Zeit Zeichen - KAB Österreich

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Zeit Zeichen - KAB Österreich
Zeit Zeichen
NUMMER 4 | NOVEMBER 2020 | Magazin der Kath. ArbeitnehmerInnen Bewegung Österreich | 65. Jahrgang | 5 Euro | Jahresabo 17 €
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                                                                           #democratizingwork
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                                                                           Ein Manifest liefert Antworten auf die akute Krise
                                                                           der Arbeitsgesellschaft Seite 4

                                                                           Die Pandemie als Antrieb einer Systemtrans-
                                                                           formation? Hindernisse auf dem Weg zu Alternativen
                                                                           in politischer Praxis, Wissenschaft und Lehre Seite 8

                                                                           „Zeit“ lautet die Währung
                                                                           Es geht auch anders: 30 Stunden bei vollem
                                                                           Lohnausgleich und nachhaltigem Erfolg Seite 10
Zeit Zeichen - KAB Österreich
EDITORIAL

ZUR PERSON
Elisabeth Ohnemus ist Germanistin, Theologin und diplomierte Sozialarbeiterin. Sie ist der-
zeit tätig als Pressereferentin der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, als freie Journa-
listin und in der Erwachsenenbildung mit Schwerpunkt „politische Bildung“. FOTO: P. SCHREIBER

Die Corona-Pandemie hat uns in der öffentlichen Debatte               u.a. Mitglied des Cardijn-Vereins in Linz, präsentiert das Kon-
eine neue Vokabel beschert – „systemrelevant“. „System-               zept der „Convivialität“, ein Konzept zum „Verstehen sozialer
relevant“, so lehrt uns die Krise, sind Menschen – in den             Wirklichkeit“, und eine Alternative zu „marktradikalen Politi-
meisten Bereichen überwiegend Frauen -, die die Versor-               ken“. Der Theologe Wolfgang Palaver legt die Perspektive von
gung einer Gesellschaft mit dem Lebensnotwendigen sicher-             Papst Franziskus dazu, der in seiner jüngsten Sozialenzyklika
stellen, ob Nahrung, Medizin, Pflege, Transport, Energie. Die         festhält, dass es keine Utopie sei, in einer Welt, die sich und
Krise lehrt uns auch: wo es um die Sicherstellung des Lebens-         ihre Wirtschaftspolitik am Grundsatz einer universalen Ge-
notwendigen geht, hapert es an vielen Stellen enorm. „Sys-            schwisterlichkeit ausrichtet, allen Menschen den Zugang zu
temrelevant“ Tätige verdienen oft wenig – oder gar nichts,            Arbeit zu sichern (S. 7). Und der Arbeitsrechtler Martin Gru-
wenn man die private Sorgearbeit hernimmt -, haben häufig             ber-Risak erklärt, warum der berühmte Ökonom John May-
schlechte Arbeitsbedingungen, sind vielfach überfordert, weil         nard Keynes – anders als kürzlich von Finanzminister Blümel
Personal systematisch knapp gehalten wird oder – im Bereich           erklärt – langfristig Recht haben sollte mit seinem Aufruf zu
der privaten Sorgearbeit – Männer den Frauen überwiegend              einem Wertewandel – weg vom Geiz, weg von der Geld- und
das Feld überlassen. Und das eigentlich immer schon. Das              Profitgier, hin zur „maßvollen Weisheit“.
System, so legt die Krise schonungslos offen, hat seine Fehler.       In Bad Leonfelden liefert das Unternehmen „eMagnetix“ ein
Und: es hat System, das System fehlerhaft zu halten.                  in Österreich bisher einmaliges Beispiel dafür, wie Lebens-
Wir leben in einer Gesellschaft, deren Prioritäten einer kapi-        qualität und erfolgreiches Wirtschaften Hand in Hand gehen
talistischen, patriarchalen Logik unterworfen sind. Die Coro-         können, wie es möglich ist, dass Mitarbeiter*innen bei vollem
na-Pandemie stellt uns die Rute ins Fenster: weitermachen             Lohnausgleich nur 30 Stunden die Woche arbeiten und der
wie bisher und auf Kosten der einen das Wohl der anderen              Betrieb trotzdem oder gerade deswegen floriert (S. 10 – 12).
mehren oder - den Wandel wagen und Wirtschaft, Arbeit und             Den Wandel vorantreiben: die KAB tut dies nicht nur, in-
Gesellschaft so organisieren, dass ein gutes Leben für alle ge-       dem sie mit diesem Magazin die Debatte darum befördert,
währleistet ist. Diese Ausgabe von ZeitZeichen versammelt             der notwendige Systemwandel war auch Thema der jüngs-
Beiträge, die den notwendigen „Systemwandel“, insbesondere            ten Bundeskonferenz (S. 13 – 14) und liegt den Überlegungen
im Blick auf die Bewertung und Organisation von Arbeit, ins           zugrunde, die derzeit in der KAB Steiermark auf dem Weg
Auge fassen, Perspektiven auftun, Modelle debattieren und             zu einer neuen Verortung von Arbeitsweise und Inhalten an-
auch Praxisbeispiele einer anderen Ordnung liefern.                   gestellt werden – wie der stellvertretende Vorsitzende Martin
Der Sozialwissenschafter Jörg Flecker stellt uns das Manifest         Hochegger berichtet. Die große Stärke der KAB bei der Ent-
von der „Demokratisierung der Arbeit“ vor, das kürzlich Tau-          wicklung von Utopien und Perspektiven ist dabei ihre enge
sende von Wissenschafter*innen weltweit unterzeichnet ha-             Verbundenheit mit den arbeitenden Menschen, die Pflege von
ben, und beschreibt seine Relevanz für die Debatte um Mas-            Gespräch und Begegnung, wie sie etwa in der Betriebsseel-
senarbeitslosigkeit und die notwendige sozial-ökologische             sorge gelebt wird: Georg Salvenmoser schreibt davon, gibt ein
Transformatin in Österreich (S. 4 – 6). Sebastian Thieme,             Beispiel vom „Gehen in den Schuhen anderer“ (S. 16).
Volkswirt, fordert wirtschaftstheoretische Ansätze, „die die          Es ist der Mensch, um den es geht beim Wandel zum Anderen,
Selbsterhaltung und Existenzsicherung als Wirtschaftsmotiv            zum Besseren, es ist seine Würde. Die Bundesvorsitzende der
angemessen berücksichtigen, … die ethische Motive beach-              KAB, Anna Wall-Strasser, bringt es in ihrem Kommentar (S.3)
ten und der Sorgearbeit endlich die basale Bedeutung ein-             auf den Punkt: „Die Orientierung der Systemtransformation
räumen, die ihr real auch zukommt“ (S. 8 – 9 ). Tony Addy,            an einer universalen Menschenwürde ist alternativlos.“

2 ▪ ZeitZeichen
Zeit Zeichen - KAB Österreich
KOMMENTAR

ZUR PERSON
Anna Wall-Strasser, Theologin, Betriebsseelsorgerin, langjährig tätig im Bereich
mensch&arbeit der Diözese Linz, ist Vorsitzende der Katholischen ArbeitnehmerInnen
Bewegung Österreich. FOTO: JAKOB LEHNER

Menschenwürde als Richtschnur für den Systemwandel
[Sys-tem] - ein Gebilde, etwas Zusammengehöriges, ein ab-            Staatsschulden aufgenommen, der Sozialstaat als große Res-
grenzbares Ganzes, das aus verschiedenen Teilen besteht, die         source zur Lösung akuter Probleme erkannt. Die entschei-
irgendwie geordnet miteinander vernetzt sind - so wird dieser        dende Frage ist jedoch: in welche Richtung soll und muss sich
Begriff beschrieben. Zwischen den Teilen eines Systems gibt es       unsere Gesellschaft verändern? Soll es wieder so werden, wie
immer eine Beziehung – sonst ist das kein System, sondern ein        es war? Oder geht es um mehr Nachhaltigkeit, mehr Gerech-
zufälliger Haufen, eine Menge. Je mehr Beziehung und Wech-           tigkeit, um eine bessere Verteilung zugunsten derer, die unser
selwirkung untereinander, desto komplexer ist ein System.            System am Laufen halten? Was folgt aus der Erkenntnis, dass
Warum diese Begriffserklärung? Nun, unser gesamtes Leben             das vor allem die Frauen sind, die bisher un- und unterbe-
spielt sich in verschiedenen sozialen Systemen ab, in kleineren      zahlt die Versorgung, Pflege und Betreuung leisten, oder viele
und größeren. Gesellschaften sind immer Systeme mit sehr             Migrant*innen in prekären Arbeitsverhältnissen?
hoher Komplexität. Beziehung und Wechselwirkung sind ihr             Strukturelle Veränderungen orientieren sich immer an Wer-
immanent, und das bedeutet auch, dass jede Bewegung und              ten. Im Slogan der globalisierungskritischen Bewegung Attac
Veränderung eines Teiles das Ganze beeinflusst und bewegt.           ‚Eine andere Welt ist möglich‘ steckt die klare Wertung, dass
Das ist der Kern der systemischen Theorie: wenn ich mich be-         es so, wie es jetzt ist, nicht gut ist. Es braucht eine andere, eine
wege, muss und wird sich wer anderer auch bewegen, wie bei           alternative Globalisierung. Das postuliert auch Papst Fran-
einem Mobile. Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann, so         ziskus in der neuen Sozialenzyklika. Und er formuliert auch
die These, auf der anderen Seite der Erde einen Tsunami aus-         eine klare ethische Vorgabe für die nötigen Systemänderun-
lösen. Das halte ich mir immer vor Augen wenn ich mich nach          gen: „Die Zerbrechlichkeit der weltweiten Systeme angesichts
der Wirksamkeit meines Engagements frage. Allerdings: da-            der Pandemie hat gezeigt, dass nicht alles durch den freien
mit sich gesellschaftlich etwas bewegt, braucht es zur indivi-       Markt gelöst werden kann und dass – über die Rehabilitie-
duellen auch die strukturelle Veränderung. Und das geht nicht        rung einer gesunden Politik hinaus, die nicht dem Diktat der
mit einem Flügelschlag.                                              Finanzwelt unterworfen ist – wir die Menschenwürde wieder
Unser Gesamtsystem ist gerade stark in Bewegung, ja, es rüt-         in den Mittelpunkt stellen müssen. Auf diesem Grundpfeiler
telt geradezu einiges durcheinander. Jahrzehntelange Res-            müssen die sozialen Alternativen sein, die wir brauchen“ (Fra-
sourcenausbeutung hat das Klima aus dem Lot gebracht,                telli tutti 168).
weltweite Ungleichheit und politische Spannungen bringen             Die Orientierung der Systemtransformation an einer univer-
Radikalismen hervor, die auch in den europäischen Gesell-            salen Menschenwürde ist alternativlos.
schaften aufschlagen, und die Pandemie wirft uns in Bedro-

                                                                       Die Redaktion wünscht=
hungen und Unsicherheiten auf allen Ebenen: menschlich, ge-
                                                               <

sundheitlich, sozial, wirtschaftlich und politisch.
Wozu können wir diese Erschütterung nützen? Welche Er-
kenntnisse ziehen wir aus dieser Krise? Sind weiter reichende
Veränderungen unter diesen so anderen Bedingungen viel-
leicht leichter möglich, weil deren Dringlichkeit so klar vor
Augen steht? Schon jetzt hat sich gezeigt, dass viel mehr mög-
lich ist als bisher, fast im Sinne von ‚anything goes, alles geht,
                                                                     UeinL frohes
                                                                            allen Leser*innen
                                                                                   und gesegnetes                              N
                                                                     < S Weihnachtsfest ;
                                                                                                                             <

koste es was es wolle…‘. Riesige Rettungspakete für die Wirt-
schaft und zur Rettung von Arbeitsplätzen werden geschnürt,

                                                                                                                   November 2020      3
Zeit Zeichen - KAB Österreich
#democratizingwork
Ein Manifest liefert Antworten auf die akute Krise der Arbeitsgesellschaft
Mehr als 6.200 Wissenschafter*innen von hunderten Universitäten weltweit haben anlässlich der Corona-Pandemie ein
Manifest unter dem Titel #democratizingwork unterschrieben: Wie wir arbeiten, soll einer gründlichen Neubewertung
unterzogen werden. Das Ziel: die Arbeit „demokratisieren“ und „dekommodifizieren“. Zu den österreichischen Unter-
zeichner*innen des Manifests gehört der Sozialwissenschafter JÖRG FLECKER, Gründungsmitglied und Vereinsobmann von
FORBA (Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt, Wien) und Professor am Institut für Soziologie der Universität Wien.
Für ZeitZeichen beschreibt JÖRG FLECKER die wesentlichen Inhalte und Ziele der Erklärung und ihre Relevanz für die Debatte
um Massenarbeitslosigkeit und die notwendige sozial-ökologische Transformation in Österreich.

I
    sabelle Ferreras aus Belgien, Ju-     eine Initiative engagierter Wissen-       wichtige Form der Anerkennung wäre,
    lie Battalina aus den USA und         schafter*innen, den Aufruf in die Me-     sollte der höchst ungleiche Einfluss auf
    Dominique Méda aus Frankreich         dien gebracht.                            Entscheidungen in den Unternehmen
nahmen die Krise, welche von der Co-                                                zum Thema werden. Nicht nur Aktio-
ronavirus-Pandemie und den dagegen        Arbeit „demokratisieren“                  näre und Aktionärinnen sollten über
ergriffenen Maßnahmen ausgelöst           Warum demokratisieren? Erinnern Sie       Strategien und Gewinnverteilungen
wurde, zum Anlass für die Initiative zu   sich an die Diskussion über die „sys-     entscheiden. Diejenigen, die dem Un-
einem „Manifest zur Demokatisierung       temrelevanten Tätigkeiten“ der Han-       ternehmen ihre Arbeit widmen und oft
und Dekommodifizierung von Arbeit“.       delsangestellten, der Pflegekräfte und    ihre Gesundheit opfern, müssten bei
Ihre Überlegung war, dass Gesell-         Ärzt*innen, der Arbeitenden in der        solchen Entscheidungen gemeinsam
schaften mehr Widerstandsfähigkeit,       Lebensmittelversorgung u.v.a., die        ein Vetorecht haben.
ökologische Nachhaltigkeit, Gleich-       mehr Anerkennung bekommen soll-
heit, Gesundheit und Gerechtigkeit        ten? Dazu das Manifest: „Wenn man         Arbeit „dekommodifizieren“
brauchen – gerade nach der aktuellen      sich ernsthaft fragt, wie die Unterneh-   Warum „de-kommodifizieren“? Der
Krise. Diese Idee hat enorme Resonanz     men und die Gesellschaft als Ganzes       Begriff meint, dass der Warencharak-
in der Wissenschaft gefunden, und         diese Beiträge ihrer Mitarbeitenden in    ter der Arbeitskraft, der kennzeich-
sehr viele Medien weltweit haben das      Krisenzeiten anerkennen könnten, ist      nend für die kapitalistische Gesell-
Manifest veröffentlicht. In Österreich    die Antwort: Demokratisierung.“ Auch      schaft ist, abgemildert wird. Das wird
hat „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“,     wenn eine Erhöhung der Löhne eine         in Ansätzen konkret durch Kranken-

                                                                                    AUS DEM MANIFEST:
                                                                                    „Diese Krise zeigt auch, dass Arbeit
                                                                                    nicht als Ware behandelt werden darf,
                                                                                    dass nicht Marktmechanismen allein das
                                                                                    Sagen über die Entscheidungen haben
                                                                                    können, die für unsere Gesellschaften so
                                                                                    zentral sind. Seit Jahren unterliegen die
                                                                                    Schaffung von Arbeitsplätzen und die
                                                                                    Beschaffung von Material im Gesund-
                                                                                    heitssektor dem Prinzip der Profitabili-
                                                                                    tät; heute zeigt die Pandemie, wie sehr
                                                                                    dieses Prinzip uns blind gemacht hat.“
                                                                                    Mit Verweis auf das Recht auf Arbeit,
                                                                                    das in der Allgemeinen Erklärung der
                                                                                    Menschenrechte festgehalten ist, fordert
                                                                                    das Manifest eine „Arbeitsplatzgarantie“.

                                                                                    FOTO: ALEXANDER-HAUK.DE_PIXELIO.DE

4 ▪ ZeitZeichen
Zeit Zeichen - KAB Österreich
versicherung, Arbeitslosengeld und        nachkommen. Gerade demokratisch             bestehende Arbeitsmarktkrise wurde
Pensionen erreicht, durch die Men-        geführte Unternehmen wären in der           also massiv verschärft und bewirkt für
schen ohne Besitz auch dann über-         Lage, von der Umweltzerstörung zur          alle Betroffenen große Einkommens-
leben, wenn sie keiner Erwerbsarbeit      Umweltsanierung umzusteigen. „Wir           verluste und Risiken ausgegrenzt zu
                                                                                      werden. Personen, denen es auf dem
                                                                                      Arbeitsmarkt immer schon besonders
ERINNERN SIE SICH AN DIE DISKUSSION ÜBER DIE „SYSTEMRELEVAN-
                                                                                      schwer gemacht wird, stellt die Situ-
TEN TÄTIGKEITEN“ DER HANDELSANGESTELLTEN, DER PFLEGEKRÄFTE                            ation vor unlösbare Probleme: junge
UND ÄRZT*INNEN, DER ARBEITENDEN IN DER LEBENSMITTELVERSOR-                            Menschen, die erstmals ins Berufsle-
                                                                                      ben einsteigen wollen, Personen im Al-
GUNG U.V.A., DIE MEHR ANERKENNUNG BEKOMMEN SOLLTEN? DAZU
                                                                                      ter von 55 Jahren und darüber sowie
DAS MANIFEST: „WENN MAN SICH ERNSTHAFT FRAGT, WIE DIE UNTER-                          bereits längere Zeit erwerbsarbeitslose
NEHMEN UND DIE GESELLSCHAFT ALS GANZES DIESE BEITRÄGE IHRER                           Menschen. Sie gehen bei einer stark
MITARBEITENDEN IN KRISENZEITEN ANERKENNEN KÖNNTEN, IST DIE                            gestiegenen Konkurrenz um Jobs meist
                                                                                      leer aus.
ANTWORT: DEMOKRATISIERUNG.“
                                                                                      Arbeitskraft als Ware
nachgehen können. Dazu heißt es           hatten mehr als genug Zeit, um zu se-       Immer wieder wurde die Forderung er-
im Manifest: „Diese Krise zeigt auch,     hen, was passiert, wenn Arbeit, unser       hoben, die Folgen der Arbeitsmarkt-
dass Arbeit nicht als Ware behandelt      Planet und Kapitalgewinne unter dem         krise durch eine deutliche Erhöhung
werden darf, dass nicht Marktmecha-       gegenwärtigen System gegeneinan-            des Arbeitslosengeldes wenigstens ein
nismen allein das Sagen über die Ent-     der ausgespielt werden: Arbeit und der      bisschen zu mildern. Das wäre ein klei-
scheidungen haben können, die für         Planet verlieren immer.“                    ner Schritt in Richtung De-Kommodi-
unsere Gesellschaften so zentral sind.                                                fizierung und würde den Zwang, eine
Seit Jahren unterliegen die Schaffung     Manifest als wichtiger Beitrag              Arbeitsstelle zu finden, etwas zurück-
von Arbeitsplätzen und die Beschaf-       zur Debatte um Massenarbeits-               nehmen, weil es ja ohnehin kaum freie
fung von Material im Gesundheits-         losigkeit und sozial-ökologische            Stellen gibt. Die Arbeitgeberseite und
sektor dem Prinzip der Profitabilität;    Transformation                              die mit ihnen verbundenen politischen
heute zeigt die Pandemie, wie sehr        Eine Kerngruppe der Initiative, beste-      Parteien wehren sich mit Händen und
dieses Prinzip uns blind gemacht hat.“    hend aus 12 Wissenschafter*nnen,            Füßen dagegen – wie sie auch für wei-
Mit Verweis auf das Recht auf Arbeit,     bringt derzeit ein Buch heraus, in dem      tere Verschärfungen der Zumutbar-
das in der Allgemeinen Erklärung der      die Ideen des Manifests ausführlicher       keitsbestimmungen für die Annahme
Menschenrechte festgehalten ist, for-     dargestellt werden. Die Debatte geht        von Arbeitsstellen durch Erwerbsar-
dert das Manifest eine „Arbeitsplatz-     also weiter. Für Österreich sind die dis-   beitslose eintreten: Arbeitskraft ist für
garantie“. Damit ist gemeint, dass        kutierten Inhalte angesichts der aktu-      sie eine Ware wie jede andere und soll
allen Bürger*innen Zugang zu men-         ellen Auseinandersetzungen über die         es auch bleiben; Arbeitsuchende sollen
schenwürdiger Arbeit gesichert wird.      sozial-ökologische Transformation und       in möglichst großer Konkurrenz zuei-
Konkret kann das durch das Schaf-         die Massenarbeitslosigkeit höchst rele-     nander stehen, damit Arbeit billiger
fen von Arbeitsplätzen für Erwerbs-       vant. Im Folgenden möchte ich etwas         wird, und sie sollen keine Alternativen
arbeitslose im gemeinnützigen und         ausführlicher auf die Krise auf dem Ar-     zu den angebotenen Arbeitsstellen
öffentlichen Bereich erfolgen. Damit      beitsmarkt und die vorgeschlagene Ar-       haben, mögen die Bedingungen auch
können zugleich gesellschaftliche         beitsplatzgarantie eingehen.                menschenunwürdig und gesundheits-
Ziele, wie ausreichende Kinderbe-                                                     gefährdend sein.
treuung, Hilfe für alte Menschen und      Die Arbeitsmarktkrise in Österreich
Ökologisierung, erreicht werden.          In Österreich war die Erwerbsarbeits-       Arbeitsplatzgarantie für alle
                                          losigkeit im Jahrzehnt vor der CO-          zur Wahrung der Menschenwürde
Nachhaltig wirtschaften                   VID-19-Pandemie kontinuierlich ange-        Diese interessengeleitete Perspektive
Warum „nachhaltig“? Wenn die Nati-        stiegen und hatte damals schon neue         tritt die Menschenwürde mit Füßen,
onalstaaten Unternehmen auffangen,        Rekordwerte erreicht. Die Kündigun-         denn Menschenwürde bedeutet nach
so das Manifest, sollten von diesen Ge-   gen, die von den Maßnahmen gegen            Immanuel Kant, dass der Mensch sei-
genleistungen verlangt werden, insbe-     die Pandemie ausgelöst wurden, mach-        nen Zweck in sich trägt und nicht wie
sondere, dass sie ihrer Verantwortung     ten weitere hunderttausende Men-            ein Ding zu einem Mittel gemacht
für unser Überleben auf dem Planeten      schen erwerbsarbeitslos. Eine bereits       werden darf. Etwas Menschenwürde

                                                                                                           November 2020     5
Zeit Zeichen - KAB Österreich
auf einem kapitalistischen Arbeits-          Aber für andere kämen die Schat-
markt zurückzugewinnen, das hat die          tenseiten des Konzepts stärker zum
arbeitsmarktpolitische Maßnahme der          Tragen: Soziale Teilhabe und gesell-
„Arbeitsplatzgarantie“ zum Ziel: Al-         schaftliche Anerkennung ist mit dem
len Bürger*innen, die von Unterneh-          Einkommen allein nämlich noch nicht
men und Organisationen im üblichen           verbunden. Ja, es könnte sogar zu einer
Prozess der Personalvermittlung und          ähnlichen Stigmatisierung kommen,
-rekrutierung aus welchen Gründen            wie wir sie derzeit im Bezug auf die
auch immer nicht aufgenommen wer-            Bezieher*innen von Arbeitslosengeld
den, soll eine öffentlich geförderte, ge-    oder Sozialhilfe kennen. In unserer Ar-
meinnützige Beschäftigung angeboten          beitsgesellschaft werden Leistung und
werden. Nun hat es auch bisher schon         Beiträge zur Gemeinschaft überwie-
recht erfolgreiche Beschäftigungspro-        gend in Form von Erwerbsarbeit gefor-
gramme im zweiten Arbeitsmarkt ge-           dert. Da wird es zum Problem, will man
geben, mit denen Langzeitarbeitslose         die Überflüssigen des Kapitalismus mit         Jörg Flecker: „Wir hatten mehr als genug Zeit,
wieder in Beschäftigung gebracht wur-        Geldzahlungen abspeisen.                       um zu sehen, was passiert, wenn Arbeit, unser
den. Das Neue an der „Arbeitsplatz-                                                         Planet und Kapitalgewinne unter dem gegen-
garantie“ ist, dass die Personen, die in     Dagegen soll die Arbeitsplatzgarantie          wärtigen System gegeneinander ausgespielt
den Genuss der Maßnahme kommen,              im Idealfall zugleich ein angemessenes         werden: Arbeit und der Planet verlieren immer.“
nicht extra für das Beschäftigungs-          Einkommen, eine sinnvolle Tätigkeit            FOTO: PRIVAT

programm ausgewählt werden – und             und soziale Wertschätzung aufgrund
dadurch immer welche übrig bleiben.          der Arbeitsleistung erreichen. Und             Auch die weiteren Ziele der Initiative
Vielmehr ist es das Ziel, tatsächlich alle   wenn es gelingt, den Personen einen            #democratizingwork können im Klei-
langzeitarbeitslosen Bürger*innen z.B.       Einfluss auf die Wahl der Tätigkeit zu         nen bei der Umsetzung der Arbeits-
einer Gemeinde oder eines Bezirks in         ermöglichen, dann ist der Unterschied          platzgarantie zur Geltung kommen:
eine menschenwürdige und nach Kol-           zu einem Grundeinkommen (in güns-              Demokratisierung durch Partizipa-
lektivvertrag bezahlte Beschäftigung         tiger Konstellation - Beispiel: Künst-         tion der Teilnehmer*innen an der Ge-
zu bringen.                                  ler*innen) gar nicht mehr groß. Nur            staltung der arbeitsmarktpolitischen
                                             wird die Gefahr der sozialen Isolierung        Maßnahmen und dadurch, dass Ge-
Arbeitsplatzgarantie versus Bedin-           und Ausgrenzung bei der Arbeitsplatz-          meinden und Vereine beeinflussen
gungsloses Grundeinkommen                    garantie durch die Einbeziehung in ein         können, wofür Arbeitsstellen einge-
Nun lebte während der Corona-Krise           Projekt, durch Unterstützung bei der           richtet werden; Nachhaltigkeit, indem
nicht überraschend und durchaus zu           Wahl einer Tätigkeit und durch die an-         Arbeitsleistung dem Umweltschutz
Recht die Diskussion über das Bedin-         gebotene Erwerbstätigkeit selbst sys-          und der Bewältigung der Klimakrise
gungslose Grundeinkommen wieder              tematisch vermieden.                           gewidmet wird.
auf. Denn gerade viele Selbständige,
allen voran die Kunstschaffenden,                                                              WEITERE INFOS:
standen plötzlich ohne Einkommen da                                                            https://democratizingwork.org
und hatten nicht einmal Zugang zum
Arbeitslosengeld. Gäbe es ein Bedin-
gungsloses Grundeinkommen, hieß es,
kämen sie nicht in eine solche Situa-          IMPRESSUM
tion. Warum also die Forderung nach            Medieninhaberin (Verlegerin): Katholische Arbeitnehmer - Bildungs- und Hilfswerk Ös-
einer „Arbeitsplatzgarantie“ und nicht         terreich, 1010 Wien, Spiegelgasse 3/2/6 Herausgeberin: Katholische ArbeitnehmerInnen
nach dem Bedingungslosen Grund-                Bewegung Österreich, Spiegelgasse 3/2/6, 1010 Wien; 0664/6217198, kab.office@kaoe.at
einkommen? Für Kunstschaffende und             Geschäftsführerin: Mag.a Gabriele Kienesberger Chefredakteurin: Mag.a Elisabeth Ohnemus
andere Personen, die gesellschaftlich          Redaktionsteam: Martin Hochegger, Mag.a Gabriele Kienesberger, Mag.a Anna Wall-Strasser
                                               Verwaltung/Anzeigen: Mag.a Gabriele Kienesberger Layout: Karin Weiß, weisskarin@gmx.at
gut vernetzt sind und, auch ohne ir-
                                               Lektorat: Mag.a Wilhelmine Deschberger, Brigitte Helm Hersteller und Expedit: Druckerei
gendwo angestellt zu sein, sinnstif-
                                               Wograndl/Mattersburg, Verlagsort Mattersburg Bankverbindung: Schelhammer & Schat-
tende Arbeit leisten können, würde             tera, BIC: BSSWATWW IBAN: AT93 1919 0000 0012 0659
ein Grundeinkommen – eine ausrei-              Hinweis: Interessiert an einer Anzeige in ZeitZeichen?
chende Höhe vorausgesetzt – tatsäch-           Informationen über Anzeigengrößen und Anzeigepreise erhalten Sie im Büro der KABÖ.
lich große Vorteile bringen.

6   ZeitZeichen
Zeit Zeichen - KAB Österreich
Eine Welt, in der es Arbeit für alle
gibt, ist möglich
Perspektiven von Papst Franziskus in der Sozialenzyklika „Fratelli tutti“
Es sei keine Utopie, in einer Welt, die sich am Grundsatz einer universalen Geschwisterlichkeit ausrichtet, allen Menschen
den Zugang zu Arbeit zu sichern, so Papst Franziskus in seiner jüngsten Sozialenzyklika „Fratelli tutti“. Eine Analyse von,
WOLFGANG PALAVER, Universitätsprofessor für christliche Gesellschaftslehre am Institut für Systematische Theologie der
Universität Innsbruck.

F
       ratelli tutti, die jüngste Sozialenzy-       die Arbeitskosten reduziert und damit       Brot zu verdienen, sondern auch ein
       klika von Papst Franziskus, betont           Arbeitslosigkeit und in Folge Armut         Weg zum persönlichen Wachstum, um
       nicht nur die Tatsache, dass der             nach sich zieht (Nr. 20). Auch an ei-       gesunde Beziehungen aufzubauen, um
Traum von einer Welt universaler Ge-                ner anderen Stelle zählt er das Fehlen      sich selbst auszudrücken, um Gaben zu
schwisterlichkeit möglich ist, sondern              von Arbeit und die Verweigerung von         teilen, um sich mitverantwortlich für die
verbindet ihn mit einem zentralen An-               Arbeitsrechten zu den wesentlichen          Vervollkommnung der Welt zu fühlen
liegen der katholischen Soziallehre, das            Ursachen von Armut (Nr. 116). Ein Ver-      und um schließlich als Volk zu leben.“
allen Menschen ein Anrecht auf Selbst-              ständnis wirtschaftlicher Freiheit, das     (Nr. 162)
verwirklichung durch Arbeit zuspricht               den Zugang zur Arbeit verschlechtert,
(vgl. Laborem exercens). Konkret geht               widerspricht aber der Grundforderung        Zahl der Arbeitsplätze erhöhen
es Papst Franziskus um die Bekämp-                  nach universaler Geschwisterlichkeit,       Konkret befürwortet Papst Franziskus
fung der Arbeitslosigkeit. In seiner am             die es nicht hinnehmen darf, dass „auch     deshalb eine Wirtschaftspolitik, die die
Beginn der Enzyklika stehenden Kritik               nur eine Person ausrangiert wird“ (Nr.      Zahl der Arbeitsplätze erhöht. Gegen
einer Welt, die Teile der Menschheit                110). Franziskus‘ Traum von einer ge-       den vorherrschenden Neoliberalismus
einfach zum „Ausschuss“ werden lässt,               schwisterlichen Welt umfasst ausdrück-      fordert er eine „aktive Wirtschaftspolitik
kritisiert er eine Wirtschaft, die ohne             lich das Ziel, allen Menschen Arbeit zu     …, die darauf ausgerichtet ist ‚eine Wirt-
Rücksicht auf mögliche Konsequenzen                 ermöglichen. „Allen Menschen Land,          schaft zu fördern, welche die Produkti-
                                                    Heimat und Arbeit“ (Nr. 127) zu bieten,     onsvielfalt und die Unternehmerkreati-
                                                    ist keine unerreichbare Utopie.             vität begünstigt‘, damit es möglich ist,
                                                                                                die Anzahl von Arbeitsplätzen zu erhö-
                                                    Von der „Würde der Arbeit“                  hen, anstatt sie zu senken“ (Nr. 168). Wo
                                                    Das Kernstück zum Thema Arbeit fin-         der Papst zwischen gefährlichen For-
                                                    det sich im Abschnitt 162, in dem der       men von ausschließenden Populismen
                                                    Papst betont, dass arme Menschen für        und der notwendigen Einbeziehung
                                                    ein würdiges Leben vor allem Arbeits-       des Volkes unterscheidet, betont er im
                                                    möglichkeiten brauchen und alle fi-         Blick auf das Problem der Arbeitslosig-
                                                    nanzielle Hilfe nur provisorisch bleiben    keit auch die Bedeutung der Volksbe-
                                                    müsse: „Auch wenn sich die Produkti-        wegungen. Diese versammeln „Arbeits-
                                                    onssysteme verändern, darf die Politik      lose, Arbeitnehmer*innen in prekären
                                                    nicht auf das Ziel einer Gesellschaftsor-   Arbeitsverhältnissen und viele andere,
                                                    ganisation verzichten, die es jeder Per-    die nicht einfach in die vorgegebenen
                                                    son ermöglicht, sich mit ihren Fähigkei-    Kanäle passen“ (Nr. 169). Durch die Be-
Wolfgang Palaver: „Gegen den vorherrschenden        ten und Initiativen einzubringen. Denn      teiligung der Volksbewegungen wird
Neoliberalismus fordert der Papst eine ‚aktive      es ‚existiert keine schlimmere Armut als    jener „Strom moralischer Energie“ be-
Wirtschaftspolitik …, die darauf ausgerichtet ist   die, welche dem Menschen die Arbeit         lebt, „der der Miteinbeziehung der Aus-
‚eine Wirtschaft zu fördern, welche die Produk-     und die Würde der Arbeit nimmt‘. In ei-     geschlossenen“ entspringt. Hier knüpft
tionsvielfalt und die Unternehmerkreativität be-    ner wirklich entwickelten Gesellschaft      der Papst an sein Einstandsschreiben
günstigt‘, damit es möglich ist, die Anzahl von     ist die Arbeit eine unverzichtbare Di-      Evangelii gaudium von 2013 an, in dem
Arbeitsplätzen zu erhöhen, anstatt sie zu sen-      mension des gesellschaftlichen Lebens,      er schon betonte, dass niemand ausge-
ken“. FOTO: PRIVAT                                  weil sie nicht nur eine Art ist, sich das   schlossen werden dürfe.

                                                                                                                     November 2020      7
Zeit Zeichen - KAB Österreich
Die Pandemie als Antrieb
einer Systemtransformation?
Hindernisse auf dem Weg zu Alternativen in politischer Praxis, Wissenschaft
und Lehre
Klima- und Umweltprobleme, ungleich verteilte Einkommen und damit verbundene Vermögenskonzentrationen oder aktuell
die Corona-Pandemie stellen die bisherige, westliche Art des Wirtschaftens in Frage. Gemeint ist damit eine stark auf
internationale Arbeitsteilung konzentrierte Marktwirtschaft, in der alle Beteiligten unter permanentem Verwertungsdruck
und im steten globalen Wettbewerb gegeneinander stehen und der Umgang mit der Natur eine untergeordnete Rolle
spielt. Dies wird zunehmend als ursächlich für viele ökologische und soziale Probleme angesehen. Und so verwundert
es nicht, wenn deshalb zahlreiche Forscher*innen sowie Bewegungen wie Fridays for Future oder Economists for Future
eine sozial-ökologische Transformation „unseres“ Wirtschaftens einfordern. Was es für die Umsetzung dieser Forderung
braucht, auch auf Ebene von Wissenschaft und Lehre, erörtert der Volkswirt SEBASTIAN THIEME.

E
      s mag die Dringlichkeit, die in    Wohnraums (zum Beispiel bei Sozial-
      den ökologischen und sozia-        leistungen) niederschlagen müsste.
      len Problemen liegt, den Ein-
druck erweckt haben, dass sich ein       Systemanpassung statt
Fenster geöffnet hat für eine echte      Systemtransformation
sozial-ökologische    Transformation.    Deshalb sollte nicht unterschätzt wer-
Die Corona-Pandemie, so ließe sich       den, wie beharrlich alte Denkmuster
argumentieren, unterstreiche das in      sind und welche Hindernisse einer
besonderer Weise mit der Wertschät-      sozial-ökologischen Transformation
zung gegenüber den „systemrele-          im Weg stehen. Hierfür können si-
vanten“ Berufen oder dadurch, dass       cher verschiedene Ursachen benannt
Leitbilder wie der sparsame Staat        werden. Aber eine wesentliche Ursa-
(Schwarze Null, Schuldenbremse           che dürfte im etablierten wirtschafts-
usw.) zunehmend wanken. Auf ein-         wissenschaftlichen Denken zu finden
mal ist Homeoffice möglich und es        sein. Statt dazu zu befähigen, neue
werden sozialpolitische Maßnahmen        Möglichkeiten zu denken, agieren
wie das (bedingungslose) Grundein-       viele – meist marktliberal gefärbte –
kommen, das Helikoptergeld oder die      Ökonom*innen eher als Verhinderer,
Jobgarantie diskutiert.                  die alte Denkkonzepte allenfalls auf-

Homeoffice ja, Abgeltung nein
Doch dieser optimistische Blick wird
bereits durch die Schnelligkeit ein-
getrübt, in der sich der euphorische
Applaus für systemrelevante Be-          Sebastian Thieme ist promovierter Volkswirt
rufe verflüchtigte. Ernüchternd wirkt    und Publizist mit Schwerpunkt Wirtschafts-
ebenfalls, wenn das Homeoffice wäh-      ethik und Subsistenzethik, Lehrverpflichtungen
rend Corona an Popularität gewinnt,      führten ihn u.a. an die Universitäten Hamburg
aber bislang keine Diskussion darü-      und Kassel sowie die Fachhochschule Harz in
ber stattfindet, dass Homeoffice zu-     Halberstadt. 2015-2016 war Sebastian Thieme
sätzlichen Raum, zusätzliche Aus-        Schasching-Fellow an der Katholischen Sozial-
stattung usw. erfordert und dieses       akademie Österreichs
sich selbstverständlich in der Entloh-   (s. auch Buchhinweis auf S. 20 in diesem Heft)
nung und in der Angemessenheit des       FOTO: PRIVAT

8   ZeitZeichen
Zeit Zeichen - KAB Österreich
hübschen und Alternativen abseits        sichernden Arbeitsplatz anbieten soll.     retische Zugänge, die integrativ-in-
einer verklärten Marktwirtschaft ab-     Diese klingt im ersten Moment gut,         terdisziplinär ausgerichtet sind und
werten. Dann ist vom „grünen“ oder       aber: Es sind dann zwingend Klar-          dazu befähigen, systemtransforma-
„progressiven Kapitalismus“ die Rede,    stellungen notwendig, wie sich diese       tive Alternativen zu denken. Konkret
womit hilflos versucht wird, jener       Jobgarantien zu einem Arbeitszwang         bräuchte es Ansätze, die die Selbst-
Wirtschaftsweise, die vielen Menschen    verhalten. Bislang gilt hier der Grund-    erhaltung und Existenzsicherung als
als verantwortlich für ökologische und   satz, dass gemeinschaftlich organi-        Wirtschaftsmotiv angemessen be-
soziale Probleme gilt, einen neuen       sierte Tätigkeiten die Privatwirtschaft    rücksichtigen, die Wirtschaft als wech-
Anstrich zu geben. Im Kern ist das le-   nicht bedrängen dürfen. Damit ist ein      selwirkendes Sozial- und Kulturphä-
diglich eine konservative Anpassung:     Konflikt zwischen Privatwirtschaft und     nomen begreifen, ethische Motive
Nur so viel Änderung, wie insgesamt      gemeinschaftlichen (gemeinnützigen)        beachten und der Sorgearbeit endlich
nichts geändert werden muss. Damit       Tätigkeiten vorprogrammiert, der aber      die basale Bedeutung einräumen, die
werden Systeme angepasst, aber nicht     nicht ausbuchstabiert wird. Und wäre       ihr real auch zukommt. Die gute Nach-
transformiert – und Systemprobleme       nicht auch über andere – genossen-         richt ist, dass entsprechende Kon-
laufen Gefahr verschleppt zu werden.     schaftliche und solidarische, aber auch    zepte bereits existieren, zum Beispiel
                                         gesellschaftlich organisierte – Wirt-      verschiedene Wirtschaftsethiken oder
Wertfragen nur oberflächlich             schaftsformen nachzudenken, die im         Ansätze aus dem Bereich der sozial-
behandelt                                Zweifel sogar gegen marktwirtschaft-       wissenschaftlichen Ökonomik (Sozial-
Doch es wäre verkürzt, die Hinder-       liche Interessen zu schützen sind?         ökonomik, feministische Ökonomiken,
nisse für systemtransformatives Den-                                                Hauswirtschaft etc.).
ken einzig in der Dominanz marktli-      Mit der Jobgarantie wird weiterhin der
beraler Ökonom*innen zu sehen. Die       Erwerbsmythos (sich die eigene Exis-       Dem gegenüber ist aber bislang nicht
vielen damit verbundenen Wertfra-        tenz durch Erwerbsarbeit sichern zu        zu erkennen, dass solch eine Exper-
gen im ökonomischen Kontext werden       müssen) sowie das Ideal einer Voll-        tise gepflegt und ermöglicht wird.
auch unter kritischen Ökonom*innen –     zeittätigkeit forciert. Warum das ein      Nach wie vor scheint an Hochschulen
wenn überhaupt dann – oberflächlich      Problem ist, das zeigt Teresa Bücker       kaum Platz zu sein für (echte) Wirt-
behandelt. Das gilt zum Beispiel für     eindrucksvoll in ihrem Essay „Zeit, die    schaftsethik und sozialwissenschaft-
Debatten zur Verteilung von Einkom-      es braucht: Care-Politik als Zeit-Poli-    liche Ökonomik. Auch Arbeitneh-
men und Vermögen, wenn sie auf sta-      tik“: „Die Vollzeitberufstätigkeit aller   mer*innen-Vertretungen, Stiftungen,
tistische Erhebungen reduziert sind.     Menschen als Ideal zu setzen, igno-        Forschungsinstitute usw. leisten sich
Denn Verteilungsfragen sind selbst-      riert, dass Care-Arbeit eine Konstante     im Grunde keine solche Expertise. Und
verständlich Gerechtigkeitsfragen, die   ist und nicht weniger wird, sobald         im Bereich der Pluralen Ökonomik,
auch normativ, wirtschaftsethisch gut    Menschen mehr Stunden mit Erwerbs-         die eigentlich ganz anders als die for-
analysiert werden müssen. Ohne diese     arbeit verbringen.“ Deshalb „müsste        mal-mathematische Mainstream-Öko-
Expertise gibt es kein Fundament, um     anerkannt werden, dass der zeitliche       nomik sein will, dominiert eine hetero-
zum Beispiel solide über die Forde-      Aufwand von privater Care-Arbeit es        doxe Modellökonomik mit ebenfalls
rung nach einer Vermögenssteuer zu       schon jetzt erfordert, den zeitlichen      formal-mathematischer Ausprägung.
diskutieren, was diese Forderung der     Umfang von Erwerbsarbeit so neu zu
Gefahr aussetzt, im politischen Pro-     verteilen, dass eine Vollzeiterwerbstä-    Wer dagegen ernsthaft über Mög-
zess bis zur Unwirksamkeit herunter-     tigkeit deutlich weniger als 40 Stun-      lichkeiten für eine sozial-ökologi-
gehandelt zu werden. Das zeigt sich      den umfasst.“ Unter diesem Vorzei-         sche Transformation nachdenken will,
bereits am Mindestlohn in Deutsch-       chen liest sich die Debatte um eine        braucht aber mit Blick auf Wirtschafts-
land, der seinen zentralen Funktionen    Jobgarantie ganz anders und müsste         fragen echte integrativ-interdiszipli-
– insbesondere die der Existenzsiche-    im Sinne einer sozial-ökologischen         näre Alternativen. Das wiederum er-
rung – nur schwer nachkommt.             Transformation auch ganz anders ge-        fordert einen geistigen Wandel, für
                                         führt werden.                              den Räume geschaffen werden müs-
Jobgarantie im Sinne einer sozial-                                                  sen, an Hochschulen, in Forschungs-
ökologischen Transformation              Es braucht wirtschaftstheoretische         instituten, NGOs und anderen gesell-
debattieren                              Zugänge, die Systemtransformation          schaftlichen Institutionen. Bislang hält
Ähnlich schwierig ist die Idee einer     denkbar machen                             sich das jedoch in sehr überschauba-
Jobgarantie zu sehen, bei der er-        All das ist mit normativen Fragestel-      ren Grenzen.
werbslosen Menschen im Zweifel der       lungen verbunden. Was es deshalb
Staat/die Gesellschaft einen existenz-   bräuchte, das sind wirtschaftstheo-

                                                                                                        November 2020     9
„Zeit“ lautet die Währung
Es geht auch anders: 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich und nachhaltigem Erfolg
Als das oberösterreichische Online-Marketing-Unternehmen „eMagnetix“ im Oktober 2018 Ernst machte mit dem - u.a.
von der Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung vertretenen - Konzept der Einführung einer 30-Stunden-Woche bei
vollem Lohnausgleich (#30sindgenug), war es allein auf weiter Flur. Heute, zwei Jahre später, ist es das noch immer.
Kein österreichischer Betrieb in vergleichbarer Größe folgte dem Prototypen, obgleich der für enormes Aufsehen und
einen anhaltenden medialen Hype sorgte. Zum Zwei-Jahres-Jubiläum der Betriebs-Umstellung am ersten Oktober zieht
der Geschäftsführer von „eMagnetix“, KLAUS HOCHREITER, eine positive Bilanz: „Wir haben unser Ziel erreicht: nachhaltig
erfolgreich zu sein“.

                                            KH: Konkrete Zahlen kann ich nicht          erreichen da im Durchschnitt 4 von 5
                                            nennen, aber klar ist: so eine Umstel-      Punkten. Wir haben in den vergange-
                                            lung ist eine langfristige Investition in   nen zwei Jahren nicht nur unsere Be-
                                            zufriedene Mitarbeiter*innen, und das       legschaft verdoppelt, wir haben unser
                                            macht auch zufriedene Kund*innen.           know-how vervielfacht, haben einen
                                            Schauen wir auf die Bewerber*innen-         zweiten Standort eröffnet und vor ei-
                                            quote: vor fünf Jahren haben sich auf       nem Jahr eine Digitalisierungsoffensive
                                            Einstiegsjobs bei uns durchschnitt-         gestartet, die Infrastruktur neu organi-
                                            lich 10 Personen beworben, auf Jobs,        siert: mobile Arbeitsplätze für alle, di-
                                            die Erfahrung vorausgesetzt haben,          gitale Kommunikationstools, ein Vi-
                                            oft über Monate hinweg gar niemand.         deokonferenzsystem… Das hat uns im
                                            Das liegt am Fachkräftemangel. Mit          Lockdown während des Frühjahrs sehr
Klaus Hochreiter, Geschäftsführer von       unserem Betriebsstandort in Bad Le-         genutzt. Ohne unsere Entscheidung für
„eMagnetix“, hat das online-Marketing-      onfelden sind wir nur 30km von Linz         das 30-Stunden-Modell hätten wir die
Unternehmen 2008 gegründet                  entfernt, dort gibt es eine rege start-     Möglichkeiten für derlei infrastruktu-
FOTO: EMAGNETIX                             up-Szene. Die Fachkräfte, die wir benö-     relle Änderungen nicht gehabt. Wir ha-
                                            tigen, kommen aus Fachhochschulen           ben also unser Ziel erreicht: nachhaltig
ZZ: Am 1. Oktober feierte „eMagne-          und Universitäten, aus den Bereichen        erfolgreich zu sein.
tix“ in Bad Leonfelden das „Zwei-Jah-       e-commerce, e-business, digitales           ZZ: Welche Erfahrungen haben Sie mit
res-Jubiläum“ als ein Betrieb, in dem       Marketing. Wir hatten ein leicht ange-      der Verlagerung von Arbeit in den digi-
mittlerweile 30 Mitarbeiter*innen ge-       staubtes Image und mussten uns pro-         talen Raum gemacht?
treu dem Motto „30 Stunden sind ge-         filieren. Heute bewerben sich auf den       KH: Zum home-office: die Nachteile
nug“ nur noch 30 Stunden in der Wo-         gleichen Job, der früher niemanden an-      liegen auf der Hand – es fehlt die Kör-
che arbeiten, aber den Lohn für eine        zog, bis zu 80 Personen.                    persprache in der Kommunikation, der
Vollzeitanstellung erhalten. Wie schaut     ZZ: Die Umstellung hat seinerzeit auch      Austausch mit den Kolleg*innen fällt
Ihre Erfolgs-Bilanz nach zwei Jahren        ein großes Medien-Echo ausgelöst…           weg. Nach acht Wochen home-office
Feldversuch aus?                            KH: Ja, wir haben eine hohe Medi-           in diesem Frühjahr haben wir eine Um-
KH: Trotz detaillierter Planung gab         en-Präsenz, eine große Reichweite mit       frage unter unseren Mitarbeiter*innen
es einige offene Fragen bis zuletzt. Es     unserer Idee erreicht. Wir können nun       gemacht, wie sie es mit home-office
hat Herausforderungen gegeben, und          Schlüsselfunktionen doppelt besetzen.       künftig halten wollen. Es gibt da sehr
wir haben immer wieder nachgebes-           Unsere Mitarbeiter*innen sind nicht         unterschiedliche Positionen, auch auf-
sert. Der Hintergrund: wir sind stark       einfach „Mitarbeiter*innen“, wir spre-      grund von unterschiedlichen Voraus-
gewachsen, haben uns als Belegschaft        chen von „eMagneten“. Die Zufrieden-        setzungen – z.B. Unterschiede in der
mehr als verdoppelt. Insgesamt hat          heit am Arbeitsplatz hat sich enorm er-     Wohnungsgröße daheim oder der Sta-
sich gezeigt: die Vorteile des Modells      höht, 83% der Menschen, die bei uns         bilität des Internet. Daher braucht es
überwiegen eindeutig.                       arbeiten, fühlen sich gesünder seit sie     flexible Lösungen. Schlussendlich ha-
ZZ: Ist eine Umstellung, wie Sie sie vor-   im 30-Stunden-Modell arbeiten. Ein-         ben wir uns jetzt für ein geringes Kon-
genommen haben, nicht mit hohen             mal im Monat machen wir unter ih-           tingent an home-office entschieden:
Kosten verbunden?                           nen eine „happiness-Umfrage“, und wir       man kann das einen Tag lang im Mo-

10    ZeitZeichen
nat machen. Flexibilität beruht bei uns    sich also was in diese Richtung. Es wird
auf einem ganzen Maßnahmenpaket:           deutlich, dass die work-life-balance ge-
wir bieten die 30-Stunden-Woche, ho-       fördert gehört, egal wie. Die Währung
me-office wie oben beschrieben, fle-       lautet „Zeit“. Die Jungen wollen das.
xible Arbeitszeiten, also Gleitzeit, und   Wenn ich nichts anzubieten habe, hab
seit kurzem die Möglichkeit, die 30        ich keine Chance, gute Arbeitskräfte zu
Stunden pro Woche auf lediglich vier       finden: wo Fachkräftemangel ist, stel-
statt bisher fünf Tage pro Woche zu        len die Jungen Forderungen. Mir ha-
verteilen. Flexibel sein ist DIE Lösung.   ben manche Bewerber schon den Satz
ZZ: Wie erleben Sie die Unterneh-          geklaut, den klassischerweise die Ge-
mens-Szene in Ihrem Umfeld? Gibt es        schäftsführung für den Bewerber be-
in Sachen „Arbeitszeitverkürzung“ eine     reit hält: „Ich werde es mir überlegen
Entwicklung?                               und melde mich.“ Heute lebt man nicht
KH: Vor zwei Jahren waren wir die ers-     mehr, um zu arbeiten, sondern man ar-
ten in Österreich, die bei dieser Un-      beitet, um zu leben.
ternehmensgröße auf 30 Stunden bei         ZZ: Was raten Sie Unternehmen, die
vollem Lohnausgleich umgestellt ha-        Schritte in Richtung des Modells über-                                              FOTO: EMAGNETIX
ben. Es gab und gibt andere Firmen,        legen, das „E-Magnetix“ umgesetzt hat?
die auch mit der Stundenzahl herun-        KH: Man muss solche Modelle gut vor-
tergegangen sind, aber nicht so weit.      bereiten. Und vor allem: die Mitarbei-                  CARINA, 29,
Dann gibt es Betriebe, wie etwa der        ter*innen miteinbeziehen. Auf unseren                   seit fünf Jahren bei „eMagnetix“ im
Baumarkt Hornbach, die eine sechste        Start 2018 haben wir uns zwei Jahre                     Content Marketing tätig, master-Stu-
Urlaubswoche eingeführt haben. Es tut      lang vorbereitet.                                       dium der Kommunikationswissen-
                                                       Interview: Elisabeth Ohnemus                schaft an der Universität Salzburg.
                                                                                                   Ich habe alles miterlebt bei „eMa-
                                                                                                   gnetix“: Den Testlauf mit zuerst 34
                                              CLAUDIA, 29,                                         Stunden, dann mit 30 Stunden. Das
                                              Projektmanagerin und Kundenbe-                       Modell jetzt – 30 Stunden-Woche
                                              raterin bei „eMagnetix“, Absolventin                 in Kombination mit Gleitzeit - bietet
                                              des Studiengangs „Marketing und                      extrem viele Vorteile. Mein Freund
                                              e-business“ an der Fachhochschule                    z.B. ist Schichtarbeiter. Die Flexibilität
                                              in Steyr, master-Studium w-Wissen-                   an meinem Arbeitsplatz ermöglicht
                                              schaft an der Universität Linz.                      uns viel mehr gemeinsame Freizeit.
                                              Es ist einfach ein „Mehr an Freizeit“,               Hobbies, Weiterbildung – auch un-
                                              was dieses Modell abwirft. Selbst im                 ter der Woche: das ist möglich. Auf
                                              Winter hat man vom Tag noch was.                     diese Idee wäre ich nie gekommen.
                                              Ich hab viel mehr Zeit für Freund*in-                Auch für Freund*innen und Fami-
                                              nen und Familie, hab Zeit, täglich                   lie ist mehr Zeit. Und was auch ganz
                                              frisch zu kochen. Ich fühl mich da-                  wichtig ist: im Winter bleibt mir Zeit
                                              mit einfach ausgeglichener und ge-                   für mich bei Tageslicht – wenn ich
                                              sünder, war auch schon länger nicht                  z.B. schon um 14 Uhr aus der Arbeit
                                              mehr krank. Man geht mit einer ganz                  gehe. Ich fühle mich viel gesünder
                                              anderen Motivation in die Arbeit. Und                und erholter. Oft gehe ich vor der Ar-
                                              jetzt, wo ich schwanger bin, fühle ich               beit noch ins Fitness-Studio, ich kann
                                              mich einfach gut aufgehoben für die                  meine Einkäufe auch außerhalb der
                                              Zukunft. Die Möglichkeiten, Beruf                    Stoßzeit erledigen und meine Arzt-
                                              und Familie zu vereinbaren, sind gut.                termine besser einteilen.

                                           Das Team von eMagnetix, mittlerweile 30 Mitarbeiter*innen stark. Geschäftsführer Klaus Hochreiter:
                                           „Flexibilität beruht bei uns auf einem ganzen Maßnahmenpaket: wir bieten die 30-Stunden-Woche bei
                                           vollem Lohnausgleich, home-office, flexible Arbeitszeiten, also Gleitzeit, und seit kurzem die Möglich-
                                           keit, die 30 Stunden pro Woche auf lediglich vier statt bisher fünf Tage pro Woche zu verteilen. Flexi-
                                           bel sein ist DIE Lösung.“ FOTO: EMAGNETIX

                                                                                                                       November 2020         11
Transformation gestalten
Bundeskonferenz der KABÖ diskutiert drängende Themen der Zeit
Vertreter*innen der Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung aus fünf Diözesen trafen sich am 9. und 10. Oktober zu
einer Bundeskonferenz im slowenischen Bildungshaus Sodalitas im kärntnerischen Tinje/Tainach, um – Corona bedingt -
nach einem Jahr wieder die gemeinsame Arbeit zu reflektieren und zu planen.

B
      ei der Tagung ging es in erster              sinnvoll verteilt und gerecht bezahlt?
      Linie um die Auseinanderset-                 Wie kann das Sozialsystem weiterent-
      zung mit den sozialen Aus-                   wickelt werden, um allen Menschen in
wirkungen der Pandemie. Diskutiert                 Österreich eine ausreichende existen-
wurden steigende Existenzängste und                zielle Grundsicherung zu gewähren? –
Armut durch hohe Arbeits- und Ein-                 Wie gelingt eine nachhaltige Transfor-
kommenslosigkeit, die hohe und kom-                mation unserer Wirtschaftsweise? Im
plexe Belastung von Frauen, die Gefahr             Hinblick auf das Jubiläum zu „130 Jahre
der gesellschaftlichen Spaltung durch              Katholische Soziallehre“ soll es im Mai
die stärkere Betroffenheit von armen               2021 einen Aktionsmonat geben, der
und benachteiligten Menschen und die               sich mit diesen Fragen auseinander-              Gottesdienst mit dem Kärntner Diözesanbischof
Sorge um die Einhaltung demokrati-                 setzt. In allen Diözesen laufen dazu be-         Josef Marketz FOTO: ANNA WALL-STRASSER
scher Grundrechte.                                 reits Vorbereitungen.
Thema war aber auch das angesichts                 Das Treffen in Kärnten wurde auch                Sozialakademie. Wie man aufseiten
der Krise gestiegene Bewusstsein vom               zu einer Begegnung mit dem neuen                 der KABÖ betonte, braucht eine glaub-
Wert des Sozialstaats und von der Not-             Kärntner Diözesanbischof Josef Mar-              würdige Verkündigung des Evangeli-
wendigkeit, das Wirtschaftssystem                  ketz genützt. Debattiert wurde die so-           ums sozialethische Kompetenz, wie sie
grundlegend zu ändern. Wesentliche                 ziale Frage, auch als Sorge der Gesamt-          die ksoe stets zur Verfügung gestellt
Fragen werden nach Ansicht der KABÖ                kirche, und im Zusammenhang damit                habe, auch einer KABÖ. Das sei auch
dabei sein: Wie wird Arbeit in Zukunft             u.a. die Schließung der Katholischen             weiterhin notwendig. Bischof Mar-
                                                                                                    ketz wurde dieses dringliche Anliegen
                                                                                                    in einem ausführlichen Gespräch zur
                                                                                                    Übermittlung an die Bischofskonferenz
                                                                                                    mitgegeben.
                                                                                                    Die Wahl des Tagungsortes der Bun-
                                                                                                    deskonferenz orientierte sich dieses
                                                                                                    Mal am 100-Jahr-Jubiläum der Kärnt-
                                                                                                    ner Volksabstimmung, das am 10. Ok-
                                                                                                    tober begangen wurde. Die KABÖ be-
                                                                                                    grüßte dazu den Historiker Marjan
Die sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie und notwendige Transformationen in Wirtschaft,        Sturm als Referenten (s. nachfolgender
Arbeitswelt und Sozialstaat standen bei der Bundeskonferenz der KABÖ in Tainach/Tinje zur Debatte   Bericht von Martin Hochegger).
FOTO: ANNA WALL-STRASSER

Aussöhnung mit der Geschichte
hundert Jahre Volksabstimmung in Kärnten: Just an dem Tag, an dem das offizielle Österreich in Klagenfurt im Rahmen
eines großen Festaktes der Volksabstimmung vor Hundert Jahren gedachte, konnten wir am Morgen dieses denkwürdigen
Tages im Rahmen unserer Bundestagung mit Marjan Sturm einen sehr prominenten Vertreter der KärntnerSlowen*innen
als Referenten begrüßen. VON MARTIN HOCHEGGER

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