Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen

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Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen
Zukunftsfähiger
öffentlicher Nahverkehr
       für Europa
Gute Beispiele nachmachen

                                Funded by the
                            European Commission,
                             Directorate General
                               for Environment
Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen
Einleitung                                                 Deregulierung nicht auf einen reinen Preis- sondern auf
                                                                                           einen Qualitätswettbewerb um das beste Angebot setzt.

                                Seit Jahren steigen die Fahrleistungen im motorisierten    Was ist kontrollierter Wettbewerb?
                                Individualverkehr (MIV) und Prognosen gehen von
                                einem weiteren Wachstum aus. EU-weit rechnet man           Wettbewerb ist kein Selbstzweck. Kontrollierter Wett-
                                mit einem Anstieg des Personenverkehrs um 24 Pro-          bewerb soll nicht allein die Preise zur Entscheidung her-
                                zent bis 2010, gemessen an den Zahlen von 1998.            anziehen, sondern auf einen Qualitätswettbewerb
                                Ohne Gegensteuerung entfällt der Großteil des              abzielen. Der Schlüssel dazu liegt in der konsequenten
                                Zuwachses auf den Autoverkehr. Trotz technischer Fort-     Umsetzung des Besteller-Ersteller-Prinzips: Der Bestel-
                                schritte bei den Fahrzeugen ist damit eine erhebliche      ler oder Aufgabenträger (die öffentliche Hand) ist für
                                Zunahme der vom Verkehr ausgehenden Umweltbe-              die Sicherstellung einer angemessenen ÖPNV-Bedie-
                                lastungen verbunden – insbesondere bei CO2-Emissio-        nung zuständig. Der ÖPNV erfüllt hierbei neben wirt-
                                nen, Lärmbelastungen und beim Flächenbedarf. Bereits       schaftlichen Zielen auch soziale, ökologische und sied-
Impressum
                                jetzt entfallen 28 Prozent aller Treibhausgasemissionen    lungsstrukturelle Ziele. Im Vordergrund steht insbeson-
Herausgeber                     in der EU auf den Verkehr, davon alleine 84 Prozent auf    dere die Entlastung der Umwelt durch Verlagerung vom
ICLEI Europasekretariat
                                den Straßenverkehr. Im Rahmen des Kyoto-Protokolls         MIV auf den ÖPNV. Da der Markt diese Ziele nicht von
Leopoldring 3, 79098 Freiburg
Fon 07 61/3 68 92-0             hat sich die EU zu einer Reduzierung der CO2-Emis-         sich aus verfolgen kann, muss die öffentliche Hand fest-
Fax 07 61/3 68 92-79            sionen um 8 Prozent von 2008 bis zum Jahre 2012 ver-       legen, welche Qualität zu bieten ist und wie hoch die
E-Mail: ccp@iclei-europe.org
                                pflichtet. Setzt sich der bisherige Trend in der Ver-      Tarife sein müssen, damit diese Ziele erreicht werden.
Verlag und Vertrieb             kehrsentwicklung fort, wird der Anteil der verkehrsbe-     Die Qualitätsvorgaben müssen entsprechend in der Aus-
VCD e.V., Eifelstr.2,           dingten CO2-Emissionen 2010 aber um rund 40 Pro-           schreibung verankert sein.
53119 Bonn
                                zent höher sein als 1990.
Fon 0228 / 9 85 85-0
Fax 0228 / 9 85 85-10                                                                      Ersteller bzw. Leistungserbringer sind die Verkehrs-
E-Mail: mail@vcd.org            Vor allem städtische Gebiete sind von den verkehrlichen    unternehmen. Entsprechend der Vorgaben des Aufga-
                                Belastungen betroffen: Mehr als 75 Prozent der EU-         benträgers obliegt ihnen die Ausformulierung des Ver-
Verantwortlich für die
Gesamtherstellung und           Bürger leben in Städten und rund ein Fünftel aller Ver-    kehrsangebots. Letztendlich erhält das Verkehrsunter-
Übersetzung                     kehrsbewegungen innerhalb der EU entfallen auf städ-       nehmen mit dem »besten« Angebot den Zuschlag. Bei
Michael Müller, VCD
                                tische Wege unter 15 km. Prognosen gehen von einer         Beauftragung durch die Kommune gehört die Umset-
Aktualisierte deutsche          Zunahme des städtischen Verkehrs um 40 Prozent bis         zung der Bestellung somit zur unternehmerischen Auf-
Fassung aus dem englischen      zum Jahr 2030 gegenüber 1995 aus.                          gabe des Verkehrsunternehmens.
Original
Better Public Transport for
Europe through Competitive      Wenn ein Großteil des zu erwartenden Verkehrszu-           Der Aufgabenträger erhält so ein geeignetes Instru-
Tendering – A Good Practice     wachses auf den Öffentlichen Personennahverkehr            mentarium, um die Qualität des ÖPNV-Angebots vor
Guide
                                (ÖPNV) verlagert würde, könnten die städtischen            Ort zu steuern. Auf der anderen Seite setzt der Wett-
Autoren                         Umweltbelastungen verringert werden. Es ist deshalb        bewerb innovative Ideen bei Verkehrsunternehmen frei.
Mark Hidson, ICLEI              dringend notwendig, bestehende Bus- und Bahnver-           Damit wird klar festgelegt, welches die staatlichen und
Michael Müller, VCD
                                bindungen nicht nur zu sichern, sondern sie zu einem       welches die unternehmerischen Aufgaben sind. Dies
Redaktion                       attraktiven und leistungsfähigen ÖPNV auszubauen.          führt zu mehr Effizienz und Transparenz.
fairkehr GmbH, Uta Linnert
                                Der öffentliche Nahverkehr wurde in den meisten euro-      Der vorliegende Good-Practice-Leitfaden liefert Infor-
Titelbild
Marcus Gloger                   päischen Ländern traditionell von lokalen Behörden ent-    mationen und Anregungen, wie der ÖPNV auch und
                                weder direkt oder durch städtische Eigenbetriebe           gerade unter Wettbewerbsbedingungen verbessert und
Gestaltung und Grafik
                                erbracht. Grundgedanke dieser Konstruktion war, dass       ausgebaut werden kann. Vorgestellt werden Beispiele
Marc Alexander Venner
                                der öffentliche Verkehr als Grundversorgung der Bevöl-     von ausgewählten Städte in Deutschland, Finnland,
Druck                           kerung im Rahmen der Daseinsvorsorge von der öffent-       Frankreich und Schweden, die bereits im Rahmen von
Warlich GmbH
                                lichen Hand zu gewährleisten sei. Doch trotz hoher         Ausschreibungen – oder die Vorbereitung darauf – die
                                öffentlicher Investitionen in die Infrastruktur und den    Umwelt- und Angebotsqualität ihres ÖPNV-Angebots
Nachdruck nur mit Geneh-        ÖPNV-Betrieb ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs      steigern konnten. Insbesondere soll dieser Leitfaden
migung des Herausgebers
                                am Gesamtverkehr in den letzten Jahren kontinuierlich      Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen, die erst-
© ICLEI Europasekreteriat,      gesunken. Daher sind neue Konzepte gefragt, die dem        malig Ausschreibungen und Verträge entwickeln, erste
Freiburg 2004                   ÖPNV neue Fahrgäste bringen und gleichzeitig die           Informationen und Hinweise liefern. Darüber hinaus soll
                                Angebotsqualität und die Effizienz steigern. Ein erfolg-   er denen als Quelle dienen, die sich für eine stärkere
Gefördert von der EU-Kom-
mission, Generaldirektion       versprechender Weg sind wettbewerbliche Ausschrei-         Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten im
Umwelt, Community Frame-        bungen von Verkehrsleistungen, um weitere Kräfte für       ÖPNV einsetzen.
work for Co-operation to
                                ein innovatives, qualitativ hochwertiges und kosten-
promote Sustainable Urban
Development (COM,               günstiges Angebot zu mobilisieren. Ansatz ist ein »kon-
2002/C26/08)                    trollierter« Wettbewerb, der im Gegensatz zur völligen

                                2                                                                                           Zukunftsfähiger Nahverkehr
Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen
Ein attraktiver und
                                                                                                                                            kundenfreundlicher ÖPNV
                                                                                                                                            steigert die Nachfrage.

                                                                                                                      FOTO: MARCUS GLOGER
Der ÖPNV-Markt in Europa                                   Noch deutlichere Unterschiede zeigt ein Vergleich zwi-
                                                           schen London und dem restlichen England. Während
Seit 1960 hat der ÖPNV in Westeuropa erhebliche            in der Hauptstadt zwischen 1986 und 2000 die Anzahl
Marktanteile an den Pkw verloren. Die Erbringung           der Fahrten mit dem Bus um 13 Prozent zunahm, sank
öffentlicher Verkehrsleistungen wurde immer unprofi-       die Zahl im gleichen Zeitraum in England um 34 Pro-
tabler. Gründe dafür sind die gestiegene Pkw-Verfüg-       zent.
barkeit, die zunehmende räumliche Trennung von
Arbeiten und Wohnen und die damit verbundene Sub-
urbanisierung. Um den öffentlichen Verkehr aufrecht
zu erhalten wurde vor allem in den Städten der ÖPNV
                                                           Europäischer Rechts-
in Eigenregie erbracht. Dabei wurden immer höhere          rahmen
öffentliche Mittel in das System gepumpt, ohne dass
die Nachfrage entsprechend gewachsen wäre.                 Der Rahmen für den öffentlichen Verkehr wird derzeit
In den letzten 10 bis 15 Jahren hat sich die ÖPNV-Orga-    im wesentlichen durch die EG-Verordnung 1191/69
nisation innerhalb der EU zunehmend gewandelt. Teils       bestimmt, die 1991 novelliert wurde. In Deutschland
aus ökonomischen teils aus politischen Gründen began-      verweisen sowohl das Personenbeförderungsrecht
nen mehr und mehr Länder wettbewerbliche Gestal-           (PBefG) als Bundesgesetz als auch landesrechtliche
tungselemente entweder für den gesamten öffentlichen       Regelungen auf diese Verordnung. Die EU-Kommission
Verkehr oder zumindest für Teilbereiche einzuführen.       hat im Juli 2000 einen Entwurf für eine Novellierung
                                                           der Verordnung 1191/69 F 91 vorgelegt, insbesonde-
In den meisten Fällen wurde dabei das Modell des »kon-     re um Rechtsklarheit bei der Abgrenzung von eigen-
trollierten« Wettbewerbs gewählt. Nur in Großbritan-
nien – mit Ausnahme des Großraums London – wurde
der Markt komplett dereguliert. Die Europäische Kom-        Offene Wettbewerwerbsmärkte in Europa (Stand 2003)
mission hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die Ent-
wicklung von Fahrgastzahlen und Kostendeckungsgrad          Bus           Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande,
in 30 größeren europäischen Städten während der                           Norwegen, Schweden, Spanien
1990er Jahre untersucht hat. Danach weisen Städte,          Straßenbahn   Frankreich, Großbritannien, Irland, Portugal, Schweden, Spanien
die Verkehrsleistungen im Rahmen eines kontrollierten       U-Bahn        Dänemark, Frankreich, Schweden
Wettbewerbs vergeben, den größten Fahrgastzuwachs
                                                            Eisenbahn     Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Portugal,
und gleichzeitig auch den effizientesten Ressourcen-                      Schweden
einsatz auf.

Zukunftsfähiger Nahverkehr                                                                                        3
Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen
FOTO: VOLKER LANNERT

                       Der ÖPNV steht
                       auch im Wettbewerb
                       mit dem Auto.        wirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Verkehren      kehrsleistungen durch die öffentliche Hand finanziert
                                            herzustellen. Im Kommissionsentwurf ist das Prinzip des    werden dürfen, hat der Europäische Gerichtshof Klar-
                                            »kontrollierten« Wettbewerbs umgesetzt. Erstmals wird      heit geschaffen. Zwar dürfen Städte und Kreise als
                                            eine ausdrückliche Verpflichtung der Behörden zur          öffentliche Aufgabenträger Verkehrsleistungen im
                                            Bereitstellung angemessener Verkehrsdienste einge-         ÖPNV mitfinanzieren ohne dabei gegen das EU-Bei-
                                            führt. Die zuständigen Behörden sollen in einem Aus-       hilfeverbot zu verstoßen, es müssen dabei aber folgende
                                            schreibungsverfahren nach bestimmten Kriterien das         vier Voraussetzungen erfüllt sein:
                                            »beste« Angebot ermitteln.                                 • Das begünstigte Unternehmen muss tatsächlich mit
                                                                                                         der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen
                                            Nach zahlreichen Änderungsvorschlägen durch das              betraut sein, und diese Verpflichtungen müssen klar
                                            Europaparlament, hat die EU-Kommission in 2002 einen         definiert sein.
                                            neuen Verordnungsentwurf vorgelegt. Der Verord-            • Die Parameter, anhand derer der Ausgleich berech-
                                            nungsentwurf befindet sich zurzeit in der politischen        net wurde, sind zuvor objektiv und transparent auf-
                                            Abstimmung. Da sowohl das Personenbeförderungs-              zustellen.
                                            gesetz als auch die Landesnahverkehrsgesetze auf die       • Der Ausgleich darf nicht über das hinausgehen, was
                                            Verordnung 1191/69 verweisen, führt jede Änderung            erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der
                                            der Verordnung zu unmittelbaren Auswirkungen im              gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berück-
                                            nationalen Recht.                                            sichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines
                                                                                                         angemessenen Gewinns ganz oder teilweise zu
                                            Für Ausschreibungen von öffentlichen Aufträgen und           decken.
                                            Dienstleistungen gelten innerhalb der EU – von weni-       • Die Höhe des Ausgleichs, wenn die Auswahl nicht
                                            gen Ausnahmen abgesehen – die Bestimmungen der               im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher
                                            EU-Vergaberichtlinien. Bei der Vergabe von Verträgen         Aufträge erfolgt, muss bestimmt werden im Vergleich
                                            nach diesen Richtlinien ist eine Ausschreibung die Regel     zu den Kosten, die ein durchschnittliches Verkehrs-
                                            und muss sich an den Prinzipien Transparenz, freier          unternehmen zu tragen hätte (unter Berücksichtigung
                                            Zugang und Nichtdiskriminierung orientieren. Selbst          der Einnahmen und des angemessenen Gewinns aus
                                            wenn die eigentliche Dienstleistung nicht im Rahmen          der Erfüllung seiner Verpflichtungen).
                                            einer Ausschreibung vergeben wurde, ist das Equip-
                                            ment, das für die Erbringung dieser Dienstleistung benö-   Nur wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt
                                            tigt wird, im Rahmen einer Ausschreibung zu beschaf-       sind, stellt der finanzielle Ausgleich keine staatliche Bei-
                                            fen. Im ÖPNV betrifft dies zum Beispiel die Fahrzeuge.     hilfe im Sinne des EG-Vertrags dar. Dies sichert Trans-
                                                                                                       parenz und beugt einer Wettbewerbsverzerrung vor.

                                            ÖPNV-Finanzierung und                                      Ausgangspunkt für die Klage vor dem Europäischen
                                            Wettbewerb                                                 Gerichtshof war der seltene Fall, dass für die Wieder-
                                                                                                       erteilung einer Genehmigung für Regionalbuslinien im
                                            Weitreichende Bedeutung für die ÖPNV-Gestaltung in         Landreis Stendal zwei Verkehrsunternehmen einen
                                            Deutschland hat die Entscheidung des Europäischen          Genehmigungsantrag abgegeben hatten. Die Geneh-
                                            Gerichtshofs in der Rechtssache »Altmark Trans«            migung wurde dem bisherigen Betreiber aufgrund des-
                                            (C 280/00) vom Juli 2003. Nach jahrelangem Rechts-         sen Leistungsfähigkeit sowie aus Gründen des Besitz-
                                            streit um die Frage, in welcher Weise öffentliche Ver-     standsschutzes erteilt, obwohl der neue Bewerber ein

                                            4                                                                                             Zukunftsfähiger Nahverkehr
Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen
besseres Verkehrsangebot aufweisen konnte. Zudem           dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen und
konnte der bisherige Betreiber davon ausgehen, dass        dem Aufgabenträger keine unbeschränkte Entschei-
der Landkreis die entstehenden Defizite im laufenden       dungsfreiheit eingeräumt wird. Außerdem müssen die
Betrieb ausgleicht. Der unterlegene Bieter hat gegen       Kriterien zuvor in nichtdiskriminierender und transpa-
die Vergabe Widerspruch eingelegt. Nach mehreren           renter Weise im Leistungsverzeichnis beschrieben wer-
Verfahrensschritten hat das schließlich angerufene         den. Der EuGH hat zugleich die Berücksichtigungs-
Bundesverwaltungsgericht das Verfahren zur Klärung         fähigkeit von solchen Umweltschutzanforderungen
der Finanzierungsfragen dem Europäischen Gerichts-         erkannt, die keinen konkreten wirtschaftlichen Vorteil
hof vorgelegt.                                             für den Auftraggeber haben. Auch Faktoren, die nicht
                                                           rein wirtschaftlich sind, könnten sich auf den Wert des
Der gegenwärtige Rechtsrahmen für den öffentlichen         Angebots auswirken.
Personenverkehr in Deutschland schreibt bereits heute
für sogenannte »gemeinwirtschaftliche« Verkehre, das       Das »Helsinki-Urteil« war Grundlage für die neuen EU-
sind Verkehre, die nur durch öffentliche Finanzmittel      Vergaberichtlinien, die 2003 verabschiedet wurden. Mit
sichergestellt werden können, eine Ausschreibung vor.      den neuen Richtlinien wird die Möglichkeit gestärkt, bei
Diese Ausschreibungen haben die Kommunen in                der Vergabe öffentlicher Aufträge Umwelt- und Sozi-
Deutschland bisher fast ausnahmslos vermieden. Viel-       alkriterien zu berücksichtigen.
mehr erfolgt die Auftragserteilung im Rahmen einer
behördlichen Genehmigung an die meist lokal agie-
renden Verkehrsunternehmen. Diese erhalten dann aus-
schließliche Rechte, meist für sechs bis 15 Jahre, teil-   Neue EU-Standards für die Luft-
weise auch länger. Ein Wettbewerb unter verschiede-        qualität und Lärm
nen Anbietern findet nicht statt. Um die vom Europä-
ischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien zu erfüllen,    Neben Klimaschutzmaßnahmen hat die EU auch ver-
ist die Vergabe von ÖPNV-Leistungen im Rahmen von          schärfte Anforderungen an die Luftqualität definiert.
wettbewerblichen Ausschreibungen die beste Lösung.         Mit der 1996 verabschiedeten Rahmenrichtlinie zur
                                                           Luftqualität gelten strenge Grenzwerte für bestimmte
                                                           Luftschadstoffe in allen Mitgliedsländern und diese dür-
Gesetzliche Regelungen mit                                 fen ab 2005 bzw. 2010 nicht mehr überschritten wer-
Umweltbezug                                                den. Die Richtlinie wird durch insgesamt vier schad-
                                                           stoffspezifische »Tochter-Richtlinien« umgesetzt.
Umweltkriterien gehören zu den bestimmten Kriterien,
die in dem o.g. Kommissionsentwurf bei der Ange-           Für den Verkehrsbereich relevant ist die erste Tochter-
botsbewertung berücksichtigt werden sollen. So heißt       Richtlinie. Diese setzt Luftqualitätsstandards für die
es in Artikel 4 des Verordnungsentwurfs: »Bei der          Schadstoffe Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide
Bewertung der Angemessenheit öffentlicher Personen-        (NOx), Partikel (PM10) und Blei (Pb) fest. Alle Städte
verkehrsdienste, der Festlegung von Auswahl- und Ver-      müssen in den nächsten Jahren Aktions- und Maß-
gabekriterien und bei der Vergabe gemeinwirtschaft-        nahmenpläne erstellen, die darlegen, welche Maßnah-
licher Kriterien berücksichtigen die zuständigen Behör-    men im Falle von Grenzwertüberschreitungen ergriffen
den ... die Umweltfaktoren, unter anderem lokale, natio-   werden. Weil der Verkehr in Städten in wichtigen
nale und internationale Normen für Emissionen von
Luftschadstoffen, Lärm und Treibhausgasen.«
                                                            EU-Luftqualitätsstandards mit direktem Verkehrsbezug
Solche Umweltkriterien, wie z.B. die Vorgabe bestimm-
ter Emissionswerte von Bussen, müssen bereits in der                              Inkrafttreten Grenzwert
Ausschreibung definiert werden. Ist beispielsweise das      Kohlenmonoxid (CO)    1.1.2005      10 µg/m3          8-h-Mittelwert
Emissionsnivau als Mindestspezifikation vorgegeben,                                                  µg/m3
                                                                                                                                                         QUELLE: RICHTLINIE 1999/30 EWG UND RICHTLINIE 2000/69 EG

                                                            Stickstoffdioxid (NO2) 1.1.2010     40                Jahresmittelwert
müssen Verkehrsunternehmen, die sich für den Auftrag                                                          3
                                                                                  1.1.2010      200 µg/m          1-h-Grenzwert, max. 18 Überschrei-
bewerben, diese Kriterien erfüllen.                                                                               tungen pro Jahr
                                                            Benzol                1.1.2010      5 µg/m3           Jahresmittelwert
Die Forderung anspruchsvoller Umweltstandards, die
über die derzeitigen gesetzlichen Mindestanforderun-        Staubpartikel (PM 10) 1.1.2005      40 µg/m3          Jahresmittelwert
gen hinausgehen, sind nach einem anderen Urteil des                               1.1.2005      50 µg/m   3       Tagesmittelwert, max. 35 Überschrei-
Europäischen Gerichtshofs (»Concordia/Helsinki«, Rs.                                                              ungen pro Jahr
C 513/99) zulässig und dürfen als Zuschlagskriterium                                            Richtgrenzwert
bei der Auswahl des besten Bieters berücksichtigt wer-      PM 10                 1.1.2010      20 µg/m3          Jahresmittelwert
den. Dies ist auch dann erlaubt, wenn lediglich ein
                                                                                  1.1.2010      50 µg/m3          Tagesmittelwert, max. 7 Überschrei-
Anbieter diese Umweltkriterien erfüllen kann. Als Vor-                                                            tungen pro Jahr
aussetzungen sind zu erfüllen, dass diese Kriterien mit

Zukunftsfähiger Nahverkehr                                                                                            5
Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen
Umweltbereichen Hauptverursacher von Belastungen                Europäische Emissionsstandards
ist, können diese Maßnahmen auch Fahrbeschränken                für Busse
beinhalten. In zahlreichen Städten geht man davon aus,
dass die ab 2005 geltenden Grenzwerte für Feinstaub
(PM10) nicht eingehalten werden können. Überschrei-             Abgasemissionen
tungen werden vor allem an hochbelasteten Straßen-
abschnitten gemessen. In Berlin müssen die Feinstaub-           Der Schadstoffausstoß von Stadtbussen hängt in erster
Belastungen teilweise um bis zu 62 Prozent reduziert            Linie von den dafür eingesetzten Fahrzeugen ab: Art
werden. Dominierende Quelle sind dieselbetriebene               des Antriebs, Fahrzeuggröße und -alter. Hier setzt Brüs-
schwere Nutzfahrzeuge. Betroffen sind aber nicht nur            sel mit den Grenzwerten für limitierte Luftschadstoffe
Großstädte. Messergebnisse aus Brandenburg zeigen               (EURO 1 bis EURO 5) verbindliche Vorgaben für die
Handlungsbedarf auch in kleinen Städten unter 50 000            Fahrzeugindustrie. Bei Lkw und Bussen steht die Redu-
Einwohner. Probleme bei der Einhaltung der Grenzwerte           zierung von Stickoxiden und Partikeln im Vordergrund.
werden auch aus anderen EU-Ländern berichtet.                   Momentan gilt für alle neuen Fahrzeugtypen die Norm
                                                                EURO 3. Die letzte Fortschreibung aus dem Jahr 1999
Auch der Lärm soll wirksam begrenzt werden. Die EU-             beinhaltet auch den Emissionsstandard EEV für
Richtlinie zum Umgebungslärm schreibt bis 2007 die              besonders umweltfreundliche Fahrzeuge (Enhanced
Erfassung der Lärmbelastung in Großstädten, an Haupt-           Environmentally Friendly Vehicles), der einen noch stren-
verkehrsstraßen, an Hauptstrecken der Bahn und im               geren Grenzwert für Partikel als EURO 5 festlegt.
Umland von großen Flughäfen vor. Die Richtlinie ver-
langt im Sinne eines umfassenden Lärmminderungs-                Diese verschärften Abgasnormen haben Konsequen-
konzepts auch Maßnahmen zur Lärmminderung an der                zen für die Anschaffung von Bussen. So benötigen die
Quelle, also auch für Straßen- und Schienenfahrzeuge            Fahrzeughersteller ab 2008 für ihre Fahrzeuge eine Typ-
und die Verkehrsinfrastruktur.                                  zulassung nach EURO 5. Das bedeutet, dass alle Fahr-
                                                                zeuge, die erstmals zum Verkehr zugelassen werden,
                                                                ein Jahr nach der Typzulassung, also 2009, die ver-
    Empfehlungen der deutschen                                  schärften Abgasgrenzwerte erfüllen müssen.
    Umweltministerkonferenz
                                                                Lärm
    Berücksichtigt man die Anforderungen, die sich aus
    der Luftqualitätsrichtlinie und der Umgebungslärm-          Seit 1970 gibt es EU-weite Grenzwerte für Lärm von
    richtlinie ergeben, sind Aufgabenträger und Verkehrs-       Kraftfahrzeugen (Pkw, Lkw und Busse), die seitdem
    unternehmen gut beraten, bei Ausschreibungen bereits
                                                                mehrmals verschärft wurden. So liegen die Grenzwer-
    heute die Anforderungen von morgen zu berücksich-
    tigen.                                                      te für Busse und Lkw heute um über 10 dB(A) unter
    Gebrauchtfahrzeuge mit alter Norm können zwar auch          den ursprünglichen Werten. Die letzte Fortschreibung
    nach Inkrafttreten neuer Grenzwertvorschriften noch         erfolgte 1996 (Richtlinie 92/97 EWG). Danach gelten
    weiter gefahren werden, ihr Weiterverkauf innerhalb         folgende Grenzwerte:
    der EU-Staaten, einschließlich Osterweiterung, wird
                                                                • 80 dB (A) bei Fahrzeugen mit einer Motorleistung von
    jedoch aufgrund von Importbeschränkungen und
    Steuerregelungen schwierig. Wer also heute einen Bus          150 kW und mehr,
    mit EURO 3 oder EURO 4 kauft, kann ihn möglicher-           • 78 dB (A) bei einer Motorleistung von weniger als
    weise ab 2009 nur noch außerhalb Europas verkaufen.           150 kW.
    Allerdings gelten auch dort mittlerweile in vielen Län-
    dern ähnliche Regeln, so dass ein Verkauf grundsätz-
                                                                Eine Analyse der Geräuschemissionen neuer Fahrzeu-
    lich problematisch und nur mit geringen Erlösen mach-
    bar sein wird. Dagegen verschafft eine weitsichtige         ge hat ergeben, dass die Grenzwerte deutlich unter-
    Planung beim Kauf von Bussen, verbunden mit einem           schritten werden können. Aus dieser Analyse sind Richt-
    stärkeren Umweltengagement, den Verkehrsunterneh-           werte für die Beschaffung möglichst leiser Lkw und
    men Wettbewerbsvorteile.                                    Busse abgeleitet worden, die unterhalb der obigen
    Da bereits heute von verschiedenen Herstellern Stadt-
                                                                Werte liegen. Diese werden bei der Neufassung der
    busse mit Diesel- oder Erdgasantrieb angeboten wer-
    den, die den anspruchsvollsten europäischen Abgasst-        Grenzwerte zugrundegelegt.
    andard für schwere Nutzfahrzeuge, EEV, erfüllen, hat        Da die Fahrzeuggeräusche immer weiter reduziert wur-
    die Umweltministerkonferenz im November 2003 auf            den, treten die Abrollgeräusche der Reifen zunehmend
    Initiative des Landes Berlin einen Beschluss gefasst, der   in den Vordergrund. Bei Geschwindigkeiten ab 40 –
    die auch vom Verband deutscher Verkehrsunterneh-
                                                                60 km/h dominiert das Reifengeräusch. Mittlerweile
    men, VDV, empfohlenen anspruchsvollen Umweltstan-
    dards zum Maßstab erklärt. Gleichzeitig sollen schärfe-     bieten Reifenhersteller auch sogenannte »lärmarme«
    re Lärmgrenzwerte berücksichtigt werden. Den Ver-           Reifen an, die aufgrund eines geringeren Rollwider-
    kehrsressorts sowie den Aufgabenträgern werden              stands leiser als herkömmliche Reifen sind und neben-
    diese als Orientierungswerte für die Förderung sowie        bei den Krafstoffverbrauch reduzieren.
    für die Ausschreibung empfohlen.
                                                                Eine Liste lärmarmer Reifen findet sich im Internet unter:
                                                                www.umweltbundesamt.de

6                                                                                                Zukunftsfähiger Nahverkehr
Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen
Diese Städte in Europa
                                                                                                                          gehen mit gutem Beispiel
                                                                                                                          voran.

                                                                                     Finnland

                                                                                        Helsinki
                                                                    Schweden

                                                               Göteborg

                                                              Hannover
                                                    Bocholt         Frankfurt/Oder

                                                       Frankfurt/Main

                                                        Deutschland
                                            Dijon

                                  Frankreich

Vorbildliche Beispiele in                                      nen in denen zusammen über eine Million Menschen
Europa                                                         leben und über eine halbe Million Menschen arbeiten.
                                                               Als Aufgabenträger für den Regionalverkehr im Groß-
Einige Städte in Europa haben es bereits vorgemacht            raum Helsinki ist die Behörde »YTV« zuständig.
und die Qualität ihres ÖPNV-Angebots deutlich ver-
bessert: Sie haben die Angebotsqualität, die Umwelt-           Anfang 1991 trat in Finnland ein neues Gesetz für den
performance und soziale Standards deutlich gesteigert.         Öffentlichen Personenverkehr in Kraft, das den kom-
Diese Attraktivitätssteigerung spiegelte sich auch in der      munalen Behörden die Ausschreibung ihres ÖPNV, für
Kundennachfrage: Die Nachfrage im ÖPNV hat sich                den sie auch finanziell verantwortlich sind, ermöglich-
dort teilweise deutlich erhöht. Gleichzeitig hat sich auch     te. Drei Jahre später forderte ein weiteres Gesetz, alle
der Kostendeckungsgrad des ÖPNV nachhaltig ver-                öffentlichen Dienstleistungen im Rahmen einer öffent-
bessert. Ein Garant für diesen Erfolg war die Einführung       lichen Ausschreibung zu vergeben. Ab einem bestimm-
oder zumindest die Vorbereitung wettbewerblicher Aus-          ten Auftragswert sind die Regelungen der EU zu beach-
schreibungen und die Vorgabe anspruchsvoller Quali-            ten. Derzeit liegt der EU-Wert, ab dem öffentliche
tätsstandards. Die folgenden Beispiele sollen zeigen,          Dienstleistungen ausgeschrieben werden müssen bei
wie die Städte vorgegangen sind und welche Erfah-              200 000 Euro.
rungen sie dabei gemacht haben.
                                                               YTV gab eine Untersuchung in Auftrag, um die Effek-
                                                               te wettbewerblicher Ausschreibungen zu evaluieren und
Ausschreibungen im Regionalbusver-                             darauf aufbauend ein geeignetes Vorgehen zu erar-
kehr im Großraum Helsinki, Finnland                            beiten. Im Vordergrund standen dabei die Reduzierung
                                                               der Kosten bei gleichzeitiger Steigerung der Angebots-
Die Region Helsinki ist der einzige größere Ballungs-          qualität sowie die Erhöhung der Produktivität und der
raum in Finnland. Die Region umfasst zwölf Kommu-              Kundennachfrage.

Zukunftsfähiger Nahverkehr                                                                                           7
Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen
FOTO: HELSINKI CITY TOURIST & CONVENTION BUREAU
Umweltfreundlich mobil
in Helsinki: Stadt- und
Regionalverkehr sind vor-
bildlich verknüpft.

                            Die erste Ausschreibung fand 1994 statt. Die Aus-         zeuge gestellt, die von den Verkehrsunternehmen erfüllt
                            schreibung umfasste 15 Prozent des regionalen Bus-        werden müssen. Zweimal im Jahr werden Kundenbe-
                            verkehrs (rund 4,4 Millionen Personenkilometer) und       fragungen durchgeführt, auf deren Basis die Unter-
                            der Betrieb startete im Januar 1995. Bis Ende 1996        nehmen einen Qualitätsbonus erhalten.
                            wurde der gesamte regionale Busverkehr ausgeschrie-
                            ben. Die Laufzeit der Verträge der ersten Ausschrei-      Bei der Auswahl des besten Angebots werden die ein-
                            bungen war auf drei Jahre beschränkt. Liefen die Ver-     zelnen Angebote auf Grundlage der Kosten und der
                            träge aus, wurden sie in zwei jährlichen Runden erneut    angebotenen Qualität bewertet. Zunächst werden die
                            ausgeschrieben. Dazwischen gab es auch separate Aus-      Fahrzeugqualität und die restlichen Qualitätsfaktoren
                            schreibungen für einzelne Linien.                         evaluiert. Erst dann werden die Bieterpreise geprüft und
                                                                                      die Gesamtkosten ermittelt. Für den niedrigsten Preis
                            Ausschreibungsspezifikationen                             gibt es 87 Punkte, die anderen Angebotspreise wer-
                                                                                      den in der Relation dazu bewertet. Ursprünglich wur-
                            YTV übernimmt die Planung des Streckennetzes, des         den nur 75 Punkte für den Angebotspreis vergeben.
                            Fahrplans und des Fahrzeugeinsatzes. Die Verkehrs-        Zwar ist der Wert der Qualitätsfaktoren im Vergleich
                            unternehmen sind ausschließlich für die Durchführung      zum Preis nun niedriger, aber gleichzeitig wurden die
                            des Betriebs zuständig. Die Fahrgeldeinnahmen gehen       Mindestanforderungen an die Qualität erhöht. Die
                            komplett an YTV. Um eine geeignete Berechnungs-           Beschaffenheit der Fahrzeuge geht jetzt mit bis zu zwei
                            grundlage für die Angebotsbewertung zu erhalten, wur-     Punkten in die Wertung ein. Anfangs wurde auch das
                            den verschieden Ansätze untersucht. YTV entschied sich    Alter der Fahrzeugflotte bei der Bewertung einbezo-
                            für den Leistungskosten-Ansatz pro gefahrenem Kilo-       gen, dies wurde allerdings mittlerweile durch die Vor-
                            meter, der bereits bei früheren vertraglichen Vereinba-   gabe eines Höchstalters ersetzt. Im wesentlichen wer-
                            rungen zugrundegelegt wurde. Auf dieser Basis wird        den diese Prinzipien auch heute noch bei den Aus-
                            die zur Verfügung gestellte Gesamtprovision berech-       schreibungen angewendet.
                            net.
                                                                                      Die oben beschriebene Vorgehensweise wird auch bei
                            Bei den ersten Ausschreibungen sollten alle Verkehrs-     den Ausschreibungen der städtischen Busverkehre in
                            unternehmen gleich behandelt werden. So wurden nur        Helsinki, Espoo und Vantaa angewendet. Es gibt ledig-
                            gleich große Netze ausgeschrieben. Dies erwies sich       lich leichte Modifikationen bei den Anforderungen, ins-
                            jedoch als wenig praktikabel. Deshalb wurde dazu über-    besondere was die Fahrzeugbeschaffenheit angeht. Die
                            gegangen, einzelne Blöcke ohne Ausschreibung zu ver-      Fahrzeuganforderungen sind allerdings zwischen YTV
                            längern. Als Ergänzung zu den Hauptausschreibungen        und den anderen Kommunen abgestimmt, so dass die
                            wurden auch kleinere Ausschreibungen für Neuverkehre      gleichen Fahrzeuge sowohl im Regional- als auch im
                            durchgeführt. Die ursprüngliche Vertragslaufzeit von      innerstädtischen Verkehr genutzt werden können.
                            drei Jahren beträgt heute generell fünf Jahre.

                            In den Ausschreibungen werden besondere Vorgaben
                            an die Servicequalität und die Beschaffenheit der Fahr-

                            8                                                                                         Zukunftsfähiger Nahverkehr
Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen
Angebotsqualität                                           Übergang zu einem neuen Arbeitgeber sichert. Da die
                                                           Marktanteile der Verkehrsunternehmen im wesentlichen
Um die Angebotsqualität zu messen, werden seit 1995        konstant geblieben sind und sich sogar teilweise ver-
Kundenbefragungen durchgeführt. Auf einer Skala von        größert haben, konnte eine gewisse Arbeitsplatzsi-
1 bis 5 betrug der Wert 1995 3,98. Bis 1998 hat sich       cherheit erreicht werden. Zusätzlich wurden durch die
die Zufriedenheit kontinuierlich auf knapp über 4 ein-     Ausweitung des Angebots auch neue Stellen geschaf-
gependelt. Lediglich in 1999 gab es einen Rückgang,        fen. Es wird geschätzt, dass sich die Zahl der Busfahrer
weil aufgrund des strengen Winters der Fahrplan oft        um 250 erhöht hat. Es scheint, dass die Probleme eher
nicht eingehalten werden konnte. Im Jahr 2000 stieg        kurzfristiger Natur sind, wenn Ausschreibungen verlo-
die Zufriedenheit allerdings wieder und liegt aktuell      ren wurden und der neue Betreiber noch nicht nach
bei einem Wert von 4,02.                                   neuem Personal gesucht hat.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Aus-          Fazit
schreibungen anfangs zu einer deutlichen Qualitäts-
verbesserung geführt haben, aber externe Einflüsse         Die Ziele, die mit der Einführung von Wettbewerb
durchaus einen Einfluss haben. Neben der Pünktlich-        gesetzt wurden, sind erreicht worden. Die Ausschrei-
keit spielt auch das Fahrplanangebot eine Rolle. Wäh-      bungen haben zu deutlichen Kosteneinsparungen
rend 1994 insgesamt 29,1 Millionen Buskilometer im         geführt, die zur Ausweitung des Angebots und zur Sen-
Regionalverkehr angeboten wurden, ist das Verkehrs-        kung der Fahrpreise genutzt wurden. Gleichzeitig wurde
volumen bis 2002 um 19 Prozent auf 34,5 Millionen          die Fahrzeugflotte zügig modernisiert und die Service-
Buskilometer gestiegen. Die Ausschreibungen haben zu       qualität auf einem hohen Level gehalten. In Helsinki
einer Modernisierung der Busflotte und damit zu einer      ist man der festen Überzeugung, dass der öffentliche
Reduzierung des Durchschnittsalters der Fahrzeuge          Verkehr im Großraum Helsinki ohne Wettbewerb in
geführt. Heute beträgt das Durchschnittsalter der Flot-    einer deutlich schlechteren Position wäre.
te 4,5 Jahre im Vergleich zu 6,5 Jahren vor der ersten
Ausschreibung.                                             Weitere Informationen:
                                                           Niilo Järviluoma, YTV Helsinki Metropolitan Area
Kosten/Tarife                                              Council, Transport Department, Box 521,
                                                           00521 Helsinki, E-Mail: niilo.jarviluoma@ytv.fi
Die Leistungskosten pro gefahrenem Buskilometer san-
ken infolge der Ausschreibungen. Ohne Ausschreibung
lägen die Kosten inflationsbereinigt für 2002 bei umge-    Ausschreibungen im Stadtverkehr
rechnet 75 Mio. Euro, während sie in Realität bei 54       Dijon, Frankreich
Mio. Euro lagen. Die Einsparungen durch Wettbewerb
betragen rund 21 Mio. Euro. YTV beschloss, die Kos-        Dijon liegt im Norden Frankreichs im Departement Bour-
teneinsparungen zur Ausweitung des Angebot zu nut-         gogne und hat 244 000 Einwohner. Für den öffentlichen
zen. Die Mittel für den Regionalverkehr wurden auf-        Nahverkehr zuständig ist die »Société de Transport de
gestockt, Ticketpreise gesenkt und die Beiträge der kom-   la Région Dijonnaise«. Die Region Dijon umfasst 16
munalen Behörden reduziert. So sank der Preis für ein      Kommunen.
Monatsticket von umgerechnet 62,20 Euro in 1994 auf
54,60 Euro in 1997. Erst im Jahr 2000 wurde erstmals       Zielsetzung
der Tarif auf 57,10 Euro erhöht. Parallel zur Senkung
der Ticketpreise hat sich auch das Defizit im Regional-    Wie in vielen Städten wurde das Verkehrsnetz in Dijon
verkehr verringert. In 2001 deckten die Fahrgelderlöse     zwischen 1975 und 1995 stark ausgebaut und zahlrei-
etwa 67 Prozent der Ausgaben. Legt man die Leis-           che Vororte wurden erschlossen. Der Ausbau erfolgte
tungskosten vor den Ausschreibungen zu Grunde, müs-        zu einer Zeit, als die Nachfrage im ÖPNV begann nach-
ste der Preis für das Monatsticket bei rund 84 Euro lie-   zulassen. Probleme waren Zunahme des Autoverkehrs
gen, um den gleichen Kostendeckungsgrad zu erzielen.       und ein steigendes Defizit im ÖPNV. Der Nahver-
                                                           kehrsplan von Dijon legt fest, dass der Umweltverbund
Personal                                                   aus zu Fuß gehen, Fahrrad Fahren und Bus und Bahn
                                                           stärker gefördert werden soll. Daher war die Verbesse-
Die Position des Personals rückte bei den Ausschrei-       rung der ÖPNV-Qualität eines der Hauptziele wettbe-
bungen in den Vordergrund, da beim Wechsel des             werblicher Ausschreibungen. Es sollte ein ÖPNV-Sys-
Betreibers auch das Fahrpersonal von einem Unter-          tem entwickelt werden, das den Bedürfnissen eines
nehmen zum anderen wechselt. Dadurch ergaben sich          Großteils der Bevölkerung entspricht und gleichzeitig
einige Probleme bei der Beschäftigungssicherheit und       die Ausgabenseite entlastet.
den Konditionen. Nach einem Streik im Frühjahr 1998
wurde die sogenannte Lonka-Vereinbarung getroffen,
die die Beibehaltung der Lohnbezüge auch nach einem

Zukunftsfähiger Nahverkehr                                                                                       9
Jeder vierte Einwohner                                                                          Fahrzeuge
Dijons nutzt inzwischen
den umweltfreundichen
Nahverkehr.                                                                                     In Dijon fahren derzeit 215 Busse, 100 davon sind
                                                                                                Gelenkbusse. Je die Hälfte der Fahrzeuge entsprechen
                                                                                                dem EURO 2 und dem EURO 3-Standard. 32 Busse
                                                                                                sind mit einem Partikelfilter ausgestattet. Die Diesel-
                                                                                                busse werden mit schwefelfreiem Diesel betankt. Nach
                                                                                                umfangreichen Tests mit verschiedenen alternativen
                                                                                                Antriebsarten wurde entschieden, ab 2003 nur noch
                                                                                                Erdgasbusse neu zu beschaffen. Es stellte sich heraus,

                                                                                   FOTO: STRD
                                                                                                dass Partikel das größte Problem sind und Erdgasbus-
                                                                                                se die bestmögliche Partikelminderung bieten. Außer-
                                                                                                dem genießen Erdgasbusse eine gutes Image in der
                                                                                                Bevölkerung und verursachen weniger Lärm als Die-
                          Ausschreibungsinhalte                                                 selbusse. Der Partikelfilter wird als beste Lösung für Alt-
                                                                                                fahrzeuge angesehen.
                          Ausschreibungen sind in Frankreich seit dem soge-
                          nannten Sapin-Gesetz von 1993 die Regel. Alle fünf bis                Kosten
                          sechs Jahre werden städtische Verkehrsleistungen neu
                          ausgeschrieben. 2002 erfolgte die derzeit letzte Aus-                 Dijon hat sich dazu entschieden, günstige Tarife für
                          schreibung für das gesamte Busnetz, das zum 1. Janu-                  die Benutzung des ÖPNV anzubieten. Trotz der niedri-
                          ar 2003 vergeben wurde. In den Ausschreibungs-                        gen Fahrpreise ist der Kostendeckungsgrad in Dijon mit
                          unterlagen (frz. »Cahier de charges«), sind die Anfor-                41,5 Prozent höher als bei anderen vergleichbaren fran-
                          derungen definiert, die auch Umweltkriterien umfas-                   zösischen Städten (37,9 Prozent durchschnittlicher Kos-
                          sen. Vorgaben gibt es für die Fahrzeugemissionen und                  tendeckungsgrad in Frankreich). Grund ist u.a. die hohe
                          die Fahrzeugwartung, um vor allem die Partikelemis-                   Fahrtenhäufigkeit von 140 Fahrten pro Einwohner und
                          sionen zu reduzieren. Diese Vorgaben sind verpflich-                  Jahr. Wenn keine Maßnahmen zur Qualitätsverbesse-
                          tend und von allen Unternehmen einzuhalten. Zur                       rung unternommen worden wären, hätten die Fahr-
                          Überprüfung werden alle sechs Monate die Rußemis-                     preise erhöht werden müssen mit dem Risiko, Fahrgäste
                          sionen von einem Viertel der Busflotte kontrolliert.                  zu verlieren. Ziel ist, das Defizit auf der Basis von 2000
                                                                                                konstant zu halten. Weitere politischen Maßnahmen
                          Die Beschaffung der Fahrzeuge erfolgt durch die kom-                  sind gegenwärtig in der Diskussion, um die Fahrpreise
                          munale Transportbehörde. Der Betrieb muss lediglich                   günstig zu halten.
                          die Wartung gewährleisten und für die Schulung der
                          Fahrer im Umgang mit den neuen Fahrzeugen sorgen.                     Personal

                          Angebotsqualität                                                      Wie in Helsinki wird in den Ausschreibungen bei Betrei-
                                                                                                berwechsel auch die Übernahme des Fahrpersonals vor-
                          Die Ausschreibungen haben die Akzeptanz und das                       geschrieben.
                          Image des ÖPNV in Dijon erhöht. Mittlerweile nutzt
                          jeder Vierte den ÖPNV. Zwischen 1975 und 1995 hat                     Fazit
                          sich das Fahrgastaufkommen auf 38 Millionen nahezu
                          verdoppelt. Gründe sind Ausweitung der Fahrtenhäu-                    Die Gründe für die Nutzung des ÖPNV in Dijon sind
                          figkeit, eine Beschleunigung der Busse durch Vorrang-                 sehr vielfältig und hängen von persönlichen aber auch
                          maßnahmen und die Senkung der Fahrpreise. Um diese                    notwendigen Fahrtzwecken ab. Ziel der Stadt war es,
                          Änderungen umzusetzen bedurfte es eines koordinier-                   eine sichere und einfache Art der Fortbewegung zu
                          ten Vorgehens verschiedener Behörden. Auch Vertre-                    ermöglichen, den Wirtschaftsverkehr aufrecht zu erhal-
                          ter nationaler Straßenbehörden waren eingebunden.                     ten und die Lebensqualität für die Bewohner zu sichern.
                                                                                                Die Grundprinzipien dafür lauten:
                          Um die Verkehrsunternehmen für eine hohe Qualität                     • Verbesserung der städtischen Umwelt
                          zu motivieren, wurden Vergleichswerte vorgegeben, die                 • Förderung des Umweltverbunds
                          eine regelmäßige Überprüfung der erbrachten Qualität                  • Bessere Verknüpfung der verschiedenen Verkehrs-
                          ermöglichen. Die Vorgaben beinhalten u. a.:                             arten
                          • die Zuverlässigkeit der Busse
                          • die vom Fahrgast wahrgenommene Qualität                             Nach Prognosen wird sich der Anteil des Autoverkehrs
                          • Fahrgastinformationen                                               in Dijon bis 2020 verdoppeln, falls keine Maßnahmen
                          • ein Beschwerdemanagement                                            zur Gegensteuerung ergriffen werden. Dies entspräche
                          • die Sauberkeit der Fahrzeuge                                        einer Zunahme von etwa 1000 Fahrzeugen, die täg-
                                                                                                lich zusätzlich in die Stadt führen. Die Entwicklung des

                          10                                                                                                      Zukunftsfähiger Nahverkehr
Verkehrs zwischen Stadt und Umland ist eine der Schlüs-       Seit 1990 gilt in Schweden ein neues ÖPNV-Gesetz.
selthemen der Zukunft. Die Stadt sieht daher in den           Neben der Trennung von Besteller- und Erstellerebene
Ausschreibungen ein geeignetes Instrument für eine            sieht das Gesetz auch die generelle Ausschreibung
nachhaltige Verkehrspolitik und den sozialen Zusam-           öffentlicher Verkehrsleistungen vor. Dem kam die Stadt
menhalt.                                                      mit der Gründung einer städtischen Ausschreibungs-
                                                              behörde Trafikkontoret nach. Diese setzt sich aus Ver-
Weitere Informationen:                                        kehrsplanern zusammen, die vorher in anderen städti-
Jean-Marie Attard, Communauté des l’agglomé-                  schen Behörden sowie beim städtischen Verkehrs-
ration dijonnaise, 11 rue Victor Dumay, BP 1529,              unternehmen Göteborgs Sparvägar AB beschäftigt
21034 Dijon Cedex, E-Mail: jmattard@agglo-dijon.fr            waren. Die Behörde ist verantwortlich für Finanzen,
                                                              Liniennetz, Bedienungsstandards, Tarife, Information
                                                              und Marketing sowie für die gesamte Infrastruktur. Mit
Ausschreibungen in Göteborg,                                  Schaffung der neuen Provinz West-Schweden wurde
Schweden                                                      1999 die neue ÖPNV-Behörde Västtrafik gegründet,
                                                              die für den gesamten ÖPNV in dieser Provinz zustän-
Göteborg ist mit 470 000 Einwohnern die zweitgrößte           dig ist. Trafikkontoret firmiert nun unter Västtrafik Göte-
Stadt Schwedens. Die gesamte Region Göteborg um-              borgsomradet als nachgeordnete Planungs- und Aus-
fasst 750 000 Einwohner. Obwohl die Zuwachsraten              schreibungbehörde für die Region Göteborg.
des Individualverkehrs in der Stadt bei zwei bis vier Pro-
zent, und in den Vororten bei vier bis sechs Prozent          Ziele
liegen, ist der Anteil des Individualverkehrs in der Innen-
stadt seit Jahren konstant. Grund sind Angebotsver-           Die Stadt Göteborg hat sich zum Ziel gesetzt, den pri-
besserungen im ÖPNV bei gleichzeitiger Umsetzung              vaten Autoverkehr zu reduzieren und die bestehende
verschiedener restriktiver Maßnahmen gegenüber dem            Infrastruktur so effizient wie möglich zu nutzen. Die
Autoverkehr.                                                  lokale Umwelt soll verbessert und schädliche Belastun-
                                                              gen minimiert werden. Dies sollte über den Ausbau des
Der öffentliche Verkehr in Göteborg wird durch Stra-          ÖPNV-Systems und die Erhöhung der Zugänglichkeit
ßenbahnen, Busse, Fähren und Pendlerzüge abgedeckt.           und Effizienz erreicht werden.
In den vergangenen Jahren wurde vor allem das Stra-
ßenbahnsystem ausgebaut. Heute entfallen rund 60              So orientiert sich auch der Nahverkehrsplan der Stadt
Prozent aller ÖPNV-Fahrten auf die Straßenbahn, auf           an Nachhaltigkeitszielen und setzt dabei gleichzeitig auf
die Pendlerzüge lediglich zwei Prozent. Der ÖPNV              die Prinzipien des Wettbewerbs. Mit der Umsetzung
genießt in Göteborg Vorrang: So haben beispielsweis-          des neuen ÖPNV-Gesetzes auf lokaler Ebene sollten die
se die Straßenbahnen an fast allen Ampelanlagen im            neuen Ausschreibungskriterien und vertraglichen Rege-
Stadtgebiet Vorfahrt.                                         lungen:

                                                                                                                                                   Freie Fahrt für den Nah-
                                                                                                                                                   verkehr: In Göteborg
                                                                                                                                                   haben Busse und Straßen-
                                                                                                                                                   bahnen im Stadtgebiet
                                                                                                                                                   Vorfahrt.
                                                                                                                            FOTO: RAGNAR DOMSTAD

Zukunftsfähiger Nahverkehr                                                                                            11
• die Qualität und die Quantität des ÖPNV-Angebots                auf EEV-Niveau reduziert werden. Und als besonderer
                                       steigern,                                                       Bonus für das Unterschreiten der Stickoxid-Grenzwer-
                                     • den Kostendeckungsgrad verbessern,                              te wurden bis zu 0,15 Schwedische Kronen pro Fahr-
                                     • Sozial- und Umweltstandards erhöhen,                            zeugkilometer (ca. 2 ct/km) in Aussicht gestellt.
                                     • kleinen Busunternehmen den Marktzugang ermög-
                                       lichen,                                                         Weitere Vorgaben betreffen das Fahrzeugalter: Fahr-
                                     • sowie öffentlichen und privaten Verkehrsunterneh-               zeuge dürfen nicht älter als zehn, das durchschnittli-
                                       men die Teilnahme an Ausschreibungen erlauben.                  che Alter der Flotte nicht älter als fünf Jahre sein. Eini-
                                                                                                       ge Verträge schreiben vor, dass alle neuen Dieselbusse
                                     Als konkrete Zielgrößen für den ÖPNV wurde Mitte der              mit einem Partikelfilter ausgestattet sein müssen. Da es
                                     1990er Jahre das politische Ziel ausgegeben, die Anzahl           in Göteborg, wie auch in anderen schwedischen Städ-
                                     der ÖPNV-Fahrten bis 1999 um 20 Prozent und den                   ten, eine sogenannte »Umwelt-Zone« gibt, in denen
                                     Kostendeckungsgrad innerhalb von zwei bis drei Jah-               nur Fahrzeuge mit niedrigen Emissionen fahren dürfen,
                                     ren auf 50 Prozent zu erhöhen.                                    benötigen auch alte Busse, die in dieser Zone unter-
                                                                                                       wegs sind, einen Partikelfilter.
                                     Umsetzung
                                                                                                       Um Anreize für eine hohe Angebotsqualität zu schaf-
                                     Die ersten Ausschreibungen in Göteborg fanden 1992                fen, erhalten die Unternehmen 25 Prozent der Fahr-
                                     statt und umfassten rund ein Drittel des Busverkehrs.             gasteinnahmen. Normalerweise gehen alle Einnahmen
                                     Weitere Ausschreibungen folgten 1996 und 1998. Mitte              an die Ausschreibungsbehörde und die Unternehmen
                                     2003 fand die letzte Ausschreibung statt, bei der ins-            erhalten lediglich die vereinbarte Provision pro gefah-
                                     gesamt zwei Drittel des gesamten Busnetzes neu zu                 renem Kilometer. Einige Verträge beinhalten spezielle
                                     vergeben waren. Ende 2002 wurde auch der Fährver-                 Vorgaben an die Angebotsqualität und Qualitätskon-
                                     kehr ausgeschrieben, Straßenbahnen sind bis mindes-               trolle, die von einem unabhängigen Marktforschungs-
                                     tens 2010 nicht Gegenstand von Ausschreibungen.                   institut untersucht wird.

                                                                                                       Ergebnisse
Abgasemissionsanforderungen in Göteborg (Verkehrsvertrag Sept. 2003)
                                                                                                       Die Einführung des Ausschreibungswettbewerbs war –
Verkehrsnetz                     Partikel                      Stickoxidausstoß*                       wie in ganz Schweden – sehr erfolgreich. Zwischen 1990
Regionalverkehr                  0,02 g/kWh (= EEV)            6,0 bis 3,8 g/kWh                       und 1997 stiegen die Fahrgastzahlen um 7,5 Prozent,
Stadtverkehr (Teilnetz 1)        0,02 g/kWh (= EEV)            5,0 bis 2,0 g/KWh
                                                                                                       obwohl durch Routenoptimierungen die gefahrenen
                                                                                                       Buskilmeter um sieben Prozent sanken, d.h. die Auslas-
Stadtverkehr (Teilnetz 2)        0,02 g/kWh (= EEV)            4,0 bis 2,0 g/kWh
                                                                                                       tung konnte deutlich verbessert werden. Die Gesamt-
* Durchschnitt der Flotte in jährlichen Stufen 2004 bis 2010 sinkend, entspricht einer Absenkung von   ausgaben für den ÖPNV sind zwar leicht gestiegen,
  EURO 3 auf EEV
                                                                                                       aber aufgrund der gestiegenen Fahrgastzahlen bei ledig-
                                                                                                       lich leicht erhöhten Tarifen sank zwischen 1991 und
                                                                                                       1998 der öffentliche Zuschuss der Stadt um 30 Prozent.
                                     Umweltstandards                                                   Damit hat sich der Kostendeckungsgrad seit 1991 von
                                                                                                       rund 30 Prozent bis 2003 auf 60 Prozent erhöht.
                                     Bereits bei den ersten Ausschreibungen wurden beson-              Gegenwärtig haben 40 Busunternehmen einen Vertrag
                                     dere Anforderungen an die Umweltverträglichkeit des               mit Västtrafik, wobei rund die Hälfte der bestellten Bus-
                                     ÖPNV gestellt. Ein Stadtratsbeschluss von 1988 sah                verkehre auf die Region Göteborg entfallen.
                                     ursprünglich vor, keine Dieselbusse mehr anzuschaffen.
                                     Aufgrund seinerzeit fehlender Alternativen formulierte            Alle Umweltvorgaben in den Ausschreibungen wurden
                                     man dies in spezielle Anforderungen an Kraftstoffe und            erfüllt. Gegenwärtig liegen die Durchschnittswerte der
                                     Abgasemissionen um. Man kam zur Erkenntnis, dass                  Busemissionen in Göteborg bei den Stickoxiden um 25
                                     nicht die Technik entscheidend sei, sondern die Einhal-           Prozent unterhalb des EURO 3-Werts und bei den Par-
                                     tung der Grenzwerte. Seit 1993 darf nur noch schwe-               tikeln wird fast EURO 4/5 erreicht. 1998 waren bereits
                                     felfreier Diesel verwendet werden und es gelten seit-             über die Hälfte aller Dieselbusse mit einem Partikelfil-
                                     dem jährlich verschärfte Anforderungen an die Fahr-               ter ausgestattet. Daneben setzen die Unternehmen auch
                                     zeugemissionen, definiert als Flottensummenwerte.                 auf den Erdgasantrieb. Der Anteil biologischer Kraft-
                                     1999 lag der einzuhaltende Wert für Stickoxide auf dem            stoffe (i. d. R. Biogas) beträgt mittlerweile rund 25 Pro-
                                     Niveau, das erst 2001 durch Inkrafttreten der EURO 3              zent.
                                     Norm für alle Neufahrzeuge verpflichtend war. In der
                                     letzten Ausschreibung in 2003 ging man noch einen                 Auch die Sozialstandards wurden erfüllt. Die Gehälter
                                     Schritt weiter: Für alle Busse gilt bei den Partikelemis-         der Busfahrer blieben in den ersten Jahren konstant.
                                     sionen der EEV-Grenzwert und die Stickoxid-Emissio-               Seit 1999 steigen sie aufgrund der gestiegenen Nach-
                                     nen müssen in jährlichen Stufen bis 2010 von EURO 3               frage nach öffentlichen Verkehrsdienstleistungen und

                                      12                                                                                                 Zukunftsfähiger Nahverkehr
dem generell niedrigen Anteil gut ausgebildeter Bus-     ren nach wie vor die städtischen Eigenbetriebe. Sie
fahrer auf dem Arbeitsmarkt.                             erhalten Konzessionen ohne Ausschreibung. Diese Pra-
                                                         xis hat lange Tradition und ist bezeichnend für geschlos-
Lediglich bei einer Ausschreibung kam es zu Proble-      sene Märkte, die diese Unternehmen vor Wettbewerb
men. Es wurde gefordert, dass das alte Personal sowie    schützt.
die Erdgastankstellen-Infrastruktur vom Gewinner der
Ausschreibung zu übernehmen sind. Laut Gerichtsbe-       Anders sieht dies beim Schienenpersonennahverkehr
schluss ist dies jedoch nicht zulässig.                  aus. Im Zuge der Regionalisierung wurde die Aufga-
                                                         ben- und Finanzhoheit auf die Bundesländer und ver-
Generell kann gesagt werden, das die Ausschreibun-       einzelt auf Verkehrsverbünde übertragen. Sie erhalten
gen in Göteborg zu einer Erhöhung der Fahrgastzah-       dafür vom Bund entsprechende Finanzmittel, die sie zur
len und einer Steigerung der Umwelt- und Sozialstan-     Bestellung von Schienennahverkehrsleistungen einset-
dards bei gleichzeitig sinkenden Kosten geführt haben.   zen können. Zahlreiche Bundesländer haben dabei auch
Die eingesparten Gelder wurden für die Ausweitung        von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einzelne Stre-
des Angebots sowie zur Beibehaltung günstiger Fahr-      cken im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung zu
preise eingesetzt.                                       vergeben. Dort wo Strecken ausgeschrieben wurden,
                                                         konnte das Angebot teilweise deutlich verbessert und
Weitere Informationen:                                   neue Fahrgäste gewonnen werden. Gleichzeitig haben
Ragnar Domstad, Västtrafik GO, Box 405,                  die Länder erhebliche Finanzmittel eingespart. Häufig
S-40126 Göteborg, E-Mail: ragnar.domstad@                kamen auch Wettbewerber der Bahn zum Zug, wie z.B.
vasttrafik.se                                            Connex. Dennoch liegt der Marktanteil der DB im Schie-
                                                         nenpersonennahverkehr immer noch bei über 90 Pro-
                                                         zent.

                                                         Aufgrund europarechtlicher Vorgaben und zu erwar-
Vorbereitungen                                           tender Änderungen ist inzwischen bei zahlreichen Städ-
auf den Wettbewerb                                       ten und Verkehrsunternehmen die Erkenntnis gereift,
                                                         dass auch im kommunalen ÖPNV wettbewerbliche Ele-
in Deutschland                                           mente Einzug halten werden. Nicht zuletzt das EuGH-
                                                         Urteil zur öffentlichen Finanzierung (s. o.) erfordert
Ausschreibungen im ÖPNV sind in Deutschland grund-       Änderungen der bisherigen Praxis. So bereiten sich
sätzlich möglich. Bei der letzen Änderung des Perso-     bereits einige Städte und Unternehmen auf den kom-
nenbeförderungsgesetzes in 1996 wurden Regelungen        menden Wettbewerb vor. Die folgenden Beispiele zei-
für »gemeinwirtschaftliche Verkehre« aufgenommen,        gen, wie deutsche Kommunen und Verkehrsunterneh-
wonach diese entweder durch Auferlegung oder durch       men sich auf den kommenden Wettbewerb vorberei-
Ausschreibung zu vergeben seien. Dennoch sind Aus-       ten und dabei gleichzeitig Umwelt- und Qualitätsstan-
schreibungen kommunaler Verkehrsleistungen bisher        dards berücksichtigen. Für alle Fälle gilt: Politischer Wille
eher die Ausnahme. Auf kommunaler Ebene dominie-         ist die entscheidende Triebfeder.

                                                                                                                                        Der Wettbewerb im
                                                                                                                                        Schienenpersonennahver-
                                                                                                                                        kehr hat innovative
                                                                                                                                        Potenziale in Deutschland
                                                                                                                                        freigesetzt.
                                                                                                                         FOTO: ARCHIV

Zukunftsfähiger Nahverkehr                                                                                         13
Demonstrationsprojekt
                             Anspruchsvolle Umweltstandards
                             im ÖPNV-Wettbewerb

                             Um zu untersuchen, wie sich Aufgabenträger und Ver-
                             kehrsunternehmen unter Berücksichtigung von Umwelt-
                             schutzkriterien strategisch auf den künftigen Wettbe-
                             werb vorbereiten, hat das Bundesumweltministerium
                             2002 ein Demonstrationsprojekt gestartet und nach
                             vorbildlichen Konzepten gesucht. Die besten Konzep-
                             te bei den Verkehrsunternehmen stammen von den Ber-
                             liner Verkehrsbetrieben (BVG) und der Stadtverkehrs-                  Neues ÖPNV-Gütesiegel »Zitronenfalter«. Wird vom
                             gesellschaft Frankfurt (Oder). Die BVG reichte ihr Vor-               BMU für nachgewiesen innovative Anwendung
                                                                                                   anspruchsvoller Umweltstandards im ÖPNV vergeben.
                             haben zur Anschaffung 25 neuer Dieselbusse ein, die
                             erstmals den EEV-Standard erfüllen. In Frankfurt (Oder)
                             ging man einen Schritt weiter: Die gesamte Busflotte
                             bestehend aus 22 Dieselbussen sollte durch neue Erd-                  Bei den Aufgabenträgern überzeugte das Konzept der
                             gasbusse, ebenfalls nach EEV-Standard, ersetzt werden.                Region Hannover. Hier wird gegenwärtig im Rahmen
                             Mittlerweile fahren diese sauberen Busse sowohl in Ber-               einer »virtuellen Ausschreibung« mit verschiedenen
                             lin als auch in Frankfurt (Oder). Laut Umweltministe-                 Aufgabenträgern und Verkehrunternehmen aus Nieder-
                             rium ist die Entwicklung dieser emissionsarmen Fahr-                  sachsen und Bremen der »Ernstfall« geprobt. Dabei wird
                             zeuge erst durch den Wettbewerb der verschiedenen                     auch untersucht, welche Umweltstandards praktikabel
                             Antriebstechniken forciert worden. In einem beglei-                   sind.
                             tenden Kostenmonitoring wurden die Systemkosten
                             sowie die umweltseitigen Effekte im Rahmen einer Life-                Weitere Informationen:
                             cycle-costs-Analyse mit einem herkömmlichen Diesel-                   Gabriela Felder, Verkehrsverbund Berlin-Branden-
                             bus nach EURO 3-Standard mit Partikelfilter verglichen.               burg GmbH, Hardenbergplatz 2, 10623 Berlin,
                             Erste Ergebnisse belegen, dass die Mehrkosten von EEV-                Tel. 0 30/2 54 14-345, E-Mail: gabriele.felder@
                             Bussen vernachlässigt werden können. Im Gegenteil:                    vbbonline.de
                             Der Einsatz umweltfreundlicher Busse kann Risiken ver-
                             meiden, die durch die verschärften Anforderungen an
                             die Luftqualität und die damit verbundenen möglichen                  Frankfurt (Oder)
                             Verkehrsbeschränkungen für Fahrzeuge mit hohem
                             Schadstoffausstoß betreffen könnten. Auch der Wieder-                 Frankfurt (Oder) hat rund 68 000 Einwohner und besitzt
                             verkauf alter Busse wird aufgrund verschärfter Import-                mit der Stadtverkehrsgesellschaft mbH Frankfurt (Oder)
                             bestimmungen in Osteuropa und sogar in Afrika zuneh-                  ein eigenes Verkehrsunternehmen. Die Stadtverkehrs-
                             mend schwieriger.                                                     gesellschaft betreibt zehn Bus- und sechs Straßen-
Die umweltfreundlichste
Busflotte Europas fährt in                                                                         bahnlinien. Wie bereits oben ausgeführt, wurde das
Frankfurt (Oder).

                                                                                                    Kundenzufriedenheit mit dem ÖPNV in Frankfurt
                                                                                                    (Oder) 2001 und 2003 (Auszug) – in Prozent

                                                                                                    Sehr zufrieden und zufrieden            2001      2003
                                                                                                    sind Kunden mit …
                                                                                                    Fahrzeuge                                64        96
                                                                                                    Sicherheitsgefühl                        69        88
                                                                                                    Pünktlichkeit                            66        84
                                                                                                    Zuverlässigkeit der Anschlüsse           41        71
                                                                                                    Platzangebot                             55        71
                                                                                                    Sauberkeit                               50        81
                                                                                                    Haltestellen                             63        71
                                                                                                    Preis-Leistungsverhältnis                20        35
                                                                                                    Verkaufsstellen/Kundenberatung           40        79
                                                                                                    Qualität der Auskünfte                   48        78
                                                                                       FOTO: VBB

                                                                                                    Linien-/Fahrplanangebot                  41        76

                             14                                                                                                      Zukunftsfähiger Nahverkehr
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