LÄUFT! Reparieren statt konsumieren - nachhaltig durch den Winter
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HALLO NACHBAR · AUSGABE 04/2020 LÄUFT! Reparieren statt konsumieren – nachhaltig durch den Winter REDEN IST EIN ANFANG Vier Ehrenamtliche schlichten bei Streitigkeiten in der Nachbarschaft AUSGABE 04/2020 GLÜCKLICHE KINDHEIT Okitonga und Djamba Memba wuchsen im Märkischen Viertel auf
INHALT EDITORIAL 10 ZU GUT ZUM WEGWERFEN Wer Haushaltsgeräte repariert, Lebensmittel Liebe Leserinnen und Leser, rettet oder Kleidung gebraucht kauft, lebt nicht nur sparsamer im Alltag, sondern wussten Sie, dass das Prinzip der Nachhaltigkeit im schützt auch die Umwelt. Ein Bericht über drei 18. Jahrhundert von einem Förster erfunden wurde? Initiativen, die das ermöglichen Der Gedanke war einfach: In einem Wald sollen nur so viele Bäume gefällt werden wie nachwachsen. Dann bleibt der Wald erhalten. Heute sind wir daran gewöhnt, kaputte Gegenstände 16 KIEZGESCHICHTEN wegzuwerfen. Es können ja unbegrenzt neue produ- Thomas Worner töpfert mit Kindern und Erwach- ziert werden. So wachsen die Müllberge, und es werden senen in einer Werkstatt in Pankow. Christian Fein viele Ressourcen verbraucht. Dass man es auch anders und Heike Paulus kümmern sich in einer Initiative machen kann, zeigen die Protagonist*innen unserer um Menschen, die an Feiertagen nicht allein sein Titelgeschichte. Sie kaufen gebrauchte Kleider, reparie- wollen ren den Toaster aus Studententagen und retten Lebens- mittel vor der Mülltonne. In der Redaktion erreichen uns viele Anrufe. Selten 04 BERLINER ZIMMER sind die Anrufer*innen so Feuer und Flamme wie Oki- tonga Memba. Ob wir nicht mit ihm durch seine alte 06 IN KÜRZE Heimat, das Märkische Viertel, gehen wollten? Wäh- rend eines Kiezspaziergangs zeigt er uns, wie großartig 18 OHNEN UND ARBEITEN W es dort immer noch ist. Die Corona-Pandemie hat viele Auswirkungen. Die UNTER EINEM DACH Solidarität der Mieter*innen in unseren Beständen erfüllt uns mit Stolz. Aber natürlich ist das Zusammen- 24 ILFE FÜR GESCHUNDENE H leben nicht immer einfach. Und nicht immer gelingt es, FÜSSE alleine eine Lösung für Probleme zu finden. Für diese Fälle gibt es die Ehrenamtlichen des Schlichtungsbüros. 30 NEUES TEAM, NEUE ZIELE Sie stehen unseren Mieter*innen neutral und besonnen zur Seite. Wie sie helfen, erfahren Sie auf Seite 21. 32 KLASSE STATT MASSE Und dass man auch beim Weihnachtsbraten auf Nach- haltigkeit achten kann, zeigen wir Ihnen auf Seite 33. 34 PREISRÄTSEL Wir wünschen Ihnen und Ihren Angehörigen und 35 IMPRESSUM Freunden trotz der Corona-Pandemie eine schöne Vor- weihnachtszeit und erholsame Feiertage. Passen Sie auf 20 26 sich und andere auf, und bleiben Sie gesund! DICKE LUFT HOCHHÄUSER UND Viel Spaß beim Lesen! Nachbar*innen sind sich nicht immer einig. Mal stört laute Musik, mal Müll im Hausflur. GRÜNE INSELN Ihr GESOBAU-Vorstand Okitonga und Djamba Memba erinnern sich HINWEIS FÜR BLINDE UND Vier Ehrenamtliche helfen, Konflikte in der an ihre Kindheit im Märkischen Viertel. Beim MENSCHEN MIT SEHBEHINDERUNG Nachbarschaft zu lösen. Ein Treffen im GESO- PDF Kiezspaziergang zeigen sie, wo sie gelebt und Dieses Magazin gibt es auch BAU-Schlichtungsbüro Sport getrieben haben. Und wo es den besten als barrierefreies PDF-Dokument: Döner und den schönsten Ort zum Chillen gibt www.hallonachbar.berlin Jörg Franzen und Christian Wilkens 2 3
BERLINER ZIMMER ZU BESUCH BEI RITA HENTSCHEL Mit vier Töchtern, 14 Enkel*innen, 15 Urenkel*innen und sogar einem einjährigen Ururenkel ist Rita Hentschel eines nie: allein. Im Wechsel kaufen ihre Töchter für die 76-Jährige ein. Von dem leckeren Essen schwärmt nicht nur „die Kleene“, Hentschels jüngste Tochter Karola, die ihre Mutter mindestens dreimal in der Woche besucht. Ob Hasenkeule in Rotwein, Wildgulasch oder Bärlauchnudeln: Kochen ist immer Sache der Familienchefin. Auch die Dekoration ihrer Wohnung liegt Rita Hentschel am Herzen – ganz besonders natürlich zur Weihnachts- zeit. In den letzten Jahren versam- melte sich die ganze Familie im Eich- horster Weg. Ihr Schwiegersohn baut dann eine Winterwelt auf, durch die eine Eisenbahn fährt. Im Wohn- zimmer dreht sich die Weihnachtspy- ramide. Und wer genau hinsieht, entdeckt in jeder Ecke ein neues Detail, das Rita Hentschels Zuhause in ein Weihnachtswunderland ver- wandelt. Möchten auch Sie uns zeigen, wie Sie leben? Dann bewerben Sie sich für das „Berliner Zimmer“ und schreiben uns eine E-Mail an: hallo.nachbar@gesobau.de Bei unserem Besuch bringen wir Ihnen ein kleines Dankeschön mit.
IN KÜRZE IN KÜRZE Wie digital ist die GESOBAU? Wir sind gut aufgestellt. Bereits heute laufen viele interne Prozesse digital, sodass der Wechsel vom Büro ins digitale Arbeiten während der Corona- Pandemie für die Mitarbeiter*innen problemlos möglich war. Neben der Verbesserung der inter- nen Prozesse arbeiten wir stets auch daran, den Service für unsere Mieter*innen zu erhöhen. So hat die GESOBAU als erstes Wohnungsbauunter- nehmen 2011 eine App eingeführt, die dieses Jahr grundlegend überarbeitet wurde. Eine der wesentlichen Neuerungen ist, dass die Mieter*in- nen nun ihre Zählerstände für Heizung, Warm- und Kaltwasser einsehen und mit dem Vorjahr vergleichen können. Das hilft unseren Mieter*in- 3FRAGEN AN: nen, Kosten zu sparen. Was sind für die GESOBAU in Zukunft Julia Eder, Referentin für die Digitali wichtige Themen? In Zeiten einer Pandemie wird es immer wichti- sierungsstrategie bei der GESOBAU ger, die Unterzeichnung von Mietverträgen zu digitalisieren. Bislang wurden alle Verträge J ulia Eder ist seit September Referentin für die Digitalisierungsstrategie bei der GESOBAU. Im persönlich vor Ort unterschrieben. Wir arbeiten nun an einer Lösung, mit der künftig digital Interview erzählt sie, welche Themen sie künftig unterzeichnet werden kann. So können wir die beschäftigen werden. Gefahr einer Infektion für unsere Mietinteres- sent*innen und Mitarbeiter*innen verringern. Frau Eder, wie würden Sie Ihre Arbeit Wir testen aktuell außerdem den Einsatz von beschreiben? elektrischen Schließsystemen für die Ein- Eine meiner ersten Aufgaben ist es, den Digitalisie- gangstüren unserer Wohnhäuser. Als Mieter*in rungsgrad der GESOBAU zu untersuchen und daraus der GESOBAU könnte man durch den Einsatz Handlungsempfehlungen abzuleiten. Dazu ist es solcher Technologien eines Tages dem wichtig, dass ich mich im Unternehmen vernetze. Ich Besuch von unterwegs die Wohnungstür öffnen. habe also täglich viele Termine. Zudem muss ich Die Digitalisierung bietet also viele spannende mich in einem schnelllebigen Gebiet wie der Digitali- Möglichkeiten für die GESOBAU und ihre sierung ständig über die neuesten Erkenntnisse und Mieter*innen, und ich freue mich darauf, an Angebote am Markt informieren. ihrer Umsetzung mitzuwirken. NEUES WOHNQUARTIER IN HELLERSDORF FÜR MEHR TOLERANZ W ohnen, Kultur- und Bildungsangebote, Gewerbe und Gastronomie: Rund um das historische Stadtgut Hellersdorf ist eine Menge los. Auf den Grundstücksflächen entlang der Zossener Straße und der Kastanienallee errichtet die GESOBAU ein Wohnquartier mit rund 1500 Wohnungen. Zu sozialverträglichen Mieten: Ein großer Teil wird dem Berliner Wohnungsmarkt als geförderte Wohnungen zur Verfügung stehen. Ein D er GESOBAU werden in letzter Zeit mehr Streitig- keiten zwischen Nachbar*innen gemeldet. Wir meinen: Das muss nicht sein! Die Corona-Pandemie Manchmal nervt das. Wir bitten Sie trotzdem: In einer Zeit wie dieser müssen wir alle umsichtiger miteinan- der sein. Aber auch toleranter. Nur dann können wir weiterer Teil ist für Student*innen sowie Senior*innen. Aktuell befinden sich auf vier von hat viele Auswirkungen – nicht nur auf die, die erkran- diese Krise gemeinsam gut bewältigen. Sprechen Sie insgesamt sieben Baufeldern 943 Wohnungen in Bau. ken. Viele verbringen mehr Zeit zu Hause als sonst. uns an, wenn Sie Hilfe benötigen. Wie das Schlich- Da bleibt es nicht aus, dass man mehr von seinen tungsbüro der GESOBAU helfen kann, das lesen Sie Mitmenschen mitbekommt, als einem lieb ist. ab Seite 21 6 7
IN KÜRZE IN KÜRZE ERGEBNISSE UNSERER MIETER*INNENBEFRAGUNG V on Juli bis Oktober haben wir unsere diesjährige Mieter*innenbefragung durchgeführt. Dafür wurden über 9300 Fragebögen an zufällig ausgewählte Haushalte sind es 95 Prozent der Befragten. 90,8 Prozent gaben an, sie hätten ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis, und 90,3 Prozent loben das Magazin „Hallo Nachbar“. MENTORINGPROGRAMM in den GESOBAU-Beständen verschickt, mit Fragen zur Wohnungsbaugesellschaft, zur Umgebung, zum Haus, zur Wohnung und zur Zufriedenheit mit uns. Die Beteili- Verbesserungsbedarf gibt es unter anderem hier: Nur 71,8 Prozent der befragten Mieter*innen sind mit der FÜR AZUBIS gung war in diesem Jahr hoch: Fast die Hälfte aller kon- taktierten Mieter*innen nahm teil. Das ging digital oder per Post. Vielen Dank dafür. Sauberkeit der Außenanlagen zufrieden. Beim Thema Einbruchssicherheit der Haustür und des Kellers gab nur etwa die Hälfte der Befragten an, sich sicher mit den Z wölf junge Menschen haben im August ihre Ausbildung bei der GESOBAU begonnen – damit bildet das Unternehmen insgesamt 31 Azubis aus. 27 von ihnen werden Immobilien- kauffrau oder -kaufmann, einer Veranstaltungskaufmann, und drei lernen alles übers Büro Vorrichtungen zu fühlen. Diese Antworten nehmen wir management. Auch ein duales Studium der BWL mit Fachrichtung Immobilienwirtschaft ist Seit Oktober liegen die Ergebnisse vor, hier eine Auswahl: ernst. Aus den Ergebnissen werden geeignete Maß bei der GESOBAU möglich. Derzeit sind sechs Student*innen beschäftigt. Für die Zeit der Aus 89,8 Prozent sind mit dem Auftreten unserer Mitarbei- nahmen abgeleitet und schrittweise umgesetzt. bildung oder des Studiums bekommen alle jungen Menschen eine Mentorin oder einen Mentor ter*innen zufrieden, 80,5 Prozent loben unsere telefoni- zur Seite gestellt. Dabei geht es weniger um fachliches Coaching, sondern um Orientierung und sche Erreichbarkeit. Bei der letzten Befragung waren Die Mieter*innenbefragung findet alle zwei bis drei Jahre Motivation, die Spielregeln im Berufsalltag und die Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung 82 Prozent mit ihrer Wohnung zufrieden, in diesem Jahr statt. 2017 wurden zuletzt Mieter*innen befragt. der jungen Leute. „Ich möchte dem GESOBAU-Nachwuchs mit auf den Weg geben, dass ethische und moralische Werte MIETSENKUNGEN wie beispielsweise Höflichkeit, Ehrlichkeit, Fairness, BEI GERINGEREM STUDILEBEN IM Integrität, Vertrauen nicht altmodisch sind, sondern Grundlage für einen guten gesellschaftlichen Umgang. EINKOMMEN WOLLANKKIEZ Außerdem ist es mir wichtig zu vermitteln, dass wir hier F ür die Mieter*innen der sechs landesei- genen Wohnungsbaugesellschaften gibt es eine faire Regelung: Wer mehr immer positiv und konstruktiv – gern mit einer Portion Humor – an Probleme herangehen.“ als 30 Prozent seines Haushaltsnettoein Kerstin Damitz kommens für die Miete aufbringen muss, Kundencenterleiterin 4 Pankow-Zentrum, Mentorin ist geschützt. Betroffene können in diesem Fall von ihrer Wohnungsbaugesellschaft prüfen lassen, ob ein Härtefall vorliegt und die Miete gesenkt werden kann. Die Regelung gilt nur für Haushalte, die insge- „Frau Damitz hat mir schon häufig Tipps gegeben, samt unter einer bestimmten Einkom- die ich im Alltag gut gebrauchen konnte. Sie hat mir mensgrenze liegen. Diese entspricht der zum Beispiel vermittelt, wie man sich in des Wohnberechtigungsscheins: 16 800 Euro pro Jahr für Singlehaushalte Konfliktsituationen verhält und dass man manchen und 25 200 Euro für einen Zweipersonen- Situationen am besten mit Gelassenheit begegnen sollte. haushalt. Die Einkommensgrenze erhöht sich, wenn weitere Personen im Haushalt Außerdem finde ich es toll, dass ich jederzeit, wenn ich leben: plus 5740 Euro für jeden Erwachse- nen und plus 700 Euro für jedes Kind. Auch die Wohnungsgröße spielt eine Rolle. Die I m Stadtteil Gesundbrunnen hat die GESOBAU 62 neue Wohnungen für Student*innen gebaut. Unweit des S-Bahnhofs Wollankstraße bietet das Gebäude ab Dezem- etwas auf dem Herzen habe, zu ihr gehen kann und wir immer ehrlich miteinander sprechen.“ Mietsenkung ist zunächst für maximal ber Platz für 158 junge Menschen. Die Wohnungen liegen Michele-Marie Hanik zwölf Monate gültig. Dauert die schwierige zentral, ein Zimmer kostet maximal 300 Euro warm. Für Auszubildende zur Immobilienkauffrau im zweiten Lehrjahr, Mentee finanzielle Lage an, muss ein neuer Antrag die Vermietung ging die GESOBAU erstmals eine Koopera- gestellt werden, zum Beispiel bei der oder tion mit der Beuth Hochschule für Technik Berlin ein. dem Kundenbetreuer*in der GESOBAU. 8 9
PANKOW ZU GUT ZUM WEG- WERFEN Text: Karl Grünberg Jedes Jahr kurz vor Weihnachten steigt der Konsum deutlich an. Aber muss das sein? Man kann Lebensmittel retten, kaputte Geräte reparieren und Kleidung ge- Kaputt ist nicht gleich kaputt: Familienvater Timm möchte braucht kaufen. Das ist umweltschonend und spart eine das Waffeleisen für seine Kinder retten. Hobby-Tech Menge Geld. Wie das im Alltag funktioniert, zeigen drei niker Wolfgang hilft ihm dabei. Gemeinsam tüfteln sie im „Repair-Café“ im Stadtteil Berliner Initiativen zentrum Pankow
PANKOW NACHHALTIG LEBEN Dabei könnte man es noch reparie- Vier von fünf Geräten werden an Reinickendorf kommen. Hier gibt „Sieben ren. Doch das wird den Verbrau- diesem Nachmittag gerettet. es Mäntel für Frauen, Hemden für cher*innen nicht einfach gemacht: Männer und Schuhe für Kinder, aber Entweder stellen Hersteller keine GEBRAUCHTE KLEIDUNG IST auch eine Puppenstube zum Spielen, Ersatzteile zur Verfügung oder ver- bauen Teile so fest, dass sie nur mit Spezialwerkzeug zu lösen sind. Ohne von zehn GEFRAGT Nicht nur Elektronik, auch Kleidung landet häufig im Müll, obwohl Jacken, Bücher für ruhige Winterstunden und Decken zum Einkuscheln. Im Regal stehen Teetassen, Thermos- Vorwissen trauen sich viele eine Reparatur nicht zu. Hajo, gelernter Geräten Hosen und Hemden noch in einem guten Zustand sind und anderen kannen und Kaffeemaschinen. können Medizintechniker, will genau dabei Menschen passen würden. 4,7 Kilo- Ursula ist die gute Seele des Ladens. helfen – gemeinsam mit fünf weite- gramm Kleidung entsorgt jede*r Viele Kund*innen kennt sie mit ren ehrenamtlichen Tüftlern und Bundesbürger*in im Jahr, von denen Namen und plaudert mit ihnen. Eine wir Bastlern vom „Repair-Café“ im Stadt- nur 500 Gramm recycelt werden, Frau kommt herein. Sie möchte die teilzentrum Pankow. fand das nachhaltige Modelabel Sachen ihrer großen Tochter spenden, Labfresh aus den Niederlanden in die von zu Hause ausgezogen ist. Susanna öffnet das Gehäuse ih- Susanna setzt sich zu Hajo an den Tisch und gibt ihm das Tablet. Erst öffnet Hajo mit einem Spezialwerk- reparieren“ einer beauftragten Studie Anfang 2020 heraus. Fast fünf Kilogramm Textilmüll – das entspricht einer Etwas später betritt eine weitere Frau den „Fairkaufladen“. Sie senkt ihre Stimme. Ihre Mutter sei verstorben. res Tablets. Auf YouTube hat sie WOLFGANG dazu eine Anleitung gesehen. Im zeug das Gehäuse, dann blicken er REPAIR-CAFÉ PANKOW ganzen Waschmaschinenladung voll. Ob sie ihre Kleider und Hosen abge- „Repair-Café“ bekommt sie das und Susanna gemeinsam ins Innere Dass Kleiderspenden durchaus ge- ben könne? „Na klar“, sagt Ursula notwendige Spezialwerkzeug – und eine zweite Meinung des Gerätes. Ratlosigkeit. Doch Susan- fragt sind, weiß Ursula Khalil, 68. mitfühlend. Die Menschen bringen na hat eine Idee. Auf YouTube hat sie „Herzlich willkommen“, begrüßt sie nicht nur Kleidung oder Gegenstände, ein Video gesehen, in dem erklärt Timm, der Familienvater mit dem alle, die zu ihr in den „Fairkauf sondern auch ihre Geschichten mit. S wird, dass man alle Steckverbindun- Waffeleisen, setzt sich zu Wolfgang. laden“ ins Märkische Viertel in Ursula hört zu. gen zur Festplatte trennen und dann Zusammen schrauben sie erst die wieder einstecken muss. „Dann startet Vorderseite ab, dann die Rückseite, es sich neu.“ „Aber erst müssen wir bis sie nicht mehr weiterkommen. den Akku ausbauen, sonst gibt es Die Platten lösen sich nicht. „Puh, usanna ist aufgeregt. Elektronische Geräte selber reparie- einen Kurzschluss“, sagt Hajo ruhig. hartnäckiges Teil“, stöhnt Wolfgang In der Hand hält sie ren, gebrauchte Kleidung kaufen und schafft es irgendwann doch. Ein ihr Tablet. „Das will ein- oder Essensreste vor dem Mülleimer Am Nebentisch sortiert Wolfgang, 72, Stromkabel ist durchtrennt, das sie fach nicht mehr ange- retten: All das sind gute Wege, um im sein Werkzeug. „Ich habe mein Leben nicht austauschen können. „Leider hen, aber ich möchte es auch nicht Alltag nicht nur die Umwelt, sondern lang gebaut“, sagt er stolz. Früher ist es zu fest eingebaut“, sagt Wolf- wegwerfen. Das wäre schade“, sagt auch den Geldbeutel zu schonen. In war er Tischler, seit vier Jahren hilft gang. „Sieben von zehn Geräten die 32-Jährige. Deswegen steht sie Berlin gibt es immer mehr Orte, an er im „Repair-Café“. „Die meisten können wir reparieren. Dieses Waf- vor dem „Repair-Café“ im Stadtteil- denen vermeintlich Defektes oder Sachen sind ja nicht wirklich kaputt“, feleisen gehört nicht dazu.“ zentrum Pankow. Sie will es selbst Altes eine zweite Chance bekommt. sagt er. Und landen trotzdem auf dem reparieren. „Allein würde ich mich Denn kaputt ist nicht gleich kaputt, Müll. Tatsächlich fällt in Deutschland Vom Nebentisch hört man einen das nicht trauen, aber hier bekommt gebraucht bedeutet nicht gleich „oll“, jedes Jahr ziemlich viel Elektroschrott Jubelschrei. Es hat geklappt, das man Hilfe“, erzählt sie. Hinter ihr und ein Brot, das am Morgen geba- an. 2018 waren es 853 124 Tonnen, Tablet funktioniert wieder. Susanna steht Timm. Auch er braucht Unter- cken wurde, schmeckt auch nach ergab eine Erhebung des Umwelt reißt die Arme in die Luft. „Danke, stützung. Das Waffeleisen der Familie Ladenschluss noch. bundesamtes. Viele Geräte landen auf Hajo“, sagt sie. Auch bei den ande- funktioniert nicht mehr. „Die Kinder Mülldeponien in afrikanischen Län- ren Besucher*innen geht es Schlag vermissen die heißen Waffeln. Ein- MIT HILFE SELBER REPARIEREN dern. Enthaltene Schwermetalle wie auf Schlag: ein Toaster, der nur ge- fach ein neues kaufen will ich aber „Das ‚Repair-Café‘ ist ein Ort der Hoff- Blei und Quecksilber sind schädlich reinigt werden musste. Eine Lampe, nicht“, sagt er. Es ist 17 Uhr, die Tür nung“, sagt der 65-jährige Hajo und für die Umwelt und die Menschen, die bei der eine Sicherung im Dimmer zum „Repair-Café“ öffnet sich wie an lacht. Wenn ein Gerät nicht mehr funk- auf Schrottplätzen nach verwertbaren defekt war. Ein Küchenmixer, bei jedem ersten Montag im Monat. tioniert, wird es heute oft entsorgt. Teilen suchen. dem sich die Kontakte gelöst hatten. Ursula Khalil ist die gute Seele des „Fairkaufladens“. Hier gibt es Kleidung und Gegenstände aus 12 zweiter Hand 13
PANKOW NACHHALTIG LEBEN Eva Richter kommt regelmäßig Vor der Mülltonne gerettet: Natürlich kann man nicht alles retten in den „Fairkaufladen“, wenn Almut Wetjen holt übrig oder reparieren – aber doch mehr, als sie im Kiez spazieren geht. Hier gebliebenes Essen wie Suppe findet sie gutes Gebrauchtes. im „Café fritz & friedrich“ ab. man denkt. Es gibt viele Wege, seinen Diesmal sind es zwei Matchbox- Über die App „Too Good To Alltag nachhaltiger und günstiger zu Autos für ihr Enkelkind Go“ hat sie das Café gefunden gestalten. So wie Susanna, die vor die Tür des „Repair-Cafés“ tritt und strahlt. In der Hand hält sie ihr Tablet. Es funktioniert wieder. „Hajo und ich haben es zusammen geschafft“, sagt sie. Timm muss sein Waffeleisen leider wegschmeißen: „Ich kann aber mit gutem Gewissen sagen, dass ich alles probiert habe.“ Am Abend wärmt Almut die Suppe aus dem Café für die Kinder noch mal auf der Tonne retten. Eine nennt sich tig über meine Pakete, und ich bin „Too Good To Go“, was übersetzt „zu froh, dass ich nichts wegschmeißen gut zum Wegschmeißen“ bedeutet. muss“, sagt sie. 50 Mahlzeiten konnte Aber wie funktioniert der „Fairkauf- im „Fairkaufladen“ vorbei. Mann immer noch im Kiez. „Genau Die Idee dahinter: Restaurants und sie so schon retten. laden“? „Das Konzept ist einfach“, Hier kennt man sich, hier kann sie hier wollte ich einen gemütlichen Ort Supermärkte melden in der App erklärt Ursula. Man könne vorbei- ein bisschen reden und stöbern. schaffen, der zu einem Treffpunkt für Lebensmittel oder Gerichte, die sie Eine regelmäßige Nutzerin der App bringen, was man nicht mehr „Ein schöner Ort, nette Menschen, die Menschen wird“, sagt sie. Bei ihr nicht verkauft haben oder bereits ist Almut Wetjen. Sie ist 38 Jahre alt braucht. Einzige Bedingung: Alle tolle Sachen“, sagt sie. Heute nimmt gibt es Frühstück, Mittagsgerichte, kleine Makel zeigen. Nutzer*innen und Mutter zweier Kinder. „Ich pla- Gegenstände müssen in einem guten sie zwei Matchbox-Autos für ihren Kuchen und Waffeln. Doch eine Sa- können diese über die App reservie- ne das richtig“, sagt sie. Zum Beispiel Zustand sein, das heißt funktions- Enkel mit. che wollte sie nicht: übrig gebliebe- ren und für einen sehr günstigen fürs Abendessen oder für Ausflüge tüchtig, sauber, ohne Löcher oder nes Essen wegschmeißen. Preis in einem vorgegebenen Zeit- am Wochenende. Dann reserviert sie Flecken. Felix Bergemann ist der Leiter des fenster abholen. Bezahlt wird vorab sich über die App eines der Überra- FACE Familienzentrums, zu dem der Zwölf Millionen Lebensmittel landen online. schungspakete in ihrer Lieblingsbä- Gegen ein faires Entgelt, etwa vier „Fairkaufladen“ gehört. „Wir wollen jedes Jahr im Müll, obwohl sie noch ckerei. „Am nächsten Tag nehmen Euro für eine Jacke oder drei Euro hier etwas gegen die Wegwerfgesell- genießbar sind, das sind 75 Kilo pro Franziska Liebig hat sich mit ihrem wir süße Teilchen, belegte Brötchen für einen Rock, kann man die schaft tun und gleichzeitig jenen Kopf. Große Mengen werden regel- Café bei der App als Partnerbetrieb und Croissants mit auf unsere Tour.“ Sachen mitnehmen. Kindersachen helfen, die nicht so viel Geld haben“, mäßig in Bäckereien, Supermärkten angemeldet und stellt nun jeden Tag Vier Millionen Menschen haben die kosten ein Euro pro Stück. Die Ein- sagt er. Eine Bedürftigkeit müsse man und Restaurants entsorgt. Mittler zwei Überraschungspakete ein: mit App bereits genutzt und fünf Millio- nahmen decken Unkosten wie Strom aber nicht nachweisen. „Alle sind weile gehen einige Initiativen in allem, was sie am Tag nicht verkauft nen Mahlzeiten vor der Mülltonne und Ursulas Gehalt. Finanziell unter- willkommen“, sagt er. Berlin gegen die Verschwendung von hat. „Die Menschen freuen sich rich- bewahrt. stützt wird der Laden von der Lebensmitteln vor – und kommen GESOBAU-Stiftung. LEBENSMITTEL RETTEN zu Lösungen. SirPlus etwa ist eine INFORMATIONEN: Willkommen sind die Menschen auch neu gegründete Supermarktkette mit „Repair-Café“: Eine Liste von Repair-Cafés in Berlin und Deutschland gibt es hier: www.reparatur-initiativen.de Nun betritt Eva Richter den Laden, im „Café fritz & friedrich“ von Fran- vier Standorten in Berlin, die nur grüßt Ursula und geht zum Bücherre- ziska Liebig, 32. Vor vier Monaten hat übrig gebliebene Lebensmittel ver- Den „Fairkaufladen“ finden Sie hier: Wilhelmsruher Damm 159, 13439 Berlin, Informationen unter: 030 9843 6645 gal. „Mal sehen, ob ich was Spannen- sie sich mit der Eröffnung einen kauft. Wer als Lebensmittelretter*in oder unter: face-familienzentrum.de/fairkaufladen des finde.“ Die Rentnerin lebt in der Traum erfüllt. Sie ist in Heinersdorf unterwegs sein möchte, kann sich bei Mehr Informationen zu „Too Good To Go“, die App zum Lebensmittelretten, gibt es hier: toogoodtogo.de Nachbarschaft und schaut auf ihrer geboren und aufgewachsen und lebt foodsharing.de anmelden. Und auch oder im Google Play Store beziehungsweise im App Store Runde durch den Kiez immer auch heute mit ihren Kindern und ihrem mit Apps lassen sich Lebensmittel vor 14 15
BERLIN KIEZGESCHICHTEN PANKOW KIEZGESCHICHTEN KIEZGESCHICHTEN PANKOW KEINER BLEIBT ALLEIN EIN RAUM FÜR FANTASIE Christian Fein und Heike Paulus bringen In seiner Werkstatt zeigt Thomas Worner Menschen zusammen, die an Feiertagen Kindern, wie man Gefäße und Figuren aus Ton Gesellschaft suchen herstellt. Auch die Eltern können mitmachen W eihnachten allein? Silvester ohne Gesellschaft? Das hat auch Vorteile: Digitale Kommunikation ermöglicht I Trennung oder der Neubeginn in einer fremden überregionale Gruppen. Diese werden wegen der Kontakt- m Keramikstudio von Thomas Worner sitzen zehn Zu den Kindern, die regelmäßig in Worners Keramik- Stadt – es gibt viele Lebensphasen, in denen beschränkungen immer wichtiger. „Schon jetzt haben wir Kinder und mehrere Erwachsene an verschiedenen werkstatt kommen, gehören auch Nele und ihre Freun- sich Menschen plötzlich allein fühlen, ganz unabhängig viermal so viele Anfragen wie im vergangenen Jahr“, sagt Tischen. Sie formen Gefäße, Tiere oder Teller aus Ton din Hanna. Beide sind elf Jahre alt. Nele will an diesem vom Alter. Auch Heike Paulus, 33, und Christian Fein, Fein. „2019 hatten wir 60 000 Nutzer, viele haben sich dann und malen sie bunt an. Thomas Worner ist immer mitten- Nachmittag eine Spardose formen. Sie nimmt einen 35, erlebten Ende 2016 eine solche Lebensphase. Unab- selbst vernetzt, etwa 3500 Menschen konnten wir zusammen drin, gibt Tipps und hilft, wenn es nötig ist. Später wird Klumpen Ton und klopft ihn mit der Hand flach. Dann hängig voneinander wurden sie aktiv. Heike schrieb bringen.“ Nun erweitern sie ihr Projekt über Silvester hinaus. er die fertigen Gegenstände in seinen beiden Spezialöfen legt sie eine Pappscheibe auf den Ton und schneidet zwei auf Facebook, dass sie Weihnachten nicht allein sein Anknüpfungspunkte sind Karneval oder Ostern. Auch On- brennen. Nach ein paar Tagen können die Kursteilneh- kreisförmige Tonscheiben aus. Später kommen diese in wolle, Christian suchte per Twitter Gesellschaft für line-Stammtische sind denkbar. „Einsamkeit kann uns alle mer*innen ihre Werke bei ihm abholen. eine Gipsform, sodass zwei Halbschalen entstehen. Die Silvester. Die überwältigende Resonanz auf ihre Posts betreffen, wird aber kaum wahrgenommen oder aber stig- werden dann zu einer Spardose zusammengesetzt. Auch zeigte ihnen, wie groß die Sehnsucht nach Begegnung matisiert“, erklärt Paulus. „Das wollen wir ändern.“ Worner hat das Handwerk professionell erlernt: Er stu- Hanna will so eine Dose herstellen. „Das ist ein schönes unter 30- bis 50-Jährigen ist. Und wie groß gleichzeitig dierte in den 1970er-Jahren „Formgestaltung“ in Berlin. Weihnachtsgeschenk“, sagt sie. die Bereitschaft ist, auf einsame Menschen zuzugehen Seine Keramikkurse in Pankow sind ein Geheimtipp, ob- INITIATIVE KEINER BLEIBT ALLEIN und sie einzuladen. wohl er sie für Kinder und Jugendliche schon seit vielen Das Angebot ist seit diesem Jahr ausschließlich digital. Jahren anbietet. Auch Eltern können an ihnen teilnehmen. Gastgeber*innen und Gäste können sich mit Nachrichten Heike Paulus und Christian Fein starteten ehrenamtliche Die sechsjährige Kira ist an diesem Nachmittag mit ihrer KERAMIKWERKSTATT IM FORUM PANKOW oder der Angabe ihrer Stadt anmelden über: Initiativen, die sie 2017 bündelten. Paulus moderiert Mutter gekommen. Beide sind unternehmungslustig und Damerowstraße 8, 13187 Berlin -- Facebook.com/groups/Weihnachten.Nicht.Allein/ von Berlin aus ihre Facebookgruppe „Weihnachten probieren gerne etwas Neues aus. „Ich habe schon eine Prin- -- Twitter: KeinerBleibtAllein, #KeinerBleibtAllein Kurszeiten (nicht) allein“. Fein nimmt von Mannheim aus unter dem zessin, einen Fuchs und einen Elefanten aus Ton gemacht“, -- Instagram: keinerbleibtallein, #KeinerBleibtAllein Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag Aktionsnamen #KeinerBleibtAllein per Twitter und Ins- sagt Kira. „Den Fuchs habe ich meiner Oma geschenkt.“ 15-18 Uhr für Kinder und Erwachsene tagram Nachrichten an. Dann suchen sie passende Gastge- www.keinerbleibtallein.net ab 19 Uhr für Erwachsene ber*innen und vernetzen sie mit Gästen für die Feiertage. Um Missbrauch zu vermeiden, arbeiten die Mode- Wer einen Blick in die Regale wirft, die in Worners Werkstatt Keine Anmeldung notwendig rator*innen mit geschlossenen Gruppen. Die Teil an den Wänden stehen, sieht schnell, welche Dinge bei den Ging es bisher um persönliche Begegnungen, werden Kindern besonders beliebt sind. Dort stehen jede Menge Kursgebühren: 2 Euro pro Kurs für Kinder; nehmer*innen müssen sich vorab anmelden. Beiträge viele Treffen dieses Jahr aufgrund der Pandemie virtuell Einhörner, Prinzessinnen und Pferde, aber auch fantasievoll 10 Euro für Erwachsene werden geprüft und freigeschaltet. stattfinden. geformte, bunt angemalte Tassen, Teller und Schüsseln. 16 17
WEISSENSEE NEUE WOHNIDEEN WOHNEN UND ARBEITEN sind etwa Hausgemeinschaften mit gemeinsamen Hofanlagen, Atelier- ein Team aus Hebammen sind interessiert. Die Unternehmer*in- Anfangs gab es beispielsweise die Idee, Wohn- und Arbeitseinheiten UNTER EINEM DACH wohnungen für Künstler*innen nen haben Zugang zur gemein- auch räumlich zu verbinden. Vom oder Mehrgenerationenhäuser, in schaftlich genutzten Remise, einem Büro im Erdgeschoss sollte eine Trep- denen alte und junge Mieter*innen zweigeschossigen Gebäude im Hof- pe in die darüberliegende Wohnung sich einander unterstützen. Von bereich mit Besprechungs- und führen. „Das ist aber rein vertrags- einer zusätzlich geschaffenen Seminarräumen. Damit fördert die rechtlich gar nicht möglich, da Infrastruktur mit Cafés, Kitas oder GESOBAU den Share-Economy- wir unterschiedliche Verträge für Angeboten für ältere Menschen Gedanken und bietet eine innovative Wohnungen und Gewerbe haben“, profitieren auch alteingesessene Lösung, um knappe und teure Res- erklärt Viktoria Rein. Es ist ohne Bewohner*innen. Ihr Kiez verän- sourcen wie Büroflächen effizient zu Frage ein anspruchsvolles Projekt, dert sich – zum Positiven. nutzen. die Herausforderungen sind viel fältig. Im Ergebnis verknüpft die MODERNES LEBEN IN WEISSENSEE FLEXIBLE ARBEITSPLÄTZE IN GESOBAU modernes Wohnen mit Die GESOBAU beteiligt sich an dem GEMEINSAMEN RÄUMEN inspirierenden Büroflächen und Vorhaben mit einem Bauprojekt auf Auch wer nur ab und zu einen kann damit einen Beitrag zu neuen dem Gelände der Langhansstraße 28 Arbeitsplatz außerhalb der eigenen zukunftsfähigen Wohnformen leisten. und Roelckestraße 9, 9A in Weißen- vier Wände sucht, ist in der Lang see. Die Idee: Gewerbetreibende hansstraße willkommen. „Eine etwa NEUE IDEEN FÜR PANKOW leben und arbeiten im selben Haus. 190 Quadratmeter große Gewerbe Ein ähnliches Projekt wie in der „Das hat viele Vorteile“, sagt Viktoria einheit soll an einen Co-Working Langhansstraße plant die GESOBAU Rein, Projektmitarbeiterin bei der Space-Anbieter vermietet werden“, in Pankow. Baubeginn für das Haus GESOBAU. „Kurze Arbeitswege ent- erklärt Viktoria Rein. Damit ist ein in der Mühlenstraße 24 ist 2021. lasten die Umwelt, bedeuten mehr Büro gemeint, in dem Selbstständige Auch dort sollen innovative Konzepte Flexibilität und eine bessere Verein- und Student*innen tage- oder stun- umgesetzt werden. Die Mieter*innen barkeit von Familie und Beruf.“ denweise einen Schreibtisch mit dürfen mitentscheiden, wie gemein- Ein Trend für die Zukunft? In Weißensee können Unterneh- Internetzugang mieten können, um schaftliche Mehrzweckräume genutzt mer*innen bald Gewerbeflächen Bei anderen Neubauten werden ungestört zu arbeiten. werden könnten. Ideen gibt es bereits: und Wohnungen im selben Haus Ladengeschäfte und Wohnungen Sie reichen von einer Bibliothek zum mieten getrennt voneinander vermietet. Momentan sucht die GESOBAU nach Tausch von Büchern über Gästezim- Bei diesem Projekt ist es anders: einem Betreiber für den Co-Wor- mer bis hin zum Billardraum. „Durch Die GESOBAU sucht gezielt Unter- king-Space. „Davon hängt ab, ob wir diese Angebote soll die Hausgemein- nehmer*innen, die Wohnen und diesen Plan wirklich umsetzen“, schaft stärker zusammenwachsen. Text: Judith Jenner Arbeiten an einem Ort vereinen sagt Viktoria Rein. Überhaupt ist Das Leben wird weniger anonym“, wollen. Das Haus wird im Frühjahr die Planung dieses neuen Wohn- erläutert Viktoria Rein. Schließlich 2021 fertiggestellt, und es gibt be- und Arbeitshauses ein dynamischer macht auch eine gute Nachbarschaft Mit dem stadtplanerischen Konzept „Urban Living“ sollen reits erste Anfragen: Eine Dolmet- Prozess. Das Konzept wird immer das Wohnen in der Stadt lebens scherin, Ergotherapeut*innen und wieder angepasst. werter. Arbeiten und Wohnen näher zusammenrücken. Das erste GESOBAU-Projekt dieser Art ist bald bezugsfertig K NEUES WOHNKONZEPT IN WEISSENSEE INFOS ZUM PROJEKT Seit Frühjahr 2019 wird an der Langhansstraße 28 und Roelckestraße 9, 9A gebaut. Sie sind Unternehmer*in und Nach den Plänen des Berliner Architekturbüros Bollinger + Fehlig entsteht ein vier- bis interessieren sich für das fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus mit einem zurückgesetzten Dachgeschoss. Projekt? Mehr Informationen Das Besondere: Die Gewerbetreibenden sollen möglichst auch im Haus wohnen. Im zur laufenden Vermietung urze Arbeitswege ha- und Arbeiten näher zusammenrücken, nachzugehen: Wie können in der Erdgeschoss des markanten Eckgebäudes und teilweise auch im ersten Obergeschoss der Flächen und Wohnungen ben während der Co- ist ein Aspekt des Projektes „Urban Innenstadt neue Wohnungen entste- sind auf insgesamt 656 Quadratmetern 13 Gewerbeflächen in unterschiedlicher Größe bekommen Sie per E-Mail rona-Krise viele zu Living – Neues Wohnen in Berlin“. Es hen, ohne dass die Lebensqualität geplant. Alle 37 Wohnungen haben entweder eine Loggia, einen Balkon oder eine Ter- (gewerbe@gesobau.de) oder schätzen gelernt. Wer wurde 2013 von der Senatsverwaltung darunter leidet, weil die Bevölkerungs rasse. Ein Drittel der Wohnungen wird barrierefrei sein. Auch die Lage ist attraktiv: auf unserer Website: von zu Hause aus arbeiten kann, für Stadtentwicklung und Wohnen ins dichte steigt. Der Weiße See mit Park und Strandbad ist nur knapp zwei Kilometer entfernt. Nahe www.gesobau.de/langhans- spart sich den Stau auf dem Weg zur Leben gerufen, um gemeinsam mit gelegene Bus- und Straßenbahnstationen sorgen für eine schnelle Verbindung in die strasse Arbeit oder die Wege mit den öffentli- den städtischen Wohnungsbaugesell- Um die Wohnqualität zu halten, City. Die ersten Mieter*innen können voraussichtlich im Sommer 2021 einziehen. chen Verkehrsmitteln. Dass Wohnen schaften wie der GESOBAU der Frage sind neue Konzepte gefragt. Denkbar 18 19
SCHLICHTUNGSBÜRO GESOBAU-SCHLICHTUNGSBÜRO DICKE LUFT Text: Judith Jenner Das GESOBAU-Schlichtungsbüro ist Anlaufstelle, wenn Nachbar*innen zerstritten sind. Vier Ehren- amtliche helfen ihnen, eine Lösung zu finden E in wenig ist Dieter Rabe* der Ärger noch anzumerken, wenn er sich an den Streit mit seinem Nachbarn erinnert. Im Be- sprechungsraum der GESOBAU-Nach- barschaftsetage im Märkischen Vier- tel erzählt er, wie im Stockwerk über FÜR EIN BESSERES MITEINANDER Mit am Tisch saßen Dankwart Kirch- ner und Thea Mir-Raissi. Beide sind schon seit vielen Jahren Mitglieder des Schlichtungsteams. Der Gruppen- psychotherapeut Kirchner hat viel Erfahrung im Führen von Konflikt gesprächen. Er ist seit der Gründung ihm bis spät in die Nacht in voller des Schlichtungsbüros 2006 dabei. Lautstärke der Fernseher lief. Am Damals war er gerade in den Ruhe- frühen Morgen jammerten dann stand gegangen und suchte nach die Katzen des Bewohners, weil sie einer ehrenamtlichen Tätigkeit, in die nichts zu fressen hatten, vermutete er seine beruflichen Erfahrungen ein- Rabe. „Manchmal miauten sie eine fließen lassen konnte. Er fand sie im Stunde lang“, sagt der 72-Jährige. Schlichtungsbüro, das kurz zuvor auf Initiative der GESOBAU-Sozialmana- Weil der deutlich jüngere Hausbe- gerinnen Ilona Luxem und Andrea wohner nicht mit sich reden ließ, Scheel gegründet worden war. „Ich wandte sich Dieter Rabe an das hatte zu dieser Zeit meine Ausbil- GESOBAU-Schlichtungsbüro. „Meine dung als Mediatorin abgeschlossen“, Hoffnungen hielten sich erst mal in erinnert sich Ilona Luxem. „Dieses Grenzen“, erzählt er. „Vor allem habe Verfahren zur Beilegung von Konflik- ich bezweifelt, dass sich der Nachbar ten schien mir eine Chance, um Nach- mit mir an einen Tisch setzt.“ Doch barschaftsstreits zu schlichten.“ In nach einem freundlichen Brief des der Mediation suchen zwei Parteien Schlichtungsbüros ließ der sich tat- gemeinsam nach Kompromissen, um sächlich darauf ein. ihr Problem zu lösen. Voraussetzung 21
REINICKENDORF GESOBAU-SCHLICHTUNGSBÜRO Die Schlichter*innen der GESOBAU (v. l. n. r.): Dankwart Kirchner, Thea Mir-Raissi, Hans-Jürgen Weber und Edith Spielhagen ist, dass sich beide Seiten freiwillig dern stammen, abends häufig länger ZUHÖREN UND IMPULSE GEBEN zu laut ist?“ Oder: „Wie wäre es für tet, auf dem die Mieter*innen ihre hinsichtlich der Fernseherlautstärke darauf einlassen. Zu Lösungen sollen draußen. Sie sind es so gewohnt, weil Für Edith Spielhagen ist es immer Sie, ein Klingelzeichen zu vereinba- Anliegen und einen Kontakt hinter- konnten sie sich einigen. Zum sie eigenständig kommen. Die Media es in der alten Heimat tagsüber oft zu wieder spannend, sich in beide ren?“ „Wir sind da aber sehr lassen können. Ein Teammitglied Schluss gaben sich die beiden Nach- tor*innen begleiten den Prozess. heiß ist zum Spielen. Viele behalten Seiten hineinzuversetzen, sich nicht zurückhaltend“, räumt Dankwart meldet sich dann zurück. Persönlich barn sogar die Hand darauf. Daran die gewohnten Ruhe- und Schlafzeiten von Sympathien leiten zu lassen und Kirchner ein. „Auf keinen Fall soll können Mieter*innen zur Sprech- erinnert sich Dankwart Kirchner Von Anfang an stand fest: Die Leitung aus ihrer Kindheit bei, erklärt Thea neutral zu bleiben – eine große sich eine Seite überrumpelt fühlen stunde donnerstags von 16 bis noch ganz genau, denn solche des Schlichtungsbüros sollten Ehren- Mir-Raissi. „Indem man darüber Herausforderung, pflichten ihr die und nur dem Schlichter zuliebe 18 Uhr ins Schlichtungsbüro kom- Momente gehören zu den schönsten amtliche übernehmen. „So finden die spricht, ist oft schon viel gewonnen“, anderen Teammitglieder bei. „Im einem Vorschlag zustimmen.“ men, auch ohne Termin. seiner Arbeit. „Das rührt mich Gespräche auf Augenhöhe statt“, meint sie. ersten Moment hören wir die Ge- wirklich sehr“, gibt er zu. meint Ilona Luxem. Über Anzeigen schichte ja nur von einer Seite, näm- Mieter*innen wenden sich bei Ärger Eine Einschränkung gibt es: Ist ein * Name von der Redaktion geändert und das Ehrenamtsbüro Reinicken- Einmal monatlich setzen sich Thea lich von der Person, die sich an uns mit Nachbar*innen oft als erstes Konflikt so stark eskaliert, dass dorf fand sie die ersten Mitglieder für Mir-Raissi und Dankwart Kirchner wendet“, gibt sie zu bedenken. „Von an die Kundenbetreuer*innen der bereits eine Anzeige bei der Polizei das Team, die sich für eine gute und mit Edith Spielhagen und Hans- dieser einen Darstellung dürfen wir GESOBAU. Diese verweisen dann ans erstattet oder ein Rechtsanwalt DAS SCHLICHTUNGSBÜRO friedliche Nachbarschaft einsetzen. Jürgen Weber zusammen. Edith Spiel- uns aber nicht vereinnahmen las- Schlichtungsbüro. „Der Austausch eingeschaltet wurde, nehmen die Vier Mediator*innen arbeiten ehren- hagen ist Kulturwissenschaftlerin, sen.“ Edith Spielhagen kann sich mit der GESOBAU ist sehr wichtig Schlichter*innen den Fall nicht amtlich für die GESOBAU und helfen KULTURELLE UNTERSCHIEDE Hans-Jürgen Weber Jurist, sie machen als Mieterin gut in viele Situationen und geht in beide Richtungen“, mehr an. Auch rechtliche Tipps Mieter*innen, die im Streit mitei- Thea Mir-Raissi kam etwa zehn Jahre das Team komplett. Etwa zehn Anfra- hineinversetzen. Sie sagt: „Wir betont Hans-Jürgen Weber. „Wir dürfen sie nicht geben. Deshalb ist es nander liegen. Die Schlichtung ist später ins Team. Sie ist ebenfalls Rent gen pro Monat gehen im Schlichtungs- kennen alle Konflikte auch aus unse- sprechen auch mit den Kunden wichtig, die zerstrittenen Parteien kostenlos und beinhaltet in der Regel nerin und wohnt im Märkischen Vier- büro ein. „Im Winter sind es mehr rem Umfeld, sie erzeugen teilweise betreuer*innen oder Sozialmana- möglichst frühzeitig an einen Tisch ein Treffen mit beiden Konfliktpartei- tel. Weil hier viele Menschen auf als im Sommer“, so Thea Mir-Raissi. seelisches und körperliches Leid. ger*innen, wenn wir von ihrer Seite zu bringen. en. Mieter*innen erreichen das Team engem Raum zusammenleben, gibt es „Da verbringen die Menschen viel Zeit Deshalb ist es so wichtig, dass sich Handlungsbedarf sehen.“ Aus die- telefonisch unter 030 41508588 oder mehr Konflikte als anderswo. „Meis- zu Hause und fühlen sich leichter die Streitenden wieder annähern.“ sem Grund versucht Ilona Luxem Im Fall von Dieter Rabe und seinem jeden Donnerstag persönlich von 16 tens geht es in den Streitigkeiten um gestört.“ Während der Corona-Zeit im regelmäßig, an den Teamsitzungen Nachbarn gelang es, Regelungen zu bis 18 Uhr in der GESOBAU-Nachbar- laute Kinder oder anderen Lärm“, März und April gab es besonders viele Wenn zwei Parteien im Gespräch der Schlichter*innen teilzunehmen. finden, mit denen beide leben kön- schaftsetage im Märkischen Viertel berichtet sie. Manchmal haben diese Anrufe. Da Schlichtungen durch ein keine Lösung finden, geben die nen: So vereinbarten sie, dass die am Wilhelmsruher Damm 124, 13439 Konflikte mit kulturellen Unterschie- persönliches Gespräch zu dieser Zeit Mediator*innen Impulse. „Könnten FRÜHZEITIG AN EINEN TISCH Katzen morgens als erstes gefüttert Berlin. Eine Terminvereinbarung ist den zu tun. So bleiben einige Kinder, nicht möglich waren, zogen sich diese Sie sich vorstellen, dass Ihr Nachbar Im Schlichtungsbüro ist rund um die werden, damit sie sich nicht so laut nicht notwendig. deren Familien aus wärmeren Län- bis in den Herbst hinein. Sie kurz anruft, wenn der Fernseher Uhr ein Anrufbeantworter geschal- bemerkbar machen müssen. Auch 22 23
E PANKOW GESOBAU-STIFTUNG Lucie-Marie Wirth ist eine von sieben ehrenamtlichen Obdachlose haben oft nur ein Fußpflegerinnen im Fran- Paar Schuhe, das sie durch alle s ist ein besonderer Ort Menschen in Not.“ Gleich neben dem ziskanerkloster Pankow Jahreszeiten bringt. Ihre Füße inmitten der lärmen- Fenster steht ein spezieller Fußpfle- leiden darunter sehr den Großstadt. Wie gestuhl. eine friedliche Oase liegt das Franziskanerkloster in der Doch warum ist die Fußpflege über- Wollankstraße 19. Wir betreten eine haupt so ein wichtiges Angebot? parkähnliche Anlage mit mächtigen „Viele Obdachlose sind den ganzen Bäumen. Darin stehen zwei altehr- Tag unterwegs, bei Wind und Wetter. würdige Häuser und ein moder- Wegen der Kälte behalten sie oft nes, lichtdurchflutetes Gebäude: der auch nachts ihre Socken und Schuhe Speisesaal. an“, erzählt Backhaus. „Außerdem müssen sie dann keine Sorge haben, Ein großer Mann mit Brille steht in dass ihnen die Schuhe geklaut wer- der Tür. Es ist Bernd Backhaus, der den.“ Doch unter diesen Umständen Leiter der Suppenküche. Wenn er kommt es leicht zu Entzündungen. spricht, Leute begrüßt und uns durch die Räume führt, klingt er sanft und Manchmal können die Folgen ruhig. „Es sind die Ärmsten der schwerwiegend sein. Wichtig sei Gesellschaft, die zu uns kommen“, deshalb, die Menschen für dieses sagt er. Die einen sind obdachlos Angebot zu gewinnen. „Niemand oder schon seit vielen Jahren ohne spricht gerne über solche Beschwer- Arbeit, andere müssen mit einer den, weshalb wir generell sehr be- winzigen Rente über die Runden hutsam mit allen umgehen, die zu kommen, wieder andere leiden un- uns kommen“, so Backhaus. Zum ter psychischen Erkrankungen. Für Glück kennen die Mitarbeiter*innen sie ist die Suppenküche meist der des Klosters die meisten schon län- „Geschundene Füße sind besonders erste Anlaufpunkt. Zwischen 180 ger. „Das hilft, denn der persönliche anfällig für alle möglichen Krankheits- und 400 Menschen bekommen hier Kontakt baut Hemmschwellen ab.“ erreger“, sagt Sindy Burow. „Infolge pro Woche ein warmes Mittagessen. mangelhafter Pflege können sich so- Sindy Burow und Catrin Räther sind gar offene Wunden bilden, die sich „Unser Ziel ist es, die Würde der Podologinnen, medizinische Fuß schnell zu einem größeren medizini- Menschen zu schützen“, sagt Back- pflegerinnen. Sie sind es, die den schen Problem entwickeln.“ Manch- HILFE FÜR haus. Dazu gehören die regelmäßi- Betroffenen bei ihren Beschwerden mal sind dann auch die Beine und gen Mahlzeiten oder warme maßgeblich helfen. „Füße haben es andere Körperteile betroffen. Kleidung für den Winter. Ein würde- schwer“, sagt Sindy Burow. Sie ist volles Leben heißt aber auch, du- 35 Jahre alt, lacht viel und strahlt Damit das gar nicht erst passiert, GESCHUNDENE FÜSSE schen zu können und medizinische Geborgenheit aus. „Gerade im Winter kommen Sindy Burow, Catrin Räther Hilfe zu bekommen. Auch darum bekommen sie oft zu wenig Luft und und Lucie-Marie Wirth in Zukunft kümmern sich Mitarbeiter*innen Pflege.“ Die beiden Frauen wollen einmal in der Woche ins Franziskan- des Klosters. Im ersten Stock stapeln nicht nur in einer Praxis arbeiten, erkloster. sich Seifen und Cremes, dort begrü- sondern sich auch für Menschen in Text: Karl Grünberg ßen zwei Mitarbeiterinnen den Not engagieren. Vor Kurzem wurde nächsten Gast und erklären ihm, das Team um fünf weitere Fußpflege- Die GESOBAU-Stiftung setzt sich wo die Duschen sind. In diesem Jahr rinnen erweitert, unter ihnen auch für soziale Ziele ein und fördert Menschen, die ohne Obdach sind und unter schwierigen Bedin- müssen natürlich alle die besonde- Lucie-Marie Wirth. Sie verzichtet wie jedes Jahr zahlreiche Vorhaben ren Corona-Regeln beachten. alle anderen auf ein Gehalt. Das da- und Einrichtungen gemeinnütziger gungen auf der Straße leben, haben mit vielen gesundheitlichen für eingeplante Geld „spenden“ die Träger. Sie hilft mit unbürokra Problemen zu kämpfen. Das Franziskanerkloster in Pankow Seit Kurzem gibt es ein neues An Frauen für weitere medizinische tischer finanzieller Hilfe in den gebot, berichtet Bernd Backhaus: Anschaffungen. Ihr Engagement Quartieren, in denen die Mieter*in- bietet ihnen eine medizinische Fußpflege an „Einmal in der Woche bieten wir wird für ein Jahr von der GESO- nen der GESOBAU zu Hause sind. hier eine medizinische Fußpflege für BAU-Stiftung unterstützt. 24 25
O KIEZSPAZIERGANG KIEZSPAZIERGANG HOCHHÄUSER UND kitonga Mem- ba legt den Kopf in den Nacken. GRÜNE INSELN „Dort oben im siebten Stock rief meine Mutter im- mer aus dem Küchenfenster, wenn wir zum Essen kommen sollten“, er- innert sich der 34-Jährige, den sei- ne Freunde nur Oki nennen. Die El- tern kamen Anfang der 80er-Jahre aus der Demokratischen Republik Kongo nach Deutschland und hatten hier, in der Finsterwalder Straße 7, ihre erste Wohnung im Märkischen Viertel: in einem Hochhaus zwi- schen Einfamilienhäusern auf der einen und Kleingärten auf der an- deren Seite. Mit Bolzplatz direkt vor der Tür. Dort verbrachten Okitonga Memba und seine vier Brüder einen Großteil ihrer Kindheit. Das Leben im Märkischen Viertel war für die Kinder ein großer Spaß. Es gab immer andere, mit denen sie Fußball spielen konnten, ein bunter Mix an Nationen und sozialen Hin- tergründen. „Die Gemeinschaft in unserem Haus war einfach wunder- bar“, schwärmt Okitongas vier Jahre älterer Bruder Djamba. Er erinnert sich an Silvesterpartys, bei denen ein langer Tapetentisch in den Hausflur gestellt wurde und alle Nachbar*innen etwas zu essen mit- brachten. Wenn der einzige Fahr- stuhl im Haus kaputt war, half man sich beim Hochtragen der Einkäufe. Text: Judith Jenner Doch ohne Konflikte lief das Zusam- menleben im Märkischen Viertel Okitonga (links) und sein auch nicht ab. „Wir waren die erste Bruder Djamba (rechts) schwarze Familie im Kiez“, erinnert Okitonga und Djamba Memba wuchsen im in der Finsterwalder sich Okitonga Memba. „Mit den Straße 7. Im siebten Märkischen Viertel auf. Beim Spaziergang Stock des Hochhauses meisten Nachbarn gab es keine wohnten sie mit ihren Probleme, aber es gab auch rechte durch ihren Kiez zeigen uns die Brüder die Geschwistern und Eltern bis 1999 Gruppen, die uns wegen unserer wichtigsten Orte ihrer Jugend Hautfarbe beleidigten. Das tat weh. Aber wir lernten, damit um zugehen.“ 26 27
MÄRKISCHES VIERTEL KIEZSPAZIERGANG Bei „Pia Bistro“ (links) gibt es den besten Döner, sagt Okitonga. Auf dem Fußballplatz fühlen Vor dem Sportjugend- sich die Brüder wohl. In ihrer club (Mitte links) Jugend kickten sie im Viertel treffen die Brüder Sozi- jeden Samstag mit bis zu alarbeiter Jons Jakstat, 40 Kindern aus ganz Berlin den sie noch aus ihrer Kindheit kennen SPORT ALS VENTIL Vorbei an der Trainingsanlage der Baseballmannschaft Berlin Flamin- gos geht es weiter zum Seggeluch becken, einem Teich mit einer Was serfontäne in der Mitte. Schwäne ziehen ihre Runden. Mitten im Märkischen Viertel kommt Kuror- tidylle auf. Am Senftenberger Ring entlang führt der Weg zum Bolzplatz an der Calauer Straße. Dort kickten samstags bis zu 40 Kin- der und Jugendliche. Sie kamen aus Okitonga Memba. In der wenige um Aggressionen und Frust loszu- ganz Berlin, um die Fußballer*innen hundert Meter entfernten Turnhalle werden. Etwa über soziale Ungleich- aus dem Märkischen Viertel her der Chamisso-Grundschule lernte heiten, die er im Viertel spürte, MEHR PLATZ ALS IN DER auszufordern. „Teilweise begannen er das Boxen. Rückblickend war der oder bürokratische Hindernisse. I NNENSTADT hier Profikarrieren“, erinnert sich Sport für ihn ein wichtiges Ventil, Entlang des viel befahrenen Für die Familie Memba spielte Wilhelmsruher Damm führt der Weg Bildung immer eine wichtige Rolle. an der sogenannten Papageiensied- „Um Punkt 18 Uhr wurden die lung vorbei. Sie trägt ihren Namen Hausaufgaben gemacht, da kannten wegen der bunten Häuserfassaden. unsere Eltern kein Pardon“, sagt Hier lebt Okitongas Bruder Djamba Okitonga Memba. Als Erster in sei- mit seiner Freundin und zwei Kin- ner Familie schaffte er das Abitur. dern. „In der Innenstadt ist es mir zu brunnen. Das Veranstaltungshaus mit zufällig den Sozialarbeiter Jons Seine jüngeren Brüder folgten sei- eng“, sagt er. „Hier gibt es viel Grün dem abwechslungsreichen Kultur- Jakstat. Die Wiedersehensfreude auf nem Beispiel. und alles, was man braucht.“ Zum programm ist weit über die Grenzen beiden Seiten ist groß. Erinnerungen Beispiel einen richtig guten Dö- des Märkischen Viertels bekannt. an Basketballspiele und gemeinsame Als Okitonga auch den Bachelorab- ner-Imbiss. Am Märkischen Zentrum Okitonga erinnert sich an eine Dino- Bekannte werden ausgetauscht. „Die schluss in der Tasche hatte, zog er stehen die Kund*innen vor dem „Pia saurierausstellung, die er dort als Sportangebote unseres offenen Ju- aus dem Märkischen Viertel nach Bistro“ Schlange. Okitonga Memba Kind besucht hat. Westlich davon gendclubs sind eine Möglichkeit, die Charlottenburg. Dass ihm seine bestellt Falafel – der junge Vater will beginnt der grüne Teil des MV, wie Kids von der Straße zu holen“, er- Wurzeln immer noch wichtig sind, gesünder leben und ernährt sich seit das Märkische Viertel von vielen zählt Jons Jakstat. Jugendliche kön- zeigt das Logo seiner Firma. Schild einigen Monaten vegetarisch. Bewohner*innen abgekürzt wird. nen sich im Tischtennis messen oder und Speer stehen darin für seine Fußball spielen. Dafür arbeitet der afrikanischen Wurzeln, die Umrisse Eine enge Passage führt direkt zum Auf dem Weg dorthin, vor dem Jugendsportclub auch mit dem Kiez- der Türme des Märkischen Viertels Fontane-Haus. Davor sprudelt der Sportjugendclub Reinickendorf, verein MSV Normannia 08 nebenan Idylle mitten im Märkischen für den Ort, an dem er eine glückli- Fontanebogen, ein massiver Bronze- treffen Okitonga und Djamba Memba zusammen. Viertel: Am Seggeluchbecken che Kindheit erlebte. kehrt Ruhe ein 28 29
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