St. Barbara in Kunzendorf - b. Neurode - DES GROSSDECHANTEN - Grafschaft Glatz

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St. Barbara in Kunzendorf - b. Neurode - DES GROSSDECHANTEN - Grafschaft Glatz
RUNDBRIEF
D ES G R O SS D EC H A N T E N
und des Heimatwerkes Grafschaft Glatz e. V.

                             St. Barbara
                             in Kunzendorf
                             b. Neurode

   Rundbrief 1/2020                           Heft 1/2020
                                                       1
                                              ISSN 1865-4312
St. Barbara in Kunzendorf - b. Neurode - DES GROSSDECHANTEN - Grafschaft Glatz
Inhaltsverzeichnis

Zum Geleit
Osterwort...........................................................................................................................................    3

Begegnungen
Pastoralmesse in Münster .................................................................................................................              4
Schlesische Weihnachtsandacht in Kloster Oesede ..........................................................................                              5
Adventsfeier in Kudowa ...................................................................................................................              6

Heimatwerk
Alarmbotschaft an alle Rundbriefleser/-innen und -Bezieher/-innen ........................................                                              7
Bevor es vergessen wird... Eine letzte Aktion! Gedanktafel am Landgestüt Warendorf ..................                                                   7

Gedenken an Joseph Wittig
Glauben – „fest für wahr halten“ ...? Teil 3 ......................................................................................                    8

Aus dem Glatzer Land
Kunzendorf b. Neurode .....................................................................................................................            10
Ignaz Reimann Festival 2020 in Albendorf ......................................................................................                        12
Wanderwoche im Glatzer Bergland ..................................................................................................                     12
Schülerwettbewerb ............................................................................................................................         12

Aus der Glatzer Stube in Telgte
Zukunft des Vereins Glatzer Sammlungen e. V. ................................................................................ 13

Persönlichkeiten aus der Grafschaft Glatz
Ruth Prager-Lewin ............................................................................................................................ 14

Dichterin der Heimat
Anna Bernard – Lebendige Gestalterin glätzischen Volkstums ........................................................ 16

Aus den Grafschafter Gruppen
Woche der Begegnung der Jungen Grafschaft .................................................................................. 22
Jahresabschlusstreffen der Grafschafter Gemeinschaft .................................................................... 26

Würdigungen
Michael Güttler 70 Jahre alt .............................................................................................................. 33
85. Geburtstag von Georg Jaschke .................................................................................................... 33

Jubiläen und Geburtstage ............................................................................................................. 34
Heimgänge ...................................................................................................................................... 36
Sie gehören zu uns .......................................................................................................................... 37
Buchtipp .......................................................................................................................................... 38
Wichtige Informationen/Impressum ............................................................................................ 39
Termine ........................................................................................................................................... 40

    Zum Titelbild: Die Pfarrkirche St. Barbara in Kunzendorf b. Neurode wurde ursprünglich 1910/1911
    als Kuratiekirche im damals zeittypischen neuromanischen Stil erbaut.           Foto: Jacek Halicki

2                                                                                                                               Rundbrief 1/2020
St. Barbara in Kunzendorf - b. Neurode - DES GROSSDECHANTEN - Grafschaft Glatz
Zum Geleit

Osterwort
„Da verließen sie (Maria aus Magdala, Maria,
die Mutter des Jakobus, und Salome) das Grab
und flohen; denn Schrecken und Entsetzen
hatte sie gepackt.“ (Mk 16,8)

Die Perspektive einer Grabeshöhle, wie wir
sie auf dem Bild sehen, müssen eigentlich alle
gehabt haben, die am Ostertag das Grab Jesu
wieder verlassen haben. Sie wird aber in den
Ostererzählungen nur ganz kurz und nicht sehr
frohmachend beschrieben. Voll Schrecken und
mit vielen Fragen haben die Frauen das Grab

                                                                                                      Foto: Ute Quaing
Jesu verlassen. Manchmal ist auch vom Glau-
ben die Rede, aber es überwiegt doch selbst bei
den Aposteln der Zweifel.

Wer das Foto anschaut, das aus einer Grabes-
höhle heraus gemacht worden ist, sieht aber         des Abschieds von einem lieben Menschen
eigentlich etwas sehr Schönes und Frohmachen-       die Stimme verschlagen hat. Aber auch andere
des. Der Betrachter kommt aus der Dunkelheit        ausweglos erscheinende Situationen in der Ar-
und geht ans Tageslicht. Er steigt aus der Tiefe    beitswelt, Politik, Umwelt und Kirche können
in die Höhe. Was ihn draußen erwartet, kann         sich durch den Blick aus der Grabeshöhle ver-
er nicht genau erkennen. Das ist so, als ob wir     ändern. Das Gebet und die Feier von Tod und
nach einer Tunnelfahrt wieder ans Tageslicht        Auferstehung Jesu im Gottesdienst laden zur
kommen und das Tageslicht uns blendet. Der          Veränderung der Perspektive ein. Vielleicht ist
Autofahrer muss dann besonders aufmerksam           das Gebet am Morgen und Abend mühsam und
sein, dass er nicht ein Hindernis übersieht und     lediglich eine Pflichterfüllung, aber es rahmt
Schaden verursacht. Die Wirklichkeit im Tages-      den Tag und das Leben ein, das von der Liebe
licht hat sich nicht verändert, aber unsere Augen   des Auferstandenen umfangen ist. Er wünscht
haben Mühe, diese Wirklichkeit wieder richtig       sich für uns von Herzen, dass wir mit ihm aus
wahrzunehmen. Es liegt an unseren Augen –           dem Grab und seiner Dunkelheit auferstehen.
nicht an der Wirklichkeit.                          Nehmen wir seine ausgestreckte Hand gern an
                                                    und lassen wir uns führen. Jesus Christus kennt
Das Osterfest will uns wieder die neue Wirk-        den Weg aus dem Grab und ist ihn gegangen. Er
lichkeit bewusst machen, die manchmal verbor-       kennt das Licht nach der Dunkelheit und führt
gen liegt und unser Denken nicht ständig prägt.     uns dorthin, wo alles verklärt wird, das heißt
Dass wir durch die Taufe vom Tod erstanden          klar, rein und leuchtend froh.
sind, singen wir zwar in den Osterliedern und
bekennen es im Glauben, aber wir vergessen es       Frohe Ostern und die Erfahrung von Licht
auch schnell in der Hektik des Alltags. Weil es     am Ende des Tunnels wünsche ich daher von
Auferstehung aus dem Dunkel des Todes gibt,         Herzen.
können wir an den Gräbern das Halleluja sin-                       Weihbischof Dr. Reinhard Hauke,
gen. Die trauernden Angehörigen verlassen sich        Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz
dann darauf, dass die Freunde und Bekannten               für die Seelsorge an den Vertriebenen und
es laut singen, weil es ihnen im Augenblick                                 Deutschen aus Russland

Rundbrief 1/2020                                                                                 3
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Begegnungen

Pastoralmesse in Münster
Grafschafter Chor sang im traditionellen Weihnachtsgottesdienst

Tasten und Pedale der Orgel in der Überwasser-        und Sanctus bis zum Agnus Dei. Darüber hinaus
kirche schwiegen am Sonntagnachmittag, dem            erklangen traditionelle kirchliche Weihnachts-
12. Januar 2020. Die musikalische Gestaltung          lieder. Dirigent war wieder Georg Jaschke,
der traditionellen Grafschaft Glatzer Eucharis-       der auch die Bläser organisiert hatte, während
tiefeier mit dem Großdechanten Franz Jung zu          Monika Veit die Streicher zusammenbrachte.
Beginn des Jahres übernahmen der Grafschafter
Chor und ein Instrumentalensemble von Strei-          Gehalten wurde der Gottesdienst von Großde-
chern und Bläsern. Auf dem Programm stand             chant Franz Jung in Konzelebration mit Diakon
diesmal die Pastoralmesse in F ,,Zur Heiligen         Prof. Otmar Schober (beide Bistum Münster)
Nacht“ des Albendorfer Komponisten Ignaz              und Diakon Arnold Bittner (Bistum Osnabrück).
Reimann (1820–1885).
                                                      „Nach Epiphanias und dem Fest der Heiligen
Die mittlerweile zehnte Aufführung des Chores         Maria feiern wir jetzt das Fest der Taufe des
in der Münsteraner Überwasserkirche (früher in        Herrn“, sagte Schober in seiner Predigt und
St. Aegidii) war mit rund 350 Zuhörern wieder         fragte: ,,Was bleibt über die Weihnachtszeit
sehr gut besucht. Der Gottesdienst wird seit über     hinaus von ihr? Was können wir in die nächsten
20 Jahren im jährlichen Wechsel in Münster und        Wochen mitnehmen?“ Die Eucharistiefeier sei
der St.-Johann-Kirche in Osnabrück gefeiert.          der Taufe Jesu durch Johannes gewidmet. Jesus
Dabei kommen entweder Reimanns Pastoral-              habe die Taufe zugelassen. „Damit die Heilsge-
messe in F oder die Pastoralmesse in C („Christ-      schichte Wirklichkeit werden konnte“, so Scho-
kindlmesse“) zu Gehör. In Münster haben diese         ber. Die Weihnachtsgeschichte werde von den
kirchenmusikalischen Werke schon lange zahl-          Gläubigen das Jahr über fortgeführt, sagte er.
reiche Freunde. Die musikalische Messe beglei-                      Klaus Möllers in: WN, 14.01.2020,
tete die Liturgie vom Kyrie über Gloria, Credo                          mit Ergänzungen der Redaktion

Der Grafschafter Chor und die Instrumentalgruppe in der Überwasserkirche           Foto: Klaus Möllers

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Begegnungen

Schlesische Weihnachtsandacht
Für die Heimatgruppe Niederschwedel-
dorf, die ihren Sitz in Kloster Oesede hat,
beginnt das Jahr mit der Feier der Schle-
sischen Weihnachtsandacht in der Kirche
St. Johann. In diesem Jahr nahmen am
5. Januar ca. 250 Menschen daran teil.
Die Gläubigen kamen nicht nur aus dem
Bereich der Stadt Georgsmarienhütte, zu
der Kloster Oesede gehört, sondern auch
aus dem gesamten Landkreis Osnabrück
und darüber hinaus.

Für die Gemeinschaft der im Jahr 1946
aus ihrem geliebten Niederschwedeldorf
Vertriebenen und deren Nachkommen ist
die Weihnachtsandacht mit heimatlichen
Liedern und Gebeten ein fester und nicht      Weihnachtsandacht in Kloster Oesede    Foto: Norbert Buhl
wegzudenkender Teil ihres Lebens.
                                                      die seinerzeit heimatlos war und Zuflucht suchte,
Bemühungen der aus Niederschwedeldorf Ver-            zur Situation der Vertriebenen nach dem unglück-
triebenen und ganz besonders der Einsatz der          seligen Zweiten Weltkrieg, der großes Leid über
damaligen Niederschwedeldorfer Volksschul-            unzählige Menschen brachte und als Folge zur
lehrerin Maria Brieskorn hatten dazu geführt,         Vertreibung eben auch der Niederschwedeldor-
dass ein Großteil von ihnen ihre Bleibe und jetzt     fer Gemeinschaft führte. Arnold Bittner ging
auch Heimat in Kloster Oesede gefunden hat.           dabei auch auf die vielen Menschen ein, die
                                                      in der heutigen Zeit, ganz aktuell, ihre Heimat
Die Weihnachtsandacht erinnert nicht nur an das       verlassen müssen und Zuflucht suchen. „Wir
Geschehen der Heiligen Nacht vor über 2000            müssen auch unsere Türen öffnen“, rief der
Jahren, sondern auch an die Zeit, in der dieses       Diakon den Gläubigen zu.
Ereignis auf ganz spezielle „schlesische“ Weise
in der Heimat gefeiert wurde. In diesem Jahr          Einen Großteil der Weihnachtsfeier nahmen
setzte sich der Kreis der Zelebranten zusammen        musikalische Vorträge des Chores Harderberg
aus dem Diakon Arnold Bittner, Großdechant            unter der Leitung von Gregor Lemper ein; dazu
Prälat Franz Jung und Pfarrer Christoph Scholz.       gehörte selbstverständlich auch „Transeamus
Arnold Bittner begrüßte zunächst die Besuche-         usque Bethlehem“. Mathias Weber begleitete
rinnen und Besucher. Dabei äußerte er seine           den Chor- und Gemeindegesang an der Orgel.
Überraschung über die große Anzahl. Er brachte
zum Ausdruck, dass dies für alle Beteiligten          Zum Abschluss sprach der Großdechant den
große Stärke und Ermutigung bedeute. Nach             Segen. „Abgerundet“ wurde das Treffen durch
einem Eingangsgebet von Christoph Scholz las          „Mohkucha und Kaffee“, wozu der Vorsitzen-
Großdechant Franz Jung aus dem Neuen Testa-           de der Niederschwedeldorfer Heimatgruppe,
ment, anschließend hielt Diakon Bittner die Pre-      Norbert Buhl, die Gäste in den Saal Steinfeld in
digt in Form einer eindringlichen Meditation.         Kloster Oesede einlud. Dort hielt er auch einen
Dabei ging er auf das Wort „Zuhause“ ein und          Fotovortrag über Breslau, das heutige Wrocław.
spannte einen Bogen von der Heiligen Familie,                                            Norbert Buhl

Rundbrief 1/2020                                                                                     5
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Begegnungen

Adventsfeier in Kudowa
Es war ein unvergesslicher Nachmittag. Mit              Dankbarkeit aus.
Hilfe des Deutschen Freundschaftskreises in             Einige hatten Trä-
Glatz und der Sozial-Kulturellen Gesellschaft           nen in den Augen.
der Deutschen in Oppeln erhielten wir – der             Es erschien noch
Freundeskreis in Kudowa – einen finanziellen            eine Zwei-Mann-
Zuschuss zur Gestaltung einer deutschen Ad-             Kapelle aus
ventsfeier am 15. Dezember 2019.                        Tschechien,
                                                        die böhmische
Am Anfang gab es in der Alten Mühle in                  Weihnachtsmusik
Kudowa ein Mittagessen nach schlesischer Art.           spielte. Außerdem
In der Grafschaft müssen immer Klöße dabei              kam St. Nikolaus
sein, so wie beim Kaffeetrinken der schlesische         mit einem Engel
Mohnkuchen nicht fehlen darf. Eingeladen                und las uns eine
waren neben unseren Mitgliedern auch Freunde,           Geschichte aus
die in Tscherbenay und Umgebung leben, und              der Grafschaft     St. Nikolaus kam in Begleitung
alle Deutschen, die noch in der alten Heimat            Glatz vor.         eines Engels         Foto: zg.
wohnen. Die Älteste unter den rund 50 Gästen
war mit fast 98 Jahren Anna Duchatsch.                  Wir haben von der Feier aus auch den Groß-
                                                        dechanten in Münster angerufen und ihm sein
Die Freude war sehr groß, über unser Brauch-            Lieblingslied am Telefon vorgesungen. Er sagte
tum aus deutscher Zeit zu sprechen und unsere           am Schluss: „Das war mein schönstes Geschenk
alten deutschen Lieder zu singen. Auf der Gitarre       zu Weihnachten aus der Heimat.“
begleitete uns Heinz Peter Keuten vom Deutschen
Freundschaftskreis in Glatz. Es waren auch viele        Wir bedanken uns bei dem Glatzer Freund-
junge Leute da, die ich gebeten habe, von unse-         schaftskreis und der Sozial-Kulturellen Gesell-
rem Brauchtum weiter zu erzählen und vor allem          schaft in Oppeln für die Unterstützung unserer
unsere alten Weihnachtslieder zu singen. Das            Feier. Im Namen des dankbaren Freundschafts-
war für alle beeindruckend, da es dazu sonst            kreises in Kudowa-Czermna
keine Gelegenheit mehr gibt. Viele sprachen ihre                                        Elisabeth Kynast

Jung und Alt erlebten eine bewegende deutsche Adventsfeier, stehend: Elisabeth Kynast           Foto: zg.

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St. Barbara in Kunzendorf - b. Neurode - DES GROSSDECHANTEN - Grafschaft Glatz
Heimatwerk

Alarm-Botschaft an alle Rundbrief-                   Bevor es vergessen wird…
Leser/-innen und Bezieher/-innen
                                                     Eine letzte Aktion!
Mit Entsetzen hat die Buchhaltung des Büros          Gedenktafel am Landgestüt Warendorf
des Großdechanten festgestellt, dass im Jahr
2019 ein großes Loch in der Finanzierung des         Waren Sie auch dabei im Jahr 1946, als über
Rundbriefs entstanden ist, weil trotz der seit       60 000 Heimatvertriebene in den Pferdeställen
Jahren sehr niedrigen Abokosten diese von vielen     des Landgestüts Warendorf auf dem Strohboden
nicht bezahlt wurden. Es fehlen uns derzeit ca.      jeweils zwei bis drei Nächte bleiben mussten,
4 000 Euro. Der Zahlungsverzug ist sicher kein       bevor wir dann in Nordrhein-Westfalen verteilt
böser Wille, sondern – wie wir viele Grafschaf-      wurden?
ter kennen – einfach Vergesslichkeit.
                                                     Ich selbst war als Neunjähriger dabei und wurde
Wir dürfen aus dem Haushaltsplan keine Spenden-      noch einmal mit einem Giftzeug entlaust wie
gelder zugunsten des Rundbriefs verwenden.           wohl alle 60 000, die hier 1946 die Konsequenz
                                                     des Zweiten Weltkrieges ertragen mussten. Seit
Wenn uns in diesem Jahr wiederum ein solcher         mehr als zwei Jahren lässt es mir keine Ruhe.
Fehlbetrag belastet, dann müssen wir den Rund-       Wir können Steine und Gedenktafeln auch nach
brief, der bisher gut ankam, einstellen. Ich bitte   uns noch reden lassen über das Unrecht und die
also, um das zu verhindern, um Begleichung des       Verbrechen der Vertreibung. Und so habe ich
Jahresbeitrags für den Rundbrief von mindestens      mit dem Ehepaar Barbara und Harald Dierig aus
12 Euro, wobei dieser Betrag schon länger die        Münster die ersten Kontakte gesucht – mit der
Kosten für den Rundbrief nicht mehr deckt und        Verwaltung des Landgestüts, der Stadt Waren-
die Post zum 01.01.2020 erneut das Porto erhöht      dorf und dem Land Nordrhein-Westfalen als
hat. Wir hatten vor ca. zwei Jahren schon einmal     Träger des Landgestüts sowie einem Künstler
eine Erhöhung geplant, waren aber dabei auf          für die Gestaltung einer Gedenktafel, die wir
Widerstand gestoßen.                                 voraussichtlich noch in diesem Jahr in Waren-
                                                     dorf anbringen wollen. Beteiligen wollen sich
Wir danken allen, die nach dem Weihnachts-           auch die Reichenbacher/Niederschlesien, über
rundbrief bereits für das neue Jahr 2020 bezahlt     die die Stadt Warendorf die Paten- und Partner-
haben. Wir entschuldigen uns für die Verspätung      schaft übernommen hat.
des Weihnachtsbriefes. Der Grund war: Unse-
re Redakteurin Patricia Simon war plötzlich          In die Gedenktafel sind auch die Menschen, die
schwer erkrankt und verstorben (s. S. 36), so        ihr Leben unterwegs verloren haben und deren
dass ihre Arbeit am Rundbrief 3/2019 vorüber-        Zahl über das Diözesanarchiv in Münster wir zu
gehend liegen blieb.                                 ermitteln versuchen, integriert.

Wir bitten den ausstehenden Jahresbeitrag für        Diese Gedenktafel mit der würdigen Gestaltung
2019 auf das Rundbriefkonto                          der Anlage vor dem Eingangstor zum Land-
DE26 4006 0265 0015 1001 01                          gestüt ist natürlich mit Kosten verbunden. Ich
bei der Darlehnskasse Münster                        bin bei den anderen Anlagen, die an unsere
zu überweisen und würden uns freuen, wenn Sie        Heimat und die Vertreibung 1946 erinnern, noch
gleichzeitig auch schon den Beitrag für 2020         niemals allein gelassen worden, weder beim
entrichten würden.                                   Bildstock in Telgte noch den Gedenktafeln am
                                                     Bildstock.
Im Namen des Heimatwerkes Grafschaft Glatz
Pfarrer Martin Karras, Präses                        Ich vertraue darauf, dass diese wohl letzte Ak-
Elisabeth Brauner, Geschäftsführerin                 tion offene Herzen und Hände findet. Ich stelle
Franz Jung, Großdechant                              mir vor, dass jeder, der in Warendorf in den

Rundbrief 1/2020                                                                                       7
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Heimatwerk | Gedenken an Joseph Wittig

Pferdeställen überlebt hat, einen kleinen Beitrag   Begleitend zur Errichtung des Gedenksteins
geben kann, um unser Schicksal nicht in Verges-     wollen wir eine kleine Broschüre mit Beiträgen
senheit geraten zu lassen. Ich glaube daran, dass   von Zeitzeugen, die ja immer weniger werden,
alle Heimatvertriebenen sich an dieser letzten      herausgeben. Deshalb bitten wir um die Ein-
Aktion beteiligen werden.                           sendung von kurzgefassten Erinnerungen an die
                                                    Tage und Nächte auf dem Landgestüt Waren-
Spenden an Heimatwerk Grafschaft Glatz e.V.,        dorf. Bitte schicken Sie Ihre Aufzeichnungen,
Konto DE53 4006 0265 0015 1001 00 bei der           gerne auch mit der Hand geschrieben, an:
DKM, Stichwort: „Gedenktafel Warendorf“.            Glatzer Büro, Ermlandweg 22, 48159 Münster,
Eine Spendenquittung kann erstellt werden beim      oder per E-Mail an: grossdechant@t-online.de.
Vermerk „Quittung“.                                                         Franz Jung, Großdechant

Glauben – „fest für wahr halten“...?
Mit dem letzten Beitrag zu dieser dreiteiligen      los ergab. Er konnte vom Brote, das er vor dem
„Serie“ kehre ich in meine rheinische Wahlhei-      Verzehr segnet, sagen: ,Das ist mein Leib...‘
mat zurück und und möchte hier wiedergeben,         (Das bin ich; ich gebe mich für Euch hin). Und:
was ich im Sommer 2002 in den Pfarrbrief            ,Tut dies zu meinem Gedächtnis.‘ (Zum Gedächt-
meiner Kirchengemeinde einrücken ließ. Ge-          nis = zur Erinnerung!) Wird dieses einmalige
wiss von weniger Tiefgang als die Zeilen eines      geschichtliche Ereignis seitdem wirklich millio-
Eugen Drewermann, vermag mein persönlicher          nen- und milliardenfach im Gottesdienst wieder-
Beitrag aber an einem konkreten Beispiel an-        holt...?
schaulich machen, was ich so an Bedenken und
Vorbehalten mit mir herumtrage – und dann           Über solche Fragen mögen sich immer wieder die
doch auch mal loswerden muss:                       Theologen ihre Köpfe heiß reden (und gelegent-
                                                    lich wohl auch einschlagen). Für den einfachen
Sprachverwirrung                                    Christenmenschen, denke ich, ist das aber doch
Unter dem Stichwort „Sprachverwirrung“ wird         wohl eher unerheblich. Reicht es nicht aus, wenn
im letzten Pfarrbrief (S. 24) moniert, daß so       er an Sonn- und Feiertagen zum Tisch des Herrn
mancher Katechet ,die Worte vom Leib und Blut       geht, um an der Gemeinschaft mit Jesus Christus
Jesu Christi‘ nicht mehr in den Mund nehme          teilzunehmen? Und wenn er das tut: muß man
– stattdessen vom ,heiligen Brot‘ oder ,Gottes-     dann eigentlich jedesmal, ehe ihm der präsen-
brot‘ spreche.                                      tierte ,Leib Christi‘ gereicht wird, von ihm ver-
                                                    langen, daß er sein ,Amen‘ dazu sagt...? Wer
Ich denke, diese Katecheten tun gut daran,          meint, daß das (meines Erachtens viel zu häu-
daß sie Glaubenwahrheiten/-zumutungen, die          fige) Amen-Sagen bereits ein Glaubensakt sei
kein Mensch (von manchem Theologen einmal           oder diesen doch ersetzen könne, der dürfte auf
abgesehen) fassen kann, in einer den Kindern        dem Holzwege sein. Und es bliebe immer noch
zugänglichen Sprache zu vermitteln suchen.          die Frage, was denn ein Glaubensakt wirklich
Es ist ja schon erstaunlich und nicht leicht        bedeutet, der eine nicht zu erfassende Wirklich-
nachvollziehbar, was man aus dem einfachen          keit betrifft. Wir versuchen, uns durch Sprache/
Abschiedsmahl Jesu mit seinen Jüngern und           Begriffe über die Realitäten dieser Welt zu
den dabei gesprochenen Worten schließlich           verständigen, müssen uns aber davor hüten zu
herausdogmatisiert hat! Für den historischen        glauben, wir hätten diese selber damit auch
Jesus lag es nahe, für die Hingabe im Opfertod      schon im Griff. Bleiben wir mit der Sprache
ein Zeichen zu setzen, das sich aus dem letzten     auf dem Boden – und bei den Menschen, und
gemeinsamen Mahl mit seinen Jüngern zwang-          überfahren wir sie nicht ohne Not! Wer letztlich

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St. Barbara in Kunzendorf - b. Neurode - DES GROSSDECHANTEN - Grafschaft Glatz
Gedenken an Joseph Wittig

Unverstehbares ständig im Munde führen soll,      „Glaciographia Nova“ (2004) unter dem Titel:
wird allenfalls Lippenbekenntnisse produzieren    ,Hochland‘ zwischen Rheinland und Glatzer
– und es dann womöglich ganz sein lassen.         Land – Erinnerung an Joseph Wittig und eine
                                                  mutige Zeitschrift. Er greift den Fall des von der
Angeblich war das ganz schön kühn, was ich da     Kirche Verfemten auf und beleuchtet ihn – auch
geäußert hatte. Aber niemand widersprach mir.     aus persönlicher Sicht – in Zusammenhang mit
Auch unser Herr Pastor nicht, in dessen aus-      der Zeitschrift „Hochland“ bzw. dem Schicksal
klingende Amtszeit meine „Eingabe“ fiel. Zur      ihres Gründers und Herausgebers Carl Muth.
„Verabschiedung“ sagte ich auf ganz persön-       Ausgehend vom Besuch eines Sonntagsgottes-
liche Weise: Georg Biesenbach – danke!            dienstes im Kölner Dom und dem Zufallsfund
                                                  einer Broschüre auf dem Antiquariatsmarkt am
Zum Geleit                                        Rheinufer wird noch einmal deutlich zu machen
                                                  versucht, wie Joseph Wittig es stets so trefflich
Gehen wird er – unser Hirt.                       verstand, bei seinen reliösen Botschaften den
Ernst bleibt zurück die Herde:                    Menschen zum Bezugspunkt seiner Anliegen
Ob sie das wohl verkraften wird ...?              zu machen, und wie es der Institution Kirche
Ratlos – in Worten und Gebärde –                  offenbar am Verständnis dafür mangelte, dass
Gärt Unbehagen, was nun werde.                    ungewohnte Zugänge zum christlichen Glauben
                                                  wichtiger sein können als das Beharren auf
Bei ihm man sich verstanden sah                   dogmatischen, mit Rechthaberei verbundenen
In Glaubens-, Lebensfragen.                       Positionen. Damit hätte manches in unserer re-
Er war den Menschen immer nah,                    ligösen Praxis offener, freier, lebendiger werden
Stand ihnen bei in schweren Tagen,                können. Eine „Lehre“ mag sich noch so sehr für
Ein freies, mutig’s Wort zu wagen.                „richtig“ halten: was taugt sie, wenn niemand
                                                  sich von ihr angesprochen fühlt...?
Nie hat er sich, fürwahr, gescheut,
Blieb (trotz manch prekärer Lehren)               Ein kürzerer Beitrag erschien etwa zur selben
An dem stets orientiert, was heut’                Zeit im „Rundbrief des Großdechanten“. Er
Christgemäße Wege wären...:                       bezieht sich – quasi als Leserbrief – auf einen
Half so Glaubwürdigkeit zu mehren.                Reisebericht, in dem auch von der Breslauer
                                                  Kirche St. Maria auf dem Sande die Rede ist,
Daß er auch weiter an uns denk’:                  wo einst Joseph Wittig als Kaplan tätig war.
An die Gemeinden und ihr Leben –                  Meine ergänzenden Hinweise tragen die Über-
Nehm’ Worte er an als Geschenk!                   schrift: „Auf (keinen) Sand gebaut...?“ und
Kann er nun Neues noch erstreben:                 spiegeln eine Erfahrung wider, die den leiden-
Es mög’ ihm Sinnerfüllung geben!                  den Menschen die Frage nach der „Güte Gottes“
                                                  aufwerfen lässt. Und ich schloss: Auch uns über-
Auch von Joseph Wittig hätte man sagen            kommen doch wohl immer wieder Zweifel, wenn
können: Er blieb den Menschen immer nah /         in unseren Gottesdiensten – angesichts all des
Ein freies, mutig’s Wort zu wagen / Nie hat er    Jammers dieser Erde – allzu freigebig mit dem
sich, fürwahr, gescheut. / Blieb (trotz manch     Begriff vom ,guten Gott‘ umgegangen wird – und
prekärer Lehren) / An dem stets orientiert, was   damit die Glaubwürdigkeit der religiösen Bot-
heut / Christgemäße Wege wären ...: / Half so     schaft eher Schaden nimmt... Wittig blieb den
Glaubwürdigkeit zu mehren... So mag denn          Menschen, ihrem Erleben und Erleiden nah,
hier auch noch einmal auf unseren Grafschafter    fand eine Sprache, die sie verstanden – und kam
Theologen verwiesen werden, richtiger: auf        dadurch mit seiner Botschaft bei ihnen an...
zwei Beiträge, die ich vor einiger Zeit über      Möge er, der vor 55 Jahren fern der Heimat starb,
ihn geschrieben habe. Der erste, längere ist      auch weiterhin noch vielen etwas zu sagen haben!
abgedruckt in der Festschrift für Dieter Pohl                                Dr. Gerhard Blaschke

Rundbrief 1/2020                                                                                  9
St. Barbara in Kunzendorf - b. Neurode - DES GROSSDECHANTEN - Grafschaft Glatz
Kunzendorf b. Neurode

                                                                                              Historische Postkarte: zg.

Kunzendorf liegt im Tal der Walditz, drei Kilo-    Herrenhaus
meter nördlich von Neurode. Der Ort wurde          Inmitten einer großen Hofanlage etwas abseits
erstmals 1352 zusammen mit Ludwigsdorf,            der Hauptstraße errichtete die Familie von Still-
Kunigswalde, Hugisdorf und Volprechtsdorf          fried im 17. Jahrhundert ein Herrenhaus im Stil
als Cunczendorf erwähnt, als Hans von Wuste-       der Spätrenaissance. Darauf weisen die unregel-
hube auf Neurode die Dörfer an Hänsel von          mäßige Verteilung der Fensterachsen und die
Donyn und dessen Brüder verkaufte. Der Ver-        Asymmetrie in der Gebäudegliederung hin. Das
kauf wurde 1360 vom böhmischen König               Gut gehörte den Stillfrieds bis 1810. Dann ging
Karl IV. bestätigt. Da es sich um ein Lehngut      Kunzendorf in private Hände über. 1830 wurde
handelte, wurden die landesherrlichen Abgaben      das Herrenhaus mit seinem „schönen Garten“
von einem Freirichter eingezogen, dem auch         ausdrücklich erwähnt (J. G. Knie, Beschreibung
die niedere Gerichtsbarkeit oblag. Das Richter-    von Schlesien...). Seit 1853 gehörte der Besitz
gut befand sich vermutlich im Oberdorf, da         der Familie Greppi. Nach zwei weiteren Eigen-
dort die geografischen Bezeichnungen Frei-         tümerwechseln erwarben 1927 die Neuroder
richterkoppe und Scholzengrund belegt sind.

Nach dem Tod des Friedrich von Donyn 1467
fiel Kunzendorf zusammen mit der Herrschaft
Neurode als erledigtes Lehen an die böhmische
Krone zurück. König Georg von Podiebrad
übergab die Herrschaft Neurode aus Dankbar-
keit für geleistete Dienste an Georg Stillfried-
Rattonitz mit der Bedingung, eine der Schwes-
tern des verstorbenen Friedrich von Donyn zu
ehelichen. Die Schenkung wurde 1472 bestätigt.
Im Jahr 1600 überließ Heinrich von Stillfried
Kunzendorf und Hausdorf seinem Sohn Hans
als erblichen Besitz.                              Herrenhaus Kunzendorf          Foto: Jacek Halicki

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Aus dem Glatzer Land

Kohlen- und Tonwerke das Gut. Nach 1945 Sitz
eines Staatsgutes, wird das recht verwahrloste
Herrenhaus bis heute als Wohnhaus genutzt.

Wirtschaft
Von wirtschaftlicher Bedeutung war neben der
Landwirtschaft und der Hausweberei seit der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Förde-
rung von Kohle. In der Buntweberei W. Jordan
wurden über 500 Mitarbeiter beschäftigt. Die
Inbetriebnahme der Bahnstrecke Waldenburg–
Glatz begünstigte die allerdings keinen Halte-
punkt in Kunzendorf, sondern in der nordöstlich
gelegenen Kolonie Centnerbrunn hatte, ab 1880        Pfarrkirche St. Barbara        Foto: Jacek Halicki
die touristische Entwicklung. 1939 lebten 4 442
Einwohner in Kunzendorf.                             Bis zum Jahr 1850 wurden in Centnerbrunn 600
                                                     Kurgäste behandelt. Nachdem das Interesse an
Kirche                                               den Kaltwasseranwendungen abnahm, verkaufte
Der starke Zuwachs der Bevökerung Anfang des         Niedenführ die Anlage dem Gutsbesitzer Josef
20. Jahrhunderts machte den Bau der Kuratie-         Greppi. 1866 wurden der Kurbetrieb eingestellt
kirche St. Barbara notwendig, einer großen           und die Gebäude als Lazarett für Verwundete
neuromanischen Kirche (1910–1911), die am            des Deutschen Krieges genutzt. Ab 1880 entwi-
12. September 1912 vom Prager Erzbischof Leo         ckelte sich die Kolonie zu einem Sommerfrische-
Skrbenský von Hříště geweiht wurde. Der Ent-         und Ausflugsort. Es wurden Wanderwege in das
wurf stammte vom Architekten Schneider, die          Eulengebirge angelegt. Noch vor dem Ersten
Decken- und Wandgemälde schuf der Schlegler          Weltkrieg wurde der Versand von Centnerbrunner
Maler Leo Richter. Der Hochaltar in barocken         Tafelwasser aufgenommen. 1921 wurden die
Formen zeigt das Bild der Patronin der Bergleute     ehemaligen Kuranlagen von der gewerkschaft-
über der Rubengrube, daneben Statuen des hl.         lichen Einrichtung Volkshaus Neurode erworben,
Paulus und des hl. Isidor als Patrone der Weber      die 1924 einen Park mit einer Freilichtbühne und
und Bauern. Die Gemeinde St. Barbara ist heute       ein Schwimmbad errichtete. Auf der Freilicht-
eine eigene Pfarrei.                                 bühne wurden in den Sommermonaten anspruchs-
                                                     volle Theaterstücke aufgeführt und Konzerte der
Kolonie Centnerbrunn                                 Bergkapelle Waldenburg und der Bergkapelle
Die Kolonie befand sich nordöstlich von Kun-         Rubengrube gegeben sowie Gewerkschaftsfeste
zendorf im Zentnertal, wo seit alters her eine       veranstaltet. 1933 wurde die Anlage von der
kristallklare Quelle bekannt war, die als „Hirsch-   Deutschen Arbeitsfront übernommen, die sie für
lecke“ bezeichnet wurde. 1835 erwarb dort der        propagandistische Zwecke nutzte. Nach 1945
Neuroder Arzt Karl Niedenführ 60 Morgen Land,        wurde die Kuranlage als Erholungsheim und für
auf dem er eine Kaltwasserheilanstalt errichtete,    Bildungseinrichtungen genutzt.
die 1836 eröffnet und bis 1851 als Wasserheil-             Zusammengestellt von Nicola von Amsberg
anstalt Kunzendorf bezeichnet wurde. In dieser
wurden Kaltwasser-Trinkkuren und Prießnitz-          Quellen:
Anwendungen verabreicht. Letztere bestehen           • Peter Güttler et al. (Hg.): Das Glatzer Land.
aus diversen Wickeln, Bädern, Duschen etc. und         Ein Reiseführer, Düsseldorf 1995, S. 64
sind benannt nach dem Landwirt und autodidak-        • Arne Franke/Katrin Schulze: Schlösser und
tischen Naturheiler Vincenz Prießnitz (1799–           Herrenhäuser in der Grafschaft Glatz, Würz-
1851), der auch als Begründer der neuzeitlichen        burg 2009, S. 189/190
Hydrotherapie gilt.                                  • de.wikipedia.org/wiki/Drogosław_(Nowa_Ruda)

Rundbrief 1/2020                                                                                    11
Aus dem Glatzer Land

Ignaz Reimann Festival 2020 in Albendorf
1820, also vor 200 Jahren, wurde Ignaz Reimann      von Ignaz Reimann,
in Albendorf geboren. So soll es in diesem Jahr     Christel Kaven, war
ein Jubiläums-Festival geben. Deutsche, tsche-      immer Ehrengast
chische und polnische Chöre werden zusammen-        beim Festival.
kommen. Es werden Musikliebhaber – nicht nur        Bemerkenswert ist,
aus dem Glatzer Land – Reimanns Musik hören         wieviel Mühe und
und bewundern können.                               Arbeit ... die Orga-
                                                    nisatoren geleistet
Im Jahr 2019 fand das 18. Internationale Ignaz      haben. Schade, dass
Reimann Festival statt. Dr. Siegmund Pchalek        nur so wenige Gäste
berichtete darüber mit viel Bildmaterial in der     aus Deutschland
„Ziemia Kłodzka“ vom Juli/August 2019. Er           anwesend waren.“         Ignaz Reimann
schreibt u. a.: „Seit 2002 ist es das größte Kul-                                       Zeichnung: zg.
turereignis in der Glatzer Region. Die Schirm-
herrschaft übernehmen Bischof Ignacy Dec            Zu wünschen wäre, dass sich das im Jubiläums-
von Schweidnitz und der Landrat von Kłodzko/        jahr ändert und die Terminbekanntgabe frühzei-
Glatz. Die künstlerische Schirmherrschaft über-     tig erfolgt. Vorgesehen ist der 13./14. Juni 2020.
nimmt die Hochschule für Musik in Breslau.          Ob der Grafschafter Chor mit Georg Jaschke
Die künstlerische Leitung hat der Albendorfer       teilnehmen wird, steht noch nicht fest.
Organist Stanisław Paluszek. Die Ururenkelin                                             Klaus Kynast

     Wanderwochen                                   Schülerwettbewerb
     im Glatzer Bergland
                                                    Es war mit den letzten Mitteln zu entscheiden,
                                                    ob der Deutsche Freundeskreis (DFK) die Jugend
                                                    und den deutschen Lyrikwettbewerb unterstützt
                                                    oder ein Oktoberfest feiert. Der Vorstand entschied
                                                    sich für die Jugend. So wurde am 28. November
                                                    2019 das Projekt Deutsche Lyrik der hiesigen
                                                    Schulen durchgeführt, zu dem sich 66 Schüler
Schon seit 1998 können Wanderfreunde unter          aus der gesamten Grafschaft Glatz angemeldet
der Führung von Michael Güttler die Graf-           hatten – das sind wieder mehr als im Jahr 2018.
schaft Glatz erwandern. Der nächste Termin ist      Wir waren erstaunt, dass wir so viele junge Men-
Mittwoch, 22.07.2020 (Anreise), bis Sonntag,        schen für die deutsche Lyrik begeistern konnten.
02.08.2020 (Abreise).                               Die Schirmherrschaft über den vom DFK or-
                                                    ganisierten Wettbewerb übernahm die deutsche
Anmeldung nur bei:                                  Konsulin in Oppeln, Frau Birgit Fisel-Rösel.
Gästehaus Lerchenfeld/Dom Skowronki
Karina Fuglinska                                    Wir haben die besten Voraussetzungen für die
Radochów 144, PL 57-540 Lądek Zdrój                 Zukunft mit unserer Jugend. Viele weitere Mit-
Tel./Fax +48 748 147802                             glieder hier sind noch im berufstätigen Alter.
E-Mail: info@gaestehauslerchenfeld.pl               Wir sterben also nicht aus und werden die
Mehr Informationen im Internet unter:               deutsche Kultur in der Grafschaft noch einige
www.gaestehauslerchenfeld.pl                        Generationen aufrecht erhalten. Horst Ulbrich

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Aus der Glatzer Stube in Telgte

Zukunft des Vereins Grafschafter Sammlungen
Die unter dem Namen „Glatzer Stube“ bekannte       Wir suchen Grafschafter Nachkommen oder
Sammlung religiöser und kultureller Gegenstände    andere interessierte junge Menschen, die bereit
aus der Grafschaft Glatz wurde von Großdechant     sind, diese ehrenamtliche Aufgabe weiterzufüh-
Prälat Leo Christoph und Prälat Johannes Taube     ren. Unsere Aufrufe bringen allerdings nichts,
initiiert. Die erste Ausstellung eröffnete 1975    wenn wir als ältere Generation nicht junge
im Rathaus am Markt in Telgte. 1983 zog die        Menschen ganz persönlich ansprechen.
Glatzer Stube in zwei Zimmer im „Heimathaus
Münsterland“ in der Herrenstraße um. Dadurch       Interessierte an einem persönlichen Engagement
wurde sie einer breiteren Öffentlichkeit zugäng-   zwecks Fortführung des Vereins melden sich
lich, denn die Besuchszeiten waren nun an die      bitte bald im Glatzer Büro, Tel. 0251 46114,
Öffnungszeiten des Museums gekoppelt.              E-Mail: grossdechant@t-online.de. Das Büro ist
                                                   dienstags und donnerstags jeweils von 8:30 bis
1995 wurde das Dachgeschoss des Heimat-            13:00 Uhr besetzt.
                                                                          Franz Jung, Großdechant
hauses mit maßgeblicher Kostenbeteiligung der
Grafschaft Glatzer ausgebaut. Gleichzeitig wur-
de ein Vertrag geschlossen, der uns ein 25-jäh-    Unter der Überschrift „Aus der Glatzer Stube
riges kostenfreies Nutzungsrecht für einen         in Telgte“ stellte Peter Güttler sechs Jahre
Ausstellungs- und einen Archivraum einräumte.      lang im Rundbrief jeweils ein Exponat aus
Dieser Vertrag läuft Ende 2020 aus. Zugleich       der Grafschafter Sammlung vor:
ist das Dachgeschoss inzwischen sanierungs-        03/2009 Künstlerkrippe aus Landeck
bedürftig und derzeit aus Brandschutzgründen       01/2010 Figur des Auferstandenen
geschlossen.                                       02/2010 Arnestusfigur von Otto Schrott
                                                   03/2010 Grafschafter Kastenkrippe
Als das Heimathaus 2011/12 als „RELíGIO –          01/2011 Hinterglasbilder
Westfälisches Museum für religiöse Kultur“ neu     02/2011 Kelche von Grafschafter Priestern
konzipiert wurde, erfuhr auch unsere Austellung    03/2011 Christus Emanuel über Glatzer Bergland,
eine Umgestaltung unter der kompetenten An-                 Federzeichnung von Josef A. Pausewang
leitung der Museumsleiterin Dr. Anja Schöne.       01/2012 Ruhe auf der Flucht, Litographie von
                                                            Hans Franke
Träger der Glatzer Stube ist der Verein „Glatzer   02/2012 Andenkenbilder von Maria Schnee
Sammlungen e. V.“ mit Sitz in Telgte. Anfangs      03/2012 Handwagen mit Vertriebenengepäck
war es Annelies Lechler, Schwester von Prälat      01/2013 Meine Muttel 87 Jahre, Aquarell von
Taube, die die Sammlung aufbaute und pflegte.               Anton Born
Ab 1983 bis Ende November 1998 wurde sie           02/2013 Andenkenbilder von Albendorf
von Barbara Franke unterstützt. 1995 kamen mit     03/2013 Pieta von einem Haus in Schnellau
Frau Keller und Günter Albrecht weitere ehren-     01/2014 Der blinde Jann, kollorierter Kupferstich
amtliche Mitarbeiter hinzu. Sie wurden fach-       02/2014 Madonnenstatue aus dem Nachlass des
lich beraten von Dr. Thomas Ostendorf, dem                  Grafschafter Priesters Rudolf Karger
damaligen Leiter des Heimathauses. Zuletzt         03/2014 Nachbildung des Prager Jesuleins
haben Günter Albrecht, Ludwig Adelt und Peter      01/2015 Schmerzensmutter aus Eisersdorf aus dem
Güttler den Verein erfolgreich weitergeführt.               Nachlass eines Grafschafter Geistlichen
Alle drei zwingen nun gesundheitliche und          03/2015 Kirchenkrippe aus Pischkowitz
Altersgründe, ihr Arbeit aufzugeben.               01/2016 Kalvariengruppe aus dem Nachlass
                                                            von Pfarrer Adolf Langer
Wenn wir keine Nachfolger finden, müssen           02/2016 Andenkenbildchen von Wallfahrtsstätten
wir den Glatzer Sammlungen e. V. auflösen.         03/2016 Johannes von Nepomuk, Ölgemälde

Rundbrief 1/2020                                                                                 13
Persönlichkeiten aus der Grafschaft Glatz

Ruth Prager-Lewin
Glatzer Jüdin aus der Zimmerstraße, die dem Holocaust entging

Ruth Prager-Lewin wurde am 20. Januar 1929           ich freue mich, dass ich dieses Originaldoku-
in Glatz geboren. Sie war das einzige Kind von       ment besitze und würde es gern einer größeren
Kurt Prager (1887–1939) und seiner Ehefrau           Leserschaft zugänglich machen...
Toni geb. Schottländer. Bis zu ihrem zehnten                             Herzliche Grüße aus Minden
Lebensjahr wohnte sie mit ihren Eltern in der                              Ihr Dr. Werner H. Schmack
Zimmerstraße 10. Sie verstarb am 28. März
2019 im Alter von 90 Jahren in Israel.               Nebenstehend veröffentlichen wir den Original-
                                                     Brief von Frau Lewin, den Herr Schmack am
Als Reinhard Schindler, Initiator des Gedenkens      19. Januar 2017 (Posteingang) erhielt. Hier für
an die Glatzer Synagoge, 1995 eine Glatzer Jüdin     ein vereinfachtes Lesen der Wortlaut:
suchte, um das Mahnmal in ihrer Anwesenheit          ... Wie Sie wissen, haben meine Eltern das
zu enthüllen, macht er Ruth Prager-Lewin in          Haus auf der Zimmerstraße 10 im Jahr 1932–33
Israel ausfindig. 1999 war dann ihr „Sandkasten-     gekauft. Mein Vater Kurt ist leider im Februar
freund“ Karlheinz Mose mit einer Reisegruppe         1939 an einem Schlaganfall gestorben, noch
in Israel und traf die einstige Spielkameradin für   bevor er ins Lager kam, + in Breslau beerdigt.
kurze zwei Stunden. Daraus entwickelte sich eine     Ich selbst bin im März 1939 mit einem Kinder-
neue Freundschaft, die beide bis zuletzt intensiv    transport nach England gekommen, hatte aber
pflegten. Mose berichtete aus dem Leben seiner       das Glück, meine Mutter im August des selben
Freundin bei der Jahrestagung der Arbeitsgemein-     Jahres in Belgien getroffen und so sind wir dann
schaft Grafschaft Glatz (AGG) im Jahr 2014:          am 1. X. 39 in Chile gelandet.
„Entkommen 1939. Glatz und Israel – die zwei         Ich war damals 10 Jahre alt und habe Schule
Heimaten der Ruth Prager-Lewin“ (erschienen          und Universitätsstudium in Santiago gemacht.
in AGG-Mitteilungen Nr. 13 (2014), S. 61-67).        Ich habe sehr früh angefangen, mit Privatunter-
                                                     richtsstunden zu helfen, habe dann 1958 gehei-
Bei der 15. Jahrestagung der AGG im Jahr 2016        ratet (Achim stammte aus Neustettin und kam
hielt Dr. Werner H. Schmack, der bis zur Ver-        im Dezember mit Familie nach Chile). Wir
treibung in der Zimmerstraße 8 wohnte, einen         haben 2 Kinder und inzwischen 7 Enkel. ...
Vortrag über den „Jugendstil in Glatz – am           1970 wanderten wir nach Israel aus. Leider
Beispiel der Zimmerstraße 8-12“ (erschienen in       verstarb mein Mann in 2004. Ich habe meinen
AGG-Mitteilungen Nr. 15 (2016), S. 11-17). In        Doktortitel in Biochemie gemacht, arbeitete ca.
diesem Zusammenhang nahm auch er Kontakt             40 Jahre in der Medizinschule in Forschung und
zu Ruth Prager-Lewin auf. Anlässlich ihres Todes     als Dozent.
schrieb er im August 2019 folgende E-Mail an         Ich war 2 Mal in Glatz. Das erste Mal anläss-
die Rundbriefredaktion:                              lich der Einweihung einer Gedenktafel an der
... Wir waren Nachbarskinder und ich kann mich       Stelle, wo die frühere Synagoge stand, ver-
noch ein wenig an die Zeit erinnern. Als ich         brachte 1 Woche bei den Nonnen und wurde in
meinen Vortrag über den Jugendstil in Glatz ge-      der Grafschaft rumgefahren, um alte Erinne-
halten habe, zu dem ja auch die Zimmerstraße         rungen aufzufrischen, und das zweite Mal mit
10 gehörte, habe ich ihr den Vortrag geschickt       Karlheinz. Ich habe immer noch Kontakt mit
und beiliegenden Brief bekommen. Ich glaube,         2 Schulfreundinnen.
es gibt keinen so gefassten Lebenslauf von Frau      Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihren Bericht
Lewin. Ich würde mich freuen, wenn Sie ihn im        und werde ihn auch an Susi Hirschberg, ...,
Rundbrief des Großdechanten veröffentlichen.         weitergeben.
Frau Lewin ist leider vor kurzem verstorben und                   Vielen Dank und Grüsse, Ruth Lewin

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Persönlichkeiten aus der Grafschaft Glatz

Rundbrief 1/2020                                         15
Dichterin der Heimat

Anna Bernard
Lebendige Gestalterin glätzischen Volkstums

Im Rundbrief 3/2019 berichtete Großdechant           Religionsunterricht war ich dispensiert, aber
Franz Jung von fünf ereignisreichen Tagen in         ich glaube, gütige Lehrer haben sich meiner
der Grafschaft im September 2019 (vgl. S. 22-24).    besonders angenommen.
Angeregt durch seine Bemerkung, dass er auf
dem Friedhof in Tscherbeney auch den Grab-           Ihr Vater war der Neisser Holzbildhauer Karl
stein der Heimatdichterin Anna Bernard fand,         Scheer. Bei den Vereinigten Tischlern in Neisse,
möchte die Rundbriefredaktion allen Leserin-         die für feines Mobiliar einen Holzbildhauer
nen und Lesern die Schriftstellerin heute einmal     gesucht hatten, arbeitete er bis zu seinem Tode.
näher vorstellen. In früheren Ausgaben haben         Er stellte hohe Anforderungen an seine hand-
wir bereits folgende „Dichter unserer Heimat“        werklichen Arbeiten, aber dennoch durfte ihn
und ihre Werke porträtiert: Meister Eckhart,         niemand Meister nennen. Er war ein großer
Joseph Wittig, Hermann Stehr, Adam Langer,           Liebhaber des Orgelspiels und baute für sich
Richard Wolf, Dagmar von Mutius, Wiegand             eigenhändig eine Zimmerorgel, auf der seine
Pabsch, Vera Gottschlich und Monika Taubitz.         Freunde ihm vorspielten. Daneben hielt er
Nun also Anna Bernard. Josef Fischer-Bernard         allerlei Kleintiere, wie Eidechsen, Ringelnat-
verfasste für die literarischen Sitzung am 6. Sep-   tern, Meerschweinchen, weiße Mäuse, und in
tember 2008 in Bad Kudowa den folgenden              der Werkstatt eine Elster, der er das Sprechen
Beitrag über seine Großtante (Wiedergabe in          beibrachte.
Auszügen):
                                                     Annas Vater kannte viele Gedichte auswendig,
Das Leben der Anna Bernard                           vor allem Balladen der klassischen deutschen
                                                     Literatur. Er hatte immer ein passendes Zitat
Die Schriftstellerin wurde als Anna Scheer am        oder eine passende poetische Antwort bereit.
15. Juli 1865 in Breslau geboren. Als Anna fünf      Von ihrem Vater hatte Anna zweifellos die
Jahren alt war, zog die Familie nach Neisse, so      künstlerisch-dichterische Begabung, doch ge-
dass sie dort heranwuchs. Wie sie selbst schrieb,    hörte, wie sie selbst sagt, „eiserner Fleiß“ dazu,
besuchte sie nur die allgemeine Volksschule          diese Begabung auszubauen.
in Neisse. Sie hatte also nur einen einfachen
Bildungsabschluss.                                   Der Tod ihres Vaters war ein tiefer Einschnitt
                                                     für die 15-Jährige. Bevor er im 61. Lebensjahr
Ihre Mutter war evangelisch, ihr Vater altkatho-     starb, war sein letztes Werk neben einigen
lisch, doch wohl nur von Geburt und nicht im         Engelsfiguren auch ein Christuskopf für ein
Geiste. ... Mit 13 Jahren setzte Anna ihre Taufe     Kreuz eines neuen Leichenwagens. So wurde
durch und durfte danach am evangelischen             der Schöpfer dieser Schnitzkunst als Erster
Religionsunterricht teilnehmen. Und schließlich      mit diesem Wagen beerdigt. Die Bedeutung
ließ es ihre Mutter zu, dass ihre Tochter von        des Holzbildhauers Karl Scheer mag daran zu
katholischen Freundinnen zur katholischen Mai-       messen sein, dass der deutsche altkatholische
andacht mitgenommen wurde. Anna schrieb:             Bischof Prof. Dr. Weber aus Breslau zu Karl
Mein Vater war ein geistig sehr hochstehender        Scheers Beerdigung nach Neisse kam. Der
Mann, aber er war völlig freireligiös und hatte      besagte Christuskopf wurde später dem Neisser
uns Kinder nicht taufen lassen. Da nahm mich         Stadtmuseum überlassen und dort aufbewahrt.
einmal eine liebe Hausbewohnerin in ihre
Stube, faltete mir die Hände und lehrte mich         Nach dem Tod ihres Vaters schloss sich Anna
das Vaterunser beten. Gott lohne es ihr! Vom         Scheer immer enger an die katholische Kirche

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Dichterin der Heimat

an und trat schließlich zu ihr über. Die feier-       Sommersonntags
lichen Gottesdienste und Prozessionen hatten          heimkehrte.“
eine große emotionale Wirkung auf sie und
befruchteten ihr künstlerisches Empfinden.            Nun musste
Bald entwickelte sich auch ihre Liebe zur Dicht-      Anna aber auch
kunst und zur Verehrung alles Schönen. Sie            ihre Mutter mit
erzählte selbst: Zu meinen Geburtstagen muss          versorgen. Also
ich wohl des Öfteren eine Schürze bekommen            lernte sie das
haben, denn als ich kurz vor dem 16. stand,           Schneiderinnen-
sagte ich, dass ich diesmal keine Schürze wolle.      handwerk und

                                                                                                     Foto: privat
Auf die Frage meiner Mutter, warum ich so ein         konnte so den
praktisches Geschenk verschmähe, wünschte             Unterhalt verdie-
ich mir anstelle dessen ein Poesiealbum, was          nen. Eine ihrer
ich auch erhielt. In dieses schrieb ich mir selbst    Schwestern riet
alle Gedichte, die mir gefielen, und hat mich das     ihr eines Tages zu einem eigenen Damenschnei-
Büchlein durch mein ganzes Leben begleitet,           dergeschäft. Das Leben Anna Scheers änderte
ja ich kann sagen, dass ich heute noch diese          sich, als sie in Neisse eine eigene Damenschnei-
Gedichte, die ich alle noch auswendig weiß,           derwerkstatt gründete. Darüber schrieb sie:
sehr liebe und sie, obwohl sie alle sehr, sehr        So suchte ich denn aus den Trümmern meiner
schwermütig, dennoch für die schönsten Perlen         jugendlichen Ideale zu retten, was noch zu
deutscher Poesie halte. Ich liebe die Poesie über     retten war. Da war ja noch meine geliebte alte
alles, machte jedes schöne Gedicht zu meinem          Heimatstadt mit all den ehrwürdigen Stätten,
Eigentum und sog mich davon so voll, dass             den lieben Kindheitserinnerungen. Da war noch
es fast keine Lebenslage gab, für die ich nicht       die große Liebe zur Natur, die Freude an einem
passende Verse wusste.                                guten Buch und manches andere. Damit fing ich
Das zweite große Erleben für mich war das             mühsam an, zu bauen an einer still zufriedenen
Theater. Ich sah klassische Tragödien, die einen      Klause, in die Gott und mit ihm mein Glück
ungeheuren Eindruck auf mich machten. Ich             einkehrte.
wollte natürlich zur Bühne gehen, vertraute
mich einem früheren Lehrer an, der mir warmen         Doch dann wurde eines Nachts das Schaufen-
Herzens davon abriet. Gott lohne es ihm.              ster eingeschlagen, die Waren und Maschinen
                                                      wurden geraubt. Daraufhin nahm sie eine Stel-
Allmählich begann Anna selbst zu dichten. Zu          lung als Wirtschafterin bei einem Arzt an. Sie
ihren ersten Versuchen zählten Messgebete zum         war danach in verschiedenen Orten wie Baut-
Gottesdienst in Versen. Diese wurden ihr später,      zen, Berlin, Wyk auf der Insel Föhr angestellt.
als sie schon eine bekannte Schriftstellerin war,
als gedrucktes kleines Heftchen gewidmet. Um          Das menschliche und künstlerische Bild der
die Jahrhundertwende wurden ihre ersten Arbei-        Dichterin wird von besonderen Erlebnissen des
ten in der „Neisser Zeitung“ abgedruckt, deren        Todes in ihrer nahen Verwandtschaft geprägt.
leitender Redakteur ein großes Verständnis für        Einmal nahm sie ihre Mutter zu einer Verwand-
die junge Dichterin zeigte und ihr Talent förderte.   tenhochzeit nach Pommern mit. Der Bruder der
Sie beschreibt ihre dichterische Anfangszeit so:      Mutter war der Bräutigam. Nach der Trauung
Trotzdem stand das Leben noch vor mir, und ich        trug er seine Braut auf den Armen in den dritten
trat es an, arm und unwissend, denn mein gan-         Stock der Wohnung. Dort brach er tot zusammen!
zes Vermögen war der Inhalt des Poesiealbums.         Ein jüngerer Bruder Annas fuhr zur See, er ließ
Wie ein Kind am Sommersonntag, das sich sein          nichts mehr von sich hören und blieb verschollen!
Bäumchen mit dem goldenen Flitter jugendli-           Eine jüngere Schwester heiratete einen Schnei-
cher Ideale geschmückt hat, zog ich aus, und ich      dermeister in Neisse. Anna führte sie zur Kirche.
will schweigen davon, wie ich am Abend dieses         Die Schwester starb an einer Pilzvergiftung!

Rundbrief 1/2020                                                                                    17
Dichterin der Heimat

Als Anna Scheer das 30. Lebensjahr bereits           Hier im Heimathaus lebte und wirkte Anna Bern-
überschritten hatte, erhielt ihr Leben durch die     ard von 1905 bis 1938. Nur wenige Reisen in
Heirat mit Robert Bernard eine Wendung, die          ihre geliebte Heimatstadt Neisse, eine Reise nach
völlig unerwartet kam. Diese Heirat im Jahre         Oberammergau und eine Reise nach Prag unter-
1902 mit dem 10 Jahre jüngeren Robert Bernard        brachen sie in ihrem dichterischen Schaffen.
war der Motor, der jetzt ihre dichterische Schaf-
fenskraft für immer in Bewegung setzte. Denn         Während des 1. Weltkrieges übertrug ihr die
Robert, der inzwischen von ihrer Dichtkunst          Gemeindeverwaltung die Bearbeitung der Lebens-
überzeugt war, drängte sie, ihre Schneiderwerk-      mittelversorgung. Nach dem Krieg übernahm
statt in Neisse aufzugeben und sich ganz der         sie mit viel Freude die Leitung der Gemeinde-
Schriftstellerei zu widmen. Zunächst aber hatten     bücherei.
beide in dem Hause in Neisse, in dem ihr Ehe-
mann arbeitete, eine Wohnung angemietet und          Sowohl die Gemeinde Bad Kudowa wie die
auch Anna selbst hat weiter schneiderhand-           Kurverwaltung hielten Anna Bernard als eine
werklich gearbeitet. Da gab es eines Tages die       Berühmtheit des Ortes in Ehren. Nicht immer
Möglichkeit, in Kudowa das Haus „Cäcilie“ zu         so die Badeverwaltung, denn der Vorschlag von
erwerben. Roberts Mutter gab ihnen das Geld          irgendeiner Seite, für die Dichterin an einem
für die Anzahlung. Anna Bernard änderte mit          Sonntagvormittag eine Matinee zu veranstalten,
dem Einzug in das Haus den Namen in „Heimat-         wurde von der Badeverwaltung harsch abgelehnt.
haus“ um. Durch ihr Dichtertum errang das            Möglicherweise war der niedrige soziale Stand
Heimathaus in Bad Kudowa eine Bedeutung              Anna Bernards der Badeverwaltung nicht gut
und wurde – vor allem während der Hochsaison         genug. Dafür veranstaltete die Badeverwaltung
– für Kurgäste eine Sehenswürdigkeit, die be-        zu jener Zeit zum Beispiel eine kulturell frag-
sucht werden musste.                                 würdige Prämierung der schönsten Damenbeine!
                                                     Noch schlimmer war es zu der Zeit, als Anna
Aber das Ehepaar Anna und Robert Bernard             Bernard literarisch noch keinen Namen hatte.
hatten es nicht leicht. Es mangelte an Geld.         Sie erhielt keine Kurkarte, weil das Ehepaar
Robert hatte keine Ersparnisse und Anna hatte,       keine Kurgäste, sondern nur Schauspieler und
da sie nicht mehr an eine Heirat gedacht hatte,      Musiker im Heimathaus beherbergte.
ihre Ersparnisse für kirchliche und gemeinnüt-
zige Angelegenheiten zur Verfügung gestellt.         Nach dem Ersten Weltkrieg verdüsterte allmäh-
So entsprach das seelische Glück nicht ihren         lich ein schweres körperliches Leiden ihr Leben.
materiellen Verhältnissen. Aber es gab auch          Ein sich vergrößerndes Geschwür im Unterleib
Schwierigrigkeiten bei ihrer dichterischen Arbeit,   machte ihr das Gehen und Treppensteigen zu
die es zu überwinden galt. So war es nicht selten,   einer immer größer werdenden Qual. Alle, die
dass ihre Schwiegermutter, wenn sie die Küche        sie schwer atmend durch die Küche gehen sahen,
betrat und die Dichterin mit ihren Manuskripten      befürchteten das Schlimmste und werden diesen
beschäftigt sah, ausrief: „Anna, was schreibst       Anblick nicht vergessen. Ihr Hausarzt riet ihr
denn immerfort?“                                     zu einer Operation in Breslau. Dem Chirurg Dr.
                                                     Mai gelang im Frühsommer 1926, nicht lange
Der Anfang war auch aus anderen Gründen              vor ihrem 61. Geburtstag, eine erfolgreiche
schwer. Wenn das Ehepaar Kurgäste in ihre Pen-       Operation, so dass sie nach fünf Wochen die
sion aufgenommen hatte, fragte mancher Bade-         Rückreise nach Bad Kudowa antreten konnte.
arzt diese Gäste: „Wo wohnen Sie?“ Und wenn
die Antwort lautete „im Heimathaus“, sagte           Nachdem sich Anna Bernard von ihrer Operation
mancher Badearzt „Das ist zu weit, da kann           ganz erholt und frischen Lebensmut gewonnen
ich Sie notfalls nicht behandeln.“ In der Folge      hatte, ging sie an die Fortführung ihres dichte-
nahmen die Bernards dann Schauspieler oder           rischen Schaffens. Bald jedoch ließ ihre Schaf-
Musiker der Kurkapelle als Logiergäste auf.          fenskraft in der nationalsozialistischen Zeit nach,

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