Zeitschrift für Erziehung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein - Digital für Bildungsgerechtigkeit Online-GEWerkschaftstag 2021
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Zeitschrift für Erziehung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein Nr. 7 • Juli 2021 • 75. Jahrgang • Kiel • www.gew-sh.de Foto: Kay Herschelmann Digital für Bildungsgerechtigkeit Online-GEWerkschaftstag 2021
Inhalt Auf der Tagesordnung: Aus der Personalratsarbeit: Gewerkschaftliche Zeitpolitik – Einblick und Ausblick 3 • Gleichstellungsbeauftragte 12 feministisch, was sonst! 18 Schwerpunkt: Daten + Zahlen + Fakten: »Der Wal und das Ende der Welt« – Digitale Gewerkschaftsarbeit: • Fachkräftemangel an Interview mit Astrid Weißer zum • Neue Normalität – Schleswig-Holsteins Schulen 13 3. Platz ihres Projektes beim Wie digitale Formate die GEW »Deutschen Lehrerpreis« 19 bereichern könn(t)en 4 Aus der GEW-Arbeit: • Gewerkschaftstag 2021 digital: • Landtagswahlen 2022 – Erzieher – ein Traumjob?! 20 Wenn jemand eine Reise tut … 5 Fragen an die Parteien 14 • »Bildungsgerechtigkeit ist der • Online-Veranstaltung: »Wir sind weiter als das Gesetz« – Motor für mein Engagement« – Schulen – Finanzausstattung Interview mit Kita-Leiterin Interview mit Marlis Tepe 7 weiter unter Druck 15 Antje Süchting zum neuen Kita-Gesetz und Inklusion 22 Notizen aus dem Gewerkschaftshaus 23 Glosse: • Vorsicht, gefährlich! 24 Impressum: Herausgeberin und Verlag: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft LV Schleswig-Holstein, #GEWTAG21 in der »Online-Zentrale« in Leipzig (Foto: Kay Herschelmann) Legienstr. 22, 24103 Kiel, Tel.: 0431-5195-150, Fax: 0431-5195-154 • Als hätte es Corona nicht gegeben – • KV Kiel: Endlich wieder zur www.gew-sh.de, E-Mail: info@gew-sh.de Schriftleitung: Matthias Heidn, Bildungspolitik setzt auf »NordArt« nach Büdelsdorf 15 Tel.: 04194-980226, heidn@gew-sh.de althergebrachte Stellschrauben 8 • Preisausschreiben: ISSN 0943-3538 • Was belastet mich? 75 Jahre: GEW macht Geschichte(n)! 16 Redaktionschluss: jeweils der 5. des Vormonats Was macht mich stark? – • 1. Mai in Flensburg 16 Gestaltung: dierck & meyer Mediengestaltung Arbeits- und Gesundheitsschutz an • Sommerfest des Anzeigen: Olanti Werbung, Beim Stadthof 29, Schulen – Hilfen für die Praxis 10 KV Rendsburg-Eckernförde 16 23562 Lübeck, Tel.: 0451-3997470, anzeigen@olanti.de • »Geht doch!« – GEW-Senior*innen Druck: nndruck, Kiel treffen sich digital 11 Internationale GEW-Arbeit: info@nndruck.de • Studie »Digitalisierung im • Tote, verletzte, verhaftete Für GEW-Mitglieder ist der Bezugspreis im Bei- ? Schulsystem«: Techniklücken, Schüler*innen in Burkina Faso 17 trag enthalten. Erscheinungsweise: zehnmal Ungleichheiten und stark • Covid 19 bis 21 – Folgen für jährlich zu Beginn eines Monats (im Januar und belastete Lehrkräfte 11 Kinder und Jugendliche weltweit 17 August erscheint die E&W S.-H. nicht). Anschrif- ten sowie Namensänderungen und Reklamatio- nen bei unregelmäßigem Bezug richten Sie bitte direkt an den Landesverband der GEW. Die in Ihr seid gefragt! der Zeitschrift für Erziehung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein veröffentlichten Beiträge und Artikel geben die Auffassung der jeweili- In der Zeit zwischen dem 9. und 26. September 2021 werden wir alle unsere gen Autor*innen wieder und sind keine offi- ziellen Mitteilungen der GEW, sofern sie nicht Mitglieder, von denen wir eine gültige E-Mail-Adresse haben, zu unserer Mitglieder- als solche gekennzeichnet sind. Bei unverlangt zeitschrift befragen. Die Befragung ist eure Chance, Änderungswünsche zur E&W eingesandten Beiträgen behält die Redaktion an uns zu richten. sich Kürzungen vor. Der GEW-L andesverband stellt alle Beiträge aus der E&W S.-H. auf seine Dazu werdet ihr am 9. September eine E-Mail mit einem Link erhalten, mit dem ihr Internet-Seite, sofern die Autor*innen dem an der Befragung teilnehmen könnt. nicht ausdrücklich widersprochen haben. Wenn ihr eure E-Mail-Adresse bisher nicht bei der GEW angegeben oder sie in letz- Hinweis: ter Zeit verändert habt, so sendet sie bitte zeitnah an info@gew-sh.de. Die Drucklegung dieser Ausgabe der E&W er- Es lohnt sich übrigens doppelt, eine E-Mail-Adresse bei uns zu hinterlegen. Denn folgte am 16.06.2021. Aktuelle Entwicklun- über sie verschicken wir ab und zu wichtige Informationen, die unsere Mitglieder gen konnten daher nicht mehr berücksichtigt werden. Wir verweisen auf die Homepage der schnell erreichen sollen. GEW: www.gew-sh.de 2 E&W S-H • 7 • 2021
Auf der Tagesordnung: Einblick und Ausblick Liebe Kolleginnen und Kollegen, getroffen werden müssen. Allerdings gibt es muss auch darum gehen, den sozialen und keinen ersichtlichen Grund, warum für das psychischen Folgen der Pandemie für Kin- mehr als ein ganzes Kita-, Schul- und Rahmenkonzept eine solch kurze Frist ge- der und Jugendlichen zu begegnen. Darin Hochschuljahr unter Pandemiebedingun- wählt wurde. Wir erwarten, dass in Zukunft scheinen wir mit dem Bildungsministerium gen liegt hinter uns. Die Kolleg*innen in der im Bildungsministerium ein Umdenken er- übereinzugehen. Konkrete Maßnahmen zur Weiterbildung hatten teilweise kaum Mög- folgt und die Beteiligung von Gewerkschaft Umsetzung fehlen allerdings bisher völlig. lichkeiten, ihrer Arbeit nachzugehen und und Verbänden wieder einen angemesse- Für Kita, Schule und Schulsozialarbeit müs- Einkommen zu erzielen. Wir alle hoffen auf nen Stellenwert erfährt. sen jetzt Hinweise kommen, wer für die halbwegs normale Zeiten! individuelle Förderung der Kinder wieviel Diese Kritik gilt umso mehr, als dass in zusätzliches Personal bekommt. Wir brau- Zunächst der Not geschuldet, gab es nicht dem Konzept gerade die Punkte nicht ent- chen zusätzliche Mittel für soziales Lernen, nur in den Schulen einen digitalen Schub, auch halten sind, die möglicherweise schnell ent- Gemeinschaftsprojekte und gezielte För- in der GEW haben wir umgestellt auf Goto- schieden werden müssen, um Personal zu derangebote. Das erforderliche zusätzliche meeting, ZOOM und Jitsi. Von kurzen Abspra- gewinnen, Personen weiter zu beschäftigen Personal an den Schulen soll in erster Linie chen über Landesvorstands- und Landes- oder etwas vorzubereiten. Es fehlen Überle- aus Lehr-, Vertretungs- oder Unterstüt- hauptausschusssitzungen, Erzieher*innen gungen, nach welchen Kriterien die zusätzli- zungskräften sowie sozialpädagogischen fachtag, Personalräteschulungen bis hin zu chen Mittel des Bundes und des Landes ver- Fachkräften bestehen, die je nach Aufgabe einem Online-Gewerkschaftstag mit kom- teilt werden sollen. Die GEW erwartet, dass und Konzept eingesetzt werden können. pletten Wahlen und Antragsberatung – wir diese Mittel vor allem für die Förderung der Werden außerschulische Anbieter einbe- haben nichts ausgelassen und unsere Arbeit Schüler*innen genutzt werden, die Nach- zogen, sind für die Kooperation Förderver- auf digitale Formate umgestellt. Einen Teil teile durch die Pandemie erleiden mussten. einbarungen zu treffen und Kooperations dieser Arbeit beleuchtet der Schwerpunkt Deshalb muss die Verteilung nach Sozialfak- zeiten für alle Beteiligten vorzusehen. Für dieser Ausgabe. Was davon bleibt? Mit Si- toren erfolgen, in erster Linie für DaZ und die Grundschulen fordern wir die Erhöhung cherheit werden auch in Zukunft Wege ein- für Förderstunden für bestimmte Schü- der Stellen für Schulassistenz, um den Über- gespart und einige Fachgruppen- oder Vor- ler*innengruppen vorrangig an Grundschu- gang von der Kita in die Grundschule zu stär- standssitzungen digital stattfinden. Aber ich len und Gemeinschaftsschulen. Die Vertei- ken. Die Schulsozialarbeit muss ausgebaut freue mich auch sehr auf die GEW-Arbeit in lung darf nicht nach dem Windhund-Prinzip und gestärkt werden. Präsenz und das kollegiale Miteinander! laufen. Monatelang hieß es, es gehe um Bil- dungsgerechtigkeit. Jetzt muss der Scheck Liebe Kolleginnen und Kollegen, Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür eingelöst werden. Die Verteilung der Mittel muss transparent, nachvollziehbar mit dem Online-Gewerkschaftstag in Leip- am 4. Juni um 20:29 Uhr flattert eine Da- und kriteriengeleitet erfolgen. zig endete die Zeit von Marlis Tepe als Vorsit- tei des Bildungsministeriums zur Stellung- zende der GEW auf Bundesebene. Wir sagen nahme in das digitale GEW-Postfach. Mit Die Schulen warten jetzt, sie wollen und Danke und wünschen alles Gute! Unserer Frist bis zum 9. Juni (Dienstschluss) erhalten müssen das nächste Schuljahr planen! Vor Kollegin Marlis ist es gelungen, die Zusam- wir die Gelegenheit zum »Rahmenkonzept allem zusätzliche Lehrkräfte aus dem Ver- menarbeit innerhalb der GEW erheblich zu Schuljahr 2021/22: Lernen aus der Pande- tretungsfonds, aufgestockte Schulassisten- verbessern, die GEW in die Medien und in mie« Stellung zu nehmen. Es ist gut und zen u. ä. können im neuen Schuljahr einen der Politik präsent und wirksam zu machen. richtig, dass wir Stellung nehmen dürfen wesentlichen Beitrag leisten. Bei der Fülle Liebe Marlis, du bist und warst national und zu diesem wichtigen Thema. Aber mit einer an zusätzlichen Herausforderungen ist es international in der Bildungsinternationale Frist von drei Arbeitstagen? Ohne Gremien- unerlässlich, Schulen mehr Zeitressourcen eine starke Stimme für gute Bildung, gegen sitzung, auf der man dazu beraten kann? zu gewähren. Klassenlehrkräfte und teil- Rechts und für die Interessen der in Bildung weise auch Fachlehrkräfte benötigen für die Beschäftigten. Dafür hast du nicht nur in den Auf 39 Seiten stellt das Bildungsministe- individuelle Förderung und die Kooperation acht Jahren als Bundesvorsitzende sondern rium Schwerpunktsetzungen im Schuljahr zusätzliche Zeit, die auf die Pflichtstunden auch vorher jahrzehntelang in Schleswig-Hol- 2021/22 vor – vom Ankommen im Schul- angerechnet werden muss. stein geackert und gerackert. Herzlichen jahr 2021/2022 über die Vorstellungen zur Dank für dein unermüdliches Engagement! Ermittlung und Aufholung möglicher Lern- Wir haben als GEW Schleswig-Holstein rückstände, weitergehenden Überlegun- Forderungen zum Schuljahr 2021/22 und Euch und uns allen wünsche ich eine er- gen zur Gestaltung von Unterricht und Qua- zur Verwendung der Bildungsmilliarde holsame Sommerzeit und hoffentlich einen litätsstandards bis hin zur Digitalisierung. beschlossen. Wir fordern bzgl. der Ver- guten Start in ein weitgehend »normales« Die demokratische Beteiligung wird so zur wendung der Mittel dieses Geldes einen Kita-, Schul-, Hochschul- und Weiterbil- Farce. Uns ist bewusst, dass Entscheidun- ganzheitlichen Ansatz. Es darf nicht nur um dungsjahr. gen während der Corona-Pandemie schnell vermeintliche Lernlücken gehen, sondern es Astrid Henke E&W S-H • 7 • 2021 3
Neue Normalität Wie digitale Formate die GEW bereichern könn(t)en von Susanne Melchior Digitale GEWerkschaftsarbeit Seit meinem Start bei der GEW gab es Schleswig-Holstein findet bereits im April samkeit viel schneller ab. Deshalb ist es diesen einen Ordner mit Ideen auf meinem 2020 statt. Anfangs noch mit extra Zeit wenig sinnvoll, Veranstaltungskonzepte Desktop, welche digitalen Kommunikati- zum digitalen Ankommen, mittlerweile eins zu eins ins Digitale zu überführen. onswege, Tools und Möglichkeiten sich für routiniert, trudeln die Teilnehmer*innen Der wichtigste Schritt besteht darin, ei- die GEW Arbeit nutzen ließen. Er war der eine Minute vor Beginn der Sitzung online nen angemessenen zeitlichen Rahmen mit Versuch von GEW-Aktiven, den Wunsch, ein. ausreichend Pausen zu finden. Zusätzlich schnell, dezentral und online gemeinsam muss noch stärker als in Präsenzveranstal- Dinge zu erarbeiten, in die Realität umzu- Seit April 2020 ist viel passiert. Mittler- tungen darauf geachtet werden, dass die setzen. So richtig vorangekommen sind wir weile führen wir eine Vielzahl von Veran- Veranstaltung spannend bleibt: weg vom aber oftmals aus Zeitgründen oder wegen staltungen digital durch. Fast alle unsere Frontalvortrag, rein in die Methodenviel- anderer Vorbehalte nicht. GEW-Gremien treffen sich regelmäßig zum falt. So gibt es auch digital viele Möglich- digitalen Austausch. Die Informationsver- keiten, Gruppenarbeit zu ermöglichen, März 2020: Plötzlich sind wir mittendrin anstaltungen für neue Lehrkräfte sind Teilnehmer*innen durch Abstimmungen im ersten Lockdown. Schnell wird klar, begehrt. Personalräteschulungen haben zu aktivieren und mit kleinen Eisbrechern GEW-Arbeit, wie sie bis dato in Form von wir online gemeistert. Mit dem »Erzie- bei Laune zu halten. Die Teilnehmer*innen Veranstaltungen und Treffen stattfand, her*innentag« und unserer Veranstaltung einen Gegenstand hochhalten lassen, der liegt auf unbestimmte Zeit brach. Parallel »Bildungsgerechtigkeit durchsetzen« ha- ihre aktuelle Stimmung symbolisiert, oder laufen die E-Mail-Postfächer voll und das ben wir sogar zwei Großveranstaltungen mal kurz das Mittagessen aufzeichnen, in Telefon klingelt am laufenden Band. Die erfolgreich digital umgesetzt. Vor Corona die Kamera halten und die Anderen ra- GEW wird gebraucht – und wir brauchen wäre das undenkbar gewesen. Jetzt ist es ten lassen, was es wohl Feines gab. Ganz den Austausch mit unseren Aktiven. die neue Normalität. wichtig dabei ist die Kommunikation mit den Teilnehmer*innen. Jeder und jedem muss klar sein, was als nächstes passiert, wie man sich beteiligen kann und wohin die Reise geht. Dazu gehört auch, vor je- der digitalen Veranstaltung die Möglichkeit zum digitalen Ankommen zu geben, um eventuellen technischen Schwierigkeiten zu begegnen. Trotz der genannten Vorteile des Digita- len, wird die Sehnsucht nach einem richti- gen Treffen immer größer. Endlich möchte man mal wieder im selben Raum sitzen, intensiver diskutieren und beim gemein- samen Kaffee auch endlich mal wieder Foto: Jagrit Parajuli / pixabay.com ein bisschen privat schnacken. Diese un- beschwerte Atmosphäre und das wohlige Die erste Herausforderung ist klar: eine Ohne digitale Werkzeuge wären wir deut- Gefühl des Miteinanders lassen sich digital Möglichkeit finden, wie wir unsere Gre- lich schlechter durch die Corona-Pandemie kaum verwirklichen. Umarmungen schon miensitzungen in digitaler Form durch- gekommen. Kontakte konnten so gehalten, gar nicht. führen können. Erstmal müssen wir uns schneller Austausch ermöglicht, Fahrtwege durch die Vielfalt von Anbietern schlagen: eingespart werden. Und einen weiteren Aber wir haben im letzten Jahr viele Er- jitsi, gotomeeting, Bigbluebutton und Effekt haben wir beobachtet: Neue Men- fahrungen im digitalen Raum gesammelt, Zoom, alles wird erstmal ausprobiert. schen nahmen an unseren Veranstaltun- die nicht verloren gehen dürfen. Es hat Datenschutzfragen rauben nicht nur den gen teil. Digital ist die Hemmschwelle, mal sich gezeigt, dass auch online vieles mach- Lehrkräften an den Schulen den letzten reinzuschnuppern in diese GEW, deutlich bar ist. Nicht für jeden Austausch müssen Nerv. Letztlich landen wir bei Zoom, geringer, als wenn man eine Stunde zu einer die Teilnehmer*innen quer durch Schles- schlicht und ergreifend, weil es bisher das Veranstaltung fährt, bei der vorher unge- wig-Holstein fahren. Stattdessen wird es System mit den vielfältigsten Funktionen wiss ist, was einen erwartet. in Zukunft stärker darum gehen, wie wir und der stabilsten Verbindung bei hoher digitale und Präsenzformate in der Ge- Teilnehmer*innenzahl ist. Die erste digi- Allerdings gibt es einiges zu beachten, werkschaftsarbeit sinnvoll einsetzen. Lasst tale Sitzung des Geschäftsführenden Lan- damit eine Veranstaltung auch online zum uns gemeinsam diese neuen Möglichkeiten desvorstands in der Geschichte der GEW Erfolg wird. Digital nimmt die Aufmerk- nutzen. 4 E&W S-H • 7 • 2021
Gewerkschaftstag 2021 digital: Wenn jemand eine Reise tut … von Eddi Pusch Digitale GEWerkschaftsarbeit … so kann er was erzählen. Von der ist nicht leicht für den Technikraum. Knapp öffnete, ohne den Live-Stream zu verlas- Fahrt, von vielen Begegnungen, netten Ge- 400 Menschen sitzen in Deutschland ver- sen. Gewöhnungsbedürftig, aber vielleicht sprächen, abendlichen Runden, usw. Der teilt, meist allein zu Hause, vor dem Mo- auch nur meiner Unerfahrenheit mit digi- Gewerkschaftstag (GT) begann mit dem nitor – ob die alle alles hören und sehen, talen Sitzungen geschuldet. Weg zum Tagungsraum, bei dem schon die lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. vielen Dialekte auf die Herkunft der »Mit- Gewohnt, mit Medien umzugehen, nimmt Gefehlt hat natürlich der Austausch mit läufer*innen« hinwiesen. Dann die lange Marlis das dennoch ganz gelassen. Aber den anderen SH-Delegierten. Ein kleiner Schlange beim Einchecken, die gleich erste tauschen hätte ich mit ihr in dem Moment Ersatz war unsere Signal-Gruppe. Hat mir Kontakte zu den Delegationen aus anderen nicht wollen. aber auch nicht geholfen, als ich wegen ei- Bundesländern ergab. Sorry, das waren Nürnberg, oder Düs- seldorf, Freiburg ... 2021 war anders: Eine Anreise gab es nicht, der Weg zum Einchecken war digital. Aber das mit der Warteschlange ist doch wohl vorprogram- miert!? Ab 13 Uhr möglich, da sind be- stimmt alle gleichzeitig im Netz. Trotzdem, vorsichtshalber auch mit »anstellen«. Die erste Überraschung: Es ist 12.59 Uhr und ich lande sofort im Eincheck-Raum. Vier fröhliche Leute begrüßen mich, das sind drei mehr als realiter die Male zuvor. Und Heiner Sterly ist auch dabei und kann mir mit meiner Delegiertennummer aushelfen, Foto: Kay Herschelmann die irgendwo noch in meinem Computer schlummert. Einfacher als gedacht, und Doch der Umgang mit den Besonderhei- nes Termins ein klein wenig zu spät aus der das Betreten der Tagungs-Plattform Open ten des Verfahrens spielte sich im Laufe Mittagspause kam. Dass der zweite Kandi- Slides macht ebenfalls keine Probleme. der Sitzung ein. Ob nun die zeitverzögerte dat als Schatzmeister seinen Rückzug von Jetzt also alle Dinge bereitlegen und die Einspielung von Ergebnissen, das Warten der Kandidatur angekündigt hatte, erfuhr nächsten vier Stunden bis zum Beginn der bis die Redner*innen den digitalen Raum ich erst später. »In echt« hätte ich die Infos Tagung um 17 Uhr ganz beruhigt sein. betreten hatten, oder Beginn und Ende von bei der Rückkehr in den Saal erfahren. Abstimmungen, das Präsidium wurde zu- 16:20 Uhr: lieber schon mal reinschauen, nehmend souveräner und fand praktikable Ein kleines persönliches Highlight: Als ob auch wirklich noch die Verbindung Lösungen. Und wenn es nur das schlichte Katja Coordes den ersten Antrag aus der steht. Jo, ich sehe das Begrüßungsplakat, Herunterzählen war (»Wir schließen den Sicht der Antragskommission darlegte und und immer wieder sorgen eingespielte Wahlvorgang in 30 Sekunden; 20, …«). Fand dann die Vorsitzende den Antrag inhaltlich Videosequenzen für bewegte Bilder; zu- ich anfangs noch ein bisschen albern, war vorstellte, wurde die Session unterbro- mindest Jan Hinnerk Freytag habe ich auch aber in der Tat sehr hilfreich. chen. Außerhalb des Saales hatten angeb- gesehen. lich alle Delegierten das nicht verfolgen Und wie anstrengend waren nun die können. Alle? Nein, im kleinen Husum saß Mit dem Start fällt mir auf, dass das zweieinhalb Tage? Ich musste mich auf die Eddi am PC und hatte alles klar und deutlich Bild teilweise ruckelt und der Ton manch- Redebeiträge schon sehr konzentrieren; gehört und gesehen. Bei Wiedereintritt in mal kurz ausfällt. Ich habe natürlich nicht es klingt alles anders als live in der Halle. die Tagesordnung mit der Wiederholung den Rat befolgt, den Browser-Cache zu Im Ergebnis denke ich aber, dass ich von der beiden Wortbeiträge, konnte ich in löschen. Wenige Klicks, Bild und Ton sind den Vorstellungen der Kandidat*innen am Ruhe Wäsche aufhängen, ohne etwas zu einwandfrei. Wahltag deutlich mehr aufgenommen und versäumen. Was ich da wohl falsch ge- präsent habe als bei den drei vorhergehen- macht habe, dass ich der einzige war? Ernüchterung, als Marlis dann am Mikro- den GT. fon steht. Unsere Bundesvorsitzende, die Etwas schwieriger gestalteten sich (für Nun war ich nicht allein aus SH unterwegs. ich ein paar Tage zuvor beim Interview so mich) die Antragsberatungen. Wo ich sonst Auch die anderen Delegierten sowie Astrid souverän erlebt habe, ist in dem Moment im Ordner blättern konnte, habe ich einen und Katja in Leipzig, können auch etwas er- relativ einsam. Sie muss mehrfach nachfra- zweiten PC benutzt, auf dem ich die Cloud zählen. Kurze Statements – nicht (nur) zum gen, ob sie zu hören ist. Und die Antwort (mit allen Anträgen) oder andere Quellen Thema digitaler GT – sind angefügt: E&W S-H • 7 • 2021 5
Ruth Weyrich: ich sehr gut. Sehr enttäuscht war ich, dass, Tamara Reichmann Niemann: Dies ist mein erster großer Gewerk- wie schon 2017, bei einer Kampfkandida Großartig war unser interner SH-Chat, schaftstag. Ich kann verstehen, dass allen tur im SozPäd-Bereich sehr früh Schluss an dem sich von Leipzig aus auch unsere der persönliche Kontakt fehlte, der Aus- der Redeliste beantragt und beschlossen beiden Vorsitzenden beteiligten. Sie vermit- tausch und die Stimmung, die in einer so wurde. telten das Flair von Leipzig und berichteten Digitale GEWerkschaftsarbeit großen Halle herrscht. aus dem Background. Wir vor Ort tausch- Marina Griesbach: ten Stimmungen und Gedanken aus und Gudrun Harries: Die Wahl der Inhalte erscheint sinnvoll! saßen dadurch nicht ganz so einsam vor Die Übersicht in OpenSlides über die An- Ich bin positiv überrascht, dass wir doch unseren Bildschirmen. träge war super – aber für mich als Dele- einige Anträge beschließen konnten, und gierte kam die Möglichkeit, darin zu arbei- freue mich auf nächstes Jahr mit ganz viel Janka Poloczek: ten zu spät, um gut vorbereitet zu sein. Zeit zur Antragsberatung! Ich finde es aber Ein sehr schlanker Gewerkschaftstag, Zum Glück hatten wir die Vorparlamente, bedauerlich, dass den Gastdelegierten per der es notwendig machte, auf das We- in denen wir auch die Anträge, die zur Ab- Abstimmung größtenteils das Rederecht sentliche zu reduzieren. Aber die Stoß- stimmung standen, gut vorbereitet hatten – aberkannt wurde. Wenn ich Menschen ein- richtung ist klar und kräftig: gemeinsam insbesondere Katjas Vorweginformationen lade, dann müssen sie auch Gehör finden und solidarisch emanzipieren und zusam- haben mir sehr geholfen. dürfen. Auch wenn es so rechtlich sauber menhalten für eine Gesellschaft, in der und satzungsgemäß war, hat das Prozedere wir leben wollen, ohne Hass, Gewalt und Neue GEW-Vorsitzende Maike Finnern irgendwie ein Geschmäckle. Ungerechtigkeit, das geht nur mit Bildung (Foto: Kay Herschelmann) aller, global! Oleg Gussew: Insgesamt verlief der Gewerkschaftstag Annette von Borck: produktiv – trotz der üblichen Verzüge in Die Vorstellungsvorträge der Kandi- der Zeit. Für mich zeigt sich Partizipation dat*innen hätte man sehr viel stärker zeit- innerhalb der Gewerkschaft auch durch lich einschränken können, da diese sich in das Schaffen von Möglichkeiten, damit sich den einzelnen Landesverbänden schon be- Menschen beteiligen können. Ich fand es kannt gemacht haben. schade, dass die Gastdelegierten nicht aus- Nervig waren die technischen Störun- reichendend Raum bekommen haben, um gen, Standbild oder gar kein Bild und Ton, sich zu beteiligen. mit Hilfe der Telefonhotline konnte meist Henning Schlüter: schnell Abhilfe geschaffen werden. Unter den gegebenen einschränkenden Wiebke Tillmann: Umständen läuft der Gewerkschaftstag Ich bin positiv überrascht vom Online- Katja Coordes (Mitglied der Antrags- 2021 ab wie Schule im Lockdown: Es funk- GT. Die Abläufe waren reibungslos und die kommission vor Ort in Leipzig): tioniert irgendwie, macht auch irgendwie Technik lief erstaunlich gut. Ich freue mich Die Halle wirkt gut gefüllt – mit beein- Spaß, weil es etwas Neues ist, es fehlt aber, auf eine GEW unter einer neuen Vorsitzen- druckender Technik. Es fehlen Menschen. Es was unsere Gewerkschaft so unvergleich- den und einem neuen GV. Alle scheinen fehlt der Applaus. Es fehlt das Raunen, das lich gut macht: die persönlichen Gespräche motiviert zu sein und ich hoffe, dass das durch die Menge geht. Es fehlen Zwischen- und das menschliche Miteinander. die nächsten vier Jahre anhält und wir viel rufe und Spontanität und trotzdem sage ich erreichen werden. »Danke« an alle, die diesen Gewerkschafts- Benjamin Wirth: tag möglich machen. Ich ziehe den Hut vor Digitaler Gewerkschaftstag: Kann ich mit Ann-Kathrin Hoffmann: dem Aufwand bei der Vorbereitung und leben, sofern die Leitung ok ist – leider ha- W wie »wieder nicht«: Die Grußworte der Durchführung. Der Kraftakt ist hier vor Ort ben die Telekommunikationsunternehmen Parteivorstände zeigten deutlich, wie wenig besonders sichtbar. einiges aufzuholen – also doch lieber live! Beachtung sie der Wissenschaft und damit den Hochschulbeschäftigten wie auch Stu- Astrid Henke: Heiner Sterly: dierenden beimessen. Als GEW-Studierende Bewerbungsreden ohne das Gegenüber Die sorgfältige Vorbereitung des Online- freuen wir uns, dass das Thema Tarifvertrag sind für alle ungewohnt, kaum Applaus, Gewerkschaftstages durch den Hauptvor- für Studentische Beschäftigte benannt und keine Rückkopplung, wie die Rede an- stand ermöglichte mir eine problemlose als zukunftsweisend erachtet wird. kommt. Es hat alles recht gut geklappt, Teilnahme am gesamten Geschehen. Das die GEW hat die Hürden des digitalen hatte ich so reibungslos nicht zu hoffen Arne Popp: Gewerkschaftstages gut genommen. Ein gewagt. Dennoch fehlten mir die unmittel- Die Struktur war für mein Empfinden ein dickes Lob an die Geschäftsstelle in Frank- baren, persönlichen Kontakte mit den Kol- bisschen zu sehr auf die Personalien und zu furt. Zur Not geht’s digital, wir haben leg*innen unserer Delegation und mit den wenig auf die inhaltlichen Anträge ausge- einen starken geschäftsführenden Vor- Delegierten anderer Landesverbände. richtet. Das schönste für mich als Neuling stand gewählt und wichtige Beschlüsse waren die Diskussionen in der Jungen GEW gefasst. Aber klar ist, alle freuen sich auf Stefan Kähler: und der non-formale Austausch in der SH- tiefergehende Diskussionen, kollegiale Die Organisation, den digitalen Ablauf Gruppe. Das hat wenigstens ein bisschen das Gespräche und die Power eines Präsenz- und die Moderation des Präsidiums finde Gefühl von Gewerkschaftstag vermittelt. Gewerkschaftstages 2022! 6 E&W S-H • 7 • 2021
»Bildungsgerechtigkeit ist der Motor für mein Engagement« Digitale GEWerkschaftsarbeit Interview mit Marlis Tepe, GEW Vorsitzende 2013-2021, aufgezeichnet von Eddi Pusch Marlis, 29,5 % der Mitglieder meines system und den politischen Polarisierun- Ist die Vorsitzende dabei eher als Ideen Kreisverbandes kennen dich nur als gen in der Folge. Dafür hatte der Gewerk- geberin oder als Moderatorin zwischen Bundesvorsitzende. Wo liegen deine schaftstag 2013 keine Leitplanken vorgese- den unterschiedlichen Interessen der gewerkschaftlichen Wurzeln und in wel- hen. Auf einer großen Tagung entwickelten Fachbereiche gefragt? chen Funktionen warst du in Schleswig- wir Handlungsperspektiven. Die Pandemie Ich denke, beides. Ideen anstoßen und Holstein tätig? hat die zweite Wahlperiode geprägt. Um dann gemeinsam nach Lösungen suchen. Die GEW hat mich als Solidargemein- gemeinsam handlungsfähig zu sein, lud ich Und dann konsensorientiert auch gemein- schaft angezogen. Mit 22 bin ich zu Beginn den Geschäftsführenden Vorstand (GV) sam an den Themen arbeiten. Ja, da ist des Vorbereitungsdienstes in Hamburg und die Landesvorsitzenden, das ist unser auch Moderation gefordert. eingetreten, da ging es um gerechte Be- Gremium Koordinierungsvorstand (KOVO), Aber noch einmal zurück zur Freude: Ich urteilung. In Schleswig-Holstein war ich im etwa alle zwei Wochen zu Videokonferen- bin stolz, dass die GEW wieder auf die in- Ortsverband aktiv für emanzipatorische zen ein. So konnten wir gegenüber der KMK ternationale Ebene der Gewerkschaftsar- Bildung. Damals waren die Führungsposi- und der Presse gemeinsam auftreten. beit zurückgekehrt ist. 2011 hatten wir den tionen in Schule und Politik von Männern Sitz im Vorstand der Bildungsinternationale Marlis Tepe besetzt, deshalb habe ich mich frauenpoli- (Foto: Kay Herschelmann) (BI)* verloren. Bei elf größeren Auslandsbe- tisch auf Landes- und Bundesebene enga- suchen allein 2014 habe ich die GEW inter- giert, spannende Tagungen organisiert, war national vertreten, der Erfolg war die Wahl Mitglied im Kreisvorstand und Bezirksper- zur Vizepräsidentin der BI 2015. Es ist inter- sonalrat, im Landesvorstand. Dann wurde essant und oft auch bewegend, z. B. in Alba- ich in den Geschäftsführenden Landesvor- nien oder Israel und Palästina oder bei der stand (GLV) und den Lehrerhauptpersonal- Weltfrauenkonferenz internationale Solida- rat gewählt und war dessen Vorsitzende rität zu spüren und meinen Blick zu weiten. von 2007 bis zur Wahl zur GEW-Vorsitzen- den im Jahr 2013. Bildungsgerechtigkeit ist Gibt es im Rückblick Dinge bzw. Entschei- der Motor für mein Engagement. dungen, die du lieber anders geregelt hättest? Nun, unser Verhältnis zu ver.di ist ja nicht Wie veränderte sich dein Leben, mit dem völlig entspannt. Ob wir beim Streit über Wechsel aus SH in die Frankfurter Zent- die Zuständigkeiten der Beschäftigten im rale – mit einem zweiten Büro in Berlin? Sozial- und Erziehungsdienst anders hätten Das bedeutete vor allem, aus dem Kof- agieren sollen, wird sich zeigen. Wir haben fer zu leben. Im ersten Jahr habe ich – mit den Status Quo bewahren können. Ausnahme der Weihnachtsferien – nur einmal drei Tage in Folge im gleichen Bett Und was macht Marlis Tepe in Zukunft, geschlafen. Frankfurt, Berlin, Gremien wenn sie den Sprung von der Großstadt sitzungen an der ICE Strecke, z. B. in Fulda, ins kleine Hüttblek verdaut hat? später auch Brüssel, Washington, die GEW- Sie nimmt sich zunächst einmal Zeit Landesverbände. Also immer unterwegs, für den Freundeskreis und die Familie. mich auf Neues einstellen. Aber es fühlte Matthias und ich haben regelmäßig ge- sich von Anfang an richtig an. Ich konnte tanzt, das geht wieder los. Mehr Bewegung, überall schlafen. Während der Zeit im Und was hat dich am meisten gefreut? Zeit zum Lesen. Was die gewerkschaftliche HPR(L) war das anders, weil ich oft uner Der mutige Streik der Erzieher*innen Arbeit betrifft, da bin ich ja noch zwei Jahre ledigte Dinge im Kopf hatte. 2015, Erfolge bei JA 13 für alle, der Tarifver- Vizepräsidentin der BI. Und wenn mich trag für die studentischen Beschäftigten in meine GEW fragt, ob ich hier oder da mit- Welcher Aufgabenbereich war für dich Berlin, kleine Verbesserungen in der Weiter- mache, werde ich wohl nicht nein sagen. die größte Herausforderung? bildung. Die stärker werdende Resonanz in Überhaupt nicht vorbereitet war ich auf den Medien und in der Politik. Unser Motto Das Interview haben wir mit Gotomeeting Personalführung. In Frankfurt hat die GEW »Bildung. Weiter denken … und handeln!« digital aufgezeichnet. Auch eine neue Er- etwa 50 Beschäftigte, darunter Referent*in- ist bei der Politik angekommen. In den An- fahrung. Geht auch ohne Stift und Papier. nen, hochqualifiziert und spezialisiert. Hier hörungen des Bundestages werden wir als Anmerkung: musste ich die richtige Mischung aus Vor- Expert*innen geladen und haben eine Lo- * BI: Dachverband von rund 400 Bildungs gabe, Freiheit und Kontrolle erst finden. ckerung des Kooperationsverbots erreicht gewerkschaften aus 170 Ländern mit über 2015 kam dann die Zuwanderung mit und damit mehr Geld für Bildung. Freilas- 30 Mio. Mitgliedern den Herausforderungen für das Bildungs- sungen als Folge der Solidaritätsarbeit. E&W S-H • 7 • 2021 7
Als hätte es Corona nicht gegeben Bildungspolitik setzt auf althergebrachte Stellschrauben von Katja Coordes und Bernd Schauer Digitale GEWerkschaftsarbeit Wie groß sind die Lernlücken? Wie mit können, so die GEW-Landesvorsitzende. Individuelle Betrachtung bei den Folgen des Corona-Schuljahres umge- Ein besonderes Zeitkontingent für die päd Lernrückständen hen? Wie der durch Corona verschärften agogische Arbeit an den Schulen könne Bildungsungerechtigkeit entgegenwirken? hier helfen. Um sozialen Besonderheiten Staatssekretärin Dr. Dorit Stenke aus Darum ging es auf der Tagung »Bildungsge- an einzelnen Schulen zu begegnen, müss- dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft rechtigkeit durchsetzen!« am 20. Mai 2021. ten Planstellenverteilung und Mittelvertei- und Kultur sprach ebenfalls ein Grußwort. Aus Pandemiegründen wählten wir für lung an die Schulen an einen Sozialindex Ein besonderes Augenmerk legte sie dabei diese Tagung das Format einer Online- geknüpft werden. auf die digitale Ausstattung an den Schu- len, die sich aus ihrer Sicht nun ständig verbessert. Der dazugehörige »Kraftakt mit Geldmitteln in Millionenhöhe« ermög- liche es, Lehrkräfte und Schüler*innen mit digitalen Endgeräten auszustatten, für die Lehrer*innen auch inklusive Wartung und Support. In Bezug auf das Thema »Bildungsge- rechtigkeit« hob die Staatssekretärin die Bedeutung der landesinternen Aufhol- und Unterstützungsprogramme hervor. Mit Nachdruck betonte sie, dass man nicht allen Kindern und Jugendlichen aufgrund der Pandemie pauschal große Lernrück- stände zuschreiben dürfe. Eine individu- Homeschooling hat Spuren hinterlassen. elle Betrachtung sei deshalb unbedingt (Foto: Marc Thele / pixabay.com) erforderlich. In Schleswig-Holstein gebe es Konferenz. Die ersten Erfahrungen damit Eine Gruppe, die während der Pandemie in diesem Zusammenhang das Programm hatten wir bereits und wir waren auch viel zu kurz gekommen ist, sind die Kinder »Lernchancen«. Auch der Lernsommer recht zuversichtlich, dass alles gut funktio- mit einer anderen Herkunftssprache als gehe in die zweite Runde. nieren wird. Trotzdem stieg kurz vor 17 Uhr Deutsch. Vielerorts konnte die Förderung der Adrenalinspiegel etwas – klappt alles in Deutsch als Zweitsprache (DaZ) nicht Das Aktionsprogramm »Aufholen nach mit der Einwahl? Hält bei allen die Inter- wie vorgesehen durchgeführt werden. Der Corona« des Bundesbildungsministeriums netverbindung? Wie fühlt es sich an, zu 70 Distanzunterricht war in zu großen Lern- (BMBF) stellte Dr. Dorit Stenke ebenfalls Leuten zu sprechen, ohne sie alle sehen zu gruppen und wegen mangelhafter techni- kurz vor. Weitere Informationen dazu sind können? scher Ausstattung für alle Beteiligten eine hier zu finden: sehr große Herausforderung. »Der DaZ- Die Einwahl funktionierte reibungslos. Unterricht lebt ganz stark vom Miteinander www.bmbf.de/files/BMFSFJ_Corona_ Astrid Henke konnte mit ihrer Begrüßungs- und der Kommunikation. Hier gibt es be- Aufholpaket_Paper_06_sa%20(1).pdf rede pünktlich starten und stellte gleich sonders viel aufzuholen. Deshalb muss hier zu Anfang klar: »Im Gegensatz zur Politik auch weiterhin dieser Bereich besonders Ungleichheit noch verschärft weiß die GEW nicht erst seit Corona, wie berücksichtigt werden. Es dürfen in keinem ungerecht unser Bildungssystem ist. Des- Fall Lehrer*innenstellen für die Sprachför- Im Anschluss hielt Prof. Dr. Marcel Helbig halb plädieren wir auch schon seit langem derung gestrichen werden.« vom Wissenschaftszentrum Berlin für So- dafür, allen Kindern und Jugendlichen glei- zialforschung das Hauptreferat. Aus seiner che Chancen zu eröffnen und ein weiteres Ausgesprochen kritisch setzte sich Astrid Sicht gebe es keine einfache Lösung für Auseinanderdriften unserer Gesellschaft zu Henke mit der Umsetzung des so genann- den Umgang mit den Folgen der Corona- verhindern.« ten »Corona-Hilfspakets« auseinander: Pandemie. »Es braucht nun vor allem Zeit: »So gut es ist , dass Bund und Land 40 bis Zeit, um darüber zu diskutieren, wie es wei- Zeitkontingent für pädagogische 50 Millionen für Lernförderung, Schul tergehen soll; Zeit, um uns einen Überblick Arbeit fehlt sozialarbeit, soziales Lernen und Sprachför- über die Schäden der Corona-Schuljahre zu derung in Schleswig-Holstein bereitstellen: verschaffen; und Zeit, um uns um die Schü- Den Schulen fehle im Regelbetrieb viel Dieses Geld darf nicht dazu dienen, großen ler und Schülerinnen zu kümmern, die im zu oft die Zeit, um sich um Kinder mit be- Nachhilfekonzernen Schüler*innen als neue Distanzunterricht eine schwere Zeit hatten«, sonderen Bedarfen genügend kümmern zu Kundschaft zuzuführen.« sagte der Wissenschaftler. Umfang des Un- 8 E&W S-H • 7 • 2021
terrichtsausfalls und Qualität des digital un- fuhr Helbig fort. »Umso mehr haben wir es in Nach einer kurzen Pause versammelten terstützten Distanzunterrichts hätten stark dieser Pandemie nicht mit individuellem Ver- sich die Teilnehmer*innen in fünf verschie- von Schule zu Schule variiert. Daher dürften sagen der Schüler und Schülerinnen zu tun, denen Workshops. In der sehr knappen auch die Folgen für die Einzelnen sehr unter- sondern mit systemischen Problemlagen. Zeit wurde gemeinsam besprochen, wel- schiedlich sein, je nach Wohnort, Schulsitu- Die Antworten der entscheidungsrelevanten che Forderungen die GEW aufstellen sollte, Digitale GEWerkschaftsarbeit ation, Schulklasse und Familie. Akteure beziehen diese systemischen Prob- um Bildungsgerechtigkeit durchzusetzen. lemlagen bisher nicht ausreichend mit ein, Die Ergebnisse der Workshops bilden die Mit den bisher von der Bildungspolitik sondern individualisieren diese Defizite als Grundlage für die weitere Diskussion in- präsentierten Lösungen – Nachhilfe oder Versagen des und der Einzelnen.« nerhalb der GEW. freiwillige individuelle Klassenwiederho- lung – zeigte sich Professor Helbig sehr unzufrieden. »Sie setzen an althergebrach- Kleine Umfrage nach der Veranstaltung unter den Teilnehmer*innen: ten Stellschrauben des Systems Schule an, um ›schlechte‹ Schüler und Schülerinnen wieder in die Spur zu bekommen. Maß- Ziele für eine gute Schule stab sind also jene Schüler und Schülerin- nen, die gut durch die Corona-Schuljahre nach der Pandemie gekommen sind und den Lehrplan trotz Bei Schüler*innen, die in der Pandemie Lernschwierigkeiten hatten und Corona erfüllt haben – die Lernlücken der Wissenslücken aufweisen, liegt der Fokus darauf, sie zu motivieren, ihre anderen werden zum Defizit, das aufzu- Konzentrationsfähigkeit zu stärken und sie wieder an das Lernen holen ist. Das System Schule verlangt, die heranzuführen. Lücken zu schließen, und tut damit letztlich so, als hätte es Corona nicht gegeben.« Ich stimme zu. 94 % Sein Vorschlag: »Die Bildungspolitik soll Ich stimme nicht zu. 6% sich eher auf jene fokussieren, die keinen Internetanschluss, kein Endgerät hatten, deren Eltern kein Deutsch sprechen, denen Nachhilfe- und Förderprogramme finden losgelöst vom Unterricht statt die Eltern nicht helfen konnten, die psy- und sind nicht in den Schulalltag integriert. chisch stark unter den Schulschließungen gelitten haben, in deren Wohnort die Schu- Ich stimme zu. 15 % len häufig geschlossen waren, weil es hohe Virus-Inzidenzen gab, deren Lehrkräfte kein Ich stimme nicht zu. 85 % oder wenig Feedback gaben, den Distanz unterricht nicht gut strukturierten oder nicht erreichbar waren.« An den Schulen arbeiten mehr Schulsozialarbeiter*innen, Schulpsycholog*innen und schulische Assistenzkräfte. Problematisch empfindet der Wissen- schaftler die Tatsache, dass die Diagnose Ich stimme zu. 94 % in Politik und Wissenschaft oft über die jeweils eigenen, individuellen Erlebnis- Ich stimme nicht zu. 6% horizonte definiert werde. Verschiedene Bildungsexpert*innen seien wahrschein- lich zu Recht der Meinung, dass manche Schulen brauchen zusätzliche Pool-Stellen, um multiprofessionelle Kinder im Distanzunterricht »mit ihrer aka- Teamarbeit zu ermöglichen (z. B. Kooperation von Regelschulkräften mit demisch gebildeten Privatlehrkraft Mama Sonderpädagog*innen oder außerschulischen Partner*innen. oder Papa« besser gelernt hätten als im Klassenverbund mit 24 anderen Kindern. Ich stimme zu. 100 % »Unstrittig ist allerdings, dass die Pande- miesituation die Ungleichheit in den Bil- Ich stimme nicht zu. 0% dungschancen nach ökonomischen, kultu- rellen und zeitlichen Ressourcen der Fami- lie oder den Bezug zur deutschen Sprache Ungleiches ungleich behandeln: Finanzmittel und Personal werden nach noch verschärft hat.« Sozialindex verteilt. Kein individuelles Versagen Ich stimme zu. 94 % Schon in vermeintlich »normalen Zeiten« Ich stimme nicht zu. 6% sei es problematisch, einzelne Kinder für ihre Lernrückstände verantwortlich zu machen, E&W S-H • 7 • 2021 9
Was belastet mich? Was macht mich stark? Arbeits- und Gesundheitsschutz an Schulen – Hilfen für die Praxis von Birgit Mills Digitale GEWerkschaftsarbeit Unter diesem Thema fanden zwei Pilot- Was ist seitdem passiert? dungsbeurteilung? Ist diese mitbestimmt veranstaltungen statt, einmal im Kreisver- worden durch den ÖPR? Wann ist zuletzt band Flensburg (Februar 2020) als Präsenz- Es wird deutlich, dass noch viel im Ge- reingeguckt worden? Sind vereinbarte veranstaltung, einmal als Onlineveranstal- sundheitsschutz für Lehrkräfte zu tun ist. Maßnahmen umgesetzt worden? Sind Er- tung im Kreisverband Segeberg (Mai 2021). Seit 2018 hat es nur wenige, meist kleine gänzungen notwendig? Beide Veranstaltungen waren mit jeweils Maßnahmen gegeben. Es geht sehr schlep- ca. 20 Teilnehmer*innen gut besucht. Die pend voran, wenn man bedenkt, dass die Wie macht man eine Referent*innen bei beiden Veranstaltun- Vereinbarung inzwischen sechs Jahre alt Gefährdungsbeurteilung? gen waren Matthias Heidn, Blanka Knudsen ist. So gibt es jetzt z. B. Berater*innen für In den schleswig-holsteinischen Schulen und Birgit Mills. das BEM-Verfahren (Betriebliches Einglie- geschieht das mit Hilfe der Checklisten, die derungsmanagement). man auf der Homepage des Bildungsminis- Rechtliche Grundlagen teriums findet. Schulen können Hilfe durch den arbeitsmedizinischen Dienst anfor- Die rechtlichen Grundlagen sind sehr dern. Es ist zudem erforderlich, psychische umfangreich, da verschiedene Gesetze, Belastungen zu erfassen. Davon hörten Verordnungen und Vereinbarungen zu be- viele Schulen und Kolleg*innen erstmals achten sind. Das Arbeitsschutzgesetz stellt etwas am Beginn der Corona-Pandemie. die Grundlage dar. Foto: GEW / skyfish.com Und es musste schnell eine Gefährdungs- beurteilung erstellt werden. Denn nun Vereinbarung zum Gesundheits- Aber die grundsätzlichen Probleme wur- wurde plötzlich erwartet, dass die neue management in Schleswig-Holstein den nicht angegangen. Die Statuserhebung Gefährdung mit aufgenommen wurde. Nach § 59 des Mitbestimmungsgesetzes hat deutlich gezeigt, dass die größten posi- Verantwortlich für die Gefährdungsbe- in Schleswig-Holstein haben die Gewerk- tiven Effekte auf die Gesundheit, Arbeits- urteilung ist die Schulleitung, der ÖPR ist schaften und Verbände mit der Landesre- fähigkeit und Arbeitszufriedenheit durch in der Mitbestimmung. Bewährt hat sich, gierung im Februar 2015 eine Vereinbarung eine Verringerung der Arbeitsbelastung dass Schulleitung und ÖPR sich zusammen- zum Gesundheitsmanagement getroffen. zu erwarten wären. Und hier hat sich gar setzen und gemeinsam daran arbeiten. nichts getan! Im Gegenteil: Durch Corona Statuserhebung im Schulbereich hat sich die Arbeitsbelastung weiter erhöht. Da der Arbeits- und Gesundheitsschutz Der erste Schritt war die Statusabfrage Sicherlich steht im Vordergrund die Bewäl- viele Bereiche umfasst, konzentrierten wir im Schulbereich durch die Landesregie- tigung der Pandemie. Aber mehr Gesund- uns in den Veranstaltungen auf diese The- rung im November/Dezember 2017. Die heitsschutz für Lehrkräfte hätte es doch sein menfelder: Ergebnisse wurden im April 2018 veröf- müssen. Die GEW hat dazu viele Vorschläge • Gebäude (Lärm) fentlicht und im Landtag vorgestellt und gemacht. Und seit Jahrzehnten kommen • Psychische Belastungen debattiert. immer wieder die gleichen Argumente sei- • Arbeitsplatz (Erreichbarkeit) tens der verantwortlichen Politiker*innen. • Gesundheit/Prävention (BEM) In der E&W ist in der Folge ausführlich Entweder ist kein Geld da (wenn es genü- • Politische Rahmenbedingungen über die Ergebnisse berichtet worden. gend Lehrkräfte gibt) oder es fehlen die Es zeigte sich, dass es nicht gut um den Lehrkräfte (so wie zurzeit). Es ist also klar, Wir fragten die Teilnehmer*innen der Arbeits- und Gesundheitsschutz für Lehr- was vermutlich als nächstes kommen wird Veranstaltung nach den für sie wichtigen kräfte bestellt ist. ... Deshalb müssen wir weiterhin für eine Baustellen. In Segeberg stand das Thema Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Lärm ganz vorn an. Hier muss jetzt trotz Die folgenden Handlungsbedarfe erga- damit des Gesundheitsschutzes kämpfen. Corona schnell gehandelt werden. ben sich: [1] • gefühlsmäßige Belastung (außer BS) Womit sollte man anfangen? Anmerkungen: • Informationsmangel (nur FÖZ und GemS) [1] In Klammern findet man die betreffen- • Aufgabenunklarheit (nur FÖZ) Gefährdungsbeurteilung den Schularten. • Konflikte zwischen Arbeit und Privatem Nach § 5 und § 6 des Arbeitsschutzgeset- [2] krank zur Arbeit gehen (außer FÖZ) zes ist seit über 20 Jahren vorgeschrieben, • Handlungsspielraum Pause (außer Gym) dass eine Gefährdungsbeurteilung zu er- Wir bieten das Seminar als Präsenz- • Arbeitsmittel, IT-Verfahren (außer FÖZ stellen ist und die zu ergreifenden Maß- oder Online-Veranstaltung für interes- und GS) nahmen zu dokumentieren sind. Das ist das sierte Kreis- und Ortsverbände an. • Möbel (nur GS) Herzstück des Arbeits- und Gesundheits- E-Mail: mills@gew-sh.de • Beleuchtung/Lichtverhältnisse (nur GS) schutzes und sollte immer der erste Schritt Telefon: 0461-64433 • Präsentismus [2] (nur GS) an jeder Schule sein. Gibt es eine Gefähr- 10 E&W S-H • 7 • 2021
»Geht doch!« – GEW-Senior*innen treffen sich digital Digitale GEWerkschaftsarbeit von Elisabeth Reinert (KV HL) und Herbert Jannusch (KV NF) Im September 2020 traf sich der Landes Leitungsteam des LSA. Uns Senior*innen Reinert und Herbert Jannusch die Idee, senior*innenausschuss (LSA) zu einer Ar- eröffnete sich die digitale Kommunikation Video-Treffen zu wechselnden Themen für beitstagung im Restaurant am Ihlsee. In (nach den schulischen Erfahrungen in der die Senior*innen der Kreisverbände anzu- entspannter Atmosphäre wurde intensiv Arbeitswelt) nun als Chance, sich zu sehen, bieten. Zwei Veranstaltungen gingen 2021 diskutiert, informiert und der gesellige miteinander zu sprechen und zu lachen, online: Im März zum Thema »Neuerungen Austausch in der Mittagspause mit Blick den Austausch über Gewerkschaftliches in der Beihilfeverordnung« und im Mai hieß auf den See kam – auch mit Abstand – und auch Privates zu pflegen. In Folge einer es »Digital Souverän im Ruhestand«. Die natürlich nicht zu kurz. Noch waren wir Online-Fortbildung mit Frank Hasenbein, jeweils knapp 20 Teilnehmer*innen nah- verhalten optimistisch, unsere vorweih- unserem sehr geschätzten GEW-Bildungs- men aktiv an den Fortbildungen teil, eine nachtlichen Treffen in den Kreisverbänden referenten, zum Thema »GoToMeeting« Folgeveranstaltung zur Frage »Wie lade ich durchführen zu können. Doch es kam an- konnten wir im LSA unsere Arbeitstreffen selbst zu einer Videokonferenz ein?« nach ders, die Inzidenzwerte stiegen und alles ab Februar 2021 schließlich online durch- der Sommerpause ist bereits angedacht. In wurde abgesagt, storniert und verschoben. führen. An dieser Stelle ein ausdrückliches der Hoffnung, dass in absehbarer Zeit auch »Dankeschön« an Frank, Eberhard und sein größere Treffen »in echt« möglich werden, Was tun? Um in Kontakt zu bleiben, er- Team. kultivieren wir die digitalen Veranstaltun- reichten uns Rund-Mails mit Aktuellem gen weiter. Längere Fahrzeiten und Unbe- aus Bund und Land verbunden mit guten Aus den Kreisverbänden Lübeck und quemlichkeiten reduzieren, miteinander Wünschen von Eberhard Heim aus dem Nordfriesland entwickelten Elisabeth im Austausch bleiben – »Geht doch!« Studie »Digitalisierung im Schulsystem«: Techniklücken, Ungleichheiten und stark belastete Lehrkräfte Eine der größten Herausforderungen der Zentrale Ergebnisse der Studie: die Überprüfung von Informationen aus Digitalisierung in der Bildung stellt die Kluft dem Internet auf deren Richtigkeit. zwischen digitalen Vorreiter- und digitalen • 70 % der Lehrer*innen arbeiten an Schu- • Neun von zehn Lehrkräften haben einen Nachzügler-Schulen dar. Das geht aus der len, an denen es WLAN für alle Lehr- höheren Arbeitsaufwand durch Fern repräsentativen Studie »Digitalisierung im kräfte gibt. Die Hälfte der Schulen hat unterricht. Knapp zwei Drittel benennen Schulsystem« unter der Leitung von Frank kein WLAN für die Schüler*innen. den Wechselunterricht als Grund für Mußmann von der Universität Göttingen • Nur 57 % der Lehrkräfte sind an Schulen eine stärkere Arbeitsbelastung. hervor, die die GEW am 1. Juni 2021 in tätig, an denen es für den Unterricht ge- Frankfurt am Main vorstellte nügend digitale Geräte gibt. 58 % nutz- »Die Dynamik der Corona-Pandemie Foto: Michael Schwarzenberger / pixabay.com ten regelmäßig Lernmanagementsysteme. und die Digitalisierung verstärken die an- • Ein Viertel der Schulen hat keine Schul- gespannte Arbeitssituation an den Schulen Cloud, nur 40 % arbeiten mit einer schul- und die ohnehin schon bekannten hohen übergreifenden Bildungs-Cloud. Belastungen und Entgrenzungserfahrun- • Nur in 18 % der Fälle stehen für alle Lehr- gen der Lehrkräfte«, betonte Mußmann. kräfte digitale Endgeräte der Schule zur Er würdigte aber auch, dass Lehrkräfte Verfügung, für weitere 30 % teilweise. und Schulen mit viel Engagement prag- 95 % der Lehrkräfte nutzen daher ihre matische Lösungen gefunden hätten, um Obwohl die Corona-Pandemie die Digi privaten elektronischen Geräte wie digitale Medien und Technik einzusetzen talisierung an Schulen vorangetrieben hat, Handy, Computer oder Tablet häufiger sowie digitale Lehr- und Lernkonzepte zu gibt es nach wie vor große Baustellen. Die als vor der Pandemie. entwickeln und anzuwenden. technische Ausstattung hinkt weiter hinter- • Nur in 50 % der Fälle ist eine technische her, gleichzeitig stieg die Arbeitsbelastung Unterstützung gewährleistet, so dass (nach einer Nachricht der Lehrkräfte. Zudem wird das Lernen mit Lehrkräfte weitere Zusatzaufgaben leis- auf der Homepage der GEW) digitalen Medien an deutschen Schulen ex- ten müssen. trem ungleich umgesetzt und es gibt große • Nur 34 % der Schüler*innen in digital Mehr Infos zu »Bildung in der digitalen Unterschiede bei der digitalen Infrastruktur. schlechter gestellten Schulen lernen Welt«: www.gew.de/bildung-digital/ E&W S-H • 7 • 2021 11
Gleichstellungsbeauftragte von Gudrun Harries und Tamara Reichmann Niemann Nicht immer sind gesellschaftliche sichtbar sein, da Frauen und Männer weit- sind Ausschreibungen und Bewerbungen Aus der Personalratsarbeit Gruppen in allen Bereichen und Belangen gehend in einem ausgewogenen Verhält- vorzulegen und sie hat das Recht, an Aus- gleichgestellt, in denen sie verfassungs- nis stehen, an manchen Schularten die wahlgesprächen teilzunehmen. Anders rechtlich gleichberechtigt sind. Historisch Zahl der Frauen sogar deutlich überwiegt. als der Personalrat darf die GB bei be- gewachsene Gründe, im Fall der Gleichstel- Auch auf der Leitungsebene gleicht sich rechtigten Gründen Einsicht in die Per- lung von Mann und Frau darüber hinaus das Verhältnis zunehmend an. In einigen sonalakte nehmen. Ihr Fokus muss dabei auch biologische, stehen dahinter. Schularten ist aber keineswegs eine paritä- auf der Frage der Gleichstellung liegen. tische Besetzung von Funktionsstellen und Selbstverständlich unterliegt die GB der 1994 wurde die Gleichberechtigung in Leitungsstellen erreicht. Schweigepflicht. Deutschland zum Staatsziel erklärt: Zusatz zu Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz: In allen Dienststellen ab fünf Beschäftig- Die GB hat im Gegensatz zum Personal- »Der Staat fördert die tatsächliche ten ist eine GB zu bestellen (§ 18 Gleichstel- rat kein Mitbestimmungsrecht im eigent- Durchsetzung der Gleichberechtigung von lungsgesetz – GstG). In der Schule obliegt lichen Sinne, aber sie hat ein Vetorecht. Frauen und Männern und wirkt auf die Be- die Beauftragung der Schulleitung, sofern Wenn die GB der Auffassung ist, der Grund- seitigung bestehender Nachteile hin.« die Dienststelle weniger als 100 Beschäf- satz der Gleichstellung wird verletzt, kann tigte hat. Die weibli- sie Widerspruch einlegen. So kann sie bei- chen Beschäftigten spielsweise bei einem solchen Verdacht haben ein Vorschlags- den Stopp eines Beförderungsverfahrens recht. Bei mehr als veranlassen. (§ 22 GstG) 100 Beschäftigten ist die GB vom Personal Bei mehr als 20 Beschäftigten soll die der Dienststelle zu GB eine Vertreterin haben, mit der sie sich wählen. dann auch beraten darf. Sie darf sich aber auch mit anderen Gleichstellungsbeauf- Die GB kann nur eine tragten, z. B. von anderen Schulen, bera- Frau sein. Sie darf kei- ten. Zudem kann sie sich mit Fragen und ner Personalvertre bei Konflikten an das Ministerium wenden, tung angehören und das für Gleichstellung zuständig ist; zurzeit nur in ihrer Eigen- das Justizministerium. schaft als GB mit Per- Foto: Devenorr / iStock.com sonalangelegenheiten Die Beschäftigten können sich direkt befasst sein. Sie ist an die Gleichstellungsbeauftragte wen- Was ist nun der Unterschied zwischen der Schulleitung unmittelbar unterstellt den, auch Männer, die Familienarbeit Gleichberechtigung und Gleichstellung? Die und damit Teil der erweiterten Schul- leisten. Gleichstellung ist in der Praxis vorgeschriebene Beseitigung bestehender leitung, bleibt jedoch weisungsfrei, die dann brüchig, wenn es zu Interessens- Nachteile führt in der Praxis oft nicht von Schulleitung darf ihr keine Aufgaben konflikten kommt. Insbesondere an selbst zu einer Gleichbehandlung. Zwar übertragen. Grundschulen ist nach wie vor die Auf- wurden Quoten und Regelungen zur bevor- fassung verbreitet, berufliche Verant- zugten Berücksichtigung von Frauen im Fall Die Amtszeit der GB ist nicht begrenzt. wortung zum Wohle der Kinder nicht mit von gleicher Eignung und Befähigung ein- Sie kann nur auf eignen Wunsch oder aus Blick auf die Uhr wahrnehmen zu können. geführt, sofern Frauen unterrepräsentiert gewichtigen dienstlichen Gründen aus ih- Dies wird von manchen Schulleitungen sind. Gleichstellung, das Erreichen der »fak- rem Amt entlassen werden. durchaus befördert: »Ob Sie Ihrer Klasse tischen Gleichberechtigung« auch nach der am Sporttag zur Seite stehen, auch wenn Einstellung, ist dadurch jedoch nicht auto- Die Rechte und Aufgaben in Fachange- es Ihr freier Tag ist, müssen Sie natürlich matisch umfassend erfolgt. legenheiten unterscheiden sich nicht von selbst entscheiden.« denen des Personalrates. Auch die GB ist Um diesen weitergehenden Schritt zu ge- frühzeitig an allen Angelegenheiten zu be- Auch die Pandemie hat gezeigt, dass au- währleisten, werden Gleichstellungsbeauf- teiligen. Sie bekommt Einladungen zu allen ßerhalb alltäglich eingespielter Routinen tragte (GB) bestellt, die die Durchsetzung Sitzungen, Besprechungen und Konferen- scheinbar überwundene Rollenzuweisun- der Gleichberechtigung und Gleichstellung zen und entscheidet dann, an welchen sie gen wieder zum Tragen kommen. So wurde von Frauen und Männern im Blick behalten teilnimmt. die Zusatzbelastung von Homeoffice bei und einfordern. gleichzeitiger Kinderbetreuung und Haus- Ähnlich verhält es sich bei Personal halt in Phasen des Lockdowns von mehr Für viele Schulen mag hier auf den al- angelegenheiten. Die GB ist an allen Per- Frauen als Männern geschultert. Auch im lerersten Blick wenig Handlungsbedarf sonalentscheidungen zu beteiligen. Ihr Jahr 2021 bleibt also viel zu tun. 12 E&W S-H • 7 • 2021
Sie können auch lesen