NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber

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NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
u n a b h ä n g i g — u n e r s c h r o c ke n — ko m p e t e n t

          JOUR NA L
          FRANZ
          WEBER
        Ju l i | Au g u st | S eptemb er 2 02 0 | Nr. 1 3 3

     NATUR –
QUELLE DES LEBENS
                              f f w. c h
NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
INHALT
                                                      Editorial                                                                    3
                                                      En Bref                                                                  4–5
                                                      Kein Sturm im Wasserglas auf dem Friedhof Hörnli in Basel                6–9
                                                      Ja zum Naturschutzgebiet in Basel – deshalb Nein zum Hafenbecken 3 10 – 12
Die ethische Empörung und die politischen Aktio-      Sieg für Montreux, dank Helvetia Nostra                                 14 – 15
nen rund um den Abschuss der Rehe im Friedhof
Hörnli sei kein Sturm im Wasserglas, sondern ein      Chliforst: Keine Zerstörung der Natur im Namen des öffentlichen Verkehrs16 – 17
Vorzeichen eines guten Wetterumschlags, sagt          Marcel Heider – unermüdlicher und kluger Pionier
der Philosophie Professor Markus Wild. Die Fon-       an Franz Webers Seite von «Sauver Lavaux»                               18 – 21
dation Franz Weber und Helvetia Nostra fordern
                                                      Jetzt für die bedrohten Wildtiere in der Schweiz einstehen!            22 – 24
unblutige Alternativen.                  Seite 6
                                                      Die EU subventioniert weiterhin die Fleischlobby		                     25 – 27
                                                      Massentierhaltung: Wird Argentinien zu Chinas Schweinestall?           28 – 29
                                                      Ein Tag, der die Welt veränderte – Stierkampfverbot in Katalonien      30 – 33
                                                      Equidad: Ein gutes Pferdeleben                                         34– 36
                                                      FFW will eine Elefantenherde umsiedeln37
                                                      Überfischung: Zerstört China die Galapagosinseln?                      38 – 39
                                                      Fondation Franz Weber kommt der Karibik zu Hilfe                       40 – 43

Das UNESCO-Weltkulturerbe Lavaux ist wieder           Alika Lindbergh: Jede Spezies in der Überzahl ist schädlich            44 – 47
in Gefahr: Ein grosses Bauprojekt ist in diesem
demokratisch geschützten Gebiet geplant. Diese
                                                      IMPRESSUM
erneute Bedrohung nimmt die Fondation Franz
                                                      EINE PUBLIKATION DER FONDATION FRANZ WEBER
Weber zum Anlass, Marcel Heider (Bild) zu Wort
                                                      CHEFREDAKTION: Vera Weber und Matthias Mast
kommen zu lassen; er hat an der Seite von Franz
                                                      REDAKTION: Matthias Mast, Julia Fischer, Vera Weber,
Weber für den Erhalt des Lavaux gekämpft und
                                                      ERSCHEINT 4 x im Jahr
nichts von seiner Kraft eingebüsst.       Seite 18
                                                      KONZEPT: KARGO Kommunikation GMBH
                                                      LAYOUT: Gianpaolo Burlon
                                                      DRUCK: Swissprinters AG
                                                      ABONNEMENTE: Journal Franz Weber, Abo, Postfach 257, 3000 Bern 13, Schweiz
                                                      T: +41 (0)21 964 24 24 | E-Mail: ffw@ffw.ch | www.ffw.ch | |
                                                      Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Fotos oder Texten nur mit Genehmigung
                                                      der Redaktion.
                                                      Für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Fotos kann keine Verantwortung
                                                      übernommen werden.
Die Karibik ist in grosser Gefahr: Überfischung
und Massentourismus richten die Karibik nach
und nach zugrunde. Doch noch besteht die
Hoffnung, dass dieses einzigartige Welterbe am
Leben erhalten werden kann. Mit Unterstützung
der «Great Seaflower»-Kampagne der Fondation            SPENDENKONTO:
                                                        Postkonto Nr. 18-6117-3, Fondation Franz Weber, 3000 Bern 13
Franz Weber wollen sechs Länder die Tierwelt            IBAN: CH31 0900 0000 1800 6117 3
und das Ökosystem retten.                 Seite 40

                                                                 2
NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
NR . 133 J U L I | A U G U S T | S E P T E M B E R 2020

                                                   EDITORIAL

                                                   Liebe Leserin, lieber Leser

                                                   Für uns Tier- und Naturschützer existieren keine Landesgrenzen.
                                                   Die einzige Grenze, die wir kennen ist diejenige unserer eigenen
                                                   Möglichkeiten, die Grenze unserer Ressourcen an Zeit, an Arbeits-
                                                   kraft, an Energie und auch an finanziellen Mitteln.

                                                   Und weil es eben im Kampf für Tier und Natur keine Landesgrenzen
        VERA WEBER                                 gibt, arbeiten wir, das Team Ihrer Fondation Franz Weber, überall
Präsidentin Fondation Franz Weber                  dort, wo wir zu Gunsten unserer Mutter Erde etwas bewegen können.
                                                   Die Berichte über unser Wirken, die Sie auf in den nächsten Seiten
                                                   lesen werden, sind Ausdruck davon:

                                                   Von den Weinbergen des Lavaux bis zur Karibik, vom Naturschutz-
                                                   gebiet in Basel bis zu den Galapagos-Inseln, von den geschützten
                                                   Wildtieren in der Schweiz bis hin zu den Elefanten in Afrika
                                                   sind wir aktiv. Wir bearbeiten die Drahtzieher an den Schalthebeln
                                                   der Macht und nehmen Einfluss auf die Politik und die öffentliche
                                                   Meinung.

                                                   Vor einer Tatsache, die ich als Ursache der meisten Verbrechen
                                                   an der Natur beurteile, sind wir jedoch anscheinend machtlos: die
                                                   Bevölkerungsexplosion, gekoppelt mit dem Drang nach immer mehr
                                                   Wachstum. Sie zerstört die Natur – Quelle des Lebens, die Lebens-
                                                   grundlage von uns und den Tieren und führt uns unweigerlich zu
                                                   unserem Untergang, wenn wir nicht handeln.

                                                   Deshalb schliesse ich hier mit den Worten, entnommen aus dem
                                                   aktuellen Beitrag unserer Wegbegleiterin und Freundin, der wunder-
                                                   baren Alika Lindbergh (Seiten 44 bis 47): «Wenn wir das Notwendige
                                                   tun, haben wir eine ZUKUNFT.»

                                                   Herzlichen Dank für Ihr Vertrauen
                                                   Vera Weber

                                                              3
NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
EN BREF

                                           Bedrohte
                                             Töten
                                                                                                       Geschützte Tiere können
                                                                                                     abgeschossen werden, ohne

                                             T
                                                                                                      dass sie je einen Schaden

                                               i
                                           statrte
                                             Tötene
                                                                                                          angerichtet
                                                                                                       Geschützte      haben.
                                                                                                                   Tiere
                                                                                                           1’600 Feldhasenkönnen
                                                                                                     abgeschossen
                                                                                                       werden in derwerden,
                                                                                                                      Schweizohne
                                                                                                     alljährlich
                                                                                                      dass sie jeabgeschossen.
                                                                                                                  einen Schaden

                                           sjstacaghteütnt?zen ?
                                                                                                        Mitangerichtet
                                                                                                            dem missratenen
                                                                                                                       haben.
                                                                                                        Jagdgesetz geht das
                                                                                                             Töten weiter.

                  *
             TIERSCHUTZ
                                             sc    h  ü  t zen ?
  Trophäenjagd:
 Jedes Jahr töten
 Schweizer 50 ge-
schützte Wildtiere
Löwen, Flusspferde, Elefanten, Giraf-
fen und Nashörner: Gemäss einer Aus-
wertung des Bundes für die SRF-Sen-
dung Rundschau töteten Schweizer                     Umdenken, jetzt !
zwischen 2010 und 2018 423 geschützte
                                                     Abschuss-Gesetz
                                                     Umdenken, jetzt !
                                                     Umdenken, jetzt !in
Tiere im Ausland, und durften die Tro-

                                                                  e
                                                     Abschuss-Gesetz
                                                             N
phäen dann in die Schweiz importie-

                                                          27. Sept. 2020
ren, um sich zu Hause an den Fellen,

                                                                           Nein
Geweihen oder Stosszähnen zu ergöt-
zen. Auf organisierten Safaritouren er-
legen die Jäger die Wildtiere und geben
                                                     Abschuss-Gesetz
                                                        27. Sept. 2020

                                                                           Nein
dabei an, bei dem Scharmützel handle      Alle Schweizer Natur-
es sich um ein «Duell auf Augenhöhe».     und Tierschutzorganisationen
Welch ein Hohn! Der Import von Jagd-      sagen
                                          Alle Schweizer  7. Sept. 2020
                                                 NEIN 2Natur-
                                                                           Verein «Jagdgesetz NEIN», Dornacherstr. 192, 4018 Basel   jagdgesetz-nein.ch
trophäen bedrohter Tierarten in die       und Tierschutzorganisationen
Schweiz gehört verboten. Im Rahmen        sagen NEIN
                                                                               Verein «Jagdgesetz NEIN», Dornacherstr. 192, 4018 Basel   jagdgesetz-nein.ch
des CITES-Abkommens setzt sich die        Alle Schweizer Natur-
FFW deshalb seit über 40 Jahren für       und Tierschutzorganisationen
den Schutz und gegen den Handel mit       sagen NEIN
                                                                               Verein «Jagdgesetz NEIN», Dornacherstr. 192, 4018 Basel   jagdgesetz-nein.ch
bedrohten Arten ein.
          www. ffw.ch/cites.ch

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NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
NR . 133 J U L I | A U G U S T | S E P T E M B E R 2020

                   *
         «Der persönliche Profit
verdirbt das Gewissen und führt
  zur Zerstörung des Schönen.
   Wahrer Wohlstand besteht
  in einer schönen Landschaft,
      glücklichen Menschen
           und Tieren.»
                          FRANZ WEBER                                                Das Naherholungsgebiet
                                                                                     Rütihard bleibt wie es ist!
                                                                                     Die intensive, mit viel Herzblut und Hartnäckigkeit geführ-
                                                                                     te Arbeit der IG «Rettet die Rütihard», unterstützt von der
                                                                                     Fondation Franz Weber (FFW), hat ihre Wirkung erzielt:
                                                                                     Die Abbaupläne zur Salzgewinnung im Naherholungsge-
                                                                                     biet Rütihard in Muttenz (BL) werden sistiert. Die Soleförde-
                                                                                     rung im betroffenen Konzessionsgebiet wird für mindestens
                                                                                     20 Jahre nicht weiterverfolgt werden.
                                                                                       Die Schweizer Salinen wollten auf der Muttenzer Rütihard, einem
                                                                                     urigen Landstrich mit Obstbäumen und Feldern vor den Toren Ba-
                                                                                     sels, über Jahrzehnte Bohrungen durchführen, um Salz zu fördern.
                                                                                     Der Boden hätte dafür über eine Strecke von mehreren Kilometern
                                                                                     aufgerissen werden müssen, um Wasser- und Salzwasserleitungen
                                                                                     zu jedem einzelnen der 30 geplanten Bohrlöcher zu legen. Für Na-
Siedlung Waldhaus in Chur                                                            tur und Umwelt, aber auch für die Menschen, die sich in der grü-
                                                                                     nen Lunge von Muttenz erholen wollen, wäre das eine unzumutbare
     droht Zerstörung                                                                Belastung gewesen. Die IG «Rettet die Rütihard», seit Herbst 2019
Am grünen Stadtrand von Chur im Kanton Graubünden                                    unterstützt von der FFW, setzte sich gezielt gegen die Abbaupläne
stehen zwölf Einfamilienhäuser mit interessantem und                                 zur Wehr. Mit entscheidendem Erfolg: Vera Weber, Präsidentin der
architektonisch schützenswertem Geschichts-Hintergrund                               FFW, freut sich: «Der Wert dieser Oase der Ruhe, in direkter Nähe
(siehe Bild oben). Umgeben werden die historischen Häuser                            zum Stadtraum, für Natur, Tiere, Landwirtschaft und für uns Men-
von über 138 Bäumen und Hecken mit unzähligen Tieren,                                schen wird über die Jahre gar noch weiter steigen.»
die zum Teil auf der Liste mit gefährdeten Arten stehen.                               Die IG «Rettet die Rütihard» und die Fondation Franz Weber sind
   Diese Anlage soll nun zerstört werden! 124 Wohnungen                              froh, dass die Schweizer Salinen den weitsichtigen Entscheid ge-
sind an diesem bis jetzt wunderschönen Ort mit enormer                               troffen haben, die Muttenzer Rütihard vor dem Salzabbau zu be-
Biodiversität geplant. Im Namen der Verdichtung.                                     wahren, und sind erfreut, dass der Rütihard damit nun die Ruhe
   Die Folgen wären verheerend: Leblosigkeit, Lärm, Im-                              gegönnt wird, welche sie uns allen schenkt.	 redaktion@ffw.ch
missionen. Dahinter steckt ausschliesslich das Bestreben,
den Boden nach dem Prinzip der Rendite auszunützen. Eine
wichtige Grünfläche ginge unwiederbringlich verloren. Das                                                            DANKE MURPHY!
darf nicht passieren!                                                                                               In Gedenken an ihren von einem Auto
   Helvetia Nostra (HN), die Schwesterorganisation der Fon-                                                         überfahrenen treuen Kater, «meinen
dation Franz Weber, unterstützt deshalb die Interessens-                                                            einzigartigen Freund Murphy», hat
gemeinschaft Siedlung Waldhaus Chur und wird mit juris-                                                             Vreni Bänziger der Fondation Franz
tischen Mitteln gegen diese angekündigte Zerstörung der                                                             Weber eine grosszügige Spende
Natur und Kultur vorgehen.                                                                                          zukommen lassen. Wir bedanken uns
   Unterstützen Sie die Rettung der Siedlung Waldhaus in                                                            herzlich – Murphy wird in den Herzen
Chur!                                                                                                               von vielen geretteten Tiere weiterleben!
           Info: www.petitionen.com/siedlungwaldhaus

                                                                                 5
NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
Gute Nachricht für die Rehe auf dem Friedhof am Hörnli

    BEHÖRDEN SISTIEREN REKURS: DIE FONDATION FRANZ WEBER
   ARBEITET AM «RUNDEN TISCH» AN EINVERNEHMLICHER LÖSUNG

Im vergangenen Mai hatte die Polizei des              der Gräber ihrer Familien getötet werden. Weil sie    die Chance, zusammen eine nachhaltige Lösung zu
Kantons Basel-Stadt den Abschuss von                  Blumen fressen, die als Grabschmuck dienen, und       finden: «Gemeinsam arbeiten wir an Alternativen,
Rehen genehmigt, die auf dem baselstäd-               damit eine gewisse «Unordnung» schaffen, sollen       wie die Anzahl Rehe, die Pflege und der Unterhalt
tischen Friedhof am Hörnli – dem grössten             einige der Rehe erschossen werden. Am 12. Mai         dieser einmaligen historischen Friedhofsanlage
Friedhof der Schweiz – leben. Dank eines              2020 erteilte die Polizei eine entsprechende Ab-      am Hörnli sowie Biodiversitätsaspekte im Gleich-
Rekurses der Fondation Franz Weber (FFW)              schussgenehmigung, um die Rehpopula-tion auf          gewicht gehalten werden können.»
konnten die Abschüsse bisher verhindert               dem Friedhof zu dezimieren.
werden. Gleichzeitig wurden von der FFW                                                                        Das Justiz- und Sicherheitsdepartement an-
Gespräche am Runden Tisch initiiert, um                  Unschuldige Tiere töten, nur weil sie Blumen       erkennt das Lösungspotenzial des von der FFW
Alternativen für die Abschusspläne zu fin-            fressen? Unvorstellbar für die Fondation Franz We-    initi-ierten Runden Tisches: Es sistiert von sich
den. Dies hat nun bewirkt, dass das Justiz-           ber und Helvetia Nostra, die dagegen beim Justiz-     aus das Rekursverfahren der Fondation Franz We-
und Sicherheitsdepartement des Kantons                und Sicherheitsdepartement (JSD) des Kantons          ber und Helvetia Nostra gegen die Bewilligung der
Basel-Stadt eine Einigung ohne Blutver-               Basel-Stadt Rekurs eingelegt haben. Die Rehe ha-      Kantonspolizei Basel-Stadt vom 12. Mai 2020 be-
giessen für möglich hält. Es sistiert darum           ben so eine Verschnaufpause erhalten, da die auf-     treffend Reduktion des Rehbestandes am Friedhof
den Rekurs, bis die derzeit laufenden Ge-             schiebende Wirkung des Rekurses es nicht erlaubt,     am Hörnli, bis die Gespräche am Runden Tisch ab-
spräche abgeschlossen sind.                           sie während des Verfahrens zu töten.                  geschlossen sind.

Der Friedhof am Hörnli in der Gemeinde Riehen           Gemeinsam mit der Friedhofsverwaltung, der             Mit diesem Sistierungsentscheid des JSD rückt
(BS) ist ein spezieller Ort der Andacht: Seit etli-   Stadtgärtnerei und Wildexperten nimmt die FFW         die Rettung der Rehe in Sichtweite. Die FFW und
chen Jahren leben Rehe in dieser eigens angeleg-      zudem an Gesprächen am Runden Tisch teil, um          Helvetia Nostra sind zuversichtlich, dass eine Ei-
ten Ruhestätte in unmittelbarer Nähe des Waldes       geeignete Alternativen zur Tötung der Tiere zu fin-   nigung zwischen den Teilnehmenden am Runden
und spenden den Besuchenden zusätzlichen Trost        den, und somit die Friedhofsverwaltung dabei zu       Tisch gefunden werden kann, um das Wildtierma-
und Frieden – sei es bei einer spontanen Begeg-       unterstützen, die Rehpopulation zu kontrollieren,     nagement zum Wohle aller zu verbessern, und der
nung am Fusse eines Baumes, oder beim Spazier-        ohne tödliche Massnahmen ergreifen zu müssen.         Friedhof am Hörnli somit vielleicht gar eine Vorrei-
gang entlang der Friedhofspfade. Seit vergange-                                                             terrolle für weitere öffentliche Stätten ein-nehmen
nem Mai müssen die Angehörigen der Verstorbenen         Vera Weber, Präsidentin der Fondation Franz         kann, wo sich Mensch und Wildtier regelmässig
nun befürchten, dass die sanften Tiere in der Nähe    Weber, sieht in den Gesprächen am Runden Tisch        begegnen.

                                                                              6
NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
Abschuss auf dem
Friedhof Hörnli:
Kein Sturm
im Wasserglas.
Die ethische Empörung und die politischen Aktionen rund
um den Abschuss der Rehe im Friedhof Hörnli sei kein Sturm
im Wasserglas, sondern ein Vorzeichen eines guten Wetter-
umschlags, sagt der Philosophie Professor Markus Wild.

Für viele gilt als schönster Schweizer
Roman «Der Grüne Heinrich» (1854)
                                           rich Lee hätte ihm auch diesseits des
                                           Rheins leicht begegnen können. Dass
                                                                                                          *
                                                                                                  MARKUS WILD
von Gottfried Keller. Er erzählt die Le-   sich Rehe auch in Parkanlagen nieder-                 Philosophie Professor
bensgeschichte von Heinrich Lee, der       lassen, wusste man bei der Eröffnung                    Universität Basel
                                                                                                         –
als junger Maler in sein kulturelles       des Basler Parkfriedhofs Hörnli. Eben-
Traumland reist: von Zürich über den       falls kannte man die symbolische Be-
Rhein nach Deutschland. Wie er nachts      deutung solcher Tiere für Trauernde.       Auch könnte man den positiven Ein-
mit einem Schiffchen über den Strom        Als das Hörnli 1932 eröffnet wurde,        fluss solcher Tiere auf unsere Gesund-
setzt, macht Heinrich eine zauberhafte     existierte der weltgrösste Parkfriedhof,   heit endlich seriös beziffern. Ein sel-
Begegnung im Mondlicht: «und als ein       Hamburg-Ohlsdorf bereits seit über         tenes und scheues Wildtier, das einem
Reh aus dem Busche an das Ufer trat,       50 Jahren mit Tieren. Auf dem Fried-       begegnet und sogar nahe kommt, kann
ein in der Schweiz schon seltenes Tier,    hof Hamburg-Ohlsdorf leben heute           beides sein: Ein freundliches Zeichen
da begrüsste er es freudigen Mutes als     zahlreiche wilde Säugetierarten. Das       für den Hoffnungsvollen (wie im Falle
einen freundlichen Vorboten».              ist besser und spannender als jeder Zoo    Heinrichs), aber auch ein freundliches
   Übertreibt Keller nicht, wenn er vom    der Welt. In diesem Jahr wurde in Ohls-    Zeichen für den Trauernden. Wer den
Reh als einem in der Schweiz schon         dorf der erste Hund bestattet. Zwar gibt   Film «Three Billboards Outside Ebbing,
seltenen Tier spricht? Keineswegs.         es in Deutschland zahlreiche Tierfried-    Missouri» (2017) gesehen hat, wird die
Im 19. Jahrhundert verschwanden            höfe, aber kaum Möglichkeiten für ge-      Szene kaum vergessen haben, in der
Rothirsch und Steinbock ganz aus der       meinsame Bestattungen.                     der Heldin Mildred Hayes (Frances
Schweiz, Reh und Gämse überlebten                                                     McDermond) eine Hirschkuh begegnet
nur noch in kleinen Beständen. Dank        EIN FREUNDLICHES ZEICHEN                   während sie schon fast an ihrem Kampf
des unermüdlichen Einsatzes des            Seit geraumer Zeit weisen Psychologen      um Gerechtigkeit für ihre vergewaltigte
Tierschutzes und der Verbreitung des       und Psychologinnen mit guten Grün-         und ermordete Tochter verzweifelt.
Tierschutzgedankens hat sich diese         den darauf hin, dass wir die Trauer um        Darum bereiten diese Tiere den
deprimierende Lage glücklicherweise        den Verlust unserer tierlichen Beglei-     Menschen auf den Friedhöfen trotz
gewandelt. Im 20. Jahrhundert ver-         ter ernst nehmen müssen und nicht          aller Trauer eine grosse Freude. Sie
breitete sich das Reh wieder und Hein-     als Überempfindlichkeit abtun dürfen.      sehen darin ein freundliches Zeichen

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NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
TIER
                                                             SCHUT Z

und einen Trost. Es darf also nicht          niederlage einstecken müssen. Der Zoo          Drei einfache Grundgedanken tra-
wundern, dass es Empörung auslöst,           hat sich auf den Standpunkt gestellt,       gen diese politische Wende. Erstens sol-
wenn Rehe auf Friedhöfen abgeschos-          dass Zoofragen ausschliesslich Fragen       len Tiere mit fundamentalen Rechten
sen werden sollen. Man stelle sich die       für Zoobiologen und Veterinärmedizi-        besser geschützt werden, das schliesst
Szene vor: Heinrich Lee fährt über den       ner seien. Ein folgenschwerer Irrtum!       nicht nur ein Recht auf Unversehrtheit,
Rhein, ein Reh tritt aus dem Busch,          Das ist sO, als würde man eine globa-       sondern auch ein Recht auf Leben ein.
er nimmt es als freundlichen Vorbo-          le Pandemie ausschliesslich als eine        Zweitens wird dieser bessere Schutz
ten und in diesem Augenblick wird            Sache der Medizin ansehen. Ebenso           von Tieren als zwingend betrachtet,
das Tier erschossen. Ist das nicht eine      haben die Stadtgärtnerei und die Ge-        wenn wir die zwei vielleicht grössten
doppelt sadistische Fantasie?                meinde Riehen offenbar gedacht, ein         Probleme der Gegenwart einer Lösung
   Offenbar waren wir in den letzten         Rehabschuss auf dem Hörnli sei eine         entgegenführen wollen, nämlich die
Jahren zu fantasielos, denn wir haben        nur administrative und weidmänni-           Pandorabüchse der Klimaerwärmung
uns sehenden Auges in eine Situation         sche Angelegenheit. Dabei haben sie,        und das Damoklesschwert globaler
manövriert, in der die Administration        wie der Zoo, die Zeichen der Zeit ver-      Pandemien. Beides wird durch unsere
sich auf den Standpunkt stellt, dass         kannt.                                      Nutzung von Tieren und durch unse-
eben diese doppelt sadistische Phan-                                                     re Zerstörung des Lebensraums von
tasie Wirklichkeit zu werden hat. So         WANDEL IN DER TIERETHIK                     Tieren entscheidend mitverursacht.
wurden beispielsweise letztes Jahr auf       Seit vielen Jahren nämlich existiert in     Drittens müssen wir an Alternativen
dem Stadtfriedhof Hogenkamp im nie-          der Tierethik der sogenannte «politi-       und mit viel Fantasie arbeiten. Heute
derdeutschen Pinneberg zwei Böcke            cal turn». Menschen, die sich für eine      werden Alternativen zu Fleisch, Milch
mit Schrot geschossen. Ein verletztes        grundlegende Veränderung unserer Be-        und Käse auf einen rasant wachsenden
Rehkitz starb auf der lokalen Wildtier-      ziehung zu Tieren theoretisch und prak-     Markt gebracht, Alternativen zu Tier-
station. Sowohl der Abschuss als auch        tisch engagieren, kommen von einer          versuchen erprobt, Alternativen zur
die Methode haben harsche Kritik von         Ethik des nur privaten Verhaltens weg       Jagd, zu Zoos und Meeresaquarien ent-
Tierschützerinnen und Tierschützern          und zielen auf einen politischen und        worfen.
ausgelöst.                                   rechtlichen Wandel. Die beim renom-
                                             mierten Suhrkamp-Verlag erschienen          POLITIK MUSS SICH EINMISCHEN
ZEICHEN DER ZEIT VERKANNT                    Bücher «Zoopolis: Eine politische Theo-     Für all dies setzen sich Menschen in
Dasselbe soll nun mit einigen Rehen          rie der Tierrechte» (2011) von Due Do-      Vereinen und Unternehmen ein, in
auf dem Friedhof Hörnli geschehen:           naldson und Will Kymlicka und «Politi-      Wissenschaft und Politik, auf Lebens-
sie sollen erschossen werden. Dagegen        sche Philosophie der Tierrechte» (2020)     höfen und auf Feldern, in Kultur und
regt sich nun mit Recht Widerstand.          von Bernd Ladwig sind zwei exzellente       Kunst, in Schulen und in Familien. Un-
Der Widerstand geht jedoch über die          Beispiele für die theoretische Seite die-   ser Umgang mit Tieren kann unmög-
besondere Situation der Anwesenheit          ses Wandels. Doch als «political turn»      lich länger eine Frage der persönlichen
von Tieren auf Friedhöfen hinaus, die        braucht dieser Wandel eben auch Per-        Überzeugung und des privaten Ge-
ich bislang beschrieben habe. Sie hat        sonen und Organisationen, die sich ge-      schmacks bleiben. Wer so denkt, denkt
eine politische Dimension.                   sellschaftlich einsetzen. So haben sich     nicht nur naiv, sondern fahrlässig. Viel-
   Die politische Dimension besteht          gegen das Ozeanium Privatpersonen,          mehr wird unser Umgang mit Tieren
darin, dass unser Umgang mit Tieren          Politiker und Politikerinnen und Orga-      zu Recht mehr und mehr Gegenstand
mehr und mehr zu einer Sache der öf-         nisationen wie die Fondation Franz We-      wegweisender politischer Auseinan-
fentlichen, politische Auseinanderset-       ber, der Verein Animal Rights Switzer-      dersetzungen. Die ethische Empörung
zung wird. Ein gutes Beispiel dafür war      land oder Greenpeace eingesetzt. Wenn       und die politischen Aktionen rund um
die Abstimmung über das vom Basler           ein Verein wie SOS Chats oder eine Pri-     den Abschuss der Rehe im Friedhof
Zoo geplante Meeresaquarium «Ozean-          vatperson wie Olivier Bieli eine Petition   Hörnli zeigen diesen Wandel im Klei-
ium» im Mai 2019. Obwohl der Zoolei-         gegen den Rehabschuss starten, wenn         nen. Das ist kein Sturm im Wasserglas,
tung bereits Jahre zuvor immer wieder        die Fondation Franz Weber und Hel-          sondern ein Vorzeichen eines guten
deutlich signalisiert worden ist, dass sie   vetia Nostra eine Verfügung erwirken,       Wetterumschlags.
eine öffentliche Debatte nicht scheuen       dann drückt sich darin diese politische         Aus den drei Grundgedanken der po-
dürfen, hat sie dies sträflich unterlas-     Wende in der Tierethik sowohl in Theo-      litischen Wende ergibt sich eine ganz
sen und ein krachende Abstimmungs-           rie als auch in Praxis aus.                 einfache Forderung an die politischen

                                                                8
NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
NR . 133 J U L I | A U G U S T | S E P T E M B E R 2020

Entscheidungsträger: Die Politik darf             an einem Runden Tisch. Dabei darf es                        als experimentierfreudigen Standort,
die Stadtgärtnerei in dieser Frage nicht          nicht an der Bereitschaft fehlen, auch                      wo man bereit ist, neue Wege zu gehen.
allein lassen. Der Abschuss der Rehe              Alternativen zu prüfen, die aufwändig                       Er könnte Vorbildcharakter für unse-
auf dem Hörnli kann kein erstes, aber             und kostspielig sind.                                       ren Umgang mit Tieren haben. Und
auch kein viertes oder neuntes Mittel               Dazu braucht es vielleicht auch die                       er erhält dasjenige, worum er letztlich
der Wahl sein; zuvor sind sämtliche               Unterstützung der Wissenschaft. Der                         geht: das Leben der Tiere und die Freu-
Alternativen zu prüfen, und zwar mit              Gewinn eines solchen Vorgehens ist                          de der Menschen an den Begegnungen
den Interessengruppen gemeinsam                   nicht zu überschätzen. Es zeigt Basel                       mit ihnen.

                                                                   Rehböcke erkennt
                                                                    man am Geweih,
                                                                   das sie jeweils im
                                                                       Spätherbst
                                                                    abwerfen sowie
                                                                     am nierenför-
                                                                    migen Fleck auf
                                                                    dem «Hintern»
                                                                      (links), beim
                                                                     Weibchen ist
                                                                     er herzförmig
                                                                         (rechts).

                          DAS REH – UNSER HEIMLICHER NACHBAR
  Erstaunlich anpassungsfähig und heim-           vor, dass die Einjährigen immer noch bei der                abgeworfen. Die Jungtiere verhalten sich
  lich leben Rehe nicht nur im Wald, sondern      Mutter sind. Die Kitze kommen zwischen                      nicht territorial und sind noch «verspielt».
  auch unbemerkt in Siedlungen und in Stadt-      Mai und Juni des darauffolgenden Jahres zur                    Zwei- bis dreijährige Böcke besitzen be-
  nähe. Noch im 19. Jahrhundert wurden sie        Welt. Sie werden oft im hohen Gras geboren,                 reits stämmigere Beine und tragen ihr Haupt
  aufgrund der Jagd fast ausgerottet, so wie      weshalb es beim Mähen von Feldern und                       nicht mehr so hoch. Das Geweih trägt weni-
  auch ihre Cousins die Rothirsche und Gäm-       Wiesen immer wieder zu Unfällen kommt.                      ger lang «Bast» (Haut, die um das wachsen-
  sen. Den Steinbock hatte man bereits Mitte         Nur die Böcke tragen ein Geweih, das sie                 de Geweih liegt). Sie verhalten sich ängstlich
  desselben Jahrhunderts ausradiert. Gegen-       im Spätherbst abwerfen. Die Geschlech-                      gegenüber anderen Böcken, da sie ebenfalls
  wärtig ist das Reh nicht mehr gefährdet,        ter lassen sich aber auch am sogenannten                    noch nicht territorial sind.
  sondern sogar die häufigste freilebende und     «Spiegel», dem weissen «Hintern», erken-                       Ein vierjähriger oder älterer Bock ist
  absolut wehrlose Huftierart der Schweiz.        nen. Ist dieser Fleck nierenförmig, handelt es              stämmig und steht breit. Sein Fell ist im
  Rund 140 000 Rehe und rund 40 000 Tiere         sich um ein Männchen, wohingegen es beim                    Unterschied zu jüngeren im Juni immer noch
  werden pro Jahr frei für die Jagd erlegt.       Weibchen herzförmig aussieht (siehe Foto                    grau gefärbt, und er wirft sein Geweih Ende
     Das Reh sucht sich ganz gezielt Pflanzen     oben). Beide Geschlechter wechseln zwei-                    Oktober ab. Er verhält sich misstrauisch
  aus. Als Vegetarier fressen die Tiere im Som-   mal im Jahr ihr Fell und sind im Sommer rot-                und vorsichtig und vertreibt andere Böcke.
  mer Blüten, Kräuter und Blätter, im Herbst      braun und im Winter eher grau. Die Kitze sind               Die Böcke besitzen an der Stirn eine Duft-
  Früchte, Beeren, Eicheln und Pilze. Im Winter   weiss gefleckt.                                             drüse, mit der sie Bäume und Sträucher in
  und Frühfrühling läuft der Stoffwechsel auf        Will man das Alter eines Rehes beurteilen,               ihrem Revier markieren. Dieses «Fegen»
  Sparflamme. In dieser Zeit fressen sie deut-    schaut man auf den Körperbau, auf die Fär-                  kann Jungbäume verletzen, weshalb Be-
  lich weniger.                                   bung, das Geweih und das Verhalten. Einjäh-                 pflanzungen häufig mit Plastikmanschetten
     In den Sommermonaten Juli und August         rige haben meist einen schmalen Kopf und                    geschützt werden.        Monica V. Biondo
  kommt es zur Brunft, und der Rehbock be-        lange dünne Beine. Das Geweih erscheint                                                       Dr. phil. nat.
  gattet die Geiss. Dabei kommt es durchaus       etwas verspätet und wird erst im Dezember                            Leiterin Forschung und Naturschutz

                                                                              9
NATUR - QUELLE DES LEBENS - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
Einem Refugium un
 für gefährdete Arten d
Im wertvollsten Naturschutzgebiet der Region Basel, das gleich-
zeitig einer der wichtigsten Trocken-Lebensräume der Schweiz
ist, soll ein neues Hafenbecken und ein Containerterminal
gebaut werden. Deshalb: Nein zum Hafenbacken 3 in Basel!

*
                                           soll dereinst der Grossteil des Schwei-   eines der letzten seiner Art, denn seit
                                           zerischen Container-Im- und Exportes      dem Jahr 1900 sind 95 Prozent aller
JULIA FISCHER                              stattfinden. Brisant an der Sache: SBB    Trockenlebensräume in der Schweiz
Umwelt- und Politökonomin                  Cargo und das Bundesamt für Verkehr       verschwunden. Nachdem die Fläche
—                                          planten dieses Mega-Containertermi-       anfangs des 20. Jahrhunderts als Ran-
                                           nal aufgrund der zentralen Lage zu-       gierbahnhof des Badischen Bahnhofs
Laut Initianten soll damit der Güterver-   nächst im Mittelland – dort scheiterte    genutzt worden war, wurde das Ge-
lad auf die Schiene gefördert werden.      das Projekt aber am Widerstand durch      lände seit Ende der 1980er-Jahre nicht
Mit dem Argument soll dem Projekt          die dortige Bevölkerung und Behörden      mehr benötigt. Im Auftrag des Kantons
ein «grüner Anstrich» verpasst werden.     gegen Mehrverkehr und Gefahrengü-         Basel-Stadt wurde es aber gepflegt und
Doch die Hochrechnungen und Ver-           tertransporte. Nun soll das Terminal in   offen gehalten, womit die Trockenwie-
sprechungen der Befürworter werden         Basel gebaut werden, kombiniert mit       sen und Ruderalflächen im Lauf der
von unabhängigen Fachleuten stark be-      einem neuen, unnötigen und vor allem      Zeit zu einem einmaligen Refugium für
zweifelt. Dank dem Referendum, wel-        laut Schifffahrtsexperten fehl konstru-   Tiere und Pflanzen wurde. Gleichzeitig
ches die Fondation Franz Weber (FFW)       ierten Hafenbecken, um den Anschein       wurde es zum zentralen Teil des Wan-
gemeinsam mit weiteren Umwelt-             zu erwecken, das Terminal könne auf-      derkorridors, der diesen Arten im Zuge
schutzorganisationen im Frühjahr 2020      grund des Rheinanschlusses nur in Ba-     des Klimawandels eine Verschiebung
ergriffen hat, werden die Basler Stimm-    sel liegen. Doch das ist nicht alles.     in Nord-Süd-Richtung erlaubt. Gefähr-
berechtigten am 29. November 2020 das                                                dete Tierarten wie der Himmelblaue
letzte Wort über diese unverschämte        EIN NATURSCHUTZGEBIET VON NATIO-          Steinkleebläuling, die Schlingnatter
Zerstörung geschützter Natur erhalten.     NALER BEDEUTUNG SOLL WEICHEN              und auch der Feldhase haben auf der
   Ein Kilometer vom Rhein entfernt        Das Gelände, auf dem das Mega­terminal    20 Hektar grossen Fläche ein Zuhause
soll in Basel aus Steuergeldern ein kom-   künftig 260 000 Container umschlagen      gefunden, genauso wie über 400 – eine
plett neues Hafenbecken und ein riesi-     will, ist ein Naturschutzgebiet von na-   Vielzahl davon gefährdete – Pflanzen-
ger Güterumschlagplatz entstehen, das      tionaler Bedeutung im Bundesinventar      arten. Doch dies kümmert ein Grossteil
sogenannte «Gateway Basel Nord». Hier      der Trockenwiesen und -weiden. Es ist     der amtierenden Politikerinnen und

                                                             10
nd Wanderkorridor
droht die Zerstörung
  Politiker Basels nicht. Das Argument:        den per Schiff in Basel eintreffenden          Bundes für die Projektdurchführung.
  «Klimaschutz».                               Containern werden heute tatsächlich            Nur dann wird das Eidgenössische
                                               nur 8 Prozent auf die Bahn verladen. Der       Departement für Umwelt, Verkehr,
  DER «GRÜNE ANSTRICH»:                        Grund für diese geringe Zahl ist, dass in-     Energie und Kommunikation (UVEK)
  EIN NEUER TRICK                              nerhalb der Schweiz die wenigsten End-         die «Anpassung Mobilität» des Basler
  Unter diesem Deckmantel versprechen          kunden einen direkten Bahn­anschluss           Richtplans, welche für den Bau des
  die Initianten des geplanten «Gateway        haben. Die Kosten und der Zeitver-             Container-Terminals nötig ist, ge-
  Basel Nord» «ein Miteinander von Na-         lust für den zweimaligen Umschlag –            nehmigen. Doch die Suche nach den
  tur und Logistik». Die angepriesene Gü-      in Basel vom Schiff auf die Bahn und           sogenannten adäquaten «Ersatzflä-
  terumlagerung von der Strasse auf die        irgendwo in der Schweiz dann auf den           chen» gestaltet sich schwierig. Denn
  Schiene der Befürworter klingt gut, hält     LKW – machen den Zwischenverlad auf            in der Realität kann ein aufgrund
  der Realität allerdings nicht stand: Von     die Bahn komplett unrentabel. Durch            seiner Fauna und Flora besonders
                                               den Bau des «Gateway Basel Nord» und           wertvoller Standort – über die Jahre
                                               Hafenbecken 3 würden deshalb keine             zu dem gewachsen, was er heute ist
                                               LKW-Fahrten eingespart, sondern die            – nicht einfach so an einen anderen
                                               Zahl der umgeschlagenen Container              Ort transferiert werden. Die Ankün-
                                               würde massiv erhöht. Die angestrebte           digung der SBB, dass Ersatzflächen
                                               Zentralisierung des Containerverkehrs          zerstückelt entlang von bestehenden
                                               würde zu weiteren Lastwagenfahrten             Bahnlinien gefunden und geschaffen
                                               und Gefahrengütertransporte durch              werden könnten, wirkt geradezu gro-
                                               Basel führen. Kein Klimaschutz, son-           tesk wenn wir uns vor Augen führen,
                                               dern eine massive zusätzliche Umwelt-          was hier auf dem Spiel steht: Kommt
                                               belastung wären die Folge – und die            dieses Projekt zustande, verlieren die
                                               Zerstörung eines Naturrefugiums ge-            im jetzigen Naturschutzgebiet leben-
                                               fährdeter Arten. Der vorgebliche Zweck         den Tiere und Pflanzen unwiderruf-
                                               soll die Mittel heiligen.                      lich ihr Zuhause und ihr Leben.

                                               ERSATZFLÄCHEN FÜR EINMALIGES ÖKO-              TROTZ CORONA-LOCKDOWN: 4 281
                                               SYSTEM: EIN DING DER UNMÖGLICHKEIT             UNTERSCHRIFTEN FÜR REFERENDUM
                                                  Die Befürworter behaupten an dieser         Dennoch beschloss der Grosse Rat
                                                  Stelle, für einen «angemessenen Er-         des Kanton Basel-Stadt am 12. Feb-
  Gefährdete Tierarten wie der Himmelblaue        satz» der Naturschutzflächen, welche        ruar 2020, das 150-Millionen-Projekt
  Steinkleebläuling haben auf dem Gelände ein durch das Grossprojekt zerstört wür-            zum Bau des neuen Hafenbecken 3
  Zuhause gefunden.        Foto: Thomas Stalling den, zu sorgen. Dies ist eine Auflage des   zu bewilligen, und damit das einma-

                                                                    11
NATUR
                                                          SCHUT Z

lige Naturschutzgebiet dem Untergang      der Sammelfrist 4'281 Unterschriften
zu weihen. Dies konnte und wollte die     gegen das Hafenbecken 3 an die Staats-
Fondation Franz Weber nicht hinneh-       kanzlei Basel-Stadt übergeben werden
men: Gemeinsam mit einer Vielzahl         – mehr als doppelt so viele als benötigt!
von Naturschutzorganisationen, Quar-      Dank diesem Eingreifen des Referen-
tierbewohnern, Schiffsführern und         dumskomitees und der Unterstützung
Tierfreunden wurde das Referendum         unserer Gönnerinnen und Gönner in
ergriffen. Und obschon die Unterschrif-   der Region Basel wird nun die Stimm-
tensammlung durch den Corona-Lock-        bevölkerung des Kantons Basel-Stadt
down und den damit verbundenen            am 29. November 2020 über das Gross-
Fristenstillstand eine grosse Heraus-     projekt bestimmen können. Das Votum         Auch der Feldhase lebt auf der 20 Hektar
forderung darstellte, konnten innert      ist klar: «Nein zum Hafenbecken 3!»         grossen Fläche.         Foto: Ingo Seehafer.

     AM 29. NOVEMBER 2020: NEIN ZUM HAFENBECKEN 3
  • NEIN zur Zerstörung eines der wertvollsten Naturschutzgebiete der Schweiz

  • NEIN zu einem untauglichen Hafenbecken, das unsere Pflanzen und Tiere bedroht

  • NEIN zur zusätzlichen Umweltbelastung durch die Zentralisierung des Containerverkehrs mit weiteren
     Lastwagenfahrten und Gefahrengütertransporten durch Basel

  Was können Sie tun?
  • Informieren Sie Familie, Freunde und Bekannte, welche in Basel-Stadt wohnen, über das anstehende
     Referendum. Nur so können wir das Schicksal, welches dem einmaligen Naturschutzgebiet droht,
     abwenden! Gerne schicken wir Ihnen dazu auch unsere Informationsflyer, welche Sie bei uns bestellen
     können (ffw@ffw.ch / 021 964 24 24).

  • Sie wohnen in der Region Basel? Bestellen Sie jetzt eine Kampagnen-Fahne zum Aufhängen und zeigen
    Sie Flagge gegen das unverschämte Grossprojekt (Kontakt siehe oben).

  • Als Stimmberechtigte im Kanton Basel-Stadt: Stimmen Sie «NEIN zum Hafenbecken 3»
     am 29. November 2020!

  Im Namen des Referendumskomitees danken wir Ihnen für Ihre wertvolle Unterstützung – es zählt jede
  Stimme für die Natur!

  Das Referendumskomitee wird getragen von IG Schiffsführer Basel, Dorfverein Pro Kleinhüningen, Entomo-
  logische Gesellschaft Basel, Ornithologische Gesellschaft Basel, BastA!, WWF Region Basel, Pro Natura
  Basel, Ökostadt Basel, Greenpeace Regionalgruppe Basel, umverkehR, Integrale Politik Nordwestschweiz,
  Fondation Franz Weber (Stand 04.08.2020)
  Weitere Informationen: www.hafenbecken3nein.ch

                                                             12
IHR TESTAMENT
IHR TESTAMENT
FÜRFÜR TIER
    TIER UNDUND NATUR
             NATUR
Lassen Sie Lassen  Sie Ihren
           Ihren letzten     letzten
                         Willen       Willen für eine
                                 für eine
lebenswerte Welt lebenswerte
                  wirken!       Welt wirken!

Wünschen Sie über Ihr irdisches Leben hinaus Tiere und Natur zu schützen?
Dann bitten wir Sie, in Ihren letzten Verfügungen an die Fondation Franz
Weber zu denken.
                                                                               FONDATION
                                                                               FONDATIONFRANZ FRANZWEBER
                                                                                                     WEBER
Kontaktieren Sie uns telefonisch für eine vertrauliche und unverbindliche      Postfach
                                                                               Postfach257,
                                                                                          257,3000
                                                                                               3000Bern 13 13
                                                                                                     Bern
Beratung. Unsere Spezialistin, Lisbeth Jacquemard, unterstützt Sie gerne und   T +41
                                                                                 +41(0)21
                                                                                     (0)21964
                                                                                           9642424
                                                                                                 2424
freut sich auf Ihre Anfrage.                                                   ffw@ffw.ch
                                                                               ffw@ffw.ch| www.ffw.ch
                                                                                            | www.ffw.ch

                                                         129
                                                          3
Sieg für Montreux                                        HEIMAT
                                                          SCHUT Z

                                          Dank Helvetia Nostra, Tochterorganisation der
                                          Fondation Franz Weber, fallen der bestehenden
                     *
                     ANNA ZANGGER
                     Rechtsanwältin       Bauten, die Landschaften und Grünflächen von
                     —
                                          Montreux nicht der ausufernden Überbauung
                                          zum Opfer.
Nach einer mehr als zehnjährigen          schaft und die Grünflächen der Stadt        Anforderungen des Bundes- und Kan-
erbitterten Auseinandersetzung gibt       zu erhalten, offenbart. Der neue, 2007      tonsgesetzes gerecht werden sollte. Ab
das Bundesgericht der Stiftung recht      von der Stadt erarbeitete Allgemeine        2007 wurde der ANP erarbeitet. Bereits
und stoppt den Allgemeinen Nutzungs-      Nutzungsplan (ANP) enthielt nicht nur       ein erster ANP-Entwurf, der einer Um-
plan (ANP) der Gemeinde: Eine herbe       die Fehler der Vergangenheit, sondern       frage unterzogen wurde, erhielt damals
Niederlage für die ansässigen Behör-      noch schlimmer: Ebendiese Fehler soll-      88 Gegen­stimmen und Kommentare.
den, die nach dem vorliegenden Bun-       ten institutionalisiert werden. Bei Hel-
desgerichtsurteil ihr Raumplanungs-       vetia Nostra schürte dies die schlimms-     EINSPRUCH GEGEN DEN ANP-ENTWURF
konzept nun komplett überarbeiten         ten Befürchtungen für die Zukunft von       – LANGER KAMPF FÜR HELVETIA NOSTRA
müssen. Und gleichzeitig der Beleg da-    Montreux, und kämpfte deshalb seit          Der heftige Widerstand gegen den ANP-
für, dass Montreux seine Raum­politik     2007 gegen die Verabschiedung des           Entwurf von 2007 brachte die Gemein-
ändern muss und nicht unter dem           ANP. Nun setzte sie sich durch: Mont-       de dazu, mehrere Änderungen am ur-
Beton ersticken darf.                     reux kann aufatmen.                         sprünglichen Entwurf vorzunehmen.
   Montreux:      Eine   wunderschöne                                                 2013 wurde eine zusätzliche öffentliche
Kleinstadt zwischen Schwindel erre-       NUTZUNGSPLAN VON 1972 – SEIT MEHR           Umfrage durchgeführt, bei der sich
genden Berggipfeln und dem Blau des       ALS 40 JAHREN HINFÄLLIG!                    ebenfalls zahlreiche Gegenstimmen
Genfersees. Eine ruhige Ortschaft, die    Die Gemeinde Montreux verfügt über          erhoben (44!), darunter diejenige von
nicht nur während des berühmten Jazz-     einen kommunalen Nutzungsplan, der          Helvetia Nostra. Die Tochterorgani-
Festivals jährlich Tausende von Touris-   seit Jahren hinfällig ist, denn er stammt   sation der Fondation Franz Weber
ten anzieht. Doch Montreux birgt auch     aus dem Jahr 1972. Gemäss Schweizer         brachte vor, dass der ANP den Schutz
eine andere Seite, die eine fragwürdige   Raumplanungsgesetz (RPG) bestand            der bestehenden Bebauungen, der mit
Raumplanung, Baufehler, eine relativ      deswegen die Verpflichtung, einen neu-      Bäumen bepflanzten Räume und der
chaotische Raumgestaltung und vor al-     en Allgemeinen Nutzungsplan (ANP)           Anhöhen von Montreux nicht gewähr-
lem den mangelnden Willen, die Land-      zu erstellen, der den raumplanerischen      leistete. Dennoch wurde der ANP 2014

                                                             14
NR . 133 J U L I | A U G U S T | S E P T E M B E R 2020

vom Gemeinderat verabschiedet. 2015        reduzieren oder zu belegen, dass die                        Planung für den gesamten Raum ach-
erteilte dann auch der Kanton seine Zu-    vorgesehenen Bebauungsflächen ei-                           ten, um eine «ganzheitliche Vorstel-
stimmung.                                  nem für die nächsten 15 Jahre nachge-                       lung» und ein gewisses Mass an Rechts­
   Dies konnte und wollte Helvetia         wiesenen und vorhersehbaren Bedarf                          sicherheit zu gewährleisten. Die Orte
Nostra nicht hinnehmen. Es folgte ein      entsprechen. Noch schlimmer: Um die                         Les Avants, Caux und Vallon de Villars
langjähriger Rechtsstreit über mehre-      Begrenzung der Bebauungsflächen zu                          müssen daher in den ANP integriert
re Instanzen: Zunächst vor dem Kan-        verhindern, nutzte die Gemeinde eine                        werden.
tonsgericht, das die Einsprüche von        rechtliche Grauzone aus und klassi-
Helvetia Nostra zurückwies und dem         fizierte zahlreiche Parzellen als «re-                      ZURÜCK AUF ANFANG
umstrittenen ANP recht gab. Doch ge-       servierte Flächen» (insgesamt nahezu                        Die Gemeinde Montreux muss nun
nau wie die anderen Beschwerdeführer       80 000 Quadratmeter!) – das heisst, als                     den Nutzungsplan von Grund auf neu
liess sich auch Helvetia Nostra nicht      Bebauungsflächen, die vorübergehend                         erarbeiten, und diesmal das Bundes-
von der Kantonsentscheidung entmu-         nicht bebaut werden, in der Zukunft                         recht beachten. Insbesondere darf sie
tigen und legte mithilfe des seit vielen   aber bebaut werden könnten. Das Bun-                        die Vorschriften über die Festlegung
Jahren für die Initiative arbeitenden      desgericht beschied: Die Bebauungs-                         von Bebauungsflächen nicht mit miss-
Rechtsanwalts Rudolf Schaller vor dem      fläche eines Nutzungsplans darf nicht                       bräuchlichen Raumplanungswerkzeu-
Bundesgericht Einspruch ein.               künstlich durch die Festlegung von                          gen umgehen. Montreux darf sich da-
                                           reservierten Flächen reduziert werden.                      bei keinen Fehler mehr erlauben: Der
URTEIL DES BUNDESGERICHTS –                Diese «Trickserei» verstösst gegen Bun-                     neue ANP muss tadellos sein.
ERFOLG FÜR HELVETIA NOSTRA                 desrecht.                                                      In Bezug auf die derzeit laufenden
Am 16. April 2020 gab das Bundesge-                                                                    Baugenehmigungsprozesse in Mon-
richt Helvetia Nostra recht und stoppte    DIE ANHÖHEN VON MONTREUX MÜSSEN                             treux herrscht Unsicherheit. Klar ist,
den ANP von Montreux endgültig. Für        TEIL DES ANPS WERDEN                                        dass der ANP von 1972 hinfällig ist und
die Stiftung ist dies ein grosser Sieg,    Das Bundesgericht kritisierte ebenfalls,                    der neue, vom Bundesgericht gestopp-
dank dem ihre langjährige Arbeit für       dass die Gemeinde Montreux sich dar-                        te ANP nicht gilt. Unter diesen Umstän-
den Schutz sowohl der bestehenden          auf beschränkt hatte, den urbanen Teil                      den könnte es durchaus dazu kommen,
Bebauung als auch der Landschaft und       ihres Raums zu regulieren, was insbe-                       dass Baugenehmigungen eingefroren
der Grünflächen von Montreux nun           sondere die Anhöhen von Montreux,                           werden. Für diese Gemeinde, die seit
mit Erfolg gekrönt wird.                   die im Norden des Gemeindegebiets                           Jahren unter einer schlechten Baupla-
   Das Urteil – das zweifelsohne als       gelegenen Dörfer, ausschloss. Gemein-                       nung leidet, ist dies vielleicht die Ge-
Grundsatzentscheid für zukünftige          den müssen bei der Aufstellung ihrer                        legenheit, erst einmal wieder durchzu-
Planungen gelten wird – ist ein starker    Nutzungspläne auf eine koordinierte                         atmen.
Rüffel des Bundesgerichts an die Ge-
meinde Montreux. Mit der Einschät-
zung, die Gemeinde Montreux halte               DAS SCHREIBT ARTIKEL 15 DES RPG VOR
sich «seit mehr als 30 Jahren» nicht
an die Rechtsprechung, beurteilte            Das Raumplanungsgesetz (RPG) ist ein Bundesgesetz, welches die von den Kantonen und
das Bundesgericht die Situation die-         Gemeinden zu beachtenden und umzusetzenden Grundsätze und Leitlinien für die schweize-
ser Stadt als «absonderlich und nicht        rische Raumplanung festlegt. Die Kantone verabschieden darüber hinaus kantonale Raum-
nachvollziehbar».                            planungsgesetze, und die Gemeinden bereiten darauf basierend allgemeine und detailliertere
                                             Nutzungspläne vor, in denen die Bauweise in ihrem Gemeindegebiet festgelegt wird. Allge-
ZU GROSSE BEBAUUNGSFLÄCHEN                   mein teilt sich die Schweiz in zwei grosse Kategorien auf: Die Bebauungsflächen, auf denen
Aus technischer Sicht bemerkte das           öffentliche Einrichtungen und unter bestimmten Bedingungen Privatgebäude errichtet wer-
Bundesgericht, dass der ANP von Mon-         den dürfen, und die nicht bebaubaren Flächen, das heisst, landwirtschaftliche und geschütz-
treux gegen Artikel 15 RPG verstösst, da     te Flächen (Wasserläufe, Wälder etc.). Artikel 15 RPG gibt häufig Anlass zu heftigen Debatten
die im ANP vorgesehene Bebauungs-            in der Justiz. Er betrifft das Baugebiet und schreibt zwei wichtige Bedingungen dafür vor,
fläche zu gross und schwer abgrenzbar        dass eine Gemeinde eine Parzelle als bebaubar klassifizieren darf: (1) Die Bebauungsfläche
ist. Tatsächlich ist die Gemeinde ihrer      muss dem vorhersehbaren Bedarf der 15 nächsten Jahre entsprechen, und (2). Zu grosse
Verpflichtung nicht nachgekommen,            Bebauungsflächen müssen reduziert werden (dies wird als «Verdichtung» bezeichnet).
die übergrossen Bebauungsflächen zu

                                                                      15
HEIMAT
                                                                       SCHUT Z

Das Gäbelbachtal mit dem «Chliforst Nord» ist ein malerischer Naherholungs-
raum auf dem Gemeindeboden der Stadt Bern. Hier befindet sich der Lebens-
raum einer bemerkenswerten Artenvielfalt mit seltenen gefährdeten Tieren und
Pflanzen. Doch diese einzigartige grüne Lunge steht in Gefahr!
       Abseits von Industriegebiet, Autobahnan-             Quadratmeter artenreiches Wald- und Wie-        Mäntelchen des «öffentlichen Ver-
       schluss und einem ausgebautem Strassen-              senland geopfert werden – eine Fläche von       kehrs» begrünt sind – wie im aktu-
       netz plant die BLS AG eine riesige Bahn-             20 Fussballfeldern!                             ellen Fall, wo die BLS mitten in der
       Werkstätte zur Reinigung ihrer Züge mit 24             Die Fondation Franz Weber (FFW) kämpft        Naturlandschaft «Chliforst Nord»
       Stunden-Schichtbetrieb. Für diesen regel-            gegen industrielle Grossprojekte auf der grü-   eine riesige Reinigungsanlage für
       rechten Grossklotz sollen weit über 150 000          nen Wiese. Auch dann, wenn sie mit dem          Züge bauen will. Idyllische Land-

Heute sieht das idylische Naherholungsgebiet Chliforst im Westen der Stadt Bern so aus.

                                                                           16
Zerstörung
   der Natur im Namen
   des öffentlichen
   Verkehrs? Nein!
                                                                                                                                                Fotos: Michael Stahl

    schaften wie die des «Chliforst Nord» gibt es               tigen    Industriekomplexes             verstösst gegen das bestehende eidgenössi-
    im Mittelland nicht mehr viele. Daher wehrt                 als negativ. Denn der ge-               sche Raumplanungsgesetz.
    sich die FFW vehement gegen die ange-                       plante Standort liegt in einer             Die Fondation Franz Weber (FFW) wird
    kündigte Zerstörung dieses Naherholungs-                    «Insel-Lage». Das heisst, er            sich gegen diesen von der BLS geplanten
    raums.                                                      schliesst nicht an eine Bau-            «Grossklotz im Chliforst» vehement zur
       Auch das Amt für Gemeinden und Raum-                     oder Industriezone an. Die              Wehr setzen: Auf politischem Weg oder auch
    ordnung des Kantons Bern (AGR) bewertet                     geplante Anlage ist gemäss              mit juristischen Mitteln. Nötigenfalls bis vor
    den «Chliforst Nord» für den Bau des gewal-                 AGR daher unzulässig und                Bundesgericht.

                      CHLIFORST: NATURPERLE MIT SCHÖNHEITS-MAKELN
Es gibt zahlreiche Punkte, die man zum weit                Ja, in und um den Chliforst befinden sich ein paar   Schweizer Natur, die nichts für ihre Makel kann,
über 400 Millionen Steuerfranken teuren                 «unschöne» Flecken wie ein Übungsgelände für            deshalb gänzlich unter dem Beton verschwinden?
BLS-Projekt Chliforst anmerken muss.                    die Feuerwehr, ein Schiessplatz oder auch ein ehe-         Nicht nur die Anwohnerinnen und Anwoh-
Hier nur eine Auswahl:                                  maliges, jedoch schon lange nicht mehr erkennba-        ner, sondern auch die Stadtbevölkerung braucht
                                                        res Tanklager aus dem 2. Weltkrieg. Umso wichtiger      Naherholungsgebiete wie den Chliforst, die immer
Es ist nicht gerechtfertigt, in einer Naturlandschaft   ist es, diesen Erholungsraum nicht noch weiter zu       seltener werden. Gerade während der Coronakrise
fernab von Industrieerschliessungen einen Indus-        verschandeln, sondern die Natur intakt zu halten!       haben wir erlebt, dass sich immer mehr Menschen
trieklotz hinzustellen. Dieser Ort ist so naturbe-      Für eine Eisenbahn-Werkstätte soll Wald gerodet —       in der Natur aufhalten, um eine Pause von all den
lassen, wie wir es vielerorts nicht mehr auffinden      gemäss Schweizer Gesetz rechtlich verboten —, ein       Einschränkungen des Alltags zu erhalten. Der Chli-
können! Der Chliforst beherbergt bedrohte Tiere         Wildtierkorridor von nationaler Bedeutung durch-        forst muss ein Naherholungs- und Naturgebiet
wie zum Beispiel den Neuntöter, Vogel des Jahres        schnitten sollen, neue Strassen durch Waldgebiete       bleiben!
2020, der aus immer eintöniger werdenden Land-          erstellt oder bestehende verbreitert werden?               Die Fondation Franz Weber wird dieses hängige
schaften verschwindet. Oder auch den Biber, der es         Würde man mit dem Argument der «Schön-               oder drohende Verbrechen an der Natur mit allen
im auf weiten Strecken frei mäandrierenden Gä-          heitsmakel» unsere Schweizer Landschaften               Mitteln bekämpfen.
belbach bis fast an seine Quelle im Forst geschafft     durchkämmen, so fänden sich zahlreiche Orte, wo                                       Monica V. Biondo,
und unweit der geplanten BLS-Werkstätte einen           der Mensch bereits auf schändliche Weise sei-                                                 Dr. phil. nat.
Damm gebaut hat.                                        ne Spuren hinterlassen hat. Soll die verbleibende                     Leiterin Forschung und Naturschutz

                                                                                 17
Marcel Heider –
unermüdlicher und
  kluger Pionier
von Sauver Lavaux
                             Das UNESCO-Weltkulturerbe Lavaux ist wieder in Gefahr:
                             Immobilienentwickler versuchen ein trojanisches Pferd ins Herz
                             dieses demokratisch geschützten Gebiets einzuschleusen. Über
                             das unsägliche Spekulationsprojekt der Immo­biliengruppe Orlatti/
                             Erbengemeinschaft Testuz im historischen Dézaley-Treytorrens
                             berichteten wir bereits in der letzten Ausgabe des Journals. Diese
                             erneute Bedrohung nehmen wir zum Anlass, uns noch einmal der
                             Gründungsgeschichte von Sauver Lavaux zu widmen und einen
*
JEAN-CHARLES KOLLROS         Pionier der Bewegung - den angesehenen Rechtsanwalt Marcel
Journalist
—                            Heider - zu Wort kommen zu lassen, der in all den Jahren seines
                             Wirkens für den Erhalt des Lavaux nichts von seiner Kraft
                             eingebüsst hat.

             Das von Franz Weber gerettete UNESCO-Weltkurlturerbe Lavaux ist wegen eines geplanten Bauprojektes wieder in Gefahr.

                                                 18
NR . 133 J U L I | A U G U S T | S E P T E M B E R 2020

Zeit mit Marcel Heider zu verbringen,
insbesondere auf seinem einladenden
Wohnsitz in Aran, ist ein reines, ele-
mentares Vergnügen, für das die Gast-
freundschaft ebenso ausschlaggebend
ist wie ein stets aufrichtiger Humanis-
mus. Dem Dahinfliehen der Jahre und
den unzähligen Schlachten, die er ge-
schlagen hat, zum Trotz ist der Mann
nach wie vor bemerkenswert vital, und
stellt ein unfehlbares Gedächtnis unter
Beweis. Ein wahres intellektuelles Ka-
pital, in dem der Einsatz für die Be-
wegung Sauver Lavaux für immer eine
Sonderstellung einnehmen wird.
   Seine berufliche Laufbahn begann
Marcel Heider 1960, nachdem er Steu-
er- und Verwaltungsrecht an der juris-
tischen Fakultät Heidelberg studierte
und an der Universität von Lausanne
1958 seinen Doktortitel in Rechtswis-
senschaften erwarb. 1960 erhielt er sein
Anwaltspatent im Kanton Waadt. Der
weitherum bekannte Marcel Heider ist
Mitglied der Waadtländer Anwaltskam-
mer und des Schweizerischen Anwalts-
verbands.                                    Marcel Heider (oben) gehörte an der Seite Franz Webers zu den Rettern des Lavaux. Vor dem
                                              Plakat der ersten «Sauver Lavaux»-Initiative (1977) bekräftigt er seinen Widerstand gegen
Marcel Heider: «1968 hielten sich                     das geplante Spekulations-Bauprojekt in Dézaley-Treytorrens. Foto: C.W. Marsens
meine Frau und ich in Sils Maria in
Graubünden auf. Von diesem Zeit-           «Wir schreiben den 30. Januar 1972,                         einzusetzen. Nach einer Ortsbesichti-
punkt an verfolgten wir mit grossem        und neben unserem persönlichen                              gung beschliesst er am 9. Februar 1972,
Interesse das Engagement von Franz         Engagement fungieren wir als Wort-                          die Vereinigung Sauver Lavaux («Ret-
Weber, der sich kurz zuvor erstmals        führer einer Gruppe von Winzern von                         tet das Lavaux») zu gründen. Seitdem
für das Natur- und Architekturerbe         Villette, zu der namentlich die Stadt-                      stellt Marcel Heider sein Fachwissen in
stark gemacht hatte, um das Dorf           räte Paul Bujard und Marcel Joly so-                        den Dienst der Rettung des Lavaux.
Surlej im Engadin und das Ufer des         wie der ehemalige Ammann Marcel
Silvaplanersees vor einem Immobi-          Riccard gehören.»                                           «Franz Weber und wir hielten es von
lienprojekt zu retten.»                                                                                Anfang an für unerlässlich, die Ret-
                                           Tatsächlich ist die Bedrohung äuserst                       tungsaktion auf die gesamte Region
Dieser erste Kampf eines Mannes, der ur-   real: Ein Projekt zum Bau von 43 Villen                     auszuweiten, denn ganz offensicht-
sprünglich Schriftsteller und Journalist   zwischen Aran und Villette, inmitten                        lich – man denke daran, was heute
werden wollte, ebenso wie Franz Webers     des Lavaux, steht kurz vor seiner Ver-                      mit dem Projekt Orlatti-Testuz ge-
Kreuzzug für den Schutz von Baux-de-       wirklichung. Von der irreversiblen Ver-                     schieht – war der Fall von Villette nur
Provence weckt die Bewunderung des         schandelung einer historischen Land-                        die Spitze des Eisbergs, ein Türöffner
jungen Anwalts. Mehr braucht es nicht,     schaft einmal abgesehen, gingen den                         für andere Projekte. Und Franz We-
damit sich Heider, der nebenbei bereits    Winzern durch dieses Projekt 2,2 Hek-                       ber beschrieb diese Situation sehr
damals eine Leidenschaft für gute Weine    tar Anbaufläche verloren.                                   treffend: «Wenn wir zulassen, dass
hegte, und seine Gattin Denise Heider-        Voller Anteilnahme willigt Franz We-                     sich der Pickel oder die Beule von
Piccard, an Franz Weber wenden.            ber ein, sich für die Winzer von Villette                   Aran-Villette ungehindert entwi-

                                                                      19
HEIMAT
                                                          SCHUT Z

ckelt, dann wird die Betonkrankheit        im Wasser, doch auch durch meine           der Liebe, zur Rettung von Lavaux ei-
auf die Weinberge übergreifen.»            Liebe zur Kultur und zum Wein kann-        nen starken Nachhall fanden.
                                           te ich alle, die in dieser Zeit Rang und      Franz Weber wiederum stellt von Be-
Neben seinem Scharfsinn als junger         Namen hatten. Und oft hatten wir           ginn an sein journalistisches Können in
Anwalt, der für sein strategisches Ge-     Verbindungen, die nicht den politi-        den Dienst der Sache, so dass innerhalb
schick und seinen Kampfgeist ebenso        schen Zwängen unterworfen, aber            kürzester Zeit die gesamte Schweiz über
geschätzt wie gefürchtet ist, steuert      hochwirksam waren. Zudem kulti-            den Kampf zur Rettung der historischen
Heider noch ein weiteres wesentliches      vierte ich diese Beziehungen, indem        Weinterrassen informiert ist. Für Franz
Instrument zu Sauver Lavaux bei: Seine     ich bei informellen Treffen oder beim      Weber ist der Fall klar: Diese Landschaft
unschätzbaren persönlichen Netzwer-        Aperitif die Kontakte intensivierte.       gehört allen und nicht nur den Men-
ke, die er während seiner Studenten-       Sie glauben gar nicht, was man mit         schen, die dort leben. Als die Bewegung
jahre geknüpft hat, sowie durch seine      einem Glas in der Hand alles vor-          Sauver Lavaux eine erste Petition zur
Beziehungen innerhalb der Studenten-       schlagen, aushandeln und erreichen         Erhaltung des Lavaux lanciert, reicht sie
verbindung Helvétia und Belles-Let-        kann, wenn sich die Zunge löst und         diese daher nicht bei den Waadtländer
tres mit Charles Apothéloz gewonnen        der Geist öffnet. Insbesondere orga-       Behörden ein, sondern beim Bundesrat.
hat. Und nicht zuletzt durch seine per-    nisierte ich mit meiner Passion für        Fortan handelt es sich um ein Anliegen
fekte Einbindung in die Welt der Kunst.    erlesene Weine jahrelang zahlreiche        sowie eine Kampagne von nationaler
und der Politik geniesst. Und das al-      Besuche auf exzellenten Weingütern         Bedeutung.
les, ohne überzogenen Aktivismus zur       in Burgund und an anderen dem Ge-
Schau zu stellen und ohne Zerwürfnis-      nuss zuträglichen Orten. Ich kannte        «Sehr schnell schliessen sich uns be-
se zu provozieren: Er kommt mit dem        mich in dem Bereich aus, was ich mei-      rühmte Persönlichkeiten aus der
führenden Kopf der PdA, André Mu-          nem Vater und meiner über 20-jäh-          Kulturszene an, darunter der Diri-
ret, späterer Nationalrat und brillanter   rigen Erfahrung als Importeur von          gent Victor Dezarsens, der berühmte
Journalist, ebenso gut zurecht wie mit     Weinen aus dem Burgund verdanke.»          Philosoph und Schriftsteller Denis de
der sozialdemokratischen Partei, etwa                                                 Rougemont und insbesondere der ge-
mit dem Ständerat Jacques Morier-          Bescheiden und diskret, was solche für     niale und sehr bekannte Dichter und
Genoud, sowie mit zahllosen anderen        die Sache von Sauver Lavaux gleich-        Chansonnier Jean Villard-Gilles.
Persönlichkeiten dieser Zeit. Und die      wohl entscheidende Aktionen angeht,        Zudem unterstützen nach und nach
Überzeugungskraft des Anwalts ist al-      gibt Marcel Heider – der der Degusta-      auch bekannte politische Persön-
lein schon ein scharfes Schwert, um        tion eines guten Weins in angenehmer       lichkeiten unseren Kampf, entweder
Menschen auf seine Seite zu ziehen.        Gesellschaft auch heute nicht abge-        öffentlich oder mit rechtschaffener
                                           neigt ist – immerhin zu, dass seine Vor-   Diskretion. Diese Zeit hat einige vor-
«Durch mein Studium und die Tatsa-         gehensweise «einen positiven Beitrag       treffliche Freigeister hervorgebracht,
che, dass ich mich im politischen Le-      dazu leisten konnte, dass einige seiner    an denen es uns zu Beginn dieses
ben von Waadt bewegte wie ein Fisch        beherzten Aufschreie, gleichwohl Akte      dritten Jahrtausends schmerzlich

                                                             20
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