Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! - auch für ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
LVR-Dezernat Klinikverbund und Verbund Heilpädagogischer Hilfen Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! Suchtkrankheit und Armut Eine Kooperationsveranstaltung von • Fachverband Qualifizierte stationäre Titelseite Akutbehandlung Drogenabhängiger e. V. • LVR-Koordinationsstelle Sucht Dokumentation der Fachtagung am 16. Januar 2019 in Köln-Deutz
Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! Dokumentation der Fachtagung am 16. Januar 2019 in Köln-Deutz
Impressum Herausgeber: Landschaftsverband Rheinland LVR-Dezernat Klinikverbund und Verbund Heilpädagogischer Hilfen LVR-Fachbereich Planung, Qualitäts- und Innovationsmanagement Koordinationsstelle Sucht 50663 Köln www.lvr.de Redaktion und Layout: Daniela Geiß, Gerda Schmieder, Guido Gierling Druck: LVR-Druckerei, Inklusionsabteilung, Tel 0221 809-2418 Köln, im Januar 2020 1. Auflage: 1-500
Inhalt Begrüßung 5 Friedhelm Kitzig Ohne Wohnung auf der Suche nach Wohnraum - 9 Empfehlungen der BAG Wohnungslosenhilfe Werena Rosenke Problemlagen wohnungsloser Menschen in NRW - 25 Aktionsprogramm „Hilfen in Wohnungsnotfällen“ Gabriele Schmidt Erfahrungen und Fragen aus der klinischen Praxis 33 Dr. med. Thomas Kuhlmann Arbeitsgruppe 1 41 Niedrigschwellige Hilfen und Qualifizierte Akutbehandlung Claudia Holzknecht und Udo Horwat Arbeitsgruppe 2 43 Ambulante Beratungs- und Behandlungsstellen und Qualifizierte Akutbehandlung Dr. Antje Niedersteberg und Dominik Neugebauer Arbeitsgruppe 3 49 Medizinische Rehabilitation und Qualifizierte Akutbehandlung Dr. Georg Merker und Renate Steinert Plenum - Diskussion der Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen 51 Dr. med. Thomas Kuhlmann Referent*innen1 52 1 Definition: Mit der Verwendung des Gender*Stern, bei der zwischen dem Wortstamm und der weiblichen Endung ein „*“ eingefügt wird, möchten wir auf alle Menschen jenseits der Zweigeschlechtlichkeit hinweisen und neben Frauen und Männern ausdrücklich all diejenigen einbeziehen und ansprechen, die sich nicht in die Geschlechterkategorien „weiblich“ und „männlich“ einordnen können oder möchten. Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! 3
Friedhelm Kitzig Begrüßung Friedhelm Kitzig Guten Morgen meine Damen und Herren, sein einer eigenen, ausreichend großen, sicheren und warmen Wohnung hat. Es ist nicht einfach wieder einmal darf ich als Gastgeber und Mit- nur ein Verlassen und Wiederkehren an einen Ort, veranstalter Sie ganz herzlich zur nunmehr 9. der einem vertraut ist. Die Publikation „Zur Ge- Kooperationsveranstaltung des Fachverbandes schichte des Wohnens“ liefert folgende Charak- Qualifizierte stationäre Akutbehandlung Dro- terisierung: genabhängiger und der LVR-Koordinationsstelle Sucht hier in Köln begrüßen. „Als dritte Haut werden die eigenen vier Wände oft liebevoll betitelt. Die menschliche Behausung, Im Kreis der Veranstalter fehlen in diesem Jahr sie ist weit mehr als ein Schutz vor der Witterung. die Suchtreferent*innen der Freien Wohlfahrts- Sie schenkt ein Gefühl von Geborgenheit, erfüllt pflege; personelle Veränderungen innerhalb der den Geschmack der Bewohner, offenbart manch- Freien Wohlfahrtspflege führten dazu, dass der mal Träume und Sehnsüchte, dient Repräsenta- nahtlose Anschluss an die Tradition dieser Ver- tionsabsichten, und sie wirkt zurück auf das Le- anstaltungsreihe - an die über Jahre gewachsene bensgefühl, heute wie gestern“ (Zur Geschichte Kooperation - zu unserem Bedauern noch nicht des Wohnens/Monumente online 2005). gelungen ist. In seinem Buch „Die dritte Haut – Psychoanalyse Von daher zeichnen dieses Jahr die beiden oben des Wohnens“ äußert sich Dieter Funke dahin- genannten Kooperationspartner allein verant- gehend, dass die Metapher von der dritten Haut wortlich für die heutige Tagung. Ich begrüße auf ein körpernahes Verständnis des Wohnens daher herzlich Herrn Dr. Thomas Kuhlmann hinweise. Die erste Haut erweitert sich mit der als Vorsitzender des Fachverbandes und Frau Kleidung - unserer zweiten Haut - zu Wänden, Gerda Schmieder von der LVR-Koordinationsstel- Decken und Böden in einen Raum der Kultur. le Sucht. Baustile, Häuser, Wohnungen dienen dem Aus- Begrüßen möchte ich ebenfalls herzlich die Lei- druck unserer psychischen Grundbedürfnisse: terin der Abteilung AIDS, Sucht und Drogen des „Die Art des Wohnens beeinflusst unser seeli- Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales sches Wohlbefinden, das wir durch Öffnen und des Landes NRW, Frau Dr. Sandra Dybowski. Schließen, Weggehen und Wiederkommen, Sam- Besonders freuen wir uns über das Interesse meln und Entrümpeln regulieren“. der politischen Vertretung des Landschaftsver- Damit verweist der Autor auf die Wechselwirkung bandes Rheinland und deshalb möchte ich Frau der äußeren Räume und Grenzen mit den inneren Helga Loepp, Herrn Willi Bündgens und Herrn Dr. Räumen und Grenzen, mit der Notwendigkeit und Martin Schoser als Mitglieder der Landschafts- den Möglichkeiten, solche zu bilden. Und dort, wo versammlung willkommen heißen. die Möglichkeiten nicht gegeben sind, droht die äußere wie innere Entgrenzung mit all ihren Fol- Meine Damen und Herren, gen. Sie und ich - wir haben heute Morgen alle unsere Wie leben Menschen, die keine Wohnung haben? Wohnung verlassen und uns auf den Weg hierher Wie ist ihre Lebenssituation? gemacht - eine Handlung von unhinterfragter Selbstverständlichkeit, wahrscheinlich ohne Ge- Wohnungslosigkeit ist nicht dasselbe wie Obdach- danken darüber, welchen Wert das Vorhanden- losigkeit: Wohnungslos zu sein bedeutet nicht Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! 5
Friedhelm Kitzig zwingend, auf der Straße – auf der Platte – zu ohne Möglichkeiten, sich äußere Räume anzueig- leben, sondern keinen vertraglich abgesicherten nen, um innere Räume und Grenzen überhaupt zu Wohnraum zu haben. bilden. Unter solch entgrenzten Lebensbedingun- gen wird der Drogenkonsum Bestandteil eines Aus dem Wohnungsnotfall-Bericht des Sozialmi- ziellosen Kampfes ums Überleben wie die tägli- nisteriums NRW (Nordrhein-Westfalen ist bisher che Sorge um Wärme, Nahrung und Sicherheit. das einzige Land in der Bundesrepublik, das re- Wie soll hier eine Auseinandersetzung mit dem gelmäßig eigene Zahlen zur Wohnungslosigkeit eigenen Drogenkonsum gelingen? Und wozu? Mit erhebt) geht hervor, dass 32.300 Menschen in welchem Ziel, wenn der Kreislauf des Überlebens NRW zum Stichtag 30. Juni 2017 wohnungslos ge- ohne sichere Räume und Grenzen sich selbst ver- meldet waren, dies bedeutet ein nahezu 30%iger stetigt? Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Besonders tra- gisch in meinen Augen ist dabei, dass jeder siebte Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit, zunehmen- wohnungslose Mensch minderjährig ist. de Wohnraumprobleme haben also Folgen auf die Möglichkeiten einer Lebensgestaltung, Gestal- Der 1. systematischen Lebenslagenuntersu- tung eines Tagesablaufs, auf das Vorhandensein chung wohnungsloser Menschen – einer Studie einer noch einigermaßen sinnvoll erlebten Ta- der Alice Salomol Hochschule Berlin (ASH) in gesstruktur und auf die Chancen eines Mindest- Kooperation mit dem Evangelischen Bundes- maßes an sozialer Teilhabe, was alles eine Vor- fachverband Existenzsicherung und Teilhabe e. V. aussetzung ist für eine Alternative zur haltlosen (EBET) e. V. – von September 2018 ist zu entneh- vereinzelten Bindung an die Szene. men, dass von 1135 befragten Wohnungslosen 14% auf der Straße leben, in Zelten oder Abriss- Bereits im Jahr 2000 hat genau hier in diesem häusern. Raum auf Wunsch der politischen Gremien des Landschaftsverbandes Rheinland schon einmal 12% übernachten in Notunterkünften, die mor- eine Veranstaltung stattgefunden, die sich dem gens verlassen werden müssen. Die übrigen fin- Thema „Suchtkrank und Wohnungslos – Sucht- den ein Obdach bei Freunden, Bekannten oder krankenhilfe und Wohnungslosenhilfe im Dialog“ leben in einer Pension oder einem Wohnheim. widmete. Ich zitiere aus der Eröffnungsrede – ge- Der genannten Studie ist zu entnehmen, dass halten vom damaligen LVR-Dezernenten Rainer fast 20% der auf der Straße Lebenden in einer Kukla: sehr schlechten Lebenslage sind, 55% in einer „Es wird einem (…) schlagartig klar, dass es in- schlechten. In Wohnheimen sind es 15% und nerhalb unserer Gesellschaft eine Gruppe von 6% in Betreuten Wohngemeinschaften, die sich in Menschen gibt, bei der weder die existentielle einer sehr schlechten oder schlechten Lebensla- noch die gesundheitliche Grundsicherung ge- ge befinden. währleistet ist. Viele Betroffene sind dabei - auch Die Wohnsituation, der Zugang zu medizinischer - suchtkrank. Mit diesem Elend darf sich die Ge- Versorgung und das Gefühl von Sicherheit als we- sellschaft nicht einfach abfinden.“ sentliche Faktoren der existentiellen Sicherheit In den LVR-Kliniken, die damals noch Rheinische sind entscheidend für die gesamte Lebenslage Kliniken hießen, mussten viele der Patient*innen von Wohnungslosen: nach erfolgreicher Behandlung auf den Suchtsta- Menschen können sich erst Gedanken über ihr tionen mangels angemessener Alternativen in ein Leben machen, wenn sie eine sichere Wohnung ungesichertes Leben auf der Straße entlassen haben, eine sichere Basis, die alleine vielleicht werden. eine nicht hinreichende Bedingung, aber eine Ungeklärte Zuständigkeiten, mangelnde Kontak- grundlegende Notwendigkeit als Ausgangsbasis te und fehlende Kooperationsstrukturen galten für die Vorstellung einer eigenen Zukunft und für als Hauptursache für dieses Dilemma. zukunftsorientiertes Handeln ist. Wer auf der Straße lebt, lebt in einem grenzenlosen Zeitstrom 6 Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?!
Friedhelm Kitzig Vieles hat sich seitdem verbessert, Hilfen sind ben, um uns mit Ihrem Beitrag die Sicht und vernetzt, Kooperationsvereinbarungen sind abge- die Position und die Forderungen der BAG schlossen, Unterstützungsangebote wurden auf- Wohnungslosenhilfe darzulegen. gebaut und weiterentwickelt. ■■ Frau Gabriele Schmidt vom Ministerium für Und dennoch stehen wir fast 20 Jahre später Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW/ Refe- wieder hier und sehen uns einer eher noch ver- rat Grundsatzfragen Soziales, Sozialplanung schärften Situation gegenüber. und -berichterstattung, Wohnungslosigkeit, Armutsbekämpfung sei an dieser Stelle auch Gibt es denn Ansätze, diesen Kreislauf zu durch- schon herzlich willkommen geheißen, auch brechen? wenn Sie erst am Nachmittag zu uns stoßen Zunehmender Wohnungslosigkeit soll der relativ wird. Von ihr werden wir einen Bericht zum neue vielversprechende Ansatz des Housing First Thema „Wohnungslosenhilfe in schwierigen entgegenwirken. Dieser Ansatz basiert darauf, Zeiten“ hören. dass obdachlose Menschen vor allem anderen ■■ Herr Dr. med. Thomas Kuhlmann übernimmt eine stabile Unterkunft brauchen und erst dann nicht nur die Tagungsmoderation, sondern mit kontinuierlich angebotenen Unterstützungs- wird uns als Chefarzt der Psychosomatischen leistungen andere Problemlagen und Angelegen- Klinik Bergisch Gladbach - wie es gute Tradi- heiten angegangen werden sollten und können. tion ist - wieder an seinen Erfahrungen aus Housing First wird in USA und einigen europäi- dem Klinikalltag teilhaben lassen. schen Ländern erfolgreich vor allem bei Langzeit- Und es ist auch gute Tradition, dass Sie alle Ge- arbeitslosen mit komplexen Lebenslagen einge- legenheit haben, sich in Arbeitsgruppen intensiv setzt und findet mittlerweile auch in Deutschland über Ihre Praxis, Ihre Probleme und Ihre Erfah- zunehmend in Bereich der Suchtkrankenhilfe und rungen auszutauschen. der Hilfen für Wohnungslose Anwendung. Die Arbeitsgruppen werden unterstützt von Das wäre vielleicht ein Ansatz. Reicht das? Haben ■■ Frau Claudia Holzknecht vom LWL-Rehabili- wir die Lösung? tationszentrum Ruhrgebiet in Dortmund Meine Damen und Herren, ■■ Herrn Udo Horwat vom Diakoniewerk Duis- wie kann dem Dilemma von einer wachsenden burg GmbH Anzahl wohnungs- und/oder obdachloser Men- ■■ Frau Dr. Antje Niedersteberg von der LVR- schen bei gleichzeitig wachsendem Mangel an Klinik Düren bezahlbarem Wohnraum entgegengetreten wer- ■■ Herrn Dominik Neugebauer von der Jugend- den? und Drogenberatungsstelle des Caritas- Welche Hilfen helfen? verbandes Paderborn Wir möchten die heutige Veranstaltung dazu nut- ■■ Frau Renate Steinert von der LWL-Klinik zen, diese und weitere Aspekte und Fragestellun- Münster gen gemeinsam mit Ihnen und unseren heutigen ■■ Herrn Dr. Georg Merker von der Fachklinik Referent*innen zu diskutieren und Handlungs- Meckenheim möglichkeiten zur Abhilfe auszuloten. Ihnen allen unser Dank und ein herzliches Will- Werfen wir also einen Blick in das Tagungspro- kommen! gramm und ich begrüße herzlich: Und Ihnen wünsche ich nicht nur für heute eine ■■ Frau Werena Rosenke ist Geschäftsführerin erkenntnisreiche Tagung, sondern trotz aller der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungs- Belastungen, die Ihr Arbeitsfeld mit sich bringt, losenhilfe e.V. – herzlichen Dank, dass Sie Freude am Engagement und Kraft für Ihre den Weg von Berlin auf sich genommen ha- schwierige Aufgabe! Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! 7
Werena Rosenke Ohne Wohnung auf der Suche nach Wohnraum - Empfehlungen der BAG Wohnungslosenhilfe Werena Rosenke Ca. 193.000 (70%) der wohnungslosen Men- schen sind alleinstehend, 82.000 (30%) leben mit Partner*innen und/oder Kindern zusammen. Die BAG W schätzt die Zahl der Kinder und min- derjährigen Jugendlichen auf 8% (22.000), die der Erwachsenen auf 92% (253.000). Der Anteil der erwachsenen Männer liegt bei 73% (185.000); der Frauenanteil liegt bei 27% (68.000) und ist seit 2011 um 3% gestiegen. (Alle Angaben je- weils ohne Berücksichtigung der wohnungslosen Flüchtlinge.) Nach Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Ca. 15% der Wohnungslosen (ohne Einbe- Wohnungslosenhilfe (BAG W) steigt die Zahl der zug der wohnungslosen Flüchtlinge) sind EU- wohnungslosen Menschen in Deutschland seit Bürger*innen; das sind ca. 40.000 Menschen. 2009. In der Zahl von 650.000 sind 375.000 Ge- Viele dieser Menschen leben ohne jede Unter- flüchtete ohne eigene Wohnung erhalten. kunft auf der Straße. Vor allem in den Metropo- len beträgt ihr Anteil an den Personen ohne jede Struktur der Wohnungslosigkeit Unterkunft auf der Straße bis zu ca. 50%. Wenn Die folgenden Zahlen zur Struktur der Woh- also die „Straßenobdachlosigkeit“ stark durch nungslosigkeit berücksichtigen nicht die woh- die EU-Binnenzuwanderung geprägt wird, trifft nungslosen Flüchtlinge, da für diese Gruppe der dies für die Wohnungslosigkeit insgesamt nicht Wohnungslosen keine entsprechenden soziode- zu. Gleichwohl hat in den letzten Jahren die Woh- mografischen Daten verfügbar sind: nungslosigkeit von Menschen aus anderen EU- Ca. 48.000 Menschen leben ohne jede Unterkunft Staaten und sogenannten „Drittstaaten“ deutlich auf der Straße. zugenommen. Bestand belegungsgebundener Sozialwohnungen in Deutschland Ausgrenzung aus Eigene Berechnung auf Grundlage von Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE (Bundestagsdrucksache 18/885511) BAG Wohnungslosenhilfe 5 www.bagw.de Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! 9
Werena Rosenke Seit 1990 gibt es in Deutschland fast 1,7 Millio- ■■ In vielen städtischen Ballungsräumen haben nen Sozialwohnungen weniger, d. h. der Bestand fast 50% der Haushalte einen Anspruch auf ist um fast 60% geschrumpft und liegt in 2017 einen Wohnberechtigungsschein. bei knapp 1,2 Millionen. Bis 2020 werden weitere ■■ Bezieher*innen niedriger Einkommen müs- 130.000 Wohnungen aus der Sozialbindung fallen. sen einen überproportionalen Anteil ihrer Einkünfte für das Wohnen ausgeben; die durchschnittliche Wohnkostenbelastung (Miete, Heizung, Warmwasser, Haushalts- strom) von Mieterhaushalten liegt bei 30%. Aber je nach Einkommenshöhe ergeben sich sehr ungleiche Werte: Haushalte in der Min- destsicherung wenden 44% ihres Einkom- mens für die Wohnkosten auf, Niedrigeinkom- mensbeziehende ohne Transferleistungen 40%. Haushalte außerhalb der Mindestsiche- rung und des Niedrigeinkommensbereichs hingegen wenden im Schnitt 24% ihres Ein- kommens für die Wohnkosten auf. Besonders groß ist der Mangel an bezahlbaren Wohnungslosigkeit ist eine extreme Form sozia- Kleinwohnungen, dies hat insbesondere in die- ler Ausgrenzung. Wohnungslose Menschen sind sem Segment zu massiven Mietpreissteigerun- nicht nur aus dem Wohnungsmarkt ausgegrenzt, gen geführt. Insgesamt wird der Bau von 400.000 sondern auch aus anderen existenziellen Lebens- Wohnungen im Jahr, davon mindestens 150.000 bereichen wie: Erwerbsarbeit, Bildung, medizini- preiswerte Wohnungen und Sozialwohnungen für scher Versorgung. Oftmals können sie selbst ihre nötig gehalten. Rechte auf Transferleistungen nicht realisieren, Weitere Eckpunkte zur Beschreibung der Lage leben sozial sehr isoliert und erfahren Stigmati- auf den Wohnungsmärkten sind: sierung, Diskriminierung und Gewalt im öffentli- chen Raum. ■■ Öffentlich geförderter Wohnraum nimmt suk- zessive ab, auch durch Privatisierung ehe- Dimensionen der Ausgrenzung mals öffentlicher Wohnungsbestände. Ausgrenzung aus ■■ Gentrifizierung Gesellschaftlicher Wohnungs- versorgung ■■ Es fehlen systematische Präventionsmaß- Teilhabe nahmen. Öffentlichem Raum Arbeitsmarkt ■■ Armut hat sich durch den Niedriglohnsektor und atypische Beschäftigungsverhältnisse verfestigt. Gesundheits- Bildung versorgung Ausbildung BAG Wohnungslosenhilfe 7 www.bagw.de 10 Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?!
Werena Rosenke Das hat folgenschwere Auswirkungen: Deswegen fordert die BAG W eine umfassende Nationale Strategie zur Überwindung von Woh- ■■ Kein Zugang zu normalen und menschen- nungsnot und Armut. würdigen Wohnungen ■■ Gefahr: menschenunwürdige Notversorgung ■■ Barrieren bei der Gesundheitsversorgung ■■ Hürden bei der Integration in den Arbeits- markt ■■ U 25-Jährige: Diskriminierungen im und bei der Anwendung des Sozialrechts ■■ Besondere Gefährdung wohnungsloser Men- schen auf der Straße ■■ Häufig fehlendes frauengerechtes Hilfean- gebot ■■ Erhebliche Zugangsprobleme wohnungslo- ser Migrant*innen zur Notversorgung und zu weitergehenden sozialrechtlichen An- Welche zentralen Handlungsfelder ergeben sich? sprüchen Auswirkungen auf Menschen in Wohnungsnot Kein Zugang zu normalen und menschenwürdigen Wohnungen Gefahr: menschenunwürdige Notversorgung Barrieren bei der Gesundheitsversorgung Hürden bei der Integration in den Arbeitsmarkt U 25-Jährige: Diskriminierungen im und bei der Anwendung des Sozialrechts Besondere Gefährdung wohnungsloser Menschen auf der Straße Häufig fehlendes frauengerechtes Hilfeangebot Erhebliche Zugangsprobleme wohnungsloser MigrantInnen zur Notversorgung und zu weitergehenden sozialrechtlichen Ansprüchen BAG Wohnungslosenhilfe 8 www.bagw.de Diese Dimensionen der Exklusion befördern und Zur Verwirklichung des Rechts auf eine Wohnung begründen in individuell unterschiedlichem Aus- ergeben sich diese zentralen Handlungsfelder: maß Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit. So ist ■■ Die Ressource Wohnraum: Wohnungen für es notwendig, dass die Menschen in einer Woh- Wohnungslose nungsnotfallsituation auch Hilfen zur Überwin- dung der sozialen Ausgrenzung in den anderen ■■ Prävention, um Wohnungsverluste zu Lebensbereichen erhalten, um die Ursachen von verhindern Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit zu über- winden. Zugleich ist dies ohne eigene Wohnung kaum möglich: Denn das Leben in Wohnungslosigkeit oder in einem vom Verlust bedrohten Wohnver- hältnis ist oft zugleich Ursache der anderen Di- mensionen der Ausgrenzung. Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! 11
Werena Rosenke Nicht nur, aber insbesondere in Zeiten fehlenden Arbeitsförderung und Arbeitsmarktpolitik bezahlbaren Wohnraums sind Präventionsan- ■■ Inklusiver Sozialer Arbeitsmarkt strengungen unverzichtbar: Wer in dieser Situati- ■■ Gesetzliche Verankerung von on die Wohnung verliert, wird für lange Zeit ohne Sozialunternehmen eigene Wohnung bleiben und die verlorene Woh- nung wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch als Schutz vor Gewalt und Vertreibung: bezahlbarer Wohnraum abzuschreiben sein. ■■ Präventive Maßnahmen zum Schutz vor ■■ Unterstützung im Wohnraum, um eine Gewalt und Sicherheit im öffentlichen Raum Wohnung nachhaltig zu sichern ■■ Konsequente Strafverfolgung bei Gewalt Die Menschen in einer Wohnungsnotfallsituation gegen Wohnungslose müssen unterstützende und fördernde soziale ■■ Dokumentation von menschenverachtenden Hilfen erhalten, um die vielfältig erfahrene soziale und rechtsextremen Motiven und Hintergrün- Exklusion zu überwinden. den von Gewalt ■■ Ein menschenwürdiges Notversorgungssys- Doch zurück auf die zentralen wohnungsbezoge- tem, wenn trotz aller Bemühungen ein Woh- nen Handlungsfelder (Seite 11). Welche Hand- nungsverlust nicht verhindert werden kann lungsnotwendigkeiten ergeben sich für den Bund? Und es muss persönliche Hilfen - auch in der ord- Wohnungs- und sozialpolitische nungsrechtlichen Unterbringung - zur Wiederer- Handlungsnotwendigkeiten langung einer Wohnung geben. Handlungsebene Bund Dauerhafte Beteiligung des Bundes an der sozialen Wohnraumversorgung Dauerhafte Sozialbindung Darüber hinaus lassen sich weitere Handlungs- Neue Gemeinnützigkeit Verpflichtende, bundeseinheitliche, geschlechtsdifferenzierte felder benennen, die Teil einer Nationalen Strate- Wohnungsnotfallstatistik Ausreichender Regelsatz gie zur Überwindung von Wohnungsnot und Woh- Wirksame Mietpreisbremse Änderung des Gewerbemietrechts, damit soziale Träger und ihre KlientInnen nungslosigkeit sein sollten. und MieterInnen Rechtssicherheit erhalten „Heilungsfrist“ bei der Prävention retten Übernahme von Schulden für Unterkunft und Heizung auch im SGB II als Gesundheitsversorgung und Gesundheitspolitik: Beihilfe Abschaffung der Sanktionen bei den KdU BImA: Bund stellt Konversionsliegenschaften und weitere Immobilien verbilligt ■■ Grundsätzliche Umsteuerung der Gesund- zur Verfügung Gezielte Förderprogramme zur Versorgung von Menschen in einer heitspolitik, um die besonderen Bedarfslagen Wohnungsnotfallsituation Leitlinien für eine menschenwürdige Unterkunft von Menschen in Wohnungsnot und Armut zu BAG Wohnungslosenhilfe 11 www.bagw.de berücksichtigen ■■ Gemeinsamer Fonds von Kassenärztlicher Bundesvereinigung, Gesetzlicher Kranken- versicherung und öffentlicher Hand, um me- dizinische Versorgungsprojekte ausreichend und nachhaltig zu sichern ■■ Gesundheit ist ein Menschenrecht, deshalb müssen Menschen ohne Hinterfragung ihres rechtlichen Status behandelt werden können. 12 Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?!
Werena Rosenke Wohnungs- und sozialpolitische Handlungsnot- ■■ Bei der Prävention droht die sog. Heilungs- wendigkeiten des Bundes und der Länder frist - ein ganz wesentliches Element wegzu- brechen. In seinem Urteil vom 18. September ■■ Die Beteiligung des Bundes an der sozialen 2018 hat der Bundesgerichtshof bestätigt, Wohnraumversorgung muss dauerhaft erhal- dass eine fristlose Kündigung eines Wohn- ten bleiben und gesteigert werden. Es scheint, raummietverhältnisses mit einer hilfsweise dass die aktuellen Kompensationsmittel des erklärten ordentlichen Kündigung verbunden Bundes an die Länder in Höhe von 1,5 Mrd. werden kann. Hier müsste m. M. auf Bundes- €/ Jahr in den Jahren 2020/ 2021 wieder auf 1 ebene geklärt werden, welche gesetzlichen Mrd./ Jahr zurückgefahren werden. Möglichkeiten es gibt, die Heilungsfrist zu ■■ Notwendig ist die dauerhafte Sozialbindung retten. von Wohnraum. ■■ Bei der Übernahme von Schulden für Un- ■■ Um bezahlbaren Wohnraum dauerhaft zur terkunft und Heizung sollte – wie im Verfügung stellen zu können, ist ein gemein- Sozialgesetzbuch XII - auch im Sozi- nütziger Wohnungsbausektor ein wichtiges algesetzbuch II die Möglichkeit einer Leis- Instrument. Der Bund müsste den Rahmen tungsgewährung als Beihilfe vorgesehen und die Instrumente für eine neue Gemein- werden. nützigkeit bei der Wohnraumversorgung ■■ Keine Sanktionierung bei den Kosten von schaffen. Unterkunft und Heizung, dies ist besonders ■■ Durch die Einführung einer gesetzlich ver- wichtig bei den unter 25-Jährigen, die ja im- pflichtenden, bundeseinheitlichen ge- mer noch einem verschärften Sanktionsre- schlechtsdifferenzierten Wohnungsnot- gime unterliegen. fallstatistik lässt sich die Wohnungsnot ■■ Städtischen Wohnungsbaugesellschaften, natürlich nicht beseitigen, aber auf jeden Fall Genossenschaften, Organisationen und der Wohnraumbedarf und das Ausmaß der Initiativen, die langfristig gebundenen Wohnungslosigkeit genauer ermitteln. Die Wohnraum schaffen, sollte vorrangig der BAG W hat dazu eine ausführliche Empfeh- Erwerb von Grundstücken der Bundesan- lung erarbeitet, die auch dem Ministerium stalt für Immobilienaufgaben (BimA) und vorliegt. Bei Nachfragen dazu stehe ich gerne der Liegenschaftsverwaltungen der Län- zur Verfügung. der ermöglicht werden - zu Preisen, die ■■ Die Armut der unteren Einkommensgruppen dann den Bau öffentlich geförderter und be- hat sich verfestigt, u. a. durch die Ausweitung zahlbarer Wohnungen erlauben. Also Schluss des Niedriglohnsektors und der atypischen mit dem Höchstbietverfahren. Beschäftigung sowie durch den unzureichen- ■■ Innenministerkonferenz entwickelt Leitlinien den ALG II-Regelsatz. Die Verantwortung für für eine menschenwürdige Unterbringung einen ausreichenden Regelsatz in der Grund- wohnungsloser Menschen. Dies könnten Eck- sicherung liegt beim Bund. punkte solcher Leitlinien sein. ■■ Ebenfalls beim Bund liegt die Verantwortung für eine tatsächlich wirksame Mietpreis- bremse. ■■ Änderung des Gewerbemietrechts, sodass soziale Träger, die für ihre Klientel Wohn- raum anmieten, um diesen dann weiterzu- vermieten, Rechtssicherheit erhalten und ih- nen nicht einfach grundlos gekündigt werden kann. Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! 13
Werena Rosenke Vermietermarkt und in der Wohnungswirt- Menschenwürdiges Notversorgungssystem schaft fördern. Wichtig auch bei der Krisenin- Keine Verfestigung der Wohnungslosigkeit in der Unterkunft tervention zum Wohnungserhalt. Kriseninter- Sicherheit gewährleisten: vention wird oft von freien Trägern geleistet, Geschlechtsgetrennte Unterbringung Personalpräsenz 24 Stunden jedoch zum Zeitpunkt einer solchen Interven- Geschulte Hausbewirtschaftung Wahrung und Achtung der Privatsphäre: tion ist die Finanzierung des Angebotes oft Unterbringung EZ / abgeschlossene WE f. Familien nicht gesichert. Schnellstmögliche Vermittlung in Wohnraum: Beratende Angebote ■■ Das Förderprogramm »Von der Straße in die Anspruch auf ordnungsrechtliche Unterbringung unabhängig von der Nationalität und dem Aufenthaltsstatus Wohnung« (Umfang: 10 Mio. Euro, Laufzeit: vier Jahre) soll wohnungslose Menschen, BAG Wohnungslosenhilfe 12 auch langzeitwohnungslose Menschen auf www.bagw.de der Straße, durch aufsuchende Hilfen auf Neben diesen allgemeinen Maßnahmen können der Straße, Akquise von Immobilien für diese Bund und Länder mit gezielten Förderprogram- Menschen und wohnbegleitende Hilfen för- men zur Versorgung von Menschen in einer Woh- dern. nungsnotfallsituation Maßnahmen auf lokaler Ebene wirksam flankieren. Förderprogramme zur Versorgung von Menschen in einer Wohnungsnotfallsituation Förderprogramm „Prävention“ zum Aufbau kommunaler Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlusten Förderprogramm „Pro Wohnen“ zur Unterstützung von Netzwerken privater Vermieter/Wohnungsunternehmen mit Kommunen und freien Trägern zur Prävention und zur Erschließung von Wohnraum für Wohnungslose Förderprogramm „Von der Straße in die Wohnung“: aufsuchende Hilfen für Wohnungslose auf der Straße Akquirierung von Immobilien für diesen Personenkreis wohnbegleitenden Hilfen BAG Wohnungslosenhilfe 13 Letztlich steht jede Kommune in der Verantwor- www.bagw.de tung für die Wohnungsversorgung aller ihrer Die BAG W fordert deshalb: Bürger*innen. ■■ Ein Förderprogramm zum Aufbau von kom- Ein Wohnraumversorgungskonzept auf kom- munalen Fachstellen zur Verhinderung von munaler bzw. regionaler oder Kreisebene muss Wohnungsverlusten unter Beteiligung der alle genannten Handlungsfelder umfassen sowie Dienste der Freien Wohlfahrtspflege mit alle in diesen Handlungsfeldern aktiven Akteure Schwerpunkt im ländlichen Raum. Das Pro- einbinden. Die freiverbandlichen Hilfen in Woh- gramm sollte ein Volumen von insgesamt 50 nungsnotfällen müssen sich auf kommunalpoliti- Mio. Euro und eine Laufzeit von vier Jahren scher Ebene in die Wohnungspolitik einmischen, umfassen. um solche Konzepte mit zu entwickeln. ■■ Das Förderprogramm »Pro Wohnen« (Um- Wichtiger Partner der Kommune bei der Sicher- fang: 40 Mio. Euro, Laufzeit: vier Jahre) soll stellung der Ressource Wohnraum ist die kom- Netzwerke von privaten Vermieter*innen munale Wohnungsbaugesellschaft. Wie groß die oder Wohnungsunternehmen mit Kommu- Handlungsmöglichkeiten der kommunalen Woh- nen und freien Trägern zur Prävention von nungsbaugesellschaft sind, ist eine politische Wohnungsverlusten und zur Erschließung Entscheidung der Kommune. von Wohnraum für Wohnungslose im privaten 14 Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?!
Werena Rosenke Die Handlungsmöglichkeit bestimmt sich letzt- Wohnungsaufsichtsgesetz, Zweckentfremdungs- lich durch die politische Abwägung zwischen den verordnung, Milieuschutz Renditeerwartungen, die die Kommune an »ihr« Die Gemeinden können gemäß Wohnungsauf- kommunales Wohnungsunternehmen richtet und sichtsgesetz durch Satzung „Gebiete mit erhöh- den wohnungs- und sozialpolitischen Verpflich- tem Wohnungsbedarf festlegen, in denen Wohn- tungen, die erfüllt werden sollen. raum nur mit Genehmigung zweckentfremdet Kommunale Wohnungsunternehmen sind und werden darf.“ bleiben ein unverzichtbares Steuerungselement, Zweckentfremdungsverordnungen können ver- deshalb dürfen sie nicht verkauft werden. hindern, dass Mietwohnungen, insb. in attraktiven Aber nicht alle Bürger*innen mit Zugangsschwie- Lagen und/ oder Regionen als Ferienwohnungen rigkeiten zum Wohnungsmarkt werden durch das auf den Markt kommen. kommunale Wohnungsunternehmen versorgt Gemeinden können durch Satzung Gebiete be- werden können. So wird es notwendig werden, zeichnen „in denen zur Erhaltung oder Zusam- auch die private Wohnungswirtschaft und private mensetzung der Wohnbevölkerung der Rückbau, Vermieter*innen, direkt oder über ihre Verbän- die Änderung oder die Nutzungsänderung bauli- de, in ein »Bündnis für bezahlbaren Wohnraum« cher Anlagen der Genehmigung bedürfen.“ Sol- einzubeziehen. Deswegen sind wir als BAG W seit che Milieuschutzsatzungen sollten rechtzeitig als knapp vier Jahren im direkten Gespräch mit Haus Instrument zur Eindämmung von Luxussanierun- & Grund, um gemeinsame Interessen und Mög- gen und der damit einhergehenden Gentrifizie- lichkeiten der besseren Kooperation auszuloten rung offensiv genutzt werden. und für solche Kooperationen zu werben. Richtlinien zur Angemessenheit der Kosten der Welche weiteren Handlungsmöglichkeiten der Unterkunft (KdU) Kommune gibt es? In vielen Kommunen sind Angemessenheitsgren- zen zu knapp bemessen. Zu niedrig bemessene Konzeptionelles Bauen KdU können mittel- und langfristig zu einer Über- Um Anreize für den Bau von bezahlbarem Wohn- schuldung der einkommensarmen Haushalte raum zu schaffen, sind Grundstücke nicht nach führen und in der Konsequenz Mietverhältnisse dem Höchstbieterverfahren zu vergeben, sondern gefährden. nach festgelegten Konzeptionen zu verkaufen, damit sichergestellt wird, dass der öffentlich ge- Oft ist argumentiert worden, dass zu großzügige förderte Wohnungsbau qualitativ, attraktiv und Angemessenheitsgrenzen bei den KdU zu Mitnah- in ausreichender Zahl errichtet wird und damit meeffekten auf der Vermieterseite führten. Auf auch wohnungslosen Menschen zugutekommt, angespannten Wohnungsmärkten ist die Situation die besondere Zugangsschwierigkeiten zum Woh- wohl anders einzuschätzen: Aufgrund des hohen nungsmarkt haben. Konkurrenzdrucks wird das Wohnungssegment für Menschen, die ALG II bzw. Sozialhilfe bezie- Umwandlung von ordnungsrechtlichen Unter- hen, durch niedrige Angemessenheitsgrenzen künften in Sozialwohnungen weiter eingeschränkt und sie geraten deutlich Damit ist gemeint, die gezielte Umwandlung von schneller in eine Verschuldung bzw. überschrei- geeigneten ordnungsrechtlichen Obdachlosen- ten die Angemessenheitsgrenze mit der negati- siedlungen oder Schlichtwohnungsbeständen in ven Konsequenz, dass eine eventuell notwendige einen regulären kommunalen Sozialwohnungs- Mietschuldenübernahme zur Verhinderung eines bestand mit entsprechendem baulichen Stan- Wohnungsverlustes dann nicht mehr möglich ist. dard. Vormals ordnungsrechtlich untergebrachte Menschen erhalten so eigenen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum. Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! 15
Werena Rosenke Die örtlichen Regelungen zur Übernahme der Dafür gibt es bereits diverse Modelle und auch KdU und zur Beurteilung ihrer Angemessenheit gute Praxis, die nachgeahmt werden kann. (Pool- können zugunsten von Menschen in Wohnungsnot Management Bielefeld, Geschütztes Marktseg- gestaltet werden, wenn sie entsprechende Rege- ment Berlin, Akquise privaten Wohnraums in KA, lungen enthalten: Koop. Stadtmission Kiel mit Haus & Grund) ■■ Richtwerte statt Höchstwerte bzw. Dabei müssen die Vereinbarungen der Kommu- Mietobergrenzen ne mit der Wohnungswirtschaft so bindend wie ■■ Erhöhte KdU-Richtwerte für wohnungslose nötig sein, um den gewünschten Effekt, die Ver- Haushalte sorgung von wohnungslosen Menschen bzw. von Menschen in einer Wohnungsnotfallsituation, si- ■■ Die Anforderung die KdU zu senken, zeitlich cherzustellen. begrenzen: Also, wenn jemand schon Monate lang vergeblich nach alternativem Wohnraum Vor Ort muss natürlich immer im Detail unter- sucht, sollte man ihn in seiner Wohnung woh- sucht werden, ob die Bestimmungen und die Pra- nen lassen xis eines solchen Verbundes (noch) angemessen ■■ Die Hürden zur Anerkennung schwerwie- und tauglich sind, insb. in Bezug auf: gender sozialer Gründe im Bereich der U25- ■■ die Zahl der beteiligten Unternehmen und die Sonderregelungen zur Anmietung einer Woh- von ihnen eingebrachten Wohnungskontin- nung sollten nicht zu hoch sein gente (Quantität) ■■ Die regelhafte Übernahme von Maklerkosten ■■ die Qualität der Kontingente und/ oder Vermittlungskosten bei Obdach- ■■ die sozialräumliche Verteilung der und Wohnungslosen Kontingente Dies sind Punkte, die wir als BAG W in unserer ■■ die Definition der Zugangsberechtigten aktuellen Empfehlung „Bezahlbaren Wohnraum ■■ die Vergabepraxis schaffen, Wohnraum für wohnungslose Men- schen akquirieren“ ausführlich dargelegt haben. Der Wohnraum kann auch durch freie Träger selbst geschaffen werden. Als eine Art Ultima Ra- Zugang zu Wohnraum für Menschen in einer Woh- tio stellt sich diese Aufgabe immer dann, wenn es nungsnotfallsituation sichern nicht gelingt, Klient*innen in mietvertraglich ab- Der Bau und die Existenz preiswerten Wohnraums gesicherten Wohnraum zu vermitteln. ist zwar Voraussetzung für die Bekämpfung von Werden freie Träger wohnungswirtschaftlich ak- Wohnungslosigkeit, aber nicht ausreichend. Wir tiv, dann sind sie allerdings im besonderen Maße fordern deshalb die Kommunen auf, Belegungs- zu unterstützen. quoten für wohnungslose Haushalte einzuführen Ein großes Problem, mit dem freie Träger, die und weitere Maßnahmen zu ergreifen, um sicher- Wohnraum bauen wollen, konfrontiert sind, dürfte zustellen, dass wohnungslose Haushalte mit ei- die erforderliche Eigenkapitalbasis sein. Nur wenn genen Wohnungen versorgt werden. diese gegeben ist, können öffentliche Wohnungs- Kommunen sollten versuchen, Wohnungen für baumittel bzw. Hypothekendarlehen in Anspruch Wohnungslose bei privaten Vermieter*innen zu genommen werden. Darlehen oder Bürgschaften akquirieren, aber selbstverständlich auch durch von Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbänden, Vereinbarungen mit den Unternehmen der Woh- Trägern sind deswegen notwendig. nungswirtschaft. 16 Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?!
Werena Rosenke Auch die Überlassung eines Baugrundstücks In §68 Abs. 1 SGB XII werden explizit die »Maß- durch eben diese oder die Kommune sind eine nahmen bei der Erhaltung und Beschaffung einer wichtige Unterstützung beim Eigenmittelnach- Wohnung« genannt. weis. Zudem gibt es auch Fallkonstellationen, in de- Ähnlich wie der Bau von Wohnraum durch freie nen der Wohnungsverlust nicht allein aufgrund Träger, ist die Anmietung von Wohnraum durch von Mietschulden droht. Ich finde der Eisberg ist freie Träger eine wichtige Handlungsoption. Sie dafür ein gutes Symbol: Nur ein kleiner Teil des ist quasi ein Instrument, um den Konkurrenz- Eisbergs ist auf den ersten Blick zu sehen. nachteil der Klientel durch die Bonität und Ver- trauenswürdigkeit des freien Trägers auszuglei- Ebenfalls sind bei den Interventionen zum Erhalt chen. der Wohnung, die in der Phase vor Beginn des gerichtlichen Verfahrens einsetzen, die Hilfen zur Wenn ein freier Träger der Wohnungslosenhilfe Überwindung besonderer sozialer Schwierigkei- an Klient*innen vermietet, sollten im Verhältnis ten nach §67 SGB XII ein wichtiges Instrument. zur/zum Klient*in/ Mieter*in möglichst die Be- reiche „Vermietung, Mieterberatung“ und „per- Zu den Akteuren bei der Prävention sönliche Hilfen im Wohnraum“ getrennt sein, um Die zentrale Fachstelle zur Vermeidung und Be- Rollenkonflikte zu vermeiden. hebung von Wohnungslosigkeit sollte die zentrale Handlungseinheit bei der Prävention darstellen, Handlungsfeld Prävention da dann idealerweise die Kompetenzen für die Nicht nur, aber insb. in Zeiten fehlenden bezahl- wirtschaftlichen Wohnhilfen (Mietschuldenüber- baren Wohnraums sind Präventionsanstrengun- nahme), die ordnungsrechtliche Unterbringung gen unverzichtbar. sowie für die persönlichen Hilfen zur Erhaltung Neben der Mietschuldenübernahme nach §22 von Wohnraum bzw. zur Reintegration in Wohn- SGB II und §6 SGB XII kommt bei den Bemühun- raum gebündelt sind. Besonders wichtig ist, dass gen zum Wohnungserhalt den Hilfen nach §§67 ff. die zentrale Fachstelle die Wohnungssicherung SGB XII große Bedeutung zu. nach SGB II und SGB XII – also für alle Wohnungs- notfälle – übernimmt. Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! 17
Werena Rosenke Sie können auch gut Gründe und Auslöser von Fachstelle unter Beteiligung der Wohnungsverlusten wahrnehmen, die nicht auf Wohnungslosenhilfe Mietschulden zurückzuführen sind. 1. Kommunale Fachstelle kooperiert mit einem Beratungsstellen freier Träger von Hilfen im Woh- Träger der Hilfen im Wohnungsnotfall bei spezifischen soz. Dienstleistungen - die Träger nungsnotfall sind oft die ersten Anlaufstellen für bleiben organisatorisch getrennt vom Wohnungsverlust bedrohte Menschen. 2. Gemeinsame Trägerschaft einer Fachstelle 3. Freier Träger ist Träger einer Fachstelle und Darüber hinaus haben Hilfen freier Träger wich- kooperiert in Bezug auf hoheitliche Aufgaben tige Aufgaben bei der nachhaltigen Stabilisierung und sonstige von ihm nicht wahrnehmbare bedrohter Wohnverhältnisse, d. h. Aufgaben, die Aufgaben mit dem öffentlichen Träger über die akute Krisenintervention zum Erhalt des BAG Wohnungslosenhilfe 16 Wohnraums hinausgehen. www.bagw.de Man kann zwischen drei Typen von Fachstellen Freie Träger der Hilfen im Wohnungsnotfall unterscheiden: ■■ Typ I: Die von der Kommune getragene Fach- Kompetenzen im Präventionsprozess stelle kooperiert mit einem freien Träger der Aufsuchende Kontaktaufnahme Beratung, Begleitung, Unterstützung von Hilfen im Wohnungsnotfall bzgl. spezifischer Menschen in schwierigen sozialen Lebenslagen sozialer Dienstleistungen und beide Träger Wahrnehmung der Gründe und Auslöser von Wohnungsverlusten, die neben Mietschulden bleiben organisatorisch getrennt. relevant sind ■■ Typ II: Die kommunale Fachstelle geht eine Nachhaltige Stabilisierung bedrohter Wohnverhältnisse nach der akuten gemeinsame Trägerschaft mit einem freien Krisenintervention (Unterstützung im Wohnraum) Träger der Hilfen im Wohnungsnotfall ein, d. h. Personal, Finanzen und Organisation BAG Wohnungslosenhilfe www.bagw.de 17 sind integriert. Im Rahmen des Forschungsverbundes »Woh- ■■ Typ III: Ein freier Träger der Hilfen im Woh- nungslosigkeit und Hilfen in Wohnungsnotfäl- nungsnotfall ist selbst Träger einer Fachstel- len« waren u. a. persönliche Hilfebedarfe der le zur Verhinderung von Wohnungsverlusten Klient*innen in Fach- und Präventionsstellen er- und kooperiert in Bezug auf nicht-übertrag- mittelt worden. Danach haben nach Einschätzung bare hoheitliche Aufgaben bzw. sonstige von der Fach- und Präventionsstellen zwei Drittel der ihm nicht wahrnehmbare Aufgaben mit dem dort anhängigen Haushalte einen über die aktu- öffentlichen Träger. elle Krisenintervention zum Erhalt der Wohnung Beim Typ III ist es allerdings wichtig, dass die Mit- hinausgehenden Hilfebedarf (Schulden, beson- teilungen in Zivilsachen [nach §22 Absatz 9 SGB dere soziale Schwierigkeiten, Sucht, psychische II und §36 Absatz 2 SGB XII] in diesen Fachstellen Störungen). einlaufen. Knapp 40% der Präventionsfälle waren vorher be- In der Praxis vorherrschend sind Fachstellen in reits ein- oder zweimal in ähnlicher Krisensitua- kommunaler Trägerschaft, die in unterschiedli- tion (ebenda). chem Ausmaß mit freien Trägern der Hilfen im Von den Fachstellen wird also ein Bedarf an auf- Wohnungsnotfall kooperieren. suchenden Hilfen und persönlichen Hilfen im An- Weiterer Akteur: Freie Träger der Hilfen im schluss an eine unmittelbare Krisenintervention Wohnungsnotfall gesehen. Freie Träger sind kompetent in der Beratung, Be- gleitung, Unterstützung und in der aufsuchenden Kontaktaufnahme von Menschen in schwierigen sozialen Lebenslagen. 18 Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?!
Werena Rosenke Die kommunalen Fachstellen intervenieren i. d. R. Ich komme nun zu den Voraussetzungen erfolg- bei einer Mietschuldenproblematik. Die Interven- reicher Interventionen zum Erhalt der Wohnung. tion ist dabei i. d. R. nicht aufsuchend (Komm- ■■ Frühe Intervention Struktur). Persönliche Hilfen können im An- ●● Früher Kontakt zu dem vom Wohnungs- schluss an die Krisenintervention kaum geleistet verlust bedrohten Haushalt werden. Diese können und sollten von den freien Trägern der Hilfen im Wohnungsnotfall erbracht ➝➝ Persönliche Hilfen werden. ➝➝ Arbeit im Quartier ➝➝ Niedrigschwellige Beratungs- Die Phasen des drohenden Wohnungsverlustes angebote Der drohende Wohnungsverlust ist in der Regel ein Prozess, der sich in drei Hauptphasen unter- ●● Frühzeitige Ansprache des Vermieters teilen lässt, die unterschiedlichen Interventions- ■■ Nachhaltiger Kontakt zu dem vom Wohnungs- möglichkeiten eröffnen: verlust bedrohten Haushalt Die Details lassen sich hier und jetzt nicht erör- ■■ Bündelung der Zuständigkeiten tern. ■■ Enge Kooperation der Akteure Wichtig sind mir die drei Phasen Grün - Gelb - Rot : Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! 19
Werena Rosenke 1. Frühe Intervention Beratungsstellen freier Träger sollten neben den Es lässt sich erkennen, dass eine möglichst er- Hilfen für wohnungslose Menschen auch explizit folgreiche und kostensparende Intervention zum präventive Hilfen anbieten beispielsweise durch Erhalt von Wohnraum an bestimmte Vorausset- aufsuchende präventive Hilfen bei Haushalten, zungen geknüpft ist. Der Interventionszeitpunkt die durch postalische Anschreiben nicht frühzei- sollte so früh wie möglich sein, d. h. idealerweise tig erreicht werden oder bei denen es keine Be- in der außergerichtlichen Phase, weil: nachrichtigung aufgrund einer Räumungsklage wegen Mietschulden gibt. Neben der Einzelfall- ■■ Mietschulden noch gering sind beratung, Begleitung, Betreuung etc. gewinnt die ■■ keine Kosten für ein gerichtliches Verfahren Quartiersarbeit große Bedeutung, damit betroffe- anfallen ne Haushalte frühzeitig Hilfeangebote wahrneh- ■■ daher eine größere Verhandlungsbereitschaft men können. des Vermieters vorausgesetzt werden kann Auch die sehr frühzeitige Ansprache des Vermie- ■■ ein »kalter« Wohnungsverlust verhindert ters ist wichtig. Der private Vermieter sollte sich werden kann, also vermieden werden kann, bei anbahnenden Konflikten im Mietverhältnis an dass der Mieter die Wohnung ohne Kündi- feststehende Ansprechpartner*innen in der zen- gung verlässt, weil er glaubt, die Situation tralen Fachstelle und/oder der Beratungsstelle nicht mehr in den Griff zu bekommen. des freien Trägers der Hilfen im Wohnungsnot- fall wenden können, die dann verlässlich die Ver- Ein früher Interventionszeitpunkt verschafft einen handlungen zwischen der/des Vermieter*in und deutlich größeren Handlungsspielraum für alle der/des Mieter*in unterstützend und beratend Beteiligten. Eine bereits erhobene Räumungskla- begleiten oder sich um die Einleitung/ Beantra- ge nötigt wegen der relativ kurzen Heilungsfrist gung der Mietschuldenübernahme und/oder die von zwei Monaten quasi zur Mietschuldenüber- Vermittlung anderer flankierender Maßnahmen nahme oder zur ordnungsrechtlichen Unterbrin- kümmern. gung, wenn der Wohnungsverlust nicht verhindert wird. Wendet sich die/der private Vermieter*in an sei- Nach Erkenntnissen der Studie zur Prävention ne Interessenvertretung, beispielsweise des ört- von Wohnungslosigkeit in Nordrhein-Westfalen lichen Haus & Grund-Verein, dann sollte es eine (Busch-Geertsema/ Evers/ Ruhstrat, 2014) findet vereinbarte Kooperation zwischen Haus & Grund eine frühe Intervention aber in vielen Fällen nicht und den Hilfen im Wohnungsnotfall geben, damit statt: vor dem Einschalten der/des Anwältin/Anwalts und vor Beginn eines gerichtlichen Verfahrens Weniger als die Hälfte der Fälle werden in der au- ausgelotet werden kann, ob und wie die Wohnung ßergerichtlichen Phase bekannt, die an sich die erhalten bleiben kann. besten Interventions- und »Heilungs«chancen birgt. Gut 40% der Fälle werden nach Eingang Initiative Pro Wohnen der Räumungsklage und weitere knapp 14% erst nach angesetztem Zwangsräumungstermin be- kannt (vgl. ebenda, S. 49). Vermieterverband Haus & Grund und BAG Um sehr früh im Vorfeld eines eventuellen Woh- Wohnungslosenhilfe starten Initiative gegen Wohnungslosigkeit nungsverlustes eingreifen zu können, müssen Hilfeangebote den Haushalten, deren Wohnung Kooperation zwischen privaten Vermietern, sozialen Diensten und Kommunen stärken gefährdet ist, bekannt sein. In der Stadt, im Wohn- Berlin, 27.09.2016. Der Vermieterverband Haus & Grund Deutschland und die BAG Wohnungslosenhilfe, Dachverband der Dienste und quartier muss durch eine gute Öffentlichkeits- Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfen in Deutschland, wollen gemeinsam die Zusammenarbeit mit den Kommunen stärken, um arbeit deutlich werden, welche Stellen in einer Wohnungslosigkeit bereits im Entstehen zu verhindern. Wohnungsnotfallsituation angesprochen werden BAG Wohnungslosenhilfe 20 www.bagw.de können. 20 Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?!
Werena Rosenke Seit 2014 arbeiten BAG Wohnungslosenhilfe und Haushalten auf, ebenfalls 28% nehmen »nie« ei- Haus & Grund Deutschland, der Dachverband der nen Kontakt mittels Hausbesuch auf. »In der Re- privaten Vermieter, zusammen um solche Koope- gel« erfolgt eine postalische Kontaktaufnahme. rationen vor Ort zu befördern. Die Beratungsstellen freier Träger können hier mit ihrer aufsuchenden Arbeit eine wichtige Rolle Die zentrale Idee der Kooperation „Pro Wohnen“ übernehmen. ist die Bildung örtlicher Kooperationsnetzwerke zwischen lokalen Haus- & Grund-Vereinen ei- 3. Bündelung der Zuständigkeiten in der zentra- nerseits und sozialen Diensten freier Träger der len Fachstelle Wohnungsnotfallhilfen bzw. der Kommunen an- Die Bündelung der Zuständigkeit in der zentralen dererseits, das Problem der Mietschulden der Fachstelle hatte ich eingangs angesprochen. Die Mieter*innen einerseits und der Mietausfälle bei Hilfe im Wohnungsnotfall kann sicher effektiver privaten Vermieter*innen zu lösen. werden, wenn zudem festgelegt wird, dass die Wohnungsunternehmen, die kein eigenes Sozi- »Mitteilungen über Räumungsklagen« auch dem almanagement unterhalten, sollten in den freien kooperierenden freien Träger der Hilfen im Woh- Trägern der Hilfen im Wohnungsnotfall verlässli- nungsnotfall zugehen, damit dieser umgehend che Partner*innen finden, die frühzeitig bei sich beratend und unterstützend tätig werden kann. abzeichnenden Problemen im Mietverhältnis den Dabei muss der Datenschutz gewährleistet sein. betroffenen Haushalt aufsuchen können, um eine Wir sind der Überzeugung, dass die Bearbeitung Problemanalyse entwickeln und Problemlösun- bedrohter Wohnverhältnisse nicht im Jobcen- gen erarbeiten zu können. ter geschehen sollte. Gegebenenfalls sollte eine Im Benchmarking der 16 großen Großstädte ist Übertragung auf eine zentrale Fachstelle passie- festgestellt worden, dass in den Städten, in denen ren. Will man das nicht, muss es sehr verbindli- es Vereinbarungen mit der Wohnungswirtschaft che Kooperationsvereinbarungen geben. gibt, weniger Räumungsklagen auftreten, weil die Fachstellen bei einer Kündigung eine entspre- 4. Enge und fest vereinbarte Kooperation der Ak- chende Nachricht des Unternehmens bekommen teure und ein frühzeitiger Kontakt zu den betroffenen Es bedarf in jeder Phase einer Kooperation von Haushalten hergestellt werden kann (Hollenrie- Fachstelle, freien Trägern, Vermieterseite, Job- der/ König/ Lagler/ Kroll-Pautsch, 2013, S. 54 f). centern, die ein zeitnahes Handeln ermöglicht. Unter Berücksichtigung des Datenschutzes sind Diese Kooperation sollte so weit wie möglich Vereinbarungen zu treffen, dass beispielsweise durch Kooperations- und Koordinationsverträge Unterrichtungen bereits erfolgen, wenn es erste zwischen öffentlichen und den jeweiligen freien Unregelmäßigkeiten bei der Mietzahlung gibt und Trägern vereinbart sein. Bestimmungen dafür sich Probleme im Wohnumfeld zeigen. finden sich im §17 Abs. 2 SGB II. 2. Nachhaltiger Kontakt zu dem von Wohnungs- Vertraglicher Rahmen der Kooperation im SGB II verlust bedrohten Haushalt § 17 SGB II Einrichtungen und Dienste für Leistungen zur Eingliederung Eine 2. Voraussetzung erfolgreicher Interventi- (2) Wird die Leistung von einem Dritten erbracht und sind on ist der nachhaltige Kontakt zum vom Woh- im Dritten Buch keine Anforderungen geregelt, denen die Leistung entsprechen muss, sind die Träger der nungsverlust bedrohten Haushalt. In der bereits Leistungen nach diesem Buch zur Vergütung für die Leistung nur verpflichtet, wenn mit dem Dritten oder erwähnten NRW-Präventionsstudie wird festge- seinem Verband eine Vereinbarung insbesondere über stellt: 1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen, 2. die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzen kann, und Nur 28% der zuständigen Stellen in den kreisan- 3. die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen besteht. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der gehörigen und kreisfreien Städten und Gemein- Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. den nehmen »in der Regel« über Hausbesuche BAG Wohnungslosenhilfe 21 Kontakt zu den vom Wohnungsverlust bedrohten www.bagw.de Wohnraum, Tagesstruktur, Integration - auch für Drogenabhängige?! 21
Sie können auch lesen