ZEIT FÜR MEHR GERECHTIGKEIT! - KOMPETENZ-online

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ZEIT FÜR MEHR GERECHTIGKEIT! - KOMPETENZ-online
Österreichische Post AG, MZ 02Z031731M, ÖGB-Verlag, Johann-Böhm-Pl. 1, 1020 Wien, Retouren an PF 100 1350 Wien

2 / 2021                                                                                      MAGAZIN DER GEWERKSCHAFT GPA

   ZEIT FÜR MEHR
   GERECHTIGKEIT!
Sozialwirtschaft: Worte reichen nicht! S. 12
Handel: „Wir sind am Ende unserer Kräfte!“ S. 16

GPA.AT | KOMPETENZ-ONLINE.AT                                                                                             1
ZEIT FÜR MEHR GERECHTIGKEIT! - KOMPETENZ-online
KOMPETENZ 2 / 2021

INHALT

4                                           9                                         22
COVERSTORY                                  INTERVIEW                                 ARBEITSRECHT
Welche Investitionen notwendig sind, um     Die Ökonomin Franziska Disslbacher        Wann muss ich mich für die Arbeit
gut aus der Krise zu kommen.                über neue Erkenntnisse zur Vermögens-     testen oder impfen? Wir erklären die
                                            verteilung.                               Rechtslage.

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3 EDITORIAL                                 11 KINDERGÄRTEN                           18 KURZMELDUNGEN
                                               Wiener PädagogInnen kämpfen für
4 ZEIT FÜR MEHR GERECHTIGKEIT                  bessere Arbeitsbedingungen             20 EINE FRAU MIT
    Was für einen ökologischen und                                                       GERECHTIKEITSSINN

                                                                                                                                 Foto: Titelseite: iStock, S 4: Daniel Novotny, S. 9: Nurith Wagner-Strauss, S 22: Adobe Stock
    sozial gerechten Wiederaufbau der       12 SOZIALWIRTSCHAFT                          Die Betriebsratsvorsitzende der
    Wirtschaft nötig ist.                      Die Beschäftigten im Gesundheits-         Caritas Gabriele Wurzer im Porträt
                                               und Sozialbereich warten vergeblich,
7 MEINUNG			                                   dass dem Klatschen Taten folgen.       22 ARBEITSRECHT
    ExpertInnen aus Wirtschaft und                                                       Alles zum Impfen und Testen
    Kultur verraten ihre Rezepte gegen      14 PRAKTIKA
    die Krise.                                 Für fair bezahlte Paktika im           24 VERSCHULDET DURCH CORONA
                                               Gesundheits- und Sozialbereich            Warum private Schulden ansteigen
8 BILDMELDUNG
    Aktion: MillionärInnen fair besteuern   15 ERWACHSENENBILDUNG                     26 JOURNALISMUS IN GEFAHR
                                               Kollektivvertragsabschluss                Warum unabhängiger Journalismus
9	„DEN VERMÖGENDEN WIRD IN                                                              derzeit so gefährdet ist wie noch nie
   DER POLITIK VIEL MEHR GEHÖR              16 HANDEL
   GESCHENKT.“                                 Beschäftigte sind am Ende              28 FAKTENCHECK
    Die Ökonomin Franziska Disslbacher         ihrer Kräfte                              Arbeitslos - was nun?
    im Interview
                                            17 FOTOGRAMM                              30 GPA-WOHNBAUVEREINIGUNG
                                            		                                           Sicheres und leistbares Wohnen

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EDITORIAL

                              ZUSAMMENHALT
                              STATT GIER

                                                                            Nur wenn wir die Krisenkosten fair ver-
                                                                            teilen, kommen wir gut aus der Krise.

                              ZUR PERSON:            Jene, die sich für Fußball interessieren, wissen   der Pflege dringend zusätzliches Personal und
                              Martin Panholzer ist   Bescheid. Einige der reichsten europäischen        Ressourcen. Im Lebensmittelhandel wurde zu-
                              Leiter der Abteilung   Spitzenclubs wollten eine Super-Liga gründen,      letzt sehr viel Geld verdient. Das müssen auch
                              Öffentlichkeitsar-
                                                     die es ihnen ermöglicht hätte, noch mehr Geld      die Beschäftigten spüren und auch hier muss
                              beit in der GPA und
                              Chefredakteur          zu verdienen und dadurch noch reicher und          dafür Sorge getragen werden, dass mehr Per-
                              der KOMPETENZ.         mächtiger zu werden. Es kam zu einem Auf-          sonal zum Einsatz kommt. Eine Umfrage unter
                                                     schrei vor allem der Millionen Fußballfans in      den Handelsbeschäftigten hat ergeben, dass
                                                     Europa und so wie es aussieht, ist diese Idee      sie es nur durch solidarischen Zusammenhalt
                                                     vorerst gescheitert. Das, was sich hier abge-      untereinander geschafft haben, die schwierige
                                                     spielt hat, lässt sich durchaus auf die Gesell-    Situation zu meistern. Verantwortung und Soli-
                                                     schaft übertragen. Führt die aktuelle Krisensi-    darität verlangen wir jetzt auch von jenen, die
                                                     tuation dazu, dass die Reichen und Mächtigen       an den Schalthebeln von Wirtschaft und Politik
                                                     noch dominanter werden oder setzt ein gesell-      sitzen!
                                                     schaftlicher Prozess ein, der mehr auf Zusam-
                                                     menhalt und Solidarität setzt? Ein Trainer eines   Die GPA führt im kommenden Juli ihr Bundes-
                                                     Wiener Traditionsvereins merkte in diesem Zu-      forum, das höchste politische Gremium, durch.
                                                     sammenhang ganz richtig an: „Letztendlich          Aufgrund der Pandemie leider nur online. Wir
                                                     kommt es ja auf die breite Masse an.“              werden dort Anträge diskutieren und beschlie-
                                                                                                        ßen, die den Fokus auf die aktuelle Krisensitu-
                                                     Auch wir sind der Überzeugung, dass uns noch       ation legen, aber auch den Blick darüber hin-
                                                     mehr Gier von einigen Wenigen und ungleiche        aus. Die Bewältigung der an wirtschaftlichen,
                                                     Verteilung tiefer in die Krise führen wird. Nur    sozialen und ökologischen Krise wird einer For-
Foto: Nurith Wagner-Strauss

                                                     wenn Superreiche künftig einen größeren Bei-       derung nicht vorbei können: Es ist Zeit für mehr
                                                     trag leisten, werden wir die Krise bewältigen.     Gerechtigkeit!

                                                     Wo wir dabei konkret ansetzen müssen, be-                                  MARTIN PANHOLZER
                                                     handelt unter anderem diese Ausgabe der
                                                     KOMPETENZ. Wir brauchen etwa im Bereich

                                                                                                                                                            3
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KOMPETENZ 2 / 2021

Die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA Barbara Teiber bei der Aktion für eine Millionärssteuer
am Ballhausplatz.

ZEIT FÜR MEHR
GERECHTIGKEIT!
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COVERSTORY

Viel ist in letzter Zeit vom notwendigen
Neuaufbau der Wirtschaft die Rede. Einig sind sich
alle, dass die öffentliche Hand riesige Geld-
beträge für Investitionen in die Hand nehmen
muss.

D
         as Wichtigste ist, zu verhindern, dass die Schere   zu schaffen. Denn parallel zum Reichtum Weniger stei-
         zwischen Arm und Reich noch weiter auseinan-        gen global wieder Armut und Unterernährung.
         der geht und immer mehr Menschen jegliche
Perspektive im Leben verlieren. Wenn also von gezielten      KOLLEKTIVVERTRÄGE SICHERN
Milliardeninvestitionen in den ökologischen Umbau und
die Digitalisierung gesprochen wird, dann muss die Si-       Eine wichtige Herausforderung wird sein, das ös-
cherung eines guten Lebens für alle erste Priorität ha-      terreichische System der kollektiven Lohn- und Ge-
ben.                                                         haltsfindung abzusichern und weiter zu entwickeln.
                                                             Die Gewerkschaft GPA verhandelt jährlich über 170
BEITRAG DER REICHEN                                          Kollektivverträge und sichert so die Gehaltserhöhung
                                                             samt Urlaubs- und Weihnachtsgeld für Hunderttau-
Der Tenor der österreichischen Regierung lautet der-         sende. „Gerade in diesen extrem unsicheren Zeiten ist
zeit: Durch Wirtschaftswachstum wird der Staat so            der Verlass auf die vertraglich gesicherte Einkommens-
hohe Steuereinnahmen lukrieren, dass die Schulden            entwicklung für die Beschäftigten von großer Bedeu-
automatisch zurückgeführt werden können. Abgesehen           tung und ein wichtiger Beitrag zum Wachstum“, sagt
davon, dass es höchst umstritten ist, ob und wann das        der Geschäftsführer der Gewerkschaft GPA Karl Dürt-
Wirtschaftswachstum in der notwendigen Höhe Reali-           scher.
tät wird, weist unser Steuersystem aktuell eine eklatan-
te Schieflage auf. Rund 80 Prozent der Steuern werden        »Der Unterschied zwischen arm und
von ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen gezahlt.           reich hat ungesunde und inzwischen
Unternehmen und MillionärInnen tragen im Vergleich
                                                             demokratiegefährdende Ausmaße
nur wenig bei. „Der Unterschied zwischen arm und reich
hat ungesunde und inzwischen demokratiegefährden-            angenommen, die sich durch die
de Ausmaße angenommen, die sich durch die Coro-              Corona-Pandemie noch verschärft
na-Pandemie noch verschärft haben“, untermauert              haben.«
GPA-Vorsitzende Barbra Teiber die Forderung der Ge-
                                                             Barbara Teiber
werkschaft GPA nach einer Millionärssteuer.

„Durch die Rettungspakete wurden nicht nur Unter-            ARBEITSPLÄTZE SCHAFFEN
nehmen und Arbeitsplätze gerettet, sondern auch die
Privatvermögen der UnternehmenseignerInnen. Es ist           „Das Wirtschaftswachstum allein wird nicht reichen,
nur gerecht, wenn MillionärInnen einen substantiel-          um Beschäftigung zu sichern“, ist Barbara Teiber
len Beitrag zur Krisenbewältigung leisten“, ergänzt der      überzeugt. Dazu brauche es auch gezielte und groß
Leiter der GPA-Grundlagenabteilung, David Mum. Die           angelegte Programme der öffentlichen Hand, um Men-
Gewerkschaft steht mit der Forderung nach einer Mil-         schen mit geringen Arbeitsmarktchancen, wie zum Bei-
lionärssteuer nicht alleine da. Kürzlich hat etwa der Ge-    spiel ältere Langzeitarbeitslose, in Beschäftigung zu
neralsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres,      bringen.
eine globale Reichensteuer gefordert, um die Folgen
der Krise zu bewältigen. Auch der Internationale Wäh-        ArbeitnehmerInnen werden immer produktiver, sie
rungsfonds hat empfohlen, durch Besteuerung reicher          schaffen immer mehr in weniger Arbeitszeit. „Es ist ab-
Personen und Konzerne mehr Verteilungsgerechtigkeit          surd, wenn in einer Zeit der Massenarbeitslosigkeit jene,

                                                                                                                    5
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KOMPETENZ 2 / 2021

           die Arbeit haben, immer mehr unter Druck kommen,             STRUKTURWANDEL
           während für Hundertausende die Arbeitszeit auf Null
           gesetzt wird“, ergänzt Teiber. Die GPA trete deshalb für     Es ist unbestritten: Die Klimakrise bedroht das Überle-
           eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn-      ben des Planeten. Wir müssen alles unternehmen um
           ausgleich ein. „Wir sind aber auch offen für kreative        CO2 zu reduzieren und mehr erneuerbare Energie wie
           Modelle auf betrieblicher und Branchenebene“.                Windkraft oder Sonnenenergie zu nutzen und den öf-
                                                                        fentlichen Verkehr massiv auszubauen. Dieses Projekt
           FÜR ECHTE GLEICHSTELLUNG                                     kann jedoch nicht dem Markt überlassen werden, son-
                                                                        dern muss mit einer aktiven Rolle des Staates und unter
           Frauen sind in vielen gesellschaftlichen Bereichen nach      Einbeziehung der betroffenen Menschen erfolgen.
           wie vor benachteiligt. Durch die Gesundheitskrise wur-
           den bestehende Benachteiligungen manifest. Home-             Österreich ist ein Industrieland und der Erhalt einer
           schooling und Kinderbetreuung wurden in großem               hochwertigen industriellen Produktion ist die Basis für
           Ausmaß von Frauen geschultert. Neben konkreten Maß-          unseren Wohlstand. Ein strategischer Plan, in welche
           nahmen, um die Einkommen von Frauen zu verbessern,           Richtung sich die Industrie entwickelt, wird notwendig
           braucht es auch kulturelle Veränderung. „Kinderbetreu-       sein. Auf die Kräfte des freien Marktes allein kann man
           ung darf nicht nur in den Händen von Frauen liegen,          sich dabei nicht verlassen.
           sondern muss partnerschaftlich aufgeteilt werden“,
           stellt Teiber klar. Darüber hinaus haben die letzten Lock-   DEMOKRATIE SCHÜTZEN
           downs ab Ende 2020 insbesondere Branchen mit hoher
           Frauenbeschäftigung getroffen.                               Schwere Krisen stellen immer auch eine Gefahr für die
                                                                        Demokratie dar. Das lehrt uns die Geschichte und das
           »Hochwertige Pflege wird es nur dann                         wissen insbesondere auch GewerkschafterInnen aus
           geben, wenn die Beschäftigten gute                           leidvoller Erfahrung. Gerade jetzt muss man allen Ver-
                                                                        suchen, die Krise mit autoritären Mitteln und Demokra-
           Löhne und Gehälter und kürzere Ar-
                                                                        tieabbau zu bewältigen, entgegentreten. Dazu gehört
           beitszeiten haben.«                                          auch eine kritische Haltung gegenüber Medienkonzen-
           Barbara Teiber                                               tration und Versuchen, die Medien für politische Ziele
                                                                        von Parteien und deren Interessen dienstbar zu machen.
           DER SOZIALSTAAT ALS WERTVOLLES GUT                           Demokratie ist mehr als periodische Wahlen in öffent-
                                                                        lichen Körperschaften. Demokratie muss auch am Ar-
           Die Gesundheitskrise hat eindrucksvoll gezeigt: Län-         beitsplatz und in den Ausbildungsstätten sichergestellt
           der mit einem gut ausgebauten Sozialsystem konnten           werden. „Das gesetzlich verbriefte Recht, Betriebsräte
           die negativen Folgen der Pandemie besser abfedern.           zu wählen, muss gesichert bleiben, ebenso wie die ge-
           „Gerade in den Sozial- und Gesundheitsbereich muss           setzliche Interessensvertetung der ArbeitnehmerInnen
           der Staat jetzt investieren“, fordert Teiber. „Hochwertige   durch die Arbeiterkammern“, stellt Barbara Teiber klar.
           Pflege wird es nur dann geben, wenn die Beschäftigten        ●
           gute Löhne und Gehälter und kürzere Arbeitszeiten ha-
           ben.“ Österreich besitzt im internationalen Vergleich ein                                     MARTIN PANHOLZER
           gutes und leistungsfähiges Pensionssystem. Dieses muss
           auch weiterhin erhalten bleiben. Die Krisenkosten dür-
           fen nicht zu Lasten der öffentlichen Pensionen gehen.

           Die Coronakrise zeigt auch Defizite in unserem Bil-              Die GPA hält Anfang Juli
           dungssystem schonungslos auf. Die Infrastruktur der              ihr Bundesforum ab und
           Bildungseinrichtungen entspricht vielfach nicht den              wird sich offensiv mit ihren
           modernen Standards (Stichwort Digitalisierung). Inves-           Vorschlägen in die Diskussion
           titionen in das Bildungssystem müssen eine faire Bil-            einbringen. „Zeit für mehr Gerechtigkeit“
           dungschance für alle sicherstellen und junge Menschen            lautet das Motto. Es ist klar, dass
           zu kritischen und selbstbewussten Individuen bilden.             ein Neustart unserer Gesellschaft
           Insbesondere dem Bereich der Berufsausbildung muss               mit einer Offensive für mehr
           mehr Augenmerk geschenkt und die Ausbildungsga-                  Gerechtigkeit verbunden sein muss.
           rantie ausgebaut werden.

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ZEIT FÜR MEHR GERECHTIGKEIT! - KOMPETENZ-online
MEINUNG

                                                                                                                                                                                               Was unser Land jetzt braucht!
                                                                                                                                                                                               Stimmen zur Krisenbewältigung

                                                                                                                                                                                                                     „ Wir brauchen einen Aufschwung, der so stark ist, dass er auch genügend neue Jobs schafft. Und wir
                                                                                                                                                                                                                    brauchen eine gerechte Verteilung der Krisenkosten. Jenen, die überproportionale Lasten schulterten, sollten
                                                                                                                                                                                                                    wir unter die Arme greifen - etwa dem Personal in den Spitälern, von der Reinigungskraft bis zur
                                                                                                                                                                                                                    Assistenzärztin, aber auch den SchülerInnen und Lehrlingen, die stark unter den Lockdowns litten. “

                                                                                                                                                                                                Barbara Blaha
                                                                                                                                                                                                Momentum Institut

                                                                                                                                                                                                                    „Die Erwerbslosigkeit muss dringend gesenkt werden – keineswegs nur auf das Niveau von vor dieser Krise.
                                                                                                                                                                                                                    Beschäftigungspolitik soll dringend benötigte Arbeit im Gesundheitswesen, in der Bildung, in weiteren
                                                                                                                                                                                                                    öffentlichen Dienstleistungen und für die Ökologisierung ermöglichen. Zudem braucht es mutige Schritte
                                                                                                                                                                                                                    der Arbeitszeitverkürzung, um Arbeit auf mehr Personen zu verteilen und mehr Geschlechtergerechtigkeit
                                                                                                                                                                                                                    zu erreichen. Die Krise hat auch gezeigt, dass jede Erwerbsarbeit unabhängig von der Vertragsform volle
                              (Daniel Wisser)/Diakonie (Martin Schenk)/Nurith Wagner-Strauss (Jörg Flecker)/privat (Eva Zeglovits)/Attac (Lisa Mittendrein)/Momentum Instiut (Barbara Blaha)

                                                                                                                                                                                                                    soziale Absicherung braucht – letztlich also ein Ausbau des Sozialstaates unabdingbar ist.“
                                                                                                                                                                                                Jörg Flecker
                                                                                                                                                                                                Uni Wien

                                                                                                                                                                                                                     „Ob Jeff Bezos, Didi Mateschitz oder Johann Graf: Während wir alle im Seuchenjahr um die Zukunft bangten,
                                                                                                                                                                                                                    wurden die Superreichen noch reicher. Um Ungleichheit wirklich zu bekämpfen, müssen wir das Wirtschafts-
                                                                                                                                                                                                                    system grundlegend umgestalten. Kurzfristig braucht es einen Ausgleich der enormen Lasten der aktuellen
                                                                                                                                                                                                                    Krise. Attac fordert einen Corona-Lastenausgleich: Wer mehr als eine Milliarde Euro besitzt, soll davon
                                                                                                                                                                                                                    60 Prozent abgeben.“

                                                                                                                                                                                                Lisa Mittendrein
                                                                                                                                                                                                attac

                                                                                                                                                                                                                    „Niemand ist sicher, bevor nicht alle sicher sind. Viele sind durch auslaufende Mietstundungen gefährdet,
                                                                                                                                                                                                                    zu viele von schikanösen Sozialhilfekürzungen betroffen, tausende Kinder können sich notwendige
                                                                                                                                                                                                                    Therapien nicht leisten. Dringend: Für leistbares Wohnen kämpfen, in soziale Dienstleistungen investieren,
                                                                                                                                                                                                                    digitalen Wandel allen zugänglich machen, Kinder stärken, Therapielücke schließen. Insgesamt braucht es
                                                                                                                                                                                                                    mehr solch sozialstaatlicher Antworten auf die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich. Das sind
                                                                                                                                                                                                Martin Schenk
                                                                                                                                                                                                                    Maßnahmen, auf die man ein Recht hat, die nachhaltig wirken und die mehr als zufällig die Betroffenen
                                                                                                                                                                                                Diakonie            erreichen.“

                                                                                                                                                                                                                    „Die Pandemie zeigt, dass Gesundheitsversorgung und Spitalskapazitäten nicht nach markwirtschaftlichen
                                                                                                                                                                                                                    Kriterien organisiert werden dürfen, sondern wir Überkapazitäten einplanen müssen, um in Notfällen und
                                                                                                                                                                                                                    bei Auslastungsanstieg effizient zu sein. Und es muss sich die symbolische Würdigung von Pflege- und
                                                                                                                                                                                                                    Sozialberufen auch in konkreten Verbesserungen von Bezahlung und Arbeitsbedingungen zeigen.“

                                                                                                                                                                                                Daniel Wisser
                                                                                                                                                                                                Autor

                                                                                                                                                                                                                     „Wenn die gesundheitliche Krise überwunden ist, werden viele andere Probleme sichtbar werden –
                       PöschlAdobeStock

                                                                                                                                                                                                                    die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Armut stehen da ganz oben auf der Agenda. Wir müssen
                                                                                                                                                                                                                    über die Arbeitsbedingungen der vielen „SystemerhalterInnen“ nachdenken, die Großes geleistet haben.
                                                                                                                                                                                                                    Auf Lehrlinge und Schülerinnen und Schüler in berufsbildenden Schulen wurde in der Krise oft vergessen.
                     Spiola,

                                                                                                                                                                                                                    Nach Monaten mit Distance Learning und „Schichtbetrieb“ brauchen sie die Berufspraxis, im Rahmen des
                Arnold
          / © Petra

                                                                                                                                                                                                Eva Zeglovits       Unterrichts und in Form von Praktika.“
Foto: AMSFotos:

                                                                                                                                                                                                IFES

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   7
ZEIT FÜR MEHR GERECHTIGKEIT! - KOMPETENZ-online
KOMPETENZ 2 / 2021

           MILLIONÄRE FAIR BESTEUERN
           Aktionismus auf dem Ballhausplatz: Milliardär Rudi hat gut
           lachen. Österreich ist ein Paradies für Superreiche.

           In Österreich wird Vermögen extrem niedrig besteu-           Eine Millionärssteuer von nur einem Prozent würde jähr-
           ert. Unter den Industrieländern ist unser Land ganz am       lich mehrere Milliarden an Einnahmen bringen. Dieses
           unteren Ende zu finden. Das hat natürlich Auswirkun-         Geld könnte man in die Pflege, in Kindergärten und
           gen auf unsere Gesellschaft. Die Ungleichheit nimmt          Schulen oder mehr Klimaschutz Investieren. Unsere Mil-
           in Österreich zu. Und der Staat wird vor allem durch         lionärInnen würden damit einen kleinen, aber wichtigen
           hohe Steuern auf Arbeit finanziert. 80 Prozent der Steu-     Beitrag für Österreich leisten. ●
           ern und Abgaben zahlen in Österreich die Arbeitneh-
           merInnen und PensionistInnen, die damit zu kämpfen           Zur Kampagnenseite: 
           haben, dass die Lebenshaltungskosten in den letzten          https://fuer-gerechte-steuern.at/
           Jahren explodiert sind, während die Einkommen sta-
           gnierten. Sowohl die OECD als auch zahlreiche Öko-
           nomInnen fordern daher längst die Einführung einer
                                                                                                                                  Foto: Daniel Novotny

           Vermögensbesteuerung in Österreich. Denn die demo-
           grafische Entwicklung, der Klimawandel und die Digita-
           lisierung benötigen viele Investitionen, die derzeit nicht
           gesichert sind. Das könnte eine Millionärssteuer leisten.

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ZEIT FÜR MEHR GERECHTIGKEIT! - KOMPETENZ-online
INTERVIEW

                              Die Datenlage zur Vermögensvertei-
                              lung in Österreich ist dürftig. Öko-
                              nomin Franziska Disslbacher ging
                              der Sache auf die Spur. Ergebnis:
                              Ein Prozent der Haushalte verfügt
                              über 37 Prozent des Vermögens.

                              „VERMÖGEN-
                              DEN WIRD IN
                              DER POLITIK
                              MEHR GEHÖR
                              GESCHENKT“
                              KOMPETENZ: Zum Einstieg ganz grundsätzlich                heit herangezogen werden, liegt der Vergleichswert
                              gefragt: Was wissen wir über die Verteilung von           mit 35 Prozent darunter. Wobei man natürlich dazusa-
                              Vermögen in Österreich?                                   gen muss, dass die Ungleichheiten für die Menschen
                              DISSLBACHER: Über die höchsten Vermögen, also             hierzulande vergleichsweise gut abgefedert werden
                              die Hyper-Reichen, wissen wir nach wie vor viel zu we-    – durch einen ausgebauten Sozialstaat, öffentlichen
                              nig. Man kann aber generell sagen, dass die meisten       Wohnbau, das öffentliche Bildungssystem etc.
                              Menschen kein nennenswertes Vermögen besitzen.
                              Erst ab der oberen Mitte der Vermögensverteilung          Wie ist Vermögen definiert, was wird hier berück-
                              spielen etwa Immobilien im Eigentum eine Rolle.           sichtigt?
                              Wenn man weiter nach oben geht, werden die Vermö-         Wir sprechen hier von Netto-Vermögen: Das umfasst
                              gen nicht nur größer, sondern auch komplexer – mit        Sachvermögen wie Immobilien, Unternehmensbesitz,
                              Aktien, Unternehmensanteilen und Ähnlichem.               außerdem Wertgegenstände wie Kunstwerke oder
                                                                                        Gebrauchsgegenstände wie Autos und Finanzvermö-
                              Wie würden Sie die Gruppe der Hyper-Reichen de-           gen, also Aktien, Anleihen oder auch Lebensversiche-
                              finieren?                                                 rungen. All das abzüglich der Verschuldung ergibt
                              Es geht hier um ganz wenige Menschen, die so viel         das Netto-Vermögen.
                              Vermögen haben, dass damit auch Auswirkungen auf
                              die Gesellschaft verbunden sein können – etwa durch       Die hohe Vermögenskonzentration in Österreich ist
                              mehr wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten und         ein Aspekt, der in Ihrer Studie auffällt. Gibt es noch
                              politischen Einfluss.                                     andere Überraschungen?
                                                                                        Ja, es gibt noch einen zweiten Ausreißer. Dabei geht
                              Sie haben zum Thema Ungleichverteilung und Ver-           es darum, wie die Vermögensungleichheit gemessen
                              mögenskonzentration eine aktuelle Studie veröf-           wird. In vielen Ländern sind freiwillige Haushaltsbe-
                              fentlicht. Was haben Sie herausgefunden?                  fragungen die einzige Datenquelle. Solche Befragun-
Foto: Nurith Wagner-Strauss

                              Es waren zum Teil überraschende Ergebnisse: So ver-       gen sind aber problembehaftet, denn wir wissen, dass
                              fügt in Österreich das oberste Prozent der Haushalte      gerade vermögende Haushalte die Teilnahme häufig
                              über 37 Prozent des Vermögens. Innerhalb der EU sind      ablehnen oder unvollständige Angaben machen. Das
                              wir damit das Land mit der zweithöchsten Vermögens-       heißt: In Summe werden die Vermögendsten mit sol-
                              ungleichheit, knapp hinter den Niederlanden. Selbst       chen Methoden nicht sehr gut erfasst. Als Konsequenz
                              in den USA, die ja oft als Paradebeispiel für Ungleich-   wird das Gesamtvermögen in den Befragungsdaten

                                                                                                                                                         9
ZEIT FÜR MEHR GERECHTIGKEIT! - KOMPETENZ-online
KOMPETENZ 2 / 2021

                                                                         Vergleich: Im OECD-Durchschnitt sind es 5,7 Prozent.
                                                                         Gleichzeitig ist die Besteuerung von Arbeitseinkom-
                                                                         men in Österreich im internationalen Vergleich eher
                                                                         hoch. Es wäre also wichtig, an der Struktur der Besteu-
                                                                         erung anzusetzen. Die favorisierte Steuer auf Vermö-
                                                                         gen bei ÖkonomInnen ist vor diesem Hintergrund die
                                                                         Erbschaftssteuer. Es ist unerklärlich, warum es diese in
                                                                         Österreich nicht gibt. Außerdem müsste über Vermö-
                                                                         genssteuern diskutiert werden.

                                                                         Welches Modell wäre aus Ihrer Sicht hier vorstell-
                                                                         bar?
                                                                         Vorstellbar wäre ein Modell, das ab einer Million Euro
                                                                         an Vermögen ansetzt. Hier wäre eine Vermögens-
                hierzulande deutlich, nämlich um ein Drittel, zu nied-   steuer von einem Prozent denkbar. Der Satz würde
                rig eingeschätzt.                                        dann in Stufen ansteigen und bei einem Vermögen
                                                                         ab einer Milliarde Euro vier Prozent ausmachen. Ver-
                Welche Methode haben Sie in Ihrer Studie ange-           mögen unter einer Million Euro, und damit 96 Prozent
                wandt, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen?              der Haushalte, wäre damit nicht von der Besteuerung
                Wir haben die Befragungsdaten mit so genannten           betroffen.
                Reichenlisten kombiniert. Das sind Listen, die in der
                Regel von JournalistInnen recherchiert und publiziert    Was würde dieses Modell bringen?
                werden. Wir haben länderspezifische Listen berück-       Dieses Modell würde jährlich elf Milliarden Euro brin-
                sichtigt, zum Beispiel die Trend Liste für Österreich.   gen. Das entspricht dem eineinhalbfachen Budget für
                                                                         Familie und Jugend im heurigen Jahr. Es wäre also ein
                Wie valide sind die Daten solcher Listen?                enormes Aufkommen.
                Es ist eine Methode, mit der immer häufiger gearbei-
                tet wird. Außerdem nehmen wir bei unseren Berech-        Wir haben mittlerweile ein Jahr Pandemie hinter
                nungen auf potenzielle Fehler in den Listen Rücksicht.   uns. Die Ungleichheit hat sich in dieser Zeit noch
                Tatsache ist, dass ForscherInnen auf diesem Gebiet       verschärft. An den Börsen gibt es Rekordwerte,
                nur mangels Alternativen auf solche journalistisch er-   gleichzeitig liegt die Realwirtschaft am Boden.
                stellten Datenquellen zurückgreifen.                     Welche Konsequenzen müssten gezogen werden?
                                                                         Die Ansage - vor dem Virus sind wir alle gleich – stimmt
                Welche Auswirkungen hat eine starke Vermögens-           nicht. Das beginnt mit Unterschieden bei der realen
                konzentration auf die Gesellschaft?                      gesundheitlichen Bedrohung etwa zwischen Berufs-
                Wir wissen aus Studien zu den USA, dass die Politik      gruppen, die tagtäglich mit Menschen zu tun haben
                den Anliegen von Vermögenden mehr Gehör schenkt.         versus jenen, die im Homeoffice arbeiten können.
                Dazu kommt, dass in den vergangenen Jahrzehnten          Und es endet bei der besprochenen Ungleichvertei-
                die gesellschaftliche Bedeutung von Vermögen im          lung des Vermögens mit all ihren Konsequenzen. Eine
                Vergleich zu den Einkommen stetig zugenommen             Steuerreform muss diesen Entwicklungen Rechnung
                hat. Und Vermögen kann für dessen EigentümerInnen        tragen, sie muss der Konzentration von Vermögen ent-
                unterschiedlichste Funktionen erfüllen: Wer etwa eine    gegenwirken. Letztlich geht es darum, in welcher Ge-
                Immobilie hat, kann diese nutzen, wer ein großes Akti-   sellschaft wir nach dieser Pandemie leben wollen. ●
                enpaket besitzt, kann damit Einkommen erzielen. Und
                bei sehr großen Vermögen kommt auch der Macht-                                        EVELYN HOLLEY-SPIESS
                Aspekt dazu.
                                                                         ZUR PERSON:
                Die Ungleichheit und hohe Konzentration von Ver-         Franziska Disslbacher ist als Ökonomin in der Ab-
                mögen ist kein Naturgesetz, sondern vom Men-             teilung Wirtschaftswissenschaften und Statistik der
                                                                                                                                    Foto: Nurith Wagner-Strauss

                schen gemacht. Wie müsste man Ihrer Ansicht nach         Arbeiterkammer Wien tätig.
                gegensteuern?                                            Sie lehrt an der WU Wien und forscht im Rahmen
                Ein wichtiger Hebel wäre die Steuerpolitik: In Öster-    ihrer Dissertation zur Verteilung von Einkommen und
                reich kommen derzeit nur 1,3 Prozent des Steuerauf-      Vermögen und zur intergenerationellen sozialen
                kommens aus vermögensbezogenen Steuern. Zum              Mobilität.

10
KINDERGÄRTEN

                       BESSERE ARBEITSBEDINGUNGEN
                       IN WIENS KINDERGÄRTEN
                       Die Wiener Themenplatt-
                       form der Elementar-,
                       Hort- und Freizeitpäda-
                       gogik macht weiter Druck
                       für eine Verbesserung
                       der Rahmenbedingungen
                       für die Beschäftigten.

                       Die Sprecherin der Themenplattform, Ka-
                       rin Wilflingseder, bringt es auf den Punkt:
                       „Die Corona-Pandemie hat den Arbeits-
                       druck der KollegInnen weiter verschärft,
                       viele arbeiten am Limit. Seit Jahren wei-     Mehr als 20.000 Unterschriften wurden an den Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr übergeben.

                       sen wir auf die dringende Notwendigkeit
                       der Verbesserung der Rahmenbedin-             dagogik nicht möglich ist. Es kann nicht              Qualitätsstandards einzuführen. Wir
                       gungen und mehr finanzielle Ressourcen        sein, dass sich die Rahmenbedingungen                 brauchen einen Modernisierungsschub
                       für diesen für die Gesellschaft so wich-      seit Jahrzehnten nicht verändert haben,               in der Elementarpädagogik und ein Ab-
                       tigen Bereich der Elementarbildung hin        obwohl die Anforderungen ständig stei-                gehen vom vorhandenen Fleckerlteppich
                       und werden immer nur vertröstet.“             gen“, so Karin Samer, Betriebsratsvorsit-             an Kompetenzen. Konkrete Schritte der
                                                                     zende der Wiener Kinderfreunde.                       Wiener Stadtverwaltung würden diesen
                       GROSSE UNTERSTÜTZUNG FÜR AN-                                                                        notwendigen Prozess sicher beschleuni-
                       LIEGEN                                        „Als Gewerkschaft GPA unterstützen wir                gen“, erklärt Mario Ferrari, Geschäfts-
                                                                     die Forderungen der Themenplattform                   führer der Gewerkschaft GPA Wien. ●
                       Die Themenplattform vertritt die Be-          mit aller Kraft. Letztendlich geht es da-
                       schäftigten in den privaten Wiener Kin-       rum, bundesweit endlich einheitliche                                                   LUCIA BAUER
                       dergärten und Kleinkindgruppen, in
                       denen über 70 Prozent der Wiener Kinder
                       betreut werden. Eine Petition an die Poli-       WAS DIE BESCHÄFTIGTEN DER WIENER KINDERGÄRTEN
                       tik wurde inzwischen von über 20.000 Be-         VON DER STADTREGIERUNG FORDERN:
                       schäftigten und Eltern unterstützt. Darin
                       fordern die engagierten PädagogInnen             ●    Eine schrittweise Verbesserung des Erwachsenen-Kind-Schlüssels
                       unter anderem mehr Personal, kleinere            ●    Eine schrittweise Herabsetzung der Kinderzahl pro geführter Gruppenform
                       Gruppen und bessere Bezahlung.                   ●    Eine gesetzliche Verankerung von Vor- und Nachbetreuungszeiten sowie
                                                                             Reflexionszeiten
                       FORTSCHRITTSKOALITION BEIM                       ●    Eine Neudefinition der Tätigkeit von Assistentinnen
                       WORT NEHMEN                                      ●    Einheitliche, bewegungsfreundliche räumliche Bedingungen
                                                                             im Innen- und Außenbereich
                       „Wir nehmen den Anspruch der Wiener              ●    Abgehen von der K2-Regelung: betroffene KollegInnen
                       Stadtregierung, eine Fortschrittskoalition            müssen als K1-Personen gelten.
                       zu bilden, beim Wort. Wir fordern konkre-
Foto: Daniel Novotny

                       te Schritte für eine verbindliche, an wis-
                       senschaftlichen Erkenntnissen orientierte        Du möchtest die Petition auch unterstützen?
                       Verbesserung der Arbeitsbedingungen,             Dann unterschreibe hier: http://bit.ly/petition_kindergarten
                       ohne die eine moderne, hochwertige Pä-

                                                                                                                                                                            11
KOMPETENZ 2 / 2021

ALLTAGSHELDINNEN IN
DER WARTESCHLEIFE
Die Beschäftigten im Gesundheits-, Sozial-, Pflege- und
Bildungsbereich haben viel für unsere Gesellschaft
geleistet – doch schönen Worten sollten nun endlich
Taten folgen.

                                                                                         können, wirkt beruhigend – eine MNS-
                                                                                         Maske nicht.“

                                                                                         KRÄNKELNDER GESUNDHEITSBE-
                                                                                         REICH VOR DEM KOLLAPS

                                                                                         Auch die stellvertretende Betriebs-
                                                                                         ratsvorsitzende im Wiener Hanusch-
                                                                                         Krankenhaus, Ilse Kalb, spürt die Ver-
                                                                                         schärfungen, die das Corona-Virus
                                                                                         und seine Mutanten mit sich bringen.
                                                                                         „Der Gesundheitsbereich war schon vor
                                                                                         COVID-19 sehr gefordert und ausge-
                                                                                         powert – die Pandemie hat die Situ-
                                                                                         ation empfindlich zugespitzt“, weiß

S
                                                                                         Kalb. „Einige Beschäftigte sind deshalb
       pürbare Anerkennung und Ent-           Allerdings haben sich die Arbeitsbedin-    bereits vergangenes Jahr ausgestiegen.“
       lastung fehlen. Die Situation war      gungen drastisch verschärft. Aus Sicher-
       schon vor dem Beginn Pandemie          heitsgründen sind etliche Aktivitäten      » Das Pflichtgefühl lässt vie-
nicht einfach, doch seither sind Arbeit       für KlientInnen eingeschränkt, häufig      le von uns über die Grenzen
und Leben noch schwieriger geworden.          gibt es kurzfristige Änderungen in den
                                                                                         gehen. Es gibt eine Bereit-
                                              Arbeitsabläufen – damit muss u.a. in
WENN DAS HERZ ZU GROSS IST                    einem knappen Zeitrahmen äußerst viel      schaft zur Selbstaufopfe-
                                              abgearbeitet werden. Valid Hanuna:         rung bis hin zur Selbstauf-
„Das Pflichtgefühl lässt viele von uns über   „Eigentlich ist kein Stein auf dem ande-   gabe.«
die Grenzen gehen. Es gibt eine Bereit-       ren geblieben“. Die BetreuerInnen leiden   Valid Hanuna
schaft zur Selbstaufopferung bis hin zur      besonders unter der FFP2/FFP3-Mas-
Selbstaufgabe“, berichtet Valid Hanuna,       ke oder der Schutzausrüstung, die den      Mut und Kraft standen am Anfang: aus
Betriebsratsvorsitzender der AVS Kärnten      ganzen Tag über getragen werden muss.      verschiedensten Abteilungen meldeten
(Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe). Die     Die sozialen Dienstleistungen sind wegen   sich MitarbeiterInnen für die Betreuung
AVS bietet eine breite Palette an sozialen    der notwendigen, aber strengen Hygie-      der Corona-PatientInnen. Und in kür-
Dienstleistungen an: das reicht von mo-       nemaßnahmen wesentlich komplizierter       zesten Abständen entwickelte sich alles
bilen Pflegediensten und Tagesmüttern         durchzuführen. Etwa, wenn es darum         anders als gedacht, ein fast tagtägliches
bis zur psychologisch/psychotherapeu-         geht, in betreuten Wohngemeinschaf-        Neueinstellen auf die aktuellen Gege-
tischen Hilfe.                                ten einen Quarantäne-Raum zu schaf-        benheiten war die Folge. Die stellvertre-
                                              fen und trotzdem alle BewohnerInnen        tende Betriebsratsvorsitzende Kalb: „Am
„Alle, die im Gesundheits- und Sozial-        gleichbleibend gut zu versorgen. Oder      Anfang mussten die Schutzmaßnahmen
bereich tätig sind, haben ein großes          wenn die KlientInnen Kinder sind: „Für     noch entwickelt werden, dabei wurden
                                                                                                                                     Foto: Unsplash

Herz, sie denken an all die anderen, be-      die Betreuung von Kindern kann auch        auch KollegInnen infiziert oder mussten
vor sie auf sich selbst schauen“, ist sich    eine gewisse Körpernähe wichtig sein“,     als K1-Personen in Quarantäne“. Das üb-
der AVS-Betriebsratsvorsitzende gewiss.       erklärt Hanuna. „Das Gesicht sehen zu      rige Personal musste den Arbeitsausfall

12
SOZIALWIRTSCHAFT

ausgleichen, massenhaft Überstunden           dingungen schaffen. „Den Worten sollen
leisten. Auch der Austausch zwischen          endlich einmal Taten folgen – vom Be-
der erweiterten KollegInnenschaft fehlt       griff ‚HeldInnen des Alltags‘ haben wir
mittlerweile extrem: „Teamsitzungen in        nichts“, erklären Ilse Kalb und Hanuna. ●
der klassischen Form gibt es nicht mehr“,                          CHRISTIAN RESEI
bestätigt Ilse Kalb eine Lücke in der Kom-
munikation. Selbst beim Mittagessen

                                               WORTE REICHEN NICHT!
dürfen die ArbeitnehmerInnen nicht län-
ger zu viert an den Tischen sitzen. Viele
MitarbeiterInnen sehen daher nur ihre
eigene Situation und wissen gar nicht,          Ganz Österreich weiß, welch enorme Leistungen im
ob es den anderen Abteilungen ähn-              Gesundheits-, Sozial-, Pflege- und Bildungsbereich erbracht
lich ergeht. Was auch zu der Frage führt:
                                                werden. „Allerdings muss jetzt Finanzminister Blümel Geld in die
„Arbeiten die anderen auch so viel oder
                                                Hand nehmen“, macht GPA-Wirtschaftsbereichssekretärin Eva
geht es nur uns so schlecht?“
                                                Scherz deutlich. Die GPA hat die dringendsten Forderungen
MEHR FREIZEIT UND MEHR GELD                     unter www.worte-reichen-nicht.at zusammengefasst – wer will,
                                                kann dort seine Anliegen direkt an den Finanzminister schicken.
Dass sich endlich etwas ändern muss,
darüber sind sich beide BetriebsrätInnen
einig. Der Beruf muss attraktiver werden,
damit mehr Leute in die Sozialwirtschaft
                                                Forderungen der GPA
wechseln. Seit Jahren schon herrscht Per-       Ein monatlicher steuerfreier Bonus von 150 Euro für Beschäftigte
sonalmangel, junge Leute haben kaum
                                                im privaten Gesundheits-, Sozial-, Pflege- und Bildungsbereich als
Interesse an Berufen, die Stress in Kom-
bination mit niedrigen Löhnen bedeu-            Anerkennung für zusätzliche Schwerstarbeit. Generell wird
ten. Bloß 17 Prozent der Jugendlichen           natürlich auch eine bessere Bezahlung gefordert.
im Alter von 14 bis 18 Jahren können sich
überhaupt vorstellen, einen Pflegeberuf         Ein zusätzlicher freier Tag pro Monat für alle. Dieser Erholungstag
auszuüben, das hat eine Umfrage der AK          soll gemeinsam mit der Wochenendruhe konsumiert werden. Die
Niederösterreich ergeben.
                                                GPA-Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bleibt aufrecht.

Eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stun-
                                                Helfende Hände fehlen! Die GPA setzt sich für die Schaffung von
den wäre ein großer Schritt in die rich-
tige Richtung. „Es ist wichtig, dass die        20.000 Arbeitsplätzen im Support-Bereich ein: Jobs werden vom
Leute mehr Freizeit haben und trotzdem          Träger bereitgestellt, von der öffentlichen Hand finanziert. Das
ausreichend Personal zur Verfügung              qualifizierte Personal soll um 20 Prozent aufgestockt werden.
steht – nur das ermöglicht Planungssi-
cherheit“, sagt Ilse Kalb. Regelmäßiges         Ohne PraktikantInnen gibt es in Betrieben keine reibungslosen
Einspringen und gestrichene Freizeit ge-
                                                Abläufe. Eine faire Bezahlung von zumindest 950 Euro soll endlich
hören jedenfalls nicht zu den Erholungs-
                                                Gerechtigkeit schaffen.
faktoren. Zwar gab es gehörig Applaus
und musikalische Häppchen für den
Einsatz, doch fehlt die adäquate Ent-
lohnung. Das gilt auch ganz besonders
für die PraktikantInnen: „Das sind unsere       Sag es
KollegInnen der Zukunft. So viel wir in sie
investieren, bekommen wir auch zurück“,
                                                dem Finanzminister!
ist sich Valid Hanuna gewiss.

Um der Sozialwirtschaft gerecht zu wer-
                                                Auf www.worte-reichen-nicht.at
den, muss der Finanzminister Geld in            kannst du ihm eine Nachricht schicken.
die Hand nehmen, der Staat ein Konzept
erstellen und angemessene Rahmenbe-

                                                                                                                      13
KOMPETENZ 2 / 2021

 FÜR BEZAHLTE                                                                                                  de, hätten die Betroffenen kein Anrecht
                                                                                                               auf Arbeitslosengeld, „da sie auf Grund

 PRAKTIKA
                                                                                                               ihrer unbezahlten Arbeit ja dem Arbeits-
                                                                                                               markt nicht zur Verfügung stehen“, er-
                                                                                                               klärt Grolmus.

                                                                                                               Sie hat nun eine Petition gestartet, die sich
                                                                                                               an die Verantwortlichen im Gesundheits-
                                                                                                               und Sozialbereich in den Ländern sowie
                                                                                                               an den Gesundheitsminister richtet. Die
                                                                                                               Kernforderung: Praktika im Rahmen von
                                                                                                               Studiengängen müssen bezahlt werden.
                                                                                                               Sie verbindet dabei ihre Forderung auch
                                                                                                               mit einer konkreten Summe: 950 Euro pro
                                                                                                               Monat sollte es während eines Vollzeit-
                                                                                                               Praktikums geben. Der Argumentation,
                                                                                                               Studierende würden hier vorrangig nicht
                                                                                                               arbeiten, sondern lernen, kann sie nichts
                                                                                                               abgewinnen. „Es wird oft so getan, als ob
                                                                                                               uns die Einrichtungen, in denen wir ar-
                                                                                                               beiten, einen Gefallen tun. Das Praktikum
                                                                                                               sei ja Teil der Ausbildung. Die Mehrheit
                                                                                                               der Studierenden erzählt aber, dass sie
                                                                                                               fix in Teams eingebunden werden, dass
Leokadia Grolmus reicht es mit der Gratisarbeit. Sie hat eine Petition für fair bezahlte Praktika gestartet.   sie nur kurz begleitet und angeleitet wer-
                                                                                                               den, dann aber selbstständig arbeiten,
Fachhochschulstudierende                                    keinen anderen Ausweg mehr, als sich im            weil ihre Arbeitskraft in dem Betrieb von
im Gesundheits- und Sozial-                                 Freundes- und Bekanntenkreis Geld aus-             Nöten ist.“ ●
                                                            zuborgen.                                                                     ALEXIA WEISS
bereich müssen im Rahmen
ihres Studiums zahlreiche                                   Noch belasteter seien Studierende des
Monate an unbezahlten                                       Studiengangs Pflege. Sie müssen ein
Praktika absolvieren.                                       mehrmonatiges Praktikum im fünften Se-
                                                            mester vorweisen. Das Gros ihrer ECTS,
Leokadia Grolmus ist 22 Jahre alt und                       das sind die Punkte, die man für abge-
studiert Soziale Arbeit an der Fachhoch-                    schlossene Lehrveranstaltungen erhält,
schule Campus Wien. 20 Wochen an                            beziehen sich auf Praktika. „In Pflegeein-
Praktika muss sie im Rahmen ihres Stu-                      richtungen wird dann oft verlangt, dass
diums vorweisen. Dies brachte sie teils                     man auch am Wochenende für einen
an den Rand der Erschöpfung. Denn                           Dienst eingeteilt werden kann. Das macht              Du findest, dass Praktikan-
einerseits wurden all ihre Praktika bisher                  es unmöglich, den Teilzeitjob, den man                tInnen im Gesundheits- und
nicht bezahlt, andererseits studiert sie                    zuvor vielleicht am Samstag und/oder                  Sozialbereich eine Bezahlung
berufsbegleitend, arbeitet also. Sie hat                    Sonntag hatte, weiter zu machen. Wie                  verdient haben, von der sie
daher ihren Urlaub für die Absolvierung                     aber soll jemand da sein Geld verdie-                 leben können? Dann unterstüt-
der Praktika genutzt und damit aber seit                    nen, wenn er oder sie Vollzeit unbezahlt              ze diese Petition: https://bit.ly/
drei Jahren keinen arbeitsfreien Monat                      arbeiten muss?“                                       Petition_Pflichtpraktika.
mehr verbracht.
                                                            Gleichzeitig könnte die Existenz auch
Mit solchen Sorgen ist sie nicht alleine.                   nicht anders gesichert werden. Vollzeit-
Grolmus ist an der FH Campus Wien auch                      studierenden stehe keine Mindestsiche-
Studierendenvertreterin und in der GPA                      rung zu. Und selbst wenn vor dem mehr-
                                                                                                                                                               Foto: Edgar Ketzer

Ansprechperson für Studierende. Vielen                      monatigen Praktikum, eben zum Beispiel
ihrer KollegInnen ergeht es ähnlich, er-                    an Abenden und Wochenenden über die
zählt sie. So sehen manche Studierende                      Geringfügigkeitsgrenze gearbeitet wur-

14
KOLLEKTIVVERTRAG

                              PLUS 1,7 PROZENT IN                                                                               der Volkshochschulen, wo 450 von 1000
                                                                                                                                Angestellten in Kurzarbeit waren, be-

                              DER ERWACHSENEN-
                                                                                                                                kommen die Extrazahlung leider nicht.
                                                                                                                                „Die klassischen Aufgabenbereiche der
                                                                                                                                Volkshochschulen sind während der

                              BILDUNG                                                                                           Pandemie weggebrochen, das hat ein
                                                                                                                                riesiges finanzielles Problem erzeugt“,
                                                                                                                                erklärt Lacevic. Auch bei den kleineren
                              Senad Lacevic, Betriebsratsvorsitzender der Volkshoch-                                            Sprachschulen sind die Einnahmen weg-
                              schulen Wien und in Abwesenheit von Nerijus Soukup                                                gebrochen.

                              Chefverhandler für den Kollektivvertrag in der Er-
                                                                                                                                ARBEITSZEITVERKÜRZUNG BLEIBT
                              wachsenenbildung, freut sich über ein Plus von                                                    WICHTIGES THEMA
                              1,7 Prozent ab Mai und eine Einmalzahlung für
                              die Mehrheit der Beschäftigten im Oktober.                                                        Dass im aktuellen Abschluss keine Ver-
                                                                                                                                kürzung der Arbeitszeit erreicht wurde,
                                                                                                                                obwohl diese als gewerkschaftliche Kern-
                                                                                                                                forderung in der Branche gilt, hat Lace-
                                                                                                                                vic nicht überrascht: „In Krisenzeiten, in
                                                                                                                                denen die MitarbeiterInnen in Kurzarbeit
                                                                                                                                sind, damit die Firmen wirtschaftlich
                                                                                                                                überleben können, ist eine rasche Um-
                                                                                                                                setzung nicht realistisch.“ Immerhin wur-
                                                                                                                                de eine Arbeitsgruppe der Sozialpartner
                                                                                                                                zum Thema gegründet, ein erstes Treffen
                                                                                                                                mit VertreterInnen der Arbeitgeber, bei
                                                                                                                                dem sinnvolle Wege einer Arbeitszeit-
                                                                                                                                verkürzung skizziert wurden, hat bereits
                                                                                                                                stattgefunden.

                                                                                                                                » Die Leistung der Beschäf-
                                                                                                                                tigten muss langfristig hö-
                                                                                                                                her bewertet werden.«
                                                                                                                                Senad Lacevic
                              Senad Lacevic, Betriebsratsvorsitzender der VHS Wien

                                                                                                                                Die Verkürzung der Arbeitszeit für die Be-
                              Für die rund 10.000 Beschäftigten bei pri-             am freien Markt anzubieten, weil Ko-       schäftigten in der Erwachsenenbildung
                              vaten Bildungseinrichtungen gibt es ab                 chen, Bewegung oder Sprachkurse der-       bleibt dennoch das große Ziel des Ge-
                              1. 5. 2021 ein Plus von 1,7 Prozent. Senad             zeit nicht erlaubt sind, boomen durch      werkschafters: „In dieser Branche ist es
                              Lacevic, der Nerijus Soukup als Chefver-               Drittmittel finanzierte Kurse im Auftrag   nicht immer möglich, auf Wunsch Vollzeit
                              handler vertreten hat, ist zufrieden mit               des AMS, der Stadt Wien oder anderer       zu arbeiten, viele KollegInnen müssen,
                              dem neuen Kollektivvertrag, er bringt ein              Fördergeber“, beschreibt Lacevic die un-   zum Beispiel bei Projektkürzungen, sogar
                              „solides Ergebnis in schwierigen Zeiten:               einheitlichen Interessenslagen.            unfreiwillig weniger arbeiten.“ Arbeits-
                              Unser Abschluss liegt deutlich über der                                                           zeitverkürzung hätte für den Gewerk-
                              Inflationsrate von 1,35 Prozent. Viele Kol-            EINMALZAHLUNG                              schafter nicht nur positive Effekte für alle
                              legInnen waren positiv überrascht von                                                             Teilzeit und Vollzeit Beschäftigten, son-
                              der Höhe der Gehaltssteigerung.“                       Der neue Kollektivvertrag bringt für die   dern wäre auch „ein wichtiger Schritt in
                                                                                     überwiegende Mehrheit der Beschäf-         der Bekämpfung der hohen Arbeitslosig-
                              Die Ausgangslage für die Verhandlungen                 tigten neben der Erhöhung der KV- und      keit“. Lacevic wird die gewerkschaftliche
                              war heuer schwierig, weil die wirtschaft-              IST-Löhne und Gehälter außerdem 200        Hauptforderung in wirtschaftlich stabile-
Foto: Nurith Wagner-Strauss

                              liche Situation in den Betrieben höchst                Euro als Einmalzahlung - die sogenannte    ren Zeiten nicht vergessen: „Die Leistung
                              unterschiedlich ist. „Die Auftragslage in              Corona-Prämie. Allerdings können nicht     der Beschäftigten muss langfristig höher
                              der Branche ist derzeit sehr uneinheit-                alle Betriebe in der Branche die Prä-      bewertet werden.“ ●
                              lich. Während es für die Volkshochschu-                mie leisten, die mit dem Oktober Gehalt                              ANDREA ROGY
                              len sehr schwierig ist, ihr Kursangebot                ausbezahlt wird. Die MitarbeiterInnen

                                                                                                                                                                         15
KOMPETENZ 2 / 2021

HANDEL:
„WIR SIND
AM ENDE
UNSERER
KRÄFTE!“
Die Beschäftigten im
Handel, insbesondere im
Lebensmittelhandel,
haben nach einem Jahr
Pandemie ihre Belas-                        Anita Palkovich, Wirtschaftsbereichssekretärin im Handel in der GPA, stellt klar, dass es für die Beschäftigten im
tungsgrenze erreicht.                       Handel so nicht weiter gehen kann.

Eine Mitgliederbefragung der GPA zeigt      war, sind die Beschäftigten im Lebens-                     zur Sprache. Mehr als die Hälfte der Be-
die angespannte Situation der Beschäf-      mittelhandel SystemerhalterInnen. „Sie                     fragten klagten über Aggressionen. Vie-
tigten im Handel auf. Die Rückmeldun-       stellen seit einem Jahr die Versorgung                     le fühlen sich vom Arbeitgeber und den
gen sind alarmierend: Der Fleckerltep-      der Bevölkerung mit Lebensmitteln si-                      Behörden allein gelassen: Erinnert man
pich an Maßnahmen und Regelungen,           cher“, betont Sabine Eiblmaier, Zentral-                   einen Kunden z.B. an die Maskenpflicht,
die von den KundInnen oft nicht mehr        betriebsratsvorsitzende bei Interspar.                     wird dieser ungehalten und beschwert
mitgetragen werden, führt zu großer Ver-    Eiblmaier erinnert daran, dass vor einem                   sich dann bei der Firmenleitung „und wir
unsicherung. Zugleich ist die Arbeitsbe-    Jahr noch für die Handelsangestellten                      kriegen noch eins drauf, wenn wir Kun-
lastung stark gestiegen, ohne dass sich     öffentlich geklatscht wurde. Seither sind                  den darauf aufmerksam machen, dass
dies positiv auf die Bezahlung auswirken    die zusätzlichen Belastungen durch die                     sie ihre Masken tragen“, wie eine Mit-
würde.                                      Pandemie leider nicht kleiner gewor-                       arbeiterin auf ihrem Befragungsbogen
                                            den. Die Arbeitgeber erwarten jedoch                       vermerkte. Gewerkschaft und Betriebs-
„Aggressive KundInnen, Überlastung,         ein Höchstmaß an Flexibilität. Teilzeit-                   rätInnen verlangen daher einen Sicher-
Personalmangel und fehlender Respekt        kräfte müssen Mehrarbeit leisten und bei                   heitsgipfel mit dem Ziel: „Ein zeitlich be-
der KundInnen gegenüber unseren Kol-        Ausfällen einspringen, Mehrarbeit wird                     fristeter Zusatzkollektivvertrag, der für
leginnen und Kollegen sind die größten      jedoch, im Gegensatz zu Überstunden,                       die Zeit der Pandemie die anstehenden
Probleme,“ fasst Anita Palkovich, Wirt-     nicht besser abgegolten.                                   Probleme regelt“, erklärt Palkovich.
schaftsbereichssekretärin im Handel in
der GPA, die Ergebnisse der Befragung       STEIGENDE BELASTUNGEN                                      Eine weitere dringende Forderung be-
zusammen. „Es ist nicht übertrieben auf-                                                               trifft die schwangeren MitarbeiterInnen
grund der aktuellen Lage von einer Ge-      Werner Hackl, Betriebsratsvorsitzender                     mit direktem Kundenkontakt: Sie müssen
fährdung der sicheren Versorgung zu         bei Billa, berichtet ebenfalls von ge-                     sofort freigestellt werden. Für den Be-
sprechen,“ warnt Palkovich. „Dem gro-       stiegenen Belastungen durch Ausfälle                       reich Sicherheit fordert die GPA, dass die
ßen Zusammenhalt der Beschäftigten          wegen Krankheit und Quarantäne, aber                       Kontrollen der Corona-Maßnahmen mit
ist es vielerorts zu verdanken, dass der    auch durch Arbeiten mit Maske und Zu-                      eigenem Sicherheitspersonal durchge-
Betrieb weiter aufrechterhalten werden      satzarbeiten wie z.B. Hygienemaßnah-                       führt werden, Außerdem sollen Handels-
kann.“ Von den über 3.000 TeilnehmerIn-     men im Betrieb. Dazu kommen private                        angestellte rasch mit Impfstoff; versorgt
nen der Befragung fühlen sich ein Drittel   Belastungen durch Kinderbetreuung.                         werden und Mehrarbeit muss fair abge-
unzureichend geschützt.                     Der Umgang mit Kunden, erzählt Hackl,                      golten werden. ●
                                                                                                                                                                 Foto: Edgar Ketzer

                                            sei schwieriger geworden. Auch in der
Während ein Teil des stationären Handels    Umfrage der GPA kamen mehrfach die                                                     BARBARA LAVAUD
während der Lockdowns in Kurzarbeit         Probleme im Umgang mit KundInnen

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FOTOGRAMM

                                                                         LEBENSMITTELHANDEL:
                                                                         MEHR ALS 60 PROZENT
                                                                         SIND GESTRESST.
Quelle: Online-Befragng von 3272 Handelsangestellten. Alle Erbgnisse:

                                                                        Mehr als 60 Prozent der Beschäftigten im Lebensmittelhandel fühlen sich bei ihrer
                                                                        Arbeit immer oder meistens gestresst. Nur 3 Prozent fühlen sich gar nicht gestresst.
http://bit.ly/handel_befragung; Foto: Edgar Ketzer

                                                                        Viele geben an am Ende ihrer Kräfte zu sein.
                                                                        Ein Drittel fühlt sich durch die aktuell gesetzten Maßnahmen nicht ausreichend
                                                                        geschützt. Sie sehen Versäumnisse und haben kein gutes Gefühl, im Handel zu
                                                                        arbeiten. Als wirksame Schutzmaßnahmen werden die verpflichtende FFP2-Mas-
                                                                        ke für alle KundInnen sowie sämtliche Maßnahmen, die für Hygiene und Abstand
                                                                        sorgen, wahrgenommen. Auch die Beschränkung der Öffnungszeiten wurde von
                                                                        den Befragten positiv vermerkt. Was fehlt, sind verpflichtende wöchentliche Tests.

                                                                                                                                                                17
KOMPETENZ 2 / 2021

         Langzeitversicherten-                                                                    Schwangere
         regelung                                                                                 Handelsangestellte
                                                                                                  brauchen Schutz.

        WAHRUNGSBESTIMMUNG. Mit 1.1.2020 ist eine
        Abschlagsbefreiung bei der Langzeitversicherten-
        regelung (LZV) in Kraft getreten. Versicherte, die ab
        diesem Zeitpunkt in Pension gegangen sind bzw.                                            RISIKOGRUPPE. Schwangere haben ein drei
        noch im Jahr 2021 gehen, haben keine Abschläge.                                           mal höheres Risiko einen schweren Coronaver-
        Inzwischen ist die Bestimmung wieder abgeschafft.                                         lauf zu erleiden als andere Frauen derselben
        Damit gibt es ab 2022 wieder Abschläge bei der LZV.                                       Altersgruppe. Jede 5. Schwangere, die mit
        Eine Ausnahme gilt für Versicherte, die im Jahr 2021                                      COVID ins Krankenhaus kommt, landet auf der
        die erforderlichen 45 Jahre einer Erwerbstätigkeit                                        Intensivstation. Wir waren deshalb am 28. April
        zusammen bringen. Auch wer erst ab 2022 62 wird,                                          2021 vor dem Gesundheitsministerium und
        kann mit der LZV abschlagsfrei in Pension gehen.                                          haben Minister Mückstein aufgefordert, das
        Durch diese Wahrungsbestimmung ist gewährleistet,                                         Mutterschutzgesetz zu ändern, sodass schwan-
        dass Personen nicht zum frühestmöglichen Antritts-                                        gere Angestellte im Handel endlich freigestellt
        tag in Pension gezwungen werden.                                                          werden müssen.

        Du möchtest mehr über die LZV wissen?
        Dann kannst du hier nachlesen:
        http://bit.ly/Faktencheck_LZVR

                              in der Krise
                       Psyche           a nehm
                                               en psyc
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                                                                eit Coro
                                                                           n                            ieb
                                                   ht erst s                                   zu. Betr
                                         . N   ic                           m  e  r weiter                  lle-
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                                 Ü  R E                           nnen  im                       , ihre o
                                                                                                       K
                                     A   rb  e  it nehmerI               ra  u s fo rderung              n d  für
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                         tInnen s                      S  it u a tionen g               rg e n . Diese B             s
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                          gInnen                    b li c h  e Angebo              w  e g e  u nd verm
                                    e betrie                              sungs
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                                          P ra   x istipps,                 n.
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                                   fü  r                           ndwis e
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18
KURZMELDUNGEN

                       GPA erkämpfte 2020 rund 198 Millionen Euro
                                                                             waren, hat die Corona-Krise andere Branchen in
                                                                             beträchtliche wirtschaftliche Schwierigkeiten ge-
                                                                             bracht.“

                                                                             Die Folge waren zahlreiche Umstrukturierungsmaß-
                                                                             nahmen, begleitet von Sozialplänen. 56 Sozial-
                                                                             pläne hat die GPA 2020 begleitet, der dabei für die
                                                                             ArbeitnehmerInnen erstrittene Betrag beläuft sich
                                                                             auf rund 176 Millionen Euro.

                                                                             Kurzarbeit war und ist ein Thema, das die GPA
                       GPA Rechtsschutz 2020 mit Rekordwert,
                       Andrea Komar und Franz Gosch                          beschäftigt hat und noch immer beschäftigt. 2020
                                                                             haben die MitarbeiterInnen der GPA insgesamt
                       RECHTSSCHUTZ. Der Rechtsschutz der GPA be-            104.857 Kurzarbeitsanträge überprüft und dazu
                       inhaltet kostenlose Rechtsberatung, Interventionen    laufend Beratung angeboten. „Damit konnten
                       im Betrieb und die Vertretung vor Gericht.            mehr als eine Million Menschen vor Arbeitslosigkeit
                                                                             geschützt werden“, sagt Andrea Komar, Leiterin der
                       „Auf die Rechtsschutzstatistik 2020 hatten die Co-    Bundesrechtsabteilung der Gewerkschaft GPA.
                       rona-Maßnahmen erheblichen Einfluss“, resümiert
                       Franz Gosch, stv. Bundesgeschäftsführer der GPA.      „Die zahlreichen Sozialpläne, welche mit Hilfe der
                       „Mehrere Lockdowns und sonstige wirtschaftliche       GPA erkämpft wurden, zählen als wirksame Scha-
                       Beschränkungen sind trotz staatlicher Unter-          densbegrenzung für die Betroffenen und sollen
                       stützung und der Möglichkeit der Kurzarbeit an        diesen Perspektiven für einen Neustart bringen“,
                       den Unternehmen nicht spurlos vorbeigegangen.         so Franz Gosch.
                       Während einige Branchen nicht allzu sehr betroffen

                     GPA-Bundesforum und
                     GPA-Bundesfrauenforum                                       chge hört /
                                                                               Na
                                                                                     acht
                                                                               Vorged
                     BUNDESFORUM. Vom 5. bis 7. Juli 2021 findet Teil 2
                                                                                                                                                            B
                                                                                                                                                  des ÖG
                     des Bundesforums der Gewerkschaft GPA als Online-
                                                                                                                            d  e n  P odcast
                                                                                                                    euch                             ol wird
                     Veranstaltung statt. Nachdem bereits am 17. November                     . W   ir m  öchten                e s s a g  e Contr
                                                                                          ST                           on   M                         nen
                                                                                 PODCA                        Zeiten v                      litikerIn
                     2020 die personellen Neubestellungen stattgefunden
                                                                                    s H e rz  legen. In            g e h ö rt, was Po               o rh  aben.
                     haben, werden nun die inhaltlichen Weichen für die          an                     a u nach                     e rI nnen v
                                                                                                 g  e n                           g
                                                                                  dort ga
                                                                                            n z                    idungs     trä                      uch vor-
                     nächsten Jahre gestellt. Grundlage für die Beschlüsse                          g e  Entsche                   ä  s te  n wird a
                                                                                  oder wic
                                                                                               h ti
                                                                                                             interess
                                                                                                                      anten      G                     lich be-
                     sind die eingebrachten Anträge der Mitglieder und                            m    m  it                     h ä  ft ig ten wirk
                                                                                   Gemein
                                                                                              s a
                                                                                                                   die Bes     c                         kreten
                     BetriebsrätInnen der Gewerkschaft GPA. Die Anträge                           w  a s das für                  h t,  w e  lche kon
                                                                                   gedach
                                                                                               t,                     agesli    c                        rhaben
                     zum Bundesforum stehen ab Mitte Mai auf www.gpa.at                              k o m  mt ans T               g  e p  la nten Vo
                                                                                               S  o                    en d    ie
                                                                                    deutet.                   nd Folg                           haben.
                     zum Download bereit.
                                                                                      u s w ir kungen u              n  in  Ö  s terreich
                                                                                    A                          rInne
                                                                                                  itnehme
                                                                                     für Arbe
                     Am 5. Juli 2021 finde das Bundesfrauenforum der
                     Gewerkschaft GPA statt.

                     Nähere Informationen                                                                                 r:
                                                                                                                 t du hie
                     und Downloads dazu gibt es                                                o lg e n findes
                                                                                                                        t/ngvg/
Foto: Edgar Ketzer

                                                                                         Alle F
                     ab Mitte Mai unter                                                              o d ca s t.oegb.a
                                                                                                   p
                                                                                         https://
                     www.gpa.at/frauen

                                                                                                                                                                  19
KOMPETENZ 2 / 2021

EINE FRAU MIT
GERECHTIGKEITSSINN
Seit mehr als 15 Jahren nimmt sich Gabriele Wurzer
als Betriebsrätin der Anliegen und Sorgen ihrer rund
4.000 KollegInnen bei der Caritas in Wien – konkret
der gemeinnützigen GesmbH – an. Dieser Teil der
Caritas ist in den Bereichen mobile und stationäre
Pflege, Behindertenbetreuung, der Versorgung von
AsylwerberInnen und in der Familienhilfe aktiv.

I
     n allen Einsatzfeldern geht es also um   auch die Caritas-Leitung so sieht: es feh-   tig. In den Haushalten werden heute zu-
     die „Arbeit mit Menschen, denen es       len allerdings die finanziellen Mittel.      nehmend auch schwer erkrankte Perso-
     nicht gut geht“, sagt Gabriele Wurzer.                                                nen gepflegt, die lieber zu Hause betreut
Sie achtet dabei darauf, dass es auch den     » Derzeit leisten meine Kol-                 werden möchten. Und das auch, wenn
MitarbeiterInnen nicht irgendwann nicht       legInnen Unmenschliches,                     sie an COVID erkrankt sind: dann muss
mehr gut geht. Beziehungsweise ver-                                                        das BetreuerInnenteam entsprechende
                                              gehen an ihre Grenzen.«
sucht sie es: etwa durch das Ausverhan-                                                    Schutzkleidung tragen. Wenn es um die
                                              Gabriele Wurzer
deln zweier zusätzlicher Urlaubstage ab                                                    Arbeitsbedingungen geht, ist die Termin-
einer Betriebszugehörigkeit von einem         Daher appelliert Wurzer an die Politik,      planerstellung immer wieder ein Thema.
Jahr. Oder durch die Etablierung eines        mit einer höheren Dotierung für bes-         Hier werde von den MitarbeiterInnen viel
Zeitwertkontos: hier können die Mitarbei-     sere Pflege zu sorgen. Diese sei im Sinn     – manchmal aus Sicht Wurzers zu viel -
terInnen so lange zusätzlich geleistete       der BewohnerInnen und der KlientInnen,       Flexibilität verlangt.
Stunden ansammeln, bis zumindest ein          aber eben auch im Sinn der Arbeitsbe-
Monat an Zeitausgleich angesammelt            dingungen der Pflegekräfte. „Derzeit         Die Herausforderungen für jene, die im
ist. Den können sie dann am Stück ver-        leisten meine KollegInnen Unmenschli-        Behindertenbereich KlientInnen betreu-
brauchen – „manche lassen auch mehr           ches, gehen an ihre Grenzen.“ Die Situa-     en, sind etwas andere. Hier kommt es
Monate zusammenkommen“. Wichtig ist           tion habe sich durch COVID noch massiv       immer wieder zu körperlichen Attacken,
ihr aber auch, dass die Dienstpläne so        verstärkt. Einerseits fallen immer wieder    dabei werden Sozial- und Behinderten-
gestaltet werden, dass jede/r die ihm/ihr     MitarbeiterInnen durch Erkrankung oder       pädagogInnen und FachbetreuerInnen
zustehenden zwei freien Tage pro Woche        Quarantäne aus, das muss dann vom            auch verletzt. Das Ziel ist hier, Arbeitsun-
zusammenhängend nehmen kann.                  Rest des Teams abgefedert werden. An-        fälle durch Aggressionen zu vermeiden.
                                              dererseits macht die nötige Schutzaus-       Dazu brauche es aber auch teils neue
EIN JAHR AUSNAHMEZUSTAND                      rüstung die Arbeit physisch anstrengen-      Ausbildungsinhalte, gibt Wurzer zu be-
                                              der. Und: Noch öfter als sonst waren die     denken. Außerdem bräuchten immer
Manches Mal wird die Realität dem An-         Pflegekräfte in diesem Jahr mit dem Tod      mehr Menschen mit psychischen Proble-
spruch allerdings nicht gerecht – und         konfrontiert.                                men Betreuung. Hier brauche es zusätz-
das umso mehr, wenn, wie nun schon                                                         liche Angebote.
über ein Jahr lang auf Grund der Co-          MOBILE PFLEGE
ronapandemie           Ausnahmezustand                                                     MitarbeiterInnen, die nun in der Grund-
herrscht. Dadurch spitzen sich die ohne-      Ähnliches würden auch die Mitarbeiter-       versorgung, in der AsylwerberInnen be-
hin im Sozial- und Pflegebereich schon        Innen in der mobilen Pflege berichten.       treut werden, eingesetzt sind, sorgen sich
schwierigen Arbeitsbedingungen wei-           Diese hat sich inzwischen professiona-       um ihren Arbeitsplatz. Im Bereich der Be-
ter zu. In der Pflege muss vor allem der      lisiert, neben Heimhilfen sind hier auch     gleitung von Jugendlichen (UMF) haben
Personalschlüssel dringend angehoben          PflegeassistentInnen sowie diplomiertes      schon viele betreute Wohngemeinschaf-
werden, sagt Wurzer. Sie weiß, dass das       Gesundheits- und Krankenpersonal tä-         ten wieder geschlossen. Beschäftigte in

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