MOOR-FIBEL Mehr Moor für Arten- und Klimaschutz Dezember 2021 - Jutta Paulus
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INHALT INHALT 4 Vorwort – Die Bedeutung unserer Moore 26 Vorstellung beispielhafter Moor-Projekte • Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen 6 Was ist ein Moor? Oberes Rhinluch, Brandenburg • Naturnahe Hochmoore • Anbau von Torfmoos-Biomasse im Hankhauser Moor, • Kalkreiche Niedermoore Landkreis Ammerland in Niedersachsen • Großseggenriede • Torfmoor-Schlenken 30 Mit Landschaftspflege zur Klimawirt*in • Saure Kleinseggen-Niedermoore und • Moor muss nass! Waldbinsensümpfe • Nahrungsmittel • Schwingrasenmoore • Heilpflanzen • Torfmoose 14 Was können Moore? • Landnutzung braucht Land! © Sarah Heuzeroth • Was man selbst tun kann 18 Moorschutz in der Europäischen • Moor-Zertifikate Illustration: Biodiversitätsstrategie 2030 • Gesellschaftlicher Wandel und eine neue Umweltethik? • Ein zusammenhängendes Netz von effektiven Schutzgebieten 36 Grüne Forderungen für • Ein Renaturierungsgesetz zur Wiederherstellung Wiedervernässung und Nutzung von Ökosystemen an Land und im Meer • Natura 2000 • Glossar • Was geschieht, wenn die Mitgliedstaaten diese Ziele • Abkürzungen und gesetzlichen Vorgaben nicht umsetzen? • Endnoten • Literatur 22 Wenig Fläche - große Wirkung! • Impressum Besuchen Sie auch unsere Internetseite jutta-paulus.de/themen/moorschutz 3
VORWORT Die Bedeutung unserer Moore Mit dieser Broschüre möchte ich für unsere wertvollen Feuchtgebiete und Moorlandschaften werben. Wir haben sie viel zu lange unterschätzt: ihre Bedeutung für die Artenvielfalt, ihre Rolle im Wasserkreislauf, ihr Potential beim Klimaschutz und ihre Leistungen in der notwendigen Anpassung an die Klimaveränderungen. Die krisenhaften Zeiten zu Beginn der 2020er feuchter Biotope für nachhaltig in der Region pro- Jahre zeigen es allzu deutlich: Der Schutz unserer duzierte Güter zu nutzen. natürlichen Lebensgrundlagen, der biologischen Als Mitglied des Europäischen Parlaments habe Vielfalt und eines stabilen Klimas müssten im über- ich mich dem Moorschutz verschrieben, bisher geordneten öffentlichen Interesse liegen. Unsere zwei Konferenzen1 zum Thema veranstaltet sowie Art zu wirtschaften muss sich zukünftig an den die Webinar-Reihe „Amore für die Moore“2 ins Planetaren Grenzen orientieren, wollen wir weiter Leben gerufen. in Wohlstand und mit hoher Lebensqualität leben. Es ist unmöglich, hier alle zu erwähnen, die mich Andere Formen des Wirtschaftens bedürfen dabei unterstützt haben, den Moorschutz und die neuer Wertschöpfungsketten. Wenn der Weg zu Wiederherstellung dieser besonderen Lebensräume neuen Einnahmequellen gesichert ist, wenn es auf die politische Bühne des Europäischen Nachfrage und Abnahmegarantien gibt, passt Parlaments zu heben. Dennoch möchte ich einige sich die Produktion, also auch die Form der Personen besonders herausstellen: Landbewirtschaftung entsprechend an. Als Vertreter der Europäischen Umweltagentur, Ich möchte mit dieser Broschüre den Blick auf deren hervorragend aufbereitete wissenschaft- die Potenziale humusreicher organischer Böden in liche Daten und wertvolle Berichte eine wich- Deutschland lenken, die uns beim Schutz seltener tige Basis für meine Arbeit darstellt, möchte ich Arten und als CO2-Senken große Dienste leisten Carlos Romão nennen, der zu Biodiversität können. Nicht zuletzt dank der herausragenden und natürlichen Ressourcen arbeitet. In der wissenschaftlichen Arbeiten und dem Wirken von Generaldirektion Umwelt der Europäischen inzwischen über 70 Wissenschaftler*innen am Kommission ist Humberto Delgado Rosa, Greifswald Moor Centrum (GMC) bietet sich eine Direktor für Naturkapital, ein wichtiger große Chance, die natürliche Leistungsfähigkeit Verbündeter. Der unvergleichliche „Moorpapst“ 4
VORWORT Allen, die an meinen Aktivitäten zum Moor beteiligt waren und sind, meinen herzlichsten Dank! Prof. Dr. Dr. h.c Hans Joosten, emeritierter gen der landläufigen Ansicht geht es im euro- habe ich bei meinen Besuchen in ehemaligen Professor für Moorstudien und Paläoökologie an päischen Arten- und Naturschutz nicht nur um Moorlandschaften Hinweisschilder gesehen, die der Universität Greifswald, hat mir seine Zeit und Wildnisgebiete, sondern auch um eine nachhaltige stolz von der Urbarmachung der vormals „unnüt- Expertise zur Verfügung gestellt, desgleichen Dr. Nutzung von Flächen. Zum globalen Einsatz für zen“ Flächen berichteten. Franziska Tanneberger, Leiterin des Greifswald Biodiversität gehört auch, dass wir Nahrungsmittel Deshalb möchte ich einen kleinen Beitrag zur Moor Centrum (GMC) und ihr Team. Aus Irland habe und Rohstoffe, die wir in Deutschland benöti- Aufklärung leisten und meine Faszination für den ich wertvollen Input von Kate Flood, Forscherin an gen, nicht länger auf Kosten der Natur in anderen Lebensraum Moor mit Euch und Ihnen teilen. Viel der National University of Ireland Galway erhalten, Ländern importieren. Spaß beim Erkunden. die beispielhaft gezeigt hat, wie Moorrenaturierung Unfassbare acht Millionen Kubikmeter Torf wer- als Gemeinschaftsprojekt funktionieren kann. den jährlich in Deutschland verwendet, davon fast Eure Jutta Paulus, Und in Finnland ist Terhi Lehtonen, finnische zwei Drittel im Erwerbs-Gartenbau. Gut die Hälfte Mitglied des Europäischen Parlaments Staatssekretärin für Klima und Umwelt, eine wich- wird in Niedersachsen abgetorft, der Rest wird tige Verbündete. Allen, die an meinen Aktivitäten importiert, überwiegend als Weißtorf aus den bal- zum Moor beteiligt waren und sind, meinen herz- tischen Staaten.3 Dabei gibt es Alternativen, die lichsten Dank! die gleiche Funktion erfüllen - und nur gering- Ich werde mich als Europaabgeordnete fügig teurer sind. Dennoch wird in den meisten dafür einsetzen, rechtsverbindliche Ziele für Gartenmärkten überwiegend torfhaltige Erde die Wiederherstellung von Feuchtgebieten und angeboten, auch in „Bio-Qualität“. Ich glaube, dass Torfmooren in der EU festzulegen. Neben dem vielen Menschen die Bedeutung der Moore und Schutz für intakte Moore gemäß der Fauna-Flora- die Schädlichkeit des Torfabbaus nicht bewusst Habitat-Richtlinie braucht es Anreize, um eine ist. In den vergangenen beiden Jahren habe ich naturverträgliche Bewirtschaftung wiederver- häufig in verblüffte Gesichter geschaut, wenn ich nässter Flächen zu ermöglichen. Denn entge- von meiner Arbeit berichtet habe. Und viel zu oft 5
WAS IST EIN MOOR? Was ist ein Moor? Moore sind Biotope, die von wasserliebenden Pflanzengesellschaften geprägt sind. Man unterscheidet zwischen Hochmooren, die nur von Regenwasser gespeist werden, Niedermooren, die zusätzlich durch hohe Grundwasserstände dauerfeucht bleiben, sowie küstenbeeinflussten Mooren, bei denen das Meer eine Rolle im Wasserhaushalt spielt. Moore sind also Lebensgemeinschaften, bei denen Wasser von entschei- dender Bedeutung ist. Es kommen hier ganz besondere Pflanzen und Tiere vor, die sich sehr auf diesen außergewöhnlichen Lebensraum mit mehr oder weniger hohen Wasserständen spezialisiert haben. Je nach den geolo- gischen Voraussetzungen und Umwelteinflüssen haben sich verschiedene Biotoptypen herausgebildet. Das Wachstum der Hochmoore begann vor ca. 12.000 Jahren nach der letzten Eiszeit. In der Norddeutschen Tiefebene sowie im Alpenvorland hinter- ließen die zurückgehenden Gletscher nicht nur Toteis, das die Böden durch- feuchtete, sondern auch immense Mengen tonreichen Schlamms, der eine ideale Abdichtung darstellt. So entstanden großflächige Moorlandschaften. Ein intaktes Moor konserviert abgestorbene Pflanzen samt dem darin gespeicherten Kohlenstoff im feuchten Boden. Es wächst jährlich einen Millimeter in die Höhe. Über die Jahrtausende haben sich meterhohe Schichten an verdichteter, konservierter Biomasse im Voralpenraum, an den Altarmen großer Flüsse oder in den Urstromtälern an der Grenze der letzten Vereisungen gebildet. Legt man ein Moor trocken und gelangt Luft an diese „organisch gewachsenen“ Böden, wird der darin gespeicherte Kohlenstoff als Hochmoor in den Alpen CO2 zurück in die Atmosphäre entlassen. Der Boden zersetzt sich und sackt Foto: © Peretz Partensky, commons.wikimedia.org Bearbeitung: Agentur 3undzwanzig dadurch ab. 6
WAS IST EIN MOOR? Wasserverdunstung / Wasserrückhalt (Interzeption) Biomasse-Wasserspeicher einsickerndes infiltrierendes Oberflächenabfluss Regenwasser Oberflächenwasser Durchströmung wechselnder Grundwasserspiegel Kapillarfluss seitlicher Zufluss Gewässer Torf oberflächennahen Ufer-Speicher Grundwassers seitlicher Schichtfluss (Strömungsumkehr) Porendurchfluss Asche-/ Tonschicht seitlicher Durchfluss verdunstungsbedingter Sog Tiefenströmung Wasserverlust Tiefenströmung am hochströmender Zufluss (absteigender Durchfluss Übergang Torf/Gestein Dolomitisches Grundgestein Aufsteigender artesischer Wasseraustritt aus grundwasserführender gespannter Karstschicht schneller, konzentrierter Fluss langsamer, diffuser Matrixfluss Grafik: Frank Winde, verändert (Erstveröffentlichung in: Water 2011, 3 346) 7
WAS IST EIN MOOR? Naturnahe Hochmoore Jeder kennt Hochmoore, obwohl dieser Rundblättriger Sonnentau (Drosera rotundifolia) und Sumpf-Bärlapp (Lycopodiella inundata) Lebensraum in Deutschland heute extrem selten Foto: © Christof Martin ist. Befahren lassen sich Hochmoore nicht, denn sie sind sehr nass. Sie werden allein vom Regen Weitere typische Pflanzen sind das Wollgras (Erio- gespeist, das Wasser wird im Moor wie in einem phorum sp.), diverse Binsen (allein in Deutschland Schwamm gespeichert. Die dort vorherrschen- gibt es 29 verschiedene Arten) sowie die Moos- beere (Vaccinium oxycoccos) und die Rauschbeere den Torfmoose bestehen zu über 90 Prozent aus (Vaccinium uliginosum). Viele Insektenarten, wie Wasser – der Wasseranteil ist höher als bei Milch. Hochmoor-Laufkäfer, Hochmoor-Gelbling, Moos- beerenbläuling, Moor-Perlmuttfalter, aber auch Das Phantastische am Torfmoos (Sphagnum sp.) Torf-Mosaikjungfer, Hochmoor-Mosaikjungfer, ist seine Fähigkeit, immer weiter zu wachsen. Die Moosjungfern oder Smaragdlibellen kommen nur hier vor. Auch die sehr seltene, giftige Kreuzotter im Wasser versinkenden Pflanzenteile sterben ab ist eine typische Hochmoorart. Für Schwarz und bilden über die Jahre meterdicke Schichten. kehlchen, Bekassine, Brachvogel, Sumpfohreule, Ziegenmelker und Raubwürger ist dieser Biotoptyp Da die Pflanze in der Lage ist, fast ohne mine- der wichtigste Lebensraum. ralische Nährstoffe und bei nasser, eher küh- ler Witterung aus atmos phärischem Kohlenstoff (CO2) Zuckermoleküle und Biomasse zu bilden, kann Torfmoos praktisch konkurrenzlos wachsen. Intakte Hochmoore sind als Ökosystem selbst- Oft werden aus alten Torfabbaugebieten regulativ und dadurch recht widerstandsfähig Naturschutzflächen. Der im Torf gespeicherte gegenüber Störungen, solange sich das Klima und Kohlenstoff ist allerdings verloren. der Nährstoffhaushalt nicht erheblich verändern. Natürlicherweise überleben im Hochmoor nur Hochmoore sind in Deutschland mittlerweile Spezialisten, also einige wenige Arten, die heute sehr selten und streng geschützt. Dennoch fin- nur noch an einzelnen Fundorten vorkommen. det hier noch Torfabbau statt, hauptsächlich in So haben sich fleischfressende Pflanzen wie die Niedersachsen. Neue Abbaugenehmigungen wer- Sonnentaue (Drosera rotundifolia, Drosera inter- den kaum noch erteilt, und nach der Abtorfung ist media) den nährstoffarmen Bedingungen im Moor meist eine Wiedervernässung vorgeschrieben. angepasst, indem sie Insekten mit ihren klebrigen Blättern einfangen, um aus ihnen Stickstoff und andere Mineralien zu gewinnen. 8
VORWORT Emission - 4 Tonnen (Aufnahme) bis 8 Tonnen (Abgabe) CO2-Äq./ha/Jahr Natürliche Moore • Nur noch 2 Prozent der deutschen Moore sind intakt. • Natürliche Moore sind ein wich- tiger Lebensraum für geschützte Pflanzen- und Tierarten. • Böden natürlicher Moore bestehen aus jahrhundertealten Torfschichten mit darin gespeichertem Kohlenstoff. • Kohlenstoff wird gespeichert, weil ein permanent hoher Wasserstand abge- storbene Pflanzenreste im Boden konserviert. C C Illustration: © Sarah Heuzeroth C Torf bleibt erhalten und wird neu gebildet 9
WAS IST EIN MOOR? Nasswiesen sind gutes Weideland für Wasserbüffel und Galloway-Rinder Kalkreiche Niedermoore Foto: © Peter Roggenthin Niedermoore sind ebenfalls natürlicherweise sehr nasse Lebensräume. In sumpfigen Niederungen und Senken hält sich die Feuchtigkeit und liegt bei kühleren Temperaturen oft schwer als Nebelschwaden in der Luft. Niedermoore speichern nicht nur Regenwasser, sondern werden zusätzlich von Grundwasser gespeist. Sie schaffen sich ihr eigenes Mesoklima, indem die üppige Vegetation durch Verdunstung die Umgebung kühlt und haben damit erheblichen Einfluss auf den Wasserkreislauf. In der Überlieferung gelten Niedermoore als finstere und todbringende Orte, dabei sind gerade die kalkreichen Standorte oft blütenreiche, bunte Wiesen. Am Alpenrand gibt es solche Moore sogar in Hanglage, sogenannte Quellmoore. Außer in kalkreichen Gebieten der Mittelgebirge und im Norddeutschen Tiefland finden sich kalkreiche Niedermoore insbesondere in den Brandenburger und Mecklenburger Seenplatten. Hier wachsen viele verschiedene Seggen, Binsen und Sumpfmoose, Wollgras und etli- che Orchideen. Es blühen Mehlprimel (Primula farinosa), Simsenlilie (Tofieldia calyculata), Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris), Fettkraut (Pinguicula vulgaris) und verschiedene Arten Knabenkraut (Orchis, Dactylorhiza). Niedermoore sind auch die Heimat sehr selte- ner Schmetterlinge, wie dem Großen Wiesenvögelchen. Auch Heuschrecken, wie die Große Goldschrecke, und Libellen, wie die Helm-Azurjungfer und der Kleine Blaupfeil, sind hier zu finden. Typische Vogelarten sind Wiesenpieper, Bekassine, Neuntöter und Kiebitz. Illustration: © Sarah Heuzeroth 11
WAS IST EIN MOOR? Großseggenriede Entlang von Flüssen und in Flussniederungen finden sich große niedermoo- rige Flächen mit Seggen, die zu den Sauergräsern zählen. Großseggenriede gibt es auch in Kombination mit Röhricht- und Schilfbeständen. Aufgrund ihres geringen Nährwertes sind Sauergräser für Nutztiere - insbesondere für hochgezüchtete, leistungsstarke Rassen - nicht geeignet. Auch kann man die feuchten Wiesen nicht mit herkömmlichen schweren Landmaschinen befahren. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurden solche Flächen durch Gräben und Drainagen aufwendig entwässert, um sie für Landwirtschaft und Besiedlung nutzbar zu machen. Natürlicherweise sind Großseggenriede sehr beständige, struk- tur-und artenarme Lebensräume, die selbstregulativ zur Pufferung des Landschaftswasserhaushalts beitragen. Neben den strukturbildenden Seggen (Carex spec.) wachsen Sumpf-Helmkraut (Scutellaria galericulata), Straußblütiger Gilbweiderich (Lysimachia thyrsiflora) und das Sumpflabkraut (Galium palustre). Der standort- typische Seggenrohrsänger ist in Deutschland fast ausgestorben, auch Schilfrohrsänger, Bekassine, Wach- telkönig und verschiedene Schnepfenarten, die hier brüten, sind in ihrem Bestand gefährdet. Bekassinen brüten in Feucht wiesen, Sümpfen und Mooren Foto: © Jag Images, Adobe Stock Torfmoor-Schlenken Blauer Moorfrosch zur Paarungszeit Foto: © Thomas Pitsch Wechselfeuchte Schlenken sind wassergefüllte Vertiefungen, die zeitweise trocken fallen oder auch zufrieren können. Die Torfmoos-Auflage ist gering, es besteht aber Entwicklungspotenzial. Wird in aufgelassenen alten Torfstichen oder Senken der landschaftstypische Wasser- und Nährstoffhaushalt wieder hergestellt, können viele bedrohte Hochmoorarten hier einen Lebensraum finden. Auch eine gezielte Bewirtschaftung mit Paludikulturen - also Kulturen, die auf nassen Standorten angebaut werden - erhöhen die Nischen, in denen sich heute seltene Arten wieder ansiedeln können. Torfmoor-Schlenken finden sich beispielsweise in der Lüneburger Heide, in Westfalen oder in der Nähe der Alpen. 12
DAS BIOTOP MOOR Saure Kleinseggen- Niedermoore und Waldbinsensümpfe Auf saurem Ausgangsgestein mit Staunässe oder bei sehr hohem Grundwasserstand sind durch die menschliche Nutzung Kleinseggen-Niedermoore entstanden. Werden diese sauren Wiesen mit Seggen, Binsen und Wollgräsern nicht mehr beweidet oder gemäht, entwickeln sie sich zum Birken- oder Erlenbruch. Damit die offenen feuchten Wiesen für Tagfalter, Libellen und den Grasfrosch als Lebensraum erhalten bleiben, sollten sie am besten durch robuste Rinderarten ganzjährig extensiv beweidet werden. Obwohl Moore als eigendynamisches Ökosystem viele Leistungen auf natürliche Weise erbringen, sind sie meist keine unberührten Naturlandschaften oder Wildnisgebiete. Die Entnahme von Biomasse kann auf die natürliche Entwicklung der Lebensgemeinschaft durchaus positive Auswirkungen haben. Schwingrasenmoore Ein ursprünglich in ganz Deutschland verbreiteter, aber inzwi- schen sehr seltener Lebensraumtyp sind die Schwingrasenmoore mit ihren verfilzten Vegetationsdecken aus Torfmoosen. Als Übergangsmoore am Rande von Hochmooren oder an nähr- stoffärmeren Gewässern können sie sich nur entwickeln, wenn weder Nährstoffe noch Abwässer eingetragen werden und keine mechanische Beschädigung durch Betreten oder Befahren mit Booten erfolgt. Birken-Erlenbruch im Landstuhler Bruch Foto: © Niko Martin 13
WAS KÖNNEN MOORE? Was können Moore? Ihr vorherrschendes Merkmal: Moore bilden Torf. Torf von Hochmooren wird seit Jahrtausenden Durchschnittlich wächst Torfmoos 10 cm pro vom Menschen genutzt, als Substrat oder als Sommersaison. Die höchste Wachstumsrate - bis Brennstoff. Oft galten Moore auch als magische zu mehr als 40 cm pro Sommer - kommt bei Orte, an denen Opfer aller Art dargebracht wurden. Sphagnum cuspidatum vor. Schneelasten und Moorleichen sind für die Archäologie besonders Frost im Winter drücken das fast ausschließlich wertvoll, denn das sauerstofffreie Moor konserviert aus Wasser bestehende Torfmoos stark zusammen, das organische Material, sodass Kleidung oder die Biomasse wird komprimiert. Torfmoose gelten hölzerne Beigaben und sogar Haare hervorragend als die bisher effizienteste Art, CO2 aus der Luft erhalten bleiben. abzuscheiden und als Biomasse zu binden. Diese Der Erwerbs-Gartenbau schätzt den nährstoff- Möglichkeit, flächenhaft Kohlenstoff auf natürliche armen und sauren Boden für die Kultivierung. Vor Weise speichern zu können, hat in der Klimakrise allem Jungpflanzen werden auf Torf gezogen, denn große Bedeutung. das gestochene Natursubstrat ist sehr einheitlich, Die bisherige Bewirtschaftung organischer nährstoffarm und frei von Samen. Es wird mittels Böden, nämlich die Entwässerung und mit- Kalk und Dünger auf den für die jeweilige Pflanze unter auch noch mechanische Störung durch passenden pH-Wert und Nährstoffgehalt gebracht. Pflügen, führt dem Boden Sauerstoff zu. Dadurch Dadurch ist das Wachstum auf Torfsubstraten sehr kommt es zur Zersetzung der Biomasse und gut steuerbar. Das bedeutet für den professio- Freisetzung von Kohlendioxid. Das früher übliche nellen Gartenbau Produktionssicherheit und bes- Tiefpflügen ist Gift für die Moore. Es fördert sere Planbarkeit der Qualitäten und Absatzmengen. die Zersetzung der Torfauflage. Die derzeitigen Torfmoos Moorböden sind im Gegensatz zu Mineralböden, Experimente zum Tiefpflügen auf Ackerböden zur Illustration: © Sarah Heuzeroth die aus „zermahlenen Steinen“ bestehen, orga- verstärkten Kohlenstoffspeicherung simulieren nisch gewachsen. In ihnen sind 1,2 Milliarden Moorverhältnisse, nämlich die Abtrennung von Rechte Seite: Entwässerungsgräben ziehen sich durch die Tonnen Kohlenstoff gespeichert - allein in Humus vom Sauerstoff in tiefere Erdschichten, Niederungen mit organischen Böden Deutschland! Damit sind sie der größte Speicher zerstören aber den kompletten Lebensraum der Foto: © Jenni Follmann an Land. Allerdings wachsen sie sehr langsam. Bodenlebewesen der Humusauflage. 14
WAS KÖNNEN MOORE? 15
VORWORT CH4 Bodenemissionen Grünland im Durchschnitt 30 Tonnen CO2-Äq./ha/Jahr N2O Bodenemissionen O2 Acker im Durchschnitt CO2 40 Tonnen CO2 CO2-Äq./ha/Jahr O2 0,6-1,5 kg C von Mineralböden C Torf wird ca. 4 kg zersetzt von Moorstandorten C Fußabdruck von 1 Kilogramm Milch 16 in Kilogramm CO2-Äquivalent
WAS KÖNNEN MOORE? Entwässerte Moore Entwässerte Moore sind in Deutschland für sechs Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen • 7 Prozent der landwirtschaftlichen verantwortlich.4 Das verursacht gesellschaft- Fläche (17.800 km2) liche Kosten zwischen 2,8 und 8,6 Milliarden Euro jährlich (UBA 2019). Hebt man die Wasserstände • 37 Prozent der Treibhausgase aus in entwässerten Mooren wieder an, bringt der Landwirtschaft das eine erhebliche Minderung klimaschäd- • Moore werden vor allem für die land- licher Emissionen mit sich. Nur so könnte die wirtschaftliche Nutzung entwässert Landwirtschaft ihre Treibhausgas-Reduktionsziele, und dabei zu wahren Klimakillern die im Klimaschutzgesetz5 festgeschrieben sind, erreichen. • Im entwässerten Moor kommt es zur Bereits Schwarz-Rot hatte eine Moorschutz Durchlüftung des Torfbodens strategie verabschiedet.6 Leider war diese wenig • Dabei oxidiert der Kohlenstoff im Torf ehrgeizig und zielte rein auf freiwillige Maßnahmen. und entweicht als Kohlendioxid in die Mit dem im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbar- Atmosphäre ten Programm „Natürlicher Klimaschutz“ und der begleitenden Nationalen Moorschutzstrategie soll • Der Boden verliert jährlich die großflächige Wiederherstellung artenreicher 1-2 cm an Höhe Biotope als Lebensraum für nur hier vorkommende Arten, wie den Moorfrosch oder das Birkhuhn, erfolgen. Das ist sowohl Klimaschutz als auch Klimaanpassung, denn Moore können die Folgen von Starkregen, Hochwasser oder Dürre abmildern. lllustration: © Sarah Heuzeroth 17
MOORSCHUTZ IN DER EU Moorschutz in der Europäischen Biodiversitätsstrategie 2030 Die EU-Biodiversitätsstrategie skizziert, wie der Artenschutz in der kommenden Dekade gestaltet werden soll. Die Strategie selbst hat keine Gesetzeskraft; die hier formulierten Ziele sollen in den nächsten Jahren durch Richtlinien und Verordnungen konkretisiert und in verbindliche Vorgaben umgesetzt werden. Ein zusammenhängendes Netz von effektiven Schutzgebieten Mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresfläche in der EU sollen gesetzlich geschützt werden, davon ein Drittel - also 10 Prozent der Flächen - streng geschützt. Insbesondere kohlen- stoffreiche Ökosysteme wie Torfmoore, Grünland, Feuchtgebiete und Seegraswiesen sollen streng geschützt werden. Dabei sollen durch die Erderwärmung prognostizierte Vegetationsver schiebungen und Landverluste mitberücksichtigt werden. Alle Schutzgebiete sollen wirksam gemanagt und angemes- sen überwacht werden. Dazu braucht es klare Erhaltungsziele und die entsprechenden Managementpläne sowie Personal zur Umsetzung. Kreuzottern lieben Moorränder mit Sonnenplätzen zum Aufwärmen Foto: © Guntram Deichsel, commons.wikimedia.org 18
MOORSCHUTZ IN DER EU Natura 2000 Natura 2000 - die Strategie zur Erhaltung des Europäischen Naturerbes aus den 1990er Jahren - war mit ihren beiden Richtlinien (Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) ein Meilenstein der Naturschutz-Gesetzgebung. Die Idee, ein zusammenhängendes europäisches Netz von geschützten Gebieten für gefährdete Wildtiere und Pflanzen zu schaffen, wurde mit den bei- den Richtlinien für alle Mitgliedsstaaten verbind- lich geregelt. Gemäß der natürlichen Verbreitung der jeweils heimischen Tier- und Pflanzenarten Das Hochmoor Schwenninger Moos im Schwarzwald ist der Ursprung des Neckars haben die Staaten eine besondere Verantwortung Foto: © Ralf Beikirch, commons.wikimedia.org für ihr jeweiliges Naturerbe, einschließlich der natürlichen Lebensräume. Diese sollen in ihrer Funktionsfähigkeit erhalten werden und müssen Ein Renaturierungsgesetz zur Wiederherstellung daher entsprechend gepflegt und gemanagt wer- den. von Ökosystemen an Land und im Meer Von Natura 2000 sind über 15 Prozent der Land fläche Deutschlands erfasst.9 93 Es sollen unionsweit rechtsverbindliche Ziele für Naturkatastrophen eindämmen können. Das trifft der 231 Lebensraumtypen der Fauna-Flora- die Renaturierung von Ökosystemen gesetzt wer- auf Moore, Feuchtgebiete und nasse Wiesen ganz Habitat-Richtlinie sind in Deutschland vertre- den.7 Zerstörte oder geschädigte Ökosysteme sol- besonders zu. ten. Außerdem sind 138 Arten bzw. Unterarten len wieder in einen gesunden Zustand gebracht Bereits heute gilt das Erhaltungsgebot für alle von gemeinschaftlichem Interesse10 und 110 in werden. So können sie wieder selbstregula- geschützten Lebensräume und Arten. Dennoch der Vogelschutzrichtlinie aufgeführte Arten in tiv ihre Gemeinwohlleistungen erbringen. Denn sind viele Ökosysteme in einem schlechten Deutschland heimisch. Allerdings musste die trinkbares Wasser, saubere Luft und fruchtbare Zustand, der Bestand vieler geschützter Arten ist EU-Kommission gegen die Bundesrepublik meh- Böden verdanken wir gesunden Ökosystemen. Sie nicht stabil. Mindestens 30 Prozent der betroffenen rere Vertragsverletzungsverfahren wegen man- sind die Grundlage für Wohlstand und mensch- Arten und Lebensräume sollen bis 2030 in einen gelnder Umsetzung von Natura 2000 einleiten.11 liches Wohlbefinden. Insbesondere sollen jene günstigen Erhaltungszustand gebracht werden Nicht nur bei der Umsetzung von Natura 2000 Ökosysteme wiederhergestellt werden, die großes oder zumindest einen positiven Entwicklungstrend durch flächendeckende Managementpläne in Potential für die Bindung und Speicherung zeigen.8 den Schutzgebieten, auch bei der Fauna-Flora- von CO2 haben oder die die Auswirkungen von Habitat-Richtlinie selbst gibt es Defizite. › 19
MOORSCHUTZ IN DER EU Im Gegensatz zu den kalkreichen Niedermooren, die als schützenswerter Lebensraumtyp ins Natura 2000-Netz auf- genommen wurden, sind saure Kleinseggen-Niedermoore trotz ihres Arten reich tums bisher nicht geschützt. Ausgerechnet bei der Wiedervernässung von Mooren gibt es Hemmnisse, strengen Schutz gestellt werden. Nicht immer werden die wie das Wiesenumbruchs-Verbot oder die Verpflichtung zum Flächeneigentümer jedoch damit einverstanden sein. Deshalb Flächenausgleich bei der Umstellung auf Paludikultur. Dabei brauchen wir eigene Programme, damit Landwirte mit neuen, hätte eine Bewirtschaftung mit Kulturen, die an dauernasse nachhaltig erzeugten Produkten ein gutes Auskommen erzielen. Böden angepasst sind, positive Auswirkungen. Artenvielfalt In jedem Fall muss der bisherige zerstörerische Umgang und Nährstoffrückhalt, Wasserreinigung und Kühlung und nicht mit Moorböden ein Ende finden. Sowohl Klimaschutz als auch zuletzt die Kohlenstoffbindung werden deutlich verbessert. Klimaanpassung werden nicht ohne nasse Moore möglich sein. Es gibt viele Moor-Biotoptypen, die durch menschlichen Einfluss negativ verändert wurden. In der EU-Biodiversitäts strategie ist das Ziel formuliert, 30 Prozent der degradier- Was geschieht, wenn die ten Ökosysteme bis 2030 zu renaturieren. Die ehemaligen Hochmoore in Deutschland sind bekannt und kartiert: sie könn- Mitgliedstaaten diese Ziele und ten mit entsprechen der Bewirtschaftung wieder zu reichen gesetzlichen Vorgaben nicht Naturlebensräumen werden. Teilweise finden sich dort noch Reste der natürlich vorkommenden Artengemeinschaften - gute umsetzen? Voraussetzungen für eine Erholung! Die Kommission ist nicht nur die Exekutive der Europäischen Fundierte hydrologische Untersuchungen und eine gute Union, sondern auch die „Hüterin der Verträge“. Sie muss über Planung vorausgesetzt, könnten diese Standorte aufge- die Einhaltung europäischen Rechts wachen. Verstoßen die wertet werden. Wo möglich, sollten Moore natürlich unter Mitgliedstaaten dagegen, kann die Kommission ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren einleiten und bei Fortdauern des Verstoßes vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. 20
VORWORT Jährliche Treibhausgas-Emissionen nach Nutzungsart Jährliche Emission aus dem Moorboden (in Tonnen CO2-Äq. pro Hektar) 40 t Ackerland auf entwässertem Moor 30 t Grünland auf entwässertem Moor 0 bis Paludikultur Reduktionspotential 8t Illustration: © Sarah Heuzeroth - 4 bis Naturnahes Moor 8t -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Zahlenangaben nach GMC, Quelle: https://www.greifswaldmoor.de/informationsmaterial.html 21
WENIG FLÄCHE - GROSSE WIRKUNG! Wenig Fläche - Moore mit Paludikultur • Paludikultur ist klimaschonende große Wirkung! Landwirtschaft auf nassem Moorboden • Spezielle Maschinen ermöglichen die Ernte auf nassem Boden • Kohlenstoff bleibt im Boden gebunden • Lebensräume für bedrohte Arten bleiben Moorböden machen nur sieben Prozent der erhalten oder können neu entstehen landwirtschaftlich genutzten Fläche aus, verur- sachen jedoch mehr als ein Drittel aller landwirt- schaftlichen Treibhausgas-Emissionen. Von den 18.250 km² Moorböden12 werden 60 Prozent als Grünland bewirtschaftet und 21 Prozent acker- baulich genutzt. Nur 10 Prozent der Moorböden sind bisher nutzungsfrei und geschützt. Entwässerte Wiesen und Weiden auf organischen Böden sto- ßen jährlich 29 Tonnen CO2 pro Hektar aus, bei Ackerland sind es sogar 37 Tonnen pro Hektar.13 Das Minderungspotential bei einer Umstellung ist mit 70 Prozent überproportional groß. Eine Anhebung des mittleren Wasserstandes um 10 cm führt zur Abnahme des Kohlendioxid-Ausstoßes um etwa fünf Tonnen pro Hektar und Jahr. Allerdings steigt mit dem Wasserstand auch die Ausgasung von Methan, das unter sauerstofffreien Bedingungen durch langsame bakterielle Zersetzung der vor- IST SOLL handenen Biomasse entsteht. Entfernt man vor der Vernässung Um bis 2050 alle Treibhausgas-Emissionen in Deutsch- die Grasschicht und den nährstoff reicheren Oberboden und land auf Netto-Null zu bringen, ist es erforderlich, bringt gleichzeitig moortypische Arten ein, lässt sich der ca. 50.000 Hektar jährlich wiederzuvernässen. Aktuell werden ca. 2.000 Hektar jährlich wiedervernässt. Methanaustritt um bis zu 80 Prozent reduzieren.14 22
VORWORT Abgabe von 0 – 8 Tonnen CO2-Äq./ha/Jahr C C C C Torf bleibt C erhalten und wird neu gebildet C C Illustration: © Sarah Heuzeroth 23
WENIG FLÄCHE - GROSSE WIRKUNG! Mit der Wiederherstellung von offenen Wiesenflächen mit Sommermahd im Grundelfinger Moos in Bayern haben sich die seltenen Wiesenbrüter vervielfacht Foto: © Peter Roggenthin 24
WENIG FLÄCHE - GROSSE WIRKUNG! Eine Wiedervernässung vermeidet die weitere Oxidation Verbreitung der organischen Böden in Deutschland organischen Materials und damit auch die Absenkung des Torfkörpers. Dennoch können wiedervernässte Flächen auch produktiv bewirt schaftet werden. Mit Paludikultur lässt sich eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung mit auf nas- sen Böden kultivierbaren Arten etablieren. Durch die Haltung robuster Tierarten oder den Anbau von Biomasse können so alternative Einkommensquellen erschlossen werden. In Forschungsvorhaben wurden bereits über 400 Arten auf ihre Kultivierbarkeit im Moor untersucht.15 Traditionelle Nutzungen sind der Anbau von Schilf für Dachreet, das heute zu 80 Prozent importiert werden muss. Inzwischen gut erprobt ist auch die Nutzung von Röhrichten für Baustoffe oder die gezielte Gewinnung von Torfmoosen als Torfersatz für den Gartenbau. Die jährliche Nachfrage an Weißtorf von drei Millionen Kubikmeter wird derzeit vor allem aus den baltischen Ländern importiert, obwohl auf jedem Hektar Hochmoorstandort drei Tonnen Trockenmasse jährlich geerntet werden könnten, was einem Ertrag von 86 Kubikmeter Biomasse pro Hektar entspricht.16 Man müsste also Torfmoose auf ungefähr 35.000 Hektar kultivieren, um den im Gartenbau benötigten Weißtorf durch Paludikulturen zu ersetzen.17 Der im Koalitionsvertrag festgeschriebene Torfausstieg lässt hoffen, dass der deutsche Anteil an der Zerstörung lebendiger Moore bald ein Ende haben wird. Gerade für die moorreichen Regionen der Norddeutschen Tiefebene ergeben sich neue Möglichkeiten. Hier sind die 100 km Flächen meist groß, eben und weniger durch Siedlungen und andere Infrastruktur zerschnitten als in Süddeutschland. Der geringere Ertrag in Paludikulturen wird durch die positiven Effekte auf Wasser- und Nährstoffrückhalt, Hochwasserschutz, Landschafts k ühlung und Förderung der Biodiversität mehr als aufgewogen. Selbstverständlich müssen diese Gemeinwohlleistungen auch finanziell gefördert werden. Grafik: Global Peatland Database, Greifswald Moor Centrum, April 2021, Bearbeitung: C. Tegetmeyer, Agentur 3undzwanzig 25
BEISPIELHAFTE MOOR-PROJEKTE Vorstellung beispielhafter Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen Moor-Projekte Oberes Rhinluch, Brandenburg Gut vierzig Kilometer nordwestlich von Berlin, unweit von der Bundesautobahn A 24, liegt in der Havelniederung das Die beiden gewählten Beispiele zeigen unter- Schutzgebiet „Oberes Rhinluch“. Die Havelniederung in der schiedliche Möglichkeiten, Moore nachhaltig Brandenburger Mark ist von zahlreichen Seen (Kremmener See, Bützow See, Ruppiner See) geprägt. Erst vor 100 Jahren wurde und klimaschonend zu bewirtschaften. Beide die Niedermoorlandschaft trockengelegt und in eine Wiesen- Pilotprojekte wurden u.a. mit europäischen und Weidelandschaft umgewandelt. Die seinerzeit angelegten Gräben sorgen für den schnellen Wasserabfluss. Mitteln gefördert. Das Niedermoor wird nicht nur von Regen, sondern zusätz- lich vom hohen Grundwasserstand der oberen Havelniederung gespeist. Das Grundwasser durchströmt im Urstromtal Gesteinsablagerungen der Gletscher der letzten Eiszeit und ist daher in dieser Region sehr nährstoff- und mineralreich. Die dichte, hochwüchsige Vegetation besteht vorwiegend aus Röhrichten und Großseggenrieden, teilweise gibt es auch Erlenbruchwälder. Schwer zugängliche Gebiete wie dieses sind oft Brut- und Raststätten für viele Sing- und Wasservögel, die hier vor Beutegreifern geschützt sind. Deshalb ist das „Rhin- Havelluch“ ein ausgewiesenes Europäisches Vogelschutzgebiet. Neben Gräben und Wasserlöchern bieten große Fischteiche vielen Amphibien Lebensraum. Seeadler, Fischadler, Rohrweihe, Rotmilan und Mäusebussard brüten hier; die Weißstorchpaare sind eine Touristenattraktion. 70.000 bis 100.000 Kraniche und Libelle und Sonnentau im Torfmoos Wildgänse kommen jedes Jahr während des Herbstzugs zur Foto: © Greta Gaudig Rast ins Linumer Teichgebiet. 26
BEISPIELHAFTE MOOR-PROJEKTE In der DDR war der Elbe biber auf der 25 Pfennig- Briefmarke abgebildet Das bereits 1995 festgesetzte Naturschutzgebiet Kremmener See wurde 2009 erweitert. Es beherbergt das größte noch geschlossene Niedermoor Brandenburgs, ein vorwiegend nährstoffreiches Verlandungsmoor, in dem Elbebiber und Fischotter leben. Der Elbebiber (Castor fiber albicus) ist eine nur in Deutschland heimische Unterart, die an der Elbe und ihren Nebenflüssen endemisch ist, also außerhalb dieses Verbreitungsgebietes natürlicherweise nicht vorkommt. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für das Überleben dieser streng geschützten Unterart. Der Europäische Biber als größtes Nagetier Mitteleuropas wiegt 25 bis 35 Kilogramm und Die Umstellung auf eine Nasswiesen-Bewirtschaftung mit Bauer Petri bewirtschaftet die Nasswiesen im Oberen Rhinluch misst circa 130 Zentimeter. Biber gestalten ihren Lebensraum Rohrglanzgras und Seggen hilft, die Winterniederschläge in der Foto: © Peter Roggenthin aktiv durch Dammbau und Wasserregulierung. Sie waren Ende Landschaft zu halten. Damit können auch bei weiter zuneh- des 19. Jahrhunderts in Deutschland fast ausgerottet. menden Trockenphasen die Lebensräume der auf Wasserflächen Ein Landschaftsförderverein managt seit 2003 in enger angewiesenen wildlebenden Tiere erhalten werden. 310 Hektar Zusammenarbeit mit anderen örtlichen Organisationen und Niedermoorgrünland sollen wiedervernässt und mit Anbau- Behörden das Wasserdargebot auf den Vogelrastplätzen. Paludikulturen von Rohrkolben und Schilf bereichert werden. Damit das weiterhin gelingt, werden Rückhalteräume für die Als Ausgangsmaterial für ökologische Bau- und Dämmstoffe winterlichen Niederschläge angelegt und die Nutzung an sind diese Pflanzen zunehmend attraktiv. Auch für die Papier- eine niedermoortypischen Kulturlandschaft angepasst. Die oder für die Biokunst stoff-Herstellung sind sie geeignet. Landschaftspflege wird kooperativ mit den Landwirtinnen und Das kooperative Projekt wird von zahlreichen Betrieben und Landwirten der Region betrieben und durch Mittel aus dem Verbänden unterstützt sowie naturschutzfachlich durch die europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Humboldt-Universität Berlin, die Hochschule für Nachhaltige ländlichen Raumes (LEADER) finanziert. Entwicklung Eberswalde und das DVL-Landesbüro Moor und Klima Brandenburg-Berlin betreut. 27
BEISPIELHAFTE MOOR-PROJEKTE Anbau von Torfmoos-Biomasse im Hankhauser Moor, Landkreis Ammerland in Niedersachsen Das sehr nährstoffarme Hochmoorgrünland im riert mit Vertriebsunternehmen und der Universität In Zusammenarbeit mit Moorexpert*innen ehemaligen Weser-Urstromtal bei Rastede erhält Greifswald.18 Die Wissenschaftler testen, welches plant der NABU in den Rasteder Mooren einen seine Feuchtigkeit nur durch Regen. Die Firma Torfmoos am besten für die Pflanzenzucht geeig- Moorlehrpfad. Insbesondere Watvogelarten sol- Torfwerk Moorkultur Ramsloh Werner Koch GmbH net ist und welches am schnellsten wächst. Dabei len mehr Lebensraum bekommen. Mit baulichen & Co KG hat ihre seit 2004 praktizierte Technik werden die Erntetechniken optimiert und neue Interventionen, wie Treppenanlagen zu Aussichts zum Anbau von Torfmoos für den Gartenbau auf Gerätschaften entwickelt. Es werden auch wis- punkten, werden Arten-Reichtum und Schönheit inzwischen 18 Hektar erweitert und damit einen senschaftliche Führungen und unterhaltsame der Landschaft erschlossen und touristisch kleinen Teil ihrer Torfproduktion vorbildlich wei- Moorbahnfahrten angeboten. erfahrbar, ohne die empfindlichen Biotope zu stark terentwickelt. Im Gegensatz zur aufgegebenen zu beeinträchtigen. Das mit ca. 4.700 Hektar größ- Grünlandbewirtschaftung, bei der das Wälzen und te Hochmoor-Naturschutzgebiet Niedersachsens Schleppen mit schwerem Gerät und die Mahd „Esterweger Dose“ ist gleichzeitig EU-Vogelschutz- Gelege und Jungvögel zerstört, können beim und FFH-Gebiet. Torfmoosanbau auch Flora und Fauna profitie- Mit der touristischen Vermarktung des ren. So haben sich auf den Produktionsflächen Ammerlands als traditionsreichem Produktions spontan fleischfressende Sonnentau-Arten sowie schwerpunkt für den Gartenbau können niedrig- Orchideen angesiedelt. schwellig alternative Einkommensmöglichkeiten Noch im Jahr 2010 hatte die Niedersächsische erschlossen werden. Die Landschaft, die öffentli- Landesregierung hier Torfabbau-Vorranggebiete chen Parkanlagen der Kurorte oder die Schaugärten ausgewiesen, um die letzten Torfkörper aus- der international tätigen Baumschulen in der zubeuten. Proteste der Ammerländer Natur Region haben große Attraktivität. In dieser moor- schutzverbände verhinderten dies. Jetzt wird reichen Landschaft gibt es heute eine ganze Fülle mit dem Anbau von Torfmoos als Ersatzstoff ein von touristischen Angeboten, wie Moorrouten für neues Berufsbild etabliert. Das Selbstverständnis Radfahrende und einen Kleinbahnwanderweg der Produzent*innen von nachwachsenden durchs Hochmoor. Das Tourismus-Projekt „Lust Rohstoffen ist von Pioniergeist und Stolz auf am Garten – Parklandschaft Ammerland“ wurde selbst weiterentwickelte Anbaumethoden und aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für erfolgreiche Erntepraktiken geprägt. Das ehe- die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER und malige Moorgut hat sich inzwischen zu einem LEADER) gefördert.19 florierenden Rohstoffunternehmen entwickelt, das Substrate, Erden, Holzfasern und eben Wollgraswiesen sind beliebte Wanderziele und gut mit Wegen erschlossen Torfmoos-Biomasse vertreibt. Die Firma koope- Foto: © Christof Martin 28
BEISPIELHAFTE MOOR-PROJEKTE VORWORT Hankhauser Moor – Anbau von Torfmoosen für die Substratherstellung Foto: © Tobias Darms 29
MIT LANDSCHAFTSPFLEGE ZUR KLIMAWIRT*IN Mit Landschaftspflege zur Klimawirt*in Menschen, die in ländlichen Regionen mit moorigen Gebieten aufgewachsen sind, haben vielfach eine tiefe emotionale Bindung zu dieser besonderen Landschaft. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts haben Generationen von Landwirtinnen und Landwirten dem Moor Fläche für Ackerbau, Wiesenwirtschaft und als Siedlungsgebiet abgetrotzt. An der Küste wurde mit dem Meer um Land Anerkennung und Würdigung der Anstrengungen, Hier sind Landnutzer*innen und die länd- gerungen; ebenso war die Entwässerung eine die naturverträglich arbeitende Klimawirt*innen liche Bevölkerung mit Gartengrundstücken im Gemeinschaftsaufgabe. In vielen Torfgebieten für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen leisten.21 Vorteil. Während in den Städten verstärkt in war der Abbau des Hochmoortorfs ein wich- Vertragsnaturschutz vergütet beispielsweise Urban Gardening, Genossenschafts-Gärtnern tiger und hoch angesehener Beruf, denn Torf eine Wiesenbewirtschaftung mit festgelegten oder Aquaponik investiert wird, brauchen war der einzige leicht verfügbare Energieträger. Schnittzeitpunkten und Messerbalkenmahd zum wir für Produzent*innen auf dem Land neue Ohne Torf keine warme Hütte, kein gekochtes Schutz von Wiesenbrütern. Wertschöpfungs- und Vermarktungsketten. Essen. Getrockneter Torf (mit 20 Prozent Was also würde es brauchen, um durch Für die Regionen mit organischen Böden erge- Restfeuchte) hat mit einem Brennwert von sechs einen anderen Umgang mit der Landschaft das ben sich aus den Anforderungen des Klima-, Kilowattstunden je Kilogramm fast den gleichen Klima zu schützen? Auf moorigen Böden nur Arten-, Boden- und Wasserschutzes neue Energiegehalt wie Braunkohle.20 Man verwendete Klimaschutz zu betreiben, ist für über 5 Prozent Produktionschancen als Klimawirt*innen. Diese Torf schon Anfang des 20. Jahrhunderts in opti- der Landesfläche Deutschlands zu wenig. Zudem „Gemeinwohlleistungen“ werden künftig mit mierten Verbrennern zur Dampferzeugung. ist das Potential von Paludikulturen riesig. europäischen und nationalen Finanzmitteln Heute lassen sich die entwässerten Moor Gerade die Herausforderungen durch den stärker gefördert. Im Koalitionsvertrag der flächen trotz Dünger- und Pestizideinsatz kon- Klimawandel und die Biodiversitätskrise zei- Ampel-Regierung ist Moorschutz als öffentli- ventionell kaum noch wirtschaftlich bearbeiten. gen, wie wichtig die Produktion heimischer ches Interesse festgeschrieben, somit können Sie sind ausgelaugt. Der natürlichen Produktivität Lebensmittel und Güter ohne lange Lieferketten die Akteure, die ihn umsetzen, auch angemessen kann eine nasse Bewirtschaftung helfen. ist. Besser gegen die Krise gewappnet sind diejeni- unterstützt werden.22 Zusätzlicher Pflegeaufwand muss aber auch ent- gen, die Nahrung bzw. Einkommensmöglichkeiten sprechend entlohnt werden. Es geht also um die durch möglichst unabhängige Erzeugung haben. 30
MIT LANDSCHAFTSPFLEGE ZUR KLIMAWIRT*IN Durch Striegeln aufgebautes Vertrauen erleichtert das Herdenmanagement Foto: © Peter Roggenthin 31
MIT LANDSCHAFTSPFLEGE ZUR KLIMAWIRT*IN Nahrungsmittel Weltweit werden in den entsprechenden Gebieten Preiselbeeren (Vaccinium vitis-idaea), Moltebeeren (Rubus chamaemorus) und Moosbeeren (Vaccinium oxycoccus) als Lebensmittel gesam- melt. Cranberries (Vaccinium macrocarpon) und Blaubeeren (Vaccinium angustifolium) werden hingegen schon lange kul- tiviert. Der Anbau auf wiedervernässten Hochmoorstandorten braucht ein präzises Wassermanagement, da die Kulturpflanzen längere Überschwemmungen nicht vertragen. Es können auch Wilder Sellerie (Apium graveolens), Großer Algenfarn (Azolla fili- culoides) als Proteinersatz oder sogar Wildreis (Zizania palustris) angebaut werden. Eine speziell entwickelte Erntemaschine bündelt das Dachreet Foto: © Tobias Dahms Moor muss nass! Nachfolgend sind einige vielversprechende Produktions-, Vermarktungs- und Verwertungswege aufgezeigt. Neben der Weidetierhaltung geeigneter Arten wie Wasserbüffeln oder Moorschnucken können auf wiedervernässten, moorigen Standorten Pflanzen als Futter für robuste Rinderarten oder Pferde kultiviert werden. Mit Schilf, Röhricht und Rohrkolben- Kulturen lässt sich gezielt Biomasse herstellen. Die Verwertung als ökologisches Dämmmaterial, als Baustoff, als Torf- Ersatzstoff, als Einstreu, als Bioraffinerie-Produkt (welches Erdöl ersetzt) oder auch getrocknet als Festbrennstoff ist viel- fältig. Sogar Nahrungs- und Arzneimittel können in Paludikultur Zur Ernte von Cranberry-Beeren werden die Moore geflutet angebaut werden.23 Foto: © Heidi, AdobeStock 32
MIT LANDSCHAFTSPFLEGE ZUR KLIMAWIRT*IN Heilpflanzen Eine große Gewinnspanne verspricht der Anbau von Heilpflanzen. Sonnentau (Drosera sp.), Gagelstrauch (Myrica gale), Fieberklee (Menyanthes trifolata) oder die Aronie (Aronia melanocarpa) werden seit Jahrhunderten als Arzneipflanzen genutzt. Sonnentau wird in Mecklenburg-Vorpommern bereits auf einem teil- weise abgetorften Hochmoorstandort kommerziell angebaut. Um den Wasserstand auf einem gleich- mäßigen wachstumsfördernden Niveau zu halten, wurde ein Regenwasser-Rückhaltebecken ange- legt.24 Bisher werden die Heilpflanzenkulturen von Hand geerntet. Im größeren Maßstab könnte eine mechanisierte Erntetechnik zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung beitragen. Torfmoose siedeln sich schnell an, wenn die Bedingungen passen Torfmoose Foto: © Christof Martin Torfmoose wurden in der Volksheilkunde Torfmoosen, deren physikalische und chemische Millionen Kubikmetern für den Gartenbau 35.000 als Kompresse bei offenen Wunden oder Eigenschaften dem fossilen Torf sehr ähnlich sind, Hektar Anbauflächen eingerichtet werden müs- Hauterkrankungen genutzt. Einerseits haben bereits nachgewiesen. sten. Dazu sind hohe Investitionskosten nötig, Torfmoose bei guter Reißfestigkeit eine hohe Nur für Spezialanwendungen, wie Terrarien- zumal für die Pflege und Ernte Spezialmaschinen Saugkraft, andererseits wirken sie leicht anti- Bepflanzungen oder die Orchideenzucht wird angeschafft werden müssen und auch das septisch. Als anerkanntes pharmazeutisches schon heute Torfmoos verwendet, denn es ist Saatgut von hochproduktiven Torfmoos-Sippen Naturprodukt könnten Torfmoos-Kompressen über in der Herstellung teurer als Torf. Um eine echte noch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung Apotheken erfolgreich vermarktet werden. Alternative zum bisher aus Chile, Neuseeland oder steht und deswegen teuer ist. Außerdem braucht Zweifelsohne ist Torfmoos-Biomasse als dem Baltikum importierten fossilen Torf werden der Erwerbsgartenbau verbindliche Gütekriterien, Ersatzstoff für gärtnerisch eingesetzte Erde aus zu können, braucht es Anbauflächen in einem damit Qualität und Verwendbarkeit des Torfmooses fossilem Hochmoor-Torf der wichtigste Beitrag viel größeren Maßstab. Das Greifswald Moor als neuem Substrat-Ausgangsstoff auch gesichert zum Erhalt von moorigen Naturflächen weltweit. Centrum hat errechnet, dass zur Deckung des sind. Pflanzenbauliche Versuche haben die Eignung von heimischen Weißtorfbedarfes von jährlich drei 33
MIT LANDSCHAFTSPFLEGE ZUR KLIMAWIRT*IN Hohes Venn im Herbst Foto: © Rebel, AdobeStock Was man selbst tun kann Wer Naturlebensräume bei uns und in der Welt schützen möchte, sollte auf Gemüse und Pflanzen, die auf fossilem Torf gezogen sind, verzichten. Gartenmärkte werden ihr Angebot verändern, wenn viele Kund*innen explizit nach torffreier Erde und torffrei gezogenen Pflanzen fragen. Eine stärkere Nachfrage von torffreien Produkten wird zu neuen Absatzmöglichkeiten für alternative Betriebe füh- ren. Wie bei jeder Beschaffung kann die öffentliche Hand – die 10 Prozent der Nachfrage in Deutschland Landnutzung braucht Land! ausmacht - beispielhaft vorangehen. Das individu- elle Einkaufsverhalten wird dann zu einem Trend Nicht alle Flächen mit organischen Böden können örtliche Behörden und Fachverwaltungen müssen und marktrelevant, wenn sich viele Leute zusam- als Naturschutzflächen sich selbst überlassen wer- miteinander kooperieren. Bei allen Strategien und menschließen. Wer will, kann in Genossenschaften den, zumal viele wertvolle Lebensräume ohnehin Planungen gilt es, durch echte Beteiligung die oder Produktions-Gemeinschaften den Anbau kontinuierlicher Pflege bedürfen. Dazu braucht es Bedarfe der Wasserversorgung, der Bewässerung, ihrer und seiner Nahrungsmittel mitbestimmen. das Engagement von Landnutzer*innen und pri- des Küsten- und Hochwasserschutzes sowie des Die Solidarische Landwirtschaft ist nur eine von vates Kapital. Eine wesentliche Voraussetzung für Klima-, Natur- und Bodenschutzes zusammenzu- vielen Möglichkeiten, um für eine gesunde, aus- eine erfolgreiche Umsetzung neuer, landschafts- führen und angemessen zu berücksichtigen. Das kömmliche Produktion von Nahrungsmitteln aus verträglicher Nutzungen ist eine gute Planung und ist eine herausfordernde Managementaufgabe. der Region zu sorgen. Sich einmischen und mit die frühzeitige Beteiligung aller Akteure. Nachbar*innen und Gleichgesinnten Beete zu Die Wasser- und Bodenverbände, Bewirtschaf pflegen oder für torffrei gezogenes Gemüse zu ter-*innen, Anwohner*innen, Eigentümer*innen, sorgen, kann Spaß machen und sehr erfüllend sein. 34
MIT LANDSCHAFTSPFLEGE ZUR KLIMAWIRT*IN Für die Wiedervernässung werden Dämme zur Abdichtung aufgeschüttet Foto: © Christof Martin Moor-Zertifikate Gesellschaftlicher Wandel und Mit Spenden und freiwilligen Zuwendungen kann man Stiftungen und Vereine unterstüt- eine neue Umweltethik? zen, die sich dem Moorschutz verschrieben haben. Verschiedene Projektträger werben mit Anteilsscheinen, um entsprechende Projekte zur Wiedervernässung zu finanzieren. Ein anderer Umgang mit Natur, neue Wertvorstellungen und Mit sogenannten „Moor-Futures“, „MoorBenefits“ oder „Moorland-Zertifikaten“ werden ein gesellschaftlicher Konsens, der die Planetaren Grenzen Projektanteile oder Patenschaften ausgegeben, mit denen jede*r finanziell zum positiven stärker in den Blick nimmt, kommt viel schneller zum Tragen, Landschaftswandel beitragen kann. Die Idee ist eine freiwillige Kompensation von momen- wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt. tan unvermeidbaren Emissionen, indem Moore durch Wiedervernässung als Senke für Für die entscheidenden Weichenstellungen beim Umwelt-, Treibhausgasemissionen ertüchtigt werden. So werden Moorprojekte mit Wiedervernässung Arten- und Lebensraumschutz setze ich mich als Mit in Mecklenburg-Vorpommern, Nieder sachsen, Schleswig-Holstein oder Bayern finan- glied der Fraktion Die Grünen / Europäische Freie Allianz im ziert die durch Landschaftspflege oder Paludikulturen zusätzliche Ökosystemleistungen Europäischen Parlament ein. (Biodiversität, Nährstoff- und Wasserrückhalt) erbringen. 35
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