CENTRAL AMERICA SPECIAL ACTION (CASA) - Rundbrief Oktober 97
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CENTRAL AMERICA SPECIAL ACTION (CASA) CASA-Kogruppe, Postfach 13 01 23, 20101 Hamburg Rundbrief Oktober 97 Intern/Extern
Inhaltsverzeichnis INTERN News von der CASA-Kogruppe 1 Gruppe 1529 berichtet über Action File Rolando Vindel Gonzalez Honduras 4 EXTERN Liste der CASA Aktionen und anderen Veröffentlichungen von ai 96 5 Liste der CASA Aktionen und anderen Veröffentlichungen von ai 97 7 Länderberichte 9 • El Salvador 9 • Länderkurzbericht der El Salvador Kogruppe 9 • Guatemala 13 • Situation der Menschenrechte aus Quellen von ai 13 • Weitere Hintergrundinformationen aus anderen Quellen 16 • Interview von R. Schürmann mit zwei Personen der URNG 20 • Honduras 27 • Situation der Menschenrechte aus Quellen von ai 27 • Weitere Hintergrundinformationen aus anderen Quellen 29 • Mexiko 30 • Menschenrechtslage in Mexiko 30 • UN Komitee gegen Folter: Beurteilung zu Mexiko 32 • Vorbereitung einer Research Mission 36 • Nicaragua 38 • Menschenrechtssituation in Nicaragua 38 • Weitere Hintergrundinformationen aus anderen Quellen 40 • Panama 42 • Situation der Menschenrechte aus Quellen von ai 42 Präsidententreffen der Länder Zentralamerika 44 Sozioökonomische Daten der sieben Länder 45 Wirtschaftliche Lage aus Sicht einer Bank 46 Tabelle der ratifizierten Konventionen 48 Das Titelfoto sowie die weiteren Fotos in dem externen Teil sind aus der Broschüre der Casa Alianza über eine Guatemala Reise entnommen, die über uns oder direkt bei der Casa Alianza Kinderhilfe Guatemala e.V., Rathausplatz 10a, 53604 Bad Honnef, Fax 02224/74562 zu beziehen ist
Rundbrief Oktober 1997 3 Einleitung Wir von der CASA Kogruppe, die bei amnesty international zu den Ländern Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Mexiko, Nicaragua und Panama arbeiten, möchten mit diesem Rundbrief einen Überblick über die Menschenrechtssituation in den genannten Ländern bieten. Wir haben dabei natürlich den Schwerpunkt auf Materialien von amnesty gelegt, haben aber auch teilweise Informationen aus anderen Quellen herangezogen, die die Sorgen von amnesty bestätigen oder bestärken. Im letzten halben Jahr haben wir verstärkt zu Guatemala gearbeitet, da das Internationale Sekretariat (IS) von amnesty in London eine Aktion zu Guatemala initiiert hat. Der Schwerpunkt dieser Aktion lag in der Bekämpfung der Straflosigkeit, die nicht nur in Guatemala ein Hauptgrund für die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen ist. Dazu gibt es auch eine Reihe von Veröffentlichungen, die bei uns angefordert werden können. Wie Sie an Hand der beigefügten Veröffentlichungen vom IS ersehen können, gibt es nicht nur in Guatemala Menschenrechtsprobleme. Die Lage in Mexiko verschlechtert sich zusehends, momentan bekommen wir jede Woche mindestens eine UA, eher zwei oder drei. In El Salvador kann ai das Thema der Wiedereinführung der Todesstrafe etwas ruhiger angehen, aus der Welt ist die Gefahr aber noch lange nicht, da konservative Kräfte die Todesstrafe am liebsten sofort wieder einführen möchten. Seit Anfang des Jahres haben wir eine sehr nützliche Informationsquelle aus dem Internet aufgetan. Es handelt sich um den Central America Update, herausgegeben von dem Center for International Policy’s Demilitarization Program (verantwortlich zeichnet Adam Isacson). Hier werden Zeitungen aus der Region und aus den USA auf für uns zum größten Teil interessante Themen ausgewertet und kurz zusammengefaßt. Mit einem Link kann man den betreffenden Zeitungsartikel selbst ansehen. Das ganze ist ziemlich aktuell und informativ. Wir haben in unseren Überblicken von dieser Quelle reichlich Gebrauch gemacht (Zugang über: www.us.net/cip/caupdate.htm) Zu Costa Rica gibt es wie meistens nicht viel zu berichten. Hier sei auf den Menschenrechtsbericht von ai verwiesen. Zu Nicaragua haben wir den Bericht vom IS abgedruckt, da wir vom IS selbst keine neueren Meldungen erhalten haben. Im Gegensatz zu Costa Rica sieht hier die Lage aber nicht ganz so rosig aus. Von der El Salvador Kogruppe drucken wir deren Länderkurzbericht hier mit ab, da er die Lage in El Salvador sehr gut wiedergibt. Am Ende ist auch die neuste Liste der von unseren Ländern ratifizierten Konventionen abgedruckt. Es hat sich nur sehr wenig geändert. Honduras und El Salvador haben seit der letzten Veröffentlichung jetzt auch die Anti Folter Konvention ratifiziert. Die Sichtweise der Dresdner Bank bzw. deren Lateinamerika Abteilung über die wirtschaftlichen Zustände in unseren Ländern ist mit rosarot sehr mild beschrieben. Natürlich ist es sehr schön, wenn die Industrie in den Ländern wächst und daß es Maquilas gibt, aber zu welchen Bedingungen die Arbeiter dort arbeiten, ist ein anderes Thema und ob diese Industrien wirklich so ein Segen für die Länder ist, ist eine andere Frage, da die Löhne, wenn sie denn gezahlt werden, sehr niedrig sind und die Arbeitsbedingungen meistens sehr schlecht sind. Nicht selten kommt es in Zusammenhang mit Maquilas zu Menschenrechtsverletzungen, weil private Sicherheitsfirmen, Arbeiter, die für ihre Rechte eintreten, massiv bedrohen. Kurz vor Druckschluß haben wir noch einen Artikel in den Rundbrief aufgenommen. Ein Mitglied einer ai Gruppe war in der Vergangenheit schon öfters in Guatemala und von seiner letzten Reise im Sommer 1997 hat er mehrere Interviews, die er selbst führte, mitgebracht. Er hat uns davon jetzt ein Interview zur Verfügung gestellt, das er auch selbst übersetzt hat, was wir in diesem Rundbrief mit abdrucken. CASA Kogruppe
4 Rundbrief Oktober 1997 Da die Herstellung und Verteilung des Rundbriefes natürlich mit Unkosten verbunden ist (Kopierkosten und Porto machen 6,- DM), haben wir einen Überweisungsträger mit beigelegt. Auch die Menschenrechtsarbeit kostet viel Geld, weswegen wir uns über eine kleine Spende immer freuen. Wir hoffen, Sie können aus diesem Rundbrief nützliche Informationen beziehen. Wenn Sie Fragen haben oder weitere Materialien haben möchten, können Sie sich gerne an uns wenden. Unsere Anschrift lautet: CASA Kogruppe Postfach 130123 20101 Hamburg CASA Kogruppe
News von der CASA Kogruppe Die Sommerpause ist vorbei und die meisten haben sicher Ihren wohlverdienten Urlaub genossen und sind jetzt wieder mit frischem Elan dabei. Von daher ist es mal wieder an der Zeit, Euch einen Überblick über unsere Region und unsere Aktivitäten zu verschaffen. Anläßlich der Guatemala Aktion wollen wir auch ein wenig auf die Probleme in unserer Region aufmerksam machen, natür- lich in der Hoffnung, daß vielleicht die eine oder andere Gruppe Interesse bekommt, uns bei unse- ren Anliegen zu unterstützen, wie es momentan 19 Gruppen bereits tun. Wenn auch die massiven Menschenrechtsverletzungen zurückgegangen sind, so sind doch in den meisten Ländern unserer Region noch viele Anstrengungen nötig, Druck auf die Regierungen auszuüben, alles zu tun, damit die Menschenrechte geschützt werden. Doch zunächst möchte ich erst mal vorstellen, wer wir sind und wer die entsprechenden An- sprechpartner in der Gruppe sind. Es hat sich bei uns auch wieder einiges getan. Einige Personen haben die Gruppe verlassen, andere sind aus der Versenkung des Studiums wieder aufgetaucht, und wir haben auch einen Neuzugang zu verzeichnen. Endlich auch mal ein Bild von allen unseren Aktiven. Ich beginne mit der Vorstellung vorne ho- ckend von links nach rechts und dann stehend von links nach rechts: Mónica Hernández Presseschau Tel: 040/4399084 Ute Paul Gruppensprecherin, Nicaragua, Costa Rica Tel 040/6071138 Uschi Obermaier El Salvador, Rundbrief Tel 040/57193458 Norbert Reize Finanzen, Panama Tel/Fax 040/224090 Christoph Zarnitz (Guatemala) Tel 040/6311226 Günther Herresthal Mexiko Tel 040/519391 Sebastian Schröder Medien Tel Marianne Grundmann Honduras Tel 040/2278260 Eckhard Wrba Guatemala, Rundbrief Tel 040/6565596 Die beiden Fotos im internen Teil haben wir bei einem gruppeninternen Wochenende aufgenom- men, bei dem wir über unsere zukünftige Arbeitsweise und verschiedene andere Dingen diskutiert und beraten haben. Die Guatemala Aktion war natürlich auch für uns Hauptthema, aber wie Ihr an den Listen der Ver- öffentlichungen des IS sehen könnt, gab es nicht nur mit Guatemala Probleme. Die Lage in Mexiko verschlechtert sich zusehends, momentan bekommen wir jede Woche mindestens eine UA, eher zwei oder drei. In El Salvador kann ai das Thema der Wiedereinführung der Todesstrafe etwas CASA Kogruppe INTERN
2 Rundbrief Oktober 1997 ruhiger angehen, aus der Welt ist die Gefahr aber noch lange nicht. Wir haben in diesem Rundbrief mal wieder einen Überblick über die Menschenrechtssituation in den jeweiligen Ländern zusam- mengestellt. Wir haben z.T. die Berichte getrennt in Informationen, die wir von ai haben und von Informationen aus anderen Quellen. Seit Anfang des Jahres versorgt uns Ute mit Informationen aus dem Internet. Sie hat dort eine Quelle mit Informationen aufgetan, die sehr nützlich ist. Es handelt sich um den Central America Update, herausgegeben von dem Center for International Policy’s Demilitarization Program (verantwortlich zeichnet Adam Isacson). Hier werden Zeitungen aus der Region und aus den USA auf für uns zum größten Teil interessante Themen ausgewertet und kurz zusammengefaßt. Mit einem Link kann man den betreffenden Zeitungsartikel selbst an- sehen. Das ganze ist ziemlich aktuell und informativ. Wir haben in unseren Überblicken von dieser Quelle reichlich Gebrauch gemacht (Zugang über: www.us.net/cip/caupdate.htm) Zu Costa Rica gibt es wie meistens nicht viel zu berichten. Hier sei auf den Menschenrechtsbericht von ai verwiesen. Zu Nicaragua haben wir den Bericht vom IS abgedruckt, da wir vom IS selbst keine neueren Meldungen erhalten haben. Im Gegensatz zu Costa Rica sieht hier die Lage aber nicht ganz so rosig aus. Von der El Salvador Kogruppe drucken wir deren Länderkurzbericht hier mit ab, da er die Lage in El Salvador sehr gut wiedergibt. Wir freuen uns, auch mal einen Artikel von einer Gruppe abdrucken zu können. Es handelt sich um eine der wenigen verbliebenen Action File Gruppen, die zu Honduras arbeiten. Die Gruppe schil- dert darin, welche Probleme sie mit dem „Verschwundenenfall“ und dem IS hat und hofft auf Tips und Anregungen von anderen Gruppen, um in ihrem Fall voranzukommen. Mit der Guatemala Aktion habe ich leider auch die Zuverlässigkeit der Post näher kennenlernen dürfen. Es ist öfters Post zu spät angekommen oder auch gar nicht angekommen. Wir drucken hier im Anschluß eine Liste der CASA Aktionen von 96 und der bis jetzt erschienen CASA Aktionen 97 ab. Falls Ihr etwas nicht erhalten habt, sagt Bescheid, wir schicken es Euch dann. Wir haben auch noch andere Materialien erhalten, die ich z.T. auch in den Listen aufgeführt habe. Ich möchte für Guatemala und die Materialien, die dort im Zusammenhang mit der Aktion veröffentlicht wurden, auf die von uns erstellte Materialliste zur Guatemala Aktion hinweisen. Am Ende ist auch die neuste Liste der von unseren Ländern ratifizierten Konventionen abgedruckt. Es hat sich nur sehr wenig geändert. Honduras und El Salvador haben seit der letzten Veröffentli- chung jetzt auch die Anti Folter Konvention ratifiziert. Die Sichtweise der Dresdner Bank bzw. deren Lateinamerika Abteilung über die wirtschaftlichen Zustände in unseren Ländern ist mit rosarot sehr mild beschrieben. Natürlich ist es sehr schön, wenn die Industrie in den Ländern wächst und daß es Maquilas gibt, aber zu welchen Bedingungen die Arbeiter dort arbeiten, ist ein anderes Thema und ob diese Industrien wirklich so ein Segen für die Länder ist, ist eine andere Frage, da die Löhne, wenn sie denn gezahlt werden, sehr niedrig sind und die Arbeitsbedingungen meistens sehr schlecht sind. Nicht selten kommt es in Zusammenhang mit Maquilas zu Menschenrechtsverletzungen, weil private Sicherheitsfirmen, Arbeiter, die für ihre Rechte eintreten, massiv bedrohen. Wir haben auch eine kleine Änderung am Rundbrief vorgenommen. Wir haben uns nämlich überlegt, daß die meisten Informationen auch an sogenannte Externe weitergegeben werden können. Nur die Einleitung und der Bericht der Gruppe 1529 zu ihrem Action File sind als interne Publikationen gedacht und dürfen nicht an Externe weitergereicht werden. Die Zuständigkeiten der einzelnen Personen, sowohl hier bei uns als auch in London, ist nicht für externe gedacht. Falls Ihr also spezielle Lobbyarbeit betreibt, könnt Ihr die Artikel zu den einzelnen Ländern weiterverwerten und z.B. an Politiker oder sonstige interessierte Personen senden. Es wäre aber sinnvoll nur die Artikel an Politiker zu senden, die sich im wesentlichen auf ai Quellen beziehen, da vermutlich viele Politiker auch schon aus anderen Quellen mit Material reichlich versorgt werden und außerdem meistens nicht viel Zeit haben. Die Trennung Intern und Extern haben wir auch farblich kenntlich gemacht. INTERN CASA Kogruppe
Rundbrief Oktober 1997 3 Gerade noch rechtzeitig hat uns aus London die Zusammensetzung des Central America Teams erreicht. Ich möchte Euch auch hier mal wieder auf den aktuellsten Stand bringen, da es doch einige Veränderungen gegeben hat: Dina Coloma Researcherin für Honduras, Nicaragua und El Salvador Morris Tidball Researcher für Mexiko und Venezuela Tracy Ulltveit-Moe Researcherin für Guatemala, Costa Rica und Panama Kerrie Howard Campaignerin für Guatemala, Venezuela und Panama sowie verantwortlich für Spezial Projekte zu Guatemala Laura Fine Campaignerin für Guatemala, Venezuela und Panama Elena Estrada Campaignerin für Mexiko, Honduras, Nicaragua und El Salvador Matthew Horsbrugh Researcher und Campaign Assistent für Mexiko, Venezuela, Costa Rica und Panama Flori Estevez Researcherin und Campaign Assistentin für Guatemala, Honduras, Nicaragua und El Salvador Das Team in London hat auch das Land Venezuela abzudecken, was wir hier in Deutschland aber nicht bearbeiten. Kurz vor Druckschluß haben wir noch einen Artikel in den Rundbrief aufgenommen. Reinhard Schürmann von der ai Gruppe 1167 in Leverkusen war in der Vergangenheit schon öfters in Guatemala und von seiner letzten Reise im Sommer 1997 hat er mehrere Interviews, die er selbst führte, mitgebracht. Reinhard Schürmann hat uns davon jetzt ein Interview zur Verfügung gestellt, das er auch selbst übersetzt hat, was wir in diesem Rundbrief mit abdrucken. Typisch ai? Wo geht es lang? CASA Kogruppe
4 Rundbrief Oktober 1997 Gruppe 1529 Action File Rolando Vindel Gonzalez, Honduras Rolando Vindel Gonzalez, 1944 - 1984 Seit über 10 Jahren bemühen wir uns um die Aufklärung des Schicksals des Honduraners Rolando Vindel Gonzalez. Der Vater von vier Kindern war Vorsitzender der honduranischen Elektrizitätsge- werkschaft STENEE und „verschwand“ 1984 auf dem Weg zu einer Gewerkschaftsversammlung auf offener Straße. Seither ist sein Verbleib ungeklärt. Er ist nur einer von insgesamt mehr als 180 Verschwundenenfällen, die sich in Honduras im Zeitraum von 1980 bis 1993 ereigneten. Insbe- sondere in den achtziger Jahren war das Land von der Doktrin der Staatssicherheit geprägt, in deren Zuge zahlreiche Oppositionelle von Todesschwadronen entführt, gefoltert und getötet wur- den. Im Laufe der Jahre ist es uns gelungen, Kontakte zu honduranischen Menschenrechtsorganisatio- nen aufzunehmen. Zwei Vertreter dieser Menschenrechtsorganisationen haben uns bereits mehr- fach in Aachen besucht und sind für uns die weitaus wichtigste Informationsquelle über die aktuelle Menschenrechtslage in Honduras. Leider sind diese Kontakte nur möglich, wenn sich die Vertreter der Organisationen in Europa aufhalten. Sobald diese nach Honduras zurückgekehrt sind, gestal- tet sich die Kontaktaufnahme nicht zuletzt auch aus Sicherheitsgründen sehr schwierig. Unsere zahlreichen Anfragen an das Internationale Sekretariat in London über aktuelle Informatio- nen zu Honduras blieben dagegen leider oft unbeantwortet bzw. wurden nur nach mehreren An- fragen beantwortet. Aktuelle Informationen zu dem Land sind leider nur sehr schwer zu bekommen und dies bedeutet für unsere Arbeit ein großes Hindernis, denn wir sind auf externe Informationen angewiesen, die nicht immer leicht zu beschaffen sind. Diese Probleme haben uns dazu bewogen, einen persönlichen Erfahrungsaustausch mit einer Gruppe aus Belgien zu organisieren, die ebenfalIs einen Verschwundenenfall aus Honduras be- treut. Dieses Treffen hat gezeigt, daß nicht nur wir bei unserer Arbeit mit den geschilderten Prob- lemen konfrontiert sind. Auch diese Gruppe berichtete uns von ihren Problemen bei der Informati- onsbeschaffung und von ihren Schwierigkeiten, in dem Fall voranzukommen. Diese Gruppe hat den Fall mittlerweile abgegeben. Als letzte Möglichkeit, in diesem Fall durch eine internationale Öffentlichkeit etwas zu erreichen, haben wir das IS in London gebeten, Rolando Vindel Gonzalez, der seit über 13 Jahren als ver- schwunden gilt, für die Aktion "Briefe gegen das Vergessen" zu berücksichtigen. Wir möchten dieses Forum nutzen, um über unsere Erfahrungen in einem Fall zu berichten, den wir bereits seit sehr langer Zeit betreuen. Wir glauben, daß wir mit diesen Problemen nicht alleine stehen und wären über jegliche Anregung, wie wir in diesem Fall weiter verfahren könnten, oder vielleicht sogar über einen Erfahrungsaustausch mit anderen Gruppen, sehr dankbar. Gruppe 1529 Aachen, c/o K.Mailänder, Bleiberger Str. 116, 52074 Aachen INTERN CASA Kogruppe
Rundbrief Oktober 1997 5 CASA Aktionen die in 96 erschienen sind 01 GUATEMALA Summary of Amnesty International's Concerns (January 1995 - Ja- AMR 34/03/96 nuary 1996) ai muß weiterhin eine besorgniserregende Kontinuität der Febr. 1996 Menschenrechtsverletzungen dokumentieren: Außergerichtliche Hinrich- tungen, "Verschwindenlassen", Folter, Todesdrohungen, Schikanierun- gen und Einschüchterungsversuche werden trotz der Friedensverhand- lungen weiterhin praktiziert. Oft durch Polizei- und bewaffnete zivile Ver- teidigungsgruppen. (10 Seiten) 02 MEXICO Overcoming Fear: Human Rights Violations against Women in Me- AMR 41/09/96 xico 35 Fälle von Menschenrechtsverletzungen, die im letzten Jahr ge- März 96 gen Frauen begangen wurden, werden dargestellt. Folter, Vergewalti- gungen, politischer Mord und "Verschwindenlassen" nehmen anschei- nend zu oder werden in zunehmendem Maße gemeldet. Entgegen ge- genteiligen Lippenbekenntnissen, unternimmt die Regierung nichts da- gegen (29 Seiten externer Teil, auch als deutsche Broschüre erhält- lich). 03 HONDURAS Continued Struggle against Impunity Update zu dem Papier aus dem AMR 37/01/96 Jahr 95: „Der Beginn vom Ende der Straflosigkeit“. - Es wird über die März 96 Exhumierungen, die von Menschenrechtsorganisationen initiiert werden, berichtet sowie über die Verzögerung der gerichtlichen Verfahren und die mangelnde Rechtsprechung (18 Seiten, deutsche Übersetzung "Der Kampf gegen die Straflosigkeit geht weiter"). 04 GUATEMALA Human Rights & Indigenous Activist Attacked Julio Ixmatá Tziquin, AMR 34/12/96 Menschenrechtsaktivist und Indigenenvertreter wurde am 1. April von Mai 96 PAC-Mitgliedern, Militär und dem lokalen Bürgermeister schwer ange- griffen, als er sein Amt als neu gewählter lokaler Polizeichef überneh- men wollte (3 Seiten externes Dokument). 05 GUATEMALA The Right to Truth and Justice ai weist die Möglichkeit der Gewährung AMR 34/26/96 einer Generalamnestie für die Verbrechen der Vergangenheit zurück Okt. 1996 und wendet sich diesbezüglich mit einem Memorandum an die Regie- rung. Der zweite Teil der CASA behandelt ai's Memorandum an die Re- gierung zur Einsetzung der Wahrheits- und Aufklärungskommission (15 Seiten externer Teil). 06 EL SALVADOR The Spectre of Death Squads Beschreibt das Wiederaufleben von To- AMR 29/15/96 desschwadronen im Stile der 80er Jahre. Diese neuen Gruppen werden Dez. 96 für Todesdrohungen gegen öffentliche Personen, Personen der Medien, Kirchenvertreter, Richter und Staatsanwälte verantwortlich gehalten (10 Seiten externer Teil, von der El Salvador Kogruppe ins Deutsche übersetzt). CASA Kogruppe
6 Rundbrief Oktober 1997 Sonstige Papiere zu unseren Ländern, die in 96 erschienen sind AMR 01/08/96 LATIN AMERICA, CRIME WITHOUT PUNISHMENT: IMPUNITY INLA- Nov. 1996 TIN AMERICA AMR 01/10/96 International Conference on the Protection of Human Rights De- Nov. 1996 fenders in Latin America and the Caribbean, May 1996 - Endbericht über die Konferenz in Bogotá, Teil 1: Declaration of Principles, Teil 2: Recommendations AMR 01/12/96 LATIN AMERICA, CRIME WITHOUT PUNISHMENT: IMPUNITY INLA- Okt. 1996 TIN AMERICA - A statement by amnesty international AMR 02/01/96 CENTRAL AMERICA and MEXICO: Human rights defenders on the 10. Dec. 96 front line AMR 02/04/96 Human rights defenders on the front line: Update, Beide Überset- zungen sind in einer gedruckten Broschüre veröffentlicht. Dazu ist auch ein Plakat und Flugblatt erstellt worden. MEXIKO Government Authorities List, März 96 AMR 41/13/96 NICARAGUA Government Authorities List, Oktober. 96 AMR 43/01/96 NICARAGUA Open Letter to Presidential Candidates in 20 October Election - Of- AMR 43/02/96 fener Brief von Derek Evans, Deputy Secretary von ai, London. Okt. 1996 CASA Kogruppe
Rundbrief Oktober 1997 7 CASA Aktionen die bisher in 97 erschienen sind 01 EL SALVADOR Death Penalty Internes Papier mit Empfehlungen vor allem zu Öffent- AMR 29/03/97 lichkeitsarbeit und Lobbying gegen die Ratifizierung der Todesstrafe in Februar 1997 El Salvador AMR 29/04/97 Open Letter to Members of Legislative Assembly Urging them to April 1997 Oppose Amendment to Expand Use of the Death Penalty, von Hervé Berger, extern. Papier (von El Salvador Kogruppe übersetzt) + interne AMR 29/05/97 Internes Papier: Anleitungen zu "Open Letter...." AMR 29/06/97 Internes Papier: UPDATE zu 29/05/97 02 EL SALVADOR High Time to Abolish the Death Penalty Internes Papier in Fortset- AMR 29/08/97 zung der Aktionen gegen die Ratifizierung der Todesstrafe 07.07.1997 03 MEXIKO Silencing Dissent - The Imprisonment of Brigadier General José AMR 41/31/97 Francisco Gallardo Rodríguez Er wurde von ai zum Gewissensgefan- 28.05.1997 genen erklärt, weil er für seine Forderung nach einem Ombudsmann für die mexikanischen Streitkräfte (um Menschenrechtsverletzungen der Militärs an Soldaten und Zivilisten zu untersuchen) seit 1993 im Gefäng- nis sitzt. (12 Seiten) 04 PANAMA & Kolumbien: The Right to Escape from Death Kolumbianische para- AMR 44/07/97 militärische Einheiten, in Zusammenarbeit mit dem Militär, verfolgten die Juni 1997 Bevölkerung in der Grenzregion zu Panama so mörderisch, daß diese nach Panama floh. Anstatt den Flüchtlingen Schutz zu bieten, ließen die panamaischen Behörden die Flüchtlinge wieder zurücktreiben (10 Sei- ten). 05 GUATEMALA Death Penalty (Internes Papier - Urgent E-Mail/Fax CASA-Aktion) Die AMR 34/26/97 Appelle dreier zum Tode verurteilter Polizisten wurden vom Verfas- Juli 1997 sungsgericht abgelehnt und die Vollstreckung könnte baldigst gesche- hen. 06 GUATEMALA Police convicted of killing street children released: relatives still AMR 34/32/97 wait for compensation (2 Seiten internes Papier). Vier Polizisten, die September 1997 für die Ermordung eines Straßenkindes verurteilt wurden, sind vorzeitig aus der Haft entlassen 07 HONDURAS Unfulfilled agreements and the targeting of indigenous leaders (7 AMR 37/06/97 Seiten internes Papier) September 1997 CASA Kogruppe
8 Rundbrief Oktober 1997 Sonstige Papiere zu unseren Ländern, die bisher in 97 erschienen sind GUATEMALA GUATEMALA-KAMPAGNE vom 22.4. bis Oktober 1997: Guatemala: AMR 34/02/97 State of Impunity, Broschüre in Spanisch oder Englisch mit Hintergrund Mai 1997 informationen zur Lage in Guatemala und 35 Punkte-Programm. GUATEMALA GUATEMALA-KAMPAGNE vom 22.4. bis Oktober 1997: Guatemala: AMR 34/03/97 Appeals against Impunity, Externes Papier von 28 liegt in deutscher April 1997 Übersetzung vor: Appelle gegen die Straflosigkeit. GUATEMALA GUATEMALA: 35 Punkte Programm zur Beendigung der Straflosig- AMR 34/07/97 keit und Forderungen an die Behörden. Dieses Papier ist in spanisch, April 1997 englisch und deutsch erhältlich. GUATEMALA GUATEMALA: Human rights violations and Impunity (53rd session AMR 34/08/97 of UN Commission on Human Rigths, Bericht und ai's Empfehlungen April 1997 GUATEMALA The Return to the Death Penalty. Hintergrundinformationen zur To- AMR 34/11/97 desstrafe und den gesetzlichen Bestimmungen in Guatemala März 1997 MEXICO The Arbitrary Expulsion of International Human Rights Monitors - AMR 41/17/97 Vilma Nuñez und Benjamín Cuellar wurden während einer Menschen- 30.04.1997 rechtsmission des Landes verwiesen. HRDN-Action: Human Rigths De- fenders Network. Government Authorities Lists gibt es neu zu folgenden Ländern: Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Nicaragua, CASA Kogruppe
Rundbrief Oktober 1997 9 CASA Kogruppe
10 Rundbrief Oktober 1997 CASA Kogruppe
Rundbrief Oktober 1997 11 CASA Kogruppe
12 Rundbrief Oktober 1997 CASA Kogruppe
Rundbrief Oktober 1997 13 CASA Kogruppe
Rundbrief Oktober 1997 13 GUATEMALA Situation der Menschenrechte aus Quellen von ai Im Dezember 1996 haben die guatemaltekische Regierung unter Präsident Arzú und die Guerilla – Bewegung URNG ein Friedensabkommen unterzeichnet, mit dem nun auch bereits vorher unter- zeichnete Abkommen in Kraft treten. Die Abkommen sollen u.a. eine Verbesserung der Menschen- rechtslage bewirken (dies war das einzige Abkommen, das mit der Unterzeichnung im März 1994 sofort in Kraft trat), die Rechte der Indigenen verbessern, es sind Regelungen für die Flüchtlinge vorgesehen und sozioökonomische Belange sind verhandelt worden. Obwohl das Abkommen, das eine Verbesserung der Menschenrechtssituation vorsieht, schon länger in Kraft getreten ist, haben amnesty international und andere Organisationen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen regist- riert und dokumentiert. Auch in diesem Jahr gab es eine Reihe von ernsten Menschenrechtsverlet- zungen, bei denen Angehörige von staatlichen Einrichtungen beteiligt waren oder aber Personen mit Wissen und Deckung staatlicher Institutionen gehandelt haben. Ein großes Problem stellt die Landverteilung in Guatemala dar. amnesty international bezieht keine Stellung zu Landkonflikten, wenn sich daraus aber Menschenrechtsverletzungen ergeben, tritt am- nesty international aktiv für die Menschenrechte ein. Im Januar vertrieb ein Großgrundbesitzer zusammen mit 100 schwer bewaffneten Männern Kleinbauern von einem Gelände, das der Verei- nigung für Erziehung und soziale Hilfe EDUCASISTA, Asociación y Asistencias Sociales, gehören soll. Der Großgrundbesitzer stellt dies in Frage. Bei dem Angriff wurde Frau Roas Pec Chub getö- tet und ihr Sohn Juan Rax Chub durch einen Schuß verletzt. amnesty international äußert sich besorgt darüber, daß der Großgrundbesitzer private Sicherheitskräfte anheuern und diesen Angriff durchführen konnte, ohne daß staatliche Stellen etwas dagegen unternommen haben. Personen, die sich für Ihre oder die Rechte anderer einsetzen, oder Beiträge zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen leisten, leben nach wie vor gefährlich. Sie sind ständigen Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Die Täter brauchen keine Strafverfolgung zu fürchten, da sie oftmals mit Kenntnis und Duldung von Behörden agieren oder aber dafür sorgen, daß die strafver- folgenden Behördenmitarbeiter ebenso eingeschüchtert werden. Im Februar wurde Gustavo Albizures von der Vereinigung zur Förderung der Sozialwissenschaften in Guatemala (AVANCSO) von zwei unbekannten Männern bedroht und tätlich angegriffen. In der folgenden Zeit erhielt die Vereinigung Drohanrufe, die sich u.a. gegen Helen Mack richteten. Ver- mutlich richten sich die Drohungen gegen die Vereinigung im Zusammenhang mit den Gerichtsver- fahren gegen Angehörige der Sicherheitskräfte, denen die Beteiligung an der Ermordung von Myr- na Mack Chang im Jahre 1990 zur Last gelegt wurde (nähere Hintergründe zu dem Fall Myrna Mack stehen in unserer Kampagenbroschüre). Im April und Mai wurde die Menschenrechtlerin María Francisca Ventura Sican sowie ihre Söhne von unbekannten Männern eingeschüchtert. Sie ist die Witwe des evangelischen Geistlichen Ma- nuel Saquic Vásquez, dessen Leiche am 7. Juli 1995 in einem namenlosen Grab gefunden wurde. Manuel Saquic war im Juni 1995 „verschwunden“, nachdem er von mutmaßlichen Angehörigen der Sicherheitskräfte verschleppt wurde. Er war Koordinator des Menschenrechtskomitees der Kaqchi- kel Maya und Zeuge einer weiteren Entführung gewesen. Frau Francisca Ventura bemüht sich um die Aufklärung der Ermordung von Manuel Saquic und ist bereits in der Vergangenheit schon öf- ters bedroht und schikaniert worden, in einigen Fällen sogar von Soldaten in Uniform. Im Juli feuerten mehrer Männer Schüsse auf das Haus der Menschenrechtlerin Felipa Aju ab. Sie ist Mitglied der Gruppe zur gegenseitigen Unterstützung der Angehörigen von „Verschwundenen“ (GAM). Ihr und zwei weitere Mitglieder dieser Gruppe, Senayda Cana Chanay und Emeterio Gómez, drohte man an sie umzubringen, wenn sie ihr Engagement für die Organisation nicht ein- stellten. Senayda Cana war im Februar 1995 von einem unbekannten angeschossen und schwer- verletzt worden, als sie ihr Haus verließ. Zur Zeit dokumentieren die drei Menschenrechtler Fälle von Menschenrechtsverletzungen, um sie der Wahrheitskommission zu übergeben. CASA Kogruppe
14 Rundbrief Oktober 1997 Es hat in der letzten Zeit eine ganze Reihe von Morddrohungen gegen Familienangehörige von Opfern von Armeemassakern oder von Menschenrechtlern, die an Exhumierungen von geheimen Massengräbern beteiligt sind, gegeben. Im September ist der Fotograf, Marion García, des ge- richtsmedizinischen Teams (EAFG) von einer Gruppe unbekannter Männer bedrängt worden, so daß Mitglieder von EAFG, den Friedensbrigaden und einer weiteren Organisation ihm zur Hilfe kommen mußten. Dieser Vorfall ereignete sich kurz nach der Exhumierung eines Massengrabes, bei dem vermutlich die Opfer eines Massakers von Mai 1978 verscharrt worden sind und etwa 100 Menschen getötet wurden. Die Indigenen und insbesondere diejenigen, die sich für eine Verbesserung ihrer Rechte oder die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen einsetzen, sind immer noch stark gefährdet und müssen ihre Arbeit unter Umständen mit dem Leben bezahlen. Tomás Alonzo Sequen, ein führen- des Mitglied der indigenen Gemeinschaft und als solcher war er u.a. Mitglied in der Nationalen Kommission für Landrechte, die im Rahmen der Friedensabkommen geschaffen wurde, ist im März in seinem Haus erschossen worden. Ein maskierter Mann in Armeeuniform drang in sein Haus ein und tötete ihn und sein Sohn vor den Augen der übrigen Familie. Ein weiterer Mann in Zivil wartete vor dem Haus. In einem weiteren Fall im August wurde die Menschenrechtlerinnen Felipa Toj Gómez und Manue- la Macaria Morales von sechs bewaffneten Männern in olivgrünen Uniformen gezwungen, ihr Haus zu verlassen. Die beiden Frauen gehören dem Rat ethnischer Gemeinschaften „Wir sind alle gleich“ (CERJ) an und veranstalten in diesem Rahmen Menschenrechtsworkshops für indigene Frauen. Den beiden Frauen wurde von zwei Gemeindemitgliedern unterstellt, daß sie der ehemali- gen Guerilla (URNG) angehörten. Obwohl die Friedensvereinbarungen in Kraft getreten sind und die Guerilla nun ihre Waffen abge- legt hat und sich in die zivile Gesellschaft zu integrieren versucht, wird, wie in dem eben beschrie- benen Fall, vielen ehemaligen Kämpfern vorgeworfen, Mitglieder der Guerilla gewesen zu sein und sie werden entsprechend schikaniert oder bedroht. In einem weiteren derartigen Fall ist der Bür- germeister von Santa Cruz del Quiché, Silverio Pérez de León, sowie zwei seiner Mitarbeiter, die alle der Oppositionspartei FDNG angehören, immer wieder Morddrohungen, Schikanierungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Dem Bürgermeister wurde u.a. vorgeworfen, daß er ein Lager, in dem sich Angehörige der Guerilla URNG zur Demobilisierung aufhielten, mit Lebensmitteln ver- sorgte. Der Mitarbeiter und Wahlkampfkoordinator der FDNG, César Augusto Gómez Rodríguez, wurde im März von Angehörigen der Polizei von Santa Cruz festgenommen, über acht Stunden festgehalten und dann ohne Anklageerhebung wieder freigelassen. Obwohl er bei der Staatsan- waltschaft eine Liste mit 14 Namen eingereicht hat, die er als die für die Morddrohungen Verant- wortlichen identifizierte, hat es seitens der Staatsanwaltschaft bisher keine Aktivitäten gegeben. Alberto Godínez, ein ehemaliges Mitglied der Guerilla URNG und örtlicher Vorsitzender der Klein- bauerorganisation CUC, wurde im Mai nachts von sechs ehemaligen Angehörigen des aufgelösten paramilitärischen, freiwilligen Selbstverteidigungskomitees (CVDC) überfallen und mit einer Axt verletzt. Obwohl diese Verbände aufgelöst wurden, sind die Mitglieder der CVDCs niemals für von ihnen begangene Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht worden. Da sie den Schutz der Militärs genießen, werden aus ihren Reihen weiterhin Menschenrechtsverletzungen begangen. Auch Gewerkschafter leben oft sehr gefährlich, wenn sie für die Verbesserungen ihrer Arbeitsbe- dingungen eintreten. Im März wurden die drei Gewerkschafter Eswin Rocael Ruiz Zacarías, Edwin Tulio Enríquez García und Belarnino González de León von Angehörigen der Sicherheitskräfte aus dem Montagebetrieb, in dem sie arbeiten, entführt und in einem Lieferwagen zu einer Polizeiwache gebracht, wo sie mißhandelt und gefoltert wurden. Bevor man sie freiließ, warnte man sie, nie- mandem von dem Vorgefallenen zu erzählen. Im Mai organisierten mehr als 100 Arbeiter einer Getreidemühle eine Demonstration und Mahnwa- che, nachdem das Werk geschlossen wurde und die Arbeiter zuvor einer innerbetrieblichen Um- strukturierung zustimmen mußten. Der Arbeiter Armando Mejía y Mejía wurde zwei Tage nach der CASA Kogruppe
Rundbrief Oktober 1997 15 Aktion von zwei schwerbewaffneten Männern in einem blauen Lieferwagen entführt, die drohten ihn zu töten, falls er ihnen keine Informationen gebe. Straßenkinder sind in Guatemala nicht mehr so starken Bedrohungen ausgesetzt, seitdem sich Organisationen wie Casa Alianza aktiv für diese Kinder einsetzt und auch Verurteilungen von Si- cherheitskräften erzielt hat, die für Menschenrechtsverletzungen an Straßenkindern verantwortlich waren. Dennoch hat ai auch hier immer wieder Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu doku- mentieren. Im März ist Luis Alfredo Bonilla Juárez, weil er sich nicht ausweisen konnte, von zwei Polizisten in einen Streifenwagen gezerrt und verprügelt worden. Nachdem die Organistaion Casa Alianza bei der Beschwerdestelle der Polizei eine Beschwerde eingereicht hat, wurde eine Unter- suchung des Falles eingeleitet, da sich die Anschuldigungen von Juárez als begründet erwiesen. Juárez wurde später von Polizeibeamten verfolgt, flüchtete jedoch vor ihnen. Im Juli erhielt ai Kenntnis davon, daß vier Polizeioffiziere, die im Jahre 1991 zu 12 Jahren Haft verurteilt wurden, bereits vor über einem Jahr wieder freigelassen wurden. Sie hatten im Jahr 1990 den 13-jährigen Nahamán Carmona López zu Tode getreten. Ein Gericht entließ die vier im August 1996 wegen guter Führung und weil sie während ihrer Haft gearbeitet hatten. Die Polizisten haben jedoch bisher keine Wiedergutmachung an die Familie des Opfers gezahlt, zu der sie ursprünglich verurteilt waren. Ein weiteres Thema für ai ist die Anwendung der Todesstrafe in Guatemala. Im September 1996 ist nach 13 Jahren zum ersten mal wieder die Todesstrafe angewandt worden. Die Erschießung der beiden Beschuldigten wurde sogar öffentlich im Fernsehen übertragen, wobei einer der beiden durch einen Gnadenschuß getötet werden mußte. Zur Zeit droht vier weiteren Personen akut die Todesstrafe, wobei jetzt die Vollstreckung per Giftspritze angewandt werden soll. Die Rechtslage für die Todesstrafe ist umstritten. Guatemalas Strafgesetzbuch von 1973 sieht die Todesstrafe für bestimmte Verbrechen vor. Im März 1995 hat der Kongreß ein Gesetz verabschie- det, das die Ausweitung der Todesstrafe vorsieht, welches aber vom damaligen Präsidenten in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist weder unterzeichnet wurde, noch hat er sein Veto dagegen ein- gelegt. Außerdem verstößt die Ausweitung der Todesstrafe gegen die Verpflichtungen von Guate- mala im Rahmen der Amerikanischen Menschenrechtskonvention, daß die Todesstrafe nicht auf Strafen ausgedehnt werden darf, für die sie zum Zeitpunkt der Ratifizierung der Menschenrechts- konvention nicht angewandt wurde. Einige der jetzt von der Todesstrafe bedrohten Personen fallen unter diese Regelungen, d.h. ihnen droht die Todesstrafe für ihnen zur Last gelegte Verbrechen, die laut der Amerikanischen Men- schenrechtskonvention nicht mit der Todesstrafe bestraft werden dürften. Für die beiden im Sep- tember hingerichteten Männer galt das gleiche. Abgesehen davon, daß es in einigen Fällen zu Unregelmäßigkeiten kam, so wurden u.a. Fehler bei der Identifizierung der Täter gemacht, wendet sich ai grundsätzlich gegen die Todesstrafe, weil sie eine Verletzung des Rechts auf Leben und des Rechts, keiner grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden, darstellt. Alle hier aufgezeigten Fälle stammen von UAs bzw. einer CASA, die im Laufe des Jahres zu Gua- temala herausgekommen sind. Die UAs sind ja nur einige Fälle, tatsächlich registrieren ai oder andere Organisationen weit mehr Fälle, wie auch das nachfolgende Kapitel noch zeigt. Trotz der Friedensabkommen besteht also noch kein Anlaß, die Aufmerksamkeit zu verringern. Langsam beginnen sich die Menschen in Guatemala ihrer Rechte bewußt zu werden und aktiv dafür einzu- treten. Damit sie das aber ohne Gefahr für ihr Leben tun können müssen wir sie weiterhin unter- stützen, indem wir die Menschenrechtsverletzungen bei den zuständigen Stellen in Guatemala anprangern und die Verfolgung und Bestrafung der Täter anmahnen, sowie in Deutschland auf staatliche Stellen Druck ausüben, daß in Regierungsverhandlungen die Menschenrechte ein The- ma sind. Da Guatemala nicht ein so wichtiger Handelspartner ist, haben wir hier bessere Voraus- setzungen, entsprechend Druck auszuüben. CASA Kogruppe
16 Rundbrief Oktober 1997 Weitere Hintergrundinformationen aus anderen Quellen Verschiedene Menschenrechtsorganisationen haben ihre Berichte über die Situation in Guatemala vorgelegt, die zu ähnlichen Resultaten gelangen wie ai. So hat der Menschenrechtsprokurator García Laguardia in seinem Bericht über das Jahr 1996 erklärt, es habe eine leichte Verbesserung der zivil-politischen Rechte des Einzelnen gegeben, während sich die Achtung der sozio-ökonomischen Rechte verschlechtert habe. Die bedrohliche Lage der inneren Sicherheit gehe darauf zurück, daß sich der Zugang der Bevölkerung zu den Basisdienstleistungen weiter eingeschränkt habe. Die Todesrate durch Gewalt ist 1997 gegenüber 1996 um 10 % gestiegen. Die Gruppe für gegenseitige Hilfe (GAM) hob hervor, daß die Beteiligung von Militärs an Raub, Drogenhandel und Entführungen zugenommen habe. Die Anzahl der Morde sei 1996 geringer ge- wesen als 1995, dafür sei die Anzahl der Entführungen beträchtlich angestiegen. Auch das Zentrum für Untersuchungen, Studien und Förderung der Menschenrechte (CIEPRODH) meint, daß die Menschenrechtsverletzungen abgenommen hätten, sich aber die sozialen und öko- nomischen Rechte zusehends verschlechtern. Hier wird berichtet, daß die National Polizei in extra- legale Hinrichtungen verwickelt sei. Für den Zeitraum Januar bis April 1997 hat das Zentrum fol- gende Menschenrechtsverletzungen registriert: Todesdrohungen 16 Vergewaltigungen 3 Attentate 13 Verletzte 13 Extralegale Hinrichtungen 102 Folter 7 Illegale Verhaftungen 2 Entführungen 25 Das Zentrum für gesetzliches Handeln für Menschenrechte (CALDH) hat im Frühjahr dieses Jah- res beim Generalstaatsanwalt Klage gegen den früheren Diktator José Efraín Ríos Montt einge- reicht, wonach er für die Massaker im Jahre 1982, begangen an Hunderten von Indigenen in Plan de Sánchez, Rabinal und Baja Verapaz, verantwortlich sein soll. Bereits Anfang Juli 1997 hat die Staatsanwaltschaft ein Gespräch mit Ríos Montt geführt, wobei der General jegliche Verwicklung verneinte. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft die ehemaligen Generäle Oscar Humberto Mejía Victores und Benedicto Lucas García wegen des Massaker in Dos Erres, das im Jahre 1982 statt- fand, vorgeladen. Laut der Staatsanwaltschaft geht es ihr allerdings nicht darum jemanden anzu- klagen, sondern über die damals angewandte Taktik von beiden Seiten mehr zu erfahren. Der Zusammenschluß von Menschenrechtsorganisationen Convergencia por la Verdad hat am 28. August der Wahrheitskommission ihren Bericht über Menschenrechtsverletzungen während des internen bewaffneten Konfliktes vorgelegt. In diesem Bericht werden 268 Fälle dokumentiert und 9000 Namen von „verschwundenen“ Personen sowie 6000 Fälle von extralegalen Hinrichtungen aufgeführt. Eine Gruppe von Militärs im Ruhestand ist dabei ein Protokoll über Verbrechen an Offi- zieren zu verfassen, die der Guerilla zugeschrieben wurden, vermutlich aber vom militärischen Geheimdienst begangen wurden. Das Projekt der katholischen Kirche zur Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses (REMHI) hat der Wahrheitskommission ebenfalls einen Bericht vorge- legt. Dieser Bericht enthält 20000 Menschenrechtsverletzungen und 503 Massaker. 6000 Zeugen- aussagen wurden gesammelt, wovon 45% aus der Provinz Quiché stammen, die am stärksten von den Auseinandersetzungen betroffen war. Laut REMHI sollen 70% der Täter Militärangehörige, 30% Angehörige der Paramilitärischen Zivilpatrouillen (PAC) und der Guerilla sein. CASA Kogruppe
Rundbrief Oktober 1997 17 In diesem Zusammenhang hat das Projekt REMHI darauf hingewiesen, daß auch die Guerilla Massaker verübt hat. Bei einer Exhumierung eines Massengrabes aus dem Jahre 1982, sagte REMHI, daß die Guerilla bei diesem Massaker 120 Personen getötet haben soll, die der Zusam- menarbeit mit den zivilen Verteidigungspatrouillen verdächtigt wurden. Insgesamt schätzt REMHI, daß die Guerilla für 10 Massaker verantwortlich ist, während die Militärs bzw. Paramilitärs für über 400 Massaker verantwortlich seien. Der Vorsitzende der Wahrheitskommission ist der Völkerrechtsprofessor an der Berliner Humboldt Universität, Prof. Christian Tomuschat. Tomuschat war von Juli 1990 bis Oktober 1993 unabhängi- ger Menschenrechtsexperte für Guatemala, ist also mit den Gegebenheiten in Guatemala bestens vertraut. Nach ihm übernahm Monica Pinto diese Position, die sie im Frühjahr dieses Jahres auf- gab. Tomuschat plant bereits, an den Amerikanischen Geheimdienst CIA heranzutreten, um eine Freigabe von Dokumenten mit Informationen über Massaker während des Krieges zu erreichen. Anfang des Jahres hat das CIA bzw. die Anfrage des Senators Torricelli an das CIA für ziemlichen Wirbel in den USA gesorgt. Danach hatte Torricelli 1995 in der New York Times behauptet, daß das CIA für schwere Menschenrechtsverletzungen in Guatemala und den Tod von US Bürgern verantwortlich ist. Ein daraufhin eingeleiteter Untersuchungsausschuß kritisierte das Vorgehen von Torricelli, kam aber zu dem Schluß, daß das CIA in Menschenrechtsverletzungen verstrickt war und davon Kenntnisse hatte. Die Ausschußmehrheit verneinte allerdings, daß das CIA von den Verbrechen von Col Julio Roberto Alpirez wußte, der an der Ermordung des US Bürgers Michael Devine und des Guerilleros Efraín Bámaca mitbeteiligt war und der auf der Gehaltsliste des CIA stand. Alpirez ist im Sommer von der guatemaltekischen Armee wieder eingestellt worden, nach- dem er vom Dienst suspendiert war. Im Mai veröffentlichte das CIA ein 1400-seitiges Dokument über die Rolle beim Sturz der gewähl- ten Regierung Jacobo Arbenz im Jahre 1954. Nach diesem Sturz gab es bis 1985 keine gewählten Regierungen, sondern Militärdiktaturen. Als Grund für den Sturz gab das CIA an, daß damals die Zeiten des kalten Krieges waren, es die gewählte Regierung für kommunistisch unterwandert hiel- ten und außerdem die guatemaltekische Regierung der US Firma United Fruit Company Land ent- eignet hatte. Das Dokument berichtet auch, daß es damals Überlegungen gegeben hat, Guatemal- teken, die eine bestimmte gesellschaftliche Rolle spielten, bei dem Umsturz zu liquidieren. Es soll eine Liste mit 58 Namen gegeben haben. Es hat auch ein paar Gerichtsentscheidungen gegeben, die es verdienen erwähnt zu werden. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat zugunsten der Nonne Dianna Ortiz (eine US- Bürgerin) entschieden, daß ihre Berichte über erlittene Folterungen in Guatemala durch staatliche Sicherheitskräfte der Wahrheit entsprechen. Diese Entscheidung zieht allerdings keine Konse- quenzen nach sich. Das Oberste Gericht hat einen Richter entlassen, der einen notorischen paramilitärischen Führer freiließ, dem über 150 Verbrechen vorgeworfen werden, u.a. auch die Anordnung von Massakern. Ein Gericht hat im Februar die Amnestieanträge von drei hochrangigen Militärangehörigen abge- lehnt, die für die Ermordung von Myrna Mack verantwortlich gemacht werden. Dieses Urteil wurde am siebten Jahrestag der Ermordung von Myrna Mack auch in einer Berufungsinstanz bestätigt. Dabei bezogen sich die Militärangehörigen auf das am 12. Dezember 1996 erlassene Amnestie- gesetz. Der Menschenrechtsprokurator Jorge García Laguardia hat gegen dieses Amnestiegesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt. Im Fall des Massakers von Xamán hat es im Februar erneut Verzögerungen gegeben, da sich die Beschuldigten ebenfalls auf das Amnestiegesetz berufen und Amnestieanträge gestellt haben, so daß zunächst diese Anträge geprüft werden. Aufsehen hat die Verurteilung von drei ehemaligen, hochrangigen Behördenvertretern (einen ex Polizei Chef und einen ehemaligen Innenminister) zu 10 Jahren Gefängnis im Fall des Studenten Alioto López verursacht. Die Hintergründe dieses Falls sind in der Kampagnenbroschüre näher dargestellt. CASA Kogruppe
18 Rundbrief Oktober 1997 Die Justiz klagt selbst darüber, daß sie Zielscheibe von Drohungen und sogar Attentaten sei. So wurde im Februar der Sicherheitschef des stellvertretenden Ermittlungsstaatsanwaltes niederge- schossen, sowie zwei weitere Männer bei diesem Attentat schwer verletzt. In einem Drohbrief ei- ner Todesschwadron wurden die Richter eines Gerichts aufgefordert, ihre Posten niederzulegen. Für ziemlichen Wirbel sorgte der Fall Mincho. Im August 96 wurde die Großindustrielle Olga Alva- rado de Novella von Rafael Baldizón Núñez (alias Isaías), einem Angehörigen der Guerillaorgani- sation ORPA (eine der vier Gruppen, die die URNG bildete), entführt. Isaías wurde durch den Ge- neralstab des Präsidenten (EMP) verhaftet und später im Austausch gegen die Entführte de Novel- la, auf Anordnung des Präsidenten Arzú, freigelassen. Die Mission der UN für Guatemala (MINU- GUA) hat dann erfahren, daß neben Isaías noch ein zweiter Mann der ORPA verhaftet wurde, nämlich Juan José Cabrera Rodas alias Mincho. Mincho ist bis heute verschwunden und sowohl die Regierung als auch die Guerilla behauptete, daß Mincho gar nicht existiere. Auf Grund der Ent- führung hatte die Regierung die Friedensverhandlungen unterbrochen, bis der Führer der ORPA, Rodrigo Asturias (alias Gaspar Ilom), von der Verhandlungsdelegation zurücktrat. Um die Frie- densverhandlungen nicht zu gefährden und weil beide Seiten die Existenz von Mincho leugneten, hat MINUGUA damals sich mit Untersuchungen und Veröffentlichungen zurückgehalten. Im Mai 1997 legte MINUGUA einen Bericht über den Fall Mincho vor, nachdem weitere Untersuchungen angestellt wurden. Der EMP wird darin vorgeworfen, daß sie regelmäßig Verhaftungen von Entfüh- rern durchführt, ohne daß die Zivil Polizei davon in Kenntnis gesetzt wird. Außerdem agiert sie regelmäßig gegen die Befehle des Präsidenten, überschreitet ihre Kompetenzen und benutzt ille- gale Methoden. Da Mincho seit seiner Verhaftung nicht mehr aufgetaucht ist, liegt die Vermutung nahe, daß er in den Händen des EMP gestorben ist. Der EMP wird für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht. Darum ist auch in den Friedensvereinbarungen festgelegt worden, daß diese Einheit aufgelöst wird. Trotz dieser Vereinbarung hat die Regierung eine Aufstockung des Etats für den EMP geplant. Die GAM hat deswegen die MINUGUA aufgefordert, gegen die Aufstockung zu intervenieren. Einen weiteren Verstoß gegen die Friedensvereinbarungen sehen viele Menschenrechtsorganisa- tionen in Guatemala in der Einsetzung des Militärs in der Kriminalitätsbekämpfung, zumal das Mili- tär für viele Menschenrechtsverletzungen verantwortlich war. Die Menschenrechtsorganisationen fordern daher, daß die neu zu schaffende nationale Polizei so schnell wie möglich die entspre- chenden Mittel bekommt und ausgebildet wird, so daß sie die entsprechenden Aufgaben über- nehmen kann. Die Friedensvereinbarungen sehen vor, daß eine nationale Polizei mit einer Stärke von 20000 Personen geschaffen werden soll. Von diesen 20000 Personen sollen 12000 Personen aus den alten Strukturen übernommen werden und die restlichen 8000 Plätze mit ehemaligen Guerilleros bzw Militärangehörigen, die auf Grund der Friedensvereinbarungen entlassen werden müssen, besetzt werden. Erste Trainings durch die Guardia Civil, der spanischen Polizei, sind angelaufen. Die nationale Polizei ist aber weder personell noch technisch in der Lage der zunehmenden Ge- walt zu begegnen, geschweige Herr zu werden. Im Juni hat es eine Welle von Gewalttaten in Gua- temala City gegeben, die rivalisierenden Banden, die im Rauschgifthandel tätig sind, zugeschrie- ben werden. Militärangehörige sollen ebenfalls im Rauschgifthandel verwickelt sein. Es hat des- wegen bereits Entlassungen von Offizieren gegeben, ohne daß es jedoch zu Anklagen gekommen ist. Im August verhaftete die guatemaltekischen Drogenabteilung der Zollpolizei (DOAN) in Zu- sammenarbeit mit der deutschen Polizei fünf Personen, darunter den schweizer Geschäftsführer und seinen Sohn von Nestlé Guatemala und den stellvertretenden Chef der Nationalpolizei von Antigua Guatemala. In einem anderen Fall wurde der Oberst Carlos René Ochoa Ruiz wegen Dro- genhandels erneut verhaftet. Der Verfassungsrichter, der der Auslieferung Ochoas an die USA im Jahre 1994 zugestimmt hatte, wurde kurz nach dieser Entscheidung ermordet. Ochoa hat zugege- ben, daß es seit über zehn Jahren ein Netzwerk von Militärs gebe, die im Drogenhandel involviert sind. CASA Kogruppe
Rundbrief Oktober 1997 19 Auch auf dem Land kam es zu bewaffneten Konflikten und kriminellen Handlungen, die zum Teil im Zusammenhang mit dem Rauschgifthandel stehen. So soll es in einigen Landesteilen auf Grund der unzureichenden materiellen und finanziellen Ausstattung der Polizei (es fehlt sogar das Geld für Benzin für die Einsatzfahrzeuge) praktisch rechtsfreie Räume geben. Der staatliche Landfonds FONAPAZ hat erklärt, daß es seine Versorgungsflüge im Ixil Triangle eingestellt habe, da bewaff- nete Gruppen seine Flugzeuge abschießen würden. Im Bergland von Guatemala hat es zwischen verschiedenen Gemeinden bewaffnete Grenzstreitig- keiten gegeben, bei denen 9 Personen getötet und über 45 verletzt wurden. Diese Grenzstreitig- keiten rühren oft daher, daß Flüchtlinge aus Mexiko nicht mehr in ihre alten Gebiete können, son- dern in neuen Gebieten angesiedelt werden, in denen bereits intern vertriebene Flüchtlinge leben. In anderen Fällen hat es Streitigkeiten gegeben, weil ehemaligen URNG Kämpfern Land zugewie- sen wurde und die benachbarten Bewohner dies nicht hinnahmen. Am 4. Juli sind 2740 und am 6. September 475 guatemaltekische Flüchtlinge aus Mexiko zurück- gekehrt. Die staatliche Flüchtlingskommission CEAR schätzt, daß 1997 und 1998 etwa 14000 Flüchtlinge aus Mexiko zurückkehren werden. Für alle diese Flüchtlinge müssen laut den Friedens- und individuell ausgehandelten Vereinbarungen Möglichkeiten der Ansiedlung und entsprechende Infrastrukturen geschaffen werden. Anfang September fand in Guatemala ein Treffen der Konsultativgruppe, ein Gremium aus Regie- rungen verschiedener Länder und internationaler Finanzinstitutionen, statt. Insgesamt wurde Gua- temala eine finanzielle Hilfe von 1,9 Millarde US$ in Raten nach der Unterzeichnung des Frieden- abkommens versprochen. Das Gremium monierte aber, daß die Steuereinnahmen viel zu niedrig seien (Guatemala hat die niedrigsten Steuereinnahmen in der gesamten Region). Verlangt wird eine Erhöhung der Steuereinnahmen von derzeit 8% auf 12%. Dies dürfte für Präsident Arzú ziem- lich schwierig werden, da die mächtigen Unternehmer, die ihm zur Macht verholfen haben, nicht gewillt sind mehr Steuern zu zahlen. Dies ist ein knapper Überblick über die augenblickliche Situation in Guatemala. Die Informationen stammen aus dem Mitteilungsblatt !Fijate! Nummer 113, 114, 136 und 137, herausgegeben von der Solidarität mit Guatemala e.V., dem Central America Update aus dem Zeitraum Februar bis September, herausgegeben von dem Center for International Policy’s Demilitarization Program (verantwortlich zeichnet Adam Isacson) und der CODEHUCA 5/97. Nahamán Carmona Lopez (13) wurde am 4.3.1990 von vier Polizisten zu Tode geprügelt. CASA Kogruppe
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