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Visit Nr. 2 Sommer 2020 Magazin von Pro Senectute Kanton Zürich www.pszh.ch Loslassen Weshalb der Abschied von Vertrautem so schwerfällt, gleichzeitig aber auch befreien kann.
INHALT Liebe Leserin, lieber Leser Loslassen – das sagt sich so leicht. Doch es fällt uns allen meist schwer. Auch im Alter, wenn das Loslassenmüssen zum treuen Begleiter wird. «Es sind oft kleine Dinge, an denen wir hängen, je länger, desto mehr», erklärt die Philosophin Annemarie Pieper auf Seite 12. Kurz Leben heisst Loslassen. Vermutlich liegt gerade Feri - ena und darin ein Geheimnis unseres Daseins. Denn wie ufen mög tha uns die ganze Natur unmissverständlich zeigt: lich lte Unser Leben folgt dem Kreislauf von Werden und Vergehen. Nur weil eine Frucht zu Boden fällt, kann Neues wachsen, Neues gedeihen. So wird hoffentlich auch die vorliegende Visit- 4 Willkommen zu Hause! Ausgabe mindestens zwei Körner der Erkenntnis pflanzen. Zum einen: Loslassen ist oft mit Tren- Es ist oft nicht leicht, sich von Vertrautem zu trennen. Doch Leben heisst So vielseitig wie das Leben ist, so individuell ist auch das Älterwerden. Ein schönes Zuhause zu haben und nungsschmerz verbunden. Denn es bedeutet Loslassen – und das kann befreiend und befruchtend sein. sich wohlzufühlen, bedeutet für jeden etwas anderes. Deshalb bietet die Senevita für jedes Bedürfnis das Verzichten, Verabschieden, Vermissen. Das soll- passende Angebot im Betreuten Wohnen und in der Langzeitpflege. Wir stehen für attraktives Wohnen, ten wir nicht kleinreden, sondern als natürlichen, individuelle Dienstleistungen und eine ausgezeichnete Gastronomie. auch schmerzlichen Prozess begreifen und akzeptieren. Und zum Zweiten: Nur wer sich mit Mehrere Standorte im Raum Zürich. Finden Sie Ihr neues Zuhause unter: www.senevita.ch Verstand und Herz aussöhnt mit dem Loslassen, schafft Raum für Neues. Für neue Erfahrungen, Senevita AG, Worbstrasse 46, Postfach 345, 3074 Muri b. Bern neue Entdeckungen, auch neue Freiheiten – für Telefon 031 960 99 99, kontakt@senevita.ch, www.senevita.ch neues Leben. Das Titelthema dieser Ausgabe stand übrigens seit geraumer Zeit fest. Es hat durch die Corona- 12 32 Pandemie ganz unerwartete Aktualität erhalten. Philosophin Annemarie Pieper (79) Den elterlichen Haushalt auflösen: Der weltweite Lockdown versetzt uns alle unver- über das Loslassen. ein Erfahrungsbericht. mittelt in die Situation, auf viele Gewohnheiten und viel Vertrautes verzichten zu müssen. Auch Pro Senectute Kanton Zürich musste auf viele LEBENSRAUM LEBENSLUST Kurse und Veranstaltungen verzichten und 4 Die grosse Angst vor dem 32 Abschied in Raten: Emotionen gleichzeitig das vielfältige Dienstleistungs- Loslassen beim Auflösen eines elterlichen angebot anpassen. 12 «Zweifel ist ein wichtiges Haushaltes Diese weitere Entwicklung werde ich selber aus Instrument für uns»: Im 36 Die «Freitagsbummler» neuer Warte verfolgen und unterstützen. Denn Gespräch mit der Philosophin 38 Frühlingswanderung im per Ende Juni werde ich regulär pensioniert und Annemarie Pieper Unteren Aaretal Foto Titelseite : Daniel Rihs ; Seite 3: Sandra Ardizzonei, Sasi Subramaniam, Adobe Stock Individuell mobil darf nach fast 13 Jahren den Vorsitz der Geschäfts- leitung von Pro Senectute Kanton Zürich an mei- 16 Wie die Umzugskoordinatorin Rita Rupp Reiter Menschen hilft 42 Rätsel 44 Marktplatz Unsere Auswahl an vielfältigen Hilfsmitteln ne Nachfolgerin Véronique Tischhauser-Ducrot 45 Impressum 46 Goldene Zeiten: Kluger Rat – ermöglicht Ihnen eine einfachere und übergeben. Ich tue dies mit Zufriedenheit und LEBENSART selbstständigere Bewältigung Ihres Alltags. einem grossen Dankeschön an den Stiftungsrat, Notvorrat an alle Mitarbeitenden und Freiwilligen unserer 18 Berufsmusiker und Fluglehrer Unsere Angebote Conrad Zwicky (74) blickt auf Markenunabhängige Beratung, Verkauf, Service und Organisation, an alle bewundernswert engagier- ein spannendes Leben zurück BEILAGE AKTIV ten Menschen in unserer Stiftung. Und mit den Reparatur von Hilfsmitteln. Individuelle Anpassung auf 22 Interview mit Franjo Ambrož Agenda mit Veranstaltungen allerbesten Wünschen für Sie, liebe Leserinnen Ihre Bedürfnisse, Ersatzrollstühle bei Reparaturen, Show- 25 Tipps zum Thema und Kursen von Pro Senectute und Leser. Bleiben Sie room zum Ausprobieren und Vergleichen der Hilfsmittel, 26 Ratschläge in Zeiten von Kanton Zürich zuversichtlich, bleiben 7 Tage Servicebereitschaft. Corona, um zuhause nicht Sie solidarisch engagiert – zu vereinsamen und vor allem: Bleiben Sie Neugrundstrasse 4 28 Was Werner Wäfler als Sport- gesund! 8620 Wetzikon leiter von Pro Senectute Kanton www.iwaz.ch/rehatech rehatech@iwaz.ch Zürich erlebt +41 (0)44 933 23 90 Franjo Ambrož Vorsitzender der Geschäftsleitung Auf dem Titelbild: Marcel Bernet (Seite 8) Visit Sommer 2020 3
LEBENSRAUM Die grosse Angst vor dem Loslassen Die Kinder loslassen, weil sie sich ein eigenes Leben aufbauen wollen. Sich endlich vom Partner trennen, der nicht zu einem passt. Die Berufung statt den Beruf wählen und den Job sausen lassen, an dem man schon lange nicht mehr hängt. Immer wieder durchleben wir Situationen, die eine Änderung erfordern oder erfordern würden. Doch Loslassen ist leichter gesagt als getan. Wir stehen uns oft selber im Weg. Text: Markus Sutter Foto: Daniel Rihs Vor kurzem habe ich an der Beerdigung einer Tante Das Loslassen habe sie zwar geschmerzt, ihr sei teilgenommen. Die Pfarrerin machte die Trauer- aber auch immer klar gewesen: «Kindern schenkt gemeinde darauf aufmerksam, dass die Ab man nicht das Leben, um sie lebenslang an sich dankung ausnahmsweise auf Video festgehalten zu binden.» werde, und bat um Verständnis. Ein Sohn der Sie freute sich jedoch, dass die Familie ihres Verstorbenen lebe in Südafrika und könne leider Sohnes sie nach Möglichkeit im Sommer besuchte, nicht am Anlass teilnehmen. Er habe sich aber wenn in Südafrika Winter war. Mit ihrem inzwi- noch vor wenigen Wochen bei seinem letzten schen schon lange verstorbenen Mann hat meine Besuch von seiner Mutter verabschieden können. Tante sogar einmal selber die lange Reise in den Dieser Sohn zog bereits im Alter von rund 20 Süden auf sich genommen und kehrte voller po- Jahren nach Afrika, heiratete später und baute sitiver Erinnerungen zurück. Sie war sich jetzt sich dort seinen Lebensmittelpunkt mit zwei Kin- sicher, dass ihr Sohn dort unten ein Leben nach dern auf. Ich habe mit meiner Tante ein paar Mal seinen Träumen führt. Dieses Gefühl habe den darüber gesprochen, wie sich dieser Abschied Abschiedsschmerz kompensiert. damals anfühlte. Ihr Sohn habe schon in seiner Doch nicht nur das Loslassen von geliebten Jugend davon geträumt, die Schweiz möglichst Menschen bereitet Mühe. Wir tun uns auch nicht bald zu verlassen, sobald sich eine berufliche leicht, eine Beziehung aufzulösen, selbst wenn Möglichkeit im Ausland abzeichne, erzählte sie. wir spüren, dass eine Trennung vermutlich das 4 Visit Sommer 2020 5
LEBENSRAUM Beste für alle wäre. Oder wir trennen uns nicht mögliche Ursachen zurück. «Du hast emotionale Sich mit der eigenen Geschichte beschäftigen vom Job, obwohl er uns schier krank macht. Ja, Wunden aus deiner Kindheit, die du nicht verar- «Die grösste Verführung im Leben ist, aus Angst wir können uns manchmal sogar kaum von Ge- beitet hast. Oder du liebst dich nicht selbst und nichts zu verändern, nichts zu fühlen, nichts zu genständen trennen, obwohl sie in der Wohnung bist auf die Liebe von anderen angewiesen.» riskieren, nicht zu leben», lautet ein Zitat aus Mor- viel Platz versperren und uns nicht einmal beson- Allen Status-quo-Anhängern wider Willen gibt genthalers Buch «Aussteigen – Umsteigen». Viele ders gefallen. die Bloggerin folgenden Ratschlag auf den Weg: konzentrierten sich leider primär darauf, die «Die Kernfrage lautet, ob man sich eher «Wenn du leidest, ist jede Veränderung, die in dei- Erwartungen anderer zu erfüllen. Ergiebiger wäre Rituale geben Sicherheit nem Sinne ist, eine positive Veränderung. Wenn es, sich einmal vertieft mit der eigenen Geschich- als Regisseur seines Lebens oder als Opfer Ursachenforschung ist gefragt. Schon Kinder, sa- du so weiterlebst, wirst du in ein paar Wochen, te zu beschäftigen, sich zu fragen, was einen von Umständen sieht.» gen Psychologen, möchten doch am liebsten, dass Monaten oder Jahren feststellen, dass du nichts berührt und was man wirklich tun will. «Wer bloss Mathias Morgenthaler sich gar nichts verändert und selbst Rituale im- getan hast, ausser wertvolle Lebenszeit zu ver- aus Angst vor dem Unbekannten am Gewohnten mer die gleichen bleiben. Vor dem Schlafengehen schwenden.» festhält, kann sich gar nicht ausmalen, welche muss die Mutter oder der Vater immer noch eine Überraschungen das Leben zu bieten hat.» Geschichte vorlesen. Zum Loslassen im Beruf Die grössten Widerstände gegen Veränderung Frühstück gibt es das Auch im Beruf gibt es trotz grundsätzlich hoher seien nicht im Aussen zu finden, sondern im Schon Kinder, sagen Lieblingsgetränk. Und ge- Arbeitszufriedenheit in der Schweiz immer noch eigenen Kopf. «Meist fehlt es am Mut, einen spielt wird ununterbro- ein beträchtliches Potenzial an Beschäftigten, die Schritt ins Unbekannte zu wagen.» Das grösste Psychologen, möchten am chen das Lieblingsspiel. ihrem Arbeitsplatz am liebsten den Rücken keh- Risiko sei nicht, dass man dabei scheitere, son- Nachdenken über das Loslassen liebsten, dass sich gar nichts Die Routine gibt einem ren und etwas anderes – manchmal ganz Neues dern dass man aus Angst gar nichts wage. «Wer Der Ort ist ideal gewählt: Auf dem Friedhof am Kind Sicherheit. Und ge- – anfangen möchten. «Aber weil sie keine Ahnung scheitert, wird gescheiter – wer alle Risiken ver- verändert und Rituale immer nau diese Sicherheit nach haben, wo sie eigentlich stattdessen hinwollen, meiden will, erstarrt.» Hörnli in Basel stechen einem gleich beim Ein- tritt riesige Holzbuchstaben ins Auge, zuerst die gleichen bleiben. Liebe, Geborgenheit oder verharren sie wie ein paralysiertes Kaninchen vor bloss drei Wörter: Zeit Los Lassen. Der Berner Vertrauen suchen wir auch der Schlange in einer suboptimalen Situation. Sie «Jetzt erst recht» Schauspieler und Schrift-Steller im wahrsten als Erwachsene. Denn Ver- werden von den Umständen gelebt, statt ihr Leben Ist es aber heute im Zeitalter des Coronavirus und Sinn des Wortes, Matthias Zurbrügg, in Fällan- änderungen bedeuten Stress, Ungewissheit und in die Hand zu nehmen und selbst zu bestimmen, grosser Unsicherheiten immer noch angebracht, den ZH aufgewachsen, hat diese Ausstellung Unsicherheit. Deshalb finden sich viele lieber mit was Sache ist.» sich Gedanken über seine Berufung zu machen? konzipiert. Verteilt auf das ganze, rund 50 einem bestehenden unbefriedigenden Zustand ab, Das sind Worte von Detlef Soost, einem «Spie- «Jetzt erst recht», findet Morgenthaler. «Leidens- Hektaren grosse Gelände sind teilweise gut als sich auf unerprobtes Neues einzulassen. gel» Bestseller Autor. «Überwinde deine Ängste druck beschleunigt Veränderungen», ist er über- sichtbare, teilweise eher versteckte Wörter zu und lebe dein Leben», lautet der massgebende zeugt. «Wenn vieles von dem wegfällt, was uns entdecken, Poesie am Ort der letzten Ruhe. Faktor Angst ... Tipp in seinem Buch mit dem Titel «Scheiss drauf, sonst auf Trab gehalten hat, rückt das Wesentliche Der Initiant der Ausstellung möchte Besucherin- Simone Sauter-Krol weiss nicht nur aus persönli- mach’s einfach» (Piper-Verlag, 2020). Mit der rich- in den Vordergrund – und damit auch die Frage, nen und Besucher ermuntern, über das Leben, cher Trennungs-Erfahrung, worüber sie spricht. tigen Einstellung sei fast alles möglich. «Ängste worauf wir wirklich brennen.» das Ende des Lebens, das Loslassen nachzu- Sie betreibt laut eigenen Angaben auch den gröss- verkrümeln sich, wenn man mit ihnen Tango tanzt Das Coronavirus habe uns vor Augen geführt, denken. ten deutschsprachigen Liebeskummer-Blog na- und mutig vorangeht.» dass es im Leben keine wirklichen Sicherheiten mens «From Pain to Power» mit monatlich über gebe. Den Job könne heute jeder auch bei lang Die Freiluftausstellung besteht aus insgesamt 85 000 Leserinnen und Lesern. Sie listet mehrere Regisseur oder Opfer? jähriger Treue zum Arbeitgeber unerwartet und 26 über die ganze Anlage verteilten Wortbildern, Gründe auf, warum wir uns mit dem Loslassen Solche Menschen, die in ihrem Leben etwas Neu- schnell verlieren. Zudem lohne es sich nicht, sich die zwischen 40 Zentimeter und vier Meter einer Beziehung oft so schwertun, obwohl die Ver- es wagen und unbekanntes Terrain erforschten, einzig auf finanzielle Absicherung zu konzentrie- gross und mehrheitlich aus naturbelassenem nunft dafür spricht. um sich einen Traum zu erfüllen, gibt es durchaus. ren, findet Morgenthaler. «Das Risiko, mittellos zu Tannenholz gezimmert sind. Die Ausstellung Eine zentrale Rolle spiele der Faktor Angst. Die Der Journalist und Coach Mathias Morgenthaler werden, ist in der Schweiz sehr klein. Wir sind im dauert noch bis zum 16. August 2020. Sie ist frei Angst vor dem Alleinsein, die Angst, die eigene hat über 1000 Interviews mit solchen Aus- und internationalen Vergleich extrem privilegiert und zugänglich. Komfortzone zu verlassen, die Angst, dass wir den Umsteigern geführt und während vieler Jahren könnten es uns deshalb leisten, in sinnvolle www.matthiaszurbruegg.ch Partner verletzen, weil wir für ihn eine Verant- Woche für Woche in der Rubrik Beruf+Berufung Tätigkeiten und Lebendigkeit zu investieren.» Tipp wortung tragen, sowie die Angst, die eigene Ent- im «Bund», im «Tages-Anzeiger» und anderen Zei- Selbst die schönste aufgebaute Altersvorsorge sei scheidung eines Tages doch wieder zu bereuen. tungen publiziert. nur ein kleiner Trost, «wenn man innerlich schon «Die Kernfrage lautet, ob man sich eher als tot ist und seine Träume nicht gelebt hat». ... und emotionale Abhängigkeit Regisseur seines Lebens oder als Opfer von Deshalb wären wir gut beraten, öfter und mu- Es gibt aber auch Menschen, die bei ihrem Partner Umständen sieht», sagt Mathias Morgenthaler. tiger loszulassen, wenn sich ein Weg als Sackgas- bleiben, weil sie glauben oder hoffen, dass er sich «Sich als Opfer von Umständen zu sehen, ist we- se entpuppt hat, findet Morgenthaler. «Denn das eines Tages doch noch ändern wird. Ein weiterer sentlich einfacher.» Wir fänden immer wieder Leben ist nicht primär eine Prüfung oder eine Grund für das Nicht-Loslassen-Können ist laut Ausreden, um etwas nicht zu tun, uns nicht zu Durchhalteaufgabe, sondern eine Entdeckungs- Sauter-Krol die emotionale Abhängigkeit vom verändern. Morgenthaler erzählt das Beispiel reise.» Partner. Man sei süchtig nach unermüdlicher einer Frau, die schwer an ihrer Arbeit litt, aber Aufmerksamkeit, brauche Zuwendung und Bestä- dennoch von einer Kündigung absah. «Sie müsse In seinem neuen Buch «Out of the Box» (Zytglogge tigung. ausharren im Job, damit ihr Sohn studieren kön- Verlag) schreibt Mathias Morgenthaler vom Glück, Das geradezu krampfhafte Festhalten an einer ne, brachte sie als Argument vor. Doch der Sohn die eigene Berufung zu erleben. Nähere Infos unter problematischen Verbindung führt sie auf zwei war damals erst vier Jahre alt.» www.beruf-berufung.ch 6 Visit Sommer 2020 Visit Sommer 2020 7
LEBENSRAUM Loslassen im Beruf: Marcel Bernet ist kein typischer Aus- oder Umsteiger, der irgendwann die Nase von seinem Job voll hatte, losliess und Noch das Beste Vom PR-Chef zum Künstler sich ab dann nur noch um seine Berufung kümmerte. Der Mann scheint auch nicht aus dem Leben machen Marcel Bernet (61), Bülach zu jener Kategorie Menschen zu g ehören, Rainer Berchem (80), Zürich die im höheren Alter plötzlich vom Gefühl geplagt werden, sie hätten Jahr- zehnte zuvor die Weichen im Leben Was Loslassen bedeutet, kann Rainer noch ein paar Meter fortbewegen. Dass Geradezu den Boden unter den Füssen falsch gestellt, und diesen Schritt im Berchem aus eigener Erfahrung erzählen. er kaum eine Privatsphäre besitze und weg zog ihm aber der Tod seiner Frau Nachhinein bereuen. Im Gegenteil: Er In mehrfacher Beziehung. Heute verbringt zum Beispiel beim Anziehen immer auf vor vier Jahren. Mit ihr war er ein halbes blicke mit einer gewissen Demut auf sein der Mann seinen Lebensabend in einem Unterstützung angewiesen sei, falle Jahrhundert verheiratet. Dieses Loslassen Leben zurück. Und: «Ich würde wieder Alters- und Pflegeheim in Zürich und ist ihm nicht leicht, sagt er. Auch den neuen sei für ihn ein wirklicher Schock gewesen, alles gleich m achen.» mobilitätsmässig stark eingeschränkt. Wohnort im Alters- und Pflegeheim sagt der Mann, der in seinem Berufsleben Das sagt Marcel Bernet, Bildhauer mit Trotzdem versucht er dem Leben noch hat er nur bedingt freiwillig gewählt. als Klimatechniker für die Optimierung Atelier in Bülach und Coach, heute im positive Seiten abzugewinnen. «Das Miethaus, in dem ich wohnte, von Heizungs- und Lüftungsanlagen zu- Alter von 61 Jahren aus einer grossen «Alle sprechen von Quarantäne, ich weiss wurde total saniert.». So richtig über- ständig war. zeitlichen Distanz. Zwar habe er schon schon lange, was das ist», scherzt Rainer rascht sei er vom Entscheid des Vermie- Sich von Liebgewordenem verabschieden, in seiner Jugend davon geträumt, eines Berchem. Während das Leben vieler ters allerdings nicht gewesen. Trotzdem: Trennungsschmerz durch den Verlust Tages ein Künstler zu werden. Aber am Menschen im Zeitalter von Corona zu- Das Loslassen von seiner Wohnung enger Angehöriger überwinden: Das Ende der obligatorischen Schulzeit wählte nehmend eingeengt wird, ist das beim bereitete ihm etliche Mühe. «Ich wäre gehöre halt zum Leben. Passiv im Zim- er trotzdem einen krisensicheren Weg 80-Jährigen schon länger der Fall. Rund gerne noch dort geblieben, aber es ging mer herumsitzen und alten Zeiten nach- und absolvierte eine Banklehre statt die vier mal vier Meter würden die Dimen auch aus gesundheitlichen Gründen trauern ist aber nicht sein Ding. Speziell Kunstgewerbeschule. «Ich wollte finan sionen seines Zimmers im Alters- und nicht mehr.» Eine unheilbare Nerven- interessiert sei er an Kunstgeschichte ziell unabhängig werden. Dank einem Pflegeheim Schmiedhof in Zürich betragen. krankheit machte ihm immer mehr zu und Musikwissenschaften sowie an guten Lohn als KV-Lehrling war das mög- Und ohne fremde Hilfe könne er sich nur schaffen und tut es weiterhin. Malerei. lich», erzählt er. Und zudem habe er sich selbstkritisch gefragt, ob er als Künstler wirklich auf eigenen Beinen werde stehen INSERAT können. Statt als Künstler tätig zu sein, führte er Sonnmatt deshalb über 20 Jahre erfolgreich und zufrieden ein PR-Unternehmen im Raum Zürich, bevor er es dann dem Manage- tut gut. ment verkaufte. Das Loslassen zehn Jahre vor dem offiziellen Pensionierungsalter hatte damit zu tun, dass er etwas Neues ausprobieren wollte und inzwischen auch genau wusste, was: Er entdeckte die Liebe zum Rohstoff Holz und widmete sich fortan schwergewichtig, aber nicht exklusiv der Holzbildhauerei. Denn ein volles wirtschaftliches Risiko wollte er auch jetzt nicht eingehen, weil man ja nie wisse, ob man als Künstler etwas verkaufen könne. So ist er auch heute noch einen Tag pro Woche als Coach tätig. Heute, im Herbst des Lebens, gehe Raum Gesund werden, gesund bleiben, auf, er könne zu ernten beginnen. Die gelassen altern. Zeit familiärer Verpflichtungen sei vorbei, der finanzielle Spielraum grösser. Er begreife alle, die keinen Bruch in ihrem Sie erreichen uns telefonisch Berufsleben anstrebten und lieber ihrer unter 041 375 32 32 langjährigen Arbeit treu bleiben würden. Als Paradebeispiel dafür erwähnte Marcel Bernet seine Frau, die in ihrem Beruf als www.sonnmatt.ch Hebamme stets voll aufgegangen sei. Inserat-Visit-2019-188x122-02.indd 2 08.01.19 08:09 8 Visit Sommer 2020 Visit Sommer 2020 9
LEBENSRAUM «Emotionen sind vergangen, Was geht in Eltern und Grosseltern vor, deren Sohn mit seiner Familie für immer in die USA auswandern will? Eva und die Liebe ist geblieben» Hansruedi Ott aus Unterengstringen ZH haben diesen schwierigen Ablösungs Eva Ott (76), Unterengstringen prozess vor ein paar Jahren erlebt. Heute Bei Vergesslichkeit und sind sie darüber hinweggekommen. Am schwierigsten war es, als ihr Sohn Konzentrationsmangel Stefan die Schweiz 2012 wieder verliess, um sich mit seiner Familie definitiv in den USA niederzulassen. Dort hatte er 2000–2006 mit seiner amerikanischen Frau und zwei Kindern, Elke und Ursula, bereits gelebt. Die beiden Enkelkinder waren den Gross- eltern besonders stark ans Herz gewach- sen. «Auch die Mädchen fühlten sich in der Schweiz wohl, sprachen fliessend Deutsch», sagt Eva Ott (76). Die beiden Kleinen hatten aber eine Leseschwäche und sollten ausschliesslich in Englisch, ihrer Muttersprache, unterrichtet werden. Die Mutter sei überzeugt gewesen, für Elke und Ursula in den USA eine bessere schulische Förderung auf privater Basis gefunden zu haben, direkt neben der Wohnung in New York. 1x Wie hat sie sich aus diesem emotionalen Loch befreien können? «Ich habe mit autogenem Training viel erreicht», erin- nert sich Eva Ott. Viel geholfen habe ihr in dieser Zeit auch die Pro Senectute Kanton Zürich. Dort klopfte sie an, um täglich eine Art Ersatz(beschäftigung) anstelle ihrer Enkelinnen zu finden. «Ich hatte ein grosses Bedürfnis, mit Kindern zusam- men zu sein.» An der Primarschule Ober- engstringen wurde ihr als «Seniorin im Klassenzimmer» eine erste Klasse ver- mittelt. «Ich hatte grosses Glück mit den Lehrpersonen und den Kindern. Sechs Jahre durfte ich mithelfen – mit dem grössten Vergnügen. Ein Sprichwort sagt, dass die Zeit Wunden heilt. War das auch bei den Otts der Fall? Eva Ott: «Die Emotionen sind vergangen, die Liebe geblieben», sagt sie heute. «Der Verlust schmerzt nicht mehr.» Inzwischen habe sie auch realisiert, dass der Standort USA für die ganze Familie eine gute Lösung gewesen sei, nicht nur für die Schwiegertochter, sondern auch für ihren Sohn und die beiden Enkelinnen. «Alle sind heute zufrieden.» Dies ist ein zugelassenes Arzneimittel. Lesen Sie die Packungsbeilage. Tebofortin_uno240_Anzeige_188x250mm_DE_FR.indd 1 07.04.20 10:18 10 Visit Sommer 2020
LEBENSRAUM «Zweifel ist ein wichtiges Einfach loslassen – das sagt sich so einfach. Warum fällt es uns Menschen denn so schwer, etwas an unseren Gewohnheiten oder in Ratgeber halten selten, was sie versprechen. Wir sind Individualisten und befinden uns in unter- schiedlichen Lebenszusammenhängen. Da sind Instrument für uns» u nserem Leben zu verändern? pauschale, nicht speziell auf die einzelne Person Annemarie Pieper: Das Gegenteil von Loslassen zugeschnittene Handlungsanweisungen nicht bietet vielleicht eine erste Antwort: Wir wollen hilfreich und verpuffen rasch. etwas, das sich lange Zeit bewährt hat, festhal- ten. Es gibt uns festen Halt und ist damit ein ver- Schwingt beim Prozess des Loslassens auch Annemarie Pieper, ehemalige Professorin für Philosophie an der Universität Basel und lässlicher Leitfaden im Leben. An diesen klam- Angst mit – letztlich auch die Erkenntnis, dass Buchautorin, spricht mit Visit über das Loslassen und die damit verbundenen Emotionen, mern wir uns auch dann, wenn etwas brüchig wir selbst auch vergänglich sind? Schmerzen und Glücksgefühle. wird: eine Beziehung, die existenziellen Verhält- Loslassen ist immer mit Verlust verbunden. Ver nisse, unser Lebensplan. lustängste stellen sich ein, wenn etwas unwieder- Text: Robert Bösiger Foto: Sandra Ardizzone bringlich verloren ist und ein Wir alle müssen doch von klein auf loslassen. gleichwertiger Ersatz fehlt. Die Und trotzdem fällt es uns bis ins hohe Alter Einsicht, dass wir irgendwann «Oft wird der richtige schwer. Liegt das womöglich daran, dass meis auch einmal das Leben loslas- Zeitpunkt für einen als tens Gefühle im Spiel sind? sen müssen, stellt die Sinnfrage Was einem lieb und teuer ist, lässt man ungern los. in den Raum. Lohnt sich das wünschenswert erkannten Es sind oft kleine Dinge, an denen wir hängen, je Dasein überhaupt? Ausstieg verpasst.» länger, desto mehr: Fotos, alte Kleidungsstücke, nostalgische Erinnerungen, auf die wir nicht ver- Welches sind Ihrer Erfahrung nach die zichten wollen, da uns mit ihnen auch eine starke schwierigsten Arten des Loslassens? emotionale Komponente verbindet, durch die ein Wenn man ohnmächtig ist, ein Verhängnis abzu- Stück gelebtes Leben präsentiert wird. wenden, und sich damit abfinden muss, etwas gehen lassen zu müssen, das uns viel bedeutet. Oft sind mit dem Loslassen Schmerzen ver bunden. Es ist doch erstaunlich, dass wir sogar Vermutlich macht es einen Unterschied, leiden, wenn wir uns von Materiellem trennen – ob es sich um ein freiwilliges oder ein quasi zum Beispiel einem alten Auto oder einem erzwungenes Loslassen handelt? Möbelstück. Wenn der Arbeitgeber uns entlässt oder der Ehe- Gerade materielle Gegenstände, die als solche partner uns vor die Tür setzt, ist das schmerz eine sinnliche Qualität besitzen, möchte man licher, als in einem sportlichen Wettkampf den eben deshalb behalten, weil ihr Anblick schon seit Sieg gegen einen überlegenen Partner aus der langem unsere Augen erfreut, weil sie sich so Hand zu geben. Aber es ist auch nicht immer wunderbar anfühlen, weil ihr Geruch an ein- leicht, sich selbst davon zu überzeugen, dass es drückliche Erlebnisse erinnert. Sie bieten oft an der Zeit ist, mit etwas Vergangenem abzu- Trost in düsteren Zeiten. schliessen, damit andere übernehmen können. Es dauert manchmal, bis man die Chance sieht, die Viele Menschen können nicht loslassen, zum in der Konzentration auf neue Horizonte liegt. Beispiel ihren Job oder ihr Geschäft, obwohl sie das schon lange tun möchten. Sie haben Sollte das Loslassenkönnen nicht mit steigen Angst, dass es schiefläuft. Gehören Zweifel dem Alter einfacher werden, weil man im Ver zum Menschen oder nur zu Pessimisten? laufe des Lebens hoffentlich erkannt hat, dass Der Zweifel ist ein wichtiges Instrument für rati- das Loslassen auch befreien und im besten Fall onale Lebewesen, die sich nicht ungeprüft auf neuen Raum und Perspektiven schaffen kann? etwas verlassen, sondern stets kritische Verglei- Im Alter leidet manchmal die körperliche Beweg- che mit bereits gemachten Erfahrungen anstellen lichkeit, was oft auch zu einer gewissen Immobi- Im Alter von 60 Jahren liess sich Philosophie-Professorin Annemarie Pieper frühzeitig pensionieren. und daraus ihre Schlüsse ziehen. Aber oft wird lität in der Sicht der Dinge führt. Eingefleischte der richtige Zeitpunkt für einen als wünschens- Vorurteile und der so genannte Altersstarrsinn wert erkannten Ausstieg verpasst — eben weil verschliessen vielen die Augen vor neuen, drin- «Altersweisheit steht heute, wo es man, möglicherweise aus Selbstüberschätzung, gend notwendigen Perspektiven. Sie beharren auf sehr viele die Generationenpyramide nicht loslassen kann. überlebten, den veränderten Situationen und für die Lösung von Konflikten nicht mehr angemes- belastende alte Menschen gibt, Was sagen Sie zu den vielen Ratgebern, senen Ansichten. Andererseits wurden in den nicht besonders hoch im Kurs.» in denen die Rede ist, dass im Leben mit vergangenen Zeiten gerade die Stammes- oder der richtigen Einstellung und den richtigen Dorfältesten für ihre Weisheit gerühmt, da sie Ged anken nahezu alles möglich sei? aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung im Besitz 12 Visit Sommer 2020 Visit Sommer 2020 13
LEBENSRAUM von Urteilskraft und einer für die Gemeinschaft unverzichtbaren Problemlösungskompetenz wa- Persönlich 100 ren. Altersweisheit steht heute, wo es sehr viele, Annemarie Pieper (79) war von 1981 bis 2001 an die Generationenpyramide belastende alte Men- der Universität Basel Professorin für Philosophie. schen gibt, nicht besonders hoch im Kurs. Doch Als eine der ersten Frauen wurde sie nach Basel Anthroposophisches der Beitrag, den Grosseltern für ihre Enkelkinder berufen – auf den Lehrstuhl von Karl Jaspers Alters- und Pflegeheim Sonnengarten erbringen, ist ein unschätzbarer kollektiver Wert. (1883–1969). Im Alter von 60 Jahren liess sie Hombrechtikon sich frühzeitig pensionieren. Seither beschäftigt Braucht ein Mensch Visionen, um loslassen sie sich weiter mit Philosophie und schreibt und sich auf etwas Neues einlassen zu können? Romane; die Liste ihrer Publikationen ist lang. RINGVORLESUNGEN Oder gilt eher der Satz von Altbundeskanzler Einem grösseren Publikum in der Schweiz ist sie Helmut Schmidt: «Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen»? bekannt, seit sie beim Schweizer Fernsehen die Sendung «Sternstunde Philosophie» moderierte. Vom guten Altern Ohne Visionen und Utopien erlahmt die Fantasie, die ganzheitliche Zukunftsentwürfe entwickelt Pieper wurde 1941 in Düsseldorf geboren. Heute lebt sie in Rheinfelden, wo sie – auch Steuern: Wettbewerb und für deren Umsetzung die Menschheit insge- samt mobilisiert werden soll — etwa für eine ge- während der Corona-Krise – jeden Mittag und Gerechtigkeit rechtere Welt, ein gutes Leben für alle, die Ver- mindestens eine Stunde Velo fährt. • Grosszügige Wohnungen und Gemeinschaftsräume hinderung eines Super-GAU. Goya: Alter Meister • Kurs- und Kulturangebot • Alters- und bedarfsgerechte Ernährung oder erster Moderner? (Biologisch/Vollwert/Schonkost/täglich Vegetarisch) Haben Sie, Frau Pieper, Strategien, wie Sie es • Anthroposophisch erweiterte Pflege • Spezialisierter Pflegebereich für Demenzerkrankte selber halten mit dem Loslassen? versuche ich auf bestmögliche Weise umzusetzen. • Siedlung mit Alterswohnungen Ich persönlich bemühe mich nach Kräften um Gelassenheit bedeutet also nicht, von allem die Klimawandel: • Grosser Park und organische Architektur Gelassenheit. Auch in diesem Wort steckt das Finger und die anderen machen zu lassen, sondern In der Regel findet am ersten Freitag im Monat um 14.00 Uhr eine öffentliche Führung durch den Sonnengarten statt (Anmeldung erforderlich). Verb «lassen». Was andere besser können als ich, das überlasse ich ihnen. Was ich noch gut kann, dass man mit Augenmass entscheidet, wo es sinn- voller ist anzupacken, anstatt loszulassen. Politik und Wirtschaft Alters- und Pflegeheim Sonnengarten Etzelstrasse 6 • 8634 Hombrechtikon/ZH • T 055 254 45 00 www.sonnengarten.ch • info@sonnengarten.ch INSERAT Die Türkei am Scheideweg? Die Geschichte Afrikas: «Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, dass sich rundum Menschen Von den Anfängen der bereit erklären, anderen zu helfen.» Menschheit bis zum LQ.RQȵLNWXQG*HZDOWVLWXDWLRQHQ Kolonialismus Je t z t m it p s z h . c h h e l f e n! KURSE /spend en Gehirntraining Stimme im Alter Gemeinsam schaffen wir das! fragen Gerade für ältere Menschen, die von Familie und Bekannten isoliert sind, ist die aktuelle Lage belastend. Pilates 60+ und antworten aus Wir nehmen Anrufe entgegen, sprechen Betroffenen Mut zu und erarbeiten konkrete Lösungen. anthroposophischer Helfen Sie mit Ihrer Spende – damit während der Corona-Krise niemand einsam ist. sicht Spendenkonto 80-79748-4 Volkshochschule Zürich. IBAN CH95 0900 0000 8007 9784 4 Kanton Zürich Mehr verstehen, mehr bewegen. www.pszh.ch www.vhszh.ch · info@vhszh.ch · 044 205 84 84 Inserat_Visit_188x122.indd 1 16.04.20 15:25 14 Visit Sommer 2020
LEBENSRAUM «Vielleicht brauche Büezer ohne soziale Kontakte Aufgewachsen ist Hans Meier im Zürcher Ober- land. Seine Eltern waren in der Textilbranche Das neue Leben beginnt Auch die Miete von 1800 Franken habe er jeden Monat bezahlt, obwohl sie für diese Wohnung ich das eines Tages» tätig. Die Mutter habe immer sehr viel gearbeitet. überrissen gewesen sei. «Jetzt, mit 77 Jahren, Als er drei Jahr alt war, verliess der Vater die Fa- habe ich verstanden, dass ich nicht alles schlu- milie für eine andere Frau. Hans Meier machte cken muss», sagt er. Er wolle nicht mehr alles in eine Lehre und wurde Stromer. Danach arbeitete sich reinstopfen, sich zumüllen. Ein neues Leben er sein ganzes Berufsleben lang in der gleichen wartet auf ihn, in einem Heim für Pensionierte Fassfabrik. «Ich bin ein echter Handwerker, ein von der Stiftung Johann Heinrich Ernst. So ein Menschen, die ihre Wohnungen bis an die Decke mit «Plunder» vollstopfen, Büezer», sagt er über sich selbst. Man sieht es Glück habe er gehabt, dass er dort untergekom- nennt man Messies. Ihnen fällt das Loslassen schwer. Und das hat viele Gründe. seinen Händen an. Soziale Kontakte hat er nicht. men sei. Dies sei nur durch Zufall passiert, weil Seine zwei Halbgeschwister habe er seit Ewigkei- er im letzten Januar einen Herzinfarkt erlitten Ein Augenzeugenbericht. ten nicht gesehen. Und seine Freundin ist vor habe und im Spital jemand auf seine Situation Text und Fotos: Nina Fargahi vielen Jahren an Krebs gestorben. «Ich habe sie aufmerksam geworden sei. gepflegt und begleitet bis am Schluss.» Er freue sich sehr auf das Leben im «Die meisten Messies Rita Rupp Reiter, Umzugskoordinatorin bei Pro Heim, wo Leute sind, mit denen er spre- Senectute Kanton Zürich, hilft beim Ausräumen. chen könne, und wo er endlich einen sind einsame und Nur wer von Altem loslässt, ist offen für Neues. Sie kommt immer wieder mal in den Gang und geregelten Alltag habe, geregelte Mahl- verletzte Menschen.» Das sieht auch Hans Meier (Name geändert) so. überreicht Herrn Meier einen Gegenstand, von zeiten, Luft zum Atmen. Und am meis- Rita Rupp Reiter Es ist an einem Freitagmorgen, als drei Zügel- dem sie denkt, dass er ihn gerne mitnehmen wür- ten freue ihn, dass das Grab seiner männer mit Handschuhen seine Wohnung de. Eine kleine Fotokamera, einen besonderen Pin Freundin ganz in der Nähe des Heimes räumen. Hans Meier ist 77 Jahre alt und ein so- oder auch einen Zweifränkler. Alles andere sei. «Zum Glück musste ich notfallmässig am Her- genannter Messie. Das heisst, dass er über zwan- kommt in eine grosse grüne Mulde zur Entsor- zen operiert werden. Sonst wäre ich wohl in die- zig Jahre lang so viele Dinge in seiner Wohnung gung. «Die meisten Messies sind einsame und ser Wohnung gestorben und niemand hätte es a ngesammelt hat, dass er selbst kaum mehr zur verletzte Menschen», sagt Rupp Reiter. Sie wür- bemerkt.» Türe rein- oder rausgehen kann. den sich derart isolieren, damit ihnen niemand Hans Meier lässt los. Von seinen Sachen, sei- An diesem Freitagmorgen fühlt sich Meier «ei- mehr nahe kommen könne. nem bisherigen Leben, seiner Vergangenheit. nerseits befreit, anderseits schutzlos», wie er sagt. Denn er weiss, auf ihn wartet Neues. Er steht auf Er habe gewusst, dass er ein Problem habe, aber Nie auf den Tisch gehauen und trägt einen kleinen Holzschemel die Treppen irgendwie vergingen die Monate, die Jahre, ohne Die Wohnung von Hans Meier wird an diesem runter. Diesen Holzschemel habe er selbst ge- dass er Hilfe holte oder etwas veränderte. Er er- Freitag seit Stunden geräumt, und noch immer macht in der Schule, als er zehn Jahre alt war. klärt es so: «Ich hatte keine Kraft. Ich schlief nur sind die Zimmer kaum betretbar. Man fragt sich, Vorsichtig stellt er ihn unten an die Treppe. Und noch oder ging in die Migros, um zu essen. Die wie Hans Meier all die Jahre in dieser Wohnung als er sich so liebevoll über diesen Holzschemel Küche konnte ich nicht mehr benutzen.» Er habe gelebt haben mag. Wie muss das gewesen sein? bückt mit seinen viel zu weiten Hosen und den sich richtig gehen lassen, es sei ihm einfach alles Kein einziger Lichtstrahl vermag von aussen in ungekämmten Haaren, ist plötzlich der Zehnjäh- egal gewesen. Hans Meier muss sich hinsetzen, die Wohnung einzudringen, so überfüllt sind alle rige in ihm zu sehen. Das Kind, dem es an so das Erzählen führt ihm selbst vor Augen, wie sehr Zimmer. Kisten, Holzlatten, kaputte Elektrogerä- vielem gemangelt hat, dass es meinte, die Leere er gelitten hat. Wie sehr ihn die Sammelsucht te, Plastikschüsseln, Papier – ein Chaos bis an die nur mit Plunder füllen zu können. vereinnahmte. Und dass sie ihn am Schluss doch Decken, das man kaum in Worte fassen kann. Rita Rupp Reiter, nicht vor der Einsamkeit retten konnte. Dass der Unter dem Teppich liegen ungeöffnete Post und Umzugskoordinatorin ganze Plunder ihn nur noch mehr in die Enge unbezahlte Rechnungen. Im Schlafzimmer taucht bei Pro Senectute Kanton drückte – wortwörtlich. verrotteter Käse auf, sogar die Maden darin sind Zürich längst tot. Hinter dem Bett stapelt sich ein riesiger Müllhaufen. Ziehen Sie bald in eine neue Wohnung um? Oder «Irgendwie wurde es immer unmöglicher auf- wechseln Sie in ein Alters- und Pflegeheim? Wir zuräumen», sagt Hans Meier. Alles, was ihm in organisieren für Sie alles rund um Ihre «Züglete» die Finger kam, habe er mitgenommen, gesam- und begleiten Sie, bis Sie im neuen Zuhause melt, aufgehoben. «Vielleicht brauche ich das ei- eingerichtet sind. nes Tages», habe er sich selbst eingeredet. Er ist Informationen zu Kosten und Ablauf: Info verlegen, schämt sich für seine Sucht, obwohl sie Tel. 058 451 50 44, umzugshilfe@pszh.ch, nachvollziehbar ist, wenn man seine Geschichte www.pszh.ch/umzugshilfe hört. «Ich habe mich nie gewehrt, alle haben im- mer alles mit mir machen können und ich habe keinen Mucks gemacht», sagt er. Nie habe er auf den Tisch gehauen, nie Wut gefühlt. Meistens Wenn einem alles über den Kopf wächst: habe er gar nichts gefühlt. Meistens sei er wie Blick in den Messie-Haushalt. gelähmt gewesen. 16 Visit Sommer 2020 Visit Sommer 2020 17
LEBENSART Der Glückspilz Als diplomierter Bratschist und Organist hat Conrad Zwicky ein ebenso spannendes wie abwechslungsreiches Leben geführt. Im Pensionsalter hat er noch das Flugdiplom und das Fluglehrerbrevet gemacht. Text: Robert Bösiger Foto: Christian Roth Conrad Zwicky ist ein Nachkriegskind. 1946 ge- mit Diplom abschliessen können.» Diese Episode boren, lebt er in einer Familie mit vier Geschwis- zeigt nach Ansicht von Zwicky, wie sich in seinem tern. Der Vater – ein Lehrer in Muttenz BL – sei Leben fast alles immer glücklich entwickelt und streng, aber fair gewesen, sagt Zwicky, der uns gefügt hat. Im Konservatorium habe ihn Müller, in seinem Haus in Urdorf ZH empfängt. Unver- der auch als langjähriger Organist am Basler gessen sei ihm, dass er als junger Knabe seinen Münster wirkte, allerdings stark gefördert. «Ohne Vater nach Lörrach habe begleiten dürfen. Da seine Unterstützung wäre ich nie dahin gekom- habe er die immensen Kriegsschäden zum ersten men», glaubt er. Mal selber gesehen. Das habe ihn geprägt und vor Augen geführt, wie gut und schön er es habe. Solo-Bratschist und Organist Nach bestandenen Diplomen macht der junge Aufbruch und Aufstieg Musiker seinen Weg. Wird Mitglied bei den Fes- Selber erlebt Conrad Zwicky «eine unglaublich tival Strings Luzern, bereist mit diesem interna- friedliche Jugend», wie er sagt. «Ich bin genau in tional tätigen Kammerorchester die ganze Welt. die richtige Zeit hineingeboren worden. Alles Wechselt zum weltbekannten Tonhalle-Orchester befand sich im Aufbruch, alles ging immer nach nach Zürich. Bald ist er stellvertretender Solo- oben.» Er besucht das Humanistische Gymna Bratschist. In diesem Volljob habe er gut ver- sium in Basel, möchte gerne Lokomotivführer dient, berichtet Conrad Zwicky. Überhaupt habe werden oder Musiker. Doch dann macht er die er «immer anständig leben können», sagt er. So- Matur, beginnt zu studieren. Statt wie zunächst gar als er das grosse Orchester verlassen habe, vorgestellt mit Theologie beginnt er am Konser- habe er mit Unterrichten, Konzerten und ande- vatorium mit dem Studium der Bratsche (Viola). ren Engagements genügend verdient. Er kommt gut voran, möchte aber zur Halbzeit Mit 64 Jahren verlässt er nach über 30 Jahren des vierjährigen Studiums gerne zusätzlich ein seine Organistenstelle, lässt sich frühpensionieren. paar Orgelstunden nehmen; dieses Instrument Mittlerweile ist er zum zweiten Mal verheiratet, beherrscht er damals schon recht gut. nämlich mit der Ärztin Salome Zwicky. Kennen- Conrad Zwicky erzählt: «So klopfte ich beim gelernt hat er sie an einem Konzert als damalige Orgelprofessor Eduard Müller an. Er bot mich Hobby-Oboistin. So kommt zu den drei Söhnen zum Vorspielen auf in den grossen Konzertsaal aus erster Ehe noch der vierte Sohn, Benjamin, des Konservatoriums. Während ich spielte, lief hinzu. der Professor hinter meinem Rücken hin und her. Conrad Zwicky berichtet über seine Söhne. Am Schluss setzte er sich neben mich und fragte: Der Älteste, Stefan, habe Musik studiert, danach ‹Herr Zwicky, wann machen Sie das Diplom?› Ich die Pilotenausbildung bei der Swissair gemacht. sagte ihm, dass ich in zwei Jahren das Bratsche- Nach dem Grounding habe er das Konzertdiplom diplom machen werde. Doch er fragte nach: gemacht – bis die Swiss nach Piloten suchte ... ‹Nein, wann machen Sie das Orgeldiplom?› Ich Auch der Jüngste, Benjamin, sei Pilot und erklärte ihm, dass ich nur aus Freude ein paar Fluglehrer geworden. So kommt es, dass Conrad Orgelstunden wolle. Nun begriff er und sagte: Zwicky an seinem 70. Geburtstag im Cockpit ‹Machen Sie doch beides!› So habe ich fortan mitfliegen kann, «vorne links ein Sohn, vorne Conrad Zwicky gleichzeitig Bratsche und Orgel studieren und rechts ein anderer». >> 18 Visit Frühling 2020 Visit Sommer 2020 19
LEBENSART PUBLIREPORTAGE Ja, das Fliegen sei schön. Doch das Unterrichten sei vor allem, was ihn begeistere, sagt er. Schon in der Musik sei es immer sein Antrieb gewesen, Gesunde Ernährung beim Älterwerden den Menschen Freude zu bereiten und sie weiter- zubringen. Sich selber hat er eine Freude bereitet, indem er vor vier Jahren ein Occasionsflugzeug gekauft hat. Damit fliegt er nun sogar ab und zu ins Ausland, um da Konzerte zu geben. Ausgewogene und abwechslungsreiche Mahlzeiten fördern ein gesundes Altern. Keine Frage. Conrad Zwicky ist sich sehr wohl Auch wichtig sind Freude und Genuss beim Essen. bewusst, wie viel Glück er in seinem Leben gehabt hat und dass er diesbezüglich privilegiert ist. «Ich hatte ein wahnsinnig spannendes und oft un- glaubliches Leben und war nie ernsthaft krank. Dafür bin ich auch so unendlich dankbar!» Oft frage er sich schon, ob er eines Tages «mal eins auf den Deckel» erhalte. Überhaupt: Bei all seinen Tätigkeiten als Musiker, IT-Fachmann oder Flug- lehrer frage er sich zuweilen, ob er sich nicht doch einfach selber überschätze. Die Bedürfnisse unseres Körpers ver wie Raps-, Oliven-, Baumnuss- und ändern sich mit dem Älterwerden. Leinöl gelten als besonders hochwertig, Älterwerden mit Glücksmomenten Grundsätzlich gilt: Eine ausgewogene da sie reich an Omega-3- und anderen Ins heutige Leben des Conrad Zwicky ist etwas und abwechslungsreiche Kost beein wertvollen Fettsäuren sind. mehr Ruhe eingekehrt – selbstredend auch wegen flusst unsere Gesundheit positiv. Damit Corona. Er steht relativ früh auf, liest Zeitung. Um ist eine Ernährung gemeint, mit der Schwindel vorbeugen 7 Uhr stösst seine Frau zum gemeinsamen Mor- man den Bedarf an allen Nährstoffen Nicht zu vergessen ist die Aufnahme genessen. Dann geht sie, immerhin 13 Jahre jün- (Proteine, Kohlenhydrate, Fette), Vita von genügend Flüssigkeit. Dies fördert ger, in die Praxis arbeiten. Er arbeitet Pendenzen minen und Mineralstoffen abdecken die geistige Leistungsfähigkeit und ab, wartet von zuhause aus das IT-Netzwerk der kann. Dies ist wichtig, um einer Man hilft gegen Schwindel. Es empfiehlt Praxis seiner Frau und erledigt dies und jenes. gelernährung entgegenzuwirken. Eine sich, täglich ein bis zwei Liter zu trin Manchmal zieht er sich in sein Tonstudio im Un- Mangelernährung steht im Zusammen ken – am besten Hahnen- oder Mine tergeschoss des Hauses zurück. Hier entstanden hang mit verschiedenen gesundheit ralwasser, ungesüssten Kräuter- oder eine ganze Reihe von CD-Aufnahmen mit vorwie- lichen Problemen. Früchtetee. Alkohol und Süssgetränke gend klassischer Musik, auch Eigenkompositio- sollten hingegen massvoll genossen nen. Übrigens: In den 1990er Jahren gründete Stürze vorbeugen werden. Da bei vielen älteren Men Zwicky den CD-Verlag Wiediscon Records, um Proteine (Eiweisse) haben für ältere schen das Durstgefühl abnimmt, kann hochwertige Aufnahmen herzustellen und zu ver- Menschen eine besonders wichtige Be Dem Körper Energie liefern ein Krug in Sichtweite an das regel treiben. deutung. Eine ausreichende Aufnahme Kohlenhydrate liefern unserem Körper mässige Trinken erinnern. Mit dem Älterwerden habe er sehr Mühe, stärkt Muskeln und Knochen. Damit Energie. Sie sollten deshalb bei keiner Wichtig ist ausserdem die Freude am Aus dem Familienalbum des Conrad Zwicky (von links oben): als Primarschüler räumt Conrad Zwicky ein. Die Zeit vergehe ein- kann Stürzen und Knochenbrüchen Mahlzeit fehlen. Besonders gesund Essen. Eine feine Mahlzeit ist wohl in Muttenz BL, als Student der Bratsche und als gelegentlicher Dirigent. fach viel zu schnell. Alt fühle er sich nicht, wie er vorgebeugt werden. Fachpersonen sind Vollkornprodukte wie Haferflo tuend. Es lohnt sich deshalb, das Essen sagt. Dreimal jährlich mache er einen Selbsttest: empfehlen, jede Mahlzeit mit protein cken, Vollreis und Vollkornbrot sowie zu geniessen und sich Zeit dafür zu «Von unserer Wohnung in Locarno aus mache ich haltigen Nahrungsmitteln zu kom Hülsenfrüchte. Süsse Speisen sowie nehmen. jeweils eine zirka 100 Kilometer lange Velotour. binieren – wie beispielsweise mit ma salzige Knabbereien sollten hingegen Der Traum vom Fliegen Immer, wenn ich diese ohne Probleme überstehe, gerem Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchten zurückhaltend genossen werden. Mehr Informationen Diese beiden fliegenden Söhne haben bei Conrad bin ich wieder zufrieden mit mir.» Trotzdem be- (etwa Linsen, Bohnen, Erbsen), Tofu, Prävention und Gesundheitsförderung Zwicky nach und nach den Wunsch geweckt, sel- schäftigt sich Zwicky oft mit dem unvermeidli- Milchprodukten oder Eiern. Das Immunsystem stärken Kanton Zürich hat eine Broschüre zur ber einmal fliegen zu können. Ein Schlüsselerleb- chen Ende. Er möchte in dieser Phase möglichst Gemüse und Früchte enthalten wert gesunden Ernährung im Alter heraus- nis sei gewesen, als ihm sein Jüngster einmal auf niemandem zur Last fallen. Auch Kalzium und Vitamin D können volle Vitamine und Mineralstoffe und gebracht. Diese kann als PDF herunter- eine entsprechende Frage sinngemäss sagte: Vorerst aber geniesst der mittlerweile 74-Jäh- gegen Stürze helfen. Kalzium und Vi stärken unser Immunsystem. Es wird geladen oder bestellt werden: «Selbstverständlich kannst du selber fliegen – du rige sein Leben. Als bisher letzten grossen tamin D stärken die Knochen und un empfohlen, jeden Tag dreimal eine www.gesundheitsfoerderung-zh.ch bist doch noch kein alter Mann!» Eine Schnupper- Glücksmoment bezeichnet er die 20-tägige Flu- terstützen die Funktion der Muskeln. Handvoll Gemüse und zweimal eine stunde und ein halbes Jahr später hat Zwicky, da- greise zum Nordkap zusammen mit seinem Kalzium ist unter anderem in Milch Handvoll Früchte zu essen. mals bald 65, das Brevet in der Tasche. Damit jüngsten Sohn und seiner Frau. Am Steuerknüp- produkten und kalziumreichem Mine nicht genug: 2019 besteht er die Fluglehrerprü- pel wechselten sich er und Benjamin ab, seine ralwasser enthalten. Da Vitamin D nur Herz und Gehirn unterstützen fung, kann fortan unterrichten. «Für mich ist es Frau dokumentierte das Abenteuer in Wort und in geringen Mengen in Lebensmitteln Gesunde Fette haben ebenfalls eine Bild: Stocksy etwas vom Grössten», sagt er stolz, «wenn ich Bild. «So etwas zu erleben mit der eigenen Fami- vorkommt, ist die Einnahme von Tab wichtige Funktion: Sie unterstützen junge Leute unterrichten kann.» lie – einfach genial!» letten oder Tropfen sinnvoll. das Herz und das Gehirn. Pflanzenöle 20 Visit Sommer 2020
LEBENSART «Wertschätzung kann nur von Menschen kommen» Er hat Pro Senectute Kanton Zürich fast 13 Jahre lang mitgestaltet und geprägt – als Vorsitzender der Geschäftsleitung. Ende Juni wird Franjo Ambrož nun pensioniert. Was hat ihn in seiner Amtszeit besonders beschäftigt? Und was bleibt aus seiner Sicht die grosse Herausforderung im Zusammenleben der Generationen? Interview: Ivo Bachmann Foto: Renate Wernli Das Coronavirus prägt derzeit unseren Alltag. und Trauer lassen sich aber leider nicht immer Trotzdem – oder gerade deshalb – die Frage: vermeiden. Absolut zentral finde ich, dass man Was war Ihr ganz persönlicher Aufsteller am aktiv bleibt und von sich aus das Telefon in die heutigen Tag? Hand nimmt, wenn das Bedürfnis nach Austausch Franjo Ambrož: Ich hatte grosse Freude am A nruf spürbar ist. Und dass Bezugspersonen bewusst einer 88-jährigen Frau. Sie erzählte mir von und häufiger den Kontakt zu alleinlebenden Men- ihrem aktuellen Lebensalltag in ihrer Wohnung schen aufnehmen. und bedankte sich für die regelmässigen Anrufe unserer Mitarbeitenden, für die verlässliche Sozialkontakte sind auch für ältere Menschen Qualität und die pünktlichen Lieferungen unse- wichtig. Ist es für ihr Wohlergehen nicht res Mahlzeitendienstes CasaGusto. schlimmer, wenn sie sich zuhause oder in einem Heimzimmer isolieren? Persönliche Kontakte, Als Vorsitzender der Geschäftsleitung sind Sie Bewegung und frische Luft tun doch gut … Mahnt zu Umsicht in diesen Corona-Tagen ausserordentlich gefor Sozialkontakte sind für alle Menschen von zent- Pensionierte übernehmen unter normalen Um Wenn Sie zurückblicken auf den Beginn Ihrer und Geduld in dert. Was ist Ihre persönliche Strategie, um in raler Bedeutung. Kaum jemand isoliert sich zuhau- ständen wichtige gesellschaftliche Aufgaben – Tätigkeit bei Pro Senectute Kanton Zürich vor Corona-Zeiten: einer solchen Situation doch noch Entspannung se von sich aus gerne und freiwillig! Es lässt sich etwa in der Freiwilligenarbeit oder Kinder- 13 Jahren: Hat sich die Organisation stark ver Franjo Ambrož. zu finden und Energie zu tanken? aber nicht leugnen, dass für ältere Menschen eine betreuung. Wird dieses Engagement von Politik ändert? Mein berufliches Leben ist eher selten durch be- Ansteckung mit immensen Gesundheitsrisiken und Gesellschaft gebührend geschätzt? Pro Senectute Kanton Zürich begleitet seit über sondere Balance geprägt… Das verbunden ist. Pointiert ausgedrückt: Eine zeitlich Wer ist das letztlich: die Politik, die Gesellschaft? 100 Jahren das Älterwerden der Menschen im «Sozialkontakte sind für liegt mir nicht wirklich! Ich hatte befristete Isolation kann eine Voraussetzung fürs Eine gebührende und notwendige Wertschätzung Kanton Zürich und steht ihnen mit einer Vielzahl aber immer wieder das Glück, Überleben sein. Doch das führt leider auch zu so- kann nicht von abstrakten Gebilden erbracht von Dienstleistungen zur Seite. Eine solche Stif- alle Menschen zentral.» spannende, abwechslungsreiche zialer Isolation und psychischen Belastungen. Mit werden, sondern stets nur von Menschen – von tung muss sich immer wieder hinterfragen und Franjo Ambrož und auch fordernde Aufgaben zu einschränkenden und zu starren Massnahmen Ihnen, von mir, von Freunden, von Eltern, von sich wandeln, um organisatorisch und inhaltlich übernehmen zu dürfen. Entspan- riskieren wir den ungerechtfertigten Ausschluss Kindern … Schauen Sie sich unsere über 3600 den sich verändernden Aufgaben gerecht zu wer- nung finden und Energie tanken kann ich am eines Teils der Pensionierten aus dem öffentlichen Freiwilligen und Ehrenamtlichen im ganzen Kan- den. Diese Prozesse sind für alle Beteiligten sehr besten bei sportlichen Aktivitäten wie Velofahren Leben. Das geht nicht, hier müssen wir individu- ton Zürich an! Natürlich findet immer wieder auch herausfordernd, doch man darf sie in keiner Wei- und auf Reisen. eller vorgehen. Unter Beachtung von Hygienevor- eine institutionelle Anerkennung ihrer Tätigkeit se vernachlässigen. Sie haben denn auch die ers- schriften ist auch ein Spaziergang durchaus mög- statt. Es ist letztlich aber nicht die Stiftung als ein ten Jahre meiner Tätigkeit hier massgeblich ge- Ältere Menschen sollten wegen der Corona- lich – vorderhand jedoch nicht mit mehreren unpersönliches Konstrukt, die das immense tag- prägt. Denn wenn man sich in ein Auto setzt und Pandemie möglichst zuhause bleiben und Personen, da erfahrungsgemäss der nötige Abstand tägliche Engagement von Freiwilligen würdigt nicht dafür sorgt, dass vorgängig alle vier Räder nähere Begegnungen vermeiden. Ihnen allen nicht eingehalten werden kann. und verdankt. Es sind einzelne Menschen wie montiert werden, kann man Gas geben, wie man stellt sich die Frage: Wie halte ich meine sozia unsere Mitarbeitenden, die das konkret leben. will – man wird nicht vom Fleck kommen … len Kontakte aufrecht? Was raten Sie ihnen? Können Betroffene in dieser schwierigen Zeit Oder ganz persönlich formuliert: Meine Wert- Wir sind alle sehr verschieden, und so verschie- weiterhin auf das Pflege- und Betreuungsan schätzung und den Dank an meine 85-jährige Und wie hat sich die Situation der älteren den ist auch der individuelle Umgang mit der gebot von Pro Senectute Kanton Zürich zählen? Mutter, die vor vielen Jahren meinen beruflichen Menschen verändert? jetzigen Situation. Wer in seinem Leben gelernt Grundsätzlich werden alle unsere ambulanten Weg massgeblich unterstützt hat, zeige ich nicht, Sie hat sich in vielfältiger Weise weiterentwickelt: hat, Alleinsein keineswegs nur als Belastung zu Dienstleistungen weiterhin erbracht – mehrheit- indem ich das in schöne Worte kleide. Ich zeige es, Waren in den Gründungsjahren unserer Stiftung erleben, findet sich erfahrungsgemäss etwas bes- lich aber per E‑Mail, auf schriftlichem Weg oder indem ich regelmässig bei ihr vorbeischaue, ihr eine warme Suppe, ein Wintermantel oder ser zurecht, wenn er nur über Telefon, E-Mail oder per Telefon. Die Spitex-Dienstleistungen von Pro Sorge trage, mit ihr in einem 3-Meter-Abstand ein Paar Schuhe eine unglaubliche Erleichterung per Brief den Kontakt mit seinen Bezugspersonen Senectute Home sind in dieser Zeit sehr gefragt, durch den Wald spaziere und ihren Ausführungen und Entlastung für den betagten Menschen, aufrechterhalten kann. Gefühle der Einsamkeit ebenso die 24-Stunden-Betreuung. über einen grossen Baum lausche … so stehen wir heute an einem anderen Ort. Wir 22 Visit Sommer 2020 Visit Sommer 2020 23
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