Wir bleiben mitbestimmt! - Betriebsratsarbeit wichtiger denn je - Besondere Dienstleistungen
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EDITORIAL THEMEN Foto: Kay Herschelmann Christine Behle S C H W E R P U N K T: M I T B E S T I M M U N G Mitglied des ver.di-Bundes- Besser präsent auf der Betriebsratssitzung 3 vorstandes und Leiterin der Fachbereiche Besondere Dienstleistungen und Neuer Betriebsrat bei Securitas Südwest 4 Sozialversicherung, Bund und Länder, Gemeinden, Verkehr Betriebsrat bei BCD Travel verhindert Kündigungen 5 Klier und Walter Services: Mitbestimmung in Gefahr 6 Liebe Kolleginnen und Kollegen, Interview: Kerstin Jerchel über Betriebsratsarbeit und Corona 7 in Zeiten der „Corona-Pandemie“ ist die Interessenvertretung besonders gefordert. Die Fragen rund um Hygiene- und KURZARBEIT Sicherheitsmaßnahmen sind wegen Corona vielfältiger denn Erfolg für ver.di 8 je: Auch das Tragen einer bestimmten Dienstkleidung oder einer Uniform unterliegen der Mitbestimmung. Für die Atem- REISEBRANCHE maske kann deshalb nichts anderes gelten. Dasselbe gilt beim Auswirkungen der Pandemie 9 Fiebermessen ohne Körperkontakt. Aber kann der Betriebs- Branchenmonitor 10 oder Personalrat verlangen, dass im Betrieb ausreichend Desinfektionsmittel oder Alltagsmasken verfügbar sind? Vor- GELD UND WERT schläge dieser Art werden häufig zuerst unter Kolleginnen und Ringen um Bundesmanteltarifvertrag 11 Kollegen diskutiert. Sind die meisten dafür, wendet man sich WA C H U N D S I C H E R H E I T an den Arbeitgeber, der sich in der aktuellen Situation kaum Lohnverhandlungen in den Ländern 12 gegen die Bereitstellung von Desinfektionsmittel stellen wird. Doch wie hält man die Handlungsfähigkeit der betrieblichen CALLCENTER Mitbestimmung trotz Homeoffice aufrecht? Und wie bleibt Risiko unreguliertes Homeoffice 13 man als Interessenvertretung im Austausch mit seinen Kolle- ginnen und Kollegen, obwohl man sich kaum im Betrieb trifft? T E C H N I S C H E Ü B E R WA C H U N G Tarifverhandlungen um mehr Geld 14 Der Gesetzgeber hat im April 2020 beschlossen, die Hand- lungsfähigkeit der betrieblichen Mitbestimmung durch eine O-TON Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes auch während der ver.di-Bildung trotz Corona 15 Corona-Pandemie sicherzustellen. Bis zum 31. Dezember 2020 ZU GUTER LETZT können Betriebsräte und Jugend- und Auszubildendenvertre- Karikatur Reinhard Alff 16 tungen Beschlüsse auch via Video- und Telefonkonferenzen fassen. Selbstverständlich können sie auch unter Wahrung des Abstandsgebots in größeren Räumen zu Präsenzsitzungen zusammenkommen. ver.di hat immer klargestellt, dass die entsprechende Regelung eine Ausnahme und auf die Corona- Pandemie beschränkt sein muss. Beschlussfassungen via besonderen Video- oder Telefonkonferenzen sollen nur dort durchgeführt IMPRESSUM werden, wo Präsenzsitzungen nicht möglich sind. Die Fragen Der ver.di Report die besonderen Nr. 03/2020 · Oktober 2020 Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) von Vertraulichkeit, der Nichtöffentlichkeit von Betriebsrats- Fachbereich Besondere Dienstleistungen sitzungen, aber auch Fragen des Datenschutzes, der Daten- Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin Fotos v.o.n.u.: Werner Bachmeier, W. Wohlers, Werner Bachmeier (2) sicherheit sind zu wichtig und müssen gut durchdacht Internet: www.verdi.de V.i.S.d.P.: Christine Behle werden. So sieht es auch die Rechtsprechung des Bundes- FB-Redaktionsteam: Anette Berger, Enrico Bloch, Annemarie Dinse, verwaltungsgerichts, das die Sitzung als Kern der Personal- Hans-Peter Kilian, Nicole Rettig, Marius Rothe, Holger Schmidt und Christian Szepan und Betriebsratsarbeit sieht und nahezu keine Ausnahme zu- Redaktionelle Bearbeitung: Uta von Schrenk lässt. Layout: einsatz · Wolfgang Wohlers Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG, Geldern Titelbild: Werner Bachmeier Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, eine Entfristung Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres Fachbereiches der allein auf die Pandemielage gestützten Regelung nicht in dar und spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des besonderen den Gesetzentwurf aufzunehmen. Bundesfachbereichsvorstandes wider. Nachdruck nur nach vorheriger Genehmigung durch die Redaktion. die Bleibt gesund! SERVICE Fachbereich Besondere Dienstleistungen die Internet: http://besondere-dienste.verdi.de Ansprechpartnerin „die besonderen-Report“: 2 redaktion.besondere.bfb13@verdi.de · Fax: 030/69 56-35 00
S C H W E R P U N K T: M I T B E S T I M M U N G Persönlich ist besser Die Rückkehr zur Präsenzsitzung ist aus ver.di-Sicht für die Betriebsratsarbeit unerlässlich VON STEFANIE LASSMANN In vielen Betrieben wurde selbst in Zeiten pekte, wie etwa Einhaltung des Gebots der des bundesweiten Lockdowns ununterbro- Nichtöffentlichkeit, Teilnahmemöglichkeit I m Mai dieses Jahres wurde das Betriebsver- fassungsgesetz (BetrVG) anlässlich der sich ausbreitenden Corona-Pandemie um den chen gearbeitet. Sitzungen von Betriebs- räten, gerade kleineren Gremien, waren und sind mittlerweile, nach den unterschiedli- aller Betriebsratsmitglieder und deren Ge- sundheitsschutz, ob er zu dieser Form der Sitzung einlädt. Arbeitgeber haben in kei- Paragrafen 129 BetrVG ergänzt. Bis zum 31. chen Lockerungen in den Bundesländern, nem Fall bei dieser Entscheidung mitzure- Dezember 2020 ist es möglich, wirksame Be- immer häufiger möglich. den. Auch können sie den Betriebsrat nicht schlüsse in Video- oder Telefonkonferenzen zwingen, künftig nur noch Video- oder Tele- zu fassen. Dadurch soll die Handlungsfähig- Vielen Gremien sind zudem weder die fonkonferenzen durchzuführen – auch wenn keit von betrieblichen Interessenvertretungs- technischen, noch die infrastrukturellen Vo- dies das erklärte Ziel in manchen Betrieben gremien angesichts des Lockdowns und zu sein scheint. damit verbundener Reisebeschränkungen oder -verbote gesichert werden. Probleme wie die Unterbrechung der WLAN-Verbindung und damit schlechte Tonqualität oder Stand- Aber was bedeutet das Definition: bilder erschweren eine ordnungs- in der Praxis? Betriebliche Mitbestimmung gemäße Beschlussfassung er- heblich. Zudem sind viele Betriebsratsgremien treffen Mitbestimmung umfasst alle Möglichkeiten und Rechte der Fragen wie etwa die Ge- ihre Entscheidungen mit- währleistung, dass nur tels Beschlüssen. Das ist Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihre Arbeitswelt aktiv geladene Betriebsratsmit- die einzige Form der ge- mitzugestalten. Wesentliche Mitbestimmungsrechte sind im Betriebs- glieder an der Sitzung meinsamen Willensbil- verfassungsgesetz, in den Personalvertretungsgesetzen auf Bundes- und teilnehmen und auch dung, sozusagen die ge- nur einmal abstimmen, meinsame Stimme des Länderebene sowie in den Gesetzen zur Unternehmensmitbestimmung nach wie vor nicht ge- Betriebsrats. Beschlüsse festgeschrieben. Die Rechtsprechung trägt wesentlich zur Präzisierung der klärt. Das dadurch ent- müssen ordnungsgemäß Gesetze bei. Darüber hinaus regeln die Tarifpartner in Tarifverträgen stehende Risiko, Be- zustande kommen, ge- schlüsse nicht wirksam nau dafür sind Betriebs- wesentliche Fragen zu Entgelt und Arbeitsbedingungen in den fassen zu können, trägt ratssitzungen notwendig. Branchen. Betriebs- und Dienstvereinbarungen konkretisieren diese der Betriebsrat, die nega- Themen weiter, wo es zulässig ist. Die Gewerkschaften arbeiten tiven Auswirkungen die Be- Diese in der Betriebsver- legschaft. Das genau ist aber fassung vorgesehenen Präsenz- über die gewerkschaftlichen Vertrauensleute in den eine untragbare Situation für sitzungen werden durch die neue Betrieben eng mit den Betriebsräten Interessenvertreter*innen. Sondervorschrift prinzipiell nicht zusammen. ausgeschlossen. Wenn es einem Be- Umso wichtiger also, dass nach Ab- triebsratsgremium möglich ist, zu einer Quelle: Hans Böckler Stiftung lauf der Frist zum 31. Dezember diese Son- Sitzung unter pandemiebedingten Hygiene- dervorschrift keine Anwendung mehr findet maßnahmen zusammenzukommen, muss und auch nicht verlängert wird. Selbst wenn die Beschlussfassung in einer solchen Sit- raussetzungen für Videokonferenzen nebst es in Betrieben oder in Regionen wieder zu zung erfolgen. Denn demokratische Mei- der Beschlussfassung zugänglich – die Digi- vereinzelt verschärften Einschränkungen im nungsbildung erfordert den Austausch, die talisierung ist noch nicht überall gleichmäßig Alltag kommen sollte, rechtfertigt das nicht Diskussion, die Auseinandersetzung mit un- angelangt. die Verlängerung der Sondervorschrift in die- terschiedlichen Aspekten und das in einem ser Form. Der Gesetzgeber hat hierdurch besonderen geschützten Raum, unter Ausschluss von Eine Beschlussfassung mittels Video- deutlich zu weit in die im BetrVG verankerten fremden Personen. oder Telefonkonferenzen ist also nur zuläs- Grundsätze der Nichtöffentlichkeit eingegrif- Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit ist sig, wenn die technisch gesicherten Bedin- fen. Es ist an der Zeit für die Rückkehr zur Be- ein fundamentaler Schutz für die Gremien- gungen bestehen und es unmöglich ist, sich triebsratssitzung – face to face. W arbeit. Eine Video- oder Telefonkonferenz zu treffen. Alleine die*der Vorsitzende des die Die Autorin arbeitet im Bereich Mitbestimmung zum kann dies, wenn überhaupt, nur sehr einge- Gremiums entscheidet unter sorgfältiger Ab- Thema Betriebliche Mitbestimmung und Europäische schränkt bieten. wägung aller in Betracht kommenden As- Betriebsräte. 3
S C H W E R P U N K T: M I T B E S T I M M U N G Mehr davon Der neu gewählte Regionalbetriebsrat Securitas Südwest setzt sich trotz Corona erfolgreich für die Beschäftigten ein VON JAN BLECKERT Arbeitsgericht ziehen, bis der Arbeitgeber ein- lenkte. D ie Securitas Südwest war Anfang des Jahres mit einer Betriebsratswahlanfechtung vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württem- Zudem hat der Betriebsrat erreicht, dass Mini- jobber*innen der zu Unrecht verfallene Urlaub aus berg erfolgreich. Somit musste der Regio- dem vorangegangenen Jahr nachträglich ausbe- nalbetriebsrat neu gewählt werden. zahlt wurde. Auch die tarifvertraglich festgeschrie- Mehrheitlich erfahrene Kaum hatte der Wahlvorstand bene Feiertagsvergütung wurde häufig nicht Betriebsratsmitglieder seine Arbeit aufgenommen, be- ordnungsgemäß abgerechnet. Seit den peniblen So viele Betriebsratsmitglieder schloss die Politik die ein- Kontrollen des Betriebsrats kommt es auch hier zu wurden 2018 ... schränkenden Maßnahmen weniger Streitigkeiten um die konkreten Bezah- im Zuge der Corona-Pande- lungsmodalitäten, wie auch bei den durch den erstmals mie. Somit musste die Be- Auftraggeber ausgegebenen (außertariflichen) gewählt triebsratswahl unter stren- Objektzulagen. gen Auflagen durchgeführt 14,4% werden. Die Wahlwerbung Der Betriebsrat achtet auch darauf, dass Be- für die beiden zur Wahl an- schäftigte, die im Schichtbetrieb sind, mindestens getretenen arbeitnehmer- zwei komplette Wochenenden im Monat frei nahen Listen war damit er- haben. Sollte dies nicht gehen, bekommen die heblich erschwert. Zudem Kolleg*innen einen Geldgutschein. Ebenso erhal- hatte das Unternehmen den ten Kolleg*innen, die häufig aus dem Frei geholt Bewerber*innen den Zugang zu werden, einen solchen Gutschein. den Kolleg*innen an den zu bewa- wiedergewählt chenden Objekten im gesamten Süd- Aktuell verhandelt das Gremium eine Betriebs- westen verwehrt. Allen Widrigkeiten und vereinbarung zur Dienstplanung – in der Branche 85,6% Schikanen zum Trotz haben die beiden Listen eine Mehrheit bei der Wahl erringen können. Damit war der Weg für eine aktive Betriebsrats- arbeit frei. Innerhalb kurzer Zeit hat das neuge- eine Seltenheit. Die Unternehmen in der Wach- und Sicherheitsbranche haben meist keine Be- triebsräte oder aber sie stecken in anstrengenden Diskussionen um die Einhaltung selbst gesetzlicher wählte Gremium bereits viele Verbesserungen für Normen. Gerade in der Wach- und Sicherheits- die Beschäftigten erreicht. branche werden durch bestehende Alt-Tarifver- träge teils gesetzliche Normen ausgehöhlt. So So werden freie interne Arbeitsplätze nun zu- sieht das Arbeitszeitgesetz etwa Öffnungsklauseln nächst nur an interne Mitarbeiter*innen vergeben. für die Branche vor. Für die Kolleg*innen hat das wichtige materielle Auswirkungen. Insgesamt musste das Gremium in seiner Daten von IG BCE, NGG, ver.di kurzen Amtszeit häufig vor das Arbeitsge- Quelle: Demir u.a. 2020 Hans Böckler Stiftung Ein weiterer Erfolg: Der Arbeitgeber hatte in richt, um Verbesserungen zu erzielen. der Vergangenheit neu geschaffene Arbeitsplätze Eine aufwändige und stressige Arbeit. an Objekten mit Bewachungszulage stets mit ex- Würde der Arbeitgeber dagegen eine ternen Mitarbeiter*innen besetzt. Für die Securitas vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ist es schwieriger, neue Beschäftigte für die weni- dem Betriebsrat pflegen, wäre dies ger gut bezahlten (Normal-)Arbeitsplätze zu fin- nicht nur ein wichtiges Zeichen an den, deren unterste Lohngruppe bei 11 Euro pro die Belegschaft, sondern auch für besonderen Stunde beginnt. Gegen diese Personalpolitik hat die Aufwertung der Branche ins- sich der Betriebsrat erfolgreich gewehrt. Zumal Be- gesamt. W schäftigte, die für eine besser bezahlte Stelle sogar umgezogen wären, keinerlei Informationen über freie neue Arbeitsplätze erhielten. Für eine Neu- die regelung musste der Betriebsrat in den vergange- 4 nen Monaten allerdings über zwölf mal vor das Foto: W. Wohlers
S C H W E R P U N K T: M I T B E S T I M M U N G Homeoffice statt Kündigung Der Betriebsrat des Reiseunternehmens BCD Travel Germany hat zahlreiche Kolleg*innen vor der Kündigung bewahrt VON BETTINA DIEKMANN Homeoffice: Besser geregelt Die Wahrscheinlichkeit, dass Beschäftigte ausschließlich D er 14. Oktober 2019 war ein schwarzer Tag für viele Kolleg*innen bei BCD Travel Ger- many. An diesem Tag wurde an sieben Standorten positive Erfahrungen mit Homeoffice machen, beträgt ... gleichzeitig den Kolleg*innen mitgeteilt, dass ihre ohne Büros geschlossen und sie entlassen werden sol- vertragliche len. Damit sollten 106 Menschen ihren Arbeits- Regelung platz verlieren. Hinzu kam noch das Signal der mit vertraglicher Geschäftsführung, dass im Jahr 2021 weitere Standortschließungen und Entlassungen folgen Regelung 32% sollten. Die Entscheidung wurde mit prognostizier- ten Transaktionsrückgängen u.a. durch steigende Online-Buchungen der Kund*innen begründet. Quelle: Lott 2020 46% Da die Standorte nicht unrentabel arbeiteten, Hans Böckler Stiftung war das Unverständnis über die Willkür der Maß- nahme und damit die Aktionsbereitschaft sehr sichtsrats und erhielten Solidaritätsschreiben von groß. Ziel aller Aktionen war, das unverständliche Kund*innen. Zusammen mit ver.di wurde eine und aktionistische Agieren der Geschäftsführung Postkartenaktion organisiert, bei der die Kolleg- durch ein sachliches Abwägen sozialer Alternati- *innen ihre persönliche Betroffenheit der Ge- ven abzulösen. Die geforderte Alternative war Ein- schäftsführung mitteilen konnten. Die Teilnahme richtung von Homeoffices und das Ausloben eines war überwältigend und die Postkarten wurden bundesweiten Freiwilligenprogramms für Kolleg- während einer aktiven Mittagspause am Rand der *innen, die das Unternehmen freiwillig verlassen alles entscheidenden Aufsichtsratssitzung überge- wollen. ben. Die Gewerkschaftsvertreter*innen im Auf- sichtsrat sorgten dafür, dass die Postkarten wäh- Betriebsräte informierten auf Betriebsversamm- rend der Sitzung auch gelesen wurden. lungen, schrieben Artikel im Intranet, führten eine Podiumsdiskussion mit dem Europäischen Ma- Die Unruhe im Unternehmen und bei den Foto: Werner Bachmeier nagement und Ver- Kund*innen war sehr groß und nahm zu. Den- treter*innen noch arbeiteten alle Kolleg*innen auch in den des Auf- schwersten Momenten weiter und zeigten ihre Loyalität zum Unternehmen. Ein konstruktiver Austausch wurde von vielen Seiten mit der Ge- schäftsführung gefordert und sachlich geführt. Und am Ende wurden die Alternativen des Be- triebsrats akzeptiert und umgesetzt. Eine Home- office-Vereinbarung wurde abgeschlossen – so war das Unternehmen technisch-organisato- risch bereits auf die große Herausforderung durch Corona vorbereitet. Innerhalb von zwei Tagen konnten alle Kolleg*innen sicher von daheim aus arbeiten. Die Geschichte besonderen der BCD macht klar: Es gibt immer mehrere Betrachtungsweisen. Nichts ist alternativlos. Wichtig ist, handelnde Parteien und deren Interessen zu identifizieren und ein eigenes Handlungsziel zu definieren. Und eine starke die Solidargemeinschaft. Deshalb ist es wichtig, sich mit ver.di zu identifizieren. W 5
S C H W E R P U N K T: M I T B E S T I M M U N G Angriff auf die Mitbestimmung: Klier D ie Betriebsräte und ver.di wehren sich bei Deutschlands größter Friseurkette Klier gegen die Behinderung der Interessen- Betriebsrat endlich seine Arbeit machen zu lassen. Auch die Angriffe auf die Betriebsräte in Berlin und Hannover müssen beendet vertretung. werden. Dort laufen u.a. Wahlanfechtungs- verfahren. Eine konstruktive Zusammenar- Wir berichteten bereits in unserem letz- beit mit den örtlichen Gremien und dem Ge- ten Report: Deutschlands größte Friseurkette samtbetriebsrat gehört gerade jetzt auf die Klier schießt scharf gegen die Kolleginnen Tagesordnung. des Betriebsrats Hamburg/Schleswig-Hol- eine Suppe auslöffeln sollen, für die sie keine stein. Seit Anfang des Jahres wehren sich Das Unternehmen Klier hat Anfang Sep- Verantwortung tragen. alle Betriebsrätinnen gemeinsam mit ver.di tember eine Insolvenz im Schutzschirm- gegen die Kündigungsversuche des Arbeit- verfahren beim zuständigen Amtsgericht Die Auseinandersetzungen zwischen den gebers und der damit verbundenen Zerschla- beantragt. Die Interessen der Kolleg*innen Betriebsräten und der Geschäftsführung sind gung des Betriebsrates. Die bisherigen Ent- müssen in dem nun anstehenden Sanie- auch mit den aktuellen Gerichtsentscheidun- scheidungen des Hamburger Arbeitsgerichts rungsprozess Berücksichtigung finden und gen leider noch nicht beendet. Wider jede sind ein eindeutiges Signal an die Unterneh- eine Stimme erhalten. Denn zu befürchten Logik wird weiter gegen die Kolleginnen vor- mensleitung: Fünf der sechs betroffenen ist, dass wieder einmal die Beschäftigten gegangen. So ist etwa nach wie vor nicht Kolleginnen dürfen nicht gekündigt werden, klar, ob der Arbeitgeber mit den verlorenen es liegen keine Kündigungsgründe vor. Eine Verfahren vor das Landesarbeitsgericht zie- Kollegin wartet noch auf ihren Gerichtster- Wer die Kolleginnen im ersten Schritt hen wird. Doch auch bei weiteren Repressa- min. So steht das 6:0 noch aus. konkret unterstützen möchte, findet im lien wird ver.di den Kolleg*innen zur Seite Internet unsere Unterschriftenlisten. Sam- stehen. W ver.di fordert den Arbeitgeber auf, die melt mit: https://t1p.de/5eqm Kündigungsversuche einzustellen und den André Kretschmar Mitbestimmung in Gefahr: walter services D er Callcenter-Konzern walter services stellt neue Beschäftigte nur noch in einem Tochterunternehmen ohne Betriebsrat In diesem Betrieb haben bisher nur sehr we- nige Beschäftigte gearbeitet. Nun aber drängt die walter services Holding die Be- ein und verpflichtet sie, von zuhause aus zu schäftigten aus ihren acht Betrieben mit Be- arbeiten. triebsrat und Tarifvertrag in die HC 24. Neu- einstellungen werden fast ausschließlich nur Kosten. Denn für Miete, Strom, Wasser und Der Callcenter-Dienstleister hat zu Beginn noch in der HC 24 vorgenommen. Die Be- Heizung sowie für den Arbeitsplatz kommt der Corona-Pandemie seine Beschäftigten triebe mit Betriebsrat bluten derzeit gera- jetzt jede*r einzelne Beschäftigte selbst auf. zum Arbeiten nach Hause geschickt. Hier hat dezu aus, denn zu den fehlenden Einstellun- Einen Zuschuss für den erhöhten Aufwand der Arbeitgeber weitestgehend gut und ver- gen kommt die im Callcenter übliche hohe zu Hause erhalten die Beschäftigten dage- antwortlich gehandelt. Was aber als gute Fluktuation. gen nicht. Idee für die Beschäftigten begann, wird jetzt besonderen zum Betriebsratsumgehungs- und Kosten- Zudem ist der Arbeitgeber dazu überge- ver.di und die bisherigen Betriebsräte ar- sparprogramm des Unternehmens. gangen, seine Centerflächen so weit zu ver- beiten daran, in der HC 24 einen Betriebsrat ringern, dass er seine Beschäftigten vor Ort, zu bilden. Das Betriebsratsumgehungs- und Der Konzern walter services hat vor eini- also im Betrieb, gar nicht mehr alle beschäf- Kostensparprogramm des Unternehmens gen Jahren einen Betrieb gegründet, der tigen kann. Es sind in den meisten Standor- nehmen wir nicht hin! W die ausschließlich Arbeitnehmer*innen im soge- ten schlicht nicht mehr genügend Arbeits- 6 nannten Homeoffice beschäftigt, die HC 24. plätze vorhanden. Das spart walter services Markus Nöthen
S C H W E R P U N K T: M I T B E S T I M M U N G „Es macht einen Unterschied“ Kerstin Jerchel, Bereichsleiterin Mitbestimmung bei ver.di, Foto: ver.di über Betriebsratsarbeit in Zeiten der Pandemie die besonderen: Kurzarbeit wurde gesetzlich ermöglicht – lichen. Manche Arbeitgeber würden sich diesen Zustand für theoretisch für alle Betriebe. Macht es in der Krise da noch einen immer wünschen. Was sagt ver.di dazu? Unterschied, ob ein Unternehmen einen Betriebsrat hat oder nicht? Der neu und ausdrücklich für den Zeitraum des Lockdowns in der Pandemie eingeführte § 129 BetrVG ist nur der Tatsache ge- Kerstin Jerchel: Ganz sicher macht es einen Unterschied, denn schuldet, dass in manchen Betrieben keine Arbeit mehr vor Ort die betrieblichen Vereinbarungen zur Kurzarbeit greifen nach durchgeführt wurde, Kurzarbeit Null bestand oder unternehmer- der Genehmigung des Kurzarbeitergeldes für alle im Betrieb seitig aufgrund von Hygienemaßnahmen (Teil)Schließungen der Beschäftigten. Betriebsräte gestalten die Rahmenbedingungen Betriebe veranlasst worden sind. für die Einführung und Durchführung der Kurzarbeit im Betrieb oder Betriebsteilen mit. Das heißt, es profitieren alle Beschäftig- Die Vorschrift sieht für diesen Ausnahmezustand die Möglichkeit ten von der betrieblichen Regelung und niemand muss die Re- der Beschlussfassungen der Gremien via Video- oder Telefonkon- gelung zur Kurzarbeit mit dem Arbeitgeber selber verhandeln. ferenz vor. Damit sollte einzig und alleine die Handlungsfähigkeit Das spart auf der einen Seite viel Zeit und dient auf der anderen dieser, von diesen Maßnahmen betroffenen Gremien aufrecht Seite auch dazu, gerechte Vereinbarungen und Lösungen für die erhalten bleiben. Jetzt, wo die Schließungen vieler Betriebe wie- Beschäftigten zu finden. Zusätzlich profitieren die Unternehmen der rückgängig gemacht wurden und das Leben unter Hygiene- mit einem Betriebsrat in den meisten Fällen von der Unterstüt- maßnahmen normaler weitergeht, besteht kein Anlass mehr, zung durch ihre Gewerkschaft, die mit ihren Expertinnen und weiterhin Mitbestimmung per Telefon- oder Videokonferenz aus- Experten über Details und wichtige Bestandteile von betrieb- zuüben. In den systemrelevanten Branchen, wie dem Gesund- lichen Vereinbarungen zum Kurzarbeitergeld beraten und unter- heitswesen, dem ÖPNV oder dem Einzelhandel waren diese For- stützen können. men der Mitbestimmung ohnehin nicht in allen Fällen zwingend notwendig, denn die Beschäftigten haben auch im Lockdown Funktioniert Mitbestimmung auch virtuell? Also der Kontakt weitergearbeitet. Deshalb halten wir es für richtig und wichtig, zur Belegschaft, das Nachhaken bei Verhandlungen, das Klären dass der § 129 BetrVG zum Ende des Jahres ausläuft. schwieriger Fragen am Rande einer Sitzung? Arbeitgeber versuchen immer wieder, Betriebsratswahlen und Sie funktioniert mit einer erheblichen Portion Energie und guter Mitbestimmungsarbeit zu verhindern oder überziehen gewählte Organisation der Gremienmitglieder und der Vorsitzenden des Interessenvertreter*innen gar mit Klagen. Was können Betrof- Gremiums sicher auch virtuell. Nicht unerheblich sind allerdings fene tun? die Gefahren der Fehler bei Beschlussfassungen, beispielsweise durch die Verletzung des Nichtöffentlichkeitsgrundsatzes oder Betroffene von Betriebsrats-Bashing oder gar Betriebsratsverhin- von Beschlussfassungen mit zu wenig notwendigen Stimmen bei derung sollten sich an ihre zuständige Gewerkschaft wenden, Mehrheitsentscheidungen. Auch ist eine virtuelle Sitzung eher für um hier Unterstützung zu erhalten. Es ist notwendig, sich inner- allgemeinere Fragen und nicht die komplexen, kritisch zu hinter- halb des Gremiums gegen die Be- oder Verhinderungsbestrebun- fragenden Themen geeignet. Kontroverse Diskussionen sind nach gen von solchen Arbeitgebern zu solidarisieren. Denn häufig soll meiner Erfahrung eher im face-to-face-Gespräch und nicht beim das Gremium gespalten werden, um es zu schwächen. Sinnvoll Videochat üblich und möglich. Die Diskussionskultur ist schlicht ist in jedem Fall, gemeinsam mit der Gewerkschaft Gegenstrate- eine andere, wenn man persönlich interagiert. Ein weiterer gien zu entwickeln, um sich so den Machenschaften des Arbeit- Aspekt ist, dass der persönliche Kontakt zur Belegschaft von den gebers entgegenzustellen. Sollte der Arbeitgeber sich sogar besonderen Betriebs- und Personalräten in der Tat verloren geht. Um die gegen gesetzliche Vorschriften verhalten, besteht die Möglich- Belange und Interessen der Beschäftigten wahrzunehmen, ist keit, Strafantrag zu stellen. Rechtlicher Beistand ist in jedem Fall die direkte Ansprache und Präsenz im Betrieb erforderlich. sinnvoll und notwendig. W Das Betriebsverfassungsgesetz wurde extra angepasst, um Mit- Fragen: Uta von Schrenk die bestimmung auch per Telefon- oder Videokonferenz zu ermög- 7
KURZARBEIT Petition mit Erfolg ver.di erkämpft zusammen mit anderen DGB-Gewerkschaften die Verlängerung der Kurzarbeitergeldregelungen SONJA AUSTERMÜHLE mit Erfolg! Das Bundeskabinett hat den Ent- lohnten Tätigkeit (maximal 450 Euro Ver- wurf eines sogenannten Beschäftigungssi- dienst), wird bis zum 31. Dezember 2021 G erade in den Branchen des Fachbe- reichs 13 wie der Reisebranche, dem Friseurhandwerk und der Luftsicherheit wird cherungsgesetzes beschlossen, der nun dem Bundestag zur Entscheidung vorliegt. nicht auf das Kurzarbeitergeld angerech- net. deutlich, dass die beschäftigungspolitischen W Die bedingungslose Erstattung des vollen Auswirkungen der Corona-Pandemie noch Diese Regelungen sollen zum Arbeitgeberanteils für die Sozialversiche- weit über das Jahr 2020 hinaus andauern 1. Januar 2021 in Kraft treten rungsbeiträge bleibt aufgrund einer Ver- werden. ordnung noch bis zum 30. Juni 2021 in W Beschäftigte, deren Anspruch auf Kurz- Kraft. Ab dem 1. Juli 2021 wird die Er- ver.di und die NGG machten sich daher arbeitergeld bis zum 31. März 2021 ent- stattung wieder reduziert, es sei denn, gemeinsam mit einer Petition und einem standen ist, können weiterhin von den der Arbeitgeber bietet eine nach § 82 Schreiben an die Politik für die Verlängerung erhöhten Kurzarbeitergeldsätzen profitie- SGB III geförderte Weiterbildung an und der Kurzarbeit über den 31. Dezember 2020 ren. hat mit der Kurzarbeit bis zum 30. Juni hinaus stark – bei gleichzeitigem Erhalt der 2021 begonnen. W erhöhten Bezugssätze von 70 bzw. 77 Pro- W Das Entgelt aus einem sogenannten zent und dann 80 bzw. 87 Prozent. Und das Mini-Job, d.h. aus einer geringfügig ent- Tücken beim Bezug der erhöhten Kurzarbeitergeldsätze D ie ersten drei bzw. sogar schon fünf Monate Kurzarbeitergeld- bezug sind bei vielen Beschäftigten nun schon um. Aber heißt das auch, dass nun der Anspruch auf den erhöhten Kurzarbeiter- volumen wieder zunehmen, kann es Sinn machen, statt einer gleichmäßigen Reduktion der Arbeit für alle Arbeitnehmer*innen vorzunehmen, eher verschiedene Regelungen für die Kolleg*innen geldsatz von 70 bzw. 77 Prozent oder 80 bzw. 87 Prozent besteht, zu treffen. Die einen erzielen dann aufgrund ihres Arbeitszeitvolu- wenn die Arbeitszeit um 50 Prozent reduziert ist? mens wieder deutlich höhere Gehälter, während die anderen wei- terhin sicher von den Erhöhungsätzen profitieren können. Nicht zwangsläufig, denn ein Anspruch auf die erhöhten Sätze in dem jeweiligen Monat besteht nur, wenn die Differenz zwischen dem Soll- und Ist-Entgelt mindestens 50 Prozent beträgt. D.h. dass Bedeutung für die Kolleg*innen auch bei einer Kurzarbeit von 50 Prozent der Anspruch dann nicht bestehen kann, wenn z.B. aufgrund von vermögenswirksamen Die Urlaubsnahme muss vor diesem Hintergrund gut überlegt sein. Leistungen oder des Urlaubsentgelts oder sonstiger, trotz Kurzar- Schon einzelne Urlaubstage in einem Monat können dazu führen, beit weiterhin zu zahlender, Leistungen das Entgelt höher als 50 dass der Anspruch auf den erhöhten Satz für diesen Monat nicht Prozent des Soll-Entgelts beträgt. besteht. Es könnte daher sinnvoller sein, seinen Urlaub zum Bei- spiel möglichst zusammenhängend in einem Monat bzw. in zwei Monaten zu nehmen. Wenn Einzeltage genommen werden, sollte Bedeutung für den Betriebsrat im Vorfeld gut gerechnet werden. Bei der Mitbestimmung über den monatlichen oder auch wöchent- Auch wenn ein Arbeitgeber für Einzeltage in einem Monat auf besonderen lichen Umfang der Arbeitszeitreduzierung sollte der Betriebsrat freiwilliger Basis anbietet, die Kurzarbeit zu reduzieren, sollte daher nicht nur auf die Reduzierung der Arbeitszeit schauen, son- genau geschaut werden, ob das dadurch erzielte, höhere Entgelt dern auch darauf, wie sich diese konkret auf das von den im Gegenzug nicht dazu führt, dass für diesen Monat der An- Kolleg*innen in diesem Monat zu erzielende Entgelt auswirken spruch auf den erhöhten Kurzarbeitersatz entfällt. W wird. Gegebenenfalls kann es daher Sinn machen, die Arbeitszeit die etwas mehr als um 50 Prozent zu reduzieren. Sollte das Arbeits- Sonja Austermühle 8
REISEBRANCHE D E B A T T E W ZEIT- UND LEIHARBEIT Aufgeben ist Diskussion in ver.di starten Die vergangenen Monate waren für die Beschäftigten der keine Option Zeit- und Leiharbeit ein Wechsel- bad der Gefühle: Einerseits be- deutet der Ausbruch der Corona- Die Umsätze in der Reisebranche sind pandemiebedingt eingebrochen, Pandemie für viele Beschäftigte der Wegfall des Arbeitseinsatzes, die Kolleg*innen arbeiten unter erschwerten Bedingungen. Betriebsräte Kurzarbeit und finanzielle Un- und Gewerkschaft bieten Hilfe sicherheit. Andererseits konnte ver.di als Teil der DGB-Tarifkom- VON ANNEMARIE DINSE Im Geschäftsreisebereich sind die Firmen noch mission Leih- und Zeitarbeit noch mehr auf Telefon- und Videokonferenzen umge- Ende 2019 einen erfolgreichen K risen gab es in der Reisebranche schon immer: Kriege, Terroranschläge, Wirtschaftskrisen, ge- sundheitliche Risikogebiete. Stets konnten die stiegen. Ob sich diese Situation festigt oder wieder verändert, bleibt abzuwarten, wenn Dienstreisen wieder wirklich möglich sein werden. Denn die Re- Tarifabschluss aushandeln. So konnten wir die Anglei- Fachleute aus der Touristik und aus den Geschäfts- duzierung von Reisekosten in den Firmenetats wird chung der Entgelte in Ost und reisebüros Alternativen und Lösungen finden. sicher genau analysiert werden. West ab dem 1. April 2021 durch- Doch diesmal war und ist das anders. Durch das setzen. Die Entgelte steigen in Auftreten des Corona-Virus in vielen Ländern der Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind also den nächsten drei Jahren deutlich Erde erfolgte erstmals eine weltweite Reisewar- immens. Laut einer Umfrage des Deutschen Reise- über 9 Prozent. Zudem konnten nung. Damit kam das Reisen von jetzt auf gleich verbandes beträgt der Umsatz bei den meisten der wir, trotz immensem Widerstand im März zum Erliegen. Urlauber und Geschäftsrei- befragten Mitglieder weniger als 25 Prozent des der Arbeitgeber, eine Vorteilsrege- sende mussten nach Hause geholt werden. Beste- Vorjahresumsatzes. Staatliche Überbrückungshil- lung für Gewerkschaftsmitglieder hende Buchungen wurden abgesagt. Diese Situa- fen für die Unternehmen und das Kurzarbeitergeld durchsetzen; sie erhalten eine tion war für alle fremd. sind eine kurzfristige materielle Unterstützung. deutlich höhere Zahlung beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld – je Es begann Kurzarbeit mit bis zu 100 Prozent in Die Kolleg*innen in der gesamten Reise- nach Betriebszugehörigkeit sind allen Bereichen der Reisebranche – und sie dauert branche sind es gewohnt, vollen Einsatz für die dies bis zu 700 Euro im Jahr. bis heute an. Der Lockdown bedeutete die Schlie- Kund*innen, egal unter welchen Bedingungen, zu Aktiv werden zahlt sich also auch ßung der Büros und das meist ungeregelte und un- leisten. Doch während dieser Pandemie stoßen sie in der Zeit- und Leiharbeit aus. gewohnte Arbeiten im Homeoffice mit einer insge- noch mehr an ihre Grenzen, da die eingeschränkte samt geringen Arbeitszeitkapazität. Dazu kam für Arbeitszeit, die große Unsicherheit für den eigenen Nach Meinung der Tarifkom- viele, dass auch Partner*innen nicht zur Arbeit Arbeitsplatz und die häufige Kundenunzufrieden- mission ist die ver.di-Diskussion gehen konnten und Kinder sowie pflegebedürftige heit eine noch größere Belastung darstellen. Aber zur Zeit- und Leiharbeit jedoch Menschen keine gewohnte Betreuung hatten. Die aufgeben zu Lasten der Kund*innen war und ist häufig bestimmt von Vorurteilen eingerichteten Notdienste müssen Buchungen rück- keine Option. und fehlendem Wissen über die abwickeln. Das bedeutet, dass Kundenzahlungen Branche. Unsere Tariferfolge zurückbezahlt werden müssen bzw. über die Ver- Gut für die Beschäftigten, die nun einen star- sowie viele durch betriebliche anstalter auch Gutscheinlösungen gewählt werden ken Betriebsrat haben. Die Betriebsräte konnten Interessensvertretungen ausge- können. Den Kolleg*innen in der Touristik wird mit Unterstützung von ver.di die erforderlichen Be- handelte positive Betriebsverein- hierbei viel Geduld, Verständnis und auch ein hohes triebsvereinbarungen zur Kurzarbeit verhandeln barungen sind nicht allen Kol- Maß an sozialer Kompetenz im Umgang mit den oft und abschließen. Handlungshilfen zur Kurzarbeit leg*innen bekannt. Das wollen nicht erfreut reagierenden Kund*innen abverlangt. und zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wur- wir ändern. W den zur Verfügung gestellt, sodass auch die Zwischenzeitlich haben die Büros wieder teil- Beschäftigten umfassend informiert werden konn- Markus Nöthen weise geöffnet. Die Nachfrage nach Neubuchun- ten. ver.di richtete als Mitgliederservice eine Hot- gen ist kaum vorhanden, das Angebot so gering line ein und Kolleg*innen konnten sich dort in- wie nie zuvor. Was soll verkauft werden, wenn es dividuell beraten lassen. Dies wurde sehr gut nichts gibt? Reisen in Deutschland werden zur Zeit angenommen und geschätzt. Für die Betriebsräte nur selten in den Reisebüros gebucht. Immer wie- gab und gibt es Telefonkonferenzen, bei denen sie besonderen der aktualisierte Reisewarnungen für viele Länder sich austauschen können und kompetente Unter- verunsichern und müssen beachtet werden. Bei stützung zusätzlich zu den regionalen Informati- den wenigen möglichen Reisezielen müssen oft onsmöglichkeiten bei den ver.di-Bezirken erhalten. hohe Auflagen wie Quarantäne im Urlaubsland bzw. bei der Rückkehr beachtet werden. Die im Auch in der Krise zeigt sich, dass eine Beleg- die Winter ungemein beliebten Fernreiseziele sind schaft mit Unterstützung durch Betriebsrat und nicht zu buchen. Gewerkschaft besser fährt. W 9
REISEBRANCHE LUFTSICHERHEIT W AVIATION Tarifverhandlungen gehen weiter Auch die Luftsicherheit wurde durch die Corona-Pande- Von wegen mie seit März nachhaltig verän- dert. Die wirtschaftlichen Folgen für die Branche sind täglich sicht- Urlaubsgefühle bar, die Zahl der Flüge und damit Der aktuelle Branchenmonitor der Hans-Böckler-Stiftung auch der Fluggäste hat massiv zeigt die Reisebranche im Griff des Strukturwandels und der Pandemie. abgenommen. ver.di rät Beschäftigten, sich zu organisieren Dies hat auch Auswirkungen auf die Tarifverhandlungen. Mit VON UTA VON SCHRENK Die schlechten Arbeitsbedingungen kommen dem letzten Entgeltabschluss nicht von ungefähr: Die Tarifbindung in der Touris- wurde vereinbart, dass bis Ende 2020 Tarifabschlüsse zu Zuschlä- gen und Zulagen, zu einem D ie weltweite Krisenlage durch Corona ist Gift für eine Branche, deren Geschäftsgrundlage Freizügigkeit, Sorglosigkeit und Neugier auf die tik ist vergleichsweise niedrig. 2014 arbeiteten lediglich 23 Prozent der Beschäftigten bei einem tarifgebundenen Betrieb, in der Gesamtwirtschaft neuen Bundesmanteltarifvertrag Welt sind. Die Reisebranche befindet sich wegen waren es 46 Prozent. Betriebsräte fehlen auch: Die sowie zu einer neuen bundesein- der Pandemie in einer existenziellen Krise. Insol- fehlende betriebliche Mitbestimmung sorge dafür, heitlichen Entgeltstruktur ausge- venzen und Entlassungen drohen, sagen Experten. dass in vielen Firmen die Arbeitsschutzgesetze nur handelt sein sollen. Zwar wurden Dass die Branche auch vor Corona bereits unter ungenügend umgesetzt würden. Ein Indiz für die noch bis kurz vor Ausbruch der Druck war, zeigt nun der aktuelle Branchenmoni- schlechten Arbeitsbedingungen seien auch die Pandemie mit dem Bundesver- tor des Instituts für Mitbestimmung und Unterneh- hohen Abbruchquoten bei den Auszubildenden. band der Luftsicherheitsunter- mensführung der Hans-Böckler-Stiftung. Ein Indiz 2018 haben 26,1 Prozent der angehenden Touris- nehmen (BDLS) erste Verhand- hierfür war 2019 bereits die Insolvenz des Touris- muskaufleute, 26,9 Prozent der Veranstaltungs- lungen zu Zuschlägen und muskonzerns Thomas Cook – die während und kaufleute und 22,8 Prozent der Kaufleute für Zulagen geführt, aber seit Mitte wegen der Pandemie ihre traurige Fortsetzung bei Tourismus und Freizeit ihren Vertrag vorzeitig auf- März stand dann alles auf Galeria Reisen fand. gelöst. „Stopp“. In 2018 gab es in Deutschland immerhin noch Und dann noch die Angst um den Arbeitsplatz: Nun haben die Mitglieder der über 11. 000 Reisebüros mit gut 49.100 Beschäf- Digitalisierung und Automatisierung dürften künf- ver.di-Bundestarifkommission tigten sowie knapp 33.500 Beschäftigte bei den tig mit Jobverlusten einhergehen, schreiben die deutlich gemacht, dass der ge- Reiseveranstaltern. Der Umsatz lag bei 26,9 Milli- Autoren des Monitors. Zwar seien Reisen 2018 meinsame Fahrplan eingehalten arden Euro in den Büros sowie 27,1 Milliarden noch zu 57 Prozent in Reisebüros gebucht worden. werden soll. Klar ist, dass die Euro Umsatz bei den Reiseveranstaltern. Das Das Geschäft verschiebe sich allerdings zuneh- Pandemie das eine oder andere konnte sich sehen lassen. mend zu den Online-Reiseportalen, in denen Com- Thema gegenwärtig nur schwer puter und Kunde einen Großteil der Buchungsar- bewegen lässt. Doch dies darf „Die Arbeitsbedingungen der Branche lassen beit übernehmen. nicht dazu führen, dass die Ver- dagegen keine Urlaubsgefühle aufkommen“, sagt handlungen ganz ruhend gestellt Sonja Austermühle, Fachgruppenleiterin Touristik Corona wirkt hier wie ein Brandbeschleuniger: werden. Die Mitglieder der Bun- bei ver.di. Bei den Reiseleiter*innen sprechen die Unvorhersehbare Infektionswellen, Reisebeschrän- destarifkommission haben daher Autoren des Böckler-Papiers gar von „teils ausbeu- kungen, der weltweite Konjunktureinbruch aber gefordert, jetzt mit den Themen terischen Arbeitsbedingungen“ mit schlechter Be- auch Videokonferenzen statt Geschäftsreisen die Tarifverhandlungen fortzu- zahlung, unbezahlten Überstunden sowie hohem haben den Reisemarkt einbrechen lassen und las- setzen, die trotz Pandemie ange- Stress. Und in den Callcentern der Reiseportale be- sen auch für die kommende Zeit weniger Buchun- gangen werden können. Hier stünde permanente Leistungskontrolle. gen erwarten. bietet eine Überarbeitung des Bundesmanteltarifvertrages viele „Reiseveranstalter und -büros werden um Foto: Werner Bachmeier Ansätze. Marktanteile kämpfen, herbe Marktverluste hin- Die Kommission hat sich mit nehmen und teilweise um ihre Existenz kämpfen dem BDLS auf Fortführung der müssen“, heißt es im Monitor. Trotz der umfassen- Tarifverhandlungen am 12. No- den staatlichen Hilfen deuteten Umfragen darauf besonderen vember 2020 verständigt. Ein hin, dass viele Unternehmen vor der Insolvenz richtiger Schritt zu unserem Ziel: stehen. „Die Beschäftigten der Branche müssen Gute Arbeit braucht gute Tarif- sich dringend gewerkschaftlich organisieren, schon verträge. W allein, um sich in Zeiten der Pandemie Gehör zu verschaffen und den Strukturwandel mitgestalten die Arno Peukes zu können“, sagt Gewerkschafterin Austermühle. 10 W
GELD UND WERT VERHANDLUNGEN W KERNTECHNISCHE ANLAGEN Raus mit dem Streitfall Bewachungs- vergabe – Zweite Runde geplatzt Flickenteppich Die Verhandlungen zwischen ver.di und der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) um Seit sieben Jahren bemüht sich ver.di um einen Bundesmanteltarifvertrag die Vergabestandards bei der Be- für die Geld- und Wert-Branche. Bislang mauerte der Arbeitgeberverband wachung der atomaren Zwischen- lager gestalten sich als schwierig. Die Vertreter der BGZ haben das VON ARNO PEUKES terlaufen versuchte, hielten die Mitglieder der BTK zweite Treffen mit der ver.di-Ver- auch weiterhin am Ziel eines BMTV fest. Sie boten handlungskommission am 15. Auch 2020 ist der Sommer vom Mauern geprägt. den Arbeitgebern den Kompromiss an, noch im Oktober kurzfristig abgesagt. Ein Wo für die Einzelnen oft was Angenehmes dabei Jahr 2020 einen Bundesmanteltarifvertrag für die Vereinbarungsentwurf werde auf herauskommt, sieht es ganz anders aus, wenn es Branche abzuschließen, der sich aus den heute be- Leitungsebene des Bundesum- um manteltarifliche Regelungen geht. So wurde stehenden und nachwirkenden Mantelregelungen weltministeriums beraten. Sobald bereits 2013 zwischen den Tarifparteien bei Geld in den einzelnen Bundesländern zusammensetzt. dies abgeschlossen sei, werde und Wert die Einführung eines Bundesmantelta- Also eine Festschreibung des Status quo. Einzige man Ende Oktober 2020 auf rifvertrags vereinbart, der die geltenden Landesre- Bedingung: Die BDGW muss sich zur Sozialpart- ver.di zukommen. Die ver.di-Ver- gelungen vereinheitlichen soll. Aber schon nerschaft mit ver.di bekennen. Mit einer handlungskommission kritisiert die ersten Verhandlungsvorstöße der Laufzeit von nur einem Jahr könn- dieses Verhalten, schließlich hätte ver.di-Bundestarifkommission (BTK) ten so zunächst die Lohnerhö- ver.di bereits im April 2020 zu machten deutlich, wie der Arbeit- hung für 2021 ausgehandelt Verhandlungen aufgefordert. geberverband der Geld- und werden und danach die Ver- Wert-Branche, die Bundesver- handlungen um eine Anglei- Ohne einen verpflichtenden einigung Deutscher Geld- und chung der unterschiedlichen Betriebsübergang und Tariftreue Wertdienste (BDGW) tickt: Landesmantelregelungen als Mindeststandard bei der Ver- Schöne Worte ja; Fakten, die fortgesetzt werden. Dieses gabe der Bewachungsaufträge was kosten, nein. Angebot wurde dem Verband drohe allen kerntechnischen mehrfach unterbreitet – eine Bewacher*innen bundesweit ein Lange ruhten dann die Ver- positive Rückmeldung dazu blieb ähnliches Schicksal wie beim handlungen. Erst Mitte 2017 setzte aus. „Sündenfall“ Endlager Morsleben die BTK eine Wiederaufnahme der Ver- im Frühjahr: Dort wurden lang- handlungen durch. Ihr Ziel war eine Vereinheitli- Und damit Klarheit besteht, wie es denn wei- jährige Beschäftigte durch neue chung der bestehenden Länderregelungen auf tergeht, hatte die BTK der BDGW eine Frist zur Mitarbeiter*innen zu schlechte- dem Niveau der besten Tarifregelung. Dies lehnte Rückmeldung bis Ende August gegeben. Auch hie- ren Konditionen ausgetauscht. die BDGW ab. Sie wollte dagegen die Möglichkeit, rauf keine offizielle Reaktion seitens der Arbeitge- auch schlechtere Regelungen, als heute in einigen ber. Aber eine unsererseits, denn die Mitglieder der Sollten sich die Auftraggeber Ländern bestehend, zu vereinbaren. Damit war ver.di-Bundestarifkommission haben dem Bundes- ihrer Verantwortung entziehen, so klar, dass es kein schnelles Tarifergebnis geben fachbereichsvorstand vorgeschlagen, das Projekt die zuständige ver.di-Bundesfach- würde. Nachdem im August 2018 die Verhandlun- bundeseinheitlicher Mantelregelungen zu been- gruppenleiterin Anette Berger, gen dann wegen der Lohnrunde für 2019 und den und an die Länder abzugeben. „dann wird ver.di auf allen Ebe- 2020 zurückgestellt wurden, zögerte die BDGW nen und in allen Bundesländern danach wegen der Streitigkeiten um den Bundes- Kaum war dieser Beschluss gefasst, teilte die massiv politisch und betrieblich lohntarifvertrag immer wieder die Aufnahme von BDGW erst schriftlich, dann in kleiner Runde mit, tätig werden, um mit den Verant- Verhandlungen heraus. dass sie weiterhin zum BMTV stehen würde, dies wortlichen bei BGZ und BGE und aber erst am 22. Oktober (nach Redaktionsschluss) in den Ministerien eine vernünf- Stattdessen wollten die Arbeitgeber für Berlin- auf ihrer Mitgliederversammlung entscheiden tige Lösung zu erreichen.“ Dass Brandenburg mit der arbeitgebernahen GÖD könne. Nur dies habe eine klare Aussage bisher Beschäftigte bundesweit zum einen Landes-Manteltarifvertrag abschließen: ein verhindert. „billigen Jakob“ würden – auf klarer Bruch zum Tarifergebnis 2013. Damit zeig- Kosten der Sicherheit in den deut- besonderen ten die Arbeitgeber, dass sie nur ein Ziel haben: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Ein Arbeit- schen Lagern für radioaktive Kosten zu Lasten der Beschäftigten einzusparen. geberverband, der im Sommer 2020 nicht die Vor- Abfälle – sei mit ver.di nicht zu Der massive Gegendruck von ver.di führte auch züge von Videokonferenzen kennt? Klar ist: Gibt machen. W zum Widerstand einiger Unternehmen im Verband es vor dem Start der Lohnverhandlungen keinen selbst, so dass eine Unterzeichnung bis heute ver- Bundesmanteltarifvertrag, dann steht 2021 in vie- red die hindert werden konnte. Obwohl die BDGW eine len Ländern im Zeichen von lokalen Mantelverbes- vertrauensvolle Sozialpartnerschaft damit zu un- serungen. Wir haben es verdient! W 11
WACH UND SICHERHEIT T A R I F E W WOHNUNGS - WIRTSCHAFT Kompromiss geschlossen Nach langen und äußerst komplizierten Verhandlungen Mehr als Applaus haben sich die Tarifvertragspar- In den Ländern starten erste Lohnverhandlungen teien am 13. August 2020 auf für Sicherheitsbeschäftigte einen Kompromiss für die Be- schäftigten der Wohnungswirt- schaft verständigt. Alle Verhand- VON ARNO PEUKES beim täglichen Einkommen. Schöne Worte sind lungsrunden standen unter dem eben kein adäquater Dank für die tägliche Belas- Eindruck der Corona-Pandemie und den daraus zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen. Ziel war D ie vergangenen Monate standen auch für die Kolleg*innen der Sicherheitsbranche im Zei- chen des Corona-Virus. Während ihre Arbeit aber tung. Hier konkrete Verbesserungen zu erreichen, steht im Mittelpunkt der Vorbereitungen der Lohn- runde 2021 für die Sicherheitsbranche. es, eine möglichst kurze Laufzeit in der Regel davon bestimmt ist, dass sie unauffäl- mit einer prozentualen Erhöhung lig im Hintergrund ausgeübt wird, ist in den Zeiten Zur Erinnerung: Die Höhe der Stundenentgelte zu vereinbaren. der Pandemie deutlich geworden, wie wichtig ihr ergibt sich aus den Landestarifverträgen. Diese täglicher Einsatz für das Aufrechterhalten des ge- wurden letztmalig 2018 ausgehandelt mit einem Der Kompromiss im Überblick: sellschaftlichen Alltags ist. Gerade die Einhaltung damaligen zweijährigen Tarifabschluss. In den Ver- Die Löhne, Gehälter und Ausbil- der Hygienevorschriften beim täglichen Einkaufen handlungen konnte erreicht werden, dass mit dungsvergütungen werden ab hat einen besonderen Einsatz von Sicherheitskräf- einer Anhebung der untersten Stundenlöhne auf dem 1. Januar 2021 um 1,2 Pro- ten erfordert. 10,50 Euro in Bremen bis zu 11 Euro in Nordrhein- zent (aufgerundet jeweils auf Westfalen ein deutlicher Abstand zum gesetzli- volle 10 Euro) angehoben. Lauf- Auch hier haben die Kolleg*innen immer wie- chen Mindestlohn geschaffen wurde. Ein Ziel, das zeit bis zum 31. Oktober 2021. der gezeigt, was unter dem Begriff „Systemrele- übrigens nur für die Bundesländer gilt, in denen Die Arbeitnehmer*innen er- vanz“ praktisch zu verstehen ist. Sie haben aber der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft halten mit der Vergütung im auch verdeutlicht, mit welchen Gefahren für die (BDSW) die Tarifverhandlungen mit ver.di führt. In Monat Oktober 2020 zusätzlich eigene Gesundheit diese Arbeit verbunden ist. Sachsen und Niedersachsen verhandelt der Arbeit- zum Arbeitslohn aufgrund der geberverband mit der GÖD zu Lasten der Beschäf- Mehrbelastungen in der Corona- Deswegen gilt für die anstehenden Lohnver- tigten, so dass hier die Stundenlöhne für alle Grup- Krise eine Unterstützung gemäß handlungen in den einzelnen Bundesländern das, pen unterhalb der ver.di-Ergebnisse blieben. § 3 Nr. 11a Einkommensteuerge- wofür unsere Kolleg*innen im öffentlichen Dienst setz (EStG) von mindestens 600 derzeit aktiv sind: Anerkennung durch Klatschen So unterschiedlich also auch heute noch in den Euro, Auszubildende 300 Euro. auf dem Balkon ist gut für die Seele, aber Aner- Bundesländern die Lohnhöhe ist, für die Länder, in Teilzeitbeschäftigte haben An- kennung braucht auch konkrete Verbesserungen denen unsere ver.di-Tarifkommissionen verant- spruch im Verhältnis ihrer einzel- wortlich sind, werden pünktlich zum Jahresende vertraglichen Arbeitszeit zur tarif- alle Lohntarifverträge aufgekündigt. Überall mit Foto: Werner Bachmeier lichen Arbeitszeit. dem Ziel, dass die Einkommen der Beschäftigten auch in dieser Lohnrunde wieder deutlich angeho- Arbeitgeberverband und die ben werden. Landestarifverhandlungen haben gemeinsam verhandelnden Ge- dabei den Vorteil, dass die jeweiligen Bedingungen werkschaften ver.di und IG Bau und Anforderungen vor Ort direkt in die Tarifver- empfehlen den Unternehmen eine handlungen einfließen können. Trotzdem lassen Erhöhung der Beträge bis maxi- sich für die anstehenden Monate bereits jetzt erste mal 1.500 Euro, soweit dies nach Gemeinsamkeiten feststellen: Zwar endet die Lauf- der wirtschaftlichen Situation des zeit aller Tarifverträge erst Ende Dezember, doch Unternehmens leistbar ist. sollen überall frühzeitig Tarifverhandlungen ge- § 1 des Tarifvertrages zur führt werden. Erste Tarifverhandlungen gab es be- Beschäftigungssicherung und reits in Schleswig-Holstein. Überall haben unsere -förderung in der Wohnungs- und Landestarifkommissionen das Ziel, dass die Be- Immobilienwirtschaft findet im schäftigten frühzeitig Klarheit haben über die Ta- Hinblick auf die Unterstützungen riferhöhung im nächsten Jahr. keine Anwendung. besonderen Die Gewerkschaften empfeh- Gemeinsam ist dabei auch, dass wir auch in len den Betriebsräten, eine zu- dieser Lohnrunde einen Schritt setzen wollen, der sätzliche Betriebsvereinbarung unsere politische Forderung nach einer Erhöhung „Corona-Bonuszahlungen“ abzu- des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro näher schließen. Bei Fragen hierzu: kommt. Dabei ist klar, dass Tarifverträge nicht auf die fb13@verdi.de dem Balkon entstehen, sondern die konkrete Un- 12 terstützung aller benötigen. W
CALLCENTER Gar nicht heimelig Foto: Werner Bachmeier Immer mehr Callcenter wollen mit unregulierten Homeoffice-Arbeitsplätzen Kosten sparen W as jahrelang mit dem Hinweis auf den Kundendatenschutz undenkbar war, die Corona-Krise macht es möglich: Über- mittlerweile ausschließlich Homeoffice-Stel- len an. Immer mehr Unternehmen planen wie selbstverständlich mit Homeofficeplät- stürzt entstehen „virtuelle“ Callcenter, in zen: Die ersten Dienstleister haben zwi- denen die Kolleg*innen im Homeoffice ar- schenzeitlich so viele Beschäftigte eingestellt, beiten. Die Arbeitgeber und Auftraggeber dass ihre Betriebsstätten gar nicht mehr den sind weitestgehend davon begeistert. Aber Platz bieten, um alle Kolleg*innen nach Ende sind es auch die Beschäftigten? der Krise zurückholen zu können. Andere haben, um Kosten zu sparen, angemietete Zu Beginn der Pandemie sicherte die Callcenter-Flächen gekündigt. Nach Ansicht oder Expert*innen. Mal eben nachfragen ist Heimarbeit den reibungslosen Arbeitsablauf. vieler Arbeitgeber können diese Kosten nicht mehr möglich und virtuell funktioniert Seitdem sind viele Beschäftigte an provisori- ruhig die Beschäftigten tragen, müssen sie es häufig nicht. sche Arbeitsplätze in der eigenen Wohnung doch ohnehin ihre Wohnung zahlen. gebunden. Die Kundenbetreuung findet am Unser Fachbereich will gegen diese Pro- Küchentisch, auf dem Dachboden oder im Für die Beschäftigten zeigen sich immer bleme vorgehen, der Branchenvorstand Call- Keller statt. In dieser Ausnahmesituation ist deutlicher die Probleme. So sollen die Dienst- center bittet die Mitglieder, ihm Informatio- dies für den Übergang vielleicht vertretbar. zeiten oft auf den Vor- und Nachmittag auf- nen zum Thema weiterzugeben. W Eine Dauerlösung kann dies jedoch nicht sein. geteilt werden, die täglich um mehrere Stun- den unterbrochen werden. Hinzu kommen Christian Szepan Arbeit von zu Hause aus könnte zur der mangelnde Kontakt und die fehlenden Regel werden. Viele Ausschreibungen bieten Austauschmöglichkeiten mit Kolleg*innen Kontakt: fb13@verdi.de Homeoffice – mehr Schutz für Beschäftigte nötig N och vor einem Jahr konnten sich 69 Prozent der Beschäftigten, die nicht im Homeoffice tätig waren, nicht vorstel- stättenverordnung greift allerdings direkt nur bei Telearbeitsplätzen, die vom Arbeitgeber im Privatbereich des/der Beschäftigten fest schutznormen und dem Anspruch auf re- len, in diesem Modell zu arbeiten. Dann eingerichtet sind. gelmäßige Schulungen, bis hin zur Rege- kam Corona. Inzwischen sagen 79 Prozent, lung von Unfallversicherungsschutz, Daten- die in den vergangenen Monaten erstmalig Welchen gesetzlichen Rahmen mobiles und Persönlichkeitsschutz oder Haftungs- im Homeoffice arbeiteten, dass sie diese Arbeiten aus Beschäftigtensicht mindestens fragen. Überwachung, Leistungs- und Ver- Arbeitsform teilweise weiter nutzen wol- braucht, hat der DGB bereits 2019 formuliert: haltenskontrolle darf es nicht geben. Die len. Homeoffice wird gewünscht und ist Die Gewerkschaften fordern den Rechts- Kommunikation der Beschäftigten mit machbar – doch die Rahmenbedingungen anspruch auf mobiles Arbeiten, die Freiwillig- ihren Interessenvertretungen ist zu schüt- sind oft nicht optimal. Dabei unterliegt keit sowie die Anwendung bestehender zen und der soziale Kontakt zum Betrieb mobiles Arbeiten, also das Arbeiten von gesetzlicher wie tarifvertraglicher Bestim- aufrecht zu erhalten. Und und und. zuhause oder unterwegs, durchaus gesetz- mungen. lichen Regelungen: Es gelten auch beim Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke mobilen Arbeiten Arbeitszeit- und Arbeits- Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen hatte bereits vor der Corona-Pandemie ge- besonderen schutzgesetz, Unfallversicherung, die EU- können darüber hinaus weitere Rahmenbe- warnt, dass insbesondere die Ruhezeiten Datenschutz-Grundverordnung/Bundesda- dingungen schaffen. Das beginnt bei der vor den Begehrlichkeiten der Arbeitgeber tenschutzgesetz. Die SARS-CoV-2 Arbeits- (vorausschauenden) Gefährdungsbeurtei- geschützt werden müssten. Homeoffice ist schutzregel greift das Arbeiten im Home- lung sowie einem Ausgleich für fehlende er- keine Idylle. W office bezogen auf den Arbeits- und Ge- gonomische Standards (etwa durch Pausen), die sundheitsschutz explizit auf. Die Arbeits- geht über die Anwendung von Arbeits- Sylvia Skrabs 13
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