Denkmalpflege in Niederösterreich - Land Niederösterreich
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Denkmalpflege in Niederösterreich Archäologie Mitteilungen aus Niederösterreich Nr.10/2004 P.b.b.–Verlagspostamt 3100 St. Pölten Zulassungsnummer: 02Z032683M Aufgabepostamt 3109 St. Pölten Band 32
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:06 Uhr Seite 2 Vorwort Eine gute Zukunft ist ohne Beschäftigung mit der Vergangenheit nicht möglich. Denn aus der Vergangenheit können wir Weitblick und Kraft für die Zukunft schöpfen. Uns geht es darum, die Geschichte erlebbar und begreifbar zu machen. Museen, Ausstellungen und Ausgrabungen sollen so aufbereitet sein, dass sie für ein breites Publikum interessant sind. Archäologie ist überall. Zu den unschätzba- ren Schätzen der Vergangenheit zählen Ausgrabungen genauso wie Burgen, Schlösser und Kirchen. Mit der Denkmalbroschüre Band 32 ist es gelungen, den kulturellen Reichtum umfassend zu beleuchten. Das Erbe der antiken Kulturen des Mittelmeerraumes wird umsichtig bewahrt und erhalten. In Niederösterreich haben wir unzählige Stätten der Begegnung mit der Vergangenheit. Für all jene, die als Alternative zum High-Tech-Alltag mitunter gerne – zumindest in Gedanken – in die Vergangenheit eintauchen, ist die Denkmalbroschüre eine ideale Lektüre und Zeugnis unseres großen kulturellen Erbes. Dr. Erwin Pröll Landeshauptmann von Niederösterreich 3
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:06 Uhr Seite 4 Archäologie Editorial Christa Farka Franz Humer Archäologische Denkmalpflege 6 100 Jahre Archäologisches Wir hatten versprochen, wieder zu Themenheften zurückzukehren. Mit dem vorliegenden Band Museum Carnuntinum 40 Nr. 32 geschieht dies: wir widmen uns dem Thema der Archäologie, einem ganz speziellen Aspekt der Marianne Pollak, Christian Mayer Archäologie Denkmalpflege, zu dem nicht nur die Suche nach verlorenen Münzen, das Graben nach Resten alter Archäologische Landesaufnahme Franz Humer Fundamente und Mauern, das Auffinden geheimnisvoller Kult- oder Verteidigungsbauten, die Rekon- in Niederösterreich 12 Das Archäologische struktion von kleinsten Objekten und ganzer Siedlungsstrukturen gehört. Eine der Hauptaufgaben, Zentraldepot Hainburg 43 die alle Beteiligten auf Grund des immensen Zeitdrucks immer wieder vor fast unlösbare Aufgaben Christoph Blesl, Martin Krenn stellt, ist die Sicherung und Erforschung von historischem Material bei der Errichtung von infrastruk- Infrastrukturelle Großbauvorhaben Literaturhinweise 45 turellen Großbauvorhaben, also bei der Errichtung neuer Bahntrassen, U-Bahnröhren, Straßenpro- und die archäologische Denkmalpflege 15 jekten, neuen Stadtteilen, Energieleitungen usw. In den vergangenen Jahrhunderten wurden die spär- lichen Reste unserer Siedlungsgeschichte unter Müll, Bauschutt und Humus begraben. Sie sind erst Christoph Blesl, Fritz Preinfalk Restaurierbeispiel auffindbar, wenn die verbergende und schützende Schicht entfernt wird. Dann stehen aber schon die Keltische Grabhügel am Ufer Baumaschinen bereit, um die geplanten Vorhaben umzusetzen. Und hier kommt es darauf an, alle der Perschling 20 Michael Marius relevanten Teile, seien sie auch noch so klein zu retten. Mit dem Wissen um die Zusammenhänge der Die Restaurierung eines Kulturgeschichte und mit der Gegenüberstellung zu anderen Fundobjekten lässt sich oft eine kultur- Gottfried Artner, Martin Krenn spätbronzezeitlichen Schwertes historisch wichtige Aussage treffen. Lokale Grabungen sind immer weiträumig, ja fast global zu Eine germanische Siedlung aus Unterradlberg 46 bewerten; man denke hier nur an die Funde aus der Zeit der Römer, der Kelten, der frühen Siedlungs- in Pellendorf 23 geschichten, des Mittelalters usw. So gesehen ist das weit über die Grenzen des Landes beachtete Projekt Carnuntum ohne großflächige Grabungsergebnisse und ohne Einbettung in die Geschichte Martin Krenn Blick über die Grenzen der Römer in Österreich nicht denkbar. Burgenarchäologie in International Dieses Heft sollte sie aber nicht animieren zu einer hobbymäßigen Grabung oder zu einer Suche Niederösterreich 26 nach verlorenen Münzen und anderen Dingen auf den weiten Feldern des Landes. Grabungen müssen Christa Farka von fachlich bestens ausgebildeten Personen durchgeführt, zumindest aber betreut werden. Dilletanti- Martin Krenn, Doris Schön, Jasmin Wagner Der römische Limes – sches Herangehen hat in der Vergangenheit schon oft die spärlich vorhandene historische Substanz Rettungsgrabungen in Kirchen 30 Kulturerbe der Welt 48 zerstört, und der Handel mit kulturhistorisch bedeutenden Objekten ist grundsätzlich verboten. Alle gefundenen Dinge sind ausnahmslos im Bundesdenkmalamt abzugeben und so der Wissenschaft Franz Humer zur Verfügung zu stellen. Die Suche nach unserer Geschichte und unserer Identität muss Vorrang vor Das Numismatische Aktuelles aus der Denkmalpflege 54 dem kurzsichtigen Profit haben. Projekt Carnuntum 34 Franz Humer Museen mit dem Gerhard Lindner Die Ausgrabungen im sogen. Schwerpunkt Archäologie & „Spaziergarten“ der römischen Niederösterreich Karte 62 Zivilstadt Carnuntum 36
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:07 Uhr Seite 6 Archäologische Denkmalpflege Christa Farka Rettungsgrabung auf der Bahntrasse im Tullnerfeld Archäologische Landesaufnahme malpflege ist es, die archäologischen Zeugnisse Die Erfassung aller archäologischen Zeug- als Teil des kulturellen Erbes Österreichs im nisse Österreichs ist eine der zentralen Aufgaben Interesse der Allgemeinheit zu erhalten und der archäologischen Denkmalpflege. Eine um- künftigen Generationen zu überliefern. fassende Kenntnis des Denkmalbestandes ist Die Rechtsgrundlage für den Denkmal- Freilegung eines Archäologische Denkmäler sind ein Für die archäologische Denkmalpflege hat Voraussetzung für alle Maßnahmen des Denk- schutz ist das Denkmalschutzgesetz (BGBl. I Nr. Hügelgrabes auf der neuen Westbahnstrecke wesentlicher Bestandteil des gemeinsamen Kul- daher die dauerhafte Erhaltung der archäologi- Großflächiger malschutzes und Grundlage für die Erstellung 170/1999). In Österreich ist der Denkmalschutz bei Rassing turerbes der Menschheit und prägendes Element schen Denkmale als einmalige historische Quel- Schotterabbau bei von Gutachten zu Raumplanung (Flächenwid- in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, der im Laufe von Jahrtausenden vom Menschen le und Träger der Geschichte unseres Kulturrau- Franzhausen im mung, Bebauungsplan, Rohstoffabbau) und also bundeseinheitlich geregelt. Mit den Aufga- Unteren Traisental gestalteten heutigen Kulturlandschaft. Diese mes oberste Priorität. Bauvorhaben. ben des Denkmalschutzes und der Denkmalpfle- überwiegend im Boden verborgenen Die Informationen zu Funden und Fund- ge ist das Bundesdenkmalamt mit seinen Fach- Geschichtsquellen geben Auskunft über das Aufgaben plätzen werden aus Literatur, Archivmaterialien, abteilungen betraut. Die Belange der archäolo- Leben und Wirken des Menschen von seinem Auf Grundlage des Denkmalschutzgesetzes historischen Karten, alten Plänen und Ansichten gischen Denkmalpflege werden österreichweit ersten Auftreten bis in jüngste Zeit. Für Epochen und internationaler Richtlinien hat die Abtei- gewonnen. von der Abteilung für Bodendenkmale wahrge- ohne schriftliche Überlieferung sind sie die ein- lung für Bodendenkmale des Bundesdenkmal- Zur Erfassung und Dokumentation der nommen. zigen Quellen, aber auch für das Geschichtsbild amtes im öffentlichen Interesse die Aufgabe, die Denkmale ist ferner eine Vermessung der Objek- späterer Zeitabschnitte sind sie wertvolle Ergän- archäologischen Denkmäler te, Geländebegehungen mit Auswertung von zung zu schriftlichen und bildlichen Quellen. – zu erfassen (archäologische Landesaufnahme), Oberflächenfunden, Luftbildprospektion und Die archäologischen Zeugnisse vermitteln – zu erhalten (Denkmalschutz und Denkmal- geophysikalische Messmethoden wie Geoma- Wissen um Ursprung und Entwicklung mensch- pflege, Restaurierung), gnetik, Geoelektrik und Bodenradar notwendig. licher Gemeinschaften, sie sind daher unver- – zu erforschen (Rettungsgrabung) und Sämtliche Informationen zu den einzelnen zichtbar für die eigene kulturelle Identität. – die Ergebnisse ihrer Arbeit zu veröffentlichen Fundgebieten und Funden werden in der zentra- Dementsprechend bedarf es eines verant- (Publikation, Ausstellung, len Datenbank der Abteilung erfasst. wortungsvollen Umganges mit diesen Ge- Öffentlichkeitsarbeit). schichtsquellen im Boden, die weder unendlich Denkmalschutz und Denkmalpflege noch erneuerbar sind. Primäres Ziel der archäologischen Denk- 6 7
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:07 Uhr Seite 8 senschaftliche Ausgrabung sicherzustellen. seit Jahren alle Bauvorhaben archäologisch Nur durch sorgfältige Erfassung der Funde begleitet werden. Die Ergebnisse jedes einzelnen und Befunde mit anschließender Publikation Aufschlusses sind von Bedeutung für die Stadt- der Ergebnisse bleibt das Denkmal zumindest in geschichte, die sich aus den historischen Quellen Form einer wissenschaftlichen Dokumentation allein nicht gewinnen lässt. für die Nachwelt erhalten. So konnte vor kurzem in Pöchlarn erst- Dem durch wirtschaftliche Sachzwänge mals Lage und Baugeschichte des römischen verursachten Verlust an archäologischen Denk- Kastells Arelape geklärt werden. Teile der Befe- Pöchlarn, Hufeisenturm mälern können als positive Bilanz zumindest die an der Südmauer stigungsanlage können erhalten und ein Turm bei jeder einzelnen Grabung gewonnenen neuen des Kastells begehbar in den Neubau integriert werden. Erkenntnisse für die Wissenschaft und die Pöchlarn, Die archäologischen Quellen sind auch für Geschichte des Landes gegenüber gestellt werden. Rekonstruktion des die Geschichte des 20.Jahrhunderts eine wichti- Die Erschließung neuer Gewerbe- und Kastells nach den ge Ergänzung, wie das Beispiel einer Rettungs- Grabungsbefunden Baugebiete, der intensive Ausbau der Infrastruk- (links) grabung auf der Trasse der Ortsumfahrung von tur, Straßen- und Bahnbau sowie Materialab- Seitzersdorf-Wolfpassing zeigt, bei der eine Stel- Rettungsgrabung auf bau, erfordern Jahr für Jahr umfangreiche Un- lung aus dem 1.Weltkrieg zur Sicherung des der Trasse der Stadtkerngrabung Die Erfassung der archäologischen Denk- tersuchungen im Vorfeld dieser Baumaßnahmen. Ortsumfahrung Brückenkopfes Tulln nachgewiesen werden in Tulln, Areal des male auf Katasterbasis, also parzellengenau, ist Die Ergebnisse dieser großflächigen Gra- Seitzersdorf-Wolfpas- konnte. ehemaligen Dominikane- sing, Stellung aus rinnenklosters die Grundlage für den rechtlichen Akt der bungen haben den wissenschaftlichen Erkennt- dem 1.Weltkrieg Auch für die Erforschung und Revitalisie- Unterschutzstellung. nisstand zur Besiedlungsgeschichte ganzer Kult- (rechts) rung von historischen Gartenanlagen sind Mit der Schutzaufgabe eng verbunden ist urlandschaften wesentlich bereichert, wie etwa archäologische Untersuchungen von besonderer die Pflege der archäologischen Denkmale, die im Unteren Traisental, das heute zu den bedeu- Bedeutung. Die Ergebnisse der seit Jahren von Konservierung und Restaurierung sowohl von tendsten archäologischen Fundlandschaft von lichen Architektur- und Siedlungsgeschichte der Abteilung in einem der bedeutendsten Fundobjekten als auch von Befunden. Dies sind europäischem Rang zählt. unseres Landes gewonnen werden. barocken Gartenanlagen Österreichs, in Schloss- vor allem ergrabene oder im Aufgehenden Aber auch im Zuge der Revitalisierung und Tiefgreifende Veränderungen und Baumaß- hof im Marchfeld, durchgeführten Grabungen erhaltene Bauten, wie etwa die Befestigungsan- Restaurierung von historischen Bauobjekten, nahmen in den historischen Altstadtkernen ver- sind wesentliche Grundlage für die Wiederher- lagen am römischen Limes. besonders in Kirchen, Klöstern und Burgen, ursachen ebenso alljährlich umfangreiche Gra- stellung des Parks. Anhand der ergrabenen sind archäologische Untersuchungen unerläss- bungen, die eine Vielzahl an neuen Befunde in Verbindung mit bildlichen Quellen Rettungsgrabungen lich. Nur dadurch können wichtige Quellen zur Informationen zur Stadtentstehung und –ent- lassen sich sowohl architektonische Elemente Wie nie zuvor sind heute die archäologi- Baugeschichte des Objektes und zur mittelalter- wicklung sowie zu ihrer Sozial- und Wirt- wie Treppen und Brunnen als auch Wege- und schen Quellen in ihrer Existenz bedroht. Tagtäg- schaftsgeschichte liefern. Beste Beispiele dafür Pflanzstrukturen der Gartenanlage wiederge- lich werden bei Bauarbeiten einmalige und sind etwa die Städte Krems, Traismauer, Mau- winnen. Pöchlarn, unwiederbringliche Zeugnisse früherer Epo- tern, Tulln, Pöchlarn und Klosterneuburg, wo Rettungsgrabung im römischen Kastell (rechts) chen, die Aufschluss geben über Lebensweise, Arbeiten, Sitten und Gebräuche der Menschen früherer Zeiten, zerstört. Rettungsgrabungen Mautern, Restaurierung des zählen daher zwangsweise zu den Schwerpunkt- spätantiken aufgaben der archäologischen Denkmalpflege. Hufeisenturmes (links) Die Denkmalpflege hat in erster Linie für die unversehrte Erhaltung unseres Kulturerbes einzutreten. Bei unvermeidbarer Zerstörung ist sie im Sinne des öffentlichen Auftrages ver- pflichtet, die archäologischen Quellen vor ihrer endgültigen Zerstörung durch eine rechtzeitig vor dem Baugeschehen durchzuführende wis- 8 9
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:08 Uhr Seite 10 auf anschauliche und verständliche Weise darge- stellt werden. Die Öffentlichkeitsarbeit dient auch der Bewusstmachung, welcher Wert archäologischen Denkmälern zukommt und dass mit jeder Aus- grabung Wissenszuwachs, aber auch Verlust eines Originaldokumentes verbunden ist. Die Bedeutung der vielfältigen und oft einzigartigen archäologischen Sachzeugnisse liegt nicht in ihrem materiellen Wert, sondern in ihrer wissenschaftlichen Aussage als Quelle der Menschheitsgeschichte. Ihr Verlust verur- sacht eine nicht mehr schließbare Lücke in unserem Geschichtsbild. Die Erhaltung und Pflege des archäologi- Veröffentlichung Mit der Einrichtung eines Zentraldepots schen Erbes als Teil der Geschichte unseres Lan- Grabung in der barocken Ein wesentliches Anliegen der archäologi- und eines Zentrums für Restaurierung und des ist Aufgabe und Verpflichtung der archäolo- Gartenanlage von schen Denkmalpflege ist sowohl die Erschließ- Dokumentation in der ehemaligen Kartause Mautern, Westmauer gischen Denkmalpflege. Um den Heraus- Schlosshof (limks) ung neuer Quellen für die wissenschaftliche Mauerbach verfügt die Abteilung seit kurzem des römischen Kastells forderungen der Gegenwart auch in Zukunft Forschung als auch die Vermittlung der Ergeb- über entsprechende Räume, die eine effektive mit Fächerturm nach begegnen zu können, bedarf die archäologische Schlosshof, der Restaurierung Freilegung des barocken nisse ihrer Arbeit an die Öffentlichkeit. und rasche Aufarbeitung der umfangreichen (links) Denkmalpflege aber auch eines breiten Konsen- Neptunbrunnens Mit den wissenschaftlichen Publikationsor- Fundmaterialien sowie eine Archivierung der ses in der Öffentlichkeit und Politik. (rechts) Ausstellung der ganen, den jährlich erscheinenden Fundberich- Funde und Dokumentationen ermöglichen. Abteilung „WegZeiten“ Restaurierte Funde ten aus Österreich und der Monographiereihe Breiter Raum wird seitens der Abteilung im Kreuzgang der aus einem urnenfelder- Materialhefte Reihe A, kommt die Abteilung der Öffentlichkeitsarbeit gewidmet. Bei zahlrei- ehemaligen Kartause zeitlichen Kriegergrab in Mauerbach, Unterradelberg dieser Verpflichtung nach. chen Informationsveranstaltungen, Vorträgen, Teil Prähistorie (unten rechts) Voraussetzung für eine wissenschaftliche Führungen und Ausstellungen werden alljähr- (rechts) Auswertung der Grabungsergebnisse ist die lich Öffentlichkeit und Medien über die Ergeb- Restaurierung und naturwissenschaftliche Ana- nisse der denkmalpflegerischen Arbeit infor- lyse des Fundmateriales. Ohne Restaurierung miert. wäre die Masse der Funde weder wissenschaft- Durch museale Präsentation der Funde lich auszuwerten noch als Ausstellungsobjekt und Befunde können Methoden, Ziele und geeignet. Eine gut ausgestattete Restaurierwerk- Erkenntnisgewinn archäologischer Grabungen stätte ist daher eine wichtige Einrichtung der archäologischen Denkmalpflege. Da den Funden Quellencharakter zukommt, muss ihre Verfügbarkeit für zukünfti- ge Forschung mit neuen Fragestellungen und Methoden gesichert sein. Eine wesentliche Vor- aussetzung dafür ist die Archivierung und Auf- bewahrung der Funde in einem Zentraldepot. Ausstellung „WegZeiten“, Teil römische Ebenso wichtig ist die Archivierung des seit Gräberstraße mehr als 150 Jahren in der Abteilung registrier- ten Dokumentationsmateriales, Berichte, Fotos, Pläne sowie Grabungsdokumentationen. 10 11
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:08 Uhr Seite 12 Archäologische Landesaufnahme in Niederösterreich durch die Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes – Ein Blick in die Zukunft der Vergangenheit Marianne Pollak Grundlage jeder vorsorgenden archäologi- phie werden Fundgeschichte, Funde und Befun- Römische Fundstellen zwischen Melk und Wien Christian Mayer schen Denkmalpflege ist die Gesamterfassung de, Datierung, Kulturzugehörigkeit, der Aufbe- nach Stand der Landes- des Bestandes an archäologischen Fundstellen. wahrungsort der Fundgegenstände sowie die aufnahme 2004 Nur die Kenntnis von Lage und Art dieser gesamte Literatur angeführt. Entsprechend der umfangreichen Gruppe von Denkmalen ermög- Zuständigkeit der Abteilung für Bodendenkmale licht im besten Fall ihre unversehrte Erhaltung werden alle Fundstellen vom Beginn der öster- für künftige Generationen, im schlechtesten Fall reichischen Geschichte um 140 000 v. Christus eine fachgerechte archäologische Untersuchung bis in das 20. Jh. n. Christus berücksichtigt. vor drohender Zerstörung. Daher gehört die In Niederösterreich sind bisher etwa 15 000 archäologische Landesaufnahme, also das Erstel- Fundstellen erfasst, das ist wohl etwa die Hälfte len eines Inventars aller archäologischen Fund- der insgesamt noch erhaltenen und ein unbe- stellen, zu den wichtigsten Aufgaben der Abtei- kannt großer Anteil der ehemals vorhandenen. lung für Bodendenkmale des Bundesdenkmal- Die meisten archäologischen Denkmale sind amtes. Dieses Inventar liefert die Grundlagen ober Tag nicht sichtbar. Sie sind aber bei der Pro- für die Stellung einer Fundstelle unter Denk- spektion anhand von Verfärbungen des Erd- malschutz sowie für die Berücksichtigung von reichs, Fundstücken auf der Erdoberfläche oder Die Mehrzahl der heute erhaltenen Grab- gen. Häufig sind es in der Römerzeit angelegte Bodendenkmalen in Planungsverfahren. Das aus der Luft als regelmäßige Strukturen zu erken- hügelgruppen liegt in Waldgebieten mit ihren Straßen, die viel älteren Pfaden folgen und im sind zum Beispiel Gutachten für Raumordnung nen. Sogenannte Geländedenkmale, bis heute günstigen Erhaltungsbedingungen, da hier über Mittelalter wieder benützt wurden. So bilden sie und Flächenwidmung sowie Großbauvorhaben. sichtbare Spuren einer fernen Vergangenheit, Jahrtausende hin die Grabhügel vom Pflug ver- den Kern des modernen Verkehrssystems. In den letzten Jahren sind auch Detailgutachten gehören zu den die Kulturlandschaft prägenden schont blieben. Die Lage auf Höhenplateaus Der Bergbau war von seinen Anfängen im für Umweltverträglichkeitsprüfungen hinzuge- Elementen. Ihre Vielfalt ist erstaunlich und zeigt aber, dass die Sichtbarkeit dieser Monu- Neolithikum bis in jüngste Vergangenheit ein kommen. umfasst Objekte unterschiedlichster Funktion. mente ein wesentliches Ziel ihrer Erbauer gewe- wahrer Wirtschaftsmotor. Seine Spuren zeigen Die Erfassung aller archäologischen Fund- Dazu zählen Wehranlagen, die von der sen sein muss und dass sie ursprünglich in sich an tiefen Einbruchskratern entlang von stellen Österreichs erfolgt mit Hilfe einer in der jungsteinzeitlichen befestigten Siedlung über unbewaldetem Gebiet lagen. In Gegensatz dazu Stollen, den sog. Pingen, deren linearer Verlauf Abteilung erstellten und programmierten Ringwallanlagen und römische Kastelle am konnten sich im heute landwirtschaftlich jenem der künstlichen Einbauten entspricht. Zu Datenbank nach einem streng normierten Sche- Donaulimes bis zu den hochmittelalterlichen genützten Freiland nur die größten Tumuli bis den jüngsten Geländedenkmalen zählen die ma. Zur Interpretation und zeitlichen Einord- Hausbergen und abgekommenen Wasserschlös- in unsere Zeit erhalten. So lag der berühmte Überreste abgekommener mittelalterliche Ort- nung von Funden und Befunden werden wissen- sern reichen. Großgrabhügel von Großmugl ursprünglich schaften („Wüstungen“) und ihrer ehemaligen schaftliche Fachliteratur, Archivmaterialen und Die umfangreichste Gattung bis heute nicht allein, sondern war von einer ganzen Ackerfluren. Museumsinventare herangezogen. Zusätzlich sichtbarer Denkmale bilden Hügelgräbergrup- Anzahl weiterer Hügelgräber umgeben. Sie sind Die Charakteristik archäologischer Fund- werden Prospektionsmethoden wie systemati- pen oder einzelne Grabhügel. Die Sitte, die Ver- heute eingeebnet und allenfalls noch anhand landschaften, ihrer Denkmäler und ihrer Erhal- sche Geländebegehung, Auswertung von Luftbil- storbenen unter einem Tumulus zu bestatten, ihrer Umfassungsgräben in Luftbildern kennt- tung ist regional völlig unterschiedlich und dern und geophysikalische Messungen einge- wurde in mehreren historischen Perioden geübt. lich. hängt unmittelbar mit dem Naturraum, der setzt. Dabei werden neue Fundstellen erfasst, Wir kennen Hügelgräber aus der mittelbronze- Nicht nur der religiöse und kriegerische gegenwärtigen Ökumene und Siedlungsdyna- Angaben über bereits bekannte Fundstellen zeitlichen Hügelgräberkultur, der Zeit der Hall- Teil der Geschichte hat im Landschaftsbild Spu- mik, der Nähe zu Ballungsräumen und der Ver- überprüft und ihr Erhaltungszustand ermittelt. stattkultur, der Älteren Römischen Kaiserzeit ren hinterlassen. Bis heute lassen sich histori- fügbarkeit von Rohstoffen zusammen. Neben detaillierten Angaben zur Topogra- und dem Frühmittelalter. sche Verkehrswege über viele Kilometer verfol- Aus diesem Grund zeigen sich am archäo- 12 13
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:09 Uhr Seite 14 logischen Fundbestand der vier Viertel Niederö- Zersiedelung stellen eine weitere Gefahr dar. sterreichs zahlreiche Unterschiede. Nördlich der Und damit schließt sich der Kreis: Jedes Fach- Infrastrukturelle Großbauvorhaben und Donau ist das Weinviertel die seit der Altstein- gutachten für Raumordnung und Flächennut- die archäologische Denkmalpflege zeit am intensivsten besiedelte Region Öster- zung oder für Umweltverträglichkeitsprüfungen reichs, während die ur- und frühgeschichtliche ist nur so gut und zielführend wie die vorange- Besiedlung des Waldviertels mit Ausnahme von hende Inventarisation. Horner Bucht und Eggenburger Becken recht Dementsprechend muss ein weiterer dünn war. Im Viertel Ober dem Wienerwald bil- Schritt in der archäologischen Landesaufnahme deten neben dem außergewöhnlich fundreichen gesetzt werden: Bisher wurden die erhobenen Christoph Blesl Einleitung Planungsverfahren Traisental die Täler von Erlauf und Ybbs die Daten mit einer konventionellen Datenbank Martin Krenn Niederösterreich, im Herzen Europas gele- Bereits im Zuge der Vorplanung eines Bau- Siedlungsschwerpunkte. Im Viertel Unter dem elektronisch verwaltet. Da die kartographischen gen, wird derzeit zu einer Verkehrsdrehscheibe projektes wird im Regelfall die Abteilung für Wienerwald war der Raum zwischen Donau und und planlichen Unterlagen zu den Fundstellen ausgebaut. Zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen Bodendenkmale über die geplanten Varianten Leithagebirge besonders dicht besiedelt. Im nicht jederzeit elektronisch verfügbar sind, wie der Ausbau der Westbahn zwischen Salzburg neuer Verkehrswege informiert. Mit Hilfe der Raum der Neuen Welt und der Buckligen Welt bedeutet die Zusammenstellung von Unterlagen und Wien mit der Neubaustrecke durch das über Jahrzehnte aufgebauten Fundstellendatei finden sich zahlreiche Spuren ur- und früh- für Unterschutzstellungen von Fundstellen oder Tullnerfeld, die Errichtung der Weinviertel kann dem Bauwerber ein relativ klares Bild der geschichtlicher Metallgewinnung und -verarbei- für die Kontrolle von großen Bauvorhaben Autobahn und der Nordost Autobahn sowie der betroffenen archäologischen Fundzonen gelie- tung. immer noch einen erheblichen Zeitaufwand. Südspange Wiens greifen tief in die Kulturland- fert werden. Bei der Variantenfindung werden Natürlich kann sich die archäologische Dieser läßt sich durch den Einsatz eines Geogra- schaft ein. In Zusammenhang mit diesen diese Ergebnisse eingearbeitet und berücksich- Landesaufnahme als Instrument des Denkmal- phischen Informationssystems (GIS) wesentlich Großprojekten stehen lokale Maßnahmen, die tigt. So werden Trassen teilweise verworfen, schutzes nicht einfach mit der Darstellung des herabsetzen, da damit alle geographischen den Regionalverkehr in das neue Verkehrskon- lagemäßig adaptiert oder besondere Schutzmaß- Ist-Zustandes zufrieden geben, da aus der Dyna- Informationen und ein vollständiges elektroni- zept einbinden. Durch die genannten Bauvorha- nahmen wie z. B. Brückenbauten als Auflage des mik moderner Besiedlung ständig neue Bedro- sches Archiv graphischer Daten mit Sachdaten ben werden zahlreiche archäologische Denkmale Bundesdenkmalamtes in die Varianten eingear- hungen für archäologische Fundstellen entste- zusammenführt werden können. Die in der gefährdet. Aufgabe der Bodendenkmalpflege ist beitet. Die Trasse der HLAG im hen: bereits erarbeiteten Datenbank vorhandenen Bereich Freundorf es, in diesem Zusammenhang Strategien und In einem zweiten Schritt kommt es von Sei- Geländedenkmale sind überall in Wäldern Daten erscheinen zusammen mit den dazu- Methoden zu entwickeln, die einerseits dem ten der Bauträger zu einer Variantenentschei- bis jetzt am besten erhalten und haben bis vor gehörigen Plänen, Luftbildern und Karten am Erhalt, andererseits der Dokumentation und der dung und einer Definierung der genauen Trasse. kurzem als ungefährdet gegolten. Heute bietet Bildschirm. Damit wird ein technischer Stan- fachgerechten Bergung des archäologischen Im Konzept der Umweltverträglichteitser- der Wald aber keinen ausreichenden Schutz. Die dard in der Datenhaltung erreicht, wie er einer Erbes dienen. klärung (UVE) werden die Grundzüge des Vor- modernen Methoden intensiver Bewirtschaf- modernen öffentlichen Verwaltung entspricht. habens beschrieben und den zuständigen tung unter Einsatz schwerer Maschinen machen Planung, Programmierung des Systems und Behörden zur Stellungnahme vorgelegt. Die die Anlage entsprechender Forstwege erforder- Weiterentwicklung der Programme erfolgen Auswirkungen auf Kulturgüter, zu denen auch lich, die verheerende Zerstörungen bewirken durch die Abteilung selbst. Dies gewährleistet, Bodendenkmale zählen, werden somit bereits in können. dass die verwendete Software optimal den der Einreichphase berücksichtigt. Im Rahmen Für Freilandfundstellen stellt die industri- Bedürfnissen der archäologischen Denkmalpfle- des Trassenfestlegungsverfahrens wird die elle Landwirtschaft das größte Gefährdungspo- ge entspricht – bei minimalen Kosten. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchge- tential dar. Der Zustand zahlreicher Fundplätze Damit ist die Zukunft der Landesaufnahme führt. Dabei wird die Umweltverträglichkeitser- lässt befürchten, dass sie im Lauf der nächsten vorgezeichnet: klärung zur allgemeinen Einsicht aufgelegt, von Jahrzehnte verschwunden sein werden. Stand bisher die Erhebung und die Benach- Fachgutachtern der Behörde, zu denen auch das Es gibt zahlreiche Gebiete mit höchst unbe- richtigung von Betroffenen und öffentlichen Bundesdenkmalamt gehört, beurteilt und erör- friedigendem Forschungsstand. Ziel der archäo- Stellen im Vordergrund, liegt jetzt der Schwer- tert. Auf Grund der Ergebnisse der Umweltver- logischen Landesaufnahme muss es daher sein, in punkt der Landesaufnahme in der Planung träglichkeitsprüfung werden die Detailbewilli- diesen Gebieten Arbeitsschwerpunkte zu setzen. denkmalschützerischer Maßnahmen, um den gungen nach den relevanten Gesetzen erlassen Großbauvorhaben, wie der Neubau von Belangen der Bodendenkmalpflege im moder- und die erforderlichen Auflagen formuliert. In Bahnstrecken, Autobahnen und Versorgungslei- nen Verwaltungswesen eine Stimme zu diesem Stadium werden von der Bodendenk- tungen, Gewinnung von Massenrohstoffen und verleihen. malpflege sämtliche bis dahin gewonnenen 14 15
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:09 Uhr Seite 16 Ergebnisse aus Begehungen, Luftbildflügen und rangiges Ziel der Denkmalpflege ist die fachge- Arbeitsplan kann nun mit der eigentlichen Frei- lenstoffisotops 14C, beziehungsweise durch anderen Prospektionsmethoden bekannt gege- rechte Untersuchung der betroffenen Flächen legung begonnen werden. Thermolumineszenz-Datierung (Beim Erwär- ben. Schutz oder fachgerechte Freilegung der bei Einhaltung der vereinbarten Fertigstellungs- Eine besondere Herausforderung an das men bestimmter Stoffe tritt ein Aufleuchten in einzelnen Fundgebiete wird als Auflage formu- termine. Grabungsmanagement stellt der Umgang mit einer charakteristischen Farbe auf, deren Inten- liert. Im Bauprojekt werden diese Vorgaben Am Beginn jeder Rettungsgrabung steht dem gewonnenen Datenmaterial dar. Nur durch sität bezüglich des Alters der Probe interpretier- berücksichtigt und für die Bergung der Boden- der maschinelle Abhub der Humusdecke unter eine Standardisierung der Befund- und Funddo- bar ist). Bei gut erhaltenen Hölzern kann durch denkmale entsprechende Zeithorizonte einge- Aufsicht eines Archäologen. Der durchpflügte kumentation mittels einer zentralen Erfassung die Dendrochronologie (Jahresringdatierung) plant. Somit wird nicht nur ein entsprechender Ackerhumus wird bis zum Auftreten erster aller Informationen (Texte, Bilder, Pläne, Proto- das exakte Schlagdatum bestimmt werden. Zum Zeitraum für die archäologischen Untersuchun- archäologischer Spuren schichtweise abgezogen. kolle etc.) in eigens dafür adaptierten Datenban- Gesamtergebnis einer Fundstelle tragen diese gen gewährleistet, sondern auch der geplante Besonders geschulte und teilweise schon Jahre ken und Vermessungsprogrammen ist eine effi- Untersuchungen mindestens genauso viel bei Baubeginn sichergestellt. im archäologischen Einsatz befindliche Bagger- ziente Verwaltung der Datenmengen möglich. wie der schönste Fund. fahrer ermöglichen zentimetergenaues Arbeiten Hierdurch kann eine fachliche Qualitätssiche- Parallel zu den Arbeiten im Feld wird das Realisierungsphase unter größter Bedachtnahme auf die Substanz rung gewährleistet werden. Der schnelle Zugriff geborgene Fundmaterial gewaschen, inventari- Nach Abschluss der Planungsphase wird des Bodendenkmales. Der kontrollierte und auf diese Daten ermöglicht ein professionelles siert und restauriert. Durch diese Vorgangsweise von Seiten der archäologischen Denkmalpflege gezielte Maschineneinsatz steht nicht im Wider- Bauzeitmanagement sowie eine sparsame Res- kann die wissenschaftliche Aufarbeitung ehebal- ein Arbeitsplan entworfen. Die zeitliche Abfolge spruch zu den Methoden der Archäologie. Meh- sourcenplanung. Sowohl langfristige Planungen digst beginnen. der einzelnen Rettungsgrabungen richtet sich rere Hektar große Fundgebiete können in relativ als auch flexible Reaktionen aus sich verändern- einerseits nach archäologischen Vorgaben, d. h. kurzer Zeit geöffnet und in ihrer exakten Aus- den Rahmenbedingungen lassen sich nur auf Ergebnisse besonders relevante oder arbeitsintensive Berei- dehnung erfasst werden. Sauber abgezogene dieser Grundlage bewältigen. Ebenso ist eine Die flächigen Rettungsgrabungen im Zuge che werden vorgezogen, andererseits nach den Flächen erleichtern die Begutachtung bei der fachlich korrekte Erstbeurteilung sowie eine infrastruktureller Großbauvorhaben erlauben Wünschen der Bauträger. Brücken und Tunnel, Ansprache der Befunde (Fundsituation – Grä- rasche Verfügbarkeit des Materials zur wissen- teilweise neue Zugänge. Archäologische Fund- Baustraßen, temporäre Verkehrsumlegungen, ber, Siedlungsobjekte etc.) und der Einschät- schaftlichen Aufarbeitung gegeben. landschaften werden großflächig erfasst und Flächen für infrastrukturelle Maßnahmen zur zung des Arbeitsaufwandes für deren Dokumen- Neben der reinen archäologischen Arbeit zeichnen ein für uns neues Bild der Kulturland- Baustelleneinrichtung stehen am Beginn jeder tation und Bergung. werden zahlreiche Nachbarwissenschaften zur schaft. Baustellenabwicklung und somit auch am Im Anschluss wird die betroffene Fläche Gesamtbeurteilung einer Fundstelle herangezo- Auf Grund der künstlichen (Kommassie- Beginn des archäologischen Bauzeitplanes. Die händisch überarbeitet, bis die Befundlage klar gen. In Siedlungsbereichen werden große Men- rung, Baumaßnahmen etc.) und natürlichen zeitliche Abstimmung der einzelnen Punkte zu Tage tritt. Mit einem Tachymeter werden die gen Erdproben flotiert und geschlämmt, um (Erosion) Landschaftsveränderung kann eine kann nur in permanenter Absprache zwischen archäologischen Strukturen vermessen und mit botanische und winzige tierische Überreste zu extreme Gefährdung von Fundstellen in expo- Archäologie und Baumanagement erfolgen. Vor- Objektnummern versehen. Mit dem so erstellten dokumentieren. Mit Hilfe der Archäozoologie nierter Lage dokumentiert werden. Von ganzen und -botanik sowie der Bodenkunde kann die Siedlungen und Gräberfeldern bleiben nur noch Untersuchung einer Ernährungsgrundlage und die Umwelt im die am stärksten eingetieften Objekte erhalten. paläolithischen und neo- lithischen Fundstelle auf Bereich der Fundstelle zu einer bestimmten Zeit In bestimmten Landstrichen ist allerdings das der Trasse der HLAG rekonstruiert werden. Gegenteil zu beobachten. Bis heute unbekannte bei Saladorf Die Untersuchung menschlicher Skelettre- Fundstellen, überlagert von mächtigen Erosi- ste liefert wertvolle Informationen über einzelne ons- oder Überschwemmungsschichten, werden Personen und über die Bevölkerungsstruktur. So erst bei tiefen Bodeneingriffen aufgedeckt. lassen sich etwa Sterbealter, Geschlecht und Diese Beobachtungen liefern für viele Körperhöhe bestimmen; bei Personengruppen Landschaften nicht nur einen völlig neuen werden Verwandtschaftsbeziehungen, Ernähr- Kenntnisstand für die archäologische Denkmal- ungslage und Altersstruktur untersucht, auch pflege und erleichtern die Planung bei zukünfti- Krankheiten und Verletzungen sind, soweit sie gen Bauprojekten in anderen Regionen mit ver- Spuren am Knochen hinterlassen, nachweisbar. gleichbarer Topographie. Die genaue Bestimmung des archäologi- Erstmals gelang es der Abteilung für schen Alters einzelner Funde oder Befunde Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes beim erfolgt mittels Messung des radioaktiven Koh- Bau der S33 im Traisental eine großflächige Kul- 16 17
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:10 Uhr Seite 18 3. Jahrhunderts n. Chr. hervorzuheben. Diese wird in einem gesonderten Artikel im gleichen Band vorgestellt. A6, Nordost Autobahn Bei der Errichtung der Nordost Autobahn sind ingesamt elf Fundstellen mit einer Gesamt- fläche von 70 Hektar vom Baugeschehen betrof- Seitzersdorf-Wolfpassing, Saladorf, Befestigung aus dem fen. Bis zum momentanen Zeitpunkt konnte ein Freilegung neolithischer Jahr 1914 frühbronzezeitliches Gräberfeld der Wieselburg Siedlungsobjekte Kultur (um 1.700 v. Chr.), eine latènezeitliche Siedlung, römische Holzbauten sowie Gruben- häuser der Völkerwanderungszeit dokumentiert turlandschaft zu erschließen. Durch das Ver- werden. kehrsprojekt und durch die damit verbundenen Begleitmaßnahmen (Schotterabbau, Errichtung S1, Umfahrung Wien neuer Industriegebiete) wurde eine ur- und Beim Bau der Wiener Südumfahrung frühgeschichtlich dicht besiedelte Landschaft gelang es in den Jahren 2001 – 2003 eine jung- gefährdet und musste in kürzester Zeit archäo- steinzeitliche Siedlung aus der Wende vom logisch dokumentiert werden. 6. zum 5. Jahrtausend v. Chr. freizulegen, weiters Trotz großer Erfolge für die Archäologie wurden Gehöfte der Bronze- und Eisenzeit z.B. auf dem Sektor der Bronzezeitforschung, ist sowie ein Gräberfeld der Urnenfelderkultur auf- aus Sicht der Denkmalpflege ein großer Verlust gedeckt. Spektakulär war der Fund eines 675 an Fundstellen zu vermerken. Es wurden aber Bestattungen umfassenden awarischen Gräber- unschätzbare Erfahrungen für die Betreuung der feldes, das zu den größten Nekropolen dieser und im Vorfeld archäologisch untersucht (Jet- Eisenbahn-Hochleistungsstrecke aktuellen Großbauprojekte gewonnen. Art in Österreich zählt. zelsdorf, Ziersdorf, Mold). Hervorzuheben ist Wien – St. Pölten Die damals erarbeiteten Grundlagen wer- die Grabung auf der Ortsumfahrung von Seit- Zwischen dem Knoten Wagram östlich von den bei der Errichtung der neuen Verkehrswege, Regionale Straßenprojekte zersdorf-Wolfpassing. Auf einer Flugaufnahme St. Pölten und dem Beginn des Wienerwaldtun- wie dem Ausbau der Westbahn durch die Eisen- Zahlreiche Ortsumfahrungen wurden in zeichneten sich auf der Trasse weitläufige Struk- nels südlich von Staasdorf erfordern rund 40 bahn-Hochleistungsstrecken-AG (HL-AG), der den letzten Jahren in Niederösterreich errichtet turen im Getreidebewuchs ab, deren Interpreta- Kilometer Eisenbahnbau intensive archäologi- Nord- und Nordost-Autobahn durch die ASFI- tion als Stellung aus dem Ersten Weltkrieg durch sche Betreuung. Zwanzig archäologische Fund- NAG sowie bei allen anderen Straßenbauprojek- die Grabung und Archivforschungen möglich stellen mit einer Gesamtausdehnung von ten des Landes Niederösterreich umgesetzt. wurde. 680.000 m2 wurden der HL-AG vor Baubeginn Seitzersdorf-Wolfpassing, Die Anlage gehört zu dem 1914 errichteten, bekannt gegeben und seit dem Jahr 2000 mit Befestigung aus dem Beispiele: aus 157 Stellungen bestehenden Befestigungs- großem Erfolg untersucht. Bis August 2004 Jahr 1914 während der Grabung A5, Weinviertel Autobahn kordon zur Sicherung des Brückenkopfes von konnten eine altsteinzeitliche Jagdstation, jung- Auf der Weinviertel Autobahn konnten von Tulln. Es handelt sich dabei um ein so genanntes steinzeitliche, bronzezeitliche und eisenzeitliche Juni 2003 bis Juli 2004 insgesamt fünf Fundstel- Hauptwerk für eine Infanteriekompanie, ausge- Siedlungen und Gräber sowie römische Landgü- len mit einer Gesamtfläche von 200.000 m2 stattet mit granatensicheren Einbauten, fünf ter und Friedhöfe freigelegt werden. Auch reich untersucht werden, vier weitere, etwa gleich Erdbeobachtungsposten und einem Stachel- ausgestattete Bestattungen der späten Völker- große Flächen müssen bis Sommer 2005 abge- drahtzaun, das bei den Grabungen dokumen- wanderungszeit (6. Jahrhundert n. Chr.) und schlossen sein. Neben einem mittelbronzezeitli- tiert werden konnte. Siedlungsobjekte des Frühmittelalters (8. – 11. chen Gräberfeld (um 1.500 v. Chr.) und einem Erstmals wurde damit ein militärhistori- Jahrhundert n. Chr.) lagen im Bereich der kupferzeitlichem Gehöft (4./3. Jahrtausend v. sches Zeitzeugnis der jüngsten Vergangenheit zukünftigen Eisenbahn-Hochleistungstrecke. Chr.), ist eine germanische Siedlung des 2. und auch archäologisch erfasst. 18 19
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:10 Uhr Seite 20 Keltische Grabhügel am Ufer der Perschling Übersicht: Grabhügel Christoph Blesl Die Neubaustrecke Wien St. Pölten ist ca. 680.000 m2 können zur Gänze untersucht 1, 2 und 3. Die Hügel Fritz Preinfalk wesentlicher Bestandteil des viergleisigen Aus- werden. wirken auf der Abbildung überhöht, da der alluvia- baus der Westbahn zwischen Wien und Wels. Eine der 20 Fundstellen liegt im Bereich le Auboden bereits Der 42,3 Kilometer lange Streckenabschnitt der neuen Eisenbahnbrücke über die Perschling abgetragen ist. reicht von der Landesgrenze Wien/Niederöster- nahe zum Ufer des heutigen Flusslaufes, etwa Frühlatènezeitliche reich im Osten bis zu Einbindung in die beste- 0,5 Kilometer südlich der Ortschaft Rassing im Bestattung in Hügel 1 hende Westbahn durch den Knoten Wagram Gemeindegebiet von Kapelln. Auf der ca. 9.000 (unten) Bahnbau und Archäolo- bei St. Pölten. m2 großen Fläche wurden im Oktober 2003 gie. Die Baustelle der Die Abteilung für Bodendenkmale des keltische Gräber entdeckt. Der kleine Friedhof neuen Perschlingbrücke, rechts die ausgegrabenen Bundesdenkmalamtes begann mit den archäolo- bestand aus drei Grabhügeln und fünf Flachgrä- keltischen Hügelgräber. gischen Untersuchungen auf der Neubaustrecke bern, die etwa in der Zeit um 400/380 v. Chr. im Jahr 2000 in Pottenbrunn (Knoten Wagram). angelegt wurden. Kammer wurde dann ein Erdhügel aufgeschüt- Umfassungsgraben – wohl das Fundamentgräb- Seit Dezember 2002 werden die Fundgebiete im Die Grabhügel bestanden aus einer ebener- tet. Die Hügel wurden später, nach dem sie weit- chen einer den Hügel im Sinne einer Krepis Streckenabschnitt Wienerwald und Tullnerfeld dig, auf der Oberfläche des antiken Aubodens gehend durch Witterungseinflüsse abgetragen begrenzenden Palisadenreihe – mit einem ergraben und seit Oktober 2003 jene im errichteten, hölzernen Grabkammer, deren waren, knapp über dem Niveau der Grabkam- Durchmesser von 14 Meter gibt den ursprüngli- Abschnitt West (Perschlingtal). Die betroffenen Größe durch die Lage und Anordnung der Bei- merdecke von löss-lehmigem Erosionsmaterial chen Durchmesser des Tumulus an. archäologischen Fundstellen im Ausmaß von gaben rekonstruiert werden kann. Über der überdeckt und so konserviert. Über dieser Bei den beiden Grabhügeln, die keinen Schicht bildete sich ein neuer Boden, der die Umfassungsgraben aufwiesen, kann die ur- heute bewirtschaftete Oberfläche darstellt. sprüngliche Dimension nicht exakt bestimmt Die Schächte der Flachgräber wurden in werden, da die Hügel durch Witterungseinflüsse alluvialen Boden bis in den tiefer anstehenden abgetragen und an ihrer Basis Schüttmaterial Lehm oder älteren Auboden eingetieft und nach über den ursprünglichen Durchmesser hinaus der Grablege mit lehmig-humosem Material abgelagert wurde. verfüllt. Die Grabkammer von Hügel 1 enthielt die Skelettreste eines Mannes, ein Großgefäß, eine Linsenflasche, zwei kleine Schüsseln, ein Hau- messer, einen Bronzering, eine eiserne Gürtel- schnalle mit kästchenförmigem Beschlag, eine eiserne Speerspitze, ein eisernes Griffangel- schwert sowie eine Bronze- und eine Eisenfibel. Besonders die Bronzefibel – es handelt sich um eine frühe Variante der Duxer Fibel – legt eine Datierung des Grabes in die Stufe Latène B1 nahe. Aus Grabhügel 2 stammt ein weiteres Schwert mit den Resten einer Bronzescheide. Ein 20 21
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:11 Uhr Seite 22 Eine germanische Siedlung in Pellendorf Gottfried Artner Seit Juni 2003 wird im Zuge der Errich- Martin Krenn Aus den fünf Flachgräbern wurden weitere tung der A5, der Weinviertel-Autobahn, in der Keramikgefäße wie Schüsseln, Linsenflaschen KG Pellendorf auf 30.000 m2 eine großflächige und Großgefäße geborgen, ebenso bronzene Rettungsgrabung des Bundesdenkmalamtes, Fibeln, Hals-, Arm- und Fingerringe sowie ein Abteilung für Bodendenkmale, durchgeführt. Eisenwerkzeug mit Beingriff. Der großflächige Eingriff wurde nötig, da hier Zumindest eine weitere Bestattung dürfte für die Autobahn ein Brückenbauwerk und ein der Regulierung der Perschling beziehungsweise Pellendorf, Wasserrückhaltebecken projektiert sind. Bei Luftaufnahme Juli 2004 der folgenden Kommassierung zum Opfer gefal- (rechts) den Begehungen im Jahre 2002 wurden auf den Die Kammer des Grabhügels 3, die eben- len sein. Der Fund eines Schwertes aus dem betroffenen Feldern zahlreiche Keramikfrag- Grab 7 Doppelbestattung. Pellendorf, (links) falls nur durch die Anordnung der Funde Bereich eines in den 1960er Jahren zuplanierten mente aufgesammelt. Die Luftbildauswertung Übersichtsplan erschlossen werden konnte, dürfte wohl in der Altarmes des Flusses unmittelbar neben den (unten) zeigte allerdings keine klar interpretierbaren Eisernes Griffangel- Antike beraubt worden sein, worauf die starke Grabhügeln wurde erst 2004 bekannt gegeben. Befunde. Die Niederung des West-Ost verlau- schwert, Pfeil- und Speerspitzen. Verwerfung der meisten Beigaben hindeutet. Sie Die Auffindung des frühlatènezeitlichen fenden Goldbaches, zwischen Pellendorf und (rechts) beinhaltete noch ein Großgefäß, ein situlenför- Friedhofs an der Perschling ergänzt das Bild die- Gaweinstal gelegen, ist im Franziszeischen Kata- miges Gefäß, zwei Schüsseln sowie ein weiteres, ser Fundlandschaft um einen wesentlichen ster als Sumpfniederung eingetragen. Der Süd- Nach dem maschinellen Abhub der völlig zerscherbtes Gefäß, zwei eiserne Speer- Punkt. Bisher waren aus dem Perschlingtal nur hang, auf dem sich die Fundstelle direkt entlang Humusdecke zeichnete sich im anstehenden spitzen, zwei Eisenringe, ein eisernes Haumesser zwei keltische Siedlungen bekannt. Nunmehr des Baches erstreckt, fällt sanft Richtung Nor- Lössboden eine Vielzahl von Siedlungsobjekten sowie eine Eisenfibel und eine bronzene Vogel- konnten hier erstmals auch keltische Grabbau- den ab. Die nördliche Begrenzung des Tales ist ab. Die Befunde erstrecken sich bis direkt an kopffibel, die eine Datierung der Grablege in die ten aufgedeckt werden. Die Lage des Friedhofes stärker gegliedert. den Goldbach, sind dort allerdings bedingt Stufe Latène A2 andeutet. Vom Leichnam selbst in der Flussniederung zeigt außerdem, dass haben sich keinerlei Überreste erhalten, was hochwassersichere Flussterrassen oder zumin- wohl hauptsächlich auf die schlechten Boden- dest leichte Geländeerhöhungen nicht immer verhältnisse und weniger auf die antike Berau- Voraussetzungen für die Wahl eines Bestat- bung zurückzuführen sein dürfte. tungsplatzes sind. Hals-, Arm-, Fingerring und Fibeln aus Bronze, Werkzeug aus Eisen mit Beingriff. (links) Großgefäß, Linsenflasche und Schüssel (rechts) 22 23
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:12 Uhr Seite 24 durch den anstehenden Aulehm und den hohen Gebrauchskeramik, die als Koch- und Vorrats- Grundwasserspiegel nur schwer fassbar. Bisher geschirr diente, findet sich auch sorgfältig ver- wurden rund 1.300 Objekte untersucht. zierte Feinware. Diese Keramiken waren vor- wiegend als Ess- und Trinkgefäße in Gebrauch. Prähistorische Befunde Neben der einheimischen Ware kann Importke- Der einzige, klar zuweisbare prähistorische ramik aus dem Römischen Reich beobachtet Befund auf der gesamten Grabungsfläche ist ein werden. Vereinzelt sind so genannte Terra Sigil- frühbronzezeitliches Kindergrab. Die Nord-Süd lata-Gefäße vertreten. Fibeln, Messer, Kämme Elsarn, Rekonstruktion eines germanischen orientierte Bestattung ist in rechtsseitiger und Gewandnadeln sowie Bruchstücke von Gehöftes Hockerlage niedergelegt worden. Eine Schale Glasarmreifen runden das Fundspektrum ab. (oben) mit vierfach ausgezipfeltem Rand und eine An Hand der Befunde ist die Rekonstrukti- Pellendorf, Objekt 403 Tasse mit randständigem Henkel als Beigaben tiefte Hüttenbauten sowie zum Teil sehr tiefe konnte bislang die Konstruktion der Außen- on der einzelnen Bauten möglich und eine etwa mit in der Seitenwand waren dem Kind für die Reise in das Jenseits Abfall- bzw. Vorratsgruben, anhand deren sich wände in Form einer Bohlenwand dokumen- 1800 Jahre alte Siedlung kann in ihrer komplet- eingebauter Ofenanlage (unten) mitgegeben worden. In einzelnen Siedlungsob- die komplette Siedlungsstruktur des Dorfes tiert werden. ten Struktur erschlossen werden. Die Befundla- jekten fanden sich spätlatènezeitliche Keramik- ablesen lässt. Neben den Wohn- und Wirtschaftsbauten ge in dieser Dimension ist derzeit in Österreich fragmente. Diese könnten darauf hinweisen, Die germanischen Wohnbauten lassen sich finden sich zahlreiche, in den Boden eingetiefte einzigartig. Von der Auswertung dieser Grabung dass eine Kontinuität zur darauf folgenden als langrechteckige Ständerbauten mit bis zu Pellendorf, Ofenanlagen, die vorwiegend als Backöfen dien- sind wertvolle Ergebnisse für die germanische germanischen Siedlung bestand. 20 m Länge nachweisen. Von ihnen haben sich verzierter Knochenkamm ten. Besonders hervorzuheben ist eine dreiteili- Siedlungstätigkeit in Österreich zu erwarten. (links) lediglich die in den Boden gegrabenen Pfosten- ge Ofenanlage mit einer zentralen Arbeitsgrube. Germanische Siedlung des gruben bzw. einzelne tiefer in den Boden rei- Pellendorf, Teilweise waren diese Ofenanlagen durch Früh- und hochmittelalterliche Befunde keramisches Fundmaterial 2. und 3. Jahrhunderts chende Einbauten erhalten. Vereinzelt konnten (rechts) Flugdächer vor der Witterung geschützt. Zwei Körperbestattungen in gestreckter Den überwiegenden Teil der aufgedeckten – durch Mittelpfostenreihen ausgewiesene – Große, teilweise 3 m tiefe Gruben dienten Rückenlage und einige Siedlungsobjekte legen Befunde stellen Siedlungsobjekte des 2. und 3. zweischiffige Bauten dokumentiert werden. Ob den damaligen Bewohnern der Pellendorfer eine Nutzung des Areals im Frühmittelalter Jahrhunderts n. Chr. dar. Dabei handelt es sich es sich bei diesen Bauten um so genannte Siedlung als Vorratsspeicher. Nahrungsmittel nahe. Direkt im Umfeld des Goldbaches konnte um eine große Anzahl an Pfostengruben, einge- Wohn/Stallhäuser gehandelt hat, kann derzeit wurden hier für den Winter eingelagert. Sekun- eine beidseitig des Baches liegende Siedlung aus nicht belegt werden. Eine Klärung dieser Frage där wurden diese Gruben als Abfalldeponien dem Mittelalter nachgewiesen werden. Bebau- ist von der Auswertung der entnommenen verwendet. ungsreste und in den Löss eingetiefte Keller Phosphatproben zu erhoffen. Das ehemalige Aus den freigelegten Befunden stammen sowie einige Feuerstellen sind dieser bislang Begehungsniveau wurde durch Oberflächenver- zahlreiche Fundstücke, die einen Einblick in das unbekannten Wüstung aus dem 13. Jahrhun- änderungen wie Kommassierungen bzw. land- Alltagsleben ermöglichen. Neben grober dert zuzuordnen. wirtschaftliche Tätigkeit bereits zerstört. Die häufigsten Baubefunde innerhalb der Pellendorf, germanischen Siedlung sind so genannte Sechs- Freilegen einer Hütte Pfosten-Hütten. Dieser Hüttentyp ist flach in den anstehenden Boden eingetieft und besitzt an den Ecken vier Pfosten. Zwei weitere Pfosten finden sich an den Stirnseiten der Hütte; diese Steher tragen den Firstbalken. Die Nutzung die- ser Hütten als Arbeitsbereiche wird durch eck- ständige offene Herde mit Steinunterbauten definiert. Vereinzelt können auch in den anste- henden Löss gegrabene Backöfen beobachtet werden. Steinpflasterungen und Binnentren- nungen durch Flechtwerkwände lassen sich ebenfalls nachweisen. Bei einer einzigen Hütte 24 25
RZ*Archäologie Kern.qxd 27.10.2004 12:12 Uhr Seite 26 Burgenarchäologie in Niederösterreich Martin Krenn Die Burgenarchäologie gewinnt für die der Abteilung für Bodendenkmale des Bundes- Denkmalpflege Niederösterreichs zunehmend denkmalamtes, da alle drei Objekte nach an Bedeutung. Statische Sicherungsmaßnah- Abschluss der wissenschaftlichen Untersuchun- Die randständige Innenverbauung kann Die erste belegbare Bauphase der Burg von men, die Revitalisierung einzelner Objekte und gen verbaut wurden. Baden, Veste Rohr, spätmittelalterlich datiert werden. Der westliche Möllersdorf ist in das 12. Jahrhundert zu stellen. die touristische Nutzung von Burgen erfordern Burgkapelle Baukörper ist als Schwellenbau anzusprechen, Auch hier handelt es sich um die Ringmauer, die (links) in einem immer höheren Maße archäologische Veste Rohr bei Baden dessen Boden aus einer vermörtelten Steinlage einen Hof mit randständiger Innenbebauung und bauhistorische Begleitung. Neben den Die südöstlich der Stadtgemeinde Baden mit abgestrichenem Mörtelestrich bestand. Der einschloss. Aus dem Fundspektrum dieser Phase Baden, Veste Rohr, bekannten großen Anlagen wie die Ruine Thun- gelegene Veste Rohr war zu Beginn der Untersu- Grabungsübersicht östliche Baukörper ist direkt an die Ringmauer ist eine Schachfigur aus Bein hervorzuheben. au bei Gars am Kamp oder die Burg von Reh- chungen nur als flache Geländekuppe zu erken- (rechts) angebaut, wobei in Teilen des Gebäudes Reste In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts berg bei Krems sind immer öfters auch kleine nen. Schwach in der Landschaft erkennbare Gra- eines Begehungsniveaus in Form eines Steinver- kam es zu einem größeren Umbau in der Burg- Adelsburgen von Baumaßnahmen betroffen. Bei benverläufe markierten die äußere Begrenzung sturzes mit aufliegender Begehungsschicht aus anlage. An der Innenseite der Ringmauer wurde den drei vorzustellenden Burgen handelt es sich der Anlage. Kiesel und Steinsplitt befundet werden konnten. ein massiver, turmartiger Steinbau errichtet, ausschließlich um Niederungsburgen, die nur Im Zuge der Freilegung zeigte sich, dass Beide Gebäude umschließen einen kleinen dessen Innenraum im Untergeschoß durch noch als Geländedenkmale erhalten geblieben intensiver Steinraub und Planierungen des Burghof. einen zentralen Pfeiler gegliedert war. Die nur sind. Durch archäologische Untersuchungen Geländes sowie eine intensive landwirtschaftli- Die in sumpfigem Gelände gelegene hoch- seicht fundamentierten Mauern des Gebäudes konnten zumindest große Teile der Bebauungs- che Nutzung zu einer Einebnung des leicht mittelalterliche Burganlage wurde durch einen wurden durch das Aufbringen von lehmigen struktur aufgedeckt werden und bei allen Gra- erhöhten Geländes und einer völligen Verfül- sehr flachen, wasserführenden Burggraben Schichten im Burginneren eingemottet. Das bungen handelt es sich um Rettungsgrabungen lung der Burggräben geführt hat. geschützt, der mit Palisaden befestigt war. Grabensystem wurde ebenfalls einer Umgestal- Baden, Veste Rohr, Übersichtsplan Das Fundmaterial erlaubte eine zeitliche In einer jüngeren Bauphase, frühestens im tung unterzogen, die beiden inneren Gräben Einordnung der Anlage in die Zeit zwischen 14. Jahrhundert, wurde dieser Graben aufgege- wurden zugeschüttet. Zu diesem Zeitpunkt dem beginnenden 12. und frühen 15. Jahrhun- ben, verfüllt und im Osten der Wehranlage über wurde auch der äußere, breite Graben errichtet, dert. 1455 wird die Anlage urkundlich als „öd dem verfüllten Graben eine wallartige Konstruk- wobei die genaue zeitliche Abfolge allerdings vessten pei Paden genant Rohr“ erwähnt. tion oder Berme zum Schutz der Ringmauer auch durch die Grabung nicht geklärt werden In der Grundstruktur handelt es sich bei errichtet. Rund um diese Wallschüttung wurde konnte. der Veste Rohr um eine Anlage mit polygonaler Möllersdorf, ein neuer Burggraben angelegt, der ebenfalls mit Ringmauer und einer randständigen Innenbe- Grabungsplan einer Palisade ausgestattet war. bauung. Die Burgkapelle ist außerhalb der Ring- mauer situiert. Ein wasserführender Burggraben Möllersdorf hat die Burg umschlossen. Die Ringmauer, die Im Jahr 1999 wurde die nordöstlich von das Kernwerk umschließt, sowie die außerhalb Traiskirchen gelegene Burganlage von Möllers- an der Nordseite liegende Burgkapelle stammen dorf archäologisch untersucht. Auch hier war aus der ersten Bauphase der Anlage. Die Kapelle der auslösende Faktor für die Grabungen ein besitzt ein quadratisches Langhaus mit einer geplantes Bauprojekt im dicht verbauten Gebiet. Seitenlänge von etwa 5,70 Meter, an das östlich Die Burg von Möllersdorf entstand kurz vor oder eine halbrunde Apsis anschließt. um 1100. Die erste urkundliche Nennung fällt in In einer zweiten Bauphase wird westlich die Zeit des ersten Drittels des 12. Jahrhunderts. der Kapelle ein Turm errichtet. 26 27
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