Widerstand gegen Repression - SÜDLICHES AFRIKA
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IND 107 UmschlagFIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:44 Seite 1 Das SADOCC-Magazin für das Südliche Afrika 107/20 Z I M B A B W E Widerstand gegen Repression S Ü D LI C H E S A F R I K A Die Corona-Krise(n) E U R O PA – A F R I K A Robert Kappel im Interview A PA R T H E I D - S Ü DA F R I K A Spannender Gefängnisthriller
IND 107 UmschlagFIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:44 Seite 2 SADOCC Das Dokumentations- und Kooperationszentrum Südliches Afrika in Wien setzt sich für eine solidarische Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik gegenüber den Ländern des Südlichen Afrika ein. SADOCC » Dokumentation und Bibliothek in Elfriede Pekny-Gesellschaft 1040 Wien, Favoritenstraße 38/18/1 (Öffnungszeiten: Dienstag 14.00-18.00) Die Elfriede Pekny-Gesellschaft zur Förderung Tel. 01/505 44 84 Fax 01/505 44 84-7 von Southern African Studies in Österreich www.sadocc.at (benannt nach der Ende 2004 verstorbenen » das quartalsweise erscheinende Magazin INDABA SADOCC-Generalsekretärin) ist der » monatliche Veranstaltungen: »Forum Südliches Afrika« wissenschaftliche Arm von SADOCC. » Stadtspaziergänge »Afrikanisches Wien« Letzte Buchveröffentlichung: k.u.k. in Ostafrika » Projekt Jugendzentrum in Soweto (Franz Kotrba). Aktuelle Projekte: Tiroler » Nelson Mandela-Tag jeden 18. Juli Missionshelfer in Rhodesien (Andrea Sommerauer); 100 Jahre afrikanische Präsenz Interessierte Einzelpersonen und Institutionen können in Wien (Vanessa Spanbauer, Simon Loidl). SADOCC durch ihren Beitritt als unterstützende Mitglieder fördern. In der Mitgliedsgebühr von jährlich EUR 30,– Wir ersuchen um Spenden – diese können (für Institutionen EUR 50,–) sind sämtliche Aussendungen laut Bescheid des zuständigen Finanzamtes und Einladungen enthalten. von der Steuer abgesetzt werden. Das Abonnement von INDABA kostet EUR 18,–. Kto. Nr. 507 860 22463, BLZ 12000, Abos, Mitgliedsbeiträge und Spenden bitte auf unser IBAN AT21 1200 0507 8602 2463, Konto bei der BA-CA, IBAN AT57 1200 0006 1051 2006, BIC BKAUATWW BIC BKAUATWW. 107 Ausgaben INDABA. Weiterhin bieten wir alte Ausgaben zu einem Sonderpreis von 1 Euro pro Stück an. Wenn Sie also Ihre Sammlung vervollständigen oder sich gar eine vollständige Kollektion der Ausgaben 1 bis 107 zulegen wollen, wenden Sie sich bitte an unser Büro: sekretariat@sadocc.at Das Angebot gilt je nach Verfügbarkeit und gegen Vorauszahlung der jeweiligen Summe (plus Porto, außer bei Selbstabholung) auf unser Konto bei der BA-CA, IBAN: AT57 1200 0006 1051 2006, lautend auf SADOCC.
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 1 ................... INHALT 3 Repression in Zimbabwe Während sich alles auf die Pandemie konzentriert, eskaliert der Machtkampf an der Spitze, Proteste werden brutal unterdrückt. Von Panashe Chigumadzi Protestmarsch in Harare 4 9 Schluß mit den EPAs Robert Kappel fordert im Interview einen Neustart der Beziehungen zwischen Afrika und der Europäischen Union 12 Afrika zwischen Krisenimage und Desinteresse Martin Sturmer über die mediale Berichterstattung zu Corona, plus Update zu sechs SADC-Ländern Demokratischer Coup in Malawi 18 22 Escape from Pretoria Ein spannender Film über ein spektakuläres Event 1979. Von Simon Loidl DDR, Kuba und der Südliche Afrika 25 IMPRESSUM: Herausgeber und Medieninhaber (Verleger): Dokumentations- und Kooperationszentrum Südliches Afrika (1040 Wien, Favoritenstraße 38/18/1). E-Mail: office@sadocc.at. URL: www.sadocc.at. Druck: Medienfabrik Wien. Papier: Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. Art Direction: Sander Design (1060 Wien). Layout: Dechant Grafische Arbeiten. Titelfoto: Solidaritätskundgebung für Zimbabwe in Kapstadt. Mitarbeiter/innen dieser Ausgabe: Bernhard Bouzek, Eric Burton, Panashe Chigumadzi, Helena Hornung, Adalbert Krims, Simon Loidl, Fadzayi Mahere, Lennart Oestergaard (FES), Richard Rooney (SAK Swazi Newsletter), Manfred Sauer, Walter Sauer, Daniel Stögerer, Martin Sturmer, Hemma Tengler. Fotos: Birgit Reiter, Robert Kappel, SADOCC, Signature Entertainment, Marcel Singhal, www. Redaktionsschluß dieser Ausgabe: 15. September 2020. Konto: BACA, IBAN AT 571200 0006 1051 2006, BIC BAWAATWW. Dem Beirat von SADOCC gehören an: Reginald Austin, Harare/London; Johann Gattringer; Ingeborg Grau; Helmuth Hartmeyer; Peter Jankowitsch; Peter Katjavivi, Windhoek; Horst Kleinschmidt, Kapstadt; Adalbert Krims; Shula Marks, London; Kirsten Rüther; Godwin Schuster. INDABA 107/20 1
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 2 EDITORIAL .................. Liebe Leserinnen und Leser! Eines unserer Projekte, die Corona-bedingt stark in Mitleidenschaft gezogen wurden, war die Jubiläumsausstellung zum 30. Jahrestag der Unabhängigkeit Namibias. Alles war bereit, die Eröffnung für den 19. März geplant – und dann kamen die Beschränkungen und der Lockdown. Umso mehr freuen wir uns, daß die Eröffnung nun wenigstens verzögert am 8. Oktober erfolgen kann. Ich möchte mich hier bei den Ge- stalter/inne/n der kleinen, aber feinen Schau herzlich bedanken: Elisabeth Friedel, auf deren Fotos und Leihgaben die Ausstel- lung aufbaut, sowie Hans Döller und Theresa Fellinger für Organisation und Gestaltung, und nicht zuletzt unserem Kooperationspartner, dem International Institute for Peace und seiner Direktorin Stephanie Fenkart. Auch wenn die Zahl der Anwesenden bei der Eröffnung selbst auf 30 Personen beschränkt ist, laden wir Sie herzlich zur virtuellen Teilnahme per Internet bzw. zum Besuch der Aus- stellung ein, die bis Ende November während der Bürozeiten des IIP zugänglich sein wird (Details S. 28). Unabhängigkeitsfeier im Stadion von Windhoek Corona ist für das Südliche Afrika weiterhin ein Indaba wichtiges Thema – allerdings nicht das einzige. Daher haben wir in diesem Heft be- wußt die politische Entwicklung in Zimbabwe als Schwerpunkt gewählt. Die Pandemie heißt wird nicht nur die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der Region ver- Neuigkeit ändern, sondern auch die politischen – in welche Richtung, bleibt abzuwarten. oder Mehr denn je ist neben der Informationsfunktion von INDABA auch konkrete Unterstützung gefragt, vor allem Unterstützung von konkreten Eigeninitiativen vor Gespräch Ort (daß Afrika die Probleme habe und Europa die Lösung, wie Robert Kappel im Interview so schön sagt, davon sollte man sich endgültig verabschieden). Daher laden wir Sie noch einmal ein, die Civic Organisation von Masiphumelele in Kapstadt zu unterstützen (S. 27f.). Wir werden in den kommenden Wochen aber auch die neue Grund- einkommenskampagne in Namibia und die Anti-Korruptionsfront in Südafrika verstärkt ver- folgen und Möglichkeiten der Kooperation ausloten. Nach dem Systemwandel in Südafrika 1994 haben sich viele gefragt, ob Solidaritäts- initiativen in Österreich bzw. Europa überhaupt noch notwendig wären – jetzt wissen sie (Sie) es! Walter Sauer 2 107/20 INDABA
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 3 ................. SCHWERPUNKT Machtkampf, Pandemie und Repression Verschlimmerung der Situation in Zimbabwe Gerüchten zufolge bildete der anhaltende Machtkampf zwischen Präsident Emmerson Mnangagwa und seinem Stellvertreter Constantino Chiwenga den Hintergrund für die brutalen Polizeiaktionen rund um den 31. Juli. Davon abgesehen benützt das Regime die Corona-Pandemie, um Proteste der Bevölkerung im Keim zu ersticken. Von Panashe Chigumadzi. a m 20. Juli verhaftete die Polizei eine Zunahme der Pandemie in man- in Harare den Journalisten chen Ländern bejaht oder zumindest Hopewell Chin'ono. Der prominente toleriert werden. In Zimbabwe aber ist Investigativreporter hatte im Juni einen sie zutiefst besorgniserregend. Denn 60-Millionen-Dollar-Korruptionsskan- seit der Einführung der Notstands- dal aufgedeckt. Gleichzeitig nahmen bestimmungen im März hat die regie- sie auch Jacob Ngarivhume fest, rende ZANU PF-Partei COVID-19 als den Vorsitzenden von bequeme Deckung ver- Transform Zimbabwe, ei- wendet, um das Budget ner politischen Organisa- zu plündern, die Presse- tion, die für den 31. Juli ei- Notstand freiheit einzuschränken, nen nationalen Protest als Ausrede Menschenrechte zu ver- gegen Korruption vorberei- für Willkür letzen und Aktivist/inn/en tete. Beide Männer wer- zu verhaften. Am besorg- den beschuldigt, zu öffent- niserregendsten ist viel- licher Gewalt angestiftet zu haben. leicht, daß der Lockdown genutzt Panashe Chigumadzi Am Vorabend der Gerichtsan- wurde, um stillschweigend die Verfas- hörung von Chin'ono und Ngarivhume sung zu ändern und die Befugnisse am 22. Juli ordnete Präsident Emmer- der Exekutive ohne Mitsprache der der Coronavirus Zimbabwe erreichte, son Mnangagwa eine landesweite Öffentlichkeit zu konsolidieren. war davon keine Rede mehr, aber die Ausgangssperre von der Dämmerung Pandemie hat die Sache noch schlim- bis zum Morgengrauen an sowie ein Verbot großer Versammlungen. An- Lange ist es her, daß Mnangagwa nach dem Sturz Robert Mugabes geblich geschah das als Reaktion auf im November 2017 das Versprechen mer gemacht. Chin'ono ist der letzte von sechs Journalisten, die seit März in Zim- einen jüngsten Anstieg der COVID- abgab, eine »neue Ordnung« zu schaf- babwe festgenommen wurden. Im Juni 19-Fälle. fen, die wirtschaftliche Wiederbele- hatte er eine Reihe von Facebook- Vielleicht könnte eine Verschärfung bung und demokratische Reformen Postings veröffentlicht, in denen an- von Beschränkungen als Reaktion auf garantieren sollte. Schon lange bevor gebliche Verbindungen zwischen dem INDABA 107/20 3
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 4 SCHWERPUNKT ................. Sohn des Präsidenten, Collins Mnan- gagwa, und Drax International, einem in den Vereinigten Arabischen Emira- ten ansässigen Unternehmen, be- Harare: Dichter schrieben wurden, das einen Auftrag über 60 Millionen US-Dollar für die Lieferung von COVID-19-Testkits und medizinischen Geräten erhielt. Kurz nach der Veröffentlichung der Infor- Fadzayi Mahere, Anwältin und Parlamentsabgeordnete der Oppo- mationen sagte Chin'ono, daß er um sitionspartei MDC, nahm am 31. Juli an einem Protestmarsch in sein Leben fürchtete. Harare teil. Hier ihr Bericht. Chin'onos Enthüllungen führten zur Kündigung des Vertrags sowie zur Sieben von uns entschlossen sich zu einem friedlichen Protest in Verhaftung und schließlich Entlassung der Nachbarschaft. Wir erfüllten alle Vorsichtsmaßnahmen, trugen von Gesundheitsminister Obadiah Gesichtsmasken und bewegten uns innerhalb des erlaubten Radius. Moyo. Er war der zweite in Mnangag- Wir hatten Desinfektionsmittel mit. Wir respektierten social distancing. was Kabinett, der wegen Korruptions- Unsere Aktion war friedlich. Wir hatten Plakate mit der Aufschrift vorwürfen festgenommen wurde. Für »No Violence«, »Babies’ Lives Matter«, »Covid Kills, so does cor- den 31. Juli, den Tag seines ersten ruption«, »Free Zimbabwe« usw. Es war ein herrlich sonniger Tag Gerichtsauftritts, organisierten die mit blauem Himmel, aber die Luft war dick und bedrohlich. Die Opposition, Gewerkschaften und Polizei hatte alle Zufahrtsstraßen zum zentralen Geschäftsviertel Organisationen der Zivilgesellschaft verbarrikadiert. Proteste gegen Korruption und die Kurz nachdem wir das Haus verlassen hatten, stand ein Fahrzeug sich verschärfende Wirtschaftskrise. ohne Nummernschild da. Es folgte uns, und sie machten Fotos. Wir Ein Wendepunkt für Zimbabwe? gingen weiter. Mut bedeutet nicht, daß du hast keine Angst hast. Mut bedeutet, daß man sich seinen Ängsten stellt und trotzdem han- i n verschiedener Hinsicht ist dies eine Zeit großer Spannungen. Wirt- schaftlich befindet sich das Land in delt. Welche Art von Gesellschaft kriminalisiert ein Plakat mit der Aufschrift »Rettet die Babies«? Nur eine Woche zuvor waren sieben von acht Neugeborenen im Harare Hospital gestorben, weil Kran- einer Krise. Die Inflationsrate liegt der- kenschwestern und Ärzte gegen ihre bedauernswerten Arbeits- zeit bei über 750%, was Erinnerungen bedingungen streikten. Diese Babies kamen aufgrund unseres an die späten 2000er Jahre weckt, als gescheiterten Gesundheitssystems ums Leben. die Hyperinflation die Ersparnisse aus- Wir gingen weiter. Die Leute starrten uns an vor Schock. Als wir löschte und Zimbabwe schließlich an einem Blumenmarkt vorbeikamen, hörten alle auf zu reden. Einige zwang, seine Währung zugunsten des schauten zur Seite. Man konnte wie mit einem Messer durch den US-Dollars aufzugeben. Die Frustra- dichten Nebel der Angst schneiden. Anfang der Woche hatte der tionen über das Management des Ge- Staat Drohungen ausgesprochen. Jeder, der es wagen würde, am sundheitssektors durch die Regierung 31. Juli an einem Protest teilzunehmen, würde streng behandelt nehmen ebenfalls zu. Nur Tage nach werden. Für mich ist die Verfassung oberste Priorität. Sie garantiert dem ersten COVID-19-Tod im März das Recht auf friedlichen Protest. Wie kann die Regierung das igno- legten Ärzte und Krankenschwestern rieren? Warum ist der Staat im Krieg mit seinen Bürgern, die friedlich wegen mangelnder persönlicher ein besseres Leben fordern? Was ist Freiheit, wenn man nicht fragen, Schutzausrüstung ihre Arbeit nieder. sprechen oder handeln darf? Am 6. Juli veranstalteten die Kranken- Wir gingen weiter eine Hauptstraße hinauf, friedlich und mit schwestern weitere Proteste, um ihre Abstand. Wir waren uns bewußt, daß wir von einem Auto mit Men- Gehaltszahlungen in US-Dollar zu for- schen in Zivil verfolgt wurden. Wir gingen in ein Einkaufszentrum. dern. Dreizehn von ihnen wurden un- ter dem Vorwand festgenommen, ge- gen die Ausgangssperre verstoßen zu 4 107/20 INDABA
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 5 ................. SCHWERPUNKT haben. Aus demselben Grund wurden auch viele andere verhaftet, die gegen die COVID-19-Politik der Regierung sowie die Entscheidung der ZANU Nebel der Angst PF, die Verfassung zu ändern, zu pro- testieren. Nun hat der Präsident zusätzlich Vollmachten erhalten. Als die Aktivistinnen Aus der Ferne beobachteten wir, wie unsere Verfolger Uniformen Namatai Kwekweza und anzogen. Kurz darauf überflutete Bereitschaftspolizei das Einkaufs- Vongai Zimudzi versuch- zentrum, bewaffnet mit Gewehren. Wir blieben sitzen, bis sie an- ten, eine Petition an Verfassung fingen, uns zu ergreifen. »Anstiftung zu öffentlicher Gewalt!« schrie Justizminister Ziyambi neuerlich ein Offizier. Ziyambi zu übergeben, in Alle sieben wurden wir auf der Ladefläche eines Polizeiwagens der sie auf die mangelnde geändert verstaut. Wir fuhren durch den bedrohlich stillen Central Business öffentliche Konsultation District bis zur Polizeistation in Harare Central. zu den Verfassungsänderungen hin- Inkompetenz und Durcheinander bei den Verhören, die Polizisten wiesen, wurden auch sie der An- hatten nicht einmal ein Strafgesetzbuch. Wir waren froh, daß wir stiftung zu öffentlicher Gewalt unsere Anwälte angerufen hatten. Wir trafen Tsitsi Dangarembwa, beschuldigt. Kwekweza wurde am Julie Barnes und andere, die ebenfalls friedlich protestiert hatten 15. Juli zum zweiten Mal festgenom- und verhaftet worden waren. Später sahen wir in den Zellen Terrence men, nachdem sie ihre Ablehnung der und Loveridge, sie waren entführt, geschlagen und gefoltert worden. Regierungsmaßnahmen kundgetan Sie hatten blutende Kopfverletzungen und waren benommen. Ihre hatte. Kleidung war schmutzig. Man hatte ihnen die Augen verbunden und Seit März wurden in Zimbabwe ihnen gesagt, man wäre am Lake Chivero, sie würden jetzt den laut BBC insgesamt mehr als hun- Krokodilen gefüttert. derttausend Menschen wegen angeb- Als die Nacht hereinbrach, wurden wir nach oben in unsere Zellen licher Verstöße gegen die Ausgangs- gebracht. Es gab kein Wasser, nur eine überlaufende Grubenlatrine. sperre festgenommen. Viele von ihnen Überall waren Urinpfützen. Es gab kein Desinfektionsmittel und keine gerieten ins Visier der Polizei, nach- Seife. Es gab einen Stapel schmutziger Decken, die wir gar nicht dem sie sich Protesten angeschlos- benutzen wollten. Schließlich nahmen wir sie und kauerten uns an- sen hatten. Der ungeheuerlichste Fall einander. Die Kälte strömte durch unsere Adern. ereignete sich im Juni, als drei Frauen Nach einem gefühlten Jahrtausend kam der Morgen. Weitere – die Oppositionsabgeordnete Joana Ineffizienz, Verwirrung und Langsamkeit. Erst zu Mittag wurden wir Mamombe zusammen mit den Aktivi- gegen Kaution freigelassen und mußten unsere Pässe abgeben. stinnen Cecilia Chimbiri und Netsai Was ist das für eine Gesellschaft, in der die Menschen nicht in Marova – nach einer Demonstration Freiheit leben könnten? Mein Anspruch ist, daß wir in einer Nation entführt wurden. Fast 48 Stunden leben, in der es Freiheit gibt, Fairness und Chancen für alle. Die später wurden sie auf einem Markt- Reise dorthin wird lang und oft mühsam. Wir dürfen jedoch niemals platz aufgefunden und mußten wegen aufhören zu kämpfen, um Zimbabwe für Veränderungen zu gewinnen. Verletzungen im Krankenhaus behan- Ich werde nie aufhören mir vorzustellen, daß Zimbabwe besser sein delt werden. Es kursierten schockie- kann als jetzt. Retten wir die Babies – die ungeborenen, die eine rende Videos der traumatisierten bessere Zukunft verdienen als sie die krisengeschüttelte Nation von Frauen, die beschreiben, wie sie von heute bieten kann. unbekannten Männern aus der Stadt #FreeZimbabwe #FreeHopewell gebracht, geschlagen und sexuell miß- #FreeJacob #FreeSimon braucht wurden. Aber anstatt ihren Behauptungen nachzugehen, wurden sie wegen eines »gefälschten Entfüh- rungsberichts« verhaftet. INDABA 107/20 5
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 6 SCHWERPUNKT ................. Die Verhaftungen von Chin'ono Dies veranlaßte und Ngarivhume wurden weltweit ver- die Chefs des Si- urteilt. Aber die Regierung bleibt un- cherheitsapparats, beeindruckt, und der Sprecher von vor Insubordination ZANU PF, Patrick Chinamasa, warnt: zu warnen. In einer »Wir bleiben wachsam gegenüber Erklärung sagte der den Machenschaften des Feindes, stellvertretende die in den letzten Wochen intensiviert Polizeikommissar, wurden. Die ZANU PF schläft mit Paul Nyathi: »Wir einem offenen Auge.« haben die jüngsten Social-Media-Bei- W ieder einmal hat die zim- träge mit Besorgnis babwe‘sche Regierung nicht zur Kenntnis ge- erkannt, daß die größte Bedrohung, nommen, in denen der sie ausgesetzt ist, von ihr selbst die Mitglieder auf- ausgeht – durch fortgesetzte Plün- gefordert wurden, derungen der Staatskassa, wirtschaft- rechtmäßige Anwei- liches Mißmanagement und Unter- sungen, Befehle drückung. Sie sollte sich lieber auf die und Anweisungen Hyperinflation konzentrieren, die ihrer Kommandeure Weibliche Bereitschaftspolizei im Einsatz gegen Demonstrantinnen Grundnahrungsmittel für die meisten während der Aus- Zimbabwer/innen unerschwinglich ge- übung ihres Dienstes zu mißachten.« macht hat. Viele müssen jetzt wertvolle Er forderte die Beamten auf, Versuche Opposition kann nicht atmen und nor- Habseligkeiten verkaufen und sich zur »Spaltung der Sicherheitsdienste« male Bürger können nicht atmen. Und tiefer verschulden, nur um essen zu zu ignorieren. am besorgniserregendsten für die Re- können. Im schlimmsten Fall müssen Die Regierung nach Mugabe gierung ist es vielleicht, daß selbst viele Zimbabwer einfach darauf ver- nutzte die Pandemie, um die demo- ihre eigenen Sicherheitskräfte nicht zichten. Zimbabwe war schon vor kratischen Freiheiten und Reformen, atmen können, wenn sie eingesetzt Corona mit Wirtschafts- und Hunger- die sie bei der Machtübernahme ver- werden, um die Luft ihrer Mitbürger krisen konfrontiert, von denen Hun- sprochen hatte, weiter zu untergraben. zu unterdrücken. derttausende Menschen in städti- Genauso wie – oder vielleicht sogar schen und ländlichen Gebieten noch schlimmer als die Regierung sei- betroffen waren. nes Vorgängers – ist Mnangagwas Panashe Chigumadzi ist Schriftstellerin, Die von der ZANU PF »neue Ordnung« in Bezug geboren in Zimbabwe und aufgewachsen in selbst verursachte Krise auf Wirtschaft und Soziales Südafrika. Ihr Debütroman »Sweet Medicine« wird durch die Tatsache korrupt und ahnungslos, (Blackbird Books, 2015) wurde 2016 mit dem verschärft, daß die Basis, Ist die aber äußerst einfallsreich, K. Sello Duiker Literary Award ausgezeichnet. auf die sie sich stützt – Polizei noch wenn es darum geht, Dis- Ihr zweites Buch, »These Bones Will Rise Militär, Polizei und die verläßlich? sens zu unterdrücken und Again«, eine Reflexion über Robert Mugabes Central Intelligence Or- die Staatskassen zu plün- Sturz, wurde im Juni 2018 von Indigo ganization (CIO) – unter dern. Unter dem Gewicht Press veröffentlicht. Ihr Beitrag (hier der gleichen wirtschaftlichen Bela- des immer repressiveren Stiefels von redaktionell bearbeitet und gekürzt) wurde in stung leidet wie ihre Mitbürger/innen. ZANU PF können Journalisten nicht African Arguments vom 30. Juli veröffentlicht Daher forderten die Organisatoren der atmen, Aktivisten können nicht atmen, (https://africanarguments.org/2020/07/30/ Proteste auch die Angehörigen des Anwälte können nicht atmen, Kranken- in-zimbabwe-no-one-can-breathe/). Militärs, der Polizei, der Luftwaffe und schwestern können nicht atmen, des Gefängnisdienstes auf, am 31. Lehrer können nicht atmen, Gewerk- Jacob Ngarivhume von Transform Zimbabwe Juli ihre Befehle zu mißachten. schafter können nicht atmen, die wurde Anfang September freigelassen. 6 107/20 INDABA
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 7 ................ SÜDLICHES AFRIKA … spektrum … Neustart der BIG-Kampagne in Namibia. Die namibische Zivilge- sellschaft hat mit einer live übertrage- nen Internet-Veranstaltung am 8. Sep- Anti-Korruptionsfront in Süd- tember ihre Kampagne zur Durch- afrika? In einer virtuellen Veranstal- setzung eines Grundeinkommens tung am 13. August riefen der South wiederaufgenommen. Damit sollen die African Council of Churches (SACC), schweren sozialen Folgen der Corona- die Ahmed Kathrada Foundation und Pandemie zumindest teilweise abge- andere politische Stiftungen zur Grün- federt werden. dung einer breiten Anti-Korruptions- Wie berichtet, stand vor etwa zehn kampagne nach dem Vorbild der sei- Jahren die Einführung eines Basic nerzeitigen United Democratic Front Income Grant unmittelbar bevor, wurde Thuli Madonsela auf, die in den 1980er Jahren gegen aufgrund von Interventionen aus der die Apartheid-Diktatur gekämpft hatte. BRD jedoch in letzter Minute abge- Der verabschiedete Aktionsplan weit es die Corona-Beschränkungen blasen und ist seither auf Eis gelegt #StopC19Corruption wurde mittler- erlauben – an Fahrt gewinnen soll, (INDABA 105/20). Die neue Aktion weile von zahlreichen NGOs an- übt nicht zuletzt Druck auf Präsident zielt auf eine Ausweitung des Beihilfen- genommen. Cyril Ramaphosa aus und stellt somit wesens in Richtung allgemeines Ausgangspunkt der Initiative, die eine neue Facette der südafrikani- Mindestsicherungssystem (»govern- am 91. Geburtstag von Mandela- schen Innenpolitik dar. Als Sieger ment social protection scheme«) ab. Mitkämpfer Ahmed Kathrada startete, beim ANC-Parteitag im Dezember Sie wird von namibischen NGOs sind die zahlreichen Korruptionsskan- 2017 gegen die Frontfrau der pro- getragen, darunter dem Legal Assi- dale im Zusammenhang mit dem Zuma-Fraktion, Nkosazana Dlamini stance Center und dem Labour Corona-Hilfsfonds der Regierung, in Zuma, genoß Ramaphosa ja ursprüng- Resource and Research Institute die hochrangige ANC-Politiker lich das Vertrauen der Zivilgesellschaft (LaRRI). Beide Gewerkschaftsdach- wie Generalsekretär Ace Magashule (INDABA 97/18). verbände, NUNW und Tucna, sowie und Regierungsmitarbeiter/innen ver- Allerdings verfügt er in den Füh- der Namibische Kirchenrat unterstützen wickelt sein sollen. Thuli Madonsela, rungsgremien des regierenden ANC das Projekt. Die Kampagne wird vom früher Public Protector und nun Pro- über keine tragfähige Mehrheit, was Economic & Social Justice Trust ge- fessorin an der Universität Stellen- sich insbesondere im mangelnden tragen und von Rinaani Musutua koor- bosch (INDABA 93/17), rief die Zivil- Durchgreifen gegen die unter Kor- diniert. Wie die Organisator/inn/en bei gesellschaft dazu auf, ihre Kapazitäten ruptionsverdacht stehenden Schwer- der Auftaktveranstaltung erklärten, be- als »Watchdog« der Demokratie zu gewichte der pro-Zuma-Gruppe steht das Ziel darin, den von der Re- stärken und gegen Korruption auf- äußert. Angesichts eines weitgehend gierung gewährten Emergency Income zustehen. Präsident Ramaphosa handlungsunfähigen und in Fraktions- Grant von N$ 750 für drei Monate zu forderte sie dazu auf, sich in einem kämpfe verwickelten ANC, einer einem Mindestsicherungsystem aus- Treffen mit den NGOs zu solidarisie- schwachen und (EEF) ebenfalls zuweiten, unter dem alle Namibier/innen ren. Derek Hanekom, Vorstandsvorsit- korrupten Opposition sowie der zwischen dem 19. und dem 59. zender der Ahmed Kathrada Founda- aktuellen Gesundheitskrise scheint Lebensjahr eine Zahlung von N$ 500 tion (INDABA 100/18), schloß sich das Engagement von Nichtregie- pro Person und Monat erhalten sollen. dem Appell an; ebenso wie 1983, als rungsorganisationen, Kirchen und Damit soll langfristig die extreme Armut sich die UDF formierte, um die Apart- Gewerkschaften so wie in den in Namibia reduziert werden. heid zu bekämpfen, bestünde heute 1980er-Jahren wichtig, um die Bevöl- Der Relaunch der BIG-Kampagne eine ähnliche Notwendigkeit, gemein- kerung gegen ein weiteres Abrut- wird von der Österreichischen Nami- sam Korruption auszurotten. schen Südafrikas in Kleptokratie und bia-Gesellschaft und vom Österreichi- Die Kampagne, die in den kom- Stagnation zu mobilisieren, schreiben schen Gewerkschaftsbund finanziell menden Wochen und Monaten – so- Kommentatoren. unterstützt. INDABA 107/20 7
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 8 SÜDLICHES AFRIKA ............... Perrance Shiri verstorben. Am Truth and Reconciliation Commission. den Nuklearmächten abgelehnt wird, 29. Juli verstarb Zimbabwes 65- Rafał Pankowski, Soziologiepro- von einer Staatenkoalition jedoch mit jähriger Landwirtschaftsminister fessor in Warschau und Pressespre- Mehrheit beschlossen wurde (INDABA Perrance Shiri an den Folgen von cher der polnischen antirassistischen 101/2019). Mittlerweile haben 39 COVID-19. Shiri kommandierte die Bewegung »Nie wieder«, hat die zu- Staaten ratifiziert, aus dem Südlichen für den Gukurahundi-Genozid verant- nehmende Popularität von Walus Afrika noch Lesotho und Namibia. wortliche Fünfte Brigade, welche in seit 2013 dokumentiert. Vor allem bei Insgesamt 81 Staaten haben mittler- den frühen 80er Jahren über 20.000 Fußballspielen wird von rechtsex- weile unterzeichnet, aber noch nicht Menschen im ndebele-sprachigen tremistischen Gruppierungen für seine ratifiziert, darunter Angola, Botswana, Südwesten des Landes ermordete. Freilassung und Rückkehr nach Polen Malawi und Tanzania. Ungeachtet der ihm vorgeworfenen mobilisiert. »Ihre Botschaft beruht auf Menschenrechtsverbrechen wurde er einer antikommunistischen Rhetorik«, Zimbabwe gegen Schweizer 1986 am britischen Royal College of sagt Pankowski, »aber vor allem da- Konzern. In einem derzeit laufenden Defence Studies, einer weltweit rauf, daß mit Hani ein Schwarzer er- Gerichtsverfahren in Harare fordert renommierten Militärakademie, auf- schossen wurde. Im Mittelpunkt steht Zimbabwe vom Schweizer Konzern genommen und diente von 1992 bis die Glorifizierung von rassistischer ABB die Begleichung von hinter- 2017 als Kommandant der zim- Gewalt. Seine Begnadigung wird zogenen Steuern in Höhe von 13,4 Mio. babwe’schen Luftwaffe. Zuletzt auch nicht aus humanitären Gründen US-$ plus eine Strafzahlung von 4,7 amtierte er als Minister für Landwirt- gefordert, sondern weil man für richtig Mio. US$. ABB, eine der profitabelsten schaft und Landreform. findet, was er getan hat.« Firmen der Schweiz mit Sitz in Die Pro-Walus-Bewegung ist mitt- Zürich, bestreitet die Vorwürfe, die Rechtsextremisten in Polen lerweile auch zu einem guten Ge- allerdings durch Dokumente, die ein verherrlichen südafrikanischen schäft geworden. T-Shirts, Buttons Mitarbeiter Journalisten zugänglich Mörder. Janusz Walus, einer der und Schals mit seinem Porträt und machte, bestätigt werden. beiden Killer, die 1993 in Boksburg Likes sind im Internet erhältlich. Eine Bei dem Konflikt geht es um zwei Chris Hani, den Generalsekretär der derartige Website ist der Second Staatsaufträge unbekannten Wertes South African Communist Party Hand-Internetmarkt OLX, der einer aus dem Jahr 2011 an ABB Zimbabwe (SACP), erschossen, ist in Polen Technologiefirma namens Prosus Private Ltd. über Generatoren für die zu einer Symbolfigur der Rechtsextre- gehört, die wiederum im Eigentum Hwange Power Station sowie andere misten geworden. Zuletzt tauchten des südafrikanischen Tech-Konzerns Kraftwerksausrüstung. De facto wurden Solidaritätsplakate für ihn bei einem Naspers steht! Wie eine Sprecherin die Geräte allerdings von einer südafri- Fußballmatch zwischen Legia Wars- von Naspers erklärt, verurteile die kanischen Firma zugekauft, mit der nur zawa und Raków Częstochowa am Firma jede Form von Rassismus und mündliche Vereinbarungen abgeschlos- 28. August in Warschau auf. Gewalt und habe nun eine elektro- sen wurden. ABB hatte somit einerseits Die Ermordung von Hani führte nische Blockade gegen Walus- keinen Gewinn in Zimbabwe erzielt und seinerzeit zu einer tiefen Krise des Namensnennungen und -Symbole andererseits das Geschäft in Südafrika Übergangsprozesses in Südafrika zur verhängt. Ob die getroffenen Maß- »schwarz« abgeschlossen, und in Folge demokratischen Verfassung, die nur nahmen wirksam waren, ist derzeit wurden in keinem der beiden Länder durch eine dramatische Intervention unklar. »Polnische Fußballteams sind Steuern bezahlt. Die Vorgangsweise Nelson Mandelas gemeistert werden sehr divers«, kommentiert Prof. kam allerdings zur Kenntnis von Deloitte konnte. Hani wird bis heute als eine Pankowski, »umso trauriger ist es, South Africa und wurde beanstandet. Symbolfigur der Linken verehrt. daß gerade Klubs und Stadien als ABB scheint öfter mit »Steuervermei- Während der zweite Hani-Mörder, fruchtbarer Boden für Xenophobie dungen« zu arbeiten, etwa als Kundin Clive Derby-Lewis, in der Haft 2016 und Rassismus fungieren.« von Mossack Fonseca, der Steuer- verstarb, büßt Janusz Walus weiterhin beratungskanzlei in Panama, deren seine lebenslängliche Freiheitsstrafe Abrüstung. Im Februar 2019 Machenschaften 2016 aufgedeckt wur- ab. Mehrere Anträge um Begnadigung ratifizierte Südafrika als erster Staat den. Wie das Verfahren in Harare aus- wurden ebenso abgelehnt wie die im Südlichen Afrika den Vertrag über gehen wird, ist offen. Erteilung von Amnestie durch die ein Verbot von Atomwaffen, der von 8 107/20 INDABA
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 9 ................. INTERVIEW Unterschiedliche Interessen Neustart der Beziehungen EU-Afrika gefordert Wenn die Corona-Pandemie dem Vorhaben nicht noch einen Strich durch die Rechnung macht, findet im Oktober ein »historischer« EU-Afrika-Gipfel in Brüssel statt. Wie österreichische (INDABA 101/19) und viele andere NGOs fordert auch der renommierte Afrikaexperte Robert Kappel einen Neustart der Beziehungen. Ob es dazu kommen wird, ist fraglich. Lennart Oestergaard von der Friedrich Ebert-Stiftung hat mit ihm gesprochen. Welche Folgen hat die Covid-19- Für die politische Führung der EU Pandemie für die Länder Afrikas? gilt 2020 als »entscheidendes Jahr« der europäisch-afrikanischen Bezie- Die Krise in Europa, den Schwel- hungen. Der Entwurf für eine neue lenländern, China und den USA Afrika-Strategie der EU wurde im März drückt das Wachstum der Weltwirt- 2020 veröffentlicht. Er enthält Stich- schaft. Ärmere Länder sind häufig ab- worte für Frieden und Sicherheit, ein hängig vom Rohstoffexport, auch in grünes Wachstumsmodell, zur Ver- Afrika. Da die Nachfrage gesunken ist, besserung des Unternehmensumfelds gehen Afrikas Exporterlöse deutlich und des Investitionsklimas, zur För- zurück. Zahlreiche Länder sind in derung von Bildung, Forschung und Schuldenkrisen geraten, die Steuer- Innovation, Ideen für die Schaffung einnahmen sinken, die Investitionen menschenwürdiger Arbeitsplätze und einer Reform des Agrarhandels. Die aus dem Ausland nehmen ab und die Wertschöpfung durch nachhaltige europäischen Bauern und Nahrungs- Rücküberweisungen von Migranten Investitionen sowie Hinweise zur Be- mittelkonzerne sind in jeder Hinsicht reduzieren sich. Die Folge all dieser kämpfung des Klimawandels. Noch ist durch hohe Subventionen übervorteilt. Entwicklungen ist der Verlust zahlrei- diese Strategie nur ein Bündel von Subventionierte Billigexporte von Nah- cher Arbeitsplätze – Millionen Men- Ideen. Die EU sollte ihre Koope- rungsmitteln zerstören die Existenz schen geraten erneut in die Armut. ration mit Afrika grundlegend re- von Afrikas Bauern. Hier braucht es Alle Erfolge der letzten Jahre bei der formieren, um die historisch ge- endlich eine Lösung. Armutsbekämpfung könnten zunichte wachsene Abhängigkeit zu verrin- gemacht werden. gern und die asymmetrischen Wie ist das Engagement anderer Machtverhältnisse zu korrigieren. Akteure, beispielsweise Chinas, in Die EU möchte ihre Beziehungen mit Das wäre auch im europäischen In- Afrika zu bewerten? Steht die EU mit Afrika verbessern und hat daher im teresse. Gelingt dies, würde sich das ihnen in Konkurrenz? März eine neue Afrikastrategie auf europäische Engagement klar vom ge- den Weg gebracht. Für Oktober ist ostrategischen Handeln der USA und Im Unterschied zu Europa hat ein großer Gipfel mit der Afrikani- Chinas unterscheiden. Allerdings muß China »Zehn Große Kooperations- schen Union geplant. Was hat die EU man sich dazu der Themen annehmen, pläne« mit Afrika verabredet: Industria- konkret im Angebot? die seit langem überfällig sind, wie lisierung, Modernisierung der Land- INDABA 107/20 9
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 10 INTERVIEW ................. wirtschaft, Infrastrukturentwicklung, ebenso Abschied nehmen wie China Sie haben Investitionen angespro- finanzielle Kooperation, Grüne Ent- und durch sein Engagement – sei es chen. Dieses Thema wird immer wie- wicklung, Unterstützung von Handel durch Handel, Investitionen, technolo- der auf EU-Ebene, aber auch von der und Investitionen, Armutsbekämpfung, gische Kooperation – Beiträge zu ei- deutschen Bundesregierung betont. öffentliche Gesundheit, kultureller und ner von innen getragenen afrikani- Wie wichtig sind die vielfach als personeller Austausch sowie eine schen Entwicklung leisten, die zu Allheilmittel beschworenen Direkt- Zusammenarbeit für Frieden und Wohlstand, sinkender Armut und mehr investitionen aus Europa für die Sicherheit. Jobs führt. Schaffung von Wachstum und China wie auch Indien haben es Arbeitsplätzen in Afrika? sehr gut verstanden, sich als globale Was läuft falsch in der wirtschaftli- Netzwerker aufzustellen. Die afri- chen Kooperation zwischen Europa Die EU-Investitionen sind in den kanisch-chinesische Kooperation hat und Afrika? letzten Jahren noch gestiegen, der Ab- sich deutlich vertieft, und damit haben stand zu China und den USA hat sich sich auch die Spielräume der afrikani- Europa ist der wichtigste Partner vergrößert. Die entscheidenden Ver- schen Länder erweitert, sich von der Afrikas. Seit dem Jahr 2000 etwa änderungen aber müssen sich inner- allzu großen postkolonialen Abhängig- wandelt sich die Form der Koope- halb Afrikas vollziehen. Denn Aus- keit von Europa zu befreien. Dennoch ration. Die Gründe sind vielfältig. landsdirektinvestitionen leisten kaum ist Vorsicht geboten mit einer allzu op- China wurde beispielsweise zu einem Beiträge zur Verringerung von Armut timistischen Bewertung Chinas. Ge- Hauptwettbewerber für die EU im und Arbeitslosigkeit. rade die hohen Infrastrukturinvestitio- Handel und bei Investitionen. Viele Beispielsweise sind durch alle ex- nen und die Struktur der Investitionen afrikanische Länder verzeichnen zu- ternen Investitionen in Afrika in den wie des Außenhandels verdeutlichen, dem seit etwa 15 Jahren ein relativ letzten zehn Jahren durchschnittlich daß es sich nicht um ein neues Ko- hohes Wirtschaftswachstum. Drittens nur 100.000 neue Arbeitsplätze pro operationsmodell mit Afrika handelt. nahm die Migration nach Europa zu. Jahr entstanden. Benötigt werden Zwischen 2000 und 2017 vergab Und schließlich zeigen afrikanische aber 20 Millionen Arbeitsplätze pro China 130 Milliarden Euro an Darle- Initiativen wie die im Jahr 2019 be- Jahr. Diese müßten größtenteils von hen zum Ausbau der Infrastruktur. schlossene Afrikanische Kontinentale lokalen Unternehmen und Landwirten Heute entfallen 20 Prozent aller Schul- Freihandelszone, daß die afrikani- geschaffen werden. Europäische den Afrikas auf China. schen Staaten zunehmend strategisch Maßnahmen können natürlich dabei Die einseitige Ausrichtung auf agieren und ihre Kooperationsmög- helfen, ebenso beschäftigungsinten- Rohstoffexporte, Rohstoffinvestitionen lichkeiten ausloten. sive Investitionen. Das bedeutet aber und die eher geringe Verbindung zur Heute stehen die europäisch-afri- auch, daß Auslandsdirektinvestitionen lokalen Industrie stehen dem afrikani- kanischen Beziehungen vor gravieren- mit lokalen Unternehmen in Industrie- schen Transformationsprozeß ent- den Herausforderungen. Die politi- clustern und Sonderwirtschaftszonen gegen. Auch China wird umdenken sche Führung der EU sollte erkennen, verknüpft werden müßten. Die bis- müssen. Die Strategie, die Infrastruk- daß ein »Weiter so« den gegenwärti- herige Ausbeutung billiger Arbeitskraft tur auszubauen, Rohstoffe auszubeu- gen Herausforderungen nicht mehr in den vielen Sonderwirtschaftszonen ten und dadurch Wachstum ohne angemessen ist. Die afrikanischen Afrikas darf dagegen nicht fortgesetzt Jobs zu generieren, erweist sich als Interessen unterscheiden sich werden. Sackgasse. Solch ein Agieren ver- fundamental von denen der EU. Über Steuererleichterungen und stärkt die bereits bestehenden Asym- Sie durch Hilfsansätze à la »Afrika hat andere Anreize könnten Investoren metrien. Das chinesische Modell stößt Probleme – wir haben die Lösungen« dazu gebracht werden, gezielt Unter- an seine Grenzen. Es ist kein wirk- zu überkleistern, ist realitätsfremder verträge mit Unternehmen in Afrika liches Kooperationsmodell, sondern denn je. Stattdessen sollte die euro- abzuschließen, um Technologietrans- ein Modell der abhängigen Entwick- päische Seite die Agrarpolitik, Investi- fer und Ausbildungsmaßnahmen zu lung und führt zur Verschärfung der tionen, Umwelt, die technologische ermöglichen. Ein Programm, an dem Lage auf dem Kontinent. Europa sollte Kooperation und Bildung in den Blick auch Forschungseinrichtungen und von diesem geo-strategischen Modell nehmen. Universitäten beteiligt sind, könnte 10 107/20 INDABA
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 11 ................. INTERVIEW dem Wissenstransfer und der Ent- Handel und die regionalen Wert- Robert Kappel ist emerit. Professor des wicklung von Unternehmen einen schöpfungsketten vertiefen. Obwohl Instituts für Afrikastudien der Universität Schub geben. die EU im Rahmen des »Everything Leipzig und war von 2004 bis 2011 Professor but Arms«-Beschlusses den Zugang an der Universität Hamburg und Präsident Welche Rolle spielt die Handelspolitik zu den europäischen Märkten erleich- des German Institute of Global and Area für faire Beziehungen? tert hat, gibt es noch immer zahlreiche Studies (GIGA). Das Interview mit ihm wurde Beschränkungen. Es sollte den afri- uns dankenswerterweise vom IPG-Journal Die EU hat mit ihrer Handels- und kanischen Produzenten ermöglicht der Friedrich Ebert Stiftung in Berlin zur Kooperationspolitik zu den heutigen werden, leichter in die EU zu expor- Verfügung gestellt und redaktionell leicht asymmetrischen Beziehungen bei- tieren. Dafür sollte die EU ihre Zölle gekürzt. getragen und damit auch die Verschul- auf Importe aus Afrika weiter liberali- dungskrise befördert, die jetzt erneut sieren und allen afrikanischen Ländern Den gesamten Text lesen Sie auf eskaliert. Die überfällige Reform der zollfreien Zugang zu den EU-Märkten www.ipg-journal.de/interviews/artikel/ Handelsbeziehungen der Europäi- gewähren. afrika-hat-probleme-europa-die-loesung- schen Union mit Afrika erfordert die voellig-realitaetsfremd-4581/ Aussetzung der sogenannten Eco- nomic Partnership Agreements (EPAs). Durch die von der EU-Kom- mission verlangte Marktöffnung droht Zur Erinnerung: afrikanischen Unternehmen und Klein- Österreichische NGOs zum Verhältnis EU – Afrika bauern durch Importe eine noch Ob der »historische« EU-Afrikagipfel nun stattfinden wird oder nicht – weitere Marginalisierung. Die in den auf jeden Fall scheint es sinnvoll, die Schlußfolgerungen der NGO-Kon- EPAs vorgesehene Senkung der Zölle ferenz »Ungleichheit« am 26./27. November 2018 in Erinnerung zu rufen. auf EU-Importe auf afrikanischen Die Konferenz fand unter der österreichischen EU-Präsidentschaft statt Märkten wird den Prognosen zufolge und wurde vom Vienna Institute for international Dialogue and Cooperation die Handelsströme der Region zugun- (VIDC) und von SADOCC organisiert (INDABA 101/19). sten europäischer Produzenten beein- Ausgehend von der Analyse, daß die Einkommensschere zwischen flussen. Lokale oder effizientere Lie- Europa und Afrika in den letzten Jahrzehnten wesentlich größer geworden feranten werden das Nachsehen ist, kamen die 120 Teilnehmer/innen zu dem Schluß, daß die Kooperation haben. zwischen der EU und Afrika unter den gegenwärtigen Handels-, Entwick- Es ist angesichts der Gründung lungs- und Sicherheitsregime unfähig gewesen sei, diesen gefährlichen der Afrikanischen Kontinentalen Frei- Trend zu stoppen. Sie forderten daher eine »Neukonzeptualisierung der handelszone sinnvoll, diese zum Aus- Beziehungen auf der Basis von gegenseitigem Respekt, Solidarität und gangspunkt für die Verhandlungen mit sozialer Gerechtigkeit«. Europa zu machen. Die AfCFTA bietet Bei der zukünftigen ökonomischen Zusammenarbeit (Post-Cotonou) eine Grundlage für eine Einigung über müßten nachhaltige Industrialisierung, regionale Integration nach den die wichtigsten Handels- und Investi- Vorstellungen der Agenda 2063 der African Union sowie die Schließung tionsfragen. Sie wurde von 54 der 55 von EU-Steueroasen im Vordergrund stehen. Die EU müsse sich für den afrikanischen Länder unterzeichnet geplanten verbindlichen UN-Vertrag über Konzerne und Menschenrechte und zielt darauf ab, freien Zugang zu aussprechen. Internationale Mindeststandards für Arbeit sollten im Einklang Waren, Gütern und Dienstleistungen mit den ILO-Konventionen durchgesetzt werden. Zivilgesellschaft und die auf dem gesamten Kontinent zu er- afrikanische Diaspora müßten bei der politischen Entscheidungsfindung möglichen. Die vorgesehenen Maß- einbezogen werden. nahmen unterstützen die Entwicklung lokaler Fertigung und die Beschaffung (Volltext abrufbar unter http://archiv.vidc.org/fileadmin/Bibliothek/DP/ von mehr Zwischen- und Endproduk- pdfs/Schmidjell/AFrika/Inequality_Africa_Europe/Conclusions_Vienna_ ten zwischen den afrikanischen Län- conference_inquality_2018_Nov_26_27.pdf) dern, indem sie den intrakontinentalen INDABA 107/20 11
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 12 CORONA ................. Die Corona-Pandemie in Afrika im Spiegel der Medien Viel Abgrund, wenig Zuversicht Erst wurden Horrorszenarien vorausgesagt, dann erlahmte das Interesse. Afrika muß im globalen Drama wieder die Rolle der »tragischen Figur« spielen, kritisiert Martin Sturmer, der auf seiner Website https://afrika.info/corona/ die Entwicklung akribisch verfolgt. a m 14. Februar gab die ägyp- tische Regierung den ersten Corona-Fall in Afrika bekannt. Wenige während der Corona-Pandemie zum erstattung meinte Thomas Seifert, Medienstar avancierte, kündigte in ei- stellvertretender Chefredakteur der nem Podcast eine gigantische huma- Wiener Zeitung, im Jahr 2013 tref- Stunden zuvor hielt Microsoft-Gründer nitäre Katastrophe für den Kontinent fend: »Im medialen Theater bekommt Bill Gates beim Jahreskongreß der zwischen Juni und August an: »Da jeder eine Rolle. Die Rolle Afrikas ist American Association for the Advan- wird es Szenen geben, die wir uns die der tragischen Figur, die am Ende cement of Science in Seattle eine heute noch nicht vorstel- sterben muß.« Diese Rede, welche die Berichterstattung len können«, sagte Dro- Rolle sei eingeübt über über die Corona-Pandemie in Afrika sten am 17. März. Positive die Jahrzehnte, vom nachhaltig beeinflussen sollte. Gates Optimistischere Stim- Ende der Kolonialzeit warnte davor, daß in Afrika die Ge- men fanden hingegen Meldungen bis heute, so Seifert. sundheitssysteme kollabieren könn- kaum Gehör. So meinte kaum gehört In deutschsprachi- ten. Dann sei mit mehr als zehn Millio- etwa der britische Epi- gen Medien haben sich nen Corona-Toten zu rechnen. demiologe Paul Hunter in der Finan- in den letzten 60 Jahren Standard- Wissenschaftlichen Beleg für seine cial Times vom 24. März: »Ich denke, erzählungen eingebürgert, die in düstere Prognose nannte Gates im Afrika wird nicht annähernd so Summe eine weitgehend negative und Übrigen keinen. schwer unter der Pandemie leiden einseitige Wahrnehmung des Kon- Einen Monat später muß es aber wie Europa oder Nordamerika.« Das tinents manifestierten. So wurde be- für Journalist/inn/en durchwegs plau- niedrige Durchschnittsalter, die gün- reits der Übergang in die politische sibel geklungen haben, daß es Afrika stigen klimatischen Bedingungen und Selbstverwaltung in den 1960er-Jah- viel schlimmer erwischen würde als die geringe Bevölkerungsdichte wür- ren in österreichischen Medien als uns selbst. Der bedrückende Lock- den die Ausbreitung des Coronavirus »völlig chaotisch« dargestellt – auf- down hinterließ Spuren – viele Medien bremsen, war Hunter zuversichtlich. grund von Konfliktparteien begange- sahen ein Horrorszenario heraufzie- ner Grausamkeiten begannen sich hen. »Die Folgen werden für Afrika verheerend sein«, titelten die Salzbur- ger Nachrichten (25. März), »Afrika d ie Warnungen von Gates und erstmals Bilder eines »bestialischen« Drosten fielen bei Journa- Kontinents zu etablieren. Diese Wahr- list/inn/en auf einen fruchtbaren nehmung verfestigte sich in den fol- steht alleine am Abgrund« hieß es in Boden aus eingelernten Stereotypen. genden Jahrzehnten durch die Schrek- einer Schlagzeile der Süddeutschen Afrika wird vor allem dann zum Thema, kensherrschaften von Diktatoren wie Zeitung (4. April), der Schweizer Ta- wenn Konflikte oder humanitäre Krisen Jean-Bédel Bokassa, Idi Amin Dada gesspiegel rechnete mit »Hunderttau- auftreten. Dieses Narrativ wurde in oder Mobutu Sese Seko. Dazu kam senden, wenn nicht Millionen von unzähligen kommunikationswissen- die extreme Gewalt in Bürgerkriegen Opfern« (31. März). Auch der deut- schaftlichen Studien belegt. Bei einer wie in Liberia oder Sierra Leone und sche Virologe Christian Drosten, der Diskussion über die Afrika-Bericht- im Genozid in Rwanda. Die Hunger- 12 107/20 INDABA
IND 107 Kern FIN.qxp_Layout 1 21.09.20 10:50 Seite 13 .................. CORONA katastrophen im Biafra-Krieg, in der verlor die Berichterstattung über den Die Corona-Pandemie ist für Afrika Sahel-Zone oder in Äthiopien drück- Verlauf der Pandemie in Afrika an also bislang relativ glimpflich verlau- ten Afrika den Stempel des »hilfs- Dynamik. Das nachlassende Interesse fen. Katastrophal war aber der Tenor bedürftigen Kontinents« auf. Eine op- machte sich auch auf meiner Informa- der Berichterstattung. Medien wären timistischere Afrika-Berichterstattung tionsseite https://afrika. info/corona/ gut beraten gewesen, Expert/inn/en war erst um das Jahr 2010 herum deutlich bemerkbar. Mit 3.285 aus Afrika zu Wort kommen zu lassen. feststellbar: Das hohe Wirtschafts- Nutzer/inne/n verzeichnete das Ange- Dadurch wäre eine wesentlich diffe- wachstum vieler afrikanischer Staaten bot am 3. Mai einen Höchststand. renziertere Berichterstattung möglich sowie die erfolgreiche Fußball-WM in Danach gingen die Zugriffe deutlich gewesen. Eine positive Ausnahme Südafrika führte zu deutlich mehr Be- zurück. stellte hier die Süddeutsche Zeitung richten über die Fortschritte auf dem Das eigentlich Traurige dabei ist: dar. Für die Serie »Welt im Fieber« Kontinent. Das Narrativ von »Africa Das mediale Aufmerksamkeit sank, als konnte u. a. auch der senegalesische Rising« verlor aber bald wieder an die Pandemie in Afrika Fahrt aufnahm. Sozialwissenschaftler Felwine Sarr ge- Glanz: Durch die Ebola-Epidemie in Von Anfang Mai bis Ende Juli stieg wonnen werden, der bei uns vor allem Westafrika und zunehmende wirt- die Zahl der aktiven Fälle stark an – durch sein Buch Afrotopia bekannt schaftliche Probleme machte sich weitgehend unbeachtet von den Me- geworden ist. Am 7. April schrieb Sarr wieder Ernüchterung breit. dien. Am 26. Juli wurde mit 338.326 eine wütende Erwiderung auf die an- Die Berichterstattung über die aktiven Fällen ein Rekordhoch erzielt. gekündigten Horrorszenarien und be- Corona-Pandemie in Afrika muß vor Heute (4. September) liegen die zeichnete diese als »alte rassistische dem Hintergrund dieser Standard- Zahlen um mehr als 100.000 unter Herablassung«, welche die Wirklich- erzählungen betrachtet werden. Die dem Spitzenwert. keit verkenne: »Man sagt uns das mediale Aufmerksamkeit bei Kata- Schlimmste voraus. Es ist Afrika! strophen richtet sich nach den tat- sächlichen oder befürchteten Opfer- zahlen. Seriöse Prognosen machen a llen seriösen Beobachter/innen ist klar, daß die Dunkelziffer der Infektionen in afrikanischen Staaten Unvorstellbar, daß der Kontinent glimpflich davonkäme. Man vergißt dabei, daß Afrika eine lange Erfah- keine Schlagzeilen. Das weiß auch Bill höher ist als die offiziell verlautbarten rung mit Infektionskrankheiten hat. Gates, der mit seiner düsteren Pro- Zahlen. Bis Anfang September Und eine größere Belastbarkeit phezeiung den medialen Diskurs über wurden in ganz Afrika erst rund zwölf Schocks gegenüber. Wir sprechen die Corona-Pandemie in Afrika ent- Millionen Corona-Tests durchgeführt, uns nach der Krise!« scheidend mitbestimmte. ein Drittel davon in Südafrika. Bei Ein Tiefpunkt war die »Tages- schau« in der ARD am Ostersonntag (12. April). Zur besten Sendezeit um den Testhäufigkeiten gibt es enorme regionale Unterschiede: So hat Rwanda mit seinen 13 Millionen Ein- i n der Tat haben die meisten afrikani- schen Staaten sehr schnell auf die Ausbreitung von COVID-19 reagiert. 20:00 Uhr moderierte Linda Zervakis wohner/inne/n mehr Corona-Tests Als ich Mitte Februar nach Nairobi einen Beitrag des Korrespondenten durchgeführt als Nigeria bei einer flog, wurde am Jomo Kenyatta Inter- Norbert Hahn aus Nairobi an: »Exper- Bevölkerungszahl von über 200 Mil- national Airport bei allen Reisenden ten gehen davon aus, daß die An- lionen. die Temperatur gemessen. Bei meiner steckungsrate dort (in Afrika, Anm.) Doch selbst die Weltgesundheits- Rückkehr am Flughafen Wien gute viel höher sein wird, als in Europa organisation, deren Generaldirektor zwei Wochen später fehlte von ver- oder den USA.« Wer tauchte im Tedros Adhanom Ghebreyesus im gleichbaren Gesundheitskontrollen Beitrag als Experte auf? Erraten. Bill März noch »das Schlimmste« für Afrika jede Spur. Gates. Was den US-Milliardär zum befürchtet hatte, gibt sich in der Pandemie-Experten macht, blieb aller- Zwischenzeit deutlich optimistischer. dings ein Rätsel. Die WHO-Regionaldirektorin für Martin Sturmer ist promovierter Afrikanist Afrika, Matshidiso Moeti, geht derzeit und Kommunikationswissenschaftler. h eute wissen wir: Das angekün- digte Massensterben mit Millionen von Toten traf nicht ein. Anfang Mai nicht davon aus, daß es in Afrika unentdeckte Cluster mit hohen Infek- tionszahlen gibt. Mit seiner Nachrichtenagentur afrika.info setzt er sich für eine differenzierte Wahrnehmung des Kontinents ein. INDABA 107/20 13
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