ZEBRA JOURNAL Die Kieler Nachrichten präsentieren das - DER GROSSE SAISONRÜCKBLICK 2020|21 - THW Kiel
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EDITORIAL/INHALT EDITORIAL MERLE SCHAACK SPORTREDAKTION Titel der mentalen Stärke 5-18 Der 22. Meistertitel: Ein Herzschlagfinale am Ende eines überlangen Weges durch die Saison. Die 59 Pflichtspiele des THW Kiel im Schnelldurchlauf. FOTOS: KLAHN/DAHL/PAESLER Totaler Handball-Wahnsinn – diese kreative Deutung der Abkürzung „THW“ war selten treffender als in die- ser Spielzeit. Wahnsinn, wie viel Flexi- bilität Corona allen Beteiligten im sonst so von Routinen lebenden Profisport abverlangte. Wahnsinn, wie THW Kiel und SG Flensburg-Handewitt dennoch die Liga dominierten. Und Wahnsinn, wie sich die Titelfrage nach ständigem Hin und Her an der Spitze erst in der al- lerletzten Sekunde dieser XXL-Spiel- zeit entschied. Sowohl die Meisterschaft als auch den Champions-League-Sieg verdanken die Zebras mehr denn je ihrer mentalen Stärke. Auch als der Handball ange- sichts der Geisterspiele emotional zu verkümmern drohte und sich bis zu sie- ben Spiele in 13 Tagen häuften, schaff- ten sie es meistens, auf den Punkt ab- 20-25 Meister-Trainer Filip Jicha im 32-34 Eine etwas andere Meisterfeier: zuliefern. Sie verboten sich schlicht, Interview – über skurrile Zeiten, seine Kein Rathausbalkon, dafür ein Boot – die sich als Opfer der Umstände zu sehen. Spieler der Saison und neue Erwartungen. Impressionen der Sause zu Wasser. Dass das funktionierte, hat auch mit dem professionellen Fundament des Klubs zu tun. Zwar traf die Krise den THW wie alle anderen Vereine finan- ziell hart. Dennoch war Geld genug für Charterflüge vorhanden, die längere Regeneration ermöglichten. 36-41 Traumfabrik Hassee- Allerdings: Ohne das nötige Glück Winterbek: Die „Aushilfen“ der wäre der THW Kiel nicht Meister ge- Saison wie Malte Voigt (Nr. 27) worden. Oder ohne das Verletzungs- wurden von Domagoj Duvnjak pech der Flensburger. Ob die SG mit und Co. mit offenen Armen voller Besetzung noch gepatzt hätte? empfangen. Für einige (Jung-) Fraglich. Zwar leisteten sich die Kieler Zebras erfüllten sich ganz un- selten Aussetzer – aber es gab sie. Das verhofft Träume. leichtfertig hergeschenkte Pokal- Halbfinale wird ihnen noch lange als Mahnmal dienen. Verdient ist diese 22. Meisterschaft dennoch allemal. Und es steht zu ver- muten, dass die Zebras ohne Pande- mie-Wahnsinn noch zu ganz anderen Höhenflügen in der Lage wären. Zu- nächst aber blicken wir auf diesen Sei- ten noch einmal zurück auf die „schwerste Saison meiner Karriere“ (Kapitän Domagoj Duvnjak) und all ih- re Facetten – von Gehaltsverzicht über das Königsklassen-Wintermärchen bis hin zum Herzschlag-Finale und die ma- ritime Meisterfeier, die sich fast wieder 42-46 Herausforderung Pandemie: Aufsichtsratschef Marc Weinstock (li.) und Viktor Szila- wie ein bisschen Normalität anfühlte. gyi erklären, wie der THW Kiel mit einer „roten Null“ aus der Corona-Spielzeit kommt. JULI 2021 | ZEBRA JOURNAL | 3
BLICK ZURÜCK: EIN UNVERGESSLICHES JAHR Der Moment, als das kaum für möglich Gehaltene am Ende doch Gewissheit wurde: Durch eine 25:25-Zitterpartie bei den Rhein-Neckar Löwen machte der THW Kiel am letzten Spieltag doch noch die 22. deutsche Meisterschaft der Vereinsgeschichte perfekt. Alles endete in Mannheim in einer großen, ausgelassenen Jubeltraube. FOTO: SASCHA KLAHN Die Klasse von 2021 Ja, was denn nun?! Erst menbedingungen einer Krise mit dro- sen. Champions-League-Sieger im hender Infektion, Gehaltsverzicht, exis- nachgeholten Final Four der Vorsaison, Krimi, dann Drama, ganz tenziellen Ängsten. Mit verschärften deutscher Meister – das ging gut. Und viel Roadmovie, schließlich Hygiene- und Reisebedingungen, mit wie! Mehr Spannung, mehr Zittern, Tragödie, aber doch Thriller. zweimaliger Quarantäne, als sich dann mehr Thriller ging ja kaum in einem doch Spieler infiziert hatten. Mit der da- Saisonfinale, in dem wirklich bis zum Mit Happy End für den raus resultierenden terminlichen Ver- allerletzten Spieltag, im allerletzten THW Kiel. Alter und dichtung, englischen Wochen, engli- Match bei den Rhein-Neckar Löwen neuer deutscher Meister, schen Monaten, einer irgendwie engli- noch zwei Sekunden vor dem Schluss- schen Saison mit Spielen im Zwei- pfiff alles am seidenen Faden hing. Erst Europas Champion. tages-, Dreitagestakt. Hinfliegen, in als dieser letzte Wurf von Löwen-Regis- Glückselig, gehetzt. Wo den Bus steigen, ankommen, umzie- seur Andy Schmid am Kieler Tor vorbei- hen, warmmachen, spielen, duschen, rauschte, wurde das zwischenzeitlich waren Sie eigentlich, als ...? essen, Bus, Rückflug – prrrrrrrrrt! Wie kaum für möglich Gehaltene Wirklich- im Daumenkino. „So lange wie möglich keit. VON TAMO SCHWARZ zu Hause zu sein“, war dabei für Welt- All das wird ein untrennbares Band handballer Niklas Landin die gute Seite zwischen den Mitgliedern der „Klasse Vorsicht bei Übertreibungen! Wo waren der Medaille. An substanzielles Trai- von 2021“ sein – den gesunden und ver- Sie eigentlich, als der erste Mensch auf ning, Weiterentwicklung der Mann- letzten, den jungen und alten, den etab- dem Mond landete? Als die Mauer fiel? schaft war dabei nicht zu denken. Chef- lierten und den so sehr gebrauchten Als der THW Kiel in einer denkwürdi- trainer Filip Jicha machte der Irrsinn im „Aushilfen“, die alle ihren Anteil an ei- gen Saison unter dem Damokles- Handball-Hamsterrad irgendwann ner Saison mit zwei Titeln hatten. Alle! schwert der Corona-Pandemie deut- „keinen Spaß mehr“. Also ging es nur Sie werden in 20, 30, 40 Jahren nicht scher Meister 2021 wurde? Zugegeben, noch darum, „Aufgaben ohne Emotio- fragen „Wo warst du eigentlich, als ...?“ aus neutraler Sicht (und vielleicht sogar nen abzuarbeiten“. Sie werden sich umarmen und sagen: aus Sicht der Fans?) ist hier eine Etage Das klappte. Wenn auch nicht immer. „Weißt du noch, damals in der Corona- zu hoch gegriffen im Regal historischer In der aktuellen Königsklassen-Saison Saison 2020/2021? Wir haben gelitten, Ereignisse. Aber Spieler und Trainer kam das Aus gegen Paris Saint-Ger- wir sind weit über unsere Grenzen ge- des Rekordmeisters werden diesen Mo- main. Im Pokal-Halbfinale leisteten gangen, wir haben es mit Verletzungen, ment mit Sicherheit niemals vergessen. sich die Zebras eine schwarze Halbzeit, Gehaltsverzicht, Strapazen und Ent- Das hat diese „Klasse von 2021“ für mussten dem krassen Underdog TBV behrungen teuer bezahlt. Aber wir wer- immer zusammengeschweißt: die Rah- Lemgo Lippe den Vortritt ins Finale las- den es niemals vergessen.“ 4 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
DER WEG DURCH DIE SAISON Besondere Spielzeiten fordern besondere Maßnahmen. Zum Beispiel das Comeback von Mattias Andersson. Eigentlich hatte der THW-Tor- warttrainer seine Karriere vor zwei Jahren beendet. Nun sprang er zweimal ein – auch im Derby gegen seinen Ex-Klub Flensburg. FOTO: KLAHN Der laaaange Weg zum Titel Wenn es einen Bio-Rhythmus für Handballprofis gibt, ist er die SG Flensburg-Handewitt, den Vize- meister 2020, der die Kieler Meister- in dieser Saison vollkommen aus dem Takt. Viereinhalb schaft nach der Quotientenregelung am Monate haben Domagoj Duvnjak, Patrick Wiencek und Co. grünen Tisch noch immer nicht ganz durch Corona nicht gespielt, als sie in die Saison starten, in verwunden hat. Der 28:24 (14:13)-Sieg der Zebras ist der Auftakt eines Kopf- der sie 59 Pflichtspiele bewältigen werden – in der an-Kopf-Rennens der Nordrivalen, in Belastungsspitze sieben davon in 13 Tagen. Eine Spielzeit dem sich die Vorzeichen bis zur Ent- voller Höhen und Tiefen, Terminchaos und Belastung scheidung um die Meisterschaft noch mehrfach umkehren sollten. – über Erschöpfungsgrenzen hinaus. Nach dem 35:24 (16:13)-Pflichtsieg in der Königsklasse in Celje, für den die Ze- VON MERLE SCHAACK Welthandballer und Stamm-Torwart Ni- bras aber einen 1:6-Fehlstart ausbügeln klas Landin nach einer Meniskus-OP für müssen, nimmt für den THW auch die Vor allem steht im Herbst aber erst ein- einige Wochen abmelden muss. Der Bundesliga Fahrt auf. Mit einem klaren mal die Freude über den Re-Start. Auch zweite personelle Rückschlag für den 36:30 (20:15)-Erfolg über den HC Erlan- wenn Reisen quer durch Europa mitten THW Kiel nach der schweren Verlet- gen und einem 34:31 (17:18)-Sieg gegen im Anlaufen der zweiten Corona-Welle zung von Nikola Bilyk, der bereits in der die TSV Hannover-Burgdorf startet die erst unglaublich scheinen – letztlich tritt Saisonvorbereitung einen Kreuzban- Mannschaft von Filip Jicha vielverspre- der THW Kiel am 17. September in Za- driss erlitten hatte, bei dem auch der chend in die Saison, die weiterhin kurio- greb an. Charterflieger, getesteter Bus- Meniskus in Mitleidenschaft gezogen se Geschichten schreibt. Zum Beispiel fahrer, Fiebermessen und Desinfekti- wurde. diese: Torwarttrainer Mattias Anders- onsmatten an den Arena-Eingängen, Prompt folgt gegen HBC Nantes aus son kehrt mit 42 Jahren und 856 Tage Geister-Atmosphäre, wo sonst Tausen- Frankreich eine für die Zebras schmerz- nach seinem letzten Bundesliga-Spiel de jubeln. Eindrücke, die die Sportler hafte 27:35 (12:15)-Niederlage in eige- für die SG Flensburg-Handewitt zwi- beinahe die ganze Spielzeit begleiten ner Halle – ihre höchste in der Königs- schen die Pfosten zurück und hat mit werden. klasse überhaupt. Die Freude über die zwei wichtigen Paraden Anteil am Sieg Zunächst aber zählt nur eines: Der Ball 1523 Zuschauer, die erstmals durch ein der Zebras über Hannover. fliegt wieder. In Zagreb aus Kieler Sicht ausgeklügeltes Hygiene-Konzept in der Aber dann: Auswärtsfahrt nach Wetz- mit großer Leichtigkeit zum 31:21 (14:6)- Kieler Arena zugelassen sind, verblasst. lar. Die Zebras sind gewarnt. Mit 27:20 Sieg. Doch schnell zeigt sich: In dieser Das wollen Sander Sagosen und Co. hatte die HSG sie in der Vorsaison im ei- Phase ist fast alles möglich – Konstanz nicht auf sich sitzen lassen, gewinnen aber nicht. Zumal sich der frisch gekürte zwei Tage später den Supercup gegen Fortsetzung auf Seite 6 JULI 2021 | ZEBRA JOURNAL | 5
DER WEG DURCH DIE SAISON In Wetzlar leisteten sich Patrick Wiencek (li.) und Co. einen Ausset- Mit 20 Paraden knackte Niklas Landin Flensburg im Hinspiel in Kiel zer, scheiterten zu oft an Till Klimpke. FOTO: HUEBNER/IMAGO fast im Alleingang. FOTO: UWE PAESLER genen Wohnzimmer düpiert. Doch an den THW mit fast fehlerlosem Angriffs- kel. Kurz vor Schluss sieht es aus als diesem 10. Oktober wird es noch schlim- spiel um seine Waffe der Zweiten Welle würden der bärenstarke Sagosen in mer: Ohne Landin, Sander Sagosen bringen. Kombination mit der sich steigernden (Muskelfaserriss) und Sven Ehrig (Mus- Defensive und Landin-Paraden zu den kelfaserriss), dafür mit dem frisch ver- ERSTE AUSRUFEZEICHEN entscheidenden Faktoren im temporei- pflichteten Bilyk-Ersatz Oskar Sunne- chen Spiel. 31:27 steht es mit fünf ver- feldt präsentiert sich der Kieler Angriff Noch lange sollten die Kieler den beiden bleibenden Minuten auf der Uhr. Dann statisch und uninspiriert, scheitert ins- in Wetzlar verlorenen Punkten nach- aber offenbaren die Kieler eine Zielein- gesamt 17-mal an Wetzlars Torwart Till trauern. Zunächst aber wirken sie wie lauf-Schwäche, die sie in den folgenden Klimpke und fährt mit einer 22:31 ein Weckruf zur rechten Zeit – nämlich Wochen noch einige Nerven kosten (11:18)-Pleite nach Hause. „Ich habe unmittelbar vor dem Nordderby gegen wird. Technische Fehler und Unsicher- heute eine Mannschaft gesehen, die ei- die SG Flensburg-Handewitt. Dazu heiten verhindern den fast schon sicher ne Weltklasse-Leistung gezeigt hat – kommt die Rückkehr von Sagosen und geglaubten Sieg – am Ende heißt es und das war Wetzlar“, sagt THW-Trai- vor allem die von Niklas Landin. 20 Bälle 31:31 (18:20). ner Filip Jicha über die Gastgeber, die pariert der Däne als wäre sein Meniskus Anschließend machen die Zebras in noch ganz der alte. Harald Reinkind der Liga bei ihrem ersten Geister-Heim- steuert fünf Volltreffer zum 29:21 (12:10)- spiel der Vereinsgeschichte kurzen Pro- Sieg der Kieler bei, doch SG-Coach zess mit GWD Minden (41:26/23:16), be- Maik Machulla weiß anschließend ge- vor die Folgen der EM-Qualifikations- nau, wo er den Grund für die Niederlage spiele dafür sorgen, dass die sportlichen suchen muss, sagt: „Wir haben heute Ergebnisse phasenweise in den Hinter- gegen Niklas Landin verloren.“ Der ho- grund treten. Viel präsenter ist nun das he Sieg tut den Kielern nicht nur im Mo- fragile Spielplan-Gebilde angesichts ment des Triumphes gut, sondern auch immer mehr Corona-Infektionen in den mit Blick auf eine Regeländerung in der Mannschaften und daraus resultieren- Liga: Seit der laufenden Saison zählt in den Spielverschiebungen. Und natür- der Tabelle nicht mehr die Tordifferenz lich die Sorge um die Gesundheit der in- bei Punktgleichheit zuerst, sondern der fizierten Sportler. direkte Vergleich. Und für den haben sie ordentlich vorgelegt. CL-RIESEN EINE NUMMER ZU GROSS Nun wollen sie nachlegen, und zwar vor allem in Sachen Konstanz. „Da muss Der THW Kiel ist vorerst nur indirekt be- jetzt der nächste Schritt kommen“, for- troffen, die Partie gegen die Füchse Ber- dert Jicha, und seine Schützlinge gehor- lin wird wegen Positiv-Tests bei den Ber- chen. Mit 31:23 (17:9) fegen sie durch das linern auf unbestimmte Zeit verschoben Gigantium in Aalborg, wo sich der späte- und befeuert die Sorgen um den dro- re Halbfinalist in der Champions Lea- henden Wahnsinns-Spielplan mit noch gue die Zähne an der Zebra-Abwehr engerer Taktung. Ohnehin befinden ausbeißt. Mit einem ungefährdeten sich die Zebras schon mitten im heißen 35:29 (17:13)-Sieg bei der HSG Nordhorn- Herbst, bestehen in der Liga beim Bergi- Lingen nimmt der THW Anlauf für das schen HC mit 32:27 (15:15), bekommen nächste Spitzen-Duell in der Königs- dann aber in der Königsklassen-Grup- klasse gegen Telekom Veszprém. Das penphase vom FC Barcelona zweimal ih- ungarische Star-Ensemble ist durch drei re Grenzen aufgezeigt (26:32 (15:16)- Fast hätten Sander Sagosen (mit Ball) und Corona-Infektionen im Team dezimiert, Pleite zu Hause, 25:29 (12:13)-Niederla- Co. einen Sieg über Veszpréms Rogerio Mo- beim THW Kiel fehlt Steffen Weinhold ge im Palau Blaugrana). Die Erfolge ge- raes, Dejan Manaskov und Patrik Ligetvari (v. mit einem Schädel-Hirn-Trauma. Trotz- li.) errungen. Aber eben nur fast. FOTO: KLAHN dem wird die Begegnung zum Spekta- Fortsetzung auf Seite 8 6 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
DER WEG DURCH DIE SAISON gen Kellerkind Coburg (41:26/22:13), in Göppingen (31:28/15:12) und die Eulen Ludwigshafen (29:19/16:7) sind wie Schwarzbrot im Liga-Alltag, geben Kraft, schmecken solide bis gut, kom- men aber nicht an die Glücksmomente heran, die ein Topspiel-Sieg hervorruft. Nach einem solchen versuchen die Zebras in Veszprém zu greifen, halten bis zur 28:27-Führung eine Viertelstunde vor Schluss mit. Dann aber setzte in der Abwehr der Kieler die Müdigkeit ein. An diesem 2. Dezember müssen sie nach dem 33:42 akzeptieren, dass in der Gruppenphase nicht mehr als Platz drei drin sein wird. Der THW lechzt nach ei- ner Verschnaufpause. Er bekommt sie – aber unter Umständen, auf die er lieber verzichtet hätte. ERSTE QUARANTÄNE Denn am 7. Dezember heißt es: Corona- Alarm im Zebra-Lager. Zehn Tage lang müssen die Mannschaft, ihre Trainer und Betreuer in Quarantäne, nachdem zwei Spieler positiv getestet wurden. Ein dritter Positiv-Fall folgt. Schnell wird der Kraftraum des Leistungszen- trums geplündert, die gesunden Sport- ler für ihr „Homeoffice“ ausgestattet. Am 16. Dezember gibt das Gesund- heitsamt grünes Licht für die Rückkehr ins Mannschaftstraining. Zwei Tage später steht der THW Kiel ohne die noch nicht wieder genesenen Domagoj Duvnjak, Magnus Landin und Pavel Ho- rak beim TVB Stuttgart auf der Platte und meldet sich eindrucksvoll mit einem 34:27 (19:14)-Sieg zurück. Es ist als, hätte die Zwangspause die Zebraherde zu einer unschlagbaren Einer der Sieggaranten im Weihnachts-Duell mit den Rhein-Neckar Löwen war Harald Rein- Einheit zusammengeschweißt. Eine, die kind. Der Norweger traf gegen seinen Ex-Klub siebenmal. FOTO: UWE PAESLER rechtzeitig zum Jahresendspurt so noch einmal die zweite Luft bekommt. Steht zum Weihnachts-Gipfel nach Kiel und Endrunde in Köln, in der im Halbfinale in dieser irren Corona-Saison doch noch entpuppen sich als guter Generalpro- die Ungarn von Telekom Veszprém war- das Nachhol-Final-Four um die Cham- ben-Gegner für den Kampf um Europas ten. pions League an. Aber der Reihe nach: Krone. Durch das 32:23 (15:11) holen sich Zuerst kommen die Rhein-Neckar Löwen die Kieler Selbstbewusstsein für die Fortsetzung auf Seite 14 Krisengipfel im Trainingszentrum: Trotz Vorsichtsmaßnahmen schlich Nach der zweiwöchigen Quarantäne-Unterbrechung meldeten sich sich das Coronavirus auch beim THW Kiel ein. Zweimal mussten die Patrick Wiencek und Co. auswärts beim TVB Stuttgart mit einem kla- Zebras ihren Alltag durch Quarantänen unterbrechen. FOTO: THW KIEL ren Sieg zurück. FOTO: IMAGO /PRESSEFOTO BAUMANN 8 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
DIE CHAMPIONS-LEAGUE-SENSATION Der große Coup von Köln: Nach Siegen gegen Veszprém und Barcelona sind Patrick Wiencek, Domagoj Duvnjak, Niklas Landin (von links) und Co. im Dezember Champions-League-Sieger. Es ist der vierte Königsklassen-Triumph in der Vereinsgeschichte. FOTOS: SASCHA KLAHN Wintermärchen in Dur Es gibt diese Konstellationen im Sport, die dazu führen, dass haben die Mannschaftsärzte Dr. Detlev Brandecker und Dr. Frank Pries, Osteo- im richtigen Moment die richtigen Kräfte zusammenwirken. path Jan Bock sowie die Physiothera- Den richtigen Ton treffen. Einen Zustand, in dem peuten Stephan Lienau und Markus En- Teamkollegen zu einer verschworenen Gemeinschaft gelmann alle Hände voll zu tun. So oder so, die Katalanen sind auf dem Papier werden. Energie daraus schöpfen, eigentlich keine Chance ein vermeintlich übermächtiger Geg- zu haben. Und dann Unvorstellbares vollbringen. ner: ausgeruht, breit aufgestellt, im Halbfinale gegen Paris (37:32) in lässi- VON TAMO SCHWARZ UND MERLE SCHAACK tet mit Knieblessur (muss später operiert ger Eleganz. werden). 21:15-Führung, 24:28-Rück- Fortsetzung auf Seite 12 KKK – Köln, Krimi, Kiel! Alles anders als stand. Die Zebras spielen, als hinge ihr sonst: Final Four in der Lanxess Arena Leben davon ab. Veszprém ergaunert im Dezember, an einem Montag und sich die Verlängerung. Wieder gerät der Dienstag. Und der THW Kiel? Irgendwie THW ins Hintertreffen (32:34/65.), muss Außenseiter. Verletzungen, Corona, Patrick Wiencek mit Rot vom Feld. Hen- Quarantäne – überall Widrigkeiten. drik Pekeler, einzig verbliebener Kieler Doch dann spielt der THW Kiel groß auf, Mittelblock-Spieler, nimmt das Schick- setzt mit Filip Jicha als genialem Diri- sal der Zebras in seine Hände, sorgt mit genten an zum Wintermärchen in Dur, seinen Toren sieben und acht sowie ei- das mit dem vierten Kieler Titel in der nem Ballgewinn in der Abwehr und der Königsklasse nach 2007, 2010 und 2012 Vorlage für Ekbergs 36:35-Treffer für endet. den entscheidenden Impuls zum Final- Die Ungarn von Telekom Veszprém einzug. sind im Halbfinale die erste Hürde im Nur 22 Stunden Pause zwischen Semi- Kölner Kulttempel. Die beiden an Coro- finale und Endspiel gegen den FC Bar- na erkrankten Kieler Pavel Horak und celona: Smoothies, Eistonne, sieben Schock im Halbfinale: Abwehr-Ass Patrick Magnus Landin fehlen, der zweite etat- Stunden Schlaf. Vor dem 300. Champi- Wiencek (rechts) sieht Rot und darf nicht mäßige Linksaußen Rune Dahmke star- ons-League-Spiel der Klubgeschichte mehr mitwirken. 10 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
DIE TORJÄGER BEIDER CHAMPIONS-LEAGUE-SAISONS Champions League | Saison 2019/2020 Champions League | Saison 2020/2021 Torjäger in der Champions League Torjäger in der Champions League 1. Niclas Ekberg 85 1. Valero Rivera HBC Nantes 95 2. Hugo Descat Montpellier HB 75 2. Dika Mem FC Barcelona 93 3. Aleix Gómez FC Barcelona 74 Mikita Vailupau Meshkov Brest 93 Barys Pukhouski 4. Aleix Gómez FC Barcelona 92 Motor Zaporozhye 74 5. Alex Dujshebaev KS Vive Kielce 90 5. Timur Dibirov Vardar Skopje 69 6. Mikkel Hansen Paris Saint-Germain 88 6. Petar Nenadic Telekom Veszprém 67 7. Niclas Ekberg 83 7. Hendrik Pekeler 65 8. Sander Sagosen 73 Sebastian Barthold Aalborg Håndbold 65 Petar Nenadic Telekom Veszprém 73 Alex Dujshebaev KS Vive Kielce 65 10. Nedim Remili Paris Saint-Germain 72 .. Vladislav Ostroushko HC Eurof. Rabotnik 65 . .. 17. Harald Reinkind 66 . 11. Sander Sagosen Paris SG/ 64 47. Domagoj Duvnjak 49 19. Harald Reinkind 60 Hendrik Pekeler* 41 Patrick Wiencek 39 Lukas Nilsson* 46 Steffen Weinhold 36 Nikola Bilyk 37 Magnus Landin 32 * Rangfolge ab Platz 51 statistisch nicht von der EHF erfasst *Rangfolge ab Platz 51 statistisch nicht von der EHF erfasst Patrick Wiencek 36 Miha Zarabec 30 Rune Dahmke 35 KN-Grafik | lina.schlapkohl@kieler-nachrichten.de | KN-Grafik | lina.schlapkohl@kieler-nachrichten.de | Oskar Sunnefeldt 25 Domagoj Duvnjak 31 Rune Dahmke 16 Magnus Landin 29 Sven Ehrig 16 Miha Zarabec 25 Pavel Horak 4 Malte Voigt 3 Steffen Weinhold 24 Philipp Wäger 3 Ole Rahmel 19 Dario Quenstedt 2 Gisli Kristjánsson 1 Niklas Landin 1 Dario Quenstedt 1 Bevan Calvert 1 JULI 2021 | ZEBRA JOURNAL | 11
DIE CHAMPIONS-LEAGUE-SENSATION Kiels Kreisläufer Hendrik Pekeler, der sich im Finale in dieser Szene im Rücken von Ludovic Fabregas (FC Barcelona, Nr. 72) absetzen kann, spielte ein ganz starkes Final Four und steuerte insgesamt zwölf Tore zum Titelgewinn bei. FOTOS: DPA/MARIUS BECKER Doch das Dirigat Filip Jichas, dem es Oder den Königsklassen-Goalgetter Ni- Im siebten Champions-League-Finale als erstem Handballer gelingen soll, die clas Ekberg, Superstar Sander Sagosen, der Vereinsgeschichte vollbringt eine Champions League als Spieler und Trai- der ein famoses Finale spielt mit Über- dezmierte Zebraherde Unglaubliches, ner mit demselben Klub zu gewinnen, sicht und Kraft gegen die gegnerischen wird Barcelonas Coach Xavi Pascual von trifft den richtigen Ton, das richtige Tem- Kraftpakete an seinem Rockzipfel. Eine seinem ehemaligen Schützling Filip Ji- po, „den richtigen Punkt“, wie Welt- Symphonie in Dur, während Barca im cha im Taktik-Schach dieses „Geister- handballer Niklas Landin resümiert. Moll versinkt. Jicha dirigiert die süßeste Endspiels“ ohne Zuschauer matt ge- Landins Soli (16 Paraden) strahlen hell in aller Melodien. „Filip hat uns zweimal setzt. Jicha ist auch der erste Handballer, diesem Orchester, das im Crescendo der taktisch top vorbereitet. Es hat alles ge- dem das Kunststück gelingt, als Spieler zweiten Halbzeit Handballer zu Helden passt. Alle hatten den Willen und die Be- (2010 und 2012 mit dem THW) und auch werden lässt: Patrick Wiencek und Hen- reitschaft, alles zu investieren. Ich den- als Trainer in Köln zu gewinnen. Gestillt drik Pekeler, das Weltklasse-Innen- ke, wir haben viele Sympathien gewon- ist sein Titelhunger damit noch lange blockduo zum Beispiel. Pekeler wird als nen“, sagt THW-Geschäftsführer Viktor nicht. Doch das wird eine ganz andere MVP des Final Four ausgezeichnet. Szilagyi nach dem 33:28 (19:16). Symphonie. Allen Widrigkeiten zum Trotz: Am Ende reckten die drei Kieler Kapitäne Patrick Wiencek, Domagoj Duvnjak und Niklas Landin (vorne, von links) in Köln die Trophäe in die Höhe. 12 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
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DER WEG DURCH DIE SAISON Ein nicht gegebener Siebenmeter für eine ähnliche Szene mit Magnus Landin und SCM-Spieler Daniel Pettersson erregte beim Unentschieden zum Quarantäne-Kalt- start die Gemüter der THW-Verantwortlichen. FOTO: UWE PAESLER WM, QUARANTÄNE, KALTSTART Eine Partie aber bleibt unbeweglich: minute wird ebenso wild wie drama- UND DIE „HÄRTESTEN WOCHEN Das Heimspiel gegen den SC Magde- tisch. Beim Stand von 24:24 versucht DER VEREINSGESCHICHTE“ burg, zwei Tage nach Ende der Kieler sich Duvnjak 16 Sekunden vor Schluss Quarantäne. Ein Kaltstart ohneglei- am Siegtreffer, den SCM-Keeper Jan- Titelsause? Fehlanzeige. Verschnauf- chen, der von Mannschaftsarzt Dr. Det- nick Green zur Seite abwehrt. THW- pause? Ebenso. Vier Tage nach dem lev Brandecker als „medizinisch eigent- Linksaußen Magnus Landin hat den Ab- WM-Finale startet der THW Kiel mit ei- lich nicht vertretbar und bedenklich“ praller so gut wie sicher, wird aber vom „ nem 34:23 (16:12)-Sieg über Motor Zapo- bezeichnet wird. herbeieilenden Green umgerutscht und rozhye ins Vereinshandball-Jahr 2021. von Gegenspieler Daniel Pettersson at- Es bleibt bei einem kurzen Auftakt. Am tackiert. Statt den Kielern einen Sieben- Tag nach der Partie wird wieder ein Ze- meter zuzusprechen, entscheiden die bra positiv auf das Coronavirus getestet. Ich habe gar Schiedsrichter MartinThöne und Marijo Zwei volle Wochen hocken die Hand- keine Worte dafür, Zupanovic aber auf Freiwurf. Und der baller zu Hause. Vier Spiele müssen auf wie stolz ich auf die bleibt im Block der Magdeburger hän- unbestimmte Zeit verschoben werden. gen. „Ich habe gar keine Worte dafür, Für das Auswärts-Duell bei Motor Zapo- Mannschaft bin. wie stolz ich auf die Mannschaft bin“, rozhye findet sich kein Termin mehr, es Filip Jicha, sagt Jicha, nachdem der Ärger über den Trainer vom THW Kiel wird mit 10:0 Toren für die Ukrainer ge- verwehrten Strafwurf verraucht ist. wertet. Beim 28:26 (15:15) gegen Aalborg Håndbold erhalten sich die Zebras die Vor allem, weil sich direkt im Anschluss Chance auf den dritten Platz in der eine bis dato ungeahnte Termindichte Champions-League-Gruppe B, in der auftürmt: Sieben Spiele in 13 Tagen. Fi- sie versuchen, bestmöglich mit ihren lip Jicha spricht von den „härtesten Wo- Kräften hauszuhalten. Denn in der Liga chen der Vereinsgeschichte“. können sie sich kein Punktverluste Mit Wut auf die Handball-Bundesliga mehr leisten. Zu selten lässt Hauptkon- im Bauch und dem unbedingten Willen, kurrent SG Flensburg-Handewitt allen sich nicht von der Pandemie ins Hinter- Verletzungssorgen zum Trotz Federn. treffen bringen zu lassen, laufen die Kie- Das 24:24 (12:9) beim HBC Nantes haken ler nach nur einer gemeinsamen Trai- die Kieler also schnell ab, fokussieren ningseinheit gegen den SC Magdeburg sich anschließend auf das Liga-Top- auf – und zunächst einem Rückstand Spiel gegen die Füchse Berlin. hinterher. Zwölf Minuten vor Schluss Für Regisseur Miha Zarabec ist es das liegen Domagoj Duvnjak und Co. mit erste nach seiner Corona-Infektion, und drei Toren zurück. Doch sie reizen ihr auch Sander Sagosen, der sich gegen ganzes Repertorie aus, versuchen es Magdeburg am Fuß verletzt hatte, kehrt Miha Zarabec brauchte nach seiner Corona- schließlich mit Rückraum-Linkshänder in den Kader zurück. Doch auch sie kön- Infektion nicht lange, um wieder zum unver- Steffen Weinhold als Regisseur und dre- nen beim THW nicht für den dringend zichtbaren Impulsgeber im THW-Angriff zu hen den Spielstand scheinbar mit purer werden. FOTO: UWE PAESLER Willenskraft auf 24:23 (56.) Die Schluss- Fortsetzung auf Seite 16 14 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
DER WEG DURCH DIE SAISON Torwart Dario Quenstedt trug mit zwölf Paraden dazu bei, dass der Der angeschlagene Hendrik Pekeler biss in Flensburg auf die Zähne. THW Kiel seinen Wetzlar-Fluch besiegte. FOTO: UWE PAESLER Die Niederlage konnte er nicht verhindern. FOTO: SASCHA KLAHN nötigen Spielrhythmus sorgen, ohne auch die dünne 12:10-Tore-Führung zur Heinl (Knie-OP) und Lasse Møller den er mit fünf Toren (10:15) in Rück- Pause einer tempoarmen Partie gibt den (Knorpelschaden) verzichten. Die zwölf stand gerät. Filip Jicha greift also zu sei- Zebras noch keinen Anlass, einen ihrer verbliebenen Spieler ignorieren ihren ner Allzweckwaffe: dem siebten Feld- „Angstgegner“ als bezwungen zu se- Nachteil einfach. Zwar leidet das hand- spieler. Mit ihrer Überzahl im Angriff ar- hen. Der tritt allerdings ohne seine Leis- ballerische Niveau dieses Derbys unter beiten sich die Zebras noch vor der Pau- tungsträger Anton Lindskog, Filip Mir- den ausgedünnten Personaldecken. Di- se auf 13:16 heran und brauchen kulovski und Stefan Cavor an, während rekt nach der Pause (17:15 für Flensburg) anschließend nur vier Minuten für den einer der THW-Stars einen Sahne-Tag humpeln die Kieler Hendrik Pekeler Ausgleich. Auch eine Rote Karte gegen erwischt: Mit 12/9 Toren zeichnet und Pavel Horak kurz nacheinander Steffen Weinhold wegen einer ungestü- Rechtsaußen und Siebenmeterschütze vom Feld. Auch Dario Quenstedt muss men Abwehraktion bringt die Kieler um Niclas Ekberg für mehr als die Hälfte der mit einer Oberschenkelverletzung pas- ihre Top-Torschützen Sander Sagosen Kieler Tore verantwortlich. Weil auch sen, Torwart-Oldie Mattias Andersson und Niclas Ekberg (je sechs Tore) nun Dario Quenstedt im THW-Tor hält, was über 40 Minuten gegen seinen Ex-Klub nicht mehr aus dem Tritt. Der 32:26-End- zu halten ist, können die Zebras die Par- ran. Geschichten, die ein Derby stand verkürzt den Abstand zur Spitze in tie zehn Minuten vor Schluss mit Ek- schreibt. Und ein Derby, das Geschichte der durch Spielverschiebungen verzerr- bergs Treffer zum 22:12 bereits vorent- schreibt? An diesem März-Nachmittag ten Tabelle. scheiden, ehe sie die Zügel schleifen erst einmal die von einem THW, der trotz Bleiben noch zwei Pflichtaufgaben in lassen und Wetzlar mit einem 7:0-Lauf großer Leistung von Sander Sagosen (9 der Königsklasse, bevor sich der THW noch einmal verkürzt. Ein Umstand, der Tore) nicht in der Lage ist, zwei Big wieder ganz darauf konzentrieren kann, Jicha nicht glücklich macht. Dass die Points im Titelrennen zu holen. Flens- sein Liga-Programm abzuarbeiten. Mit Kieler bei einem Spiel weniger nun nur burg, angetrieben vom famosen Spiel- dem 33:29 (19:15) gegen Celje und dem noch einen Punkt Rückstand auf Spit- macher Jim Gottfridsson, ist einfach bis- 36:30 (23:15) gegen Zagreb hätte er kei- zenreiter SG Flensburg-Handewitt ha- siger, konsequenter und erobert sich mit ne Schönheitspreise gewonnen, doch ben, tröstet den Kieler Coach aber leicht dem 31:28-Sieg die Tabellenführung zu- „in dieser Phase der Saison geht es auch über kleine Haken und Ösen im Spiel rück. Fünf Minuspunkte hat der THW nicht mehr um Schönheit“, sagt Jicha. hinweg. nun auf dem Konto, die SG vier. Rech- Die Trainingseinheiten mit seinen Viel Grund für Ärger hat der Tscheche nerisch ist für die Nordrivalen aber gera- Spielern bezeichnet der Tscheche längst zu diesem Zeitpunkt der Saison ohnehin de einmal Halbzeit im Liga-Programm. lieber als „Get Together“, wahlweise nicht. Seit 18 Spielen (die Niederlage am „Wenn Flensburg noch einen Punkt ver- auch „Instandhaltungsmaßnahmen“. grünen Tisch gegen Zaporozhye ausge- liert, werden wir da sein“, kündigt Pa- Zumal nach dem 32:22 (18:7)-Erfolg nommen) sind die Kieler nun ungeschla- trick Wiencek an. Immerhin einen Vor- über die abstiegsbedrohte HSG Nord- gen. Und das bleibt auch beim 31:21 teil haben die Kieler auf ihrer Seite: horn-Lingen einmal mehr eine National- (17:14)-Heimsieg über den SC DHfK Leip- Durch ihren höheren Hinspiel-Sieg ha- mannschaftswoche für neue Belastung zig so, für den sich die Zebras mit der Ta- ben sie den direkten Vergleich mit der sorgt. Bis zu drei Länderspiele absolvie- bellenführung belohnen. SG gewonnen, der bei Punktgleichheit ren Spieler wie der Schwede Niclas Ek- entscheidend werden könnte. berg in dieser Zeit – in drei verschiede- FLENSBURG-DÄMPFER SPITZT Schnell schütteln die Zebras die Ent- nen Ländern. Und einmal mehr mit Co- DAS TITELRENNEN ZU täuschung über die Derby-Pleite ab. Im rona-Folgen. Aufgrund eines Aus- Königsklassen-Achtelfinale bekommt bruchs im dänischen Lager muss Niklas Mit großem Selbstbewusstsein und als Pick Szeged die Trotzreaktion zu spüren. Landin als Kontaktperson für zwei Wo- klarer Favorit reisen sie also zum Spit- Mit zwei starken 33:28-Siegen, zuerst in chen in Quarantäne – zum dritten Mal. zen-Duell nach Flensburg. Dieses 104. Ungarn (Halbzeit: 21:13), dann in Kiel Der übrige THW-Tross reist nach Fran- Nordderby steht unter besonderen Vor- (Halbzeit: 18:15), setzen die Zebras Aus- ken zum HSC 2000 Coburg, kann den zeichen. Die Dänen-Quarantäne trifft rufezeichen und marschieren in die späteren Absteiger trotz fehlender Fein- THW (Niklas Landin) und SG (Mads nächste Runde. In der Liga räumen sie abstimmung mit 37:32 (19:15) knacken. Mensah Larsen und Simon Hald), die den TVB Stuttgart (33:28/16:15), die TSV Für etwas höheren Puls in der Vorbe- Flensburger sind personell eindeutig Hannover-Burgdorf (35:29/16:16) und den reitung sorgt dann die Aussicht auf das schwerer gebeutelt, müssen zudem auf Bergischen HC 33:30 (16:14) jeweils nach Heimspiel gegen die HSG Wetzlar. Und Franz Semper (Kreuzbandriss), Jacob Startschwierigkeiten aus dem Weg, be- 16 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
DER WEG DURCH DIE SAISON vor sie bei Kellerkind HBW Balingen-Weilstetten einen 33:22 (17:10)-Kantersieg fei- ern können. Es ist der Auftakt einer fünfteiligen Auswärts- Tournee, die auch in Melsun- gen (32:26/15:12), Essen (31:27/16:15) und nach der EM-Quali-Unterbrechung in Erlangen (31:25/16:12) und Berlin (28:26/15:17) erfolg- reich weitergeht. Die THW- Auftritte folgen dabei einem Muster: Hält der Gegner zu lange mit und den Kieler An- griff mit einer flexiblen Ab- wehr zu gut in Schach, neh- men die Zebras den siebten Feldspieler zur Hilfe. Ein Kniff, zu dem Trainer Filip Ji- cha eine „Hassliebe“ ver- spürt. Einer, der hilft, Über- zahlsituationen im Angriff zu kreieren, auch wenn die Bei- ne eigentlich müde sind. Die Kieler perfektionieren ihn so Eine der Schlüsselszenen im Saison-Endspurt: Im Champions-League-Viertelfinale gegen Paris bricht gut wie möglich, leisten sich sich Patrick Wiencek das Wadenbein und wird bis zum Ende nicht wieder richtig fit. FOTO: SASCHA KLAHN wenige Ballverluste mit lee- rem Tor und halten den selnde, dünne Vorsprung in Geister-Atmosphäre, denken Anteil daran, dass die Zebras Druck auf Flensburg hoch – der 59. Minute auf 31:28 an- sie. Doch in der französischen Superkräfte für den Einzug auch wenn sie in dieser Phase wächst. Die Kieler haben so- Hauptstadt haben auch die der Saison zwei Wochen auf gar noch die Chance auf ei- enthusiastischen Fans einen Fortsetzung auf Seite 18 Sander Sagosen verzichten nen Vier-Tore-Sieg. Doch müssen, den ein Infekt außer Magnus Landin scheitert an Gefecht setzt. Trotzdem wen- Vincent Gerard, im Gegen- det sich das Blatt im Meister- zug verkürzt PSG noch ein- rennen erneut: Anfang Mai mal. 31:29 (14:15) – ein Polster, patzt Flensburg in Göppin- ja. Aber kein komfortables. gen, lässt einen Punkt beim Zumal der THW für knapp 28:28-Unentschieden, und vier Wochen auf Abwehr- der THW grüßt wieder von Säule Patrick Wiencek ver- der Spitze der Liga. zichten muss. Der National- spieler bricht sich in der zwei- DER KRÄFTEVERSCHLEISS ten Halbzeit bei einem Zu- FORDERT SEINEN TRIBUT sammenprall mit PSG-Regis- seur Luc Steins das Doch die Wochen der Wahr- Wadenbein. heit ziehen sich dieses Jahr Sein Ausfall macht sich be- länger hin als gewohnt. Das reits im Heimspiel gegen Ba- Liga-Programm scheint kein lingen bemerkbar. „Wir sind Ende zu nehmen. Das in der keine Roboter“, mahnt Positi- Königsklasse hingegen ons- und Nationalmann- kommt für den THW-Ge- schaftskollege Pekeler noch schmack zu früh. Zwar bieten einmal mit Blick auf das die Zebras Sagosens Ex-Klub Handball-Hamsterrad. Tat- Paris Saint-Germain im Hin- sächlich läuft’s beim THW spiel auch ohne den Norwe- gegen die „Gallier von der ger einen großen Kampf. Alb“ nicht wie geschmiert, Schön ist die Partie nicht, bei- offenbart die Deckung Lü- de Mannschaften machen cken, die trotz nominellem viele Fehler. Die Franzosen Klassenunterschied eine nur provozieren die der Kieler mit knappe Pausenführung der einer 5:1-Abwehr, THW-Trai- Kieler von 21:19 zulassen. Das er Jicha sieht „eine richtige 38:34 ist nicht mehr als ein Schlacht“. Zu großer Form krampfiger Pflichtsieg, die laufen Harald Reinkind (10 Kür soll in Paris folgen, wo Tore) und Torwart Niklas erstmals nach der dritten Co- Landin auf, der in der rona-Welle 800 Zuschauer Schlussphase dafür sorgt, zugelassen sind. Die Kieler dass der bislang stets wech- freut’s, alles ist besser als JULI 2021 | ZEBRA JOURNAL | 17
DER WEG DURCH DIE SAISON Erleichterung trifft auf Freude und Erschöpfung: Durch das erzitterte 25:25 bei den Rhein-Neckar Löwen belohnten sich Rune Dahmke (mit Schale) und seine Teamkollegen mit der 22. Meisterschaft der Vereinsgeschichte. FOTO: SASCHA KLAHN ins Final Four gebraucht hätten. Zwar die Zebras präzise und effektiv wie pro- Auch als Magdeburg auf 26:20 davon- halten sich die Kieler bis zum 23:24 (44.) grammierte Sieg-Maschinen unter- zieht. Die Zebras beweisen Charakter, mit Einzelaktionen irgendwie in Schlag- wegs, spielen den TBV Lemgo Lippe im kämpfen sich wieder heran (26:27/49.), distanz. Zwar kehrt Sagosen zurück aufs ersten Durchgang mit Leichtigkeit zum verlieren aber das Torhüter-Duell gegen Feld, doch unterlaufen dem Norweger – 18:11 auseinander. Und wähnen sich den bärenstarken Tobias Thulin. Und wie auch Domagoj Duvnjak – beim Ver- schon in der Kabine offenbar als sichere haben in der Schlussphase auch noch such, Verantwortung zu übernehmen, Finalisten. In der zweiten Hälfte hakt es Verletzungspech. Steffen Weinhold entscheidende Fehler. Den Schiedsrich- plötzlich an allen Ecken und Enden, ver- muss mit einem Cut an der Augenbraue tern Oscar Raluy Lopez und Angel Sa- zetteln sich Zarabec, Duvnjak, Sagosen vom Feld. Schlimmer erwischt es Niclas broso Ramirez auch. Nach dem 25:31- und Co. im Angriff, kommen in der Ab- Ekberg. Der Schwede, bis dato drauf Rückstand erlebt der THW eine kleine wehr zu spät, bekommt Niklas Landin und dran, seinen Trainer noch in der Auferstehung, hat in Person von Sago- die Finger nicht mehr an den Ball und ist ewigen Bundesliga-Torjägerliste zu sen im Gegenstoß die Chance, weiter zu auch Filip Jicha an der Seitenlinie ratlos. überholen, verletzt sich vier Minuten verkürzen, die ekstatischen Fans doch Lemgo, auf der Jagd nach dem ersten vor Schluss am Innenband im Knie. Der zum Schweigen zu bringen. Doch die Pokalsieg seit 2002, spielt wie entfesselt Tor-Zähler bleibt für ihn bei 1302 (Jicha Spanier pfeifen dem Superstar ein Stür- auf, schafft die Sensation und gewinnt 1319) stehen. Der für den THW bei 33:34. merfoul ab, schicken ihn dann wegen mit 29:28. Den THW schmerzt nicht nur Die Tabellenführung wechselt wieder Meckerns mit Rot vom Feld. „Das war der verpasste Titel, sondern vor allem nach Flensburg und Domagoj Duvnjak die letzte Hoffnung, die wir noch hat- die Art und Weise der Niederlage. „Die- ist sich sicher: „Ich glaube nicht, dass ten“, sagt der niedergeschlagene Zu- se Leichtfertigkeit und wie verantwor- Flensburg noch was liegenlässt.“ schauer Wiencek, der den Grund für das tungslos wir mit der Führung umgegan- Dennoch erledigen die Kieler ihre Ausscheiden des Titelverteidigers klar gen sind, ist das, was mich am meisten Hausaufgaben, gewinnen mit 35:30 benennt: „Die Jungs waren körperlich enttäuscht“, sagt Geschäftsführer Vik- (17:13) bei GWD Minden, fertigen Frisch total am Limit. Jetzt kommen die ent- tor Szilagyi und prognostiziert: „Das Auf Göppingen mit 31:23 (15:11) ab, domi- scheidenden Spiele der Saison. Da ist es wird uns noch länger nachhängen.“ nieren die Eulen Ludwigshafen beim umso trauriger, dass man nicht die Luft Er behält Recht, auch der Auftritt der 29:20 (13:10) in der Pfalz, rächen sich mit hat, die man gern hätte.“ Kieler beim Liga-Spitzenklub SC Magde- 33:23 (20:9) am TBV Lemgo für den Po- Die Luft droht den Zebras auch gegen burg hebt ihre Laune nicht. Zwar ist von kal-Frust, auch wenn Patrick Wiencek die MT Melsungen auszugehen, die sie Leichtfertigkeit in den 60 Minuten wieder passen muss und Hendrik Peke- drei Tage nach dem bitteren Königsklas- Kampf nichts zu spüren. Doch die Kieler ler kaum noch laufen kann. sen-Aus empfangen. Mit 29:28 (13:11) starten sichtlich verunsichert in die Par- Dann kommt das Saison-Finale gegen retten sie sich über die Ziellinie, holen tie, geraten früh ins Hintertreffen und die Löwen, ein Wechselbad der Gefühle, anschließend Pflichtsiege in Lemgo lassen zu, dass der SCM, erstmals wie- inklusive der Rettungstat von Steffen (30:25/13:12) und Leipzig (33:26 (18:14) der angetrieben von eigenen Fans, sich Weinhold zum Schluss, als er den letzten sowie zu Hause gegen den TUSEM Essen, am möglich scheinenden Sieg be- Löwen-Angriff mit einem Stoppfoul an den sie mit dem 37:25 (21:14) wieder in rauscht. Wie immer im Prestige-Duell Andy Schmid unterbricht, den Mann- die Zweitklassigkeit schicken. zwischen den beiden Traditionsklubs heimern nur noch zwei Sekunden und geht es hart zur Sache, müssen Glied- ein Freiwurf bleiben, um aus dem 25:25 POKAL-DESASTER MIT LEICHTSINN maßen verbunden, Trikots getauscht (12:13) einen Sieg zu machen. Zu wenig, und Karten gezückt werden. Kurz vor der THW zittert sich zum Titel und star- Gerade rechtzeitig zur nächsten Titel- der Pause (17:16 für Magdeburg) sieht tet überglücklich, aber auch mit einem Chance scheint der THW wieder das Hendrik Pekeler Rot, weil Nils Blümel Gefühl der mentalen Leere in die Feier- richtige Timing für Verausgabung und und Jörg Loppaschewski eine Beinbe- lichkeiten. „Das war die schwerste Sai- Schongang gefunden zu haben. Doch wegung des Nationalspielers im Boden- son meiner Karriere“, seufzt Duvnjak. ausgerechnet im Pokal-Halbfinale, das kampf mit Piotr Chrapkowski als ab- Und Niklas Landin sagt angesichts der rechnerisch noch zur Vorsaison gehört, sichtlichen Tritt interpretieren. So muss einsetzenden Entspannung: „Gut, dass kommt er bei der Wahl des richtigen der frisch genesene Patrick Wiencek im wir jetzt feiern können. Da braucht man Modus durcheinander. Zunächst sind Dauereinsatz auf die Zähne beißen. den Kopf nicht.“ 18 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
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INTERVIEW MIT FILIP JICHA Seit zwei Jahren dreht Filip Jicha als Cheftrainer beim THW Kiel am Steuer – und lenkte die Mannschaft auch in der komplizierten Corona- Saison mit viel Fingerspitzengefühl durch die Spielzeit. FOTO: UWE PAESLER Saison-Finale und ab in den Urlaub? Nicht für Filip Jicha. Der THW-Trainer musste nach dem „In Symbiose gearbeitet“ erzitterten Meistertitel noch mal die Schulbank drücken. In der Sportschule Hennef, bei der Ausbildung zum EHF-Mastercoach. Nach Aber der Präsenzunterricht wurde Was war für Sie Ihr „Schlüsselmoment“? einer Woche Theorie nahm durch Corona um ein Jahr nach hinten Das waren ganz viele. Die ganzen Tes- verschoben. Am ersten Tag habe ich tungen und Quarantänen waren Mo- sich der 39-jährige Tscheche auf schon eine gewisse Leere gemerkt. Wir mente, in denen der Sport nicht an erster der Autofahrt in die Heimat sind ja keine Maschinen. Aber am Ende Stelle stand, sondern die Frage: Wie Zeit, im Gespräch mit dieser der Woche hatte ich mich ganz gut erholt geht es überhaupt weiter? Dann die Mo- und habe, glaube ich, auch ganz aktiv mente direkt nach der ersten Quarantä- Zeitung auf eine Saison mitgemacht. ne. Das Spiel in Stuttgart (34:27-Sieg, d. zurückzublicken, die er als Red.), dann gegen die Löwen (32:23- „skurril“ bezeichnet. Konnten Sie die Saison überhaupt Sieg, d. Red.), und dann sind wir nach schon mental verarbeiten? Köln geflogen und haben zwei perfekte Wenig, aber doch. Als ein geselliger Spiele hingelegt. Plötzlich standen wir Herr Jicha, nach zwei Meistertiteln Abend auf dem Programm stand, bin ich in der Kabine mit diesem Pokal in der und dem Gewinn der Champions ganz bewusst auf dem Zimmer geblie- Hand. Was uns da Einmaliges gelungen League – wozu brauchen Sie diesen ben und habe alles ein bisschen sacken war, dass wir mit dieser Vorgeschichte „Mastercoach“ überhaupt? lassen. Da ist mir klar geworden, was die wieder Champions-League-Sieger ge- Das ist eine EHF-Vorschrift für alle Trai- Jungs in dieser Saison alles geleistet ha- worden waren – das konnte ich damals ner, die an der Champions League oder ben, wie erfolgreich wir waren. Das war an Europameisterschaften teilnehmen. ein gut gelungener Abend, voller Stolz. Eigentlich sollte das längst erledigt sein. Ein sehr schönes Gefühl. Fortsetzung auf Seite 22 20 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
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INTERVIEW MIT FILIP JICHA noch gar nicht realisieren. In Oskar Sunne- die Zähne gebissen. meiner noch jungen Trainer- feldt einen Auch wenn sie im letz- laufbahn mit den Jungs so et- jungen Spie- ten Monat jedes Spiel was zu erreichen, war wirk- ler geholt, verloren hätten, lich schön. Die Spieler haben der Nikos wären sie für mich unfassbar viel umgesetzt, Rolle Sieger gewesen. wollten so viel leisten, waren nicht Da sollte man so erfolgreich und brauchten vollkom- den Willen be- uns Trainer eigentlich gar men werten, trotz nicht. ausfül- enormer Ermü- len dung weiter die Wenn Sie sich festlegen konnte. richtigen Ent- müssten: Wer war Ihr Das war scheidungen tref- Spieler der Saison? Ein uns allen fen zu wollen, sich Harald Reinkind, der kein auch vorher immer wieder der Spiel verpasst hat? Ein klar. Umso Herausforderung Top-Scorer Niclas Ekberg? mehr da- zu stellen. Für die- Mehrere haben dieser Saison von hat San- se Stadt, für diese einen gewissen Stempel auf- der über- Organisation, für gedrückt. Ob das Niklas Lan- nommen. diese Fans, für din im Tor war, der uns viele Und dafür, uns. wichtige Siege gesichert hat. dass er sein Ob das Harald war oder am erstes Jahr Sie sagten, dass Ende Sven Ehrig, der mit ge- in der Bun- Sie sich oft rade 21 Jahren eine sehr desliga und ungerecht wichtige Rolle als einzig ver- noch dazu behandelt gefühlt bliebener Rechtsaußen über- unter diesen haben in dieser nehmen musste (Niclas Ek- Umständen Saison. Dabei berg fiel mit einer Knieverlet- mitmachen meinten Sie zung aus, d. Red.). Das ist musste, hat er beispielsweise nicht einfach mit diesem das sehr gut die Ansetzung enormen Druck. Er hat das gelöst. des Magdeburg- sehr gut gemacht. Ob das Du- Hinspiels. le (Kapitän Domagoj In den ent- Meister ist der Duvnjak, d. Red.) war oder scheidenden THW Kiel Peke (Kreisläufer Hendrik Momenten der trotzdem Pekeler, d. Red.). Die gesam- Alles-oder- geworden. te Mannschaft hat in Symbio- nichts-Spiele Wie viel se gearbeitet, war enorm fo- gegen Lemgo besser wäre kussiert, obwohl die Saison im Pokal und im Ihre Mann- wirklich skurril war ohne Zu- Saison-Finale schaft denn „ schauer. gegen die Löwen sogar noch haben Sie ihn unter norma- nach schwachen len Voraus- Aktionen in der setzungen? Mich interes- Crunchtime aus- Wir können si- gewechselt. Auch cherlich noch sieren die Leistun- in Paris wirkte er in besser sein. gen der Spieler im der Schlussphase Aber das hängt Juni insgesamt einen überdreht, bekam Rot. davon ab, ob Mussten Sie die Mann- wir wieder ei- Scheißdreck. Da ha- schaft manchmal vor nen vernünfti- ben die Jungs einfach ihm schützen? gen Spielplan Nein. Dass er im Cham- auf die Beine nur noch auf die pions-League-Viertelfi- gestellt bekom- Zähne gebissen. nale überhaupt auf dem men. Einer, in Feld stand, zeigt, was für dem wir sie- ein enormer Sportler er ben Spiele in Hat Neuzugang Sander ist. Er hatte vorher 14 Tage zwei Wochen Sagosen Ihre Erwartungen mit hohem Fieber im Bett absolvieren voll erfüllt? gelegen und in dem Spiel un- müssen, verhindert eine Ent- Allemal. Sander ist einer der glaubliche Entscheidungen wicklung. Wenn wir keine besten Handballspieler der getroffen. Dass irgendwann Seine erste Meisterschaft Möglichkeit haben zu trai- Welt mit enormen Entschei- die Kräfte nicht mehr rei- als Trainer gewann Jicha nieren – und sei es nur die dungsfähigkeiten, der sich chen, ist logisch. Mich als in der abgebrochenen Physis – werden wir schlech- voll reingehauen hat. Nach Trainer interessieren die Vorsaison am Grünen ter werden. Die letzten zwei Nikola Bilyks Verletzung Leistungen der Spieler im Ju- Tisch. Dieses Mal war der Monate waren nur noch ein (Kreuzbandriss mit Menis- ni insgesamt aber einen Jubel bei der Schalen- kusschaden in der Vorberei- Scheißdreck. Da haben die übergabe umso größer. tung, d. Red.) haben wir mit Jungs einfach nur noch auf FOTO: SASCHA KLAHN Fortsetzung auf Seite 24 22 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
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INTERVIEW MIT FILIP JICHA Kampf ums Überleben. Da kann man halten Sie es in diesem Handball-Hams- che auf ein Viertelfinale konzentrieren nichts weiterentwickeln. terrad überhaupt noch aus? können. Ich habe beim THW Kiel einen Vertrag Wie groß ist Ihre Hoffnung auf bis 2023. Bis dahin habe ich zu 100 Pro- Wären Ihnen eine Liga mit 16 Mannschaf- Besserung? Immer mal wieder stehen zent Bock. Dann sehen wir weiter. ten und weniger Welt- und eine Liga-Reduzierung oder die Anzahl Europameisterschaften lieber? der großen Turniere auf dem Prüfstand. Auch angesichts der guten Champions- Eine Liga mit 16 Mannschaften wäre Geändert hat sich seither wenig. League-Auslosung: Wie optimistisch mein Wunsch. Aber ich glaube, das ist (Lacht) Keine Ahnung. Jetzt startet sind Sie, wieder ganz oben in Europa nicht umsetzbar. Vor allem bräuchten Olympia. Ein Hendrik Pekeler und ein angreifen zu können? wir sechs oder sieben garantierte Wo- Sander Sagosen haben nach so einer Man muss das realistisch sehen. Saison nur eine Woche frei. Das ist bru- Corona hat uns mit Blick auf tal. Selbst wenn der Körper das schafft, unsere Kaderplanung und wird sich der Kopf irgendwann eine unser Portemonnaie stark Pause gönnen. Da müssen wir aufpas- getroffen. Wenn man sieht, sen, dass die Spitzenathleten die Lust wie zum Beispiel Kielce sich nicht verlieren. verstärkt, muss man noch mal betonen: Wir haben im Was stimmt Sie für die nächste Dezember ein Handballmär- Saison optimistisch? chen erlebt. Natürlich wol- Ich erhoffe mir viel von der Rückkehr len wir wieder angreifen. der Zuschauer. Wenn wir mal wieder ei- Aber vor allem müssen ne annähernd volle Halle erleben, wir uns eine gesunde Ba- kommt dieses Gefühl zurück, für das wir sis erhalten. Eines ist das alles machen. Wir sind wie Schau- klar: Wenn wir das Fi- spieler, wir brauchen diese Bühne. Vor nal Four erreichen wol- „ Zuschauern haben wir den meisten len, brauchen wir auch etwas Unterstützung von der HBL. Wir repräsentieren in der Wie soll die Champions League auch den aussehen? Wir repräsentie- deutschen Vereinshandball ren in der Champi- und die Liga in Europa. Der ons League auch den deutschen Vereins- HBL-Spielplan muss zum handball und die Liga in Beispiel die Viertelfinal-Spiele Europa. Der HBL-Spiel- berücksichtigen. Zwischen plan muss zum Beispiel die Viertelfinal-Spiele Hin- und Rückspiel darf nicht berücksichtigen. Zwi- noch ein Liga-Spiel liegen. schen Hin- und Rückspiel darf nicht noch ein Liga- Spiel liegen. In anderen Ländern ist das üblich. Wenn Spaß. Wenn wir das wieder haben, der Wille zur Unterstützung da ist, kommt auch ein Energie-Schub. Die würde man bestimmt eine Regelung fin- sportliche Normalität, die wir brauchen. den, damit wir uns mal eine ganze Wo- Ihnen ist in dieser herausfordernden Saison zwischenzeitlich der Spaß vergangen. Wie lange Da geht’s lang: Jicha hat eine klare Vision für den THW Kiel – und einen Vertrag bis 2023. FOTO: DPA 24 | ZEBRA JOURNAL | JULI 2021
INTERVIEW MIT FILIP JICHA „ In ihren Händen liegen die sportlichen Geschicke der Zebras: Geschäftsführer Viktor Szilagyi, Cheftrainer Filip Jicha, Torwarttrainer Mattias Andersson und Co-Trainer Christian Sprenger (von links). Sie alle waren auch als Spieler mit dem Rekordmeister erfolgreich. FOTO: UWE PAESLER chen Sommerurlaub für die Spieler, die führt haben. Dementsprechend hat sie sich in der stärksten Liga der Welt zei- Als Trainer würde sich auch gefreut, dass wir gewonnen gen wollen. Richtig erholen und mental ich die Mannschaft gerne haben. Sie hat richtig begriffen, was für abschalten – danach kann man wieder noch mit zwei Spielern Arbeit das ist. Das mit meiner Familie so performen. Eine Alternative wären grö- intensiv zu erleben, war unglaublich ßere Kader, dann wären mehr englische verstärken. Aber das schön. Wochen, eine kürzere Saison, und damit können wir uns nicht leisten. auch längerer Urlaub, möglich. Sie starten nun auch in den Urlaub – wie lang ist Ihre selbst verordnete Handball- Sehen Sie Ihren Kader für die kommende Pause bis zum Trainingsstart am 1. Au- Spielzeit optimal aufgestellt? dass sie aus Perspektive eines Vaters noch gust? Und wie verbringen Sie sie? Als Trainer würde ich die Mannschaft entbehrungsreicher war? Ich finalisiere jetzt noch ein bisschen die gerne noch mit zwei Spielern verstär- Eher andersherum. Wir haben durch die Planung für Vorbereitungsspiele und ken. Aber das können wir uns nicht leis- vielen Charter-Reisen, ohne die es diese Trainingslager. Danach werde ich drei ten. Die Jungs, die wir haben, sind quali- Saison gar nicht gegangen wäre, viel Wochen komplett runterfahren. Eine tativ gut. So lange die alle fit sind, wer- Reisezeit gespart. Die frisst sonst die Woche werde ich mit meinen engsten den wir um alles mitspielen. Aber wenn meiste Familienzeit. Außerdem waren Freunden beim Golfen in Tschechien Sander oder Patrick (Wiencek, d. Red.) die Kinder viel zu Hause. Für mich per- verbringen. Und wenn das Corona-Ge- ausfallen, ist das kaum kompensierbar. sönlich war auch schön, dass meine schehen es erlaubt, versuchen wir mit Wir wollen das Märchen wiederholen, Tochter und mein Sohn diese Saison der Familie noch ein paar Tage in Spa- müssen unsere Chancen aber nüchtern komplett wahrgenommen haben. Mei- nien zu verbringen. betrachten. ne Tochter hat wirklich jedes Spiel von Anfang bis Ende geschaut. Egal, ob wir Interview: Merle Schaack Haben Sie nach dieser Saison das Gefühl, zurücklagen oder mit zehn Toren ge- und Tamo Schwarz JULI 2021 | ZEBRA JOURNAL | 25
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