Wirtschaft quer Nr. 121-160 - Zukun sfähigkeit - AFI-IPL
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Zukun�sfähigkeit Arbeitsmarkt Einkommen Wi rts cha �q ue r Sozialpartnerscha� Wirtscha�spolitik Welfare Konjunktur Wirtschaft quer Nr. 121-160 Juli 2015 – Mai 2016
Vorwort Als ich am 3. April 2013 mein erstes „Wirtschaft Quer“ schrieb, dachte ich nicht daran, dass am 3. April 2016 in dieser Rubrik im Sonntagsteil der Neuen Südtiroler Tageszeitung die Nr. 154 erscheinen würde, noch dazu mit dem Titel „Über das Glück“. Das war immer die Idee dahinter: Wirtschaft ist nicht ein Vorrecht der Bosse und Aktienbesitzer, nicht ein Sonderfall für Steuerberater und Wirtschaftsinstitute. Wirtschaft betrifft uns alle quer durch, vom Ölpreis über Arbeitsplätze oder Rentengesetze, bis hin zum Glück auf dieser Welt. Wirtschaft geht quer durch unser ganzes Leben. Warum sollte es nicht eine wöchentliche Betrachtung geben, die fachmännisch beobachtet und kommentiert, was auf uns alles zukommt? Ob das neue Gesetze sind oder die Sprünge der Konjunktur, die Hoffnungen und Sorgen der Arbeitnehmer oder die Entwicklungen in den wichtigsten Südtiroler Wirtschafts- und Sozialbereichen, ja sogar die Megatrends der Zukunft? Alles das hat Platz in „Wirtschaft Quer“. Immer begleitet von handfesten Daten und Fakten und garniert mit vorsichtigen, zahlengestützten Prognosen. Und wenn sozialpolitisch gerechtfertigt, auch mit unmissverständlichen Forderungen an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft. So freut es mich nun, die Sammlung der Nummern 121 bis 160 von „Wirtschaft Quer“ vorlegen zu können. Ich danke allen Leserinnen und Lesern für ihr Interesse und die zahlreichen Rückmeldungen und ich danke ganz besonders dem Herausgeber für die Beständigkeit der Rubrik in seiner Zeitung. Gute Lektüre! Stefan Perini Direktor AFI | Arbeitsförderungsinstitut
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Arbeitsmarkt..................................................................................................................... 5 n. 126 29.08.2015 Wie viele Selbstständige braucht das Land n. 140 05.12.2015 Nur keine voreilige Euphorie n. 152 19.03.2016 Die zwei Arbeitsmärkte Südtirols n. 158 30.04.2016 Fachkräfte sind keine Semmeln Einkommen .................................................................................................................... 7 n. 123 08.08.2015 Zweischneidiges Schwert Mindestlohn n. 134 24.10.2015 Wohnungstraum & Wohnungstrauma n. 135 31.10.2015 Den einen wird's geschenkt, die anderen … n. 136 07.11.2015 Noch kein Schwung bei Löhnen n. 142 09.01.2016 Wie gerecht sind unsere Löhne? n. 144 23.01.2016 Banken im Umbruch, Sparer auf dünnem Eis Konjunktur...................................................................................................................... 10 n. 122 01.08.2015 Italy is back n. 127 05.09.2015 Patient China: nur verschnupft oder todkrank? n. 133 17.10.2015 Rekordverdächtig n. 138 21.11.2015 Des einen Leid n. 147 13.02.2016 Mitgehangen - mitgefangen n. 148 20.02.2016 Verfehlter Jahresauftakt n. 155 09.04.2016 Zur "Voucherisierung" des Arbeitsmarkts n. 160 14.05.2016 Südtiroler Wirtschaft 2016: Quo vadis? Sozialpartnerschaft......................................................................................................... 14 n. 145 29.01.2016 Hut ab vor Durst und Apparatebau n. 146 06.02.2016 Unproduktives Südtirol? Welfare.............................................................................................................................. 15 n. 124 15.08.2015 Wie viel Leistung wie viel Vorbestimmung? n. 125 22.08.2015 Neues Wohnen - altes Fördern n. 130 26.09.2015 In schlechter Gesellschaft n. 139 28.11.2015 Kein Platz im Aufzug n. 149 27.02.2016 Neue Einsicht n. 159 07.05.2016 Wachstumsbremse Ungleichheit 3
Inhaltsverzeichnis Wirtschaftspolitik............................................................................................................. 18 n. 121 25.07.2015 Bröckelnder Vorreiter n. 128 12.09.2015 Gute Sozialpolitik ist gute Wirtschaftspolitik n. 129 19.09.2015 Mysterium Landeshaushalt n. 131 03.10.2015 Sonntagsöffnung - Widerstand wächst n. 143 16.01.2016 Bargeldgrenze: ja oder nein? n. 150 05.03.2016 Über Grenzen zu mehr Lebensqualität n. 151 12.03.2016 "Pampers-Bonus" gar nicht gut n. 157 23.04.2016 Virtuelle Freiheit Zukunftsfähigkeit.............................................................................................................. 22 n. 132 10.10.2015 Herzlose Zukunft? n. 137 14.11.2015 Es wächst die „Green Region“ n. 141 12.12.2015 Lasst uns arbeiten n. 153 26.03.2016 Südtirol = Natur - x n. 154 02.04.2016 Über das Glück und wo es herkommt n. 156 16.04.2016 Einen neuen Kompass bitte 4
Arbeitsmarkt Arbeitsmarkt N. 126 29.08.2015 Wirtschaft quer von Stefan Perini – Direktor AFI Wie viele Selbständige braucht das Land? S ich als selbstständig aus- zugeben gilt als cool – ja, wer möchte nicht gerne sein Wer würde es wagen zu behaupten, eine niedrige Selbstständigen-Quote sei für die Wirtschaft in eigener Chef sein? Selbst- der Regel positiv? Ich tue es. ständigkeit – das Wort riecht ja schon förmlich auch eine hohe Selbständigen- volkswirtschaftlicher Sicht ist nach Eigeninitiative, Risiko- Quote aufweisen. Hier der Beleg: eine hohe Erwerbsbeteiligung bereitschaft und Dynamik. Griechenland (23,2%), Spanien entscheidend, sichtbar in der Be- Da ließe sich schon mal (20,5%), Italien (12,4%). Nur schäftigungsquote. Auch hier be- schlussfolgern, dass sich Tschechien fällt mit einer Arbeits- stätigt sich, dass die Beteiligung Länder mit einem hohen losenrate von 5,5% aus der Reihe. am Arbeitsmarkt gerade in jenen Anteil an Selbstständigen wirt- stehen Griechenland (24,6%), Ita- Will heißen, wer keine Arbeit fin- Ländern hoch ist, in denen die schaftlich positiv hervorheben. lien (22,5%), Tschechien (17,2%) det, weil die Wirtschaft nicht ge- Selbstständigen-Quote niedrig Da lohnt ein Blick auf internatio- und Spanien (16,0%). Scheinbar nügend Jobs schafft, macht sich ist. Zahlen gefällig? Im Spitzen- nal vergleichbare Daten, zusam- ist in diesen Ländern ein großer selbstständig. Insofern ist die feld finden wir Schweden (74,9%), mengetragen von Eurostat und Unternehmergeist ausgebrochen Selbstständigkeit stets mehr Niederlande (73,9%), Deutsch- OECD. Schauen wir also nach, – oder gibt es andere Gründe für „letzter Ausweg, um der Arbeits- land (73,8%) und Dänemark wie stark der Drang zur Selbst- die hohe Selbständigen-Quote? losigkeit zu entrinnen“, als wahre (72,8%). Am unteren Rand liegen ständigkeit in den einzelnen Län- Zurechtgerückt wird das Bild, Berufung. Mit dem Ergebnis, Italien (55,7%), Spanien (56,0%) dern ausgeprägt ist. Die Selbst- wenn man die Selbstständigen in dass es eine Vielzahl an Ein-Per- und Griechenland (49,4%). Fazit: ständigen-Quote beträgt im EU- Kombination mit anderen Ar- sonen-Betrieben, Ich-AG’s, Ver- Dort, wo der Arbeitsmarkt funk- Schnitt 13,2%. Im einstelligen Be- beitsmarktindikatoren betrach- tretern, Händlern, Freiberuflern tioniert, ist die Selbstständigen- reich liegen die Länder Estland, tet. Eine erste Antwort liefern die und Dienstleistern gibt, die sich Quote in der Regel niedrig. Seien Lettland und Litauen, Dänemark Arbeitslosenzahlen. Tatsächlich mehr schlecht als recht durch- wir also froh, wenn die Selbststän- (7,8%), Österreich und Schweden sind es die Länder mit hoher Ar- schlagen. Ob selbständig oder als digen nicht zu sehr ins Kraut (beide 9,2%). Am anderen Ende beitslosigkeit, die tendenziell Arbeitnehmer beschäftigt: aus schießen! N. 140 05.12.2015 Wirtschaft quer von Stefan Perini – Direktor AFI Nur keine voreilige Euphorie Seit Mitte 2013 sinkt die Arbeitslosigkeit im Euroraum Monat für Monat leicht. Nun erstmals auch P ositive Zahlen gab das euro- päische Statistikamt Euros- tat am Beginn dieser Woche be- in Italien. Doch arbeitnehmernahe Institute warnen: Ohne öffentliche Investitionen wäre die kannt: Im Euroraum sei die Ar- Arbeitslosenrate erst wieder im Jahr 2022 beitslosenrate im Oktober 2015 auf dem Stand vor der Krise. auf 10,7% gesunken. Gut nahm Italien die Nachricht auf, dass die keit im gleichen Tempo fort wie tum durch Investitionen setzt. Arbeitslosenrate im eigenen Land Die Forscher geben zu bedenken, heute, dann würde die Rate erst Dabei dürften die europäischen auf 11,5% zurückgegangen sei – dass der Euroraum nicht die rich- wieder im Jahr 2022 dort unten Regierungen Ausgaben nicht eine Bestätigung der Wirksam- tigen Antworten auf die Krise ge- sein, wo sie im Jahr 2007 lag. scheuen, die mit hohen zukünfti- keit des Jobs Act . funden habe. Während die Verei- Ohne Politikwechsel erwarten die gen Erträgen gekoppelt sind wie Doch das arbeitnehmernahe In- nigten Staaten und Großbritan- Experten eine Verfestigung der etwa die frühkindliche Betreuung. stitut für Makroökonomie und nien eine höhere Inflation und Langzeitarbeitslosigkeit, einen Oder die Bildung, die auch mit Konjunkturforschung (IMK) der zeitweilige Haushaltsdefizite dul- gespaltenen Arbeitsmarkt, Krediten zu finanzieren sei, eben- Hans-Böckler-Stiftung warnt: deten, hielten die Euroländer schlechtere Arbeits- und Entloh- so der ökologische Umbau der Trotz positiver Wachstumsimpul- konservativ an Kaufmannstugen- nungsbedingungen und abermals Wirtschaft. Flankiert werden se sei die Krise in Europa noch den fest und versuchten zu spa- nachlassende Investitionen. müsse die Wachstumspolitik wie nicht ausgestanden. Im Süden ren. Das Ergebnis: niedrigere Wachsende Armut und eine per- die Bekämpfung der Armut durch drohe lang anhaltende Massenar- und auch aktuell weiter rückläufi- spektivlose Jugend schmälerten Umverteilung von Einkommen. beitslosigkeit, wenn die europäi- ge Investitionsquoten, weniger langfristig das produktive Poten- Steigende Klein- wie Organisierte schen Staaten nicht durch nach- Wachstum und eine steigende zial vor allem in Südeuropa. Kriminalität machen deutlich: haltig verstärkte öffentliche In- Zahl von Menschen ohne Arbeit. Gegensteuern ließe sich vor allem Auch der soziale Friede ist ein ho- vestitionen neue Impulse setzten. Schreite Abbau der Arbeitslosig- mit einer Politik, die auf Wachs- hes Gut. 5
Arbeitsmarkt N. 152 19.03.2016 Wirtschaft quer Die zwei Arbeitsmärkte Südtirols von Stefan Perini – Direktor AFI In der täglichen Realität gibt es in diesem Land nicht einen einzigen, mehr oder weniger durchgängigen Arbeitsmarkt. Privatwirtschaft und Öffentliche Verwaltung unterscheiden W er glaubt, Südtirol hätte ei- nen Arbeitsmarkt, wo alles nach derselben Logik funktio- sich so sehr in Struktur, Zielen und Zugang, dass sie zwei getrennte Arbeitsmärkte bilden. niert, sollte sich die Zahlen des tigten steht nur ein männlich Be- bers, im Öffentlichen Dienst mit Amtes für Arbeitsmarktbeobach- schäftigter gegenüber. Mit 20.000 öffentlichem Wettbewerb und tung näher ansehen – eine gute Teilzeit-Jobs ist Teilzeit im Öf- nachweisbaren Zugangsvoraus- Datenquelle, weil alle gemelde- fentlichen Sektor verhältnismäßig setzungen. Im Öffentlichen ten, unselbständig Beschäftigten stärker präsent (40%) als in der Dienst ist so manche Anstellung erfasst sind. Im Jahr 2015 waren Privatwirtschaft. Teilzeit konzen- auch mit dem gesellschaftlichen in Südtirol durchschnittlich triert sich hier noch stärker auf Ziel der sozialen Verantwortung 190.000 Arbeitnehmer beschäftigt Frauen (90%). Auch infolge des legitimiert. Damit gliedert die Öf- (100.000 Männer, 90.000 Frauen). Aufnahmestopps weist der Öf- fentliche Verwaltung Menschen, Die Privatwirtschaft stellt mit fentliche Sektor mittlerweile in die am freien Arbeitsmarkt 140.000 Arbeitnehmenden 73% der Südtiroler Wirtschaft das schwer vermittelbar sind, in die der Jobs, der Öffentliche Dienst den von Frauen beansprucht. höchste Durchschnittalter der Gesellschaft ein. Weit auseinan- mit knapp 50.000 Beschäftigten Der Öffentliche Dienst hingegen Beschäftigten auf: 42,6 Jahre ge- der liegen in Privatwirtschaft und die restlichen 27%. ist sehr stark weiblich geprägt. genüber 39,8 im Gesamtdurch- Öffentlichem Dienst teils auch die In der Privatwirtschaft arbeiten Das hängt sowohl mit den Berufs- schnitt. Also schon allein in der kollektivvertraglichen Bestim- hauptsächlich Männer: insgesamt bildern zusammen (Sekretärin- Belegschaft unterscheiden sich mungen. 86.000. Ihnen gegenüber stehen nen, Kindergärtnerinnen und Privatwirtschaft und Öffentlicher Es wäre wünschenswert, dass weniger als 54.000 Frauen. Gear- Lehrerinnen, Altenbetreuerinnen Dienst stark. sich diese beiden großen Bereiche beitet wird vor allem in Vollzeit. und Pflegepersonal), als auch mit Die Rekrutierung von Personal des Südtiroler Arbeitsmarktes Mit 30.000 Teilzeitjobs liegt die den angebotenen Arbeitsmodel- folgt in den Bereichen privat und aufeinander zu bewegen, damit Teilzeitquote in der Privatwirt- len. Von den 50.000 Beschäftigten öffentlich einer ganz anderen Lo- man in Zukunft von einem einzi- schaft bei 20%. Mehr noch: 23.000, sind 38.000 Frauen und 13.000 gik: In der Privatwirtschaft nach gen Südtiroler Arbeitsmarkt also 80% der Teilzeitverträge Männer. Drei weiblichen Beschäf- freiem Ermessen des Arbeitge- sprechen kann. wer- N.158 30.04.2016 Wirtschaft quer Fachkräfte sind keine von Stefan Perini – Direktor AFI Semmeln Südtirol Wirtschaft braucht immer und überall Fachkräfte. Das Problem kann entschärft, aber nicht ganz gelöst I n regelmäßigen Abständen gibt es den Aufschrei in der Südtiro- ler Wirtschaft, die qualifizierten werden. Weil sich Fachkräfte nicht wie Brötchen über Nacht backen lassen. Arbeitskräfte würden ausgehen. In die Kritik genommen werden wüssten, welche Fachkräfte Süd- dass Fachwissen eine Haltbarkeit stets Berufsberatung und Bil- tirols Wirtschaft im Jahr 2021 von im Schnitt nur 5 Jahren hat dungssystem, die nicht in der braucht, so müssten wir die ent- und auch nachgeholt werden Lage seien, die notwendige Zahl sprechenden Anwärter spätes- kann, setzen diese Experten auf an Fachkräften mit der gerade ge- tens 2016 in Ausbildung schicken. solide Grundausbildung und Ent- fragten Qualifikation zu liefern. Die Erfahrung zeigt hingegen, wicklung von so genannten Wie der Fachkräftemangel beho- Arbeitskräften brauchen. Gerade dass häufig das Angebot an Fach- Schlüsselkompetenzen. Mit bei- ben werden kann, darüber schei- in unserer schnelllebigen Wirt- kräften erst dann am Markt ab- den zusammen im „Rucksack“ den sich die Geister. schaft fahren Unternehmen ver- holbereit ist, wenn es schon zu lässt sich der lange Weg zum Ar- Den Bedarf bestmöglich voraus- stärkt „auf Sicht“. Wer kann heu- spät ist. Die Unternehmer haben beitsmarkt leichter bewältigen. sagen, sagen die einen. te schon abzuschätzen, wie Auf- sich bis dahin meist anderweitig Das AFI hat stets mit Überzeu- Dieser Ansatz geht davon aus, tragslage, Konkurrenzumfeld, eingedeckt. gung diesen zweiten Ansatz ver- dass über Befragungen und Ana- Technik, Organisation, Produkti- Gute Grundausbildung und treten. Auch deshalb, weil die Er- lysen treffsicher genug vorausge- vität in 2-3 Jahren ausschauen? Schlüsselkompetenzen, sagen die werbsbiografien der jungen Ge- sagt werden kann, was die Unter- Das müsste man aber können, um anderen. nerationen brüchiger sein werden nehmen an Fachkräften brau- den Fachkräftebedarf richtig ab- Weil der Fachkräftebedarf mittel- als die ihrer Väter und Großväter. chen. Die Arbeitsmarktforschung zuleiten. Das Zweite ist die Lauf- fristig schlecht abzuschätzen ist, Gleicher Job ein Leben lang wird kennt inzwischen aber zwei Pro- zeit der Ausbildung. Fachkräfte die Ausbildungszeiten lang sind eher die Ausnahme sein als die bleme, die dem entgegenstehen. lassen sich nicht über Nacht ba- und Fachkräfte oft zu spät auf den Regel. Umso notwendiger ist es, Erstens sind die Unternehmen cken wie Semmeln. Der Ausbil- Markt kommen, sollte die Ausbil- allzeit anwendbare Kenntnisse nicht in der Lage, für mehr als 12 dungsweg dauert unter Umstän- dung nicht zu „eng“ sein. Vor dem und Fertigkeiten aus dem Ruck- Monate vorauszusagen, was sie an den 5 Jahre. Selbst wenn wir Hintergrund der Erkenntnis, sack holen zu können. 6
Einkommen Einkommen N. 123 08.08.2015 Wirtschaft quer von Stefan Perini – Direktor AFI Zweischneidiges Schwert Mindestlohn Ursprünglich im Ermächtigungsgesetz des Jobs Act vorgesehen, wurde die Einführung eines gesetzlichen M indestlöhne – die gibt es in Italien schon heute und es sind viele, nämlich so viele wie es Mindestlohns in Italien vorerst zurückgestellt. Warum diese Idee dennoch nicht ganz aufgegeben werden sollte. Kollektivverträge für die einzelnen Das aktuelle, sektorale Kollektiv- Sektoren gibt. Die Festlegung der vertragssystem zeigt sich in Italien gung und – selbstverständlich – für Mindestlohn in Italien auf knapp 7 Mindestlöhne ist in Italien den Sozi- außer Stande, allen am Arbeits- die Schwarzarbeit gilt. All diese € pro Stunde angesetzt werden. alpartner überantwortet. Was es in markt Beteiligten ein ausreichen- Argumente dürften eigentlich für Ein gesetzlicher Mindestlohn - an Italien aber nicht gibt ist ein vom des Einkommen zu garantieren die Einführung eines gesetzlichen die Arbeitsproduktivität des Sek- Gesetz vorgeschriebener Stunden- bzw. die relative Armut am Zaun zu Mindestlohns in Italien sprechen. tors und an die Lebenshaltungs- Mindestlohn. In dieser Sache ist halten. Laut ISTAT waren im Mai Doch der Teufel steckt im Detail. kosten im Territorium angelehnt - Italien in Europa eine Ausnahme: dieses Jahren 59,7% der Arbeit- Zentral ist die Bemessung des Ni- würde zu mehr sozialem Ausgleich in 22 von 28 EU-Mitgliedsstaaten nehmer in Italien durch einen Kol- veaus. Ein zu hohes Mindestlohn- führen, auf die Beschäftigungslage gibt es eine gesetzlich geregelte lektivvertrag abgesichert. Inklu- Niveau könnte die derzeit beschäf- positiv ausstrahlen und die Ver- Lohn-Untergrenze. Im Ermächti- diert man auch noch jenen Teil an tigten und unterbezahlten Arbeit- handlungsposition der ärmeren gungsgesetz des Jobs Act findet Personen, die zwar nicht formell nehmer zwingen, sich entweder für Arbeitnehmerschicht stärken. Für sich diese Möglichkeit seit Dezem- kollektivvertraglich geschützt sind, die Schwarzarbeit oder für die Ar- Italien wäre es eine weitsichtige ber 2014 auch für Italien. Was die an die sich die Rechtsprechung beitslosigkeit zu entscheiden. Dem- wirtschafts- und sozialpolitische Wenigsten wissen ist, dass der ge- aber anlehnt, so schätzt die Organi- gegenüber könnte ein zu geringes Entscheidung um zu verhindern, setzlichen Mindest-Stundenlohn sation Eurofound für Italien einen Niveau bestenfalls wirkungslos blei- dass Wettbewerbsdefizite auf den nur für die Sektoren greifen würde, kollektivvertraglichen Deckungs- ben oder - wie hauptsächlich von ge- Wohlfahrtsstaat abgewälzt wer- die nicht schon über die kollektiv- grad von 80%. Was passiert aber werkschaftlicher Seite eingeworfen den. Es würde bedeuten, sich mit vertragliche Verhandlung geregelt mit den restlichen 20%? Nichts ga- – eine Lohnspirale nach unten los- anderen Industrienationen zu mes- sind, was jene beruhigen dürfte die rantiert, dass Mindestregeln hier treten. Deshalb muss sich der ge- sen, aber ohne Lohndumping zu behaupten, eine Einführung würde eingehalten werden, was in beson- setzliche Mindestlohn an der durch- betreiben, sondern im Wettbewerb sich negativ auf die bestehenden derem Maße für die verschiedenen schnittlichen Arbeitsproduktivität von guten Ideen, guter Organisati- Lohntabellen auswirken. Formen an atypischer Beschäfti- orientieren. Demnach müsste der on und professioneller Ausführung. N.134 24.10.2015 Wirtschaft quer von Stefan Perini – Direktor AFI Wohnungstraum & Wohnungstrauma Die neuesten ASTAT-Auswertungen bestätigen, was E infach war es auch nicht, aber irgendwie ließ es sich schon schaukeln“, hört man jene erzäh- viele Arbeitnehmer täglich am eigenen Leib erleben: Die Immobilienpreise in Südtirol stehen in keinerlei len, die Anfang der Siebzigerjahre Verhältnis zu deren Einkommen. ein Haus für eine vierköpfige Fami- lie gebaut hatten. In der Regel ar- gebieten müsste man dafür noch Die vorher zitierte Wohnung in beitete der Mann in Vollzeit, die 160.000 € einplanen. Bozen wäre also nach zwanzig Frau blieb zuhause bei den Kin- Die Frage die sich stellt ist, inwie- Jahren abbezahlt, jene in der Süd- dern. Mit nur einem Einkommen fern dies alles in Relation zu den tiroler Randgemeinde nach acht ließ es sich meistern, in 10 bis 15 Einkommensmöglichkeiten eines Jahren. Aber die Sache hat einen Jahren eine Wohnung abzubezah- klassischen Arbeitnehmers steht. Haken: man braucht ja einen gu- len, ohne dass die Familie große Gemeinden. In 17 Gemeinden lie- Ein Arbeitnehmer in der Privat- ten Teil des Nettoeinkommens Entbehrungen hinnehmen musste. gen die Höchstwerte über 4.000 wirtschaft kommt im Schnitt auf auch noch zum Leben! Das Landesinstitut für Statistik € /m², darunter Bozen und Brixen, eine Jahresbruttoentlohnung zwi- Der Traum vom Eigenheim: für hat gerade in diesen Tagen die die jeweiligen Nachbargemeinden schen 26.000 € und 28.000 € , wenn die zukünftige Generation wohl neuen Zahlen zum Immobilien- und die touristischen Gemeinden man die Altersklasse zwischen 30 eher bald eine Fata Morgana. Der markt in Südtirol veröffentlicht. im Dolomitengebiet. Nur in den und 40 Jahren betrachtet (in dieser soziale Wohnbau, die Wohnbau- Kombiniert man diese Informa- Randgemeinden, die sich vor al- Phase passieren die meisten Fami- förderung und Finanzierungsmo- tionen mit der Einkommenssitua- lem im Westen und Norden des liengründungen). Von diesem Be- delle wie das Bausparen können tion der Arbeitnehmer in Südtirol, Landes befinden, liegen die trag müssen aber noch die Sozial- das Problem etwas entschärfen. ergibt sich ein ernüchterndes Höchstwerte unter 2.000 € /m². beiträge zu Lasten des Arbeitneh- Nichtsdestotrotz scheinen die Bild. Laut ASTAT bewegen sich Nimmt man als Rechenbeispiel mers und die Steuern in Abzug ge- Zeiten weit entfernt zu liegen, in die Immobilienpreise zwischen eine Wohnung von 80 m², so muss bracht werden, die überschlagmä- denen ein Einkommensbezieher 3.853 und 5.056 € /m² in Bozen und man für diese in Bozen also rund ßig ein Viertel ausmachen. So ge- alleine und aus eigener Kraft ein zwischen durchschnittlich 2.529 400.000 € berappen - selbst in den rechnet bleiben rund 20.000 € net- Haus für eine vierköpfige Familie und 3.508 € /m² in den anderen preisgünstigsten Lagen in Rand- to pro Jahr übrig. bauen konnte. 7
Einkommen N.135 31.10.2015 Wirtschaft quer Den einen wird’s geschenkt, von Stefan Perini – Direktor AFI die anderen… Der Unterschied zwischen Reich und Arm ist riesig. Erbschaften treiben mit fast 40 Prozent die Vermögensunterschiede 82% der Südtiro- weiter auseinander. Immer mehr Arbeitnehmer meinen, dass nicht ler Arbeitnehmer Leistung zu Wohlstand führt, sondern ein Glückspiel Namens Geburt. finden, dass die Wo liegt das richtige Maß? Kluft zwischen Arm und Reich in den letzten zehn heit. Bei der Streuung der und Schenkungssteuer in Öster- Jahren größer Bruttovermögen haben sie ei- reich. geworden sei; nen Anteil von 40%. Ähnliche Das würde wohl auch das soge- 65% sind über- Werte gibt es nur noch in nannte „Bruttonationalglück“ zeugt, dass für Deutschland und Zypern. In steigern. Der soeben gekürte No- den Aufstieg in anderen Euroländern ist der belpreisträger Angus Deaton be- der Gesellschaft Prozentsatz wesentlich klei- legt den Zusammenhang von Ein- vor allem Familie ner. Da könne von Chancen- kommen und Lebensglück wissen- und Beziehungen gleichheit keine Rede sein, so schaftlich. Seine Erkenntnis: Geld zählen. Nur 35% die Österreichische Arbeiter- macht glücklich, aber nur bis zu ei- schreiben ihn der Fähigkeit und schaftsvergleiche‘ (wiiw) im Auf- kammer. Wer erbt oder etwas ge- nem gewissen Punkt. Einkommen dem Arbeitseinsatz der Person trag der Arbeiterkammer Wien. schenkt bekommt, hat keine ei- über 75.000 US-Dollar hinaus zu. Dies hat die Befragung im Es wurde untersucht, wie sehr gene Leistung erbracht, wird führten nicht zu mehr Wohlbefin- AFI-Barometer kürzlich ans die Ungleichheit bei Vermögen in aber steuerlich belohnt. Wer hin- den und Zufriedenheit mit dem ei- Licht gebracht und das AFI dazu Österreich und anderen Euro- gegen arbeitet, der hat schon et- genen Leben. Ein zu geringes veranlasst, Südtirol das „Land ländern (leider fehlt Italien) auf was geleistet und muss dazu Einkommen hingegen verschärfe der begrenzten Möglichkeiten“ Erbschaften und Schenkungen noch eine hohe Steuerleistung das Gefühl des Unglücklich-Seins zu nennen. zurückzuführen sei. Das klare erbringen, sagt die Arbeiter- bei z.B. Scheidung, Krankheit Einen wissenschaftlichen Beleg Ergebnis: Erbschaften und kammer und bekräftigt damit oder Einsamkeit. Damit dürfte dafür erbringt nun das ‚Wiener Schenkungen verursachen in ihre Forderung nach einer Wie- wohl eine Umverteilungspolitik le- Institut für Internationale Wirt- Österreich die meiste Ungleich- dereinführung der Erbschafts- gitimiert sein. N. 136 07.11.2015 Wirtschaft quer von Stefan Perini – Direktor AFI Noch kein Schwung bei Löhnen Die Trendwende am Arbeitsmarkt ist geschafft. Was das AFI schon im Juli 2015 festgestellt hat, verkünden nun auch die Verwaltungszahlen des Landes. Eine bittere Tatsache hingegen bleibt: An der Lohnfront tut sich bislang wenig. von einer Trendwende dann die Lohnverhandlungen stehen seit Rede, wenn sich das Signal eines Beginn der Krise so gut wie still. Richtungswechsels dreimal in Beispiel Öffentlicher Dienst: Folge bestätigt. Bei den Arbeits- Lohnstopp seit April 2009. Nach losenzahlen ist das im Juni dieses über sechs Jahren Stillstand wur- Jahres eingetreten. Parallel dazu den die Lohnverhandlungen vor schwenkte einer der Haupt-Früh- einigen Wochen wieder aufgenom- indikatoren im AFI-Barometer, men. Das Angebot einer Lohnauf- S chon am Tag vor der Veröf- fentlichung der Daten aus der Abteilung Arbeit des Landes Zu den Fakten: Die Beschäfti- gungstendenz ist zum zehnten Mo- nat in Folge aufwärtsgerichtet. Im nämlich die erwartete Entwick- lung der Arbeitslosigkeit in den nächsten 12 Monaten, erstmals besserung um + 0,95% wurde von den Gewerkschaften zu Recht als unwürdig bezeichnet und abge- stand die Jubelbotschaft in der Oktober ist die Zahl der unselb- seit Beginn der Erhebungen in schlagen. Man bedenke, dass im Zeitung. Der Oktober werde ein ständig Beschäftigten um + 1,4% den positiven Bereich. Beides zu- Zeitraum April 2009 bis Juli 2015 Supermonat für die Beschäfti- zum Vergleichsmonat des Vorjah- sammen erlaubte es, die Trend- allein die Lebenshaltungskosten gung ließ sich Abteilungsdirektor res angestiegen. Zieht man das wende auszurufen. um + 10,6% angestiegen sind. Da- Helmuth Sinn zitieren. Sehr gut, letzte Halbjahr in Betracht, so fällt So weit, so gut. Aber: Der Ar- mit entspricht das Arbeitgeberan- dass sich herumspricht, was das der Anstieg in einer ähnlich hohen beitsmarkt mag sich zwar im Auf- gebot nicht einmal einem Zehntel AFI-Barometer bereits in der Größenordnung aus (+ 1,2%). Die wind befinden, dennoch tun sich des Kaufkraftverlustes. Juli-Ausgabe festgestellt hatte: Zahl der eingetragenen Arbeitslo- mehr als ein Drittel der Arbeit- Die Lohnverhandlung im Öffentli- dass die Trendwende am Arbeits- sen ist rückläufig, und zwar zum nehmer schwer, mit dem Lohn chen Dienst gut abzuschließen ist markt tatsächlich vollzogen sei. siebten Monat in Folge: im Monat über die Runden zu kommen, weil wichtig – auch weil sie die Latte Monate später lässt sich das nun Oktober -8,1%, in der Sechs-Mona- das Geld nicht bis ans Monatsen- legen für die Verhandlungen in auch aus den Verwaltungsdaten te-Übersicht -6,3%. de reicht. Anders gesagt: den der Privatwirtschaft, die sukzessi- ablesen. In der Wirtschaftsforschung ist Leuten fehlt es an Kaufkraft. Die ve folgen werden. 8
Einkommen N. 142 09.01.2016 Wirtschaft quer von Stefan Perini – Direktor AFI Wie gerecht sind unsere Löhne? W elche Berufe sind gut, wel- che schlecht bezahlt, wo ste- he ich im Vergleich? Gehalts- In der Theorie richten sich die Löhne nach der Menge und Qualität der Arbeit. Im wirklichen Checks zeigen das, aber die sind Leben ist das nicht immer so. Mangelware und in Südtirol gera- dezu eine Forschungslücke. Deutschland weniger als 10% der listen sind besser bezahlt als In Deutschland bemühen sich Arbeitenden. Journalisten, Ar- eher austauschbare Funktionen, Wirtschafts- und Sozialfor- chitekten und Tierärzte verdie- angesehene Berufe löhnen bes- schungsinstitute, Lohn-Richt- nen zwischen 50.000 und 60.000 ser als solche mit niedrigem werte zu ermitteln. Sie zeigen € , ein Gymnasiallehrer zwischen Image. Je produktiver und, in den Standardverdienst der ein- kommen von knapp mehr als 40.000 und 50.000 € . Fachkräfte der Regel, je größer die Betrie- zelnen Berufsbilder und machen 27.000 € . Aber: 20% der Vollzeit- und Berufe mit hohem Arbeitsri- be, desto besser stehen die auch sichtbar, was die Höhe des Arbeitnehmer in Südtirol verdie- siko, z.B. Glasfassadenreiniger, Chancen auf gute Entlohnung. Lohns beeinflusst. Vorweg: Das nen im Jahr weniger als 20.000 € aber auch Schauspieler, liegen Und: Es zählt die kollektivver- durchschnittliche Lohneinkom- brutto. Löhne sind also auch un- zwischen 30.000 und 40.000 € , tragliche Bindung. In Südtirol men der Arbeitnehmer in ter Arbeitnehmern sehr unter- während z.B. Bäcker, Metzger streiken aktuell die Busfahrer Deutschland beläuft sich auf schiedlich. An der Lohndynamik oder Verkäufer für ein Jahr Ar- der SAD, die Hausärzte und die ziemlich genau 3.000 € brutto der letzten Jahre deutet bis heu- beit zwischen 20.000 € und Verkäufer in großen Handelsket- monatlich (36.000 € /Jahr). Aber: te nichts darauf hin, dass sich 30.000 € bekommen. Unter ten. Sogar die Beamten denken Jeder dritte Arbeitnehmer ver- diese Schere schließen würde. 20.000 € brutto im Jahr liegen laut über Streik nach. Der sich dient weniger als 1.700 € brutto Zurück zum Gehalts-Check: In Auslieferer genauso wie Floris- festigende wirtschaftliche Auf- im Monat. Zum Vergleich: In Deutschland stehen Manager, ten, Tierpfleger, Köche, Friseure schwung verbessert jedenfalls Südtirol ermittelt das ASTAT Banker oder Piloten mit Brutto- oder Reinigungskräfte. die Aussichten für Lohnerhöhun- für einen Arbeitnehmer in der Jahresgehältern von mehr als Und was beeinflusst das Gehalt gen. Damit den Arbeitnehmern Privatwirtschaft ein durch- 60.000 € ganz vorne. In dieser am meisten? Nach wie vor der am Monatsende endlich etwas schnittliches Jahres- glücklichen Lage sind in Schulabschluss. Weiter: Spezia- mehr in der Tasche bleibt. Bruttoein- N. 144 23.01.2016 Wirtschaft quer Banken im Umbruch, Sparer von Stefan Perini – Direktor AFI auf dünnem Eis Über Jahre schienen die Kräfteverhältnisse zwischen den Ü ber Jahrzehnte hinweg ein vertrautes Bild. Die drei gro- ßen Bankengruppen im Lande, heimischen Banken wie eingefroren. Neue Regeln, Kapitalerhöhungen und Fusionswellen lassen nun auch in Südtirol einen deutlichen Umbruch erwarten. nämlich die über den Raiffeisen- Dünn und blank bleibt das Eis für Sparer. verband zusammengeschlossenen Kassen, die Südtiroler Sparkasse ckelt und gehalten hatte, steht Zukunft Sparer und Anleger. und die Südtiroler Volksbank teil- nun vor einem epochalen Um- Über das „bail-in“, die Rettung ten etwas mehr als 80 % des Süd- bruch. Neue Regelungen zwingen von „innen“, werden im Fall einer tiroler Marktes. Unter diesen Banken zur Fusion. Des Weiteren Bankpleite zuerst die Anteilseig- dreien lag das Kräfteverhältnis musste kürzlich vier mittelitalie- ner der Bank, die Anleiheinhaber ziemlich konstant bei 50:30:20. nischen Banken, die ins Strau- und die Sparer mit Guthaben von Seit Ausbruch der internationalen cheln geraten waren, aus der Pat- mehr als 100.000 € auf dem Bank- Finanzkrise im Herbst 2008 hat sche geholfen werden. Für sie hat konto zur Kasse gebeten. Dem sich in der Bankenwelt sicher der Staat einen Rettungstopf ein- „bail-out“, der Rettung „von au- mehr getan als in 20 Jahren zuvor. gerichtet („Solidaritätsfonds“), in ßen“ (durch den Staat) wird ein Während in anderen europäi- den alle anderen Banken im Ver- Riegel vorgeschoben. schen Ländern und vor allem in hältnis zu ihrer Stärke einzahlen Sparer haben es auch sonst nicht den USA der Staat massiv Ban- müssen. Ins Auge gefasst wird leicht. Vorsichtig angelegte Er- ken retten musste, war das in Ita- genkapitalquote ein. Schon das al- ferner die Einrichtung einer „Bad sparnisse sind momentan ein Mi- lien schlichtweg nicht nötig. Da- lein stellte viele kleinere italieni- Bank“, die faule Kredite der ange- nusgeschäft, zumal die heutigen mit hatte Italien die Finanzkrise sche Banken vor große Schwierig- schlagenen Banken übernehmen Niedrigzinsen nicht einmal die In- zunächst recht gut überstanden. keiten. Hinzu kommt eine Eigen- soll. So können die Banken ihre flation ausgleichen. Wer sein ange- Doch um für die Zukunft besser heit von italienischen Banken, Glaubwürdigkeit zurückgewin- legtes Kapital im Wert auch nur er- gerüstet zu sein, führte die EU nämlich der verhältnismäßig hohe nen, weil die in den Bilanzen aus- halten will, ist gezwungen, das eine für die Banken unter anderem die Anteil an notleidenden Krediten. gewiesenen Werte wieder real oder andere Risiko einzugehen – Basel-III-Regel einer höheren Ei- Was sich über Jahrzehnte entwi- sind. Zum Handkuss kommen in wobei gut streuen nie falsch ist. 9
Konjunktur Konjunktur N. 122 01.08.2015 Wirtschaft quer von Stefan Perini – Direktor AFI Italy is back Die Prognosen für die italienische Wirtschaft D ie positiven Meldungen die italienische Wirtschaft be- treffend häufen sich. Die Stim- zeigen wieder nach oben. Nach mehreren Jahren Flaute dürfte die Binnennachfrage heuer und nächstes mungsindikatoren ziehen sowohl Jahr wieder anziehen. Erfreulich auch: bei den Unternehmen als auch bei In Italien wird wieder investiert. den Konsumenten wieder an. Die Arbeitslosenrate hat sich zumin- dest stabilisiert. Am Arbeitsmarkt ein tragbares Niveau herabgesun- zwar von 22% auf 17%. Nun soll in lumens hat in den Vorjahren die beobachtet man seit einigen Mona- ken (spread für 10jährige Staats- dieser Sache die Kehrtwende Konjunktur in Italien immer wie- ten eine Umschichtung weg von anleihen bei rund 120 Punkten), kommen. Wirtschaftsexperten er- der negativ belastet. 2015 und 2016 den atypischen und befristeten Ar- was die Staatskasse entlastet und warten, dass die Investitionen in soll der Wachstumsbeitrag der In- beitsverträgen, hin zu den unbe- wieder Spielraum für den Einsatz Italien 2015 wie auch 2016 um vestitionen am italienischen Brut- fristeten. Zurückzuführen ist dies von öffentlichen Geldern schafft. mindestens 2% pro Jahr anstei- toinlandsprodukt wieder im positi- auf das Inkrafttreten des Job Act Die wahre Neuigkeit, die man gen. Das etwas positivere allge- ven Bereich liegen. Den größten mit 01. März 2015 und hier weniger dem letzten „Bollettino“ der Ban- meine Stimmungsbild dürfte Un- Konjunkturschub erwarten die auf die Lockerung des Kündi- ca d’Italia entnimmt, betrifft al- ternehmen dazu animieren, wie- Experten vom Export (+ 2% zir- gungsschutzes, sondern vielmehr lerdings die Investitionen. Über der verstärkt in Maschinen und ka), gefolgt vom Privatkonsum auf die großzügigen Steuervorteile Jahre blieb die Investitionsten- Geräten zu investieren. Noch re- und von den Investitionen (rund ei- für Unternehmen, die Neuanstel- denz in Italien negativ. Zwischen lativ schwach sollte allerdings – so nen halben Prozentpunkt). lungen vornehmen. Weiter noch: 2008 und 2014 ist der Investitions- der Bericht – die Investitionsten- Man würde sagen, Italien ist zu- Die Zinsaufschläge für Staatsan- anteil am Bruttoinlandsprodukt denz im Bausektor bleiben. rück - immer, wenn die Prognosen leihen sind für Italien wieder auf Italiens konstant gesunken, und Der Rückgang des Investitionsvo- auch eintreten. N. 127 05.09.2015 Wirtschaft quer Patient China: nur verschnupft von Stefan Perini – Direktor AFI oder todkrank? Turbulenzen an den asiatischen Börsen verunsichern M it rund 10 % Wirtschafts- seit rund einem Monat die internationalen wachstum pro Jahr hat Chi- Börsen. Droht das System des Staatskapitalismus na in den vergangenen 30 Jahren zu scheitern? eine beispiellose Entwicklung er- fahren. Doch das Vertrauen von Seiten der internationalen Fi- kommunismus zum Staatskapita- ziellen Kreditmarkt hat sich pa- nanzinvestoren in die mittlerweile prozesse, die im Fall überhitzter lismus hat indes seltsame Blüten rallel ein riesiges Schatten-Ban- größte Volkswirtschaft der Welt Aktien-und Immobilienmärkte getrieben: In keinem anderen kensystem entwickelt. Bis zum schwindet. Das System zeigt Ris- durchaus üblich seien. Land der Welt gibt es eine so hohe heutigen Tag ist es der chinesi- se wirtschaftlicher, politischer Doch es gibt auch solche, die in Zahl an Neureichen wie heute in schen Regierung nicht gelungen, und sozialer Natur. den Symptomen des Patienten China - in keinem eine so hohe An- dieses Phänomen in den Griff zu Die optimistischsten Beobachter China weit mehr als einen harmlo- zahl an Menschen, die an der Ar- bekommen. Wie auch die Korrup- sehen in der jüngsten Abschwä- sen Schnupfen erkennen wollen. mutsgrenze leben. Die soziale Un- tion. Kritiker behaupten höh- chung der chinesischen Wirt- Zwar ist China inzwischen zur gleichheit ist in China seit dem nisch, es sei dies der Bereich, der schaftsentwicklung eine rein tech- größten Volkswirtschaft der Welt Umbruch rasant gestiegen – die in China am stärksten boome. nische Korrektur. Die Kreditver- aufgestiegen, doch die Inlands- sozialen Spannungen nehmen zu. Der Fall China macht deutlich: gabe sei in den letzten Jahren nachfrage bleibt schwach. Die Politische Beobachter behaupten, Wirtschaftswachstum und gesell- überdurchschnittlich stark ange- Hälfte der in China produzierten dass innerhalb der Kommunisti- schaftliche Entwicklung sind zwei stiegen, was zu einer überaus re- Güter ist für den Export be- schen Volkspartei ein Macht- verschiedene Paar Schuhe. Hohe gen Bautätigkeit geführt habe. stimmt. Dass die Inlandsnachfra- kampf zwischen den alten politi- Wirtschaftsraten stehen nicht au- Das Vertrauen auf anhaltend hohe ge relativ schwach geblieben ist schen Machthabern und den neu- tomatisch für eine Weiterentwick- Wachstumsraten Chinas habe die hängt auch mit dem Umstand zu- en Wirtschaftsbossen schwele. lung der Gesellschaft. Und der Aktienkurse in die Höhe getrie- sammen, dass große Teile der Be- Zudem hätte die Parteizentrale Weg Chinas hin zu einem demo- ben. Bei den letzthin beobachte- völkerung nicht vom chinesischen Schwierigkeiten damit, die Politik kratischen Rechtsstaat und zu ei- ten Kurseinbrüchen handle es Wirtschaftswunder profitiert ha- zwischen Zentrum und Peripherie nem Wohlfahrtsstaat europäi- sich demzufolge um Anpassungs- ben. Der Übergang vom Staats- zu koordinieren. Neben dem offi- scher Prägung ist noch weit. 10
Konjunktur N. 133 17.10.2015 Wirtschaft quer von Stefan Perini – Direktor AFI Rekordverdächtig Im Südtiroler Tourismus könnte der Nächtigungsrekord von 2012 geknackt werden, vorausgesetzt, die positive Tendenz hält bis zu J ahresende an. In den ersten 8 Monaten dieses „Wenn man von den Hoteliers nichts hört, läuft es gut“, wissen J ahres ist die Zahl der Übernachtungen von Gästen um Brancheninsider. Und wenn sich +3,8% zum Vorjahr angestiegen. in den letzten Monaten relativ we- nige Hoteliers negativ zur laufen- wachs von + 3,5 % bzw. 837 Ar- + 2,8% abschließen. Würde sich den Sommersaison geäußert ha- beitsstellen ist das Gastgewerbe hingegen die bisherige positive ben, sagt das auch schon alles. jener Sektor der Südtiroler Wirt- Entwicklung in einem Rhythmus Das gute Wetter und die wieder- schaft, der in den ersten neun von mindestens + 2,3% fortsetzen, gekehrte Reiselust der Italiener Jahresmonaten am meisten Jobs dann ist sogar das Rekord-Jah- haben hier sicherlich geholfen. geschaffen hat. Die negative Ten- resergebnis von 2012 geknackt. Inzwischen hat das Landesinsti- denz der Bauindustrie (-2,9% bzw. Die Ertragslage im Südtiroler tut für Statistik auch die Zahlen 203 Arbeitsstellen) konnte damit Gastgewerbe dürfte in Wirklich- für die wichtigen Monate Juli und leichten Dämpfer gab es im Mo- mehr als aufgewogen und in ein keit sogar noch etwas besser aus- August veröffentlicht. Somit ste- nat Juni (-3,1 %). Sehr stark ent- Beschäftigungsplus umgewandelt fallen, als dies letzthin aus Umfra- hen die vollen ersten acht Jahres- wickelte sich die tourismusinten- werden. Quer durch die gesamte gen bekannt wurde. Heizöl und monate zur Verfügung – diese siven Monate Juli (+ 7,3%) und Südtiroler Wirtschaft stieg die Brennstoffe sind so günstig wie stellen bekanntlich drei Viertel August (+ 3,2%). In der Summe Beschäftigung nämlich um + 1,0% selten zuvor, die niedrigen Zinsen der Nächtigungen eines Jahres. der ersten acht Jahresmonate er- bzw. 1.931 Arbeitsstellen. begünstigen die Aufnahme von Die „Drei-Viertel-Bilanz“ 2015 zielte die Tourismuswirtschaft im Spannend bleibt die Frage, was im Kapital, und selbst die Lohnkos- lässt sich durchaus sehen: War Jahr 2015 im Vergleich zum sel- letzten Jahresdrittel auf uns zu- ten pro Kopf dürften nicht we- der Jahresauftakt noch relativ be- ben Zeitraum des Vorjahres einen kommt. Hierzu ein Gedanken- sentlich angestiegen sein. Es läuft scheiden, so startete der Touris- Zuwachs von + 3,8%. Auch die Be- spiel: Sollten selbst in den letzten also vieles rund im Tourismus. mus in den Sommermonaten rich- schäftigungsstatistiken unter- vier Jahresmonaten „nur“ die Jetzt müsste er nur noch etwas tig durch. Besonders der Mai mauern, dass Hotels und Restau- Zahlen des Vorjahres geschrieben „sanfter“ werden. (Die Rekorde konnte mit + 21,3 % nennenswer- rants einem positiven Trend fol- werden, würde das Jahr 2015 mit von morgen könnten bald auch da- te Zuwächse verbuchen. Einen gen. Mit einem Beschäftigungszu- einem Nächtigungsplus von ran gemessen werden.) N. 138 21.11.2015 Wirtschaft quer von Stefan Perini – Direktor AFI Des einen Leid Zu den vielen Folgen des IS-Terrors gehören veränderte Reiseentscheidungen von Urlaubern und Umwälzungen in den internationalen Handelsbeziehungen. Für Südtirol sind es D as Blutbad von Paris und der Absturz des russischen Feri- enfliegers über Sinai haben un- voraussichtlich wieder einmal keine schmerzlichen. schuldige Menschen getroffen, anhebt. Im Euro Raum hingegen Der schwache Euro begünstigt und wir sind bei ihnen. Die Folgen geht man davon aus, dass die eu- das Exportgeschäft. Die niedri- des tückischen IS-Terrors sind ropäische Zentralbank die Geld- gen Zinsen beleben weiterhin weitreichend, auch in der Wirt- zügel weiterhin locker hält. Diese neue Investitionen. Niedrige Roh- schaft. Zweifelsfrei beeinflusst gegensätzlichen Richtungen der stoffpreise entlasten die Unter- der Terror die Kauf- und Freizeit- beiden wichtigsten Zentralban- nehmen bei den Kosten und entscheidungen der Menschen ken der Welt schlagen sich in der schaufeln Gewinne frei, die über und somit auch die internationa- Zinsentwicklung nieder und diese Lohnerhöhungen und Betriebs- len Handelsbeziehungen. Wie so wiederum beeinflusst den Wech- prämien zu einem guten Teil an oft im Leben gilt auch hier: Des selkurs zwischen Euro und US- die Belegschaft weitergegeben einen Leid ist des anderen Glück. Dollar. Gleichzeitig ist Rohöl so werden können. Gerade als Europa von den Ter- billig wie selten. Nordseeöl der Einen großen Schub dürfte vor al- roranschlägen in Paris erschüt- Sorte Brent quotiert in den letz- lem der Südtiroler Tourismus er- tert wird, fällt der Euro auf ein ten Tagen unter 44 US-Dollar das leben. Weil Flug- und Städterei- neues Tief von 1,06 im Vergleich Barrel. Die Fördermengen über- sen jetzt gemieden werden, wer- zum US-Dollar. Analysten speku- steigen die eingebremste Nach- den viele Urlauber andere Ver- lieren bereits, wie lange es noch man, dass bei der Einheitswäh- frage. Hier macht sich die gerin- kehrsmittel und nähere Ziele wäh- dauern wird, bis die vollständige rung lediglich jene Abschwä- gere Flug- und Reisebereitschaft len, wie eben Südtirol. Es klingt Parität von Euro und US-Dollar chung weiter geht, die bereits vor als Folge der Furcht vor weiteren pietätlos, aber man muss es als erreicht ist. Dennoch ist die Tal- einigen Wochen eingesetzt hat. In Terroranschlägen bemerkbar. kommende Tatsache sehen: Diesen fahrt des Euro nicht eine Folge den USA rechnet man damit, dass Für Südtirols Wirtschaft dürften Winter dürfte Südtirol ein Gäste- der jüngsten Terroranschläge. die Federal Reserve erstmals die neuen Entwicklungen auf den zustrom erwarten, wie es ihn lange Bei genauerer Betrachtung sieht nach langer Zeit die Leitzinsen Weltmärkten eher günstig sein. nicht mehr gegeben hat. 11
Konjunktur N. 147 13.02.2016 Wirtschaft quer Mitgehangen – mitgefangen von Stefan Perini – Direktor AFI Wohin mit dem Ersparten? Das fragen sich heute viele Kleinsparer. Bereits jetzt setzen die Südtiroler im italienischen Vergleich verhältnismäßig stark auf Aktien und anderen I n Südtirol wird über- durchschnittlich viel gespart. Zu den Daten, Wertpapieren. Diese Entwicklung birgt Risiken, aber auch Chancen. die Anfang dieser Woche Gewinnbringend sparen ist heute sen gewahrt zu sehen, hat die Ver- von der Wirtschaftszei- alles andere als leicht. Ereignisse braucherzentrale Südtirol kürzlich tung IlSole24ore veröf- der jüngsten Vergangenheit, wie vorgeschlagen, in jeden Bankvor- fentlicht wurden, nahm die in Schieflage geratenen vier stand ein von ihnen vorgeschlage- sogar Landeshauptmann mittelitalienischen Banken, die nes Mitglied zu berufen. Aber auch Arno Kompatscher Stel- Einführung der Bail-in-Klausel so- die Gewerkschaften schießen sich lung. Aus der Statistik wie teilweise Negativzinsen für in dem kürzlich auf nationaler geht hervor, dass es in Staatsanleihen haben die Sparer Ebene von CGIL-CISL-UIL ver- der Region Trentino verunsichert. Wertbeständigkeit abschiedeten Dokument „Un mo- Südtirol 48% der Ein- ist das wichtigste Kriterium, das derno sistema di relazioni indus- wohner gelungen ist, Geld auf die dass es jede zweite Person schafft, die Arbeitnehmer zugrunde legen, triali“ verstärkt auf Kooperation hohe Kante zu legen – das ist ita- Geld auf die hohe Kante zu legen. wenn sie ihr Erspartes anlegen, mit dem Management ein. In die- lienweit der höchste Wert - und Ob es dann 1 € oder 1.000 € pro gefolgt von der Liquidität, also die sem Falle hätten Arbeitnehmer dass die Südtiroler und Trentiner Monat sind, ist ein andere Ge- unmittelbare Verfügbarkeit des über ihre Vertreter auch konkret vergleichsweise stärker in Aktien schichte. Und da wären wir auch Ersparten. Wer heute eine akzep- Einfluss auf die strategische Aus- und Investmentfonds investieren schon bei der Sparquote. Diese table Rendite erwirtschaften will richtung der Gesellschaft. Wer in als Einwohner in anderen Regio- zeigt auf, welcher Teil vom Einkom- ist gezwungen, ein gewisses Risiko Aktien investiert wüsste dann nen. Ein Ergebnis, das fleißige Le- men nicht für Konsum, sondern auf sich zu nehmen. Doch ein Um- auch, dass Konsumenten- und Ar- ser des AFI-Barometers nicht fürs Sparen bestimmt ist. Im EU- stand stößt einigen sauer auf: In beitnehmervertreter in den Ver- überraschen dürfte. Zwar ist die Schnitt bewegt sich die Sparquote den Verwaltungsräten von Aktien- waltungsräten sitzen, die für die Zielgruppe dort auf die Arbeitneh- der privaten Haushalte stets zwi- gesellschafen sitzen nur selten Anliegen der „kleinen Leute“ ein- mer begrenzt, doch auch hier zeigt schen 10 und 15% - der jüngste Vertreter von Arbeitnehmern oder treten. Dann hieße es „mitgehan- sich mit erstaunlicher Konstanz, Wert beträgt 12,8%. Konsumenten. Um deren Interes- gen“, und nicht „ausgeliefert“. N. 148 20.02.2016 Wirtschaft quer Verfehlter Jahresauftakt von Stefan Perini – Direktor AFI Zuspitzung der Flüchtlingskrise, Crash an den Börsen: Der Start ins neue Jahr ist alles andere als geglückt. In Deutschland ist die Rezessionswahrscheinlichkeit innerhalb eines Monats um ganze 10 Prozentpunkte angestiegen. W ie die Hans-Böckler Stif- tung schreibt, ist die Wahr- scheinlichkeit, dass die deutsche Talfahrt mit rasantem Tempo OECD Mitte dieser Woche bereits Wirtschaft in eine Rezession ge- fortgesetzt und sich die Stim- vollzogen hat. Die Wachstums- rät, in den vergangenen Wochen mungsindikatoren weiter einge- prognosen für 2016 wurden für deutlich angestiegen. Das signali- trübt haben. Darüber hinaus sei die meisten Länder Europas nach siert der Konjunkturindikator des die Auftragslage der deutschen unten revidiert – am stärksten für Instituts für Makroökonomie und Unternehmen nicht mehr so ro- Deutschland, nämlich um einen Konjunkturforschung (IMK). Für sig. Hinzu kommt, dass sich die halben Prozentpunkt. Immer das laufende Quartal weist der Finanzierungsbedingungen der stärker setzt sich die Einsicht IMK-Konjunkturindikator, der Unternehmen abermals ver- durch, dass niedrige Rohstoff- die wichtigsten Informationen schlechtert hätten. Noch wird der preise nicht nur ein Wohl, sondern über die aktuelle Wirtschaftslage Anstieg des Rezessionsindikators auch ein Risiko sind, zumal sie bündelt, eine durchschnittliche lediglich als negatives Signal ge- sich negativ auf die Wachstums- Rezessionswahrscheinlichkeit von wertet. Die Analysten sehen sich chancen der Schwellenländer aus- 23,6 Prozent aus. Im Vormonat vorerst nicht dazu angehalten, an wirken. Mittlerweile spricht auch lag das Rezessionsrisiko lediglich der Konjunkturprognose für die OECD offen davon, dass steu- bei 13,9 Prozent. In anderen Wor- Deutschland von 1,8 Prozent im erliche Anreize und öffentliche In- ten: In nur einem Monat ist die Jahr 2016 zu rütteln. Halten aller- vestitionen notwendig sind, um Rezessionswahrscheinlichkeit für zent reiche. Er habe sich aber der dings Flüchtlingskrise, militäri- die Binnennachfrage zu stützen. Deutschland um 10 Prozentpunk- nächsten Warnstufe (gelb, erhöh- sche Konflikte im Nahen Osten Damit sehen sich jene bestätigt, te angestiegen. Der nach dem te Unsicherheit) stark genähert. und negative Tendenz an den Bör- die seit jeher behauptet haben, Ampelsystem aufgebaute Indika- Den deutlichen Anstieg des Re- sen an, so stehe eine Absenkung dass die lockere Geldpolitik der tor liege heute zwar noch im "grü- zessionsrisikos erklären die Kon- der Wachstumsprognose vor der Europäischen Zentralbank alleine nen Bereich" (geringe Rezessions- junkturforscher in erster Linie Tür, heißt es aus der Hans-Böck- nicht ausreicht, um die Wirtschaft gefahr), der von null bis 30 Pro- damit, dass die Aktienkurse ihre ler-Stiftung. Ein Schritt, den die wieder anzukurbeln. 12
Konjunktur N. 155 09.04.2016 Wirtschaft quer Zur „Voucherisierung“ des von Stefan Perini – Direktor AFI Arbeitsmarkts Arbeitsgutscheine – so genannte Voucher – liegen im Trend. Allein im Jahr 2015 wurden in Südtirol 3,2 Mio. solcher S ie würden neues Pre- kariat verursachen, die Voucher (Wautscher aus- Arbeitsgutscheine ausgegeben. Erfolgt die Verwendung sachgerecht oder werden die Saisonverträge verdrängt? gesprochen). Von Berlus- coni eingeführt, um Gele- Südtirol 3,2 Mio. Voucher ausge- ten Verträge hingegen um -2,8% genheitsarbeit unbürokra- geben worden. Das ist italienweit abgenommen. Im Gastgewerbe, tisch aus der Schattenwirt- der 6. Platz. Troger läuft Sturm wo ziemlich genau ein Drittel der schaft zu heben, stehen die gegen eine an die Spitze getriebe- befristet Beschäftigten arbeitet, Voucher heute im Ver- ne Flexibilisierung der Beschäfti- ist ein Zuwachs der „Unbefriste- dacht, reguläre Arbeits- gung. Nein, sagt LVH-Vizepräsi- ten“ von + 18,7% zu beobachten, verhältnisse zu verdrän- dent Martin Haller. Die Voucher ebenso wie die stagnierende Zahl gen. Das System ist im seien eine einfache und praktische von „Befristeten“ (+ 0,1%). Also Grunde einfach: Der Ar- Entlohnungsform für gelegentli- nichts mit Verdrängung von Stan- beitgeber kauft diese Vou- che Arbeitsleistungen. Ein legales dard-Arbeitsformen – zumindest cher zum Nennwert von 10 Arbeitsverhältnis sei eindeutig zunächst noch nicht. Vieles € von einer akkreditierten der Schwarzarbeit vorzuziehen – spricht dafür, dass Arbeits-Vou- Stelle an. Beim Einlösen, z.B. im neu abgeschlossenen Arbeitsver- gerade letztere sei in Italien ein cher in Südtirol (noch) zum aller- Postamt, bleiben der Arbeitskraft hältnisse in Italien war um -23% großes Übel. größten Teil für Zuerwerb und ge- 7,5 € , die restlichen 2,5 € fallen gesunken, die Zahl der ausgestell- Was stimmt nun? In Südtirol ist ringfügige Tätigkeiten eingesetzt dem Staat in Form von Steuern ten Voucher aber um + 36% ge- die Zahl der Arbeitnehmer heuer werden und die Saisonverträge zu. Anfangs war die Verwendung stiegen. Verdrängen die Voucher im Jänner und Februar zusam- nicht ausbremsen. Trotzdem tut von Vouchern begrenzt. Der Jobs traditionelle Arbeitsformen? Ja, men um + 2,5% angestiegen, ver- die italienische Regierung gut da- Act aber hat ihre Einsatzmöglich- sagt UIL-SGK-Gewerkschafter glichen mit dem gleichen Zeit- ran, möglichen Missbrauch zu un- keiten erweitert. Christian Troger. Er spricht von raum des Vorjahres. Aber: Die un- terbinden. Arbeitsminister Poletti Der Aufschrei der Gewerkschaf- einer „Voucherisierung“ des Ar- befristeten Verträge haben um hat ein Änderungsdekret ange- ten kam Mitte März. Die Zahl der beitsmarkts. 2015 seien allein in + 4,3% zugenommen, die befriste- kündigt. N. 160 14.05.2016 Wirtschaft quer Südtiroler Wirtschaft 2016: von Stefan Perini – Direktor AFI Quo vadis? Nach WIFO und AFI hat diese Woche auch das ASTAT P rognosen sind äußerst schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen“ – diesem seine Wachstumsprognose für 2016 veröffentlicht. Mit +0,5% ist es unter den drei Instituten am Zitat wird früher oder später je- vorsichtigsten. Das WIFO prognostiziert +1,5%. der angehende Wirtschaftsfor- Das AFI liegt mit +1,0% mittendrin. scher begegnen. Prognosen sind abhängig von der jeweils verfüg- mas im April bewog Handelskam- tens schwierig zu toppen sein wird baren Daten- und Wissensgrund- schwächelnden Aufschwung in merpräsident Michl Ebner jüngst und es zweitens aufgrund der geo- lage, von Erfahrungswerten, von Deutschland und Italien, des Wei- zur Aussage, dass „die Verbesse- politischen Lage zum Ausfall ein- der Interpretation von Ereignis- teren mit der Flüchtlingskrise rung der Konjunkturlage im Ver- zelner Märkte kommen könnte. sen und erwarteten Wirkungsket- und den damit verbundenen Aus- gleich zu 2015 deutlich spürbar“ Des Weiteren sieht es das AFI als ten und - selbstverständlich - vom gaben. Auch der Umstand, dass sei, „auch wenn das Wirtschafts- kritisch an, dass die Löhne nicht Zeitpunkt der Prognose selbst. „auf den internationalen Märkten wachstum heuer etwas weniger zulegen, was sich negativ auf den Was Wunder also, dass für die der Wettbewerbsdruck anhaltend stark als ursprünglich erwartet Konsum – und das ist die volkswirt- Südtiroler Wirtschaft aktuell drei stark bliebe, dürfte die Preisset- ausfallen wird“. schaftlich wichtigste Komponente Prognosen kursieren, die sich zungsspielräume der Südtiroler „Mittendrin“: Das AFI. Die Deu- – auswirken könnte. zwar nicht im Vorzeichen, wohl Exportindustrie einschränken“. tung des internationalen und natio- Dass die drei Institute zu unter- aber in der Intensität der Verän- Der „Optimist“: Das WIFO der nalen Umfelds, in das die Südtiro- schiedlichen Schlussfolgerungen derung unterscheiden. Handelskammer Bozen hielt noch ler Wirtschaft eingebettet ist, ent- kommen, muss nicht wundern, Der „Pessimist“: Am Donnerstag im März 2016 an der schon im No- spricht weitgehend jener von AS- sondern ist vernünftige Vielfalt hat das ASTAT seine BIP-Prog- vember des Vorjahres für 2016 TAT und WIFO. Offensichtlich be- und spricht für eine lebendige nose für das Jahr 2016 bekannt formulierten Prognose von + 1,7% wertet das AFI das Risiko beson- Forschungslandschaft. Alles an- gegeben, die mit + 0,5% recht ge- fest. Im Monatsreport April 2016 ders hoch, dass Südtirols Außen- dere wäre verdächtig. Und dass dämpft ausfällt. Das Landesinsti- wurde sie schließlich leicht auf handel an Dynamik verlieren könn- Südtirol mehr Forschung braucht, tut für Statistik begründet die + 1,5% abgesenkt. Der relativ ab- te. Dies vor dem Hintergrund, dass ist eingehend durch international vorsichtige Schätzung mit dem rupte Dämpfer des Konsumkli- 2015 ein Rekordjahr war, das ers- vergleichbare Zahlen belegt. 13
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