auf Nachfragesteigerungen reagieren: Landnut-
wird die deutsche Wohnungspolitik als unzureichend                      zungsart, Höhe und Dichte der Gebäude sowie Größe
wahrgenommen. Das liegt zum einen an dem Bruch                          der Wohnungen können angepasst werden. Wohn-
in der Preisentwicklung auf den Immobilienmärkten.                      raum in Städten beziehungsweise in deren unmittel-
Deutschland hat in den 2000er Jahren keine Immo-                        barem Umland kann nur geschaffen werden, wenn
bilienpreisblase erlebt; bis 2010 waren Immobilien-                     die bestehenden Flächen effizienter genutzt werden
preise stabil und Mieten moderat steigend. Erst seit-                   und die Einwohnerdichte durch höhere und dichtere
dem steigen die Preise räumlich differenziert stark an.                 Bebauung gesteigert wird. Ein Vergleich deutscher
Zum anderen dreht sich die Diskussion in erster Linie                   Großstädte mit Städten in einigen anderen europäi-
gar nicht um die Versorgung von Niedrigeinkommens-                      schen Ländern zeigt, dass Spielraum vorhanden ist.
beziehern mit Wohnraum, sondern um die Situation                        Allerdings bedarf es dazu Änderungen der Erwartun-
der Mittelschicht auf bestimmten räumlich begrenz-                      gen der Landbesitzer und Bauherren, komplexer Pla-
ten Wohnungsmärkten. Die folgenden Ausführungen                         nungen bei den Behörden und Wohnungsbaugesell-
beschäftigen sich mit den Zielen, Bedingungen und                       schaften sowie zeitraubender Genehmigungsverfah-
Instrumenten der Wohnungspolitik in den boomen-                         ren und Bautätigkeiten. Allein um dem unerwarteten
den Metropolen und Mittelstädten; die Wohnungs-                         Anstieg der Gesamtbevölkerung Deutschlands um
                                                                        etwa 2,5 Mio. Menschen durch Wohnungsbau gerecht
*
   Prof. Dr. Matthias Wrede ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirt-
schaftslehre, insbesondere Sozialpolitik, an der Universität Erlan-
                                                                        zu werden, wird mehr Zeit benötigt, als bisher verstri-
gen-Nürnberg.                                                           chen ist.

                                                                                  ifo Schnelldienst   21 / 2018   71. Jahrgang   8. November 2018   9
ZUR DISKUSSION GESTELLT

     ZIELSETZUNGEN                                                     schwendung bzw. haben unerwünschte Verteilungs-
                                                                       wirkungen. Der langfristige Schaden einer rigiden
     Wohnungspolitik beinhaltet mehr als Wohnungs­                     Markt- und Preisregulierung kann den kurzfristigen
     bereitstellung per se; vielmehr soll Wohnraum an allen            Nutzen um ein Vielfaches übersteigen. Regulierung mit
     räumlich eng definierten Standorten wie Städten und               Augenmaß ist notwendig, um den im internationalen
     Stadtteilen verfügbar sein, so dass die Begünstigten              Vergleich großen deutschen privaten Mietmarkt nicht
     nah am Arbeitsplatz oder Einrichtungen wie Schulen                zu beinträchtigen. Die Umgehung von Regulierungen,
     leben können und bei einer Veränderung der Anfor-                 kürzlich erst demonstriert bei der Mietpreisbremse,
     derungen an die Wohnung ihr soziales Umfeld nicht                 ist im öffentlichen Bewusstsein verankert. Weniger
     ändern müssen. Ähnlich wie bei medizinischer Versor-              berücksichtigt wird, dass Mengen- und Preiseffekte
     gung wird ein gutspezifischer Egalitarismus verfolgt:             dazu führen, dass in der Regel die Adressaten von Geld-
     Unabhängig vom Einkommen sollen alle Personen                     leistungen nicht die tatsächlichen finanziellen Nutz-
     gleiche Zugangschancen zu Wohnraum in allen ent-                  nießer sind. Weil das Angebot von Bauland kurzfristig
     sprechend definierten Regionen haben. Diese Anfor-                unelastisch ist, werden z.B. die Empfänger von Bau­
     derung kann durch die hohen Transaktionskosten des                kindergeld höhere Preise zahlen müssen und daher nur
     Standortwechsels und der Fahrten zu Arbeitsplatz                  wenig Geld einsparen. Das Geld fließt effektiv weitge-
     und Bildungseinrichtungen bzw. den damit verbun-                  hend an die Baulandeigentümer. Direkt negativ betrof-
     denen sozialen Kosten gerechtfertigt werden. Dar­                 fen sind dann Nachfrager, die kein Baukindergeld
     über hinaus soll Wohnraum bezahlbar sein. Das wird                erhalten, da sie ebenfalls die höheren Marktpreise zah-
     oft so operationalisiert, dass der Anteil der Ausgaben            len müssen. Demselben Zusammenhang sind auf Miet-
     für Wohnen am verfügbaren Einkommen unter einem                   wohnungsmärkten die Bezieher von Wohngeld, die
     bestimmten Schwellenwert liegen soll (z.B. 30%). Aber             anderen Mieter und die Besitzer von Mietwohnungen
     zum einen ist der konkrete Schwellenwert zwangsläu-               ausgesetzt. Außerdem hat Wohnungspolitik aufgrund
     fig willkürlich, zum anderen trägt die Beschränkung               der großen regionalen Unterschiede bei den Eigentü-
     auf die reinen Wohnkosten anderen räumlich variie-                merquoten und den Nachfrageüberhängen auf Miet-
     renden wohnortbedingten Kosten wie insbesondere                   wohnungs- und Immobilienmärkten auch erhebliche
     den Kosten der Fahrten zum Arbeitsplatz nicht Rech-               regionale Verteilungswirkungen. Eigentumsförderung
     nung. Schließlich konkurrieren die Ziele der Wohn-                kommt weniger den größeren Städten zugute, Wohn-
     raumschaffung und der Bezahlbarkeit mit umwelt-                   geld fließt bei den aktuellen Konditionen eher in den
     und gesundheitspolitischen Zielsetzungen: Je mehr                 Osten, den Norden und in die Städte. Bedarf für sozia-
     Ausgleichsflächen geschaffen werden müssen, je mehr               len Wohnungsbau besteht vor allem in den prosperie-
     Wärmedämmung verlangt wird und je höher die Anfor-                renden Zentren in Süddeutschland und den Stadtstaa-
     derungen an den Brandschutz werden, desto weniger                 ten Hamburg und Berlin. Der Ruf nach einem stärke-
     bezahlbarer Wohnraum kann in den Städten erhalten                 ren Eingreifen des Bundes in der Wohnungspolitik auf
     bzw. geschaffen werden. Es ist an der Zeit, diesen Ziel-          angespannten Wohnungsmärkten seitens einzelner
     konflikt anzuerkennen und die relative Gewichtung                 Bundesländer ist daher der Wunsch nach mehr Umver-
     dieser Ziele gesellschaftlich transparent festzulegen.            teilung oft zugunsten prosperierender Regionen.

     NEBENWIRKUNGEN                                                    HANDLUNGSOPTIONEN

     Alle wohnungspolitischen Instrumente einschließ-                  Wohnungspolitik muss an vielen Stellen ansetzen,
     lich deren Finanzierung lösen Verhaltensänderungen                da keine einzelne Maßnahme ausreicht, die komple-
     aus, ändern Verteilungspositionen der Akteure und                 xen Ziele der Wohnungspolitik zu erfüllen. Einige als
     wirken sich auf andere Märkte aus insbesondere auf                wirksam erachtete Maßnahmen werden im Weiteren
     den Arbeitsmarkt z.B. durch Effekte auf das Arbeits-              diskutiert.
     angebot. Diese Effekte sind im Vorhinein nicht sicher                 Grundsätzlich gilt es, Anreize zu verstärken, die
     abzuschätzen, müssen aber dennoch sorgfältig mit-                 knappe Ressource Land effizient zu nutzen. Die Bun-
     bedacht werden. Staatliche Eingriffe in das Markt-                desländer haben es in der Hand, durch eine Senkung
     geschehen rufen auch Aktivitäten hervor, die ohne                 der Grunderwerbsteuer die Transaktionskosten des
     gesamtgesellschaftlichen Nutzen zu haben nur dem                  Grunderwerbs zu reduzieren (zu den damit verbunde-
     Abschöpfen ökonomischer Renten dienen. Wenn der                   nen Anforderungen an den Länderfinanzausgleich vgl.
     Preismechanismus daran gehindert wird, über die Ver-              Büttner und Krause 2018).
     wendung knapper Ressourcen zu entscheiden, dann                       Die Wertsteigerung städtischen Landes ist nicht
     treten andere Mechanismen wie politisch bestimmte                 das Ergebnis der Anstrengungen des jeweiligen Land-
     Priorisierungen, Warteschlangen oder persönliche                  besitzers, sondern der öffentlichen Leistungen vor
     Beziehungen an dessen Stelle. Diese Verfahren ver-                Ort sowie der Agglomerationsvorteile in Produktion
     schlingen Ressourcen, reagieren weniger flexibel als              und privatem Konsum. Wenn die Grundsteuer in eine
     der Preismechanismus auf Änderungen der ökono-                    Bodenwertsteuer – auf der Basis von Bodenricht­werten
     mischen und sozialen Verhältnisse, begünstigen Ver-               mit niedrigeren Steuersätzen – umgewandelt werden

10   ifo Schnelldienst   21 / 2018   71. Jahrgang   8. November 2018
ZUR DISKUSSION GESTELLT

würde, könnten diese »Windfall Profits« un­abhängig              Durch starke Zuwanderung wird das »Durchrei-
von der Landnutzung teilweise abgeschöpft werden            chen (Filtering)« von Wohnungen mit sinkender Qua-
und den Landbesitzern damit Anreize zu einer effizi-        lität ausgehebelt und auch das Segment des preis-
enteren Landnutzung gegeben werden. Wird zudem              günstigen Wohnraums verkleinert. Um das Angebot
die Umlagefähigkeit der Grundsteuer aus­geschlossen,        bezahlbaren Wohnraums zu stabilisieren, ist daher
werden bei gesetzlich beschränkten Mieterhöhungen           eine maßvolle direkte oder indirekte langfristig gesi-
die Landbesitzer und nicht die Mieter Grundsteuerer-        cherte objekt­orientierte Förderung sinnvoll. Beste-
höhungen ökonomisch tragen (zur Traglast von Grund-         hende Modelle, die Objekt- und Subjektförderung
steuern bei administrierten Mieten vgl. Homburg 2015,       verbinden und Fehlbelegungsprüfungen beinhalten,
S. 110 f.). Um Vermieter finanziell nicht zu überfor-       ermöglichen es, Fehler der Vergangenheit zu vermei-
dern, könnte die Umlagefähigkeit schrittweise einge-        den und größere soziale Durchmischung zu erreichen
schränkt werden. Der Staat sollte aber darauf verzich-      sowie hochwertigere und kleinere Quartiere entste-
ten, mit einer speziellen Grundsteuer C ungenutztes         hen zu lassen. Kommunen können zudem Land vor-
Bauland stärker zu belasten, da der Verzicht auf sofor-     ausschauend erwerben und Bauland nicht in einer ein-
tige Bebauung in manchen Konstellationen ökono-             fachen einstufigen Ausschreibung gegen Höchstgebot
misch sinnvoll ist.                                         abgeben, sondern im Rahmen von Konzeptausschrei-
     Aufgrund der großen Unterschiede zwischen              bungen mit Auflagen an die Bereitstellung von sozi-
Bestands- und Wieder- bzw. Neuvermietungen, die vor         aler Infrastruktur und Anteilen preislich beschränk-
allem durch die striktere Begrenzung von Mieterhöhun-       ter Wohnungen verbinden. Sofern diese Auflagen
gen bei Bestandsmieten hervorgerufen werden, sind           Bestandteil der Leistungsbeschreibung sind, ist eine
die Anreize für Mieter gering oder gar negativ, die Woh-    effiziente diskriminierungsfreie Nutzung des Landes
nungsgröße nach einem Auszug von Haushaltsmitglie-          gewährleistet. Soziale Durchmischung wird erreicht,
dern zu verkleinern. Kommunale Wohnungsgesellschaf-         und Transaktionskosten und Ineffizienzen öffentli-
ten mit großen Beständen bzw. die Kommunen selbst           cher Bereitstellung so­­zialer Infrastruktur werden ver-
können logistische und finanzielle Unterstützung bei        mieden. Außerdem können Kommunen einen Teil der
der Suche nach einer kleineren finanzierbaren Woh-          verfügbaren Fläche für Genossenschaften und Bauge-
nung leisten. Eine einmalige Befreiung von der Grund­       meinschaften reservieren. Diese weisen bei fehlender
erwerbsteuer bei Renteneintritt könnte Anreize zu           Gewinnerzielungsabsicht und größerem wechselseiti-
einer Anpassung der Größe der selbstgenutzten Immo-         gen Vertrauen der Bewohner und des Unternehmens
bilie geben.                                                Institutionen auf, die es ermöglichen, bezahlbaren
     Stellplatzverordnungen sollten so gelockert wer-       Wohnraum zu relativ geringen Opportunitätskosten
den, dass auf gleicher Landfläche mehr Wohnraum             bereitzustellen.
geschaffen werden kann und der ÖPNV gegenüber                    Die Instrumente der Subjektförderung sollten
dem motorisierten Individualverkehr an Attraktivität        zusätzlich gestärkt werden, da kein anderes Instru-
gewinnt.                                                    ment zielgenauer Betroffene adressiert. Das Wohngeld
     Damit auf verfügbarem Land schneller Wohnraum          würde vor allem gestärkt werden, wenn es – vergleich-
entsteht, können Bund, Länder und Gemeinden wich-           bar der gesetzlichen Rente – gesetzlich verankert regel-
tige Beiträge leisten. Die Komplexität von Planungspro-     gebunden im engem zeitlichen Abstand an allgemeine
zessen muss reduziert werden, die Planungssicherheit        Einkommens- und Mietpreisänderungen angepasst
durch den Verzicht auf häufige Änderungen der Bau-          werden würde. Dann würde es sich auch bei kleineren
und Umweltauflagen sowie der Wohnungsbauförde-              Beträgen für die Anspruchsberechtigten lohnen, diese
rung erhöht werden. Planungssicherheit erleichtert es       Leistung tatsächlich in Anspruch zu nehmen.
Handwerkern, Bauunternehmen und Wohnungsgesell-
schaften, die Kapazitäten aufzubauen, die angesichts        LITERATUR
der Lage auf den Wohnungsmärkten auf absehbare Zeit
                                                            Büttner, T. und M. Krause (2018), »Föderalismus im Wunderland: Zur Steu-
erforderlich sind, die Nachfrage zu bedienen. Die politi-   erautonomie bei der Grunderwerbsteuer«, Perspektiven der Wirtschaftspo-
sche Umsetzung dieser Forderung gestaltet sich aller-       litik 19(1), 32–41.
dings schwierig, da Politiker gerade vor Wahlen starke      Homburg, St. (2015), Allgemeine Steuerlehre, 7. Aufl., Verlag Vahlen,
                                                            München.
Anreize haben, bestehende Regeln zu ändern, um in
                                                            OECD (2016), Affordable Housing Database, verfügbar unter:http://oe.cd/
den Medien und der Wählerschaft als Problemlöser
                                                            ahd.
wahrgenommen zu werden. Das Allgemeininteresse
                                                            Wissenschaftlicher Beirat beim BMWI (2018), Soziale Wohnungspolitik, ver-
an der Planungssicherheit rückt in konkreten Ausein-        fügbar unter:. https://www.bmwi.de.
andersetzungen in den Hintergrund. Schließlich soll-
ten Kommunen in angespannten Wohnungsmärkten
Prüfvorgänge, die bisher nacheinander abgearbeitet
wurden, parallel bearbeiten, was jedoch bei negativem
Prüfergebnis mit vergeblichem Verwaltungsaufwand
und damit zusätzlichen Personalausgaben der Kom-
munen verbunden ist.

                                                                          ifo Schnelldienst   21 / 2018   71. Jahrgang   8. November 2018   11
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