Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa - Gute Beispiele nachmachen
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Zukunftsfähiger öffentlicher Nahverkehr für Europa Gute Beispiele nachmachen Funded by the European Commission, Directorate General for Environment
Einleitung Deregulierung nicht auf einen reinen Preis- sondern auf einen Qualitätswettbewerb um das beste Angebot setzt. Seit Jahren steigen die Fahrleistungen im motorisierten Was ist kontrollierter Wettbewerb? Individualverkehr (MIV) und Prognosen gehen von einem weiteren Wachstum aus. EU-weit rechnet man Wettbewerb ist kein Selbstzweck. Kontrollierter Wett- mit einem Anstieg des Personenverkehrs um 24 Pro- bewerb soll nicht allein die Preise zur Entscheidung her- zent bis 2010, gemessen an den Zahlen von 1998. anziehen, sondern auf einen Qualitätswettbewerb Ohne Gegensteuerung entfällt der Großteil des abzielen. Der Schlüssel dazu liegt in der konsequenten Zuwachses auf den Autoverkehr. Trotz technischer Fort- Umsetzung des Besteller-Ersteller-Prinzips: Der Bestel- schritte bei den Fahrzeugen ist damit eine erhebliche ler oder Aufgabenträger (die öffentliche Hand) ist für Zunahme der vom Verkehr ausgehenden Umweltbe- die Sicherstellung einer angemessenen ÖPNV-Bedie- lastungen verbunden – insbesondere bei CO2-Emissio- nung zuständig. Der ÖPNV erfüllt hierbei neben wirt- nen, Lärmbelastungen und beim Flächenbedarf. Bereits schaftlichen Zielen auch soziale, ökologische und sied- Impressum jetzt entfallen 28 Prozent aller Treibhausgasemissionen lungsstrukturelle Ziele. Im Vordergrund steht insbeson- Herausgeber in der EU auf den Verkehr, davon alleine 84 Prozent auf dere die Entlastung der Umwelt durch Verlagerung vom ICLEI Europasekretariat den Straßenverkehr. Im Rahmen des Kyoto-Protokolls MIV auf den ÖPNV. Da der Markt diese Ziele nicht von Leopoldring 3, 79098 Freiburg Fon 07 61/3 68 92-0 hat sich die EU zu einer Reduzierung der CO2-Emis- sich aus verfolgen kann, muss die öffentliche Hand fest- Fax 07 61/3 68 92-79 sionen um 8 Prozent von 2008 bis zum Jahre 2012 ver- legen, welche Qualität zu bieten ist und wie hoch die E-Mail: ccp@iclei-europe.org pflichtet. Setzt sich der bisherige Trend in der Ver- Tarife sein müssen, damit diese Ziele erreicht werden. Verlag und Vertrieb kehrsentwicklung fort, wird der Anteil der verkehrsbe- Die Qualitätsvorgaben müssen entsprechend in der Aus- VCD e.V., Eifelstr.2, dingten CO2-Emissionen 2010 aber um rund 40 Pro- schreibung verankert sein. 53119 Bonn zent höher sein als 1990. Fon 0228 / 9 85 85-0 Fax 0228 / 9 85 85-10 Ersteller bzw. Leistungserbringer sind die Verkehrs- E-Mail: mail@vcd.org Vor allem städtische Gebiete sind von den verkehrlichen unternehmen. Entsprechend der Vorgaben des Aufga- Belastungen betroffen: Mehr als 75 Prozent der EU- benträgers obliegt ihnen die Ausformulierung des Ver- Verantwortlich für die Gesamtherstellung und Bürger leben in Städten und rund ein Fünftel aller Ver- kehrsangebots. Letztendlich erhält das Verkehrsunter- Übersetzung kehrsbewegungen innerhalb der EU entfallen auf städ- nehmen mit dem »besten« Angebot den Zuschlag. Bei Michael Müller, VCD tische Wege unter 15 km. Prognosen gehen von einer Beauftragung durch die Kommune gehört die Umset- Aktualisierte deutsche Zunahme des städtischen Verkehrs um 40 Prozent bis zung der Bestellung somit zur unternehmerischen Auf- Fassung aus dem englischen zum Jahr 2030 gegenüber 1995 aus. gabe des Verkehrsunternehmens. Original Better Public Transport for Europe through Competitive Wenn ein Großteil des zu erwartenden Verkehrszu- Der Aufgabenträger erhält so ein geeignetes Instru- Tendering – A Good Practice wachses auf den Öffentlichen Personennahverkehr mentarium, um die Qualität des ÖPNV-Angebots vor Guide (ÖPNV) verlagert würde, könnten die städtischen Ort zu steuern. Auf der anderen Seite setzt der Wett- Autoren Umweltbelastungen verringert werden. Es ist deshalb bewerb innovative Ideen bei Verkehrsunternehmen frei. Mark Hidson, ICLEI dringend notwendig, bestehende Bus- und Bahnver- Damit wird klar festgelegt, welches die staatlichen und Michael Müller, VCD bindungen nicht nur zu sichern, sondern sie zu einem welches die unternehmerischen Aufgaben sind. Dies Redaktion attraktiven und leistungsfähigen ÖPNV auszubauen. führt zu mehr Effizienz und Transparenz. fairkehr GmbH, Uta Linnert Der öffentliche Nahverkehr wurde in den meisten euro- Der vorliegende Good-Practice-Leitfaden liefert Infor- Titelbild Marcus Gloger päischen Ländern traditionell von lokalen Behörden ent- mationen und Anregungen, wie der ÖPNV auch und weder direkt oder durch städtische Eigenbetriebe gerade unter Wettbewerbsbedingungen verbessert und Gestaltung und Grafik erbracht. Grundgedanke dieser Konstruktion war, dass ausgebaut werden kann. Vorgestellt werden Beispiele Marc Alexander Venner der öffentliche Verkehr als Grundversorgung der Bevöl- von ausgewählten Städte in Deutschland, Finnland, Druck kerung im Rahmen der Daseinsvorsorge von der öffent- Frankreich und Schweden, die bereits im Rahmen von Warlich GmbH lichen Hand zu gewährleisten sei. Doch trotz hoher Ausschreibungen – oder die Vorbereitung darauf – die öffentlicher Investitionen in die Infrastruktur und den Umwelt- und Angebotsqualität ihres ÖPNV-Angebots Nachdruck nur mit Geneh- ÖPNV-Betrieb ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs steigern konnten. Insbesondere soll dieser Leitfaden migung des Herausgebers am Gesamtverkehr in den letzten Jahren kontinuierlich Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen, die erst- © ICLEI Europasekreteriat, gesunken. Daher sind neue Konzepte gefragt, die dem malig Ausschreibungen und Verträge entwickeln, erste Freiburg 2004 ÖPNV neue Fahrgäste bringen und gleichzeitig die Informationen und Hinweise liefern. Darüber hinaus soll Angebotsqualität und die Effizienz steigern. Ein erfolg- er denen als Quelle dienen, die sich für eine stärkere Gefördert von der EU-Kom- mission, Generaldirektion versprechender Weg sind wettbewerbliche Ausschrei- Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten im Umwelt, Community Frame- bungen von Verkehrsleistungen, um weitere Kräfte für ÖPNV einsetzen. work for Co-operation to ein innovatives, qualitativ hochwertiges und kosten- promote Sustainable Urban Development (COM, günstiges Angebot zu mobilisieren. Ansatz ist ein »kon- 2002/C26/08) trollierter« Wettbewerb, der im Gegensatz zur völligen 2 Zukunftsfähiger Nahverkehr
Ein attraktiver und kundenfreundlicher ÖPNV steigert die Nachfrage. FOTO: MARCUS GLOGER Der ÖPNV-Markt in Europa Noch deutlichere Unterschiede zeigt ein Vergleich zwi- schen London und dem restlichen England. Während Seit 1960 hat der ÖPNV in Westeuropa erhebliche in der Hauptstadt zwischen 1986 und 2000 die Anzahl Marktanteile an den Pkw verloren. Die Erbringung der Fahrten mit dem Bus um 13 Prozent zunahm, sank öffentlicher Verkehrsleistungen wurde immer unprofi- die Zahl im gleichen Zeitraum in England um 34 Pro- tabler. Gründe dafür sind die gestiegene Pkw-Verfüg- zent. barkeit, die zunehmende räumliche Trennung von Arbeiten und Wohnen und die damit verbundene Sub- urbanisierung. Um den öffentlichen Verkehr aufrecht zu erhalten wurde vor allem in den Städten der ÖPNV Europäischer Rechts- in Eigenregie erbracht. Dabei wurden immer höhere rahmen öffentliche Mittel in das System gepumpt, ohne dass die Nachfrage entsprechend gewachsen wäre. Der Rahmen für den öffentlichen Verkehr wird derzeit In den letzten 10 bis 15 Jahren hat sich die ÖPNV-Orga- im wesentlichen durch die EG-Verordnung 1191/69 nisation innerhalb der EU zunehmend gewandelt. Teils bestimmt, die 1991 novelliert wurde. In Deutschland aus ökonomischen teils aus politischen Gründen began- verweisen sowohl das Personenbeförderungsrecht nen mehr und mehr Länder wettbewerbliche Gestal- (PBefG) als Bundesgesetz als auch landesrechtliche tungselemente entweder für den gesamten öffentlichen Regelungen auf diese Verordnung. Die EU-Kommission Verkehr oder zumindest für Teilbereiche einzuführen. hat im Juli 2000 einen Entwurf für eine Novellierung der Verordnung 1191/69 F 91 vorgelegt, insbesonde- In den meisten Fällen wurde dabei das Modell des »kon- re um Rechtsklarheit bei der Abgrenzung von eigen- trollierten« Wettbewerbs gewählt. Nur in Großbritan- nien – mit Ausnahme des Großraums London – wurde der Markt komplett dereguliert. Die Europäische Kom- Offene Wettbewerwerbsmärkte in Europa (Stand 2003) mission hat eine Studie in Auftrag gegeben, die die Ent- wicklung von Fahrgastzahlen und Kostendeckungsgrad Bus Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, in 30 größeren europäischen Städten während der Norwegen, Schweden, Spanien 1990er Jahre untersucht hat. Danach weisen Städte, Straßenbahn Frankreich, Großbritannien, Irland, Portugal, Schweden, Spanien die Verkehrsleistungen im Rahmen eines kontrollierten U-Bahn Dänemark, Frankreich, Schweden Wettbewerbs vergeben, den größten Fahrgastzuwachs Eisenbahn Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Portugal, und gleichzeitig auch den effizientesten Ressourcen- Schweden einsatz auf. Zukunftsfähiger Nahverkehr 3
FOTO: VOLKER LANNERT Der ÖPNV steht auch im Wettbewerb mit dem Auto. wirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Verkehren kehrsleistungen durch die öffentliche Hand finanziert herzustellen. Im Kommissionsentwurf ist das Prinzip des werden dürfen, hat der Europäische Gerichtshof Klar- »kontrollierten« Wettbewerbs umgesetzt. Erstmals wird heit geschaffen. Zwar dürfen Städte und Kreise als eine ausdrückliche Verpflichtung der Behörden zur öffentliche Aufgabenträger Verkehrsleistungen im Bereitstellung angemessener Verkehrsdienste einge- ÖPNV mitfinanzieren ohne dabei gegen das EU-Bei- führt. Die zuständigen Behörden sollen in einem Aus- hilfeverbot zu verstoßen, es müssen dabei aber folgende schreibungsverfahren nach bestimmten Kriterien das vier Voraussetzungen erfüllt sein: »beste« Angebot ermitteln. • Das begünstigte Unternehmen muss tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen Nach zahlreichen Änderungsvorschlägen durch das betraut sein, und diese Verpflichtungen müssen klar Europaparlament, hat die EU-Kommission in 2002 einen definiert sein. neuen Verordnungsentwurf vorgelegt. Der Verord- • Die Parameter, anhand derer der Ausgleich berech- nungsentwurf befindet sich zurzeit in der politischen net wurde, sind zuvor objektiv und transparent auf- Abstimmung. Da sowohl das Personenbeförderungs- zustellen. gesetz als auch die Landesnahverkehrsgesetze auf die • Der Ausgleich darf nicht über das hinausgehen, was Verordnung 1191/69 verweisen, führt jede Änderung erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der der Verordnung zu unmittelbaren Auswirkungen im gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berück- nationalen Recht. sichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns ganz oder teilweise zu Für Ausschreibungen von öffentlichen Aufträgen und decken. Dienstleistungen gelten innerhalb der EU – von weni- • Die Höhe des Ausgleichs, wenn die Auswahl nicht gen Ausnahmen abgesehen – die Bestimmungen der im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher EU-Vergaberichtlinien. Bei der Vergabe von Verträgen Aufträge erfolgt, muss bestimmt werden im Vergleich nach diesen Richtlinien ist eine Ausschreibung die Regel zu den Kosten, die ein durchschnittliches Verkehrs- und muss sich an den Prinzipien Transparenz, freier unternehmen zu tragen hätte (unter Berücksichtigung Zugang und Nichtdiskriminierung orientieren. Selbst der Einnahmen und des angemessenen Gewinns aus wenn die eigentliche Dienstleistung nicht im Rahmen der Erfüllung seiner Verpflichtungen). einer Ausschreibung vergeben wurde, ist das Equip- ment, das für die Erbringung dieser Dienstleistung benö- Nur wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt tigt wird, im Rahmen einer Ausschreibung zu beschaf- sind, stellt der finanzielle Ausgleich keine staatliche Bei- fen. Im ÖPNV betrifft dies zum Beispiel die Fahrzeuge. hilfe im Sinne des EG-Vertrags dar. Dies sichert Trans- parenz und beugt einer Wettbewerbsverzerrung vor. ÖPNV-Finanzierung und Ausgangspunkt für die Klage vor dem Europäischen Wettbewerb Gerichtshof war der seltene Fall, dass für die Wieder- erteilung einer Genehmigung für Regionalbuslinien im Weitreichende Bedeutung für die ÖPNV-Gestaltung in Landreis Stendal zwei Verkehrsunternehmen einen Deutschland hat die Entscheidung des Europäischen Genehmigungsantrag abgegeben hatten. Die Geneh- Gerichtshofs in der Rechtssache »Altmark Trans« migung wurde dem bisherigen Betreiber aufgrund des- (C 280/00) vom Juli 2003. Nach jahrelangem Rechts- sen Leistungsfähigkeit sowie aus Gründen des Besitz- streit um die Frage, in welcher Weise öffentliche Ver- standsschutzes erteilt, obwohl der neue Bewerber ein 4 Zukunftsfähiger Nahverkehr
besseres Verkehrsangebot aufweisen konnte. Zudem dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen und konnte der bisherige Betreiber davon ausgehen, dass dem Aufgabenträger keine unbeschränkte Entschei- der Landkreis die entstehenden Defizite im laufenden dungsfreiheit eingeräumt wird. Außerdem müssen die Betrieb ausgleicht. Der unterlegene Bieter hat gegen Kriterien zuvor in nichtdiskriminierender und transpa- die Vergabe Widerspruch eingelegt. Nach mehreren renter Weise im Leistungsverzeichnis beschrieben wer- Verfahrensschritten hat das schließlich angerufene den. Der EuGH hat zugleich die Berücksichtigungs- Bundesverwaltungsgericht das Verfahren zur Klärung fähigkeit von solchen Umweltschutzanforderungen der Finanzierungsfragen dem Europäischen Gerichts- erkannt, die keinen konkreten wirtschaftlichen Vorteil hof vorgelegt. für den Auftraggeber haben. Auch Faktoren, die nicht rein wirtschaftlich sind, könnten sich auf den Wert des Der gegenwärtige Rechtsrahmen für den öffentlichen Angebots auswirken. Personenverkehr in Deutschland schreibt bereits heute für sogenannte »gemeinwirtschaftliche« Verkehre, das Das »Helsinki-Urteil« war Grundlage für die neuen EU- sind Verkehre, die nur durch öffentliche Finanzmittel Vergaberichtlinien, die 2003 verabschiedet wurden. Mit sichergestellt werden können, eine Ausschreibung vor. den neuen Richtlinien wird die Möglichkeit gestärkt, bei Diese Ausschreibungen haben die Kommunen in der Vergabe öffentlicher Aufträge Umwelt- und Sozi- Deutschland bisher fast ausnahmslos vermieden. Viel- alkriterien zu berücksichtigen. mehr erfolgt die Auftragserteilung im Rahmen einer behördlichen Genehmigung an die meist lokal agie- renden Verkehrsunternehmen. Diese erhalten dann aus- schließliche Rechte, meist für sechs bis 15 Jahre, teil- Neue EU-Standards für die Luft- weise auch länger. Ein Wettbewerb unter verschiede- qualität und Lärm nen Anbietern findet nicht statt. Um die vom Europä- ischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien zu erfüllen, Neben Klimaschutzmaßnahmen hat die EU auch ver- ist die Vergabe von ÖPNV-Leistungen im Rahmen von schärfte Anforderungen an die Luftqualität definiert. wettbewerblichen Ausschreibungen die beste Lösung. Mit der 1996 verabschiedeten Rahmenrichtlinie zur Luftqualität gelten strenge Grenzwerte für bestimmte Luftschadstoffe in allen Mitgliedsländern und diese dür- Gesetzliche Regelungen mit fen ab 2005 bzw. 2010 nicht mehr überschritten wer- Umweltbezug den. Die Richtlinie wird durch insgesamt vier schad- stoffspezifische »Tochter-Richtlinien« umgesetzt. Umweltkriterien gehören zu den bestimmten Kriterien, die in dem o.g. Kommissionsentwurf bei der Ange- Für den Verkehrsbereich relevant ist die erste Tochter- botsbewertung berücksichtigt werden sollen. So heißt Richtlinie. Diese setzt Luftqualitätsstandards für die es in Artikel 4 des Verordnungsentwurfs: »Bei der Schadstoffe Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide Bewertung der Angemessenheit öffentlicher Personen- (NOx), Partikel (PM10) und Blei (Pb) fest. Alle Städte verkehrsdienste, der Festlegung von Auswahl- und Ver- müssen in den nächsten Jahren Aktions- und Maß- gabekriterien und bei der Vergabe gemeinwirtschaft- nahmenpläne erstellen, die darlegen, welche Maßnah- licher Kriterien berücksichtigen die zuständigen Behör- men im Falle von Grenzwertüberschreitungen ergriffen den ... die Umweltfaktoren, unter anderem lokale, natio- werden. Weil der Verkehr in Städten in wichtigen nale und internationale Normen für Emissionen von Luftschadstoffen, Lärm und Treibhausgasen.« EU-Luftqualitätsstandards mit direktem Verkehrsbezug Solche Umweltkriterien, wie z.B. die Vorgabe bestimm- ter Emissionswerte von Bussen, müssen bereits in der Inkrafttreten Grenzwert Ausschreibung definiert werden. Ist beispielsweise das Kohlenmonoxid (CO) 1.1.2005 10 µg/m3 8-h-Mittelwert Emissionsnivau als Mindestspezifikation vorgegeben, µg/m3 QUELLE: RICHTLINIE 1999/30 EWG UND RICHTLINIE 2000/69 EG Stickstoffdioxid (NO2) 1.1.2010 40 Jahresmittelwert müssen Verkehrsunternehmen, die sich für den Auftrag 3 1.1.2010 200 µg/m 1-h-Grenzwert, max. 18 Überschrei- bewerben, diese Kriterien erfüllen. tungen pro Jahr Benzol 1.1.2010 5 µg/m3 Jahresmittelwert Die Forderung anspruchsvoller Umweltstandards, die über die derzeitigen gesetzlichen Mindestanforderun- Staubpartikel (PM 10) 1.1.2005 40 µg/m3 Jahresmittelwert gen hinausgehen, sind nach einem anderen Urteil des 1.1.2005 50 µg/m 3 Tagesmittelwert, max. 35 Überschrei- Europäischen Gerichtshofs (»Concordia/Helsinki«, Rs. ungen pro Jahr C 513/99) zulässig und dürfen als Zuschlagskriterium Richtgrenzwert bei der Auswahl des besten Bieters berücksichtigt wer- PM 10 1.1.2010 20 µg/m3 Jahresmittelwert den. Dies ist auch dann erlaubt, wenn lediglich ein 1.1.2010 50 µg/m3 Tagesmittelwert, max. 7 Überschrei- Anbieter diese Umweltkriterien erfüllen kann. Als Vor- tungen pro Jahr aussetzungen sind zu erfüllen, dass diese Kriterien mit Zukunftsfähiger Nahverkehr 5
Umweltbereichen Hauptverursacher von Belastungen Europäische Emissionsstandards ist, können diese Maßnahmen auch Fahrbeschränken für Busse beinhalten. In zahlreichen Städten geht man davon aus, dass die ab 2005 geltenden Grenzwerte für Feinstaub (PM10) nicht eingehalten werden können. Überschrei- Abgasemissionen tungen werden vor allem an hochbelasteten Straßen- abschnitten gemessen. In Berlin müssen die Feinstaub- Der Schadstoffausstoß von Stadtbussen hängt in erster Belastungen teilweise um bis zu 62 Prozent reduziert Linie von den dafür eingesetzten Fahrzeugen ab: Art werden. Dominierende Quelle sind dieselbetriebene des Antriebs, Fahrzeuggröße und -alter. Hier setzt Brüs- schwere Nutzfahrzeuge. Betroffen sind aber nicht nur sel mit den Grenzwerten für limitierte Luftschadstoffe Großstädte. Messergebnisse aus Brandenburg zeigen (EURO 1 bis EURO 5) verbindliche Vorgaben für die Handlungsbedarf auch in kleinen Städten unter 50 000 Fahrzeugindustrie. Bei Lkw und Bussen steht die Redu- Einwohner. Probleme bei der Einhaltung der Grenzwerte zierung von Stickoxiden und Partikeln im Vordergrund. werden auch aus anderen EU-Ländern berichtet. Momentan gilt für alle neuen Fahrzeugtypen die Norm EURO 3. Die letzte Fortschreibung aus dem Jahr 1999 Auch der Lärm soll wirksam begrenzt werden. Die EU- beinhaltet auch den Emissionsstandard EEV für Richtlinie zum Umgebungslärm schreibt bis 2007 die besonders umweltfreundliche Fahrzeuge (Enhanced Erfassung der Lärmbelastung in Großstädten, an Haupt- Environmentally Friendly Vehicles), der einen noch stren- verkehrsstraßen, an Hauptstrecken der Bahn und im geren Grenzwert für Partikel als EURO 5 festlegt. Umland von großen Flughäfen vor. Die Richtlinie ver- langt im Sinne eines umfassenden Lärmminderungs- Diese verschärften Abgasnormen haben Konsequen- konzepts auch Maßnahmen zur Lärmminderung an der zen für die Anschaffung von Bussen. So benötigen die Quelle, also auch für Straßen- und Schienenfahrzeuge Fahrzeughersteller ab 2008 für ihre Fahrzeuge eine Typ- und die Verkehrsinfrastruktur. zulassung nach EURO 5. Das bedeutet, dass alle Fahr- zeuge, die erstmals zum Verkehr zugelassen werden, ein Jahr nach der Typzulassung, also 2009, die ver- Empfehlungen der deutschen schärften Abgasgrenzwerte erfüllen müssen. Umweltministerkonferenz Lärm Berücksichtigt man die Anforderungen, die sich aus der Luftqualitätsrichtlinie und der Umgebungslärm- Seit 1970 gibt es EU-weite Grenzwerte für Lärm von richtlinie ergeben, sind Aufgabenträger und Verkehrs- Kraftfahrzeugen (Pkw, Lkw und Busse), die seitdem unternehmen gut beraten, bei Ausschreibungen bereits mehrmals verschärft wurden. So liegen die Grenzwer- heute die Anforderungen von morgen zu berücksich- tigen. te für Busse und Lkw heute um über 10 dB(A) unter Gebrauchtfahrzeuge mit alter Norm können zwar auch den ursprünglichen Werten. Die letzte Fortschreibung nach Inkrafttreten neuer Grenzwertvorschriften noch erfolgte 1996 (Richtlinie 92/97 EWG). Danach gelten weiter gefahren werden, ihr Weiterverkauf innerhalb folgende Grenzwerte: der EU-Staaten, einschließlich Osterweiterung, wird • 80 dB (A) bei Fahrzeugen mit einer Motorleistung von jedoch aufgrund von Importbeschränkungen und Steuerregelungen schwierig. Wer also heute einen Bus 150 kW und mehr, mit EURO 3 oder EURO 4 kauft, kann ihn möglicher- • 78 dB (A) bei einer Motorleistung von weniger als weise ab 2009 nur noch außerhalb Europas verkaufen. 150 kW. Allerdings gelten auch dort mittlerweile in vielen Län- dern ähnliche Regeln, so dass ein Verkauf grundsätz- Eine Analyse der Geräuschemissionen neuer Fahrzeu- lich problematisch und nur mit geringen Erlösen mach- bar sein wird. Dagegen verschafft eine weitsichtige ge hat ergeben, dass die Grenzwerte deutlich unter- Planung beim Kauf von Bussen, verbunden mit einem schritten werden können. Aus dieser Analyse sind Richt- stärkeren Umweltengagement, den Verkehrsunterneh- werte für die Beschaffung möglichst leiser Lkw und men Wettbewerbsvorteile. Busse abgeleitet worden, die unterhalb der obigen Da bereits heute von verschiedenen Herstellern Stadt- Werte liegen. Diese werden bei der Neufassung der busse mit Diesel- oder Erdgasantrieb angeboten wer- den, die den anspruchsvollsten europäischen Abgasst- Grenzwerte zugrundegelegt. andard für schwere Nutzfahrzeuge, EEV, erfüllen, hat Da die Fahrzeuggeräusche immer weiter reduziert wur- die Umweltministerkonferenz im November 2003 auf den, treten die Abrollgeräusche der Reifen zunehmend Initiative des Landes Berlin einen Beschluss gefasst, der in den Vordergrund. Bei Geschwindigkeiten ab 40 – die auch vom Verband deutscher Verkehrsunterneh- 60 km/h dominiert das Reifengeräusch. Mittlerweile men, VDV, empfohlenen anspruchsvollen Umweltstan- dards zum Maßstab erklärt. Gleichzeitig sollen schärfe- bieten Reifenhersteller auch sogenannte »lärmarme« re Lärmgrenzwerte berücksichtigt werden. Den Ver- Reifen an, die aufgrund eines geringeren Rollwider- kehrsressorts sowie den Aufgabenträgern werden stands leiser als herkömmliche Reifen sind und neben- diese als Orientierungswerte für die Förderung sowie bei den Krafstoffverbrauch reduzieren. für die Ausschreibung empfohlen. Eine Liste lärmarmer Reifen findet sich im Internet unter: www.umweltbundesamt.de 6 Zukunftsfähiger Nahverkehr
Diese Städte in Europa gehen mit gutem Beispiel voran. Finnland Helsinki Schweden Göteborg Hannover Bocholt Frankfurt/Oder Frankfurt/Main Deutschland Dijon Frankreich Vorbildliche Beispiele in nen in denen zusammen über eine Million Menschen Europa leben und über eine halbe Million Menschen arbeiten. Als Aufgabenträger für den Regionalverkehr im Groß- Einige Städte in Europa haben es bereits vorgemacht raum Helsinki ist die Behörde »YTV« zuständig. und die Qualität ihres ÖPNV-Angebots deutlich ver- bessert: Sie haben die Angebotsqualität, die Umwelt- Anfang 1991 trat in Finnland ein neues Gesetz für den performance und soziale Standards deutlich gesteigert. Öffentlichen Personenverkehr in Kraft, das den kom- Diese Attraktivitätssteigerung spiegelte sich auch in der munalen Behörden die Ausschreibung ihres ÖPNV, für Kundennachfrage: Die Nachfrage im ÖPNV hat sich den sie auch finanziell verantwortlich sind, ermöglich- dort teilweise deutlich erhöht. Gleichzeitig hat sich auch te. Drei Jahre später forderte ein weiteres Gesetz, alle der Kostendeckungsgrad des ÖPNV nachhaltig ver- öffentlichen Dienstleistungen im Rahmen einer öffent- bessert. Ein Garant für diesen Erfolg war die Einführung lichen Ausschreibung zu vergeben. Ab einem bestimm- oder zumindest die Vorbereitung wettbewerblicher Aus- ten Auftragswert sind die Regelungen der EU zu beach- schreibungen und die Vorgabe anspruchsvoller Quali- ten. Derzeit liegt der EU-Wert, ab dem öffentliche tätsstandards. Die folgenden Beispiele sollen zeigen, Dienstleistungen ausgeschrieben werden müssen bei wie die Städte vorgegangen sind und welche Erfah- 200 000 Euro. rungen sie dabei gemacht haben. YTV gab eine Untersuchung in Auftrag, um die Effek- te wettbewerblicher Ausschreibungen zu evaluieren und Ausschreibungen im Regionalbusver- darauf aufbauend ein geeignetes Vorgehen zu erar- kehr im Großraum Helsinki, Finnland beiten. Im Vordergrund standen dabei die Reduzierung der Kosten bei gleichzeitiger Steigerung der Angebots- Die Region Helsinki ist der einzige größere Ballungs- qualität sowie die Erhöhung der Produktivität und der raum in Finnland. Die Region umfasst zwölf Kommu- Kundennachfrage. Zukunftsfähiger Nahverkehr 7
FOTO: HELSINKI CITY TOURIST & CONVENTION BUREAU Umweltfreundlich mobil in Helsinki: Stadt- und Regionalverkehr sind vor- bildlich verknüpft. Die erste Ausschreibung fand 1994 statt. Die Aus- zeuge gestellt, die von den Verkehrsunternehmen erfüllt schreibung umfasste 15 Prozent des regionalen Bus- werden müssen. Zweimal im Jahr werden Kundenbe- verkehrs (rund 4,4 Millionen Personenkilometer) und fragungen durchgeführt, auf deren Basis die Unter- der Betrieb startete im Januar 1995. Bis Ende 1996 nehmen einen Qualitätsbonus erhalten. wurde der gesamte regionale Busverkehr ausgeschrie- ben. Die Laufzeit der Verträge der ersten Ausschrei- Bei der Auswahl des besten Angebots werden die ein- bungen war auf drei Jahre beschränkt. Liefen die Ver- zelnen Angebote auf Grundlage der Kosten und der träge aus, wurden sie in zwei jährlichen Runden erneut angebotenen Qualität bewertet. Zunächst werden die ausgeschrieben. Dazwischen gab es auch separate Aus- Fahrzeugqualität und die restlichen Qualitätsfaktoren schreibungen für einzelne Linien. evaluiert. Erst dann werden die Bieterpreise geprüft und die Gesamtkosten ermittelt. Für den niedrigsten Preis Ausschreibungsspezifikationen gibt es 87 Punkte, die anderen Angebotspreise wer- den in der Relation dazu bewertet. Ursprünglich wur- YTV übernimmt die Planung des Streckennetzes, des den nur 75 Punkte für den Angebotspreis vergeben. Fahrplans und des Fahrzeugeinsatzes. Die Verkehrs- Zwar ist der Wert der Qualitätsfaktoren im Vergleich unternehmen sind ausschließlich für die Durchführung zum Preis nun niedriger, aber gleichzeitig wurden die des Betriebs zuständig. Die Fahrgeldeinnahmen gehen Mindestanforderungen an die Qualität erhöht. Die komplett an YTV. Um eine geeignete Berechnungs- Beschaffenheit der Fahrzeuge geht jetzt mit bis zu zwei grundlage für die Angebotsbewertung zu erhalten, wur- Punkten in die Wertung ein. Anfangs wurde auch das den verschieden Ansätze untersucht. YTV entschied sich Alter der Fahrzeugflotte bei der Bewertung einbezo- für den Leistungskosten-Ansatz pro gefahrenem Kilo- gen, dies wurde allerdings mittlerweile durch die Vor- meter, der bereits bei früheren vertraglichen Vereinba- gabe eines Höchstalters ersetzt. Im wesentlichen wer- rungen zugrundegelegt wurde. Auf dieser Basis wird den diese Prinzipien auch heute noch bei den Aus- die zur Verfügung gestellte Gesamtprovision berech- schreibungen angewendet. net. Die oben beschriebene Vorgehensweise wird auch bei Bei den ersten Ausschreibungen sollten alle Verkehrs- den Ausschreibungen der städtischen Busverkehre in unternehmen gleich behandelt werden. So wurden nur Helsinki, Espoo und Vantaa angewendet. Es gibt ledig- gleich große Netze ausgeschrieben. Dies erwies sich lich leichte Modifikationen bei den Anforderungen, ins- jedoch als wenig praktikabel. Deshalb wurde dazu über- besondere was die Fahrzeugbeschaffenheit angeht. Die gegangen, einzelne Blöcke ohne Ausschreibung zu ver- Fahrzeuganforderungen sind allerdings zwischen YTV längern. Als Ergänzung zu den Hauptausschreibungen und den anderen Kommunen abgestimmt, so dass die wurden auch kleinere Ausschreibungen für Neuverkehre gleichen Fahrzeuge sowohl im Regional- als auch im durchgeführt. Die ursprüngliche Vertragslaufzeit von innerstädtischen Verkehr genutzt werden können. drei Jahren beträgt heute generell fünf Jahre. In den Ausschreibungen werden besondere Vorgaben an die Servicequalität und die Beschaffenheit der Fahr- 8 Zukunftsfähiger Nahverkehr
Angebotsqualität Übergang zu einem neuen Arbeitgeber sichert. Da die Marktanteile der Verkehrsunternehmen im wesentlichen Um die Angebotsqualität zu messen, werden seit 1995 konstant geblieben sind und sich sogar teilweise ver- Kundenbefragungen durchgeführt. Auf einer Skala von größert haben, konnte eine gewisse Arbeitsplatzsi- 1 bis 5 betrug der Wert 1995 3,98. Bis 1998 hat sich cherheit erreicht werden. Zusätzlich wurden durch die die Zufriedenheit kontinuierlich auf knapp über 4 ein- Ausweitung des Angebots auch neue Stellen geschaf- gependelt. Lediglich in 1999 gab es einen Rückgang, fen. Es wird geschätzt, dass sich die Zahl der Busfahrer weil aufgrund des strengen Winters der Fahrplan oft um 250 erhöht hat. Es scheint, dass die Probleme eher nicht eingehalten werden konnte. Im Jahr 2000 stieg kurzfristiger Natur sind, wenn Ausschreibungen verlo- die Zufriedenheit allerdings wieder und liegt aktuell ren wurden und der neue Betreiber noch nicht nach bei einem Wert von 4,02. neuem Personal gesucht hat. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Aus- Fazit schreibungen anfangs zu einer deutlichen Qualitäts- verbesserung geführt haben, aber externe Einflüsse Die Ziele, die mit der Einführung von Wettbewerb durchaus einen Einfluss haben. Neben der Pünktlich- gesetzt wurden, sind erreicht worden. Die Ausschrei- keit spielt auch das Fahrplanangebot eine Rolle. Wäh- bungen haben zu deutlichen Kosteneinsparungen rend 1994 insgesamt 29,1 Millionen Buskilometer im geführt, die zur Ausweitung des Angebots und zur Sen- Regionalverkehr angeboten wurden, ist das Verkehrs- kung der Fahrpreise genutzt wurden. Gleichzeitig wurde volumen bis 2002 um 19 Prozent auf 34,5 Millionen die Fahrzeugflotte zügig modernisiert und die Service- Buskilometer gestiegen. Die Ausschreibungen haben zu qualität auf einem hohen Level gehalten. In Helsinki einer Modernisierung der Busflotte und damit zu einer ist man der festen Überzeugung, dass der öffentliche Reduzierung des Durchschnittsalters der Fahrzeuge Verkehr im Großraum Helsinki ohne Wettbewerb in geführt. Heute beträgt das Durchschnittsalter der Flot- einer deutlich schlechteren Position wäre. te 4,5 Jahre im Vergleich zu 6,5 Jahren vor der ersten Ausschreibung. Weitere Informationen: Niilo Järviluoma, YTV Helsinki Metropolitan Area Kosten/Tarife Council, Transport Department, Box 521, 00521 Helsinki, E-Mail: niilo.jarviluoma@ytv.fi Die Leistungskosten pro gefahrenem Buskilometer san- ken infolge der Ausschreibungen. Ohne Ausschreibung lägen die Kosten inflationsbereinigt für 2002 bei umge- Ausschreibungen im Stadtverkehr rechnet 75 Mio. Euro, während sie in Realität bei 54 Dijon, Frankreich Mio. Euro lagen. Die Einsparungen durch Wettbewerb betragen rund 21 Mio. Euro. YTV beschloss, die Kos- Dijon liegt im Norden Frankreichs im Departement Bour- teneinsparungen zur Ausweitung des Angebot zu nut- gogne und hat 244 000 Einwohner. Für den öffentlichen zen. Die Mittel für den Regionalverkehr wurden auf- Nahverkehr zuständig ist die »Société de Transport de gestockt, Ticketpreise gesenkt und die Beiträge der kom- la Région Dijonnaise«. Die Region Dijon umfasst 16 munalen Behörden reduziert. So sank der Preis für ein Kommunen. Monatsticket von umgerechnet 62,20 Euro in 1994 auf 54,60 Euro in 1997. Erst im Jahr 2000 wurde erstmals Zielsetzung der Tarif auf 57,10 Euro erhöht. Parallel zur Senkung der Ticketpreise hat sich auch das Defizit im Regional- Wie in vielen Städten wurde das Verkehrsnetz in Dijon verkehr verringert. In 2001 deckten die Fahrgelderlöse zwischen 1975 und 1995 stark ausgebaut und zahlrei- etwa 67 Prozent der Ausgaben. Legt man die Leis- che Vororte wurden erschlossen. Der Ausbau erfolgte tungskosten vor den Ausschreibungen zu Grunde, müs- zu einer Zeit, als die Nachfrage im ÖPNV begann nach- ste der Preis für das Monatsticket bei rund 84 Euro lie- zulassen. Probleme waren Zunahme des Autoverkehrs gen, um den gleichen Kostendeckungsgrad zu erzielen. und ein steigendes Defizit im ÖPNV. Der Nahver- kehrsplan von Dijon legt fest, dass der Umweltverbund Personal aus zu Fuß gehen, Fahrrad Fahren und Bus und Bahn stärker gefördert werden soll. Daher war die Verbesse- Die Position des Personals rückte bei den Ausschrei- rung der ÖPNV-Qualität eines der Hauptziele wettbe- bungen in den Vordergrund, da beim Wechsel des werblicher Ausschreibungen. Es sollte ein ÖPNV-Sys- Betreibers auch das Fahrpersonal von einem Unter- tem entwickelt werden, das den Bedürfnissen eines nehmen zum anderen wechselt. Dadurch ergaben sich Großteils der Bevölkerung entspricht und gleichzeitig einige Probleme bei der Beschäftigungssicherheit und die Ausgabenseite entlastet. den Konditionen. Nach einem Streik im Frühjahr 1998 wurde die sogenannte Lonka-Vereinbarung getroffen, die die Beibehaltung der Lohnbezüge auch nach einem Zukunftsfähiger Nahverkehr 9
Jeder vierte Einwohner Fahrzeuge Dijons nutzt inzwischen den umweltfreundichen Nahverkehr. In Dijon fahren derzeit 215 Busse, 100 davon sind Gelenkbusse. Je die Hälfte der Fahrzeuge entsprechen dem EURO 2 und dem EURO 3-Standard. 32 Busse sind mit einem Partikelfilter ausgestattet. Die Diesel- busse werden mit schwefelfreiem Diesel betankt. Nach umfangreichen Tests mit verschiedenen alternativen Antriebsarten wurde entschieden, ab 2003 nur noch Erdgasbusse neu zu beschaffen. Es stellte sich heraus, FOTO: STRD dass Partikel das größte Problem sind und Erdgasbus- se die bestmögliche Partikelminderung bieten. Außer- dem genießen Erdgasbusse eine gutes Image in der Bevölkerung und verursachen weniger Lärm als Die- Ausschreibungsinhalte selbusse. Der Partikelfilter wird als beste Lösung für Alt- fahrzeuge angesehen. Ausschreibungen sind in Frankreich seit dem soge- nannten Sapin-Gesetz von 1993 die Regel. Alle fünf bis Kosten sechs Jahre werden städtische Verkehrsleistungen neu ausgeschrieben. 2002 erfolgte die derzeit letzte Aus- Dijon hat sich dazu entschieden, günstige Tarife für schreibung für das gesamte Busnetz, das zum 1. Janu- die Benutzung des ÖPNV anzubieten. Trotz der niedri- ar 2003 vergeben wurde. In den Ausschreibungs- gen Fahrpreise ist der Kostendeckungsgrad in Dijon mit unterlagen (frz. »Cahier de charges«), sind die Anfor- 41,5 Prozent höher als bei anderen vergleichbaren fran- derungen definiert, die auch Umweltkriterien umfas- zösischen Städten (37,9 Prozent durchschnittlicher Kos- sen. Vorgaben gibt es für die Fahrzeugemissionen und tendeckungsgrad in Frankreich). Grund ist u.a. die hohe die Fahrzeugwartung, um vor allem die Partikelemis- Fahrtenhäufigkeit von 140 Fahrten pro Einwohner und sionen zu reduzieren. Diese Vorgaben sind verpflich- Jahr. Wenn keine Maßnahmen zur Qualitätsverbesse- tend und von allen Unternehmen einzuhalten. Zur rung unternommen worden wären, hätten die Fahr- Überprüfung werden alle sechs Monate die Rußemis- preise erhöht werden müssen mit dem Risiko, Fahrgäste sionen von einem Viertel der Busflotte kontrolliert. zu verlieren. Ziel ist, das Defizit auf der Basis von 2000 konstant zu halten. Weitere politischen Maßnahmen Die Beschaffung der Fahrzeuge erfolgt durch die kom- sind gegenwärtig in der Diskussion, um die Fahrpreise munale Transportbehörde. Der Betrieb muss lediglich günstig zu halten. die Wartung gewährleisten und für die Schulung der Fahrer im Umgang mit den neuen Fahrzeugen sorgen. Personal Angebotsqualität Wie in Helsinki wird in den Ausschreibungen bei Betrei- berwechsel auch die Übernahme des Fahrpersonals vor- Die Ausschreibungen haben die Akzeptanz und das geschrieben. Image des ÖPNV in Dijon erhöht. Mittlerweile nutzt jeder Vierte den ÖPNV. Zwischen 1975 und 1995 hat Fazit sich das Fahrgastaufkommen auf 38 Millionen nahezu verdoppelt. Gründe sind Ausweitung der Fahrtenhäu- Die Gründe für die Nutzung des ÖPNV in Dijon sind figkeit, eine Beschleunigung der Busse durch Vorrang- sehr vielfältig und hängen von persönlichen aber auch maßnahmen und die Senkung der Fahrpreise. Um diese notwendigen Fahrtzwecken ab. Ziel der Stadt war es, Änderungen umzusetzen bedurfte es eines koordinier- eine sichere und einfache Art der Fortbewegung zu ten Vorgehens verschiedener Behörden. Auch Vertre- ermöglichen, den Wirtschaftsverkehr aufrecht zu erhal- ter nationaler Straßenbehörden waren eingebunden. ten und die Lebensqualität für die Bewohner zu sichern. Die Grundprinzipien dafür lauten: Um die Verkehrsunternehmen für eine hohe Qualität • Verbesserung der städtischen Umwelt zu motivieren, wurden Vergleichswerte vorgegeben, die • Förderung des Umweltverbunds eine regelmäßige Überprüfung der erbrachten Qualität • Bessere Verknüpfung der verschiedenen Verkehrs- ermöglichen. Die Vorgaben beinhalten u. a.: arten • die Zuverlässigkeit der Busse • die vom Fahrgast wahrgenommene Qualität Nach Prognosen wird sich der Anteil des Autoverkehrs • Fahrgastinformationen in Dijon bis 2020 verdoppeln, falls keine Maßnahmen • ein Beschwerdemanagement zur Gegensteuerung ergriffen werden. Dies entspräche • die Sauberkeit der Fahrzeuge einer Zunahme von etwa 1000 Fahrzeugen, die täg- lich zusätzlich in die Stadt führen. Die Entwicklung des 10 Zukunftsfähiger Nahverkehr
Verkehrs zwischen Stadt und Umland ist eine der Schlüs- Seit 1990 gilt in Schweden ein neues ÖPNV-Gesetz. selthemen der Zukunft. Die Stadt sieht daher in den Neben der Trennung von Besteller- und Erstellerebene Ausschreibungen ein geeignetes Instrument für eine sieht das Gesetz auch die generelle Ausschreibung nachhaltige Verkehrspolitik und den sozialen Zusam- öffentlicher Verkehrsleistungen vor. Dem kam die Stadt menhalt. mit der Gründung einer städtischen Ausschreibungs- behörde Trafikkontoret nach. Diese setzt sich aus Ver- Weitere Informationen: kehrsplanern zusammen, die vorher in anderen städti- Jean-Marie Attard, Communauté des l’agglomé- schen Behörden sowie beim städtischen Verkehrs- ration dijonnaise, 11 rue Victor Dumay, BP 1529, unternehmen Göteborgs Sparvägar AB beschäftigt 21034 Dijon Cedex, E-Mail: jmattard@agglo-dijon.fr waren. Die Behörde ist verantwortlich für Finanzen, Liniennetz, Bedienungsstandards, Tarife, Information und Marketing sowie für die gesamte Infrastruktur. Mit Ausschreibungen in Göteborg, Schaffung der neuen Provinz West-Schweden wurde Schweden 1999 die neue ÖPNV-Behörde Västtrafik gegründet, die für den gesamten ÖPNV in dieser Provinz zustän- Göteborg ist mit 470 000 Einwohnern die zweitgrößte dig ist. Trafikkontoret firmiert nun unter Västtrafik Göte- Stadt Schwedens. Die gesamte Region Göteborg um- borgsomradet als nachgeordnete Planungs- und Aus- fasst 750 000 Einwohner. Obwohl die Zuwachsraten schreibungbehörde für die Region Göteborg. des Individualverkehrs in der Stadt bei zwei bis vier Pro- zent, und in den Vororten bei vier bis sechs Prozent Ziele liegen, ist der Anteil des Individualverkehrs in der Innen- stadt seit Jahren konstant. Grund sind Angebotsver- Die Stadt Göteborg hat sich zum Ziel gesetzt, den pri- besserungen im ÖPNV bei gleichzeitiger Umsetzung vaten Autoverkehr zu reduzieren und die bestehende verschiedener restriktiver Maßnahmen gegenüber dem Infrastruktur so effizient wie möglich zu nutzen. Die Autoverkehr. lokale Umwelt soll verbessert und schädliche Belastun- gen minimiert werden. Dies sollte über den Ausbau des Der öffentliche Verkehr in Göteborg wird durch Stra- ÖPNV-Systems und die Erhöhung der Zugänglichkeit ßenbahnen, Busse, Fähren und Pendlerzüge abgedeckt. und Effizienz erreicht werden. In den vergangenen Jahren wurde vor allem das Stra- ßenbahnsystem ausgebaut. Heute entfallen rund 60 So orientiert sich auch der Nahverkehrsplan der Stadt Prozent aller ÖPNV-Fahrten auf die Straßenbahn, auf an Nachhaltigkeitszielen und setzt dabei gleichzeitig auf die Pendlerzüge lediglich zwei Prozent. Der ÖPNV die Prinzipien des Wettbewerbs. Mit der Umsetzung genießt in Göteborg Vorrang: So haben beispielsweis- des neuen ÖPNV-Gesetzes auf lokaler Ebene sollten die se die Straßenbahnen an fast allen Ampelanlagen im neuen Ausschreibungskriterien und vertraglichen Rege- Stadtgebiet Vorfahrt. lungen: Freie Fahrt für den Nah- verkehr: In Göteborg haben Busse und Straßen- bahnen im Stadtgebiet Vorfahrt. FOTO: RAGNAR DOMSTAD Zukunftsfähiger Nahverkehr 11
• die Qualität und die Quantität des ÖPNV-Angebots auf EEV-Niveau reduziert werden. Und als besonderer steigern, Bonus für das Unterschreiten der Stickoxid-Grenzwer- • den Kostendeckungsgrad verbessern, te wurden bis zu 0,15 Schwedische Kronen pro Fahr- • Sozial- und Umweltstandards erhöhen, zeugkilometer (ca. 2 ct/km) in Aussicht gestellt. • kleinen Busunternehmen den Marktzugang ermög- lichen, Weitere Vorgaben betreffen das Fahrzeugalter: Fahr- • sowie öffentlichen und privaten Verkehrsunterneh- zeuge dürfen nicht älter als zehn, das durchschnittli- men die Teilnahme an Ausschreibungen erlauben. che Alter der Flotte nicht älter als fünf Jahre sein. Eini- ge Verträge schreiben vor, dass alle neuen Dieselbusse Als konkrete Zielgrößen für den ÖPNV wurde Mitte der mit einem Partikelfilter ausgestattet sein müssen. Da es 1990er Jahre das politische Ziel ausgegeben, die Anzahl in Göteborg, wie auch in anderen schwedischen Städ- der ÖPNV-Fahrten bis 1999 um 20 Prozent und den ten, eine sogenannte »Umwelt-Zone« gibt, in denen Kostendeckungsgrad innerhalb von zwei bis drei Jah- nur Fahrzeuge mit niedrigen Emissionen fahren dürfen, ren auf 50 Prozent zu erhöhen. benötigen auch alte Busse, die in dieser Zone unter- wegs sind, einen Partikelfilter. Umsetzung Um Anreize für eine hohe Angebotsqualität zu schaf- Die ersten Ausschreibungen in Göteborg fanden 1992 fen, erhalten die Unternehmen 25 Prozent der Fahr- statt und umfassten rund ein Drittel des Busverkehrs. gasteinnahmen. Normalerweise gehen alle Einnahmen Weitere Ausschreibungen folgten 1996 und 1998. Mitte an die Ausschreibungsbehörde und die Unternehmen 2003 fand die letzte Ausschreibung statt, bei der ins- erhalten lediglich die vereinbarte Provision pro gefah- gesamt zwei Drittel des gesamten Busnetzes neu zu renem Kilometer. Einige Verträge beinhalten spezielle vergeben waren. Ende 2002 wurde auch der Fährver- Vorgaben an die Angebotsqualität und Qualitätskon- kehr ausgeschrieben, Straßenbahnen sind bis mindes- trolle, die von einem unabhängigen Marktforschungs- tens 2010 nicht Gegenstand von Ausschreibungen. institut untersucht wird. Ergebnisse Abgasemissionsanforderungen in Göteborg (Verkehrsvertrag Sept. 2003) Die Einführung des Ausschreibungswettbewerbs war – Verkehrsnetz Partikel Stickoxidausstoß* wie in ganz Schweden – sehr erfolgreich. Zwischen 1990 Regionalverkehr 0,02 g/kWh (= EEV) 6,0 bis 3,8 g/kWh und 1997 stiegen die Fahrgastzahlen um 7,5 Prozent, Stadtverkehr (Teilnetz 1) 0,02 g/kWh (= EEV) 5,0 bis 2,0 g/KWh obwohl durch Routenoptimierungen die gefahrenen Buskilmeter um sieben Prozent sanken, d.h. die Auslas- Stadtverkehr (Teilnetz 2) 0,02 g/kWh (= EEV) 4,0 bis 2,0 g/kWh tung konnte deutlich verbessert werden. Die Gesamt- * Durchschnitt der Flotte in jährlichen Stufen 2004 bis 2010 sinkend, entspricht einer Absenkung von ausgaben für den ÖPNV sind zwar leicht gestiegen, EURO 3 auf EEV aber aufgrund der gestiegenen Fahrgastzahlen bei ledig- lich leicht erhöhten Tarifen sank zwischen 1991 und 1998 der öffentliche Zuschuss der Stadt um 30 Prozent. Umweltstandards Damit hat sich der Kostendeckungsgrad seit 1991 von rund 30 Prozent bis 2003 auf 60 Prozent erhöht. Bereits bei den ersten Ausschreibungen wurden beson- Gegenwärtig haben 40 Busunternehmen einen Vertrag dere Anforderungen an die Umweltverträglichkeit des mit Västtrafik, wobei rund die Hälfte der bestellten Bus- ÖPNV gestellt. Ein Stadtratsbeschluss von 1988 sah verkehre auf die Region Göteborg entfallen. ursprünglich vor, keine Dieselbusse mehr anzuschaffen. Aufgrund seinerzeit fehlender Alternativen formulierte Alle Umweltvorgaben in den Ausschreibungen wurden man dies in spezielle Anforderungen an Kraftstoffe und erfüllt. Gegenwärtig liegen die Durchschnittswerte der Abgasemissionen um. Man kam zur Erkenntnis, dass Busemissionen in Göteborg bei den Stickoxiden um 25 nicht die Technik entscheidend sei, sondern die Einhal- Prozent unterhalb des EURO 3-Werts und bei den Par- tung der Grenzwerte. Seit 1993 darf nur noch schwe- tikeln wird fast EURO 4/5 erreicht. 1998 waren bereits felfreier Diesel verwendet werden und es gelten seit- über die Hälfte aller Dieselbusse mit einem Partikelfil- dem jährlich verschärfte Anforderungen an die Fahr- ter ausgestattet. Daneben setzen die Unternehmen auch zeugemissionen, definiert als Flottensummenwerte. auf den Erdgasantrieb. Der Anteil biologischer Kraft- 1999 lag der einzuhaltende Wert für Stickoxide auf dem stoffe (i. d. R. Biogas) beträgt mittlerweile rund 25 Pro- Niveau, das erst 2001 durch Inkrafttreten der EURO 3 zent. Norm für alle Neufahrzeuge verpflichtend war. In der letzten Ausschreibung in 2003 ging man noch einen Auch die Sozialstandards wurden erfüllt. Die Gehälter Schritt weiter: Für alle Busse gilt bei den Partikelemis- der Busfahrer blieben in den ersten Jahren konstant. sionen der EEV-Grenzwert und die Stickoxid-Emissio- Seit 1999 steigen sie aufgrund der gestiegenen Nach- nen müssen in jährlichen Stufen bis 2010 von EURO 3 frage nach öffentlichen Verkehrsdienstleistungen und 12 Zukunftsfähiger Nahverkehr
dem generell niedrigen Anteil gut ausgebildeter Bus- ren nach wie vor die städtischen Eigenbetriebe. Sie fahrer auf dem Arbeitsmarkt. erhalten Konzessionen ohne Ausschreibung. Diese Pra- xis hat lange Tradition und ist bezeichnend für geschlos- Lediglich bei einer Ausschreibung kam es zu Proble- sene Märkte, die diese Unternehmen vor Wettbewerb men. Es wurde gefordert, dass das alte Personal sowie schützt. die Erdgastankstellen-Infrastruktur vom Gewinner der Ausschreibung zu übernehmen sind. Laut Gerichtsbe- Anders sieht dies beim Schienenpersonennahverkehr schluss ist dies jedoch nicht zulässig. aus. Im Zuge der Regionalisierung wurde die Aufga- ben- und Finanzhoheit auf die Bundesländer und ver- Generell kann gesagt werden, das die Ausschreibun- einzelt auf Verkehrsverbünde übertragen. Sie erhalten gen in Göteborg zu einer Erhöhung der Fahrgastzah- dafür vom Bund entsprechende Finanzmittel, die sie zur len und einer Steigerung der Umwelt- und Sozialstan- Bestellung von Schienennahverkehrsleistungen einset- dards bei gleichzeitig sinkenden Kosten geführt haben. zen können. Zahlreiche Bundesländer haben dabei auch Die eingesparten Gelder wurden für die Ausweitung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einzelne Stre- des Angebots sowie zur Beibehaltung günstiger Fahr- cken im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung zu preise eingesetzt. vergeben. Dort wo Strecken ausgeschrieben wurden, konnte das Angebot teilweise deutlich verbessert und Weitere Informationen: neue Fahrgäste gewonnen werden. Gleichzeitig haben Ragnar Domstad, Västtrafik GO, Box 405, die Länder erhebliche Finanzmittel eingespart. Häufig S-40126 Göteborg, E-Mail: ragnar.domstad@ kamen auch Wettbewerber der Bahn zum Zug, wie z.B. vasttrafik.se Connex. Dennoch liegt der Marktanteil der DB im Schie- nenpersonennahverkehr immer noch bei über 90 Pro- zent. Aufgrund europarechtlicher Vorgaben und zu erwar- Vorbereitungen tender Änderungen ist inzwischen bei zahlreichen Städ- auf den Wettbewerb ten und Verkehrsunternehmen die Erkenntnis gereift, dass auch im kommunalen ÖPNV wettbewerbliche Ele- in Deutschland mente Einzug halten werden. Nicht zuletzt das EuGH- Urteil zur öffentlichen Finanzierung (s. o.) erfordert Ausschreibungen im ÖPNV sind in Deutschland grund- Änderungen der bisherigen Praxis. So bereiten sich sätzlich möglich. Bei der letzen Änderung des Perso- bereits einige Städte und Unternehmen auf den kom- nenbeförderungsgesetzes in 1996 wurden Regelungen menden Wettbewerb vor. Die folgenden Beispiele zei- für »gemeinwirtschaftliche Verkehre« aufgenommen, gen, wie deutsche Kommunen und Verkehrsunterneh- wonach diese entweder durch Auferlegung oder durch men sich auf den kommenden Wettbewerb vorberei- Ausschreibung zu vergeben seien. Dennoch sind Aus- ten und dabei gleichzeitig Umwelt- und Qualitätsstan- schreibungen kommunaler Verkehrsleistungen bisher dards berücksichtigen. Für alle Fälle gilt: Politischer Wille eher die Ausnahme. Auf kommunaler Ebene dominie- ist die entscheidende Triebfeder. Der Wettbewerb im Schienenpersonennahver- kehr hat innovative Potenziale in Deutschland freigesetzt. FOTO: ARCHIV Zukunftsfähiger Nahverkehr 13
Demonstrationsprojekt Anspruchsvolle Umweltstandards im ÖPNV-Wettbewerb Um zu untersuchen, wie sich Aufgabenträger und Ver- kehrsunternehmen unter Berücksichtigung von Umwelt- schutzkriterien strategisch auf den künftigen Wettbe- werb vorbereiten, hat das Bundesumweltministerium 2002 ein Demonstrationsprojekt gestartet und nach vorbildlichen Konzepten gesucht. Die besten Konzep- te bei den Verkehrsunternehmen stammen von den Ber- liner Verkehrsbetrieben (BVG) und der Stadtverkehrs- Neues ÖPNV-Gütesiegel »Zitronenfalter«. Wird vom gesellschaft Frankfurt (Oder). Die BVG reichte ihr Vor- BMU für nachgewiesen innovative Anwendung anspruchsvoller Umweltstandards im ÖPNV vergeben. haben zur Anschaffung 25 neuer Dieselbusse ein, die erstmals den EEV-Standard erfüllen. In Frankfurt (Oder) ging man einen Schritt weiter: Die gesamte Busflotte bestehend aus 22 Dieselbussen sollte durch neue Erd- Bei den Aufgabenträgern überzeugte das Konzept der gasbusse, ebenfalls nach EEV-Standard, ersetzt werden. Region Hannover. Hier wird gegenwärtig im Rahmen Mittlerweile fahren diese sauberen Busse sowohl in Ber- einer »virtuellen Ausschreibung« mit verschiedenen lin als auch in Frankfurt (Oder). Laut Umweltministe- Aufgabenträgern und Verkehrunternehmen aus Nieder- rium ist die Entwicklung dieser emissionsarmen Fahr- sachsen und Bremen der »Ernstfall« geprobt. Dabei wird zeuge erst durch den Wettbewerb der verschiedenen auch untersucht, welche Umweltstandards praktikabel Antriebstechniken forciert worden. In einem beglei- sind. tenden Kostenmonitoring wurden die Systemkosten sowie die umweltseitigen Effekte im Rahmen einer Life- Weitere Informationen: cycle-costs-Analyse mit einem herkömmlichen Diesel- Gabriela Felder, Verkehrsverbund Berlin-Branden- bus nach EURO 3-Standard mit Partikelfilter verglichen. burg GmbH, Hardenbergplatz 2, 10623 Berlin, Erste Ergebnisse belegen, dass die Mehrkosten von EEV- Tel. 0 30/2 54 14-345, E-Mail: gabriele.felder@ Bussen vernachlässigt werden können. Im Gegenteil: vbbonline.de Der Einsatz umweltfreundlicher Busse kann Risiken ver- meiden, die durch die verschärften Anforderungen an die Luftqualität und die damit verbundenen möglichen Frankfurt (Oder) Verkehrsbeschränkungen für Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß betreffen könnten. Auch der Wieder- Frankfurt (Oder) hat rund 68 000 Einwohner und besitzt verkauf alter Busse wird aufgrund verschärfter Import- mit der Stadtverkehrsgesellschaft mbH Frankfurt (Oder) bestimmungen in Osteuropa und sogar in Afrika zuneh- ein eigenes Verkehrsunternehmen. Die Stadtverkehrs- mend schwieriger. gesellschaft betreibt zehn Bus- und sechs Straßen- Die umweltfreundlichste Busflotte Europas fährt in bahnlinien. Wie bereits oben ausgeführt, wurde das Frankfurt (Oder). Kundenzufriedenheit mit dem ÖPNV in Frankfurt (Oder) 2001 und 2003 (Auszug) – in Prozent Sehr zufrieden und zufrieden 2001 2003 sind Kunden mit … Fahrzeuge 64 96 Sicherheitsgefühl 69 88 Pünktlichkeit 66 84 Zuverlässigkeit der Anschlüsse 41 71 Platzangebot 55 71 Sauberkeit 50 81 Haltestellen 63 71 Preis-Leistungsverhältnis 20 35 Verkaufsstellen/Kundenberatung 40 79 Qualität der Auskünfte 48 78 FOTO: VBB Linien-/Fahrplanangebot 41 76 14 Zukunftsfähiger Nahverkehr
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