Zur debatte - Katholische ...
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B 215 75 F zur debatte 6/2018 Themen der Katholischen Akademie in Bayern 9 12 19 37 Bayerns Umweltminister Dr. Marcel Kardinal Reinhard Marx hielt das Ist Sokrates schuldig?, fragte Prof. Dr. Einen Vergleich der Wetten bei Huber sprach das Grußwort der Bayeri- Schlusswort bei der Verleihung des Katja Maria Vogt beim Philosophischen Faust und im Buch Hijob zog Prof. Dr. schen Staatsregierung Romano Guardini Preises Meisterkurs Ludger Schwienhorst-Schönberger 10 13 35 43 Die Laudatio auf den Preisträger: Prof. Dr. Hermann Rumschöttel refe- Prof. Dr. Mathias Mayer analysierte das Prälat Dr. Peter Klasvogt sprach zur Ge- Patricia Espinosa Cantellano, General- rierte über Bundeswehr und militä- Katholische in der Faust-Wette stalt des Priesterlichen in bewegter Zeit sekretärin der UN-Klimakonvention rische Erinnerungskultur Romano Guardini Das Ende der Geschichte? Ottmar Edenhofer Preis 2018 an Ottmar Edenhofer Im Jahr 1989 wurden die Risse in unserer Hilfe ein muslimisches Kran- der Berliner Mauer unübersehbar – kenhaus. Ich war dankbar, dass ich in eine friedliche Revolution hat sie diesen Jahren inmitten des nationalisti- schließlich niedergerissen. Es schien schen und ethnischen Wahnsinns, der so, als hätten Demokratie und Markt- sich überall breit machte, für eine Insti- wirtschaft den Wettbewerb der Systeme tution arbeitete, die ihre Identität gera- endgültig für sich entschieden. Man de nicht in der nationalen oder ethni- wähnte das Ende der ideologischen schen Abgrenzung sucht, sondern an Auseinandersetzungen – das Ende der die menschliche Würde appelliert, die Geschichte, wie Francis Fukuyama allen Menschen gemeinsam ist, die also meinte, – zum Greifen nahe. Mit die- im wahrsten Sinne des Wortes katho- sem Sieg, dachte man, hätte auch die lisch ist. Es war eine Wohltat, in diesen europäische Aufklärung endgültig den Jahren mit der Jesuitenkurie in Rom zu- Sieg davongetragen. sammenzuarbeiten. Meine antirömi- Es dauerte nur ein Jahr, bis ich aus schen Affekte wurden damals erheblich diesem Traum aufgeschreckt wurde, domestiziert. wenn ich ihn denn je geträumt habe: Der Jugoslawienkrieg in den 90er Ich war – durch eine Vielzahl überra- Jahren zeigte mir, dass der Fortschritts- schender, aber keineswegs zufälliger Er- automatismus der Moderne nicht zu- eignisse – Leiter der Flüchtlingshilfe der treffend sein kann: Denn ich begann Jesuiten in Kroatien und Bosnien ge- rasch zu begreifen, dass die ethnischen worden, die später mein Freund Pater Konflikte und Bürgerkriege nicht Zei- Martin Maier weiterführte. Mitten in chen einer nachholenden Entwicklung Fotos (35): Robert Kiderle Europa wurde ich in einen Krieg hinein- sind, sondern die Signatur des begin- Über den Preis freuten sich neben Patricia Espinosa Cantellano, Umwelt- geworfen, dessen Ursache ich zu erfas- nenden 21. Jahrhunderts werden soll- Professor Ottmar Edenhofer (2.v.l.) minister Dr. Marcel Huber und Dr. sen versuchte. Die Zeichen des Zusam- ten. Wenige Ereignisse in meinem Le- Kardinal Reinhard Marx, Laudatorin Florian Schuller (v.l.n.r.). menbruchs der staatlichen Ordnung, ben haben mich so verstört, meine Ge- Vertreibung, Plünderung und Vergewal- wissheiten so sehr erschüttert, wie die tigung waren überall zu sehen. In die beiden kurzen Jahre, die ich für die Bos- Flüchtlingslager kamen täglich trauma- nien- und Kroatienhilfe der Jesuiten ge- tisierte Menschen. Nie werde ich ver- arbeitet habe. Die Frage nach den Grün- Der Potsdamer Klimaforscher Ottmar Weltklimarat. Umweltschützer und gessen, wie eines Morgens in der Ha- den für Gewalt, die traumatischen Wir- Edenhofer (56) hat den Romano-Gu- Industrielle schätzten ihn gleicher- fenstadt Split aus einem Schützenpan- kungen ethnischer Säuberung, die Ein- ardini-Preis der Katholischen Akade- maßen, begründete Akademiedirektor zer eine junge Frau kletterte, die wenige sicht, dass Menschen nur foltern, wenn mie Bayern erhalten. Die mit 10.000 Dr. Florian Schuller die Auszeich- Stunden vorher mitansehen musste, wie sie dafür ausgebildet werden, sowie der Euro dotierte Auszeichnung wurde nung. Der Preis ist nach dem Religi- ihre Kinder von Nachbarn massakriert Zusammenbruch zivilisatorischer Stan- dem Wirtschaftswissenschaftler am onsphilosophen und Theologen wurden, während sie selbst von UN- dards sind für mich immer noch unver- 4. Juli 2018 bei einem Festakt mit Romano Guardini (1885 – 1968) Truppen in letzter Minute gerettet wor- standene und ungelöste Fragen. Damals mehr als 200 Gästen verliehen. Der benannt. Sie finden im Folgenden die den war. Wir kümmerten uns damals gab es den Begriff der politischen Emo- Preis würdigt Professor Edenhofers Reden des Festaktes und Fotos zur um Lebensmittellieferungen, richteten tionen noch nicht, aber mir wurde klar, Verdienste als Politikberater, öffent- Veranstaltung. Beratungsstellen für Frauen ein, die ver- dass Gewalt, Wut und Hass der Ent- licher Mahner und Mitarbeiter im gewaltigt worden waren, der kroatische fesselung durch die Politik bedürfen, Provinzial der Jesuiten unterstützte mit um massenwirksam zu werden. Diese
Entfesselung der Gewalt bedarf der Editorial Rechtfertigung entlastender Denksyste- me. Die Akademien der Wissenschaften lieferten diese Pseudogründe ebenso, wie Professoren und Intellektuelle be- Liebe Leserinnen und Leser! reit waren, nicht nur abscheuliche Ge- walttaten zu rechtfertigen, sondern an „Greift nur hinein ins volle Men- ihrer strategischen Planung mitzuwir- schenleben! / Ein jeder lebt‘s, nicht ken. Wenn ich damals zwischen Frank- furt, Split und Tuzla pendelte, tauchte vielen ist‘s bekannt, / Und wo ihr‘s ich in Welten ein, die zwei Flugstunden packt, da ist‘s interessant.“ auseinander lagen und doch kaum von- So heißt es bekanntlich im Vor- einander wussten – ja auch nichts wis- spiel von Goethes „Faust“. Im ersten sen wollten. Das intellektuelle und poli- Halbjahr 2018 gab es nun in Mün- tische Deutschland, von wenigen Aus- chen ein Faust-Festival mit mehr als nahmen abgesehen, nahm diesen Krieg 500 Veranstaltungen. Auch wir wa- hin und verschwendete nicht viele Ge- ren dabei und stellten drei unter- danken auf diese Tragödie an der Peri- schiedliche Veranstaltungen auf die pherie unseres Kontinents. Was hat das mit meiner Tätigkeit Beine – eine theologische Reflexion heute zu tun? Wer sich die Dynamik über den Teufel, einen Durchgang des Klimawandels der letzten 15.000 durch die literarische Geschichte der Jahre vor Augen führt, begreift schnell, „Gotteswette“ und dabei einen Ver- dass wir die Betriebsweise unseres Erd- gleich mit dem biblischen Jiob sowie systems in einem Ausmaß und in einer eine theatralische Präsentation von Geschwindigkeit verändern, die für das Prof. Dr. Ottmar Edenhofer hielt ein Fauststücken, die vor Goethe im Um- Zeitalter des Holozäns ohne histori- sehr engagiertes Plädoyer für den lauf waren. In dieser Ausgabe der sches Vorbild ist. Die steigende globale Klimaschutz. „debatte“ haben wir die Dokumenta- Mitteltemperatur zeigt bereits ihre un- umkehrbaren Wirkungen: Steigender tion zu allen drei Abenden zusam- Meeresspiegel, heftiger werdende Zyk- mengefasst. lone, Dürren und Überschwemmungen „Greift nur hinein ins volle Men- führen bereits heute dazu, dass Men- der Münchner Rück durchgeführt ha- Das war auch dringend nötig, denn es schenleben! / Und wo ihr‘s packt, da schen ihre angestammte Heimat verlas- ben. Als die Anfrage kam, war ich skep- gab einflussreiche Kardinäle wie George ist‘s interessant.“ Dieser Satz des sen. Knappe Wasserressourcen, Dürren tisch. Das Potsdam-Institut für Klima- Pell, die den menschengemachten Kli- Theaterdirektors im „Faust“-Vorspiel sowie Einbruch der Agrarproduktion folgenforschung (PIK) war ein Institut mawandel rundweg bezweifelten. Die könnte auch sehr gut einem Akade- verschärften den Konflikt in Syrien. naturwissenschaftlicher Positivisten; Re- Vorstellung, der Mensch könne und sol- miedirektor als Impuls dienen. Denn Die Fidschi Inseln oder Kiribati wer- ligion galt daher als sicheres Zeichen ei- le das Weltklima steuern, war für sie das ist doch dessen schöne Aufgabe: den einen erheblichen Teil ihres Staats- nes mangelnden Intelligenzquotienten. Ausdruck neuzeitlicher Hybris. gebietes verlieren, zunehmende Fluten Aber die katholische Kirche glich für Aber als in diesen Konferenzen die ins „volle Menschenleben“ zu greifen die meisten meiner Kollegen schon so versalzen ihre fruchtbaren Böden. In Bischöfe des Südens die Folgen des Kli- und das dann Gepackte „interessant“ ethnisch fragmentierten und polarisier- sehr einem „Alien“, dass nach einer ers- mawandels darstellten, wurde auch im zu präsentieren. Jede Ausgabe unse- ten Gesellschaften steigt das Risiko ten Begegnung das gegenseitige Interes- Vatikan vielen deutlich, dass sie das rer Zeitschrift bestätigt dies aufs von Konflikten und Gewaltausbrüchen se wuchs. Die Ironie der Geschichte: Thema nicht weiter verdrängen konn- Neue. So ist auch diesmal der Bogen erheblich, wenn der Klimawandel zu- leidenschaftliche Agnostiker, überzeugte ten. Die Wissenschaft hat mit geradezu weit gespannt. Von den geistlich- schlägt. Meine Erfahrungen in Bosnien Atheisten, heimliche Sympathisanten überwältigender Evidenz gezeigt, dass theologischen Gründen nachhaltiger haben mir gezeigt, wie dünn der zivili- und natürlich Jesuiten arbeiteten für der Mensch durch die Abholzung der Lebenspraxis anlässlich der Verlei- satorische Firn ist und wie schnell Zi- Misereor; die Münchner Rück-Stiftung Wälder und die Verbrennung fossiler hung des Romano Guardini Preises vilisationen zusammenbrechen können war für alle Beteiligten eine Rückversi- Energieträger für den Anstieg der globa- – selbst zwei Flugstunden von Mün- cherung, dass sich die weltanschauli- len Mitteltemperatur verantwortlich ist. 2018 zur militärischen Traditions- chen Gewichte nicht zu sehr zugunsten chen entfernt. Je größer die Wahrscheinlichkeit eines pflege, von Zugängen zur Lyrik Rei- Man kann sich heute den Ruf als Re- einer Seite verschoben. gefährlichen Klimawandels ist und je ner Kunzes über neueste Dokumen- alpolitiker in der Flüchtlingspolitik er- Auch wenn das Buch „Global, aber geringer die Kosten, einer Katastrophe tarfilme bis zur Begegnung mit einem werben, wenn man Härte gegen Mig- gerecht“ medial kein großer Erfolg war, rechtzeitig zu begegnen, umso mehr schriftstellernden Schauspieler, von ranten und Flüchtlinge fordert. Diese so kann doch seine Rolle für die Enzyk- lohnt sich ambitionierter Klimaschutz. der philosophischen Reflexion der ju- vermeintlichen Realpolitiker verweigern lika Laudato sí kaum überschätzt wer- Mit anderen Worten: Auch wenn es ristischen Haltbarkeit des Sokrates- sich jedoch der Wirklichkeit: Europa den. Der damalige Chef von Misereor, Zweifel über das Ausmaß der Klima- Prozesses in Athen bis zu Fragen kann die Kriege im Nahen Osten eben- Josef Sayer, veranstaltete im Vatikan schäden gibt, sollte man lieber Handeln. priesterlicher Existenz. so wenig ignorieren wie die ethnischen eine Reihe von Tagungen zum Thema Was Wirtschaftswissenschaftlern aus Konflikte und die Folgen des Klima- „Armut, Klimawandel und Ungleich- der Entscheidungstheorie geläufig ist, ist Was allerdings unsere eigenen Po- heit“. Kardinäle und Bischöfe aus aller wandels in Afrika und anderen Teilen Theologen und Kardinälen aus der Mo- sitionen bei den genannten Themen der Welt. Wer glaubt, man könne Welt diskutierten über dieses Thema. raltheologie bekannt. Denn gerade das angeht, wollen wir es ein wenig an- Flüchtlinge und Migranten vor allem ders halten als Goethe. „In bunten mit militärischen Mitteln an den Au- Bildern wenig Klarheit, / Viel Irrtum ßengrenzen abwehren, hat die Dimensi- und ein Fünkchen Wahrheit, / So on des Problems nicht einmal im An- wird der beste Trank gebraut, / Der satz verstanden. Herausforderungen alle Welt erquickt und auferbaut“, dieses epochalen Ausmaßes können nur heißt es bei unserem Dichterfürsten. durch einen geordneten Multilateralis- mus gemeistert werden, der Fluchtursa- Wir hoffen, dass Sie unser debatte- chen bekämpft, für ein menschenwürdi- „Trank“ auch diesmal „erquickt und ges System der Aufnahme von Geflüch- auferbaut“, obwohl wir für mehr teten sorgt und die Lasten der Migrati- „Klarheit“ sorgen wollen, weniger on fair verteilt. Wenn Europa seine „Irrtum“ und auch mehr als nur ein Identität bewahren will und nicht untä- einziges „Fünkchen Wahrheit“. tig zusehen möchte, wie es die Kontrol- Mit dieser Zuversicht beende ich le verliert, muss es sich diesen humani- nach 18 Jahren mein letztes Editori- tären Herausforderungen stellen. Es ist al, bedanke mich bei unserem Chef- für mich eine große Ermutigung, dass die beiden Kirchen in Deutschland, dass redakteur Dr. Robert Walser für sein Sie, verehrter Kardinal Marx, und dass souveränes Arbeiten, wünsche mei- Papst Franziskus mit aller Klarheit an nem Nachfolger Prof. Dr. Achim die Maßstäbe erinnern, die für Christen Budde sowie der ganzen Akademie in der Politik gelten sollten. eine gesegnete Zukunft und bleibe Ihnen allen verbunden, I. Klima, Kohle, Kapital Wie kann man den Klimawandel be- Ihr grenzen? Diese Frage hat mich in der vergangenen Dekade am meisten be- schäftigt. Die vielleicht wichtigste Vor- Der Preisträger mit P. Dr. Andreas bereitung für diese Tätigkeit war das Batlogg SJ im Park der Katholischen Projekt „Global, aber gerecht“, das wir Akademie. Dr. Florian Schuller zusammen mit der Hochschule für Phi- losophie im Auftrag von Misereor und 2 zur debatte 6/2018
Themen „zur debatte“ Editorial 2 Romano Guardini Preis 2018 an Ottmar Edenhofer Das Ende der Geschichte? Ottmar Edenhofer 1 Begrüßung der Festgäste Florian Schuller 6 Grußwort der Bayerischen Staatsregierung Marcel Huber 9 Laudatio auf den Preisträger Patricia Espinosa Cantellano 10 Schlusswort aus Anlass der Verleihung des Romano Guardini Preises 2018 an Professor Ottmar Edenhofer Vor der Veranstaltung fand eine gut be- direktor Dr. Florian Schuller und der Reinhard Kardinal Marx 12 suchte Pressekonferenz statt. Patricia Dolmetscherin Christa Zander, standen Espinosa Cantellano und Ottmar den Medienvertretern Rede und Antwort. Edenhofer, flankiert von Akademie- Akademiegespräch Tradition suchen oder Tradition schaffen? tutioristische Moralsystem spricht sich dung ein unentbehrliches Rüstzeug im und gelitten. Aber am Ende war es ge- Bundeswehr und militärische für die Maxime „in dubio pro lege“ aus, Umgang mit Konflikten. Das war im schafft: Wir hatten die wissenschaftli- Erinnerungskultur im Zweifelsfall solle man das ethisch re- Weltklimarat dringend nötig. chen Grundlagen für das Abkommen im 21. Jahrhundert striktivere, vorsichtigere Gebot für rich- Fakten und Werte können nämlich von Paris im Jahr 2015 gelegt. Hermann Rumschöttel 13 tig halten und ihm folgen. Wer sich da- nicht so fein säuberlich getrennt wer- Die Einsichten des Weltklimarates von exkulpieren will, müsse gute Grün- den, wie sich das der logische Positivis- lassen sich einfach zusammenfassen: Es de in Anschlag bringen. Die Klimaskep- mus vorstellt. Wir mussten nicht nur die steht der Menschheit nur noch ein be- „System Error“ und „Elternschule“ tiker bleiben diese guten Gründe bis gesamte wissenschaftliche Literatur grenztes Kohlenstoffbudget zur Verfü- DOK.fest 2018: heute schuldig – innerhalb sowie außer- sichten, sondern Landkarten erstellen, gung, wenn der Klimawandel begrenzt zwei Filme in der Akademie 18 halb des Vatikans. die Politikern gangbare Wege zu Be- werden soll. Wir bräuchten nicht ein- Durch meine ersten sieben Jahre am grenzung des Klimawandels aufzeigen mal eine Klimapolitik, wenn die fossilen Philosophischer Meisterkurs 2018 PIK wurde ich für meine spätere Tätig- sollten. Mehrere hundert Alphatiere, Ressourcen im Boden – Kohle, Öl und keit im Weltklimarat gut vorbereitet: Ich Sonderlinge, tatsächliche Genies und Gas – kleiner wären als der Deponie- Ist Sokrates schuldig? konnte mir einen umfassenden Über- solche, die sich selbst unter Geniever- raum der Atmosphäre. Steigende fossile Katja Maria Vogt 19 blick über den Forschungsstand ver- dacht stellten, mussten ermuntert, beru- Ressourcenpreise würden dafür sorgen, schaffen, ich lernte Menschen auf allen higt, erheitert und unterhalten werden. dass die Menschheit auf den Pfad der Im Herzen barfuß Kontinenten kennen und begriff, dass Sie alle brachten mich an die Grenzen klimapolitischen Tugend gezwungen Zur Lyrik von Reiner Kunze das fundamentale Problem der Klima- meiner psychologischen und pädagogi- wird. Die globalen fossilen Ressourcen- politik nicht nur die wissenschaftlichen schen Fähigkeiten und rangen mir eine märkte würden die Klimapolitik erset- Meine Zugänge zur Lyrik Fakten sind, sondern Konflikte um neue Hochachtung vor Erziehern, Sozi- zen. Leider ist die Realität eine andere: von Reiner Kunze Weltanschauungen und Werte. So ent- alpädagogen und Lehrern ab. Gemein- Wir haben etwa 15.000 Gigatonnen Erich Garhammer 23 wickelte ich mit einem meiner Kollegen sam mit den anderen Vorsitzenden des Kohle, Öl und Gas im Boden. Die glo- philosophische Überlegungen, die hel- Weltklimarates musste ich mit 194 Staa- balen Ressourcenmärkte werden daher fen sollten, die Konflikte um Werte und ten die Zusammenfassung für Entschei- das Klimaproblem nicht lösen. Dem Young Professionals Weltanschauungen rational zu durch- dungsträger verhandeln und im Kon- Klimaproblem kann nur durch einen im Jahr 2018 26 dringen. Es würde hier zu weit führen, sens verabschieden: Der permanente internationalen Vertrag erfolgreich be- unsere Auseinandersetzungen mit dem Schlafentzug, anhaltender Druck, Dro- gegnet werden, der die Nutzung des Faust!-Festival München 2018 Positivismus und dem Pragmatismus hungen und Lockungen stellten meine verbleibenden Deponieraumes in der Mephisto theologisch ausführlich dazustellen, aber für mich physische und psychische Kraft auf eine Atmosphäre regelt. Diese grundlegende Gibt es den Teufel wirklich? 27 war eine philosophische Grundausbil- harte Probe. Ich habe geflucht, geklagt Einsicht, dass die Atmosphäre ein Eine Wette zu dritt? Gott – Mensch – Teufel. Hijob und Faust im Vergleich Wie ‚katholisch‘ ist die Wette in Goethes Faust? Mathias Mayer 35 Wie kann der Satan dem Menschen Gott austreiben? Ijob und Faust – ein Vergleich Ludger Schwienhorst-Schönberger 37 Sommernacht der Künste Faust vor Goethe 40 Autoren zu Gast bei Albert von Schirnding Hanns Zischler 41 Bayerischer Priestertag 2018 Prälat Peter Klasvogt Zur Gestalt des Priesterlichen in bewegter Zeit Peter Klasvogt 43 In der ersten Reihe saßen als Mitglieder Wolf (v.l.n.r.). Außerdem ganz links Die Mitarbeiterinnen unserer Hauswirt- der Akademieleitung Herzog Franz von Kardinal Friedrich Wetter und Abtprä- schaft hatten das Rednerpult mit Bayern, Edda Huther, Dr. Hildegard ses Jeremias Schröder OSB aus St. Blumen geschmückt. Impressum 42 Kronawitter und Domdekan Dr. Lorenz Ottilien (3. von re.). zur debatte 6/2018 3
Gemeinschaftseigentum der Menschheit III. Globale Gemeinschaftsgüter – ist, das einer weltumspannenden Rege- die Frage der Eigentumsrechte lung bedarf, habe ich in den Entwurf des Fünften Sachstandsberichts ge- Aber auch jenseits des medialen Inte- schrieben. Die gesamte Wissenschafts- resses wird diese Enzyklika in der gemeinschaft hat dem zugestimmt. Am kirchlichen Soziallehre eine überragen- Ende haben jedoch die Regierungen da- de Stellung einnehmen, die nur noch für gesorgt, dass diese Formulierung in mit Rerum Novarum vergleichbar ist. eine Fußnote verbannt wurde. Manch- Mit dieser Enzyklika hat die Kirche mal werden Revolutionen und Schlach- 1891 begonnen, sich an der Reform des ten in Fußnoten gewonnen. Kapitalismus zu beteiligen. Oswald von Nell-Breuning, Nestor II. Laudato sí und die Begegnung der katholischen Soziallehre, dem 1972 mit Papst Franziskus der Romano Guardini Preis verliehen wurde, hat die Sozialpflichtigkeit des Wenige Monate nach der Verabschie- Eigentums unter den Bedingungen des dung unseres Berichtes im Juli 2014 saß Kapitalismus so ausgelegt: Die „allge- ich schließlich dem Mann in Rom ge- meine Bestimmung der Erdengüter“ ist genüber, der aller Welt laut und klar dem Privateigentum vor- und überge- verkünden sollte: Die Atmosphäre ist ordnet. Alle Menschen sollen grund- ein Gemeinschaftseigentum der Mensch- sätzlich an der Nutzung der Erdengüter heit (Laudato sí, No. 23). Papst Franzis- teilhaben können. Die Institution des kus lud mich ein, um mit ihm über die Privateigentums ist nur insofern legitim, Fragen der Klimapolitik zu sprechen. als sie dieser allgemeinen Bestimmung Professoren-Gespräch im Park: die Wir tauschten uns ausführlich über das der Erdengüter gerecht wird. Diesen Kirchenhistoriker Franz-Xaver Bischof Konzept der globalen Gemeinschaftsgü- Grundgedanken erweitert Laudato sí und Manfred Weitlauff sowie Richard ter, über die Eigentumslehre der Kirche auf die globalen Umweltprobleme des Heinzmann. Der Theologe war viele und über Romano Guardini aus. 21. Jahrhunderts: Die Übernutzung der Jahre Mitglied der Akademieleitung. Die Begegnung mit Papst Franziskus war denkwürdig in jeder Hinsicht. Ich hatte zwei Gastgeschenke im Gepäck. Wie es sich für einen deutschen Profes- Eine Begrenzung der Nut- sor gehört, schenkte ich ihm die engli- zungsrechte an der Atmo- sche Ausgabe unseres Buches „Global, aber gerecht“ und ich brachte eine sphäre ist demnach sozial- Zeichnung mit, die meine Tochter für ethisch nur dann zu vertre- ihn gemalt hatte. Für mein Buch hat sich der Papst ten, wenn die Lasten zwi- höflich bedankt, sein wirkliches Interes- schen Ländern gerecht ver- se galt jedoch dem Bild meiner Tochter Sarah. Ich trete meiner Tochter nicht zu teilt wird. nahe, wenn ich sage, dass dieses Bild technisch nicht in jeder Hinsicht ein Meisterwerk war. Aber der Papst be- natürlichen Senken wie eben der Atmo- trachtete es lange und sagte, er finde in sphäre, der Ozeane oder der Wälder dem Spiel von Licht und Dunkelheit die rechtfertigt die Einschränkung privater Situation von Kirche und Welt treffend oder nationalstaatlicher Nutzungsrech- wider. Auch ein kleines Licht mache die te. Der ehemalige Bundesverfassungs- Dunkelheit heller. richter Ernst-Wolfgang Böckenförde, Als ich von meiner Romreise zurück- Guardini-Preisträger des Jahres 2004, kam, lag in unserem Briefkasten ein fordert darüber hinaus, dass das Aneig- Brief aus dem Vatikan, in dem Papst nungsrecht von Ressourcen durch das Franziskus sich bei Sarah für das Bild Solidaritätsprinzip begrenzt werden mit den Worten bedankte: „Liebe Sa- muss. Eine Begrenzung der Nutzungs- rah, vielen Dank für dein kleines Ge- rechte an der Atmosphäre ist demnach mälde. Es hat mir sehr gefallen. Bete für sozialethisch nur dann zu vertreten, mich. Gott segne Dich. Franziskus“. An wenn die Lasten zwischen Ländern ge- Abtpräses Jeremias Schröder OSB ehemaligen evangelischen Landesbischof der Echtheit des Briefes konnte kein recht verteilt werden. aus St. Ottilien (li.) wurde von Prior Dr. Johannes Friedrich – seines Zeichens Zweifel bestehen, dennoch war meine Dass hier grundlegende Fragen noch Dr. Timotheus Bosch OSB begleitet. Sie Träger des Ökumenischen Preises der Tochter gar nicht so leicht davon zu zu klären sind, versteht sich von selbst. verweilten länger im Gespräch mit dem Akademie – und dessen Frau Dorothea. überzeugen, dass der Papst aus Rom ihr Dies war auch der Grund, warum ich einen Brief geschrieben hatte. Sie fragte zusammen mit der Stiftung Mercator mich, wie viele Päpste es eigentlich gäbe ein eigenes Institut gegründet habe, das und ob der Papst katholisch sei. Der sich mit den Globalen Gemeinschafts- Wert dieses Briefes ist für meine Tochter gütern beschäftigt. Für diese Möglich- beträchtlich gestiegen, seit ich sie davon keit bin ich der Stiftung Mercator au- überzeugt habe, dass wir nur einen ßerordentlich dankbar. So zeigen wir Papst haben und – entgegen mancher beispielsweise, dass die Begrenzung des Unkenrufe – unser Papst auch katho- Nutzungsraumes Atmosphäre zwar das lisch ist. Vermögen der Besitzer von Kohle, Öl Die Veröffentlichung von Laudato sí und Gas vermindert, dass aber z.B. war ein unglaublicher Glücksfall. Na- durch eine Bepreisung von CO2 Ein- ture Climate Change hat der Enzyklika nahmen erzielt werden können, die die- eine eigene Sonderausgabe gewidmet, se Verluste nicht nur überkompensie- die ich Papst Franziskus bei einem ren, sondern auch Mittel für Infrastruk- zweiten Besuch überreicht habe. Darin turinvestitionen oder Steuersenkungen habe ich zusammen mit einer überzeug- bereit stellen – fiskalpolitische Maßnah- ten Atheistin und einem protestanti- men, die vielen Ländern neue Entwick- schen Kollegen das Konzept der Ge- lungsmöglichkeiten erschließen. Die meinschaftsgüter erläutert. Meine Kolle- Fragen der Fiskalpolitik haben mich in gin Brigitte Knopf, jene überzeugte den vergangenen Jahren intensiv be- Atheistin, hat in einem deutschen Kom- schäftigt. Nicht nur CO2-Steuern, son- mentar eine wunderbare Überschrift ge- dern auch Maßnahmen, die die Un- funden: Der Himmel gehört uns allen. gleichheit vermindern, wie etwa Erb- Nie habe ich von einer Atheistin eine schaftssteuern oder Bodensteuern sowie treffendere Zusammenfassung des die verteilungspolitischen Wirkungen christlichen Glaubens und der katholi- von Infrastrukturinvestitionen rückten schen Soziallehre gehört. Seither bete in den Fokus meiner Forschung. ich inständig, sie möge sich auf keinen Annette Schavan, bis kurz vor der Dr. Wolfgang Heubisch und Simon Fall zum Christentum bekehren – wir IV. Der neuzeitliche Machtgebrauch – Veranstaltung deutsche Botschafterin Biallowons, Programmleiter Theologie könnten doch sonst nicht mehr so Romano Guardini beim Heiligen Stuhl, der frühere beim Herder-Verlag, hatten einiges glaubhaft behaupten, die katholische bayerische Wissenschaftsminister auszutauschen. Soziallehre überzeuge auch einge- Man hat Laudato sí nicht nur ein ro- fleischte Atheisten. mantisches Wirtschaftsverständnis un- terstellt, sondern auch eine geradezu 4 zur debatte 6/2018
technikfeindliche Haltung. Ich bestreite Erfolgsaussichten. Wer wagt, wer sich nicht, dass sich da und dort Formulie- selbst aufs Spiel setzt, wer seine Haut rungen finden, die eine solche Interpre- zu Markte trägt, ist der Demütige. War- tation nahelegen. Die Enzyklika Lauda- um? Weil er seine Angst um sich über- to sí verweist hier auf Romano Guardi- windet. Wer sich zurückzieht, sich ni, mit dessen Thesen sich dieser Vor- selbst nicht aufs Spiel setzt, wer immer wurf nicht nur entkräften, sondern ein schon weiß, dass alles scheitert, wer zukunftweisendes Konzept des Um- sich von seiner Selbstangst überwälti- gangs mit dem technischen Fortschritt gen lässt, ist der Hochmütige, der seine entwickeln lässt. Talente vergräbt und nicht in Umlauf bringen will. Ein Mittel gegen diese läh- mende Selbstangst ist die Dankbarkeit. Der neuzeitliche Mensch So habe ich heute zu danken: Der Katholischen Akademie Bayern für die konstruiert sich einen De- Verleihung des Romano Guardini Prei- terminismus, dem die Ent- ses, den ich als Ermutigung für meinen weiteren Weg annehme; Frau Patrizia wicklung und Anwendung Espinosa, die als Generalsekretärin der von Techniken folgen muss. Klimarahmenkonvention unermüdlich für den Fortschritt dieser wichtigen multilateralen Institution arbeitet. Ich Denn nach Romano Guardini ist das möchte Ihnen versichern, dass auch die Problem der neuzeitlichen Technik ge- neue Leitung des PIK, mein Kollege Jo- rade nicht, dass dem Menschen hier han Rockström und ich, Sie in Ihrer eine zu große Macht zuwächst. Im Ge- wichtigen Arbeit nach Kräften unter- Dr. Rainer Dvorak, Direktor der Katho- an der Katholischen Stiftungshochschu- genteil, der Machtzuwachs durch die stützen werden. Ich danke Ihnen, ver- lischen Akademie Domschule Würz- le in Benediktbeuern. Egon Endres ist Technik wird grundsätzlich positiv und ehrter Herr Kardinal, dass Sie durch burg, zusammen mit Prof. Dr. Egon auch Mitglied des Allgemeinen Rates produktiv bewertet. Das Problem des Ihre Anwesenheit unterstreichen, dass Endres, Professor für Sozialwissenschaft der Katholischen Akademie Bayern. neuzeitlichen Machtgebrauchs besteht das Ringen um Klimagerechtigkeit so- für ihn darin, dass dieser Machtzuwachs wie die Überwindung von Armut und verleugnet wird. Der neuzeitliche Ungleichheit für die kirchliche Sozial- Mensch konstruiert sich einen Determi- lehre weiterhin von zentraler Bedeu- nismus, dem die Entwicklung und An- tung sein werden. wendung von Techniken folgen muss. Ich danke meinen Eltern, meinem Aber genau darin liegt für ihn der Bruder und meinen Verwandten, die Grund der Entfremdung, weil techni- heute an dieser Verleihung teilnehmen. scher Fortschritt nicht als ein Zugewinn Vor allem danke ich meiner Familie, an Freiheit, sondern als Zwang erlebt meiner Frau Annette, mit der ich nun wird. Wenn wir erwachsen werden wol- schon seit mehr als zwei Jahrzehnten len, so Guardini, sollten wir nicht vor einen gemeinsamen Weg gehen darf, dem Machtzuwachs der Technik zu- meiner Tochter Sarah und meinem rückschrecken, sondern die erhöhte Sohn Jacob. Die vielen heftigen Diskus- Verantwortung bejahen. Verantwortung sionen, das Feuerwerk der Ideen und heißt ja, dass wir rechenschaftspflichtig der stete Strom freundlicher, interessan- sind. Die Herausforderung der Post- ter und verrückter Gedanken beleben Moderne besteht aber gerade darin, mich. Ich danke meinen Kolleginnen dass wir nicht nur Rechenschaftspflich- und Kollegen am PIK und am MCC für ten gegenüber denen haben, die heute die wissenschaftliche Inspiration und leben – auch wenn sie räumlich weit kontroversen Diskussionen. Susanne entfernt sind, sondern auch denen ge- Stundner hilft mir nicht nur, das Chaos genüber, die noch gar nicht geboren des Alltags zu meistern; sie hat mir sind – also gegenüber den kommenden durch ihren freundlichen, aber entschie- Generationen. denen Widerspruch buchstäblich das Leben gerettet. John Schellnhuber dan- V. Zwischen Fatalismus und Hybris – ke ich, dass ich von ihm lernen konnte, vom Umgang mit dem Ende der wie man auf höchstem Niveau Wissen- Geschichte schaft betreibt und ein Forschungsinsti- tut leitet. P. Prof. Dr. Rüdiger Funiok SJ von der Damit stellt sich aber ein grundlegen- Gibt es einen Weg zwischen Hybris Hochschule für Philosophie (li.) und des Problem unseres Machtgebrauchs: und Fatalismus? In den besten Stunden Burkard Haneke, Geschäftsführer des Ist es nicht Hybris, dem Turmbau von meines Lebens erfahre ich mein Leben Hilfswerks Renovabis in Freising. Babel vergleichbar, diese Verantwortung als unverfügbares und überfließendes tragen zu wollen? Kann der Mensch Geschenk, das selbst durch meine Irrtü- das Klima steuern und zugleich disrup- mer, meine Fehler, meine Schuld und tive Innovationsprozesse meistern? selbst durch Krankheit und Tod nicht Sind Erdsystemforscher am Ende nicht entstellt werden kann. In diesen Erfah- Irrende, die glauben, die Welt aus eige- rungen ist die Hoffnung geborgen, mein ner Kraft retten zu können? Hat das Leben werde ganz und vollendet sein. 20. Jahrhundert nicht schon genug Aber eine Hoffnung, die ich nur für Weltrettungspläne gesehen, die allesamt mich hätte und die nur in den besten auf dem Müllhaufen der Geschichte ge- Stunden gilt, wäre keine Hoffnung, sie landet sind? wäre Betrug. In der Bibel wird Babylon Hier wird implizit oder explizit eine als die Stadt der Hybris beschrieben – Maxime kritisiert, wonach der Mensch ein sinnloser Turmbau, der Menschen- nach dem Höchsten streben soll, auch opfer fordert, die menschliche Sprache wenn er weiß, dass er es aus eigener verwirrt und die Begegnung zwischen Kraft nicht erreichen kann. Ein Christ, Menschen zerstört. Das neue Jerusalem so könnte man vermuten, darf nicht ist das Bild einer Stadt, in der keine nach dem Höchsten streben, weil dies Menschen mehr geopfert werden müs- seiner vermeintlichen Demut widersprä- sen. Alle Völker leben gleichberechtigt che. in Frieden und Wohlstand. Die Lebens- Die beste Tradition der christlichen bäume an den Gewässern der Stadt Spiritualität spricht hier eine andere sind Zeichen einer geheilten Schöpfung. Sprache, die den Menschen zu einer na- Diese Bilder aus dem Buch der Offen- hezu verwegenen Kühnheit verführen barung halten die Hoffnung wach, dass will. So schreibt Ignatius von Loyola: unser Einsatz Früchte tragen wird und „Vertraue so auf Gott, als ob der Erfolg wir in dieser Stadt leben werden. Aber der Dinge ganz von Dir, nicht von Gott wir wissen auch, dass nicht wir es sind, abhinge; wende dennoch dabei alle die die Bäume pflanzen, und nicht wir Mühe so an, als ob du nichts, Gott al- es sind, die diese Stadt entwerfen. Wir Dr. Gertraud Burkert, lange Jahre nen beim Festakt. Sie traf auch auf lein alles tun werde.“ sind nur die Gärtner und Arbeiter. Das Münchens 2. Bürgermeisterin, Ehren- Msgr. Rainer Böck, den Münchner In meinem Handeln – so diese para- mag fromm klingen, aber ich finde kei- bürgerin ihrer Stadt und über Jahrzehn- Diözesanbeauftragten für Flucht, Asyl doxe Formulierung – soll das Maß mei- ne anderen, ich finde keine besseren te auch Mitglied im Allgemeinen Rat und Integration. nes Gottvertrauens zum Ausdruck Worte, den Grund meiner Hoffnung zu der Akademie, war eine der Politikerin- kommen und nicht die Berechnung der bezeugen. zur debatte 6/2018 5
Begrüßung der Festgäste Auferstehung. Und bei vielen Heiligen- legenden, in denen Tiere eine Rolle konvention mit Sitz in Bonn. Danke, dass Sie Ihren einzigen freien Tag im spielen, denken Sie nur an den heiligen ersten Halbjahr 2018 für uns hier inves- Florian Schuller Hubertus, ist es ähnlich. Da stehen Tie- tiert haben und mit Ihrem Ehemann re für menschliche Grunderfahrungen Juan Luis Rivera Ferrero gekommen oder religiöse Wahrheiten. sind. Letztlich geht es dabei um ein sakra- mentales Grundverständnis der Wirk- IV. lichkeit, darum, dass die Würde von al- lem, was ist, tiefer gründet als nur in Was der Pelikan dem Mythos nach I. seiner direkten, ersten, unserem Zugriff tut, wissen wir alle: er reißt sich mit sei- ausgesetzten Dimension. nem Schnabel die Flanke auf, und sein „Wir wissen, dass die gesamte Schöp- Ganz ausgeprägt finden Sie dieses Blut nährt die Jungen. Mit einem Hin- fung bis zum heutigen Tag seufzt und in Denken im „Physiologus“, dem um 200 weis auf Blut wurde und wird bekannt- Geburtswehen liegt.“ nach Christus entstandenen Volksbuch lich, jüngst erst wieder von Papst Fran- Dieser Satz aus dem 8. Kapitel des zur Tiersymbolik, dessen Einfluss auf ziskus, die purpurrote Farbe der Ge- Römerbriefes ist der eine Brennpunkt das Denken von Jahrhunderten nur mit wänder der Kardinäle begründet. jener Ellipse urphilosophischer, urtheo- der Bibel und der „Legenda Aurea“ der So begrüße ich unter dem Bild des logischer Wirklichkeitsdeutung, deren Heiligenlegenden zu vergleichen ist. Pelikans die Purpurträger anderer Brennpunkt im ersten Kapitel z Kardinal Reinhard Marx, der trotz der Bibel so lautet: „Und Gott sah alles III. seiner vielen auch internationalen Ver- an, was er gemacht hatte: Und siehe, es pflichtungen zu uns gekommen ist, war sehr gut.“ Und so blättere ich heute im „Physio- z ebenso herzlich seinen Vorgänger Beides ist wahr. Sowohl das „Gut logus“, blicke in die Runde der Anwe- als Erzbischof von München und Frei- sein“ der Schöpfung, die Faszination senden, freue mich, wie man zu sagen sing, Kardinal Friedrich Wetter, der erst ihrer Dynamik, auch ihrer Schönheit, pflegt, „tierisch“ über Ihre Anwesenheit vor drei Tagen hier in diesem Raum den genauso wie das „Seufzen“, die Gebro- und beginne natürlich beim König der 90. Geburtstag, sein 65-jähriges Pries- chenheit, die Gefährdung, der Abgrund. Tiere, beim Löwen. Im „Physiologus“ terjubiläum und gleichzeitig sein 50-jäh- Und wir – Menschen des 20., des 21. lese ich: „Wenn der Löwe schlummert riges Bischofsjubiläum gefeiert hat. Jahrhunderts – stehen nicht nur als Be- in seiner Höhle, so ist’s doch eher ein Und mit Ihnen beiden alle Vertreter obachter, viel mehr noch als Handelnde Wachen; denn geöffnet bleiben seine kirchlicher Einrichtungen, Werke, Ar- inmitten dieser Ambivalenz, verändern Augen.“ beitsbereiche: Dazu mit fundamentalen Folgen für alle, be- Als Löwe mit offenen Augen begrüße z Abtpräses Jeremias aus St. Ottilien, sonders zukünftige Generationen, die ich unseren Preisträger Professor Ott- stellvertretend für viele weitere Ordens- Voraussetzungen des Lebens auf der Dr. Florian Schuller, Direktor der mar Edenhofer. Sie rufen mit mächtiger angehörige und Ordensobere; Erde. Katholischen Akademie in Bayern Stimme und gehören zu jenen, die die z Professor Hans Tremmel, den Vor- Seit etlichen Jahren hat sich deshalb Klimaproblematik, deren ökologischen sitzenden des Diözesanrats der Katholi- der innerreligiöse Begriff „Bewahrung Herausforderungen und die weltweiten ken in der Münchner Erzdiözese, für der Schöpfung“ eingebürgert. Mir klingt Konsequenzen mit offenen Augen sehen alle Laienräte und Verbände. dieses gut gemeinte Wort immer zu all- seitig negativ auswirkte und die Würde und uns alle lehren, ebenfalls die Augen z Und die Domkapitulare Gerhard machtsbetont. Schöpfung ist alles, was der Schöpfung, der creatura Dei, nicht offen zu halten. Förch und Wolfgang Klausnitzer aus es überhaupt gibt, das Weltall ist Schöp- im Blick hatte. Wie haben sie es bereits in Ihrer Bamberg, die mit Dr. Rainer Dvorak aus fung. Und alles das bewahren zu wollen Doch weit bis ins Mittelalter gab es Doktorarbeit formuliert: „I am interes- Würzburg und Professor Sigmund Bonk und zu sollen, grenzt an unreflektierte die Tradition christlicher Ehrfurcht vor ted in Weltverbesserung.“ Und offene aus Regensburg dafür stehen, dass wir Hybris. der Schöpfung. Der große Augustinus, Augen hatten Sie schon immer, wenn eine Akademie für ganz Bayern sind. Da klingt viel nüchterner und da- um nur ein Beispiel zu nennen, spricht Sie sich als Jugendlicher um die Alten mit wahrer jene „Sorge für das gemein- von der vierfachen liebenden Ehrfurcht, in Ihrer niederbayerischen Heimatge- V. same Haus“, wie der Untertitel der En- die der Mensch schulde: „Dem, was meinde Gangkofen gekümmert haben, zyklika Laudato sí von Papst Franzis- über uns ist, dem, was wir sind, dem, oder als junger Jesuit um die Versehrten Die schönste Geschichte zum heili- kus lautet. was neben uns ist , dem, was unter uns des Bosnienkrieges. gen Kevin, dem Gründer des irischen ist“: („Unum, quod supra nos est, al- Ihre ganze Familie ist mitgekommen, Klosters Gleand da Loch geht so: Der II. terum, quod nos sumus, tertium, quod Ihre Ehefrau Annette, der Sohn Jacob, Einsiedler betete eines Nachts mit aus- iuxta nos est, quartum quod infra nos der in England Philosophie studiert, die gestreckten Armen und nach oben offe- Diskutiert wird, sicher mit Recht, wie est“ – De doctrina christiana I, 23, 22). Tochter Sarah, noch am Gymnasium, nen Händen. Da kam eine Amsel, und sich christliche Theologie zu den Her- Umgesetzt wurde dieses theologische die Eltern, der Bruder und mehrere Ver- legte ihre Eier in eine der Hände wie in ausforderungen weltweiter Klimapolitik Apriori interessanterweise vor allem in wandte aus der niederbayerischen Hei- ein Nest. Das rührte den Heiligen so und deren gesellschaftlicher Implikatio- der Bildenden Kunst und den Heiligen- mat. sehr, dass er in aller Geduld und Sanft- nen stellt. Bei den ethischen Maximen legenden. Den Part der Löwin mit offenen mut verharrte und die Hand weder sind wir, die Kirchen, wohl up to date. Blumen auf mittelalterlichen Darstel- Augen spielt heute die Laudatorin, Frau schließen noch zurückziehen mochte. Gleichwohl müssen wir zugeben, dass lungen sind mehr als nur Schmuck, sie Patricia Espinosa Cantellano, ehemals Ohne Ermüden hielt er sie sorgsam hin- sich ein übersteigerter Anthropozentris- verweisen zum Beispiel auf die Reinheit mexikanische Außenministerin, Gene- aus, bis die Jungen alle ausgebrütet wa- mus über viele Jahrhunderte hin ein- Marias oder die Passion Jesu oder dessen ralsekretärin der UN-Klimarahmen- ren. Rechtsanwalt Hans-Peter Hoh, Kon- Der Historiker Prof. Dr. Peter Claus ziliarmitglied des Vereins der Freunde Hartmann, Bundesministerin a. D. und Gönner der Katholischen Akade- Annette Schavan und Ulrich Ruh, mie Bayern, mit Prof. Ursula Männle, ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift der Vorsitzenden der Hanns-Seidel- Herder Korrespondenz, waren in einen Stiftung. intensiven Gedankenaustausch vertieft. 6 zur debatte 6/2018
Felix Johann Landgraf, Kunstreferent Prof. Dr. Manfred Weitlauff (v.l.n.r.) Daniela Philippi (li.), ehemalige Strötz, Präsident a. D. des Oberlandes- der Diözese Augsburg, Prälat Dr. waren ebenfalls ein interessantes bayerische Regierungssprecherin, gerichts Nürnberg und Mitglied im Wolfgang Schwab, Münchner Domkapi- Dreigespann. Dr. Hildegard Kronawitter, Mitglied der Allgemeinen Rat der Akademie. tular i. R., und der Kirchenhistoriker Akademieleitung, und Dr. Christoph Verstanden sich prächtig: Ottmar Die Ehepartner der Protagonisten: Luis Rivera Ferrero reiste mit seiner Edenhofer und Kardinal Marx. Annette Edenhofer war zusammen mit Frau Patricia Espinosa Cantellano aus ihrem Mann und vielen weiteren Bonn an. Familienmitgliedern gekommen. Juan Das junge und hoch virtuose Ensemble Barbara Brustlein, die Chefredakteurin „Buffzack“ – Lukas Jochner, Sebastian des „missio-magazins“ und Präsidentin Wolfgruber, Andreas Unterreiner und des Bayerischen Presseclubs, freute sich Florian Mayrhofer (v.l.n.r.) – gestaltete mit dem Akademiedirektor über die den Festakt musikalisch mit originellen, gelungene Veranstaltung. kreativen Arrangements. zur debatte 6/2018 7
Bei diesem Bild der Sanftmut und der VIII. Geduld sind mir die Vertreter der Öku- mene eingefallen: Für die Vertreter der Politik scheint z Landesbischof i.R. Johannes Friedrich mir schon seit jenen Allegorien der An- und seine Gattin Dorothea, tike, die vom Christentum übernommen z die Präsidentin der evangelischen wurden, der Elefant zu stehen. Aus dem Landessynode, Frau Dr. Annekathrin Jahr 1603 gibt es zum Beispiel einen Preidel mit ihrem Mann, Text, der dem Elefanten drei Haltungen z und meinen Tutzinger Kollegen, Aka- zuschreibt: demiedirektor Udo Hahn. z Robur, die Stärke wegen seiner mäch- z Für die Orthodoxie heiße ich Erz- tigen Gestalt, priester Apostolos Malamoussis will- z Mansuetudo, die Milde wegen seiner kommen. Apostolos Malamoussis hat ja angeblichen Sanftheit, bei uns hier in München mit der jährli- z und Religio, weil – ich zitiere wört- chen Segnung der Isar die alte orthodo- lich – „er mehr als jedes andere Tier xe Theologie zur Schöpfung bewusst ge- fromm ist“. macht. Nicht umsonst findet die Was- Wenn das kein Programm bietet – ge- sersegnung am 6. Januar statt, dem rade in politisch bewegten Zeiten wie Hochfest Epiphanie, der Erscheinung den unseren. Gottes in seiner Schöpfung. Ich heiße willkommen z Abgeordnete aller im bayerischen VI. Landtag vertretenden Parteien, z den früheren bayerischen Minister- In der südfranzösischen Gegend von präsidenten Günther Beckstein Annette Edenhofer im Gespräch mit Nimes spielt die Geschichte des Ein- z Botschafterin – neuerdings a.D. – Herzog Franz von Bayern und P. Prof. siedlers Ägidius und der Hirschkuh, Annette Schavan Dr. Eckhard Frick SJ von der Hoch- „die ihm zu gewissen Stunden reichlich z und natürlich ganz besonders den schule für Philosophie. Milch zu seiner Nahrung bot“. Von ei- bayerischen Umweltminister Dr. Marcel ner Hundemeute jagender Goten ver- Huber, der gleich das Grußwort der folgt, flieht sie zur Höhle des Einsied- Staatsregierung sprechen wird. lers. Der betet für sie, wird selber von Dass es heute um ein internationales einem Pfeil der Jäger getroffen; als aber Thema erster politischer Ordnung geht, der Bischof von Nimes dazukommt, um beweist darüber hinaus die Anwesen- Verzeihung bittet und Arznei für die heit zahlreicher General- oder Hono- Wunde anbietet, weist sie der Einsiedler rarkonsulen aus Frankreich, Österreich, zurück, denn er denkt an das Schrift- Portugal, Norwegen, der Slowakei und wort, dass die Tugend vollendet werde der Ukraine, aber auch bis aus Brasili- in der Schwachheit. en, dem Iran, der Mongolei, Mosambik Die Hirschkuh, die „zu gewissen und Ruanda. Stunden reichlich Milch bietet“, kann gut für die Welt der Wissenschaft ste- IX. hen. Ich begrüße alle anwesenden Pro- fessorinnen und Professoren, Ein zentrales Symbol über viele Jahr- z darunter Prof. Dr. Johannes Walla- hunderte war die Muschel. Der „Physio- cher, den Präsidenten der Hochschule logus“ weiß, wie die Perle in der Mu- für Philosophie SJ, der bereits mehrfach schel entsteht: bei Sonnenaufgang mit unserem Preisträger zusammengear- „trinkt sie den Himmelstau und den beitet hat, Strahl von Sonne, Mond und Sternen“. z sowie Professor Nikolaus Korber, der Die Perle steht damit für die Verbin- Vizepräsident der Uni Regensburg und dung von oben und unten, von Himmel Mitglied in unserem Allgemeinen Rat. und Erde, von Feuer/Licht und Wasser. Und die milchgebende Hirschkuh Heute nehme ich die Muschel, jenes kann gut auch die Vertreter der Medien zentrale Wallfahrtsmotiv des Mittel- repräsentieren. alters, nicht nur für den Camino de Santiago und ihre Perle als Signal für VII. unsere Akademieleitung. Denn sie ver- Dorothea und Landesbischof a. D. Dr. leiht den Romano Guardini Preis der Johannes Friedrich mit Msgr. Wolfgang Interessanterweise gibt es nicht nur Katholischen Akademie Bayern, sie ver- Huber, dem Präsidenten von missio aus dem Mittelalter Geschichten mit bindet das Drinnen der Akademie mit München. Tieren und Heiligen, sondern auch aus dem Draußen von Kirche und Gesell- der Neuzeit. schaft: So wird in den Akten über den heili- z Herzog Franz von Bayern, gen Don Bosco immer wieder von einem z Domdekan Prälat Dr. Lorenz Wolf, großen, grauen Hund berichtet. Don z Frau Edda Huther Bosco hat einmal gesagt: „Von Zeit zu z und Frau Dr. Hildegard Kronawitter. Zeit kam mir der Gedanke, der Her- kunft dieses Hundes nachzuforschen. X. Dann aber dachte ich: Ach. Mag er ge- hören, wem er will. Ich weiß nur das Schließlich blicke ich auf Sie alle, bin eine, dass mir das Tier in den vielen Ge- dankbar, dass Sie da sind. Ich lese Ih- fahren, in denen ich mich befunden nen noch aus einem Brief des Bundes- habe, ein wahres Werkzeug der Vorse- präsidialamtes in Berlin vor: „Der Bun- hung gewesen ist.“ despräsident wünscht Ihnen, allen Gäs- Denn mehrmals in den Jahren zwi- ten und besonders Herrn Prof. Dr. schen 1850 und 1860 soll der Hund Edenhofer, den er Sie herzlich zu grü- Don Bosco bei nächtlichen Gängen von ßen bittet, eine eindrucksvolle Preisver- Turin zurück nach Valdocco zum Ora- leihung.“ torium mit den Jugendlichen bei Über- Dem kann ich mich nur anschließen fällen von Räubern gerettet haben. und wünsche uns allen, dass der Festakt Mit der Erinnerung an diesen schüt- dieses Tages uns wieder bewusst macht, zenden Hund in schwieriger gesell- was im 8. Jahrhundert der angelsächsi- schaftlicher und politischer Lage heiße sche Theologe Beda Venerabilis so for- ich willkommen die hohen Vertreter der muliert hat: „Wir verlieren die Herr- Justiz, der Polizei, der staatlichen Ver- schaft über die Kreatur, über die Schöp- waltung, der Regierungen, genauso wie fung, weil wir selber es nicht mehr ernst des Umweltschutzes und auch der Wirt- nehmen mit dem Dienst des Schöpfers“ schaft. (Vita Cuthberti c. 21). z Stellvertretend nur Clemens Börsig, Vatikan-Botschafterin a. D. Annette Fachleute in Fragen des kirchlichen den früheren Aufsichtsrats-Vorsitzenden Schavan mit Prof. Dr. Markus Vogt: Der Engagements im Umweltschutz; auch er der Deutschen Bank, Sozialethiker ist einer der führenden gehört zu den Beratern des Papstes. z Michael Schmidt von der Mercator- Stiftung z und Richard Mergner vom BUND Bayern. 8 zur debatte 6/2018
oder aber alles geht zu Ende.“ Und gera- virtuellen Alpenobservatorium! Ich Grußwort der Bayerischen Staatsregierung de, lieber Herr Professor Edenhofer, sage: Ein starkes Bekenntnis zur Erfor- schaut es eher nach zweitem aus, wenn schung und Bekämpfung des Klima- Marcel Huber die Menschheit nicht ganz schnell auf wandels! Ihren Rat hört! Wer sich als Wissenschaftler in der Der Klimawandel tritt immer deutli- Klimaforschung engagiert, braucht sich cher in Erscheinung. Wir erleben einen nicht nach dem Sinn seines Lebens zu Temperaturrekord nach dem anderen: fragen. Er operiert am offenen Herzen 2015, 2016 und 2017 waren die drei unseres Planeten! Und das Potsdam- wärmsten Jahre seit Beginn der Auf- Institut für Klimafolgenforschung ist da- Meine Damen und Herren, ich be- zeichnungen. Hier in Bayern steigt die für einfach „the place to be“! Ich freue grüße Temperatur sogar noch schneller als im mich, dass mit Ihnen, Herr Professor weltweiten Durchschnitt. In den Alpen Edenhofer, nach Hans Joachim Schelln- z den Lehrstuhlinhaber für die Ökono- sind wir inzwischen bei einem Plus von huber, wieder ein Bayer die Leitung die- mie des Klimawandels an der Techni- 1,4 Grad im Vergleich zu den Jahren am ses renommierten Instituts übernimmt! schen Universität Berlin, Beginn der Aufzeichnungen. Sie leiten dort bislang den For- Das heißt: Wir sind auf dem Weg schungsbereich „Nachhaltige Lösungs- z den Direktor des „Mercator Research zum klimatologischen „Point of no Re- strategien“ und liefern mit Ihren Mit- Institute on Global Commons and turn“. Jenseits der 2-Grad-Grenze von arbeiterinnen und Mitarbeitern For- Climate Change“ Paris drohen unabsehbare Szenarien. schung auf Spitzenniveau! Der Bereich Schon jetzt müssen Menschen in der wurde in der letzten Leibnitz-Evaluie- z und den designierten Leiter und Südsee ihre Dörfer verlassen, weil der rung mit „exzellent“ bewertet. Unter Ih- Chefökonom des Potsdam-Instituts für Meeresspiegel unaufhörlich steigt. Schon rer Leitung entstand der „Sonderbericht Klimafolgenforschung. jetzt fallen Ernten in Afrika aus, weil zu Erneuerbaren Energien und der Ver- Dürre und Hitze anhalten und der Re- meidung des Klimawandels“ des Welt- Dass ich damit nicht drei, sondern gen nicht kommt. Schon jetzt erleben klimarats. Sie wirken in wichtigen nati- nur eine Person hier im Raum begrüßt wir hier in Bayern Starkregen, Sturzflu- onalen und internationalen Beratungs- habe, zeigt schon: Der Mensch, der ten und extrem lange Trockenperioden. gremien mit. Sie sind Mitglied des Wis- heute hier geehrt wird, ist ein „Tausend- Doch einen Lichtblick gibt es: Noch senschaftlichen Beirats des ifo-Instituts sassa“, ein Multitalent, ein Universal- ist das Zeitfenster offen, noch haben wir München, der Themengruppe „Klima, genie! das Heft in der Hand. Noch können wir Energie und Umwelt“ der Nationalen den Klimawandel wenigstens begren- Akademie der Wissenschaften Leopol- Lieber Herr Professor Edenhofer, ein zen. Wir in Bayern wollen alles dafür dina, im Beirat „Green Growth Know- herzliches Grüß Gott hier in München! unternehmen! Unsere Ziele sind hoch ledge Platform“ der Weltbank und Mit- Königliche Hoheit, meine sehr verehr- Dr. Marcel Huber, Bayerischer ambitioniert. Bis 2050 wollen wir die glied der Deutschen Akademie der ten Herren Kardinäle Marx und Wetter, Staatsminister für Umwelt Treibhausgase im Freistaat auf unter Technikwissenschaften sowie Mitglied hochverehrte Geistlichkeit, Frau Gene- zwei Tonnen je Einwohner und Jahr im Stiftungsrat der Munich Re. ralsekretärin Espinosa Cantellano, mei- chefs zu beraten, um nicht weniger als senken. Und bis 2030 wollen wir die Und Sie schalten sich immer wieder ne Damen und Herren des diplomati- die Welt zu retten, wie die FAZ einmal Emissionen auf unter fünf Tonnen sen- in die öffentliche Klimaschutzdebatte schen Corps, Herr Ministerpräsident geschrieben hat. Und heute sind Sie ken. ein – ambitioniert, aber immer sachlich! a.D. Dr. Beckstein, liebe Kolleginnen hierher zurückgekehrt, um den renom- Zu diesen Zielen braucht es auch die Sie kritisieren zurecht die Kohleverstro- und Kollegen aus dem Bayerischen mierten Romano Guardini Preis der richtigen Maßnahmen. Daher veran- mung, da sie das 2-Grad-Ziel gefährdet. Landtag, lieber Herr Dr. Schuller, ver- Katholischen Akademie Bayern zu schlagen wir für unser Klimaschutzpro- Sie fordern zurecht einen Mindestpreis ehrte Fest- und Ehrengäste! empfangen. gramm Bayern 2050 alleine im laufen- für CO2: Nur so können wir die Emissi- Auch Sie begrüße ich ganz herzlich Man kann sich kaum einen passen- den Doppelhaushalt fast 190 Millionen onen effizient reduzieren, nur so gelingt zu diesem Festakt in der Katholischen deren Preisträger vorstellen: Romano Euro Investitionen. Und ein zentraler die Energiewende. Sie zeigen zurecht: Akademie. Wir sind hier dem Münch- Guardini, katholischer Priester, Theolo- Punkt im Klimaschutzprogramm, lieber Klimaschutz und Wirtschaftswachstum ner Univiertel ganz nahe – und damit ge und Philosoph. Auch er wirkte an Herr Professor Edenhofer, ist die For- schließen einander nicht aus. Sie geben genau auf der Startrampe Ihrer Karrie- der Ludwig-Maximilians-Universität schung. damit wichtige Denkanstöße für die Kli- re, lieber Herr Professor Edenhofer. Gut und lehrte Christliche Weltanschauung Die Klimaforschung ist dabei in zwei- mapolitik. Ich danke Ihnen für diese eineinhalb Kilometer von hier, an der und Religionsphilosophie. Eines seiner facher Hinsicht eine großartige Sache: Impulse und ich bitte Sie: Machen Sie Ludwig-Maximilians-Universität, stu- einflussreichsten Werke – Das Ende der Sie liefert uns Wissen, wie wir den Kli- genauso weiter! dierten Sie Volkswirtschaftslehre – un- Neuzeit – zeigt die Grenzen des Fort- mawandel vermeiden oder abschwä- Wir brauchen Menschen, die voraus- ter anderem bei einem damals ganz jun- schritts, die Gefahren menschlichen chen können und wie wir uns an das denken. Wir brauchen Menschen, die gen Professor Hans-Werner Sinn! Handelns für die Welt auf. Es ist Unvermeidbare anpassen können! Die herausfordern. Wir brauchen Menschen, Dann – auch nur einen Katzensprung Grundlage der Umwelt-Enzyklika Lau- Bayerische Staatsregierung nutzt und die die „Sorge um den Menschen“ um- von hier – an der Hochschule für Philo- dato sí von Papst Franziskus, die auch unterstützt die Klimaforschung aktiv. treibt – wie Romano Guardini es nann- sophie München studierten Sie Philoso- Sie maßgeblich beeinflusst haben. Unsere Umweltforschungsstation auf te. Lieber Herr Professor Edenhofer, ich phie als Novize im Jesuitenorden. Von Romano Guardini schrieb vor fast 70 dem Schneefernerhaus betreibt For- gratuliere Ihnen ganz herzlich zu die- hier sind Sie ausgezogen, um einer der Jahren: „Entweder gelingt es dem Men- schung auf höchstem Niveau! Jetzt bau- sem Preis und wünsche Ihnen – auch wichtigsten Klimaexperten unserer Zeit schen, das Herrschaftswerk richtig zu en wir sie zum Zentrum eines internati- ganz eigennützig – viel Erfolg bei der zu werden, um Staats- und Regierungs- machen, und dann wird es gewaltig – onalen Forschungsnetzwerkes aus, zum Rettung der Welt! Zwei CSU-Veteranen: der frühere Prof. Dr. Hans Tremmel, Vorsitzender Umweltbeauftragte der Erzdiözese Ministerpräsident Dr. Günther Beck- des Diözesanrates der Katholiken im München und Freising ist einer der stein (re.) und Heinrich Traublinger, Erzbistum München und Freising, traf Pioniere des kirchlichen Umwelt- lange Jahre Präsident der Handwerks- auf Gotthard Dobmeier: Der frühere engagements. kammer von Oberbayern und Landtags- abgeordneter. zur debatte 6/2018 9
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