Wie berücksichtigen wir die Einflüsse des Klimawandels bei Unterhaltung und Ausbau der schiffbaren Ökosysteme? - Harald Köthe
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Wie berücksichtigen wir die Einflüsse des Klimawandels bei Unterhaltung und Ausbau der schiffbaren Ökosysteme? Harald Köthe Leiter ICWRGC www.waterandchange.org 20. Gewässermorphologisches Kolloquium der BfG; 07.-08. Nov.2018, Koblenz
Gliederung 1. Einleitung 2. Wo stehen wir? (Politik, Wissenschaft, Praxis) 3. Wie gehen wir mit Unsicherheiten um? 4. Wie können wir das Thema in die Alltagspraxis integrieren? 5. Ausblick 08. November 2018 Harald Köthe 2
1. Einleitung (1) Prof. Dr. Frederike Otto, 35 Jahre, Klima-Physikerin und Dr. der Philosophie, lehrt an der Universität Oxford, UK Attributionsforschung = Zuordnungsforschung: Erkenntnistheorie Erkenntnispraxis Zitat: „Die englischen und amerikanischen Medien interessieren sich für meine Wissenschaft, die deutschen für mich.“ Was bedeutet diese Aussage? • Handeln unter Unsicherheiten/globalem Wandel – eine neue Herausforderung/Wissenschaft? oder • alles übertrieben, wir haben uns schon Quelle: https://www.zeit.de/2018/41/extremwetter-klimawandel- immer erfolgreich angepasst. friederike-otto-forschung 08. November 2018 Harald Köthe 3
1. Einleitung (2) Eine andere Fragestellung bzgl. mittel- und langfristiger Veränderungen ist: • Welche Annahmen müssen wir in Planungen von Baumaßnahmen berücksichtigen, deren Bauwerke 80 oder 100 Jahre halten sollen? Oder anders ausgedrückt: • Sind unsere Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen eigentlich noch vertretbar, wenn wir nicht die Veränderungen des Klimas hinreichend berücksichtigen? Fragestellungen: • Wie muss der Nord-Ostsee-Kanal künftig entwässert werden? • Müssen für Neubauten und Ersatzneubauten ggf. mit anderen Laufzeiten/Lebenszyklen oder modularen Bauweisen (wie bei den Deichbauten an der Küste) geplant werden? • Wann ist die kritische Anzahl an Tagen der Unter – und Überschreitung schiffbarer Tage (d.h. der Unwirtschaftlichkeit) erreicht? Welche wasserbaulichen und wasserwirtschaftlichen Maßnahmen sind sinnvoll? 08. November 2018 Harald Köthe 4
1. Einleitung (3) Klimasignal: Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 ?! Anpassungsstrategie Nord-Ostsee-Kanal (Entwässerung + Schleusenneubau) Foto: WSA Kiel-Holtenau Der neue Meeresspiegel 2100! Foto: WSA Kiel-Holtenau 08. November 2018 Harald Köthe
2. Wo stehen wir? (1) Die Politik • Bei der UN-Klimakonferenz von Kopenhagen Ende 2009 hatten die Industriestaaten zugesagt, ab 2020 jährlich 100 Mill. Dollar bereitzustellen. • Deutschland steuert derzeit rund 2 Mill. Dollar bei (auch für Anpassung) v.a. für Entwicklungsländer bei • Tenor: Deutschland selbst ist nicht so stark betroffen vom Klimawandel wie viele Entwicklungsländer. • Fokus der deutschen Politik ist dabei immer noch einseitig auf Klimaschutz und weniger auf Anpassung gerichtet. 08. November 2018 Harald Köthe 6
2. Wo stehen wir? (2) Vorgaben der Politik • International – EU-Anpassungsstrategie (2013) – UN Nachhaltigkeitsziele - SDGs (2015) – Paris Abkommen (2017), • National – DAS (2008) und 1. Fortschrittsbericht (2015), 2. in Vorber. 2020 – Deutsche Gesetzgebung (2017) – Koalitionsvertrag (2018) 08. November 2018 Harald Köthe 7
2. Wo stehen wir? (3) Die Politik: Gesetzliche Vorgaben • Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung 2017, Anl. 4 Nr. 4c, gg, hh Schutzgut Klima; „Anfälligkeit des Vorhabens gegenüber den Folgen des Klimawandels … Klimawandelanpassung“. • Raumordnungsgesetz 20.07.2017, § 2 und 8 Den räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes ist Rechnung zu tragen, sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen. • Baugesetzbuch (BauGB) 3.11.2017, § 1 (1) a Ergänzende Vorschriften zum Umweltschutz (5) Den Erfordernissen des Klimaschutzes soll sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen werden. • Gebot des verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen (Ökonomie, Natur/Ökosystemleistungen) 08. November 2018 Harald Köthe
2. Wo stehen wir? (4) Die Politik Welche Ziele verfolgt die DAS? • Verletzlichkeit der deutschen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt verringern (Vulnerabilität). • Anpassungsfähigkeit des Landes (Anpassungskapazität) zu erhalten oder zu steigern (Baustein der Resilienz). Handlungsziele • Risiken des Klimawandels bewerten, • Wissen über den Klimawandel und seine Folgen zusammentragen, • Entscheidungsgrundlagen zu entwickeln, • ggf. Anpassungsmaßnahmen entwickeln und umsetzen. Zudem soll ein Bewusstsein für den Klimawandel und seine Folgen gefördert und wichtige Akteure für eigenes Handeln sensibilisiert werden. 08. November 2018 Harald Köthe
2. Wo stehen wir? (5) Die Politik Koalitionsvertrag vom 12. März 2018, – zwischen CDU, CSU und SPD – 19. Legislaturperiode (2018 – 2021) Seite 138, Zeilen 6537-6538: „Wir wollen die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel fortentwickeln und die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen“ Aber: Bislang müssen sich die Ressorts trotz klarer Vorgaben noch selber helfen. 08. November 2018 Harald Köthe
2. Wo stehen wir? (6) Die Wissenschaft (Forschung und Ressortforschung) • Forschung seit mehr als 30 Jahren, um den Klimawandel und dessen Auswirkungen zu beschreiben und zu belegen • IPCC: Gründung mit der Resolution 43/53 der UN-Generalversammlung vom 6. Dezember 1988 Nirgends sonst in der Wissenschaftsgeschichte hat es ein solches Projekt gegeben: Tausende Forscher finden sich alle paar Jahre zusammen, um gemeinsam einen Bericht über den Erkenntnisstand in ihrer Disziplin zu schreiben. IPCC-Produkte • 1,5 Grad-Sonderbericht (2018) – betont Erfordernis der Erreichung der Klimaschutzziele • IPCC-Sonderbericht zu Ozean und Kryosphäre (2019) – Neue Erkenntnisse zum Abschmelzen der arktischen Eismassen und die Möglichkeiten dieses in Modellen zu berücksichtigen, weisen auf einen beschleunigten Meeresspiegelanstieg hin. • IPCC Bewertungsbericht (AR) 6 (2021) 08. November 2018 Harald Köthe 11
2. Wo stehen wir? (7) Die Wissenschaft - national • BMVI steigt 2006 mit dem Behördenverbund aus BfG, DWD, BSH und BAW in das Thema ein (Auslöser: Niedrigwasser 2003) • KLIWAS (2007 – 2013): auf Basis des EU-Projektes Ensembles entsteht eine Methodik und Projektionen für ausgewählte schiffbare Gewässer im Binnenbereich und an der Nordsee als wichtige Handlungsgrundlage. • Mit ProWaS (2017-2019) werden die mit KLIWAS entstandenen derzeit Werkzeuge eingesetzt, Projektionen z.T. fortgeschrieben. • BMVI-Expertennetzwerk ab 2016: Verkehrsträger übergreifende Ressortforschung zur Klimaanpassung für gemeinsame Praxis- Grundlagen. • Andere Ressorts (wie BMBF, BMU, BMEL, BMWi, BMI) haben mit ihren Facheinrichtungen eigene Forschungsprogramme (zunehmende Koordinierung über die IMA zur DAS) 08. November 2018 Harald Köthe
2. Wo stehen wir? (8) Die Praxis (z.B. Wasserwirtschaft, WSV) • Genehmigungsverfahren für Infrastrukturvorhaben werden immer aufwändiger und langwieriger. Es gilt belastbare Antworten zu möglichen Folgen des Klimawandels parat zu haben. • Grundhaltung ist aber bislang: Wir haben uns schon immer an den Klimawandel angepasst, z.B. mit Sicherheitszuschlägen. Sorge vor Verstärkung des Investitionsstaus. • Mit KLIWAS sind Werkzeuge und Projektionen entstanden, die Versachlichung und Akzeptanz in das Handeln und die Verfahren bringen. • Die WSV beginnt 2014 auf der Basis von KLIWAS die Grundlagen zur Klimaanpassung für ihr Handeln zu etablieren (WSV-Handbuch „Climate Proofing“ in Vorbereitung) • Tenor des DAS-Fortschrittsberichtes 2015: „Von der Forschung jetzt in die Umsetzung“ 08. November 2018 Harald Köthe
2. Wo stehen wir? (9) Beispiel: Geschäftsbereich BMVI Bundesregierung DAS Aktionsplan Anpassung BMVI … WSV Oberbehörden Aufgabe DWD, BSH, BfG, BAW „Anpassung an den Klimawandel“ Operationelle FuE (AGr 244) Klimadienste - KLIWAS - ProWaS - BMVI - „climate proofing“ Expertennetz- Revierbezogene - DAS Basisdienst werk (TF1, TFx) Aufgaben- - Sonstige schwerpunkte (Behördenforsch- - Merkblatt ung, Vergabe,…) Klimawandel 08. November 2018 Harald Köthe
2. Wo stehen wir? (10) Im Rahmen der DAS wurde eine nationale Ordnungsstruktur für Klimadienste und Klimaanpassungs- dienste geschaffen: Das sogenannte 2-Säulenmodell 08. November 2018 Harald Köthe
2. Wo stehen wir? (11) Die Praxis (z.B. Wasserwirtschaft, WSV) • LAWA verabschiedet Ende 2017 Handlungsempfehlung für die Wasserwirtschaft und richtet in 2018 auf Anforderung der UMK den neuen ständigen Ausschuss zum Klimawandel ein. • 2018 wird das Klimavorsorgeportal KLiVO der Bundesregierung eingerichtet und die Erarbeitung einer Strategie zum Meeresspiegelanstieg von Bund und Ländern beschlossen. 08. November 2018 Harald Köthe
3. Wie gehen wir mit Unsicherheiten um? (1) Welchen Anteil hat der Klimawandel an den Veränderungen des Wasserkreislaufes genau? DAS-Indikatorenentwicklung (Monitoringbericht) 08. November 2018 Harald Köthe
3. Wie gehen wir mit Unsicherheiten um? (2) Lernen mit dem Umgang mit Bandbreiten möglicher Eintretensfälle (gemäß den international anerkannten Ensembles an Modellen) 08. November 2018 Harald Köthe
4. Integration in die Alltagspraxis? (1) Wir benötigen eine zeitlich nahtlose Vorhersage . (seamless prediction) noch in Forschung 08. November 2018 Harald Köthe
4. Integration in die Alltagspraxis? (2) Kurz- und Mittelfristvorhersage befindet sich in der Erweiterung (Umstellung von deterministischer auf probabilistischer Vorhersage) Quelle: BfG 08. November 2018 Harald Köthe
4. Integration in die Alltagspraxis? (3) Quelle: BfG, BMVI Klimaprojektion ist durch KLIWAS etabliert und muss durch soziökonomische Szenarien ergänzt werden (Abstimmung mit DAS- Methodik erfolgt) 08. November 2018 Harald Köthe
4. Integration in die Alltagspraxis? (4) Beispiel: Relative Sohlentwicklung am Oberrhein nahe (2050) und ferne Zukunft (2100) Quelle: BfG 08. November 2018 Harald Köthe
4. Integration in die Alltagspraxis? (5) Werden wir mehr Nicht-schiffbare Tage haben? Möglicheiche Niedrigwasserentwicklung am Mittelrheinpegel Kaub in Folge des Klimawandels am Beispiel der vieljährigen Mittel der jährlichen Unterschreitungstage eines definierten Niedrig-wasserkennwertes 08. November 2018 Harald Köthe
5. Ausblick (1) 08. November 2018 Harald Köthe
5. Ausblick (2) Integration von Anpassungsstrategien und -maßnahmen in Planungsprozessen (Resilienzmanagement) auf einheitlichen Grundlagen vollziehen (z.B. Handbuch WSV) 1. Berücksichtigung möglicher Folgen des Klimawandels Quelle: WSV Klären der Aufgabenstellung Klären der Planungsrandbedingungen Klären der Datengrundlagen (insbesondere aktuelle Projektionen) Beratung/ Bearbeitung des Auftrages durch Klimaanpassungsdienste 2. Klimawirkungsanalyse Expositionsanalyse Sensitivitätsanalyse Kritikalitätsanalyse Mögliche Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigen? 3. Anpassungsstrategie Technische Planungsparameter abstimmen Ableiten von Anpassungsmaßnahmen Bewerten der Anpassungsmaßnahmen, -strategien Konkrete Anpassungsmaßnahmen und -strategien auswählen Mögliche Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigen? 4. Planung und Umsetzung der Anpassungsmaßnahmen und -strategien Anpassung angehen oder keine Anpassung erforderlich 08. November 2018 Harald Köthe
5. Ausblick (3) Die Wissenschaft und Praxis stärker verbinden Verschiedene UN-Organisationen bemühen sich z.T. parallel um wissenschaftl. Fortschritt (Wissen und Methoden), um für praktische Daseinsfürsorge vor Ort zu sorgen, z.B. aktuell: • WMO: Einrichtung eines hydrologischen Status und Ausblick- Systems (HydroSOS, 2018) • UNESCO: Etablierung eines „Climate Risk Informed Decision Analysis (CRIDA, 2018)“ und für die Sedimente ISI operationalisieren • UNEP: Aufbau eines Weltwasser-Qualitäts-Analysesystems (WWQA, 2018) • Neue ISO Norm 14091 “Adaptation to Climate Change – Vulnerability, impacts and risk assessment” (DAS-Leitfaden Vulnerabilität eingeflossen), ISO/TC 207/SC 7/WG 11 in Arbeit 08. November 2018 Harald Köthe 26
5. Ausblick (4) Projekt CO-MICC zur Klimawandelanpassung • Ziel: Modellierer und Interessengruppen entwickeln gemeinsam Methoden zur Nutzung von Multi-Modell-Daten zur Risikobewertung und Anpassung • Das UNESCO Zentrum integriert die Risikobewertungen und Anpassungspotenziale in ein Webportal. Partner: 08. November 2018 Harald Köthe 27
5. Ausblick (5) MedECC Initiative - Objectives 1. Provide an assessment and synthesis of climate and environmental change in the Mediterranean Basin -> Report 2. Offer a regional science-policy interface on climate and environmental change. 3. Pan-Mediterranean collaboration -> capacity building and peaceful cultural exchange. 08. November 2018 Harald Köthe 28
5. Ausblick (6) Die operationellen globalen Datenzentren für die Komponenten des Wasserkreislaufes (in-situ – und zukünftig auch Fernerkundungsdaten) müssen • zu intergierten Produkte (z.B. Frachten) beitragen und • mit Vorhersage- und Projektionsdiensten verbunden werden. 08. November 2018 Harald Köthe
5. Ausblick (7) Die Bedeutung von Sedimenten für die aquatische Umwelt Unterstützung der Nachhaltigkeitsziele • UNESCO IHP: Water security: responses to local, regional and global challenges • UN Environment: Monitoring water quality • FAO: Mointoring Soil degradation • SDG 6: Ensure availability and sustainable management of water and sanitation for all • SDG2: promote sustainable agriculture 08. November 2018 Harald Köthe
5. Ausblick (8) International Sediment initiative (ISI) Operational global watwe data Supported by Scientific centres networks Establishment and integration of a sediment data centre ISI + database 08. November 2018 Harald Köthe
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit International Centre for Water Resources and Global Change Koblenz (ICWRGC) www.waterandchange.org 18. Januar 2018 M. Fader 32
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